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German Pages 848 Year 2010
Ehinger . Griesche . Rasch Handbuch Unterhaltsrecht
Handbuch Unterhaltsrecht Ansprüche · Berechnung Strategien · Verfahren von
Dr. Uta Ehinger Richterin am KG Berlin a.D.
Gerhard Griesche Vorsitzender Richter am KG Berlin a.D.
Dr. Ingeborg Rasch Richterin am KG Berlin
6. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2010
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZcichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrutbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47947-3 ©2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist w:heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Gennany
Vorwort Dass die 6. Auflage schon in 2010 erscheint, ist nicht nur der guten Nachfrage geschuldet, der sich das Handbuch erfreut. Insbesondere die seit 1.9.2009 in Kraft getretene grundlegende Reform des Verfahrensrechts durch das FamFG, aber auch die Fülle ober- und höchstrichterlicher Gerichtsentscheidungen zum reformierten materiellen Unterhaltsrecht waren Anlass und Ansporn, das Handbuch zügig zu aktualisieren. Dabei war wegen der völligen Neugestaltung des Verfahrensrechts der verfahrensrechtliche Teil in den Kapiteln L und M völlig neu zu schreiben. Zwar verweist das neue Verfahrensrecht für Unterhaltsstreitverfahren zu einem wesentlichen Teil auf ZPO-Vorschriften, so dass der Gang des Verfahrens im Kern unverändert geblieben ist. Gleichwohl sind die Änderungen gravierend. Denn es haben sich mit Einführung des FamFG nicht nur Äußerlichkeiten und Formalitäten geändert, nämlich dass z.B. die Bezeichnung des Unterhaltsprozesses jetzt als Unterhaltsstreitverfahren, des Urteils als Beschluss, der Klage als Antrag, der Parteien als Beteiligte. Vielmehr sind auch wesentliche verfahrensrechtliche Vorschriften geändert worden, deren Kenntnis für die erfolgreiche Führung eines Unterhaltsstreitverfahrens von entscheidender Bedeutung ist: So ist der vorläufige Rechtsschutz bei der einstweiligen Anordnung grundlegend geändert worden, es gelten andere Beurteilungsmaßstäbe für die Kostenentscheidung, die Befugnisse des Gerichts, Auflagen zur Auskunft zu erteilen, sind ausgebaut und erweitert worden, die vorläufige Vollstreckbarkeit von Unterhaltsbeschlüssen und das Rechtsmittelrecht sind ebenfalls neu geregelt worden. Wir haben deshalb den verfahrensrechtlichen Teil des Buches neu strukturiert und mit Mustern ergänzt, um den Einstieg in die Arbeit mit dem neuen Verfahrensrecht zu erleichtern. Dabei konnten auch Zweifelsfragen, die sich bei der Anwendung des neuen Rechts für die Praktiker ergeben und in Fortbildungsveranstaltungen diskutiert wurden, eingearbeitet werden. Die Übergangsvorschrift zum FamFG, Art. 111 FGG-RG, die unterhaltsrechtlichen Verfahren noch einige Anwendungsschwierigkeiten bereitet, haben wir mit kurzen Hinweisen auf die Rechtsprobleme im Anhang O, unter I. abgedruckt. Das Kapitel N über die Zwangsvollstreckung ist ebenfalls neu strukturiert und aktualisiert worden. Darin wird auch das seit dem 1.7.2010 geltende und mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes neu eingeführte Pfändungsschutzkonto ausführlich mit seinen Vor- und Nachteilen für Unterhaltsgläubiger und -schuldner behandelt, denn es spielt gerade bei der Vollstreckung titulierter Unterhaltsforderungen eine besonders wichtige Rolle. Aber auch der materiell-rechtliche Teil (Kapitel A bis I) ist gründlich überarbeitet worden. Dabei ist die aktuelle Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte bis zum Juli 2010 berücksichtigt worden. Bei der Anwendung des seit 1.1.2008 durch das UÄndG reformierten Unterhaltsrechts haben sich für die Praktiker eine Fülle an Zweifelsfragen ergeben, die mit den diskutierten Lösungsvorschlägen dargestellt sind. Zu vielen Streit- und Zweifelsfragen hat der BGH durch seine zügige Entscheidungspraxis bereits Stellung genommen, so dass insoweit schon mehr Rechtssicherheit entstanden ist. Nicht alle Lösungen überzeugen, was angesichts der tief greifenden Änderungen, die das UÄndG im Unterhaltsrecht herbeigeführt hat, nicht verwundert. V
Vorwort
Wie schon bisher haben wir bei der Darstellung des materiellen Rechts Wert darauf gelegt, zum besseren Verständnis der gesetzlichen Regelungen und der diskutierten Rechtsprobleme den Text durch anschauliche Beispiele anzureichern. Dies war uns auch wichtig für die nach neuem Recht häufig vorkommenden Billigkeitsregelungen, wie z.B. beim Nacheheunterhalt. Da die Gerichte bei nachehelichen Unterhaltsansprüchen in jedem Einzelfall Billigkeitsentscheidungen über die Herabsetzung und Befristung der Ansprüche zu treffen haben und diese nach der Rechtsprechung des BGH eine umfassende Einzelfallwürdigung erfordern, haben wir nicht nur im Kapitel G VII, das speziell § 1578b BGB behandelt, sondern auch bei der Darstellung der einzelnen Unterhaltstatbestände noch Beispiele gebracht, die verdeutlichen sollen, auf welche Kriterien es für den Sachvortrag maßgeblich ankommt. In den Berechnungsbeispielen zum Unterhalt sind die aktuell geltenden Tabellenunterhaltsbeträge der Düsseldorfer Tabelle sowie die Mindestbedarfs- und Selbstbehaltssätze der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der OLG nach dem Stand 1.1.2010 berücksichtigt. Da sich nach den Erfahrungen in den letzten Jahren der Tabellenunterhalt und das Kindergeld beinahe jährlich geändert haben, wird empfohlen, sich bei eigenen Berechnungen zu vergewissern, welche Werte für den in Betracht kommenden Unterhaltszeitraum nach den Tabellen und Leitlinien gegolten haben. Sie können im Internet unter www. famrb. de abgerufen werden, wo Sie auch weitere nützliche Tabellen, und Materialien finden. Ab 1.1.2011 ist zwar nicht mit einer Änderung des Tabellenunterhalts zu rechnen, es ist jedoch eine Erhöhung der Mindestbedarfs- und der Selbstbehaltssätze in der Diskussion (s. dazu die entsprechende Ankündigung des OLG Frankfurt in NJW-aktuell 31/2010, S. 22), so dass sich auch insoweit empfiehlt, für Berechnungen die aktuell geltenden Werte zu überprüfen. Angesichts seiner zunehmenden Bedeutung für das Unterhaltsrecht haben wir der Darstellung des europäischen Gemeinschaftsrechts mehr Raum gewidmet. Hier ergeben sich ab dem 18. Juni 2011 Veränderungen durch Anwendbarkeit der neuen Verordnung (EG) Nr. 4/2009 (EuUnterhVO) und der damit verbundenen Anwendung auch des Haager Protokolls vom 23. November 2007. Sie regeln künftig zusammenfassend das internationale Verfahrensrecht, die Durchsetzung von Ansprüchen und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen. Wir hoffen, dass unser aktualisiertes Handbuch samt der neu verfassten Darstellung des reformierten Unterhaltsverfahrensrechts unseren Lesern eine gute und nützliche Hilfe sein wird bei der Bearbeitung konkreter Fälle. Für Anregungen und Hinweise unserer Leser, für die Sie die am Buchende eingefügten Hinweiskarten oder die dort angegebene E-Mail-Adresse nutzen können, sind wir stets dankbar. Berlin, im Juli 2010
VI
Uta Ehinger
Gerhard Griesche
Inge Rasch
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXI
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXIII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV Rn.
Seite
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes (Ehinger) . . .
1
1
B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes (Ehinger) . . . . . .
163
113
C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung (Rasch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
161
D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder (Ehinger) .
253
169
E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern (Ehinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
205
F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten (Ehinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
235
G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten (Ehinger) . .
428
307
H. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (Rasch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
554
443
I. Spezialprobleme (Ehinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556a
445
J. Auskunft und Vorlage von Belegen (Rasch) . . . . . . . . . . . . . .
557
459
K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs (Rasch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
471
L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen (Rasch) . . . . . . . . . . . . .
613
485
M. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen (Griesche) . . . . . . . . .
995
629
N. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen (Griesche) . . 1179
683
O. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
747
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
VII
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXI
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXIII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV Rn.
Seite
1
1
. . . .
1 4 5 17
1 2 2 8
....
20
11
2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beginn und Dauer des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 22 25c
11 12 17
III. Wie der Unterhalt berechnet wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . a) Einkommen nichtselbständiger Erwerbstätiger . . . . . b) Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einkünfte aus Mehrarbeit und überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckbestimmte Entgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einkommen selbständig Erwerbstätiger . . . . . . . . . . . f) Steuererstattungen – Steuernachzahlungen – Ehegattensplittingvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Einkünfte aus Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen . . . . . . . . i) Sachbezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Renten – Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Fiktive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Kindergeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Unterhaltsvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n) Elterngeld und Erziehungsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . o) Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . p) Arbeitslosengeld II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 26 31 35 38
17 17 19 22 24
39 41 42
24 26 26
49a 50 51 54 56 57 65 65a 66 66c 66d
32 32 33 35 36 37 47 47 48 51 52
3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens . . . a) Abzug berufsbedingter Aufwendungen . . . . . . . . . . . . b) Abzug von Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67 68 75
56 56 59
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tabellenunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Mindestunterhaltsbeträge/Regelbeträge für den dynamisierten Kindesunterhalt .
. . . .
. . . .
. . . .
IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
82 84
62 63
85 86
64 64
87 89 90 91
65 66 66 67
92 94
68 69
96
70
97
71
. . . . .
100 102 103 104 105
74 75 76 77 77
.
109a
79
. . .
110 116 117
80 82 82
.
118
83
. . . .
121 129 130 134
85 88 88 93
11. Mangelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelfallberechnung nach neuem Recht ab 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelfallberechnung wegen bis zum 31.12.2007 fälligen Kindesunterhalts bei Gleichrangigkeit des Ehegattenunterhalts (zweistufige Mangelfallberechnung)
145
99
147
100
c) Aufwendungen beim Wohnen im eigenen Heim und für Vermögensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . e) Abzug von Versicherungsbeiträgen und zusätzlichen Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Abzug von Umgangskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung des Bedarfs nach Unterhaltstabellen . . . . . . . a) Einkommensgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Altersstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedarfskontrollbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Höher- und Herabstufungen bei einer höheren oder niedrigeren Zahl von Unterhaltsberechtigten . . . . . . e) Geltendmachung dynamisierten Unterhalts . . . . . . . f) Bedarfsberechnung bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bedarfsberechnung bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung durch beide Eltern (sog. Wechselmodell) 5. Anwendung der Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle in den neuen Bundesländern und dem Beitrittsteil von Berlin wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . 6. Unanwendbarkeit des Tabellenunterhalts . . . . . . . . . . 7. Anrechnung des Kindergeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kindergeld im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auszahlung an den Kindergeldberechtigten . . . . . . . c) Der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Kindergeldausgleich nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Kindergeldausgleich beim Wechselmodell . . . . f) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse . . . . . . . . . . . . 8. Mehrbedarf und Sonderbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Leistungsfähigkeit des Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt . . . . . . . b) Einschränkung oder Wegfall der Leistungsfähigkeit
IV. Wie der Unterhalt geleistet wird . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . VII. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
147a
101
....
149
103
.... .... ....
152 153 155
104 105 106
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
. . . .
156 160a 161 162
107 109 110 111
B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes . . . . . . . .
163
113
. . . . . . . .
163 164 165 172 173 174 175 178a
113 114 114 117 119 119 119 121
... ... ...
179 183 184
122 126 126
. . . . . .
. . . . . .
188 191 194 196 198 200
127 129 129 131 132 133
V. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung . . . . . . . VI. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf nach der Unterhaltstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnung nach pauschalierten Regelbedarfssätzen für Volljährige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abzug von Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abzug des Kindergeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201 205 206
134 136 137
209
139
211 212 219a
140 140 143
.
220
144
.
225
146
. .
226 227
146 147
.
228
147
VII. Wie der Unterhalt geleistet wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
150
VIII. IX. X. XI.
Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . . . . a) Angemessener oder sog. großer Selbstbehalt b) Fiktive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
III. Besonderheiten bei Unterhaltsansprüchen privilegierter volljähriger Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angemessene Vorbildung zu einem Beruf . . . . . . . . . 2. Beginn und Ende der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausbildungsverzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausbildungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Kindes 6. Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zweitausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . .
. . . . . .
4. Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern . . . . . . . . . . a) Berechnungsbeispiel für Studenten mit eigenem Hausstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnungsbeispiel für Lehrling, der bei einem Elternteil lebt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechnungsbeispiel für privilegierte Volljährige . . . d) Berechnungsbeispiel für die Haftungsquoten der Eltern bei gleichrangigen Ansprüchen minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder . . . . . . . . . . . .
XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
. . . . . . .
236 239 240 241 242 243 244
152 154 154 155 156 156 157
C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
161
246 246
161 161
247
163
II. Berechnungshilfen für die Bedarfsbemessung bei stark voneinander abweichenden Lebensverhältnissen . . . . . . . . . . .
249
165
D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder . .
253
169
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes
. . . . .
253 254 255 256 260
169 169 170 170 175
III. Wie der Unterhalt berechnet wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes . . . 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Ermittlung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes . . . . a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . b) Abzug von anderen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . c) Fiktives Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einkommen des Ehegatten des Unterhaltsschuldners – sog. Schwiegersohnhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einsatz von Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Berechnung der Haftungsanteile mehrerer Geschwister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265 266 267 268
177 177 178 179
268a 268b 269 273
179 180 184 188
274 276
189 191
277
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280
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281 284
195 197
VIII. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB XII. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . XIII. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
I. Klärung des anzuwendenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelung des Unterhaltsstatuts nach dem Haager Übereinkommen von 1973 (HUÜ), bzw. nach Art. 18 EGBGB
. . . . .
. . . . .
IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Forderungsübergang nach §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (seit 1.1.2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen des Anspruchsübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
287
198
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288 289 290 292 293 294
200 201 201 202 202 203
E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
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295 296 296 300 301 302
205 205 205 208 208 209
303
210
304
210
3. Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs wegen unbilliger Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII . . . . . . V. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB IX. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Prozesskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterhaltsanspruch der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzung – die geklärte Vaterschaft . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) . b) Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) . . . . c) Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterhalt wegen Kindesbetreuung für die Zeit bis zum 31.12.2007 nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.
305
216
. . . .
306 308 317 320
217 219 223 225
4. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rangverhältnisse und Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rangverhältnisse ab 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rangverhältnisse bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . .
325a 326 326 326a 327a
228 229 229 229 231
6. 7. 8. 9.
Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328 329a 330 331
231 232 232 232
III. Unterhaltsanspruch des Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332
233
F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
333
235
I. Grundsätze zur Abgrenzung des Trennungsunterhalts vom Familien- und Nacheheunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333
235
3. Wie der Unterhalt berechnet wird . a) Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungsfähigkeit des Vaters . .
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XIII
Inhaltsverzeichnis
II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Vertiefung: „Getrenntleben“ i.S.v. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerbsobliegenheit des bedürftigen Ehegatten nach der Trennung (§ 1361 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . 2. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen . . . . 3. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung der bedarfsbestimmenden Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . b) Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird . . . . . . . . . c) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die auf einer vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen (Karrieresprung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitsrechtliche Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fiktives Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen und Begrenzung bei Bagatellunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Veränderungen der Steuerklasse und begrenztes Realsplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten vom Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Kosten für die Mietwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Unterhaltsleistungen für gemeinschaftliche und nicht gemeinschaftliche Kinder und Umgangskosten l) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim . . . . . . m) Trennungsbedingter Mehrbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten (Quotenunterhalt) mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechnung mit der Additions- und Differenzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Halbteilung mit einem unterhaltsberechtigten Ehegatten . . . . . . . aa) Beispiel Alleinverdienerehe . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften . . . . . c) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Dreiteilung des Gesamteinkommens wegen eines weiteren Unterhaltsanspruchs eines früheren Ehegatten . . . . . . . . aa) Beispiel: Dreiteilung bei Alleinverdienerehe . . . . XIV
Rn.
Seite
335
236
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349 351
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283 283
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285
397 397
285 286
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
bb) Beispiel: Dreiteilung Doppelverdienerehe . . . . . .
397
286
d) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB . . . . . . . . . . . . . .
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296
414
296
5. Zur Vertiefung: Abzugsfähige Einkünfte des Unterhaltsberechtigten bei der Prüfung der Bedürftigkeit . . . . . . . . a) Einkünfte aus Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtprägende Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem Normalverlauf entspricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige geldwerte Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . e) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung . . . . . . . 6. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag für die Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Mangelfallberechnung bei gleichrangigen konkurrierenden Unterhaltsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit ab 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Berechnungsmodelle für den absoluten oder echten Mangelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
416
298
IV. Ausschluss, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kranken- und Vorsorgeunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Unterhaltsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB . . . XI. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
420 421 422 422a 423 425 425a 426
300 300 301 302 303 304 304 305
G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten . . . .
428
307
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428 428 429
307 307 307
432 433 434a 434b
309 309 311 313
II. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs . . 2. Bedarfsbemessung und Halbteilung . . . . . . . . . 3. Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
XV
Inhaltsverzeichnis
4. Die Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 6. Herabsetzung, Befristung und Ausschluss . . . . . . . . . . . 7. Beginn und Ende des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Herabsetzung und Befristung des Unterhaltes nach §§ 1578 Abs. 1 und 1573 Abs. 5 BGB a.F. bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB . . . . . . . 1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) . a) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Reformierung von § 1570 BGB durch das UÄndG . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen . . . . . c) Verlängerung aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Möglichkeiten der Fremdbetreuung . . . . . . . . . . . bb) Belange des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verlängerung aus ehe- und elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ehebezogene Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . e) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Befristung, Herabsetzung und Beendigung des Betreuungsunterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach altem Recht (§ 1570 BGB a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
313
434d 435 436
314 316 317
436a
317
437 437
319 319
437a 438
320 321
440a 440a 440a
324 324 326
440b 440c
326 327
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330
441a
332
443a
334
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. . . .
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444 445 447 447a
335 335 338 338
3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsatzzeitpunkt und Anschlussunterhalt . . . . . . c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Herabsetzung und Befristung . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
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. . . . .
448 449 453 453a 453b
340 340 342 343 344
4. Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB sowie Ausbildung nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung . . . . . c) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit . . . . . . . e) Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
454 455 458 459 460 461 461a
346 346 349 350 350 351 351
2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) . . . . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . b) Einsatzzeitpunkte und Anschlussunterhalt . c) Herabsetzung und Befristung . . . . . . . . . . . .
XVI
Rn.
434c
. . . .
. . . .
. . . .
Inhaltsverzeichnis
g) Befristung und Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) . . . . . a) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen b) Einsatzzeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befristung und Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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. . . .
6. Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterhalt wegen Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung (§ 1575 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterhalt wegen Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rn.
Seite
461b
351
462 462a 464 464a
352 352 353 353
465
355
466
356
473
358
7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) . . . . . . .
475
359
IV. Die Berechnung des Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse . . . . . . 2. Klärung der prägenden Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung des prägenden bedarfsbestimmenden Einkommens . . . . a) Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen nach der Scheidung (§ 1578 Abs. 1 BGB) . . b) Fiktives Einkommen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiktives Einkommen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder (sog. Hausmannsrechtsprechung) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird . . e) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen – konkrete Bedarfsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Mietersparnis beim Wohnen im eigenen Heim . . . . . i) Einkünfte aus Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Unterhalt für Kinder und Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Unterhalt für neuen Ehepartner des Verpflichteten . . m) Miete für die Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n) Berücksichtigung von Steuervorteilen . . . . . . . . . . . .
479 481
361 363
482
365
483
365
484
368
484
368
485
372
486
373
488
374
489
376
490
376
493 494 495
378 379 382
497 502 503b 504 505
383 385 387 388 388
5. Berechnung des Anteils des Anspruchstellers am bedarfsbestimmenden Einkommen (Quotierung) mit Rechenbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510
391 XVII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
6. Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiele für abzugspflichtiges Einkommen, das nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat . . . . . . b) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
512
393
513
393
515
394
7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners . . . . . . . . . . . . a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelfallberechnung bei gleichberechtigten Unterhaltsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts ab 1.1.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
396
518
396
520
398
520a
398
520b
398
521 524
400 403
525
405
525a 525b 525d
405 407 408
525d 525e
408 410
525f
411
V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) . . VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (§ 1578b BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspolitisches Ziel des seit 1.1.2008 geltenden § 1578b BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze der Billigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klärung ehebedingter Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ehebedingte Nachteile wegen Zeiten der Kindesbetreuung, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehebedingte Nachteile wegen der Dauer der Ehe . . . . 4. Beschränkung des Unterhalts aus anderen Billigkeitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts als Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . b) Zeitliche Begrenzung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . .
526
411
526a 526b
412 414
6. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527
414
532 534 535b
417 419 421
536 539
423 426
540 541
427 428
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kurze Ehedauer (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfestigte Lebensgemeinschaft (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4) . . . . 5. Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unterhaltspflichtverletzung (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
542 544
429 431
7. Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Anderer ebenso schwerwiegender Grund (Nr. 8) . . . . . . . 9. Anwendung von § 1579 BGB a.F. auf Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
548a
433
Unterhaltsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhalt für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
549 550 550c 551 552 553
433 436 438 439 439 441
H. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . .
554
443
I. Spezialprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
556a
445
I. Unterhaltsvorschuss und Rückgriff des Leistungsträgers . . 1. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgriff des Leistungsträgers (§ 7 UVG) . . . . . . . . . . . .
556a 556a 556c
445 445 446
..
556d
448
.. .. ..
556d 556e 556g
448 448 450
III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts . . . . . . . . . . . . 556j 1. Freiwillige Unterhaltszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556j 2. Überzahlungen während eines laufenden Unterhaltsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556k 3. Überzahlung bei unrichtig gewordenen Unterhaltstiteln 556l 4. Sicherung der Rückerstattung bei nachträglicher Rentenbewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556m 5. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556n
452 452
IX. X. XI. XII. XIII. XIV.
. . . . . .
II. ALG II/Sozialgeld und der Rückgriff des Leistungsträgers 1. Anspruchsvoraussetzungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und des Sozialgeldes für Kinder . . . . 2. Rückgriff des Leistungsträgers nach § 33 SGB II . . . . . 3. Ausschluss des Anspruchsübergangs . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
452 454 456 457
J. Auskunft und Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . .
557
459
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personenkreis der Auskunftsberechtigten und -verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Form der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.... ....
557 558
459 459
. . . .
558 565 567 572
459 461 462 464
. . . .
. . . .
. . . .
XIX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
. . . .
574 578 580 582
466 467 468 469
K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
471
. . . . .
587 588 589 593 595
471 471 472 474 475
..... .....
598 602
476 477
. . . . .
603 604 606 607 609
478 478 479 479 481
V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen . . . . .
611
481
L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . . . . . . . .
613
485
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Unterhaltsstreitsache . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik des FamFG in Unterhaltsstreitsachen 3. Terminologie bei Unterhaltsstreitsachen . . . . . . .
. . . . .
613 616 616 618 620
485 485 485 486 487
III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschließliche Gerichtsstände gemäß § 232 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verweisung, Abgabe, Zuständigkeitskonflikte . . . . . .
621 621 622
488 488 488
623 627 634
488 489 490
636a 636a 636b 636c 636g 636h
491 491 492 492 494 495
III. IV. V. VI.
Anspruch auf Vorlage von Belegen . . . . Eidesstattliche Versicherung . . . . . . . . Zur Häufigkeit der Auskunftserteilung Pflicht zur ungefragten Information . . .
. . . .
. . . .
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.. .. .. ..
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Formlose Absprachen zum Unterhalt . . . . . . . . . . . . III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren . . . 1. Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsverlangen/Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufforderung zur Übergabe einer vollstreckbaren Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwirkung trotz Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . .
. . . .
. . . . .
IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs 1. Vollstreckbare Schuldurkunde des Jugendamts . . . . 2. Notarielles Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notarieller Unterhaltsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
3. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft bb) Internationale Übereinkommen . . . . . . . . . . cc) Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . XX
. . . . .
. . . . . .
. . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . . .
. . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . . .
. . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
. . . . . . . . .
637 638 640 642 644 647 650 655 658
495 495 497 497 498 499 500 501 501
3. Verfahrensbevollmächtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
659
502
IV. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezeichnung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung des minderjährigen Kindes . . . . . . . a) Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils . b) Verfahrensstandschaft eines Elternteils . . . . c) Exkurs: Begriff der Obhut . . . . . . . . . . . . . . . d) Beistandschaft des Jugendamts . . . . . . . . . . . e) Ergänzungspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eintritt der Volljährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . V. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenfaktor Verfahrenswert . . . . . . . . . . . . . . . a) Wert des Zahlungsantrags . . . . . . . . . . . . . . b) Wert des Unterhaltsabänderungsverfahrens . c) Wert des Auskunftsantrags . . . . . . . . . . . . . d) Wert des Stufenklageantrags . . . . . . . . . . . . e) Wert eines Unterhaltsverzichts . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
662 662 664 665 671 672 673 677
503 503 504 504 506 506 506 508
3. Höhe der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenentscheidung in Unterhaltsstreitverfahren . . . . a) Kostenentscheidung in isolierten Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Obsiegen und Unterliegen (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versäumnisse bei der Auskunft (§ 243 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sofortiges Anerkenntnis (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
678 684
508 510
.
685
510
.
686
511
.
689
512
. .
690 691
513 513
b) Kostenentscheidung bei der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kostenentscheidung im Scheidungsverbund . . . . . . .
693 694
514 514
5. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
695
514
. .
697 698
515 515
. . . .
704 704 718 720
518 518 524 525
3. Wirkungen der Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten . . . . . . . .
721 725
526 527
VII. Verfahrenskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verfahrensablauf im ersten Rechtszug: Besonderheiten des Unterhaltsstreitverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
727
528
732
532
VI. Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewilligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedürftigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung c) Fehlender Mutwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
. .
733 733
532 532
. .
734 735
533 533
2. Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung von Verfahrensergebnissen . . . . . . . . . .
736
533
736 737
533 534
3. Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 235 FamFG) . . . . aa) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schriftliche Versicherung der Richtigkeit . . . . . . cc) Pflicht zur ungefragten Information . . . . . . . . . . . dd) Durchsetzung des Auskunftsverlangens . . . . . . . ee) Pflicht des Gerichts zur Auskunftsbeschaffung . . ff) Verhältnis zum Auskunfts- und Stufenverfahren
738 740 740 741 742 743 744 745
534 535 535 536 536 536 537 537
b) Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
538
1. Zum Termin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, § 170 GVG . . . . b) Kein Anspruch auf Terminsverlegung, § 113 Abs. 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren .
IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache) X. Entscheidung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschluss als Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form, Inhalt und Erlass des Beschlusses . . . . . . . . . . . 4. Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Unterhaltsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anordnung der sofortigen Wirksamkeit . . . . . . . . . b) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung . aa) Vollstreckungsschutzantrag . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht zu ersetzender Nachteil . . . . . . . . . . . . . cc) Vollstreckungsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
753 768 769 770 772 780
539 544 544 545 545 548
. . . . . .
. . . . . .
781 782 787 788 789 790
548 548 549 549 550 550
6. Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
792
551
XI. Verfahren auf Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrere Antragsteller (subjektive Antragshäufung) . . . . 3. Antrag auf Zahlung von dynamisiertem Kindesunterhalt 4. Teil-, Zusatz- oder Nachforderung . . . . . . . . . . . . . . . . .
795 795 797 799 808
553 553 556 557 560
XII. Auskunftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Stufenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Abänderungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 238 FamFG)
815 824 830 833
562 566 568 569
XXII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
a) Zulässigkeit des Abänderungsantrags . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . .
836 836 840
570 570 572
b) Begründetheit des Abänderungsantrags . . . . . . . . . . . aa) Wesentliche Veränderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachträgliche Änderung, Präklusion . . . . . . . . . . cc) Unterhaltsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
842
573
843 847 851
573 575 576
c) Zeitschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
853
576
. . . .
857 858 858 862
577 577 577 578
b) Begründetheit des Abänderungsantrags . . . . . . . . . . . aa) Abänderung von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . bb) Abänderung von einseitigen Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
863 864
579 579
868
580
c) Keine Zeitschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
870
581
3. Verschärfte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . .
871 873
581 582
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO . . . . . . 2. Negativer Feststellungsantrag nach § 256 ZPO . . . . . . .
874 875 882
583 583 586
886 886 888
587 587 588
893 893
589 589
2. Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens . . . . . . aa) Anwendungsbereich und Abgrenzung . . . . . bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt a) Abgrenzung zu § 49 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 5. 6. 7.
Ablauf des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung oder Änderung der Entscheidung nach § 54 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einleitung des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung (§ 56 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Anderweitiger Rechtsschutz gegenüber der einstweiligen Anordnung im ordentlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . .
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900 902 908
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger 1. Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens . . . . . . . b) Form und Inhalt des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einwendungen des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . d) Festsetzungsbeschluss oder Übergang in das streitige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Korrekturmöglichkeiten: Sofortige Beschwerde nach § 256 FamFG und Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sofortige Beschwerde (§ 256 FamFG) . . . . . . . . . . bb) Abänderungsverfahren (§ 240 FamFG) . . . . . . . . .
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986 988 989 991 992
624 624 625 626 626
4. Festgeschriebene Untergrenze des Mindestunterhalts (§ 36 Nr. 4 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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M. Rechtsmittel in Unterhaltsstreitsachen . . . . . . . . . . . .
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I. Änderungen in Unterhaltsstreitsachen aufgrund des FamFG II. Überblick über die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe .
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11. Rückforderung überzahlten Unterhalts im Fall der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Sondertatbestände der einstweiligen Anordnung . . . . . . 13. Das Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter . 1. Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung in Verbindung mit dem Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG . . . . . . . . 3. Einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG . . . . . . . .
XIX. Übergangsregelungen zum Unterhaltsänderungsgesetz in § 36 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderung titulierter Unterhaltsansprüche (§ 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erheblichkeit der Gesetzesänderung für die Unterhaltsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung . c) Zumutbarkeit der Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassung dynamischer Kindesunterhaltstitel (§ 36 Nr. 3 EGZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a EGZPO . . . . . . . . . . . b) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EGZPO . . . . . . . . . . . c) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c EGZPO . . . . . . . . . . . d) § 36 Nr. 3 Satz 4 Buchst. d EGZPO . . . . . . . . . . .
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999 1002 1006 1007 1009
630 630 631 632 632
III. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Beschwerde . . . . . . . . . . . a) Statthaftigkeit der Beschwerde . . . . . . . b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
. . . .
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1013 1013 1013 1017
633 633 633 634
2. Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . b) Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ort der Einlegung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . d) Empfangsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Inhalt der Beschwerdeschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschwerde und Antrag auf Verfahrenskostenhilfe
. . . . . . . .
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1025 1029 1029 1032 1036 1041 1043 1044
636 637 637 638 639 640 641 642
4. Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einreichung der Beschwerdebegründung – Formalien b) Begründungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Empfänger der Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . d) Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdebegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1046 1046 1051 1060
644 644 645 647
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5. Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln 6. Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlegung der Anschlussbeschwerde . . . . . . . . . . . . . c) Form und Inhalt der Anschlussbeschwerdeschrift . . . d) Anschlussbeschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Besonderheiten aufgrund einer im Verbund ergangenen Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1067 1068 1068 1073 1075 1077
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1103 1104 1107 1110
660 661 661 662
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665
1. 2. 3. 4. 5.
Beschwerde . . . . . . . . . Sofortige Beschwerde . . Anschlussbeschwerde . Rechtsbeschwerde . . . . Sonstige Rechtsbehelfe
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7. Rechtsmittelverzicht, Rücknahme und Erweiterung der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gang des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen des FamFG auf das Wiedereinsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Vorschriften der §§ 233 bis 238 ZPO . . . . c) Sachlicher Geltungsbereich der §§ 233 ff. ZPO . . . . . d) Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . aa) Die Fristversäumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wiedereinsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
f) Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nach § 236 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages . . . . . . aa) Fehlendes Verschulden an der Fristversäumung . bb) Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch 10. Entscheidung des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme von einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Inhalt des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bekanntgabe der Endentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . e) Wirksamwerden der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beschwerde gegen Teilentscheidungen des Familiengerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1123 1125 1125 1127
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1132 1136 1139 1142 1144
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673
11. Anhörungsrüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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674
IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulassung der Rechtsbeschwerde als Voraussetzung der Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form der Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . 6. Entscheidung über die Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . .
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676 676 676 677 677 678
V. Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Beschwerde in Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . a) Sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Fälle der sofortigen Beschwerde in Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsmittel gegen isolierte Kostenentscheidungen .
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678 678 679
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1175 1176
681 681
N. Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen . . . . .
1179
683
I. Auswirkungen des FamFG auf das Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Terminologie in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . .
. . . .
1179 1179 1181 1182
683 683 684 684
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1186 1186 1187 1187
685 685 686 686
II. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsvollzieher (§ 753 Abs. 1 ZPO) . . . . . . . . . . XXVI
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b) Vollstreckungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahrensgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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686 686
3. Antrag auf Einleitung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . a) Voraussetzung: Titel, Zustellung, Klausel . . . . . . . . . b) Anwaltszwang als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . .
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III. Der Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht der Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Genaue Bezeichnung der Parteien des Vollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheit des Tenors des Titels . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung des Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiele zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Tenorierung im Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . aa) Zahlungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dynamische Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Titel auf Vornahme von Handlungen . . . . . . . . . . dd) Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beschlüsse nach § 235 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bestimmtheit der Leistungspflicht bei mehreren Schuldnern bzw. Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfache Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Qualifizierte Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . a) Titelergänzende Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Titelübertragende Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen der Erteilung der Klausel . . . . bb) Titelübertragende Klauseln bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 94 SGB XII, § 33 SGB II, § 7 UVG, § 7 BAföG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Titelübertragende Klauseln bei Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft (§ 1629 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Erteilung der Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Zustellung des Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . 1. Eintritt eines Kalendertages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Fristen für den Beginn der Vollstreckung . . . . . . . . . . . .
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707
VII. Die Vollstreckungsmöglichkeiten bei einem Titel auf Zahlung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien für die Auswahl der Vollstreckungsart . . . . . . 2. Die Mobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) . . 3. Die Immobiliarvollstreckung (Verfahren, Durchführung) 4. Die Pfändung und Überweisung von Forderungen . . . . . 5. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Vorpfändung a) Zweck der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchführung der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkungen der Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1260 1260 1268 1276 1285 1300 1300 1302 1303 1304 1306
707 707 708 710 712 716 716 717 717 717 718
6. Sicherung der Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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720
VIII. Pfändungsschutz bei der Pfändung von Arbeitseinkommen (Begriff des Arbeitseinkommens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfändung von Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Arbeitseinkommens (§ 850 ZPO) . . . . . . .
1313 1313 1313 1314
721 721 721 722
1318 1318 1320
723 723 723
1324 1333 1341 1346
724 726 729 730
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1381
739
2. Pfändungsschutz bei Vollstreckung in Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Kreis der privilegierten Unterhaltsgläubiger . . . . c) Notwendiger Unterhaltsbedarf im Sinne von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zu berücksichtigende Unterhaltspflichten . . . . . . . . e) Begrenzung des Freibetrages des Schuldners . . . . . . . f) Die Vorratspfändung (§ 850d Abs. 3 ZPO) . . . . . . . . . g) Pfändungsschutz für Kontoguthaben aus Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Pfändungsschutz bei sonstigen Vergütungen (§ 850i ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens (§ 850h ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Pfändung von Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Berechnung des pfändbaren Einkommens (§ 850e ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Pfändungsschutz für selbständig Erwerbstätige . . . . . . . . . . 1. Pfändungsschutz bei Vergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfändung der Altersvorsorge von Freiberuflern und Selbständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Rechtsbehelfe gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verfahren zur Geltendmachung des Pfändungsschutzes durch den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII
Inhaltsverzeichnis
1. Das Abänderungsverfahren bei Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen (§ 850g ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
XIII. Die Zwangsvollstreckung eines Titels auf Auskunft und/ oder Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Zwangsgeldverfahren nach § 888 ZPO . . . . . . . . . . 3. Das Verfahren nach Überweisungsbeschluss (§ 883 ZPO) 4. Das Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 889 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rn.
Seite
1381 1383
739 740
1386 1386 1387 1389
740 740 741 741
1395 1395 1396 1401
743 743 743 744
1403
744
O. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
747
I. Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergangsvorschrift: Artikel 111 FGG-Reformgesetz . . . 2. Übergangsvorschrift: § 36 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . .
747 747 750
II. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2010) . . . . . . . . . . . . . . III. Bremer Tabelle (Stand 1.1.2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht . . . . . . . . . . . V. Link zu den Leitlinien und zu weiteren Materialien . . .
... ...
752 759
... ...
761 769
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
XXIX
Musterverzeichnis Rn.
Seite
1 Auskunft über Einkünfte und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . .
572a
465
2 Schreiben wegen Auskunft und Unterhalts . . . . . . . . . . . . . .
590
472
3 Unterhaltsanerkenntnis eines nichtehelichen Vaters . . . . .
605
478
4 Vertrag über Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt (mit Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) . . . . . . .
608
479
5 Vertretung des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643
497
6 Mutter als Verfahrensstandschafterin des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
645
498
7 Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
519
8 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
730
529
9 Auflage nach § 235 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
738
534
10 Rubrums- und Tenorierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
544
11 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verbund . . . . . .
786
549
12 Rechtsmittelbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
793
551
13 Belehrung (bei einstweiliger Anordnung ohne mündlicher Verhandlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794a
552
14 Isoliertes Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt (hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe mit Entwurf des Zahlungsantrages, Mangelfall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
553
15 Antrag auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt und (statischem) Kindesunterhalt – subjektive Antragshäufung
797
556
16 Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung eines dynamisierten Unterhalts (Mindestunterhalt) . . . . . . . . . . . .
799
557
17 Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung von Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts . . . . . . . . . . . . . .
804
558
18 Antrag auf Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente . . . . . .
808
560
19 Antrag auf Zahlung von Unterhalt bei gleichbleibenden Teilleistungen des Pflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
813
561
20 Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit unter Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
818
564
21 Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage von Belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
564
22 Auskunftsantrag betreffend Kapitaleinkünfte oder Mieteinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
820
564 XXXI
Musterverzeichnis Rn.
Seite
23 Auskunftsantrag betreffend Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
821
565
24 Stufenklageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
824
566
25 Abänderungsantrag nach § 238 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
569
26 Abänderungsantrag nach § 239 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . .
857
577
27 Vollstreckungsabwehrverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
875
583
28 Negativer Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
883
586
29 Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
894
589
30 Tenorierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
902
592
31 Antrag auf Vaterschaftsfeststellung und Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . .
938
603
32 Antrag auf Festsetzung von Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
956
610
33 Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt: Erster Abschnitt des Vordrucks . . . . . . . . . . . . . .
960
614
34 Verpflichtungserklärung des Antragsgegners zur Zahlung von Unterhalt: Dritter Abschnitt des Formulars . . . . . . . . .
964
616
35 Verfahrenskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1045a
643
36 Beschwerde nach § 58 FamFG in einer Unterhaltsstreitsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1067a
650
37 Formulierungsvorschlag zur Beschwerde und zum Wiedereinsetzungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1126
667
38 Formulierungsvorschlag für den Antrag in einem Stufenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1147
674
39 Antrag auf Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1225a
697
40 Beispiel für den Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1231
699
41 Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung . .
1248
703
42 Antrag auf Vornahme der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1274
709
43 Antrag auf Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1284
712
44 Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen einer Unterhaltsforderung . . . . . . . . . . .
1299
716
45 Formulierungsvorschlag für Ankündigung der Vorpfändung (§ 845 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1308
718
46 Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek . . . . . . . . . . .
1312
720
47 Antrag auf Änderung der Unpfändbarkeitsvoraussetzungen gemäß § 850g ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1394
742
XXXII
Abkürzungsverzeichnis AfA Anm. AnwBl. Aufl. Az.
Absetzung für Abnutzung Anmerkung Anwaltsblatt Auflage Aktenzeichen
BAföG BAG BayObLG BayOLGZ BBesG BerzGG BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ BKGG BMF BRAGO BRAO BSG BSHG BT BR-/BT-Drucks. BVerfG BVerwGE BVG
Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Bundesbesoldungsgesetz Bundeserziehungsgeldgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Report Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Bundesministerium für Finanzen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Berliner Tabelle Bundestagsdrucksache/Bundesratsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesversorgungsgesetz
DAV DAVorm DIJuF DT DVO
Deutscher Anwaltverein Der Amtsvormund Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Düsseldorfer Tabelle Durchführungsverordnung
EGBGB EStG EuGVÜ
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einkommensteuergesetz Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Entscheidungssammlung zum Familienrecht
EzFamR Familienrecht kompakt FamFG FamRB FamRZ FF FGB FGG
Informationsdienst für Anwälte und Notare Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrechtsberater Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Forum Familien- und Erbrecht Familiengesetzbuch/DDR Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis FPR FuR
Zeitschrift: Familie Partnerschaft Recht Familie und Recht
GG GKG GVG
Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gerichtsverfassungsgesetz
HGB h.M.
Handelsgesetzbuch herrschende Meinung
JAmt JArbSchG JurBüro JW
Das Jugendamt (früher DAVorm = Der Amtsvormund) Jugendarbeitsschutzgesetz Das juristische Büro Juristische Wochenschrift
KG KG-Report KindUG KJHG KostO Kto.-Nr.
Kammergericht Kammergericht-Report Kindesunterhaltsgesetz Kinder- und Jugendhilfegesetz Kostenordnung Kontonummer
LG LL LMK LPartG LS
Landgericht Leitlinie(n) Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Lebenspartnerschaftsgesetz Leitsatz
MDR MuSchG
Monatsschrift für Deutsches Recht Mutterschutzgesetz
NJW NJW-FER NJW-RR
Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
OLG OLGR OLGZ
Oberlandesgericht Oberlandesgericht-Report Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
PKH PKHVV
Prozesskostenhilfe Prozesskostenhilfevordruckverordnung
Regelbetrag-VO RG RGZ Rpfleger RPflG
Regelbetrag-Verordnung Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Rechtspfleger Rechtspflegergesetz
SGB StGB
Sozialgesetzbuch Strafgesetzbuch
UÄndG UVG
Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts Unterhaltsvorschussgesetz
VO
Verordnung
ZFE ZfJ ZPO ZSEG
Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Zentralblatt für Jugendrecht Zivilprozessordnung Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen
XXXIV
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XXXVII
A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes I. Einleitung Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf die Unterhaltsansprüche ehelicher 1 und nichtehelicher Kinder gleichermaßen. Für die Klärung von Unterhaltsansprüchen für minderjährige und volljährige Kinder kommt es nicht darauf an, sich zunächst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob ein Kind ehelich oder nichtehelich geboren wurde. Denn im Zuge der Kindschaftsrechtsreform im Jahre 1998 sind bis dahin bestehende Unterschiede im materiellen Recht durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder vom 6.4.1998 (Kindesunterhaltsgesetz – KindUG) beseitigt worden und die Anspruchsvoraussetzungen seitdem für alle Kinder einheitlich geregelt (§ 1615a i.V.m. §§ 1601 ff. BGB). So können auch alle minderjährigen Kinder ihren Unterhaltsbedarf als dynamisierten Unterhalt durch Anknüpfung an eine veränderliche, im Gesetz definierte Bezugsgröße festsetzen lassen, mit der Folge, dass sie – ohne zu prozessieren – aufgrund der regelmäßigen Anpassung der Bezugsgröße an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse kontinuierlich an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben (vgl. Rn. 20, § 1612a BGB). Das Verfahrensrecht wurde im Zuge der Kindschaftsrechtsreform ebenfalls weitgehend angeglichen, so dass seitdem für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche ehelicher und nichtehelicher Kinder einheitlich die Familiengerichte zuständig sind. Der Grundsatz der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung ist auch in dem grundlegend neu gefassten und seit 1.9.2009 geltenden Familienverfahrensrecht des FamFG beibehalten (§§ 23b Abs. 1, 23a Nr. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1a, GVG i.V.m. §§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Allerdings gelten für das nichteheliche Kind noch verfahrensrechtliche Besonder- 2 heiten, soweit die Vaterschaft noch nicht anerkannt oder festgestellt worden ist. Die Vaterschaftsfeststellungsklage kann mit dem Antrag auf Zahlung von Unterhalt in Höhe der Regelbeträge verbunden werden (§ 237 FamFG), und es besteht beim einstweiligen Rechtsschutz neben der einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG die Möglichkeit, den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes in den ersten 3 Lebensmonaten durch die einstweilige Anordnung nach § 247 FamG zu regeln (zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten vgl. die Darstellung unter Rn. 935 ff.). Mit dem KindUG von 1998 wurden nicht nur die Unterhaltsansprüche ehelicher 3 und nichtehelicher Kinder materiellrechtlich und verfahrensrechtlich angeglichen, sondern es gab noch weitere wesentliche Änderungen: So wurde mit § 1603 Abs. 2 BGB eingeführt, dass Eltern für den Unterhalt ihrer volljährigen Kinder, die noch zur Schule gehen und im Haushalt eines Elternteils leben (sog. privilegierte volljährige Kinder) bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ebenso wie gegenüber minderjährigen Kindern verschärft haften. Ferner sind die privilegierten Volljährigen den minderjährigen Kindern seitdem im Rang gleichgestellt (§ 1609 i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Die in diesem Kapitel zum Minderjährigenunterhalt enthaltenen Ausführungen zur Leistungsfähigkeit der Eltern und zu den Rangverhältnissen gelten deshalb gleichermaßen für die privilegierten volljährigen Kinder. Da sie nur hinsichtlich der Haftung und Rangverhältnisse den minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, gilt im Übrigen das in Kap. B behandelte Volljährigenunterhaltsrecht. Ehinger
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Eine weitere wesentliche Änderung des Kindesunterhaltsrechts hat das Unterhaltsänderungsgesetz – UÄndG – vom 21.12.20071 gebracht: Seit 1.1.2008 ist für alle minderjährigen Kinder wieder ein gesetzlich definierter Mindestunterhalt eingeführt worden, der auch als dynamisierter Unterhalt verlangt werden kann (§ 1612a BGB). Der Unterhalt kann als Prozentsatz des Mindestunterhalts verlangt werden, wobei als variable Bezugsgröße an die Stelle der Regelbeträge der Regelbetrag-VO nach § 1612a Abs. 1 und 4 BGB a.F. der doppelten Freibetrag für das sachliche Existenzminimum eines Kindes nach § 32 Abs. 6 EStG getreten ist (§ 1612a Abs. 1 BGB, vgl. dazu Rn. 20). Seitdem ist auch die Verrechnung des Kindergeldes bei getrenntlebenden unterhaltspflichtigen Eltern durch Anrechnung auf den Bedarf des Kindes deutlich vereinfacht worden (§ 1612b BGB) und die Rangfolge des Unterhalts so geregelt, dass minderjährige und privilegierte volljährige Kinder vor allen anderen Unterhaltsberechtigten erstrangig berechtigt sind (§ 1609 Nr. 1 BGB). Dies wirkt sich immer dann aus, wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, alle Unterhaltsansprüche zu befriedigen (sog. Mangelfall). Ferner sind für eheliche und nichteheliche Kinder die Betreuungsvoraussetzungen unterhaltsrechtlich angeglichen worden: So kann der kinderbetreuende Elternteil, egal ob er verheiratet ist oder nicht, für die ersten drei Lebensjahre einen – im zweiten Rang neben Ehegatten und geschiedenen Ehegatten, deren Ehe von langer Dauer ist, bevorrechtigten – Basisunterhalt verlangen, der aus Billigkeitsgründen verlängert werden kann (§§ 1570 Abs. 1, 1615l Abs. 2, 1609 Nr. 2 BGB). Mit diesem Reformgesetz ist ferner das Unterhaltsbestimmungsrecht der Eltern in § 1612 Abs. 2 BGB verfahrensrechtlich vereinfacht worden, vgl. Rn. 233 ff.
II. Anspruchsvoraussetzungen 4 Verwandte in gerader Linie – Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel, nicht aber Tanten, Onkel und Geschwister – sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren (§ 1601 BGB). Der Unterhaltsanspruch des Kindes entsteht bei seiner Geburt und besteht so lange fort, bis es seine wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hat. Dabei ist die gesetzliche Unterhaltspflicht weder auf Seiten des Berechtigten noch auf Seiten des Verpflichteten an Altersgrenzen gebunden.2 Sie besteht daher unter den allgemeinen Voraussetzungen der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit dem Grunde nach lebenslang. Allerdings werden die Anforderungen an das Kind, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, größer, je älter es wird, so dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes nur noch unter engeren Voraussetzungen in Betracht kommt (vgl. Kap. B). Beim Zusammenleben von Eltern und minderjährigem Kind wird der Unterhaltsanspruch des Kindes dadurch erfüllt, dass die Eltern das Kind umfassend versorgen, indem sie Naturalunterhalt leisten. Lebt das Kind nicht mit beiden Eltern in einem Haushalt, ist der das Kind nicht betreuende Elternteil verpflichtet, Unterhalt in Form einer Geldrente, also Barunterhalt zu zahlen (§ 1612 Abs. 1 BGB). 1. Bedarf 5 Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt, § 1610 Abs. 1 BGB). Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 BGB). 1 BGBl. I 2007, Nr. 69, S. 3189 ff. 2 BGH, FamRZ 1984, 682.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Da das minderjährige Kind noch keine eigene Lebensstellung hat, weil es wirt- 6 schaftlich von seinen Eltern abhängig ist, richtet sich sein Bedarf tatsächlich nach den Einkommensverhältnissen der unterhaltspflichtigen Eltern. Lebt das Kind bei nur einem Elternteil, der das Kind versorgt und betreut, so bestimmt sich sein Bedarf grundsätzlich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des anderen barunterhaltspflichtigen Elternteils. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des nichtbetreuenden Elternteils prägen mithin die Lebensstellung des minderjährigen Kindes und bestimmen damit das Maß des ihm zustehenden Unterhalts.3 Den daneben auch bestehenden Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes nach Pflege, Betreuung und Erziehung erfüllt der Elternteil – Vater oder Mutter –, mit dem das Kind in einem Haushalt zusammenlebt, mit seiner Betreuungsleistung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der betreuende Elternteil ist i.d.R. von der Barunterhaltszahlung befreit, weil Bar- und Betreuungsunterhalt – und zwar für jedes Kindesalter bis zur Volljährigkeit – gleichwertig sind.4 Die Darlegungs- und Beweislast für seinen von der Lebensstellung des Verpflichteten abgeleiteten Bedarf trägt das Kind, das diesen anhand der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten begründen muss.5 Es ist jedoch von der Darlegungsund Beweislast entbunden, soweit es nur den für sein Alter maßgeblichen Mindestbedarf geltend macht, denn dieser Bedarf ist als sog. Mindestunterhalt seit dem 1.1.20086 in § 1612a Abs. 1 BGB und dem für eine Übergangszeit geltenden § 36 Nr. 4 EGZPO gesetzlich definiert (zur Höhe s. Rn. 12). Aber auch für Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007 gilt, dass das Kind – obwohl der Mindestunterhalt bis dahin nicht gesetzlich definiert war – nach der Rechtsprechung des BGH von der Darlegungs- und Beweislast entbunden ist, soweit es nur den Regelbetrag nach der Regelbetrag-VO geltend macht (§ 1612a Abs. 1 BGB a.F.). Wegen der Streitfragen zum Mindestbedarf nach dem Rechtszustand bis zum 31.12.20077 vgl. Rn. 12 ff. Die Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast in Höhe des Mindestbedarfs zugunsten des Kindes ändern nichts an dem Grundsatz, dass auch der Mindestunterhalt nicht unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten geschuldet ist. Die Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt hat ebenfalls Bedeutung 7 für den Fall, dass das Kind teilweise seinen Bedarf durch eigene Einkünfte deckt; denn der zu zahlende Barunterhalt mindert sich nur um die Hälfte der bereinigten Einkünfte des Kindes, so dass die aufgrund der Anrechnung des Einkommens des Kindes bewirkte Bedarfsminderung im Ergebnis beiden Eltern zukommt.8
3 BGH, FamRZ 1996, 161; 1981, 543, 544; 1987, 58; 1989, 172. 4 BGH, FamRZ 1980, 994, 995; 1988, 159, 161. 5 Dies stellt eine Abweichung von dem sonst im Verwandtenunterhalt geltenden Grundsatz dar, nach dem der Berechtigte seinen Bedarf anhand seiner eigenen Lebensstellung darlegen und beweisen muss. Baumgärtel/Pruskowski, § 1610 BGB Rn. 1; BGH, FamRZ 2002, 536, 540. 6 Zeitpunkt des Inkrafttretens des UÄndG. 7 BGH, FamRZ 2002, 536, 538; so auch explizit im Urt. v. 27.11.2002 – XII ZR 295/00, FamRZ 2003, 444, 445. Zum Regelbetrag vgl. Rn. 19. 8 Zur hälftigen Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1980, 1109, 1111; 1981, 541, 543; 1988, 159, 161.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Beispiel Der 17-jährige A lebt im Haushalt der M und lernt den Beruf eines Malers. Er erhält nach Abzug von Fahrtkosten ein Ausbildungsgeld von monatlich 300 Euro. Aufgrund des Einkommens des V hat er einen Barunterhaltsbedarf von 426 Euro. Davon ist das halbe Kindergeld i.H.v. 92 Euro (Stand 1.1.2010) abzuziehen, so dass nur noch ein Barbedarf von 334 Euro besteht. Von seinem eigenen Einkommen muss sich A 150 Euro, also die Hälfte auf diesen Bedarf anrechnen lassen, da der Vater wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nur hälftig zum Unterhalt beiträgt, so dass sein ungedeckter Barbedarf im Ergebnis 184 Euro beträgt.9
8 Der Grundsatz, dass der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht mit Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt, gilt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht stets. Besondere Umstände können eine weitergehende Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils bewirken. Könnte der barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des Barunterhalts nicht mehr seinen angemessenen Eigenbedarf decken (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB) und erzielt der betreuende Elternteil z.B. wesentlich höhere Einkünfte, kann er ausnahmsweise außer zur Pflege und Erziehung des Kindes verpflichtet sein, ergänzend Barunterhalt zu leisten.10 Dies gilt selbst dann, wenn der angemessene Selbstbehalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils bei Bezahlung des Unterhalts zwar nicht gefährdet wäre, aber ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern aufträte.11 Wann ein solches anzunehmen ist, ist nicht gesetzlich geregelt. In der Rechtsprechung wird ein mindestens zweibis dreifach so hohes bereinigtes Einkommen vorausgesetzt.12 Die Darlegungs- und Beweislast für das höhere Einkommen und die weitergehende Einstandspflicht des anderen Elternteils trägt der Unterhaltspflichtige.13 Vgl. Rn. 25. 9 " Praxishinweis: Muss das Kind seinen Unterhalt einklagen, hat es zur schlüssigen Begründung des von ihm geltend gemachten Unterhaltsbedarfs, soweit dieser den Mindestunterhalt übersteigt, die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten darzulegen. Insoweit steht ihm zur Klärung ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu (vgl. dazu Kap. J, Rn. 558 ff.). Es muss hingegen nicht vorgetragen werden, wie hoch das Einkommen des betreuenden Elternteils ist. Selbst wenn der betreuende Elternteil ein deutlich höheres Einkommen als der andere hat, ist es nicht Sache des Kindes, sondern des barunterhaltspflichtigen Elternteils, die Voraussetzungen der für ihn günstigen Einwendung darzulegen und ggf. zu beweisen. Dies ist ihm auch möglich; denn ihm steht insoweit ein eigener Auskunftsanspruch gegen den anderen Elternteil zu (Rn. 561).14 10 Lebt das Kind bei keinem Elternteil, sind beide Eltern barunterhaltspflichtig und haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).
9 Zur unterschiedlichen Handhabung des Abzugs des Kindergeldes wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 vgl. Rn. 110, für die Zeit ab 1.1.2008 s. Rn. 109a. 10 BGH, FamRZ 1991, 182, 183; 1998, 286, 288; 2002, 742 mit Anm. von Büttner, 743. 11 BGH, FamRZ 2002, 742; 1991, 182, 183. 12 BGH, FamRZ 1984, 39; Büttner, FamRZ 2002, 743. 13 Obwohl Eltern Teilschuldner des Unterhalts sind, verlagert sich die Darlegungs- und Beweislast auf den Verpflichteten, da eine Abweichung von dem in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Grundsatz behauptet wird (BGH, FamRZ 1981, 347, 349). 14 BGH, FamRZ 1988, 268.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Das eheliche Kind nimmt nach Trennung und Scheidung der Eltern weiter an der Lebensstellung des nun barunterhaltspflichtigen Elternteils teil, der nicht mehr mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt. Dies gilt für günstige und ungünstige Entwicklungen der Einkommensverhältnisse, insbesondere auch für die durch Trennung und Scheidung bedingte Verringerung des Einkommens des Verpflichteten.15 Es muss jedoch keine dem Unterhaltspflichtigen vorwerfbare Verringerungen seines Einkommens hinnehmen, die darauf angelegt sind, seine Unterhaltspflicht zu schmälern. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf des Kindes, einschließlich 11 der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf sowie der Erziehungskosten (§ 1610 Abs. 2 BGB). Im Wesentlichen besteht der Lebensbedarf in der Ausstattung mit allen für die leibliche und geistige Entwicklung notwendigen Mitteln, also Nahrung, Bekleidung, Hygiene, Gesundheits- und Krankenvorsorge, Unterkunft, aber auch mit Mitteln für solche Belange wie gelegentliche Fremdbetreuung, Freizeitgestaltung, Taschengeld, Erholung, Reisen, Bildung, Befriedigung musischer und sportlicher Bedürfnisse und dergleichen. Der Bedarf – also die Bestimmung der Höhe des benötigten Barunterhalts – kann konkret nach aufzulistenden Bedürfnissen des minderjährigen Kindes oder pauschal auf der Grundlage des Einkommens des Pflichtigen nach Unterhaltstabellen berechnet werden. In der Praxis ist die Bedarfsberechnung nach Unterhaltstabellen üblich. Begrenzt wird der Unterhaltsanspruch durch eigene Einkünfte des Kindes, die auf seinen Bedarf angerechnet werden,16 und durch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen kann der monatliche Unterhaltsbedarf deshalb bei unverschuldet eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen z.B. deutlich unter dem Mindestunterhalt, bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen aber auch über dem höchsten Wert der Unterhaltstabelle liegen. Es gibt weder eine gesetzlich geregelte Grenze nach unten noch nach oben. Minderjährige Kinder haben einen Anspruch auf einen Mindestunterhalt im 12 Sinne eines Mindestbarbedarfs, der seit 1.1.2008 gesetzlich definiert ist: Nach § 1612a Abs. 1 BGB kann ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen (Satz 1). Dabei richtet sich dieser Mindestunterhalt nach dem doppelten steuerrechtlichen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG, ist gestaffelt nach Altersgruppen und beträgt für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes (1. Altersstufe) 87 %, für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) 100 % und für die Zeit vom dreizehnten Lebensjahr an 117 % eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags. Für das Jahr 2008 galten für die Höhe des Mindestunterhalts die in der Übergangsregelung des § 36 Nr. 4 EGZPO genanten Zahlbeträge, da in dem Jahr das Unterhaltsniveau der bis zum 31.12.2007 geltenden Regelbeträge nach der RegelbetragVO vom 5.6.200717 zuzüglich das anteilige 15 BGH, FamRZ 1981, 543, 545. 16 Zur (eingeschränkt) bedarfsmindernden Berücksichtigung des Kindergeldes seit 1.1.12008, vgl. Rn. 109a, zur Behandlung des Kindergeldes nach dem Rechtszustand bis zum 31.12.2007 s. Rn. 110 ff. 17 BGBl. I 2007, 1044.
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Kindergeld (s. Rn. 18) noch nicht erreicht war. Mit der gesetzlichen Regelung eines Mindestbarbedarfs für Minderjährige hat der Gesetzgeber Klarheit zu der bis dahin streitigen Frage geschaffen, ob und vor allem in welcher Höhe ein Kind Anspruch auf Mindestunterhalt hat, denn seit dem Inkrafttreten des KindUG v. 6.4.1998 fehlte eine entsprechende Regelung. Die Bedeutung einer gesetzlichen Regelung des Mindestunterhalts liegt darin, dass eine unwiderlegbare Vermutung dafür spricht, dass jedes minderjährige Kind den im Gesetz konkret für seine Altersgruppe geregelten Mindestbedarf zum Leben benötigt, es sei denn es verfügt über eigene bedarfsdeckende Einkünfte. Dies verbessert die verfahrensrechtliche Stellung des Kindes im Unterhaltsstreitverfahren, denn ihm obliegt dann nicht die Darlegungs- und Beweislast für diesen Mindestbedarf anhand der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Unterhalt auch jeweils in dieser Höhe geschuldet ist, denn ein Mindestunterhalt ist unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht geschuldet. Auch kann der Bedarf durch eigene Einkünfte des Kindes ganz oder teilweise gedeckt sein (Bedürftigkeit). 13 Exkurs: Rechtszustand bis zum 31.12.2007 Nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage bestand Unsicherheit darüber, in welcher Höhe zugunsten minderjähriger Kinder ein Mindestunterhalt in Betracht kommt und bis zu welchem Betrag das Kind für einen Mindestunterhalt von seiner Darlegungs- und Beweispflicht entbunden ist. Denn der Gesetzgeber hatte bei der Reformierung des Kindesunterhalts im Zuge der Kindschaftsrechtsreform in 1998 die zuvor bis zum 30.6.1998 geltende Mindestbedarfsregelung des § 1610 Abs. 3 BGB a.F. für das neue Recht ersatzlos gestrichen. In der Folge ergab sich eine rege Diskussion darüber, ob nach wie vor von einem Mindestbedarf ausgegangen werden könne, wie dieser zu bemessen und dogmatisch zu begründen sei.18 Dabei gab insbesondere die seit 1.1.2001 in Kraft getretene Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB – nach der eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO zu leisten – Anlass für die Überlegung, ob der Gesetzgeber damit den Mindestbedarf in Höhe von 135 % des Regelbetrags habe neu bestimmen wollen. Der BGH ist diesen Interpretationen entgegengetreten und hat in einer Grundsatzentscheidung v. 6.2.2002 ausdrücklich klargestellt, dass sich ein Mindestbedarf nicht im Wege der Gesetzesauslegung herleiten lasse, denn den Gesetzesmotiven könne nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber den § 1610 Abs. 3 BGB a.F. versehentlich gestrichen habe, auch habe er mit der Fassung des § 1612b Abs. 5 BGB (a.F.) nicht einen Mindestunterhalt neu definieren wollen. Gleichwohl hat der BGH die Handhabung der Praxis, dass das Kind in Höhe des Regelbetrags nach der RegelbetragVO für seinen Bedarf nicht darlegungs- und beweispflichtig sei, bestätigt, allerdings ohne dies dogmatisch zu begründen.19 Denn nach der Begründung sollte es bei dieser verfahrensrechtlichen Vergüns18 Für eine Gleichsetzung des früheren Regelunterhalts mit dem Mindestbedarf: KG, 19. Senat, FamRZ 1999, 405 ff.; FamRZ 2000, 1174; 2001, 114; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1077 und 1422; Scholz, FamRZ 2000, 376. Für eine Gleichsetzung des Mindestbedarfs mit 135 % des Regelbetrags u.a.: OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 376; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 67 ff.; OLG Hamburg, FamRZ 2000, 1431. 19 BGH, FamRZ 2002, 536, 538; Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 13/9596, S. 31 f.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
tigung des Kindes bleiben, weil der Gesetzgeber insoweit nicht zu Lasten des Kindes von der bisherigen Rechtslage habe abweichen und ihm die Beweiserleichterung im Höhe des Regelbetrags nicht habe nehmen wollen.20 Exkurs Ende
" Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislastregel zugunsten minderjäh- 14 riger Kinder sollte nicht dazu verleiten, den Mindestunterhalt einzuklagen, ohne sich vorher der Leistungsfähigkeit des Schuldners zu vergewissern, denn in der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass Eltern trotz vollschichtiger Arbeit unverschuldet nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Da Unterhalt nur nach Leistungsfähigkeit geschuldet wird, trägt das Kostenrisiko einer überhöhten Forderung das Kind (§ 243 Nr. 1 FamFG, Rn. 686). Um nachteilige verfahrensrechtliche Kostenentscheidungen zu vermeiden, sollte deshalb der Unterhaltsschuldner schon vor der Einleitung des Unterhaltstreitverfahrens unter Fristsetzung zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung mit eindeutiger Bezeichnung der gewünschten Auskunft und der vorzulegenden Belege aufgefordert werden (§§ 1605, 1613 BGB, s. Rn. 591 ff. mit Hinweisen und Musterschreiben). Denn ist der Schuldner insoweit säumig und gibt er damit Anlass für das Streitverfahren, kann das Gericht dies in der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung nach § 243 Nr. 2 FamFG zu seinen Lasten berücksichtigen. Dies selbst dann, wenn der Antrag des Kindes nur teilweise Erfolg hat. In dem Fall kann das Kind auch sogleich die Zahlung des Mindestunterhalts beantragen, um das langwierige Auskunftsverfahren bei einem Stufenverfahren zu vermeiden. Außerdem kann beantragt werden, dass das Gericht dem Antragsgegner nach § 235 Abs. 1 FamFG die Auskunftserteilung verpflichtend aufgibt. Für den Zugang des vorgerichtlichen Aufforderungsschreibens ist das Kind beweispflichtig.
Das Gesetz bestimmt für den Bedarf keine feste Grenze nach oben; eine sog. Sät- 15 tigungsgrenze gibt es nicht. Allerdings wird der Anspruch auch in wohlhabenden Verhältnissen zu einer Begrenzung führen.21 Denn die Befriedigung des gesamten Bedarfs während des Heranwachsens eines Minderjährigen bedeutet nicht, alle Kinderwünsche zu erfüllen, sondern dem Minderjährigen das zukommen zu lassen, was er braucht und was ihm nach dem Lebensstandard des barunterhaltspflichtigen Elternteils als angemessener Unterhalt zusteht. Wird ein höherer Bedarf geltend gemacht, als ihn die Düsseldorfer Tabelle (DT) nach der Einkommensgruppe 10 vorsieht, muss das Kind den höheren Bedarf anhand des Einkommens des Verpflichteten und seiner eigenen konkreten Bedürfnisse darlegen und belegen.22 Der BGH hat bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen einer pauschalierenden, im Wege der Schätzung vorgenommenen Fortschreibung der Bedarfssätze über die höchste Gruppe hinaus eine Absage erteilt.23 Da die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nicht zu überspannen 16 sind, reicht es, wenn besondere Bedürfnisse oder besonders kostenintensive Be20 BGH, FamRZ 2002, 536, 540; 2003, 444, 445. Zur Kritik an dieser dogmatisch unbefriedigenden Begründung vgl. vor allem Graba, FamRZ 2003, 129, 133. Ausführlich dazu auch Ehinger/Rasch, Unterhaltsrecht, 4. Aufl. Rn. 12. 21 BGH, FamRZ 1983, 473, 474. 22 BGH, FamRZ 2000, 358, 359 mit kritischer Anm. von Deisendorfer. 23 BGH, FamRZ 2000, 358, 359.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
dürfnisse angegeben werden, die sich von den durch die Bedarfssätze der DT abgedeckten Bedürfnisse abgrenzen lassen, z.B. Besuch eines Fitnessstudios, Sprachreisen oder -kurse, Musikunterricht, sonstige regelmäßige Teilnahme an teuren sportlichen oder kulturellen Aktivitäten. Hier kann das Gericht bei konkreter Angabe der Bedürfnisse und Streit über die Höhe der Kosten auch gemäß § 287 ZPO eine Schätzung vornehmen. a) Tabellenunterhalt 17 Üblich ist in der Praxis die Berechnung des Bedarfs nach Tabellen. Die Unterhaltstabellen enthalten nach dem Alter des Kindes und dem Einkommen seines barunterhaltspflichtigen Elternteils gestaffelte Pauschalsätze. Damit wird der Unterhalt zwar nach dem Alter und Einkommen individuell, aber ansonsten pauschal bestimmt. Mit dem Tabellenunterhalt sollen alle durchschnittlichen Lebenshaltungskosten, die beim Zusammenleben des Minderjährigen mit dem betreuenden Elternteil im Haushalt entstehen, abgedeckt werden. Der Unterhalt umfasst Kosten für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Ferien, Pflege musischer und sportlicher Interessen sowie Taschengeld;24 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht enthalten, da die Kinder i.d.R. bei einem Elternteil mitversichert sind.25 Ist das Kind nicht mitversichert, muss der Betrag gesondert geltend gemacht werden. Wohnkosten sind Teil des Tabellenunterhalts,26 dienen der Deckung des Wohnbedarfs des Kindes und sind mit ca. 20 % im Tabellenunterhalt enthalten.27 Lebt das Kind beim betreuenden Elternteil und zahlt der andere Elternteil die Miete, kann eine entsprechende Kürzung in Betracht kommen, sofern die Mietzahlung nicht schon anderweitig in voller Höhe z.B. bei der Berechnung des zu zahlenden Ehegattenunterhalts berücksichtigt wurde. Entsteht für das Kind noch ein Mehrbedarf oder/und Sonderbedarf, kann es diesen zusätzlich vom Verpflichteten verlangen (vgl. Rn. 118 ff.). 18 " Praxishinweis: Der Vorteil der Vereinfachung liegt bei der Bedarfsbestimmung nach Tabellen auf der Hand und entspricht auch der üblichen Praxis. Dennoch sollte aber nie außer Acht gelassen werden, dass die Tabellen nur Hilfsmittel sind und ihre Anwendung nicht zwingend ist. Im Einzelfall kann durchaus eine konkrete Berechnung sinnvoller sein, z.B. wenn für das Kind aufgrund einer Behinderung, aber auch aufgrund besonderer Begabung oder sportlicher Ambitionen überdurchschnittliche Kosten entstehen. Darlegungsund beweispflichtig für den Bedarf ist im Unterhaltsstreitverfahren das Kind. 19 Die Tabellen gehen seit Inkrafttreten des UÄndG, dem 1.1.2008, als Basiswerte von den nach Altersgruppen gestaffelten und in § 1612a Abs. 1 BGB definierten Mindestunterhaltsbeträgen aus, die sich durch ihre Anknüpfung an den doppelten Einkommenssteuerfreibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes jährlich ändern können. Sie sind in ihrem Zusammenspiel mit der zeitgleich in Kraft getretenen Neuregelung der Kindergeldanrechnung in § 1612b BGB, nach der das (hälftige) Kindergeld den Bedarf des Kindes mindert, zu sehen. Die Mindestunterhaltsbeträge haben sich zwar gegenüber den bis zum 31.12.2007 geltenden Basiswerten nach der Regelbetragverordnung, die das Bundesministerium für 24 25 26 27
BGH, FamRZ 1983, 473, 474. Darauf wird in den meisten Leitlinien der OLG unter Nr. 11.1 hingewiesen. BGH, FamRZ 1989, 1160, 1163; 1992, 423. Süddeutsche LL, Stand 1.1.2010, Nr. 21.5.2.
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Justiz erlassen hat, deutlich erhöht, die Zahlbeträge sind jedoch – aufgrund der unterschiedlichen Regelung der Kindergeldanrechnung des bis zum 31.12.2007 geltenden § 1612b BGB a.F. und der Übergangsregelung in § 36 Nr. 4 EGZPO – zunächst gleich geblieben. Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung des Tabellenunterhalts nach der Einkommensgruppe 1 der DT von 2007–2010 und der Zahlbeträge unter Berücksichtigung der geänderten Höhe des Kindergeldes. Zu einer deutlichen Erhöhung der Zahlbeträge hat erst die kräftige seit 1.1.2010 geltende Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrags geführt, die durch die erneute Anhebung des Kindergeldes um 20 Euro nicht aufgefangen wurde. 2010
2009
2008
2007
Mindestunterhalt nach der Übergangsregelung in § 36 Nr. 4 EGZPO
Unterhalt nach der RegelbetragVO in den alten Bundesländern. Kein Abzug des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 5 BGB a.F.
Ein Zwölftel des doppelten Freibetrags des sächlichen Existenzminimums nach § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 32 Abs. 6 Nr. 1 EStG
2 184 E × 2 = 4 368 E
1 932 E × 2 = 3 864 E
4 368 E / 12 = 364 E
3 864 E / 12 = 322 E
1. Altersstufe 0–5 Jahre = 87 % eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags
317 E (abzügl. 92 E halbes Kindergeld = 225 E)
281 E (abzügl. 82 E halbes Kindergeld = 199 E)
279 E (abzügl. 77 E halbes Kindergeld = 202 E)
202 E
2. Altersstufe 6–11 Jahre = 100 % eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags
364 E (abzügl. 92 E halbes Kindergeld = 272 E)
322 E (abzügl. 82 E halbes Kindergeld = 240 E)
322 E (abzügl. 77 E halbes Kindergeld = 245 E)
245 E
3. Altersstufe ab 12 Jahre = 117 % eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags
426 E (abzügl. 92 E halbes Kindergeld = 334 E)
377 E (abzügl. 82 E halbes Kindergeld = 295 E)
365 E (abzügl. 77 E halbes Kindergeld = 288 E)
288 E
Die Festlegung der Mindestunterhaltsbeträge in der Übergangsregelung in § 36 Nr. 4 EGZPO war erforderlich geworden, um ein Absinken des bis zum 31.12.2007 bestehenden Kindesunterhaltsniveaus durch die gesetzlichen Neuregelungen zum Mindestunterhalt und der Anrechnung des Kindergeldes im UÄndG zu vermeiden. Denn bis zum 31.12.2007 lagen der DT als Basiswerte die Regelbeträge der RegelbetragVO (West) zugrunde, die in Höhe von 202 Euro, 245 Euro und 288 Euro den Kindern ungeschmälert ohne Kindergeldabzug zustanden, weil ein Kindergeldabzug nach § 1612b Abs. 5 BGB a.F. nicht stattfand, wenn der Unterhaltspflichtige außerstande war, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags zu zahlen. Da nach dem UÄndG seit 1.1.2008 gem. § 1612b Abs. 1 BGB das (anteilige) Kindergeld bei minderjährigen Kindern bedarfsmindernd abzuziehen ist (Rn. 109a), musste der Gesetzgeber den Mindestunterhalt Ehinger
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für die drei Altersgruppen durch Hinzuschlagen des hälftigen Kindergeldes mindestens auf 279 Euro (279 Euro – 77 Euro = 202 Euro), 322 Euro (322 Euro – 77 Euro = 245 Euro) und 365 Euro (365 Euro – 77 Euro = 288 Euro) erhöhen, um das bestehende Unterhaltsniveau zu halten. Da sich durch die Anknüpfung an den in 2008 geltenden Steuerfreibetrag niedrigere Beträge ergeben hätten (Steuerfreibetrag 2008: 1 824 Euro × 2 = 3 648 Euro / 12 Monate = 304 Euro; 304 × 87 % = 265 Euro (1. Altersstufe), 304 Euro (2. Altersstufe) und 304 × 117 % = 356 Euro (3. Altersstufe) ergab sich die Notwendigkeit bis zur Erhöhung des steuerliche Freibetrags den Mindestunterhalt übergangsweise in der Überleitungsvorschrift des § 36 Nr. 4 EGZPO zu regeln. Auf Unterhalt für die Zeit ab 1.1.2009 findet die Übergangsregelung keine Anwendung mehr, weil der Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB wegen der Erhöhung der steuerrechtlichen Kinderfreibeträge die in § 36 Nr. 4 EGZPO festgelegten Beträge übersteigt. Die tatsächliche Verringerung des Zahlbetrags (s. Tabelle) beruht auf der Erhöhung des Kindergeldes ab 1.1.2009 auf 164 Euro. Für die Zeit vom 1.7.1998 bis 31.12.2007 bezogen sich die Unterhaltstabellen als Basiswerte auf die Regelbeträge, die gemäß § 1612a Abs. 3 BGB a.F. in der Regelbetrag-VO des Bundesministeriums für Justiz für drei Altersstufen festgesetzt worden sind. Dabei wurden die Regelbeträge für die neuen und alten Bundesländer in § 1 und § 2 Regelbetrag-VO in unterschiedlicher Höhe festgesetzt, so dass die OLG in den neuen Bundesländern und Berlin Vortabellen zur DT erstellt haben, um den geringeren Bedarfsbeträgen und niedrigeren Einkommen Rechnung zu tragen (s. z.B. die Berliner Tabelle Rn. 100). Die Regelbeträge wurden seit dem 1.7.1999 im Abstand von zwei Jahren vom Bundesministerium für Justiz der Entwicklung angepasst.28 Dies geschah zunächst durch Anpassung an die Entwicklung des Rentenniveaus, indem die zuletzt festgelegten Beträge mit den prozentualen Anpassungsfaktoren der gesetzlichen Rentenversicherung vervielfältigt wurden (§ 1612a Abs. 4 BGB a.F. i.V.m. § 68 SGB VI a.F.). Seit 1.7.2001 erfolgte die Anpassung gemäß § 1612a Abs. 4 BGB a.F. an die Entwicklung der Arbeitslöhne unter Berücksichtigung der Belastung der Arbeitsentgelte. Die für die Änderung maßgeblichen Faktoren wurden in einem in § 1612a Abs. 5 BGB a.F. geregelten Verfahren ermittelt.29 Die bis zum 31.12.2007 geltenden Regelbeträge nach der Regelbetrag-VO betrugen für die drei Altersstufen vom 1.7.2007–31.12.2007 in den alten Bundesländern 202 Euro/245 Euro/288 Euro, in den neuen Bundesländern 186 Euro/ 226 Euro/267 Euro (vgl. dazu die DT-Tabelle, Stand 1.7.2007).30 Seit der Einführung des Mindestunterhalts ab 1.1.2008 gelten für Kinder in ganz Deutschland einheitliche Bedarfssätze.
28 Die letzte Änderung erfolgte in der 5. Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-Verordnung vom 5.6.2007, BGBl. I 2007 I 1044, FamRZ 2007, 1068. Zur Erläuterung der DT und der Berliner Tabelle Soyka, FamRZ 2007, 1362 ff. 29 Vgl. dazu Scholz, FamRZ 2001, 1045; FamRZ 2000, 1541 ff. jeweils m.w.N. und BTDrucks. 14/3781, S. 8. 30 Regelbetrag-VO v. 5.6.2007, BGBl. I 2007 S. 1044. Vom 1.7.2005–30.6.2007 betrugen die Regelbeträge für die alten Bundesländer nach § 1 der Regelbetrag-VO v. 8.4.2005, BGBl. I 2005, S. 1055, mtl. 204 Euro/247 Euro/291 Euro, in den neuen Bundesländern 188 Euro/228 Euro/269 Euro.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
b) Bedeutung der Mindestunterhaltsbeträge/Regelbeträge für den dynamisierten Kindesunterhalt Der Tabellenunterhalt ist in seiner praktischen Bedeutung durch das seit 20 1.7.1998 geltende KindUG erheblich aufgewertet worden. Denn seitdem kann der nach der Tabelle ermittelte Individualunterhalt – aber auch jeder abweichend davon konkret bestimmte Betrag – nicht nur als bezifferter und damit statischer Zahlbetrag, sondern auch in Form eines Prozentsatzes der jeweiligen Bezugsgröße im Unterhaltstitel sowohl für eheliche als auch nichteheliche Kinder festgelegt werden. Ein z.B. 350 Euro betragender Unterhaltsbedarf für ein Kind der 2. Altersstufe kann deshalb auch als Prozentsatz des Mindestunterhalts tituliert werden. Beträgt der Mindestunterhalt z.B. 322 Euro, so würde der Unterhaltstitel dann auf Zahlung von 108,6 % des Mindestunterhalts der Altersstufe 2 lauten (= 350 Euro Bedarf/322 Mindestunterhalt der Altersstufe 2 × 100). Der Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen, jede weitere sich ergebende Dezimalstelle wird nicht berücksichtigt (§ 1612a Abs. 2 BGB). Erhöhen sich die Mindestunterhaltsbeträge später und läge der Mindestunterhalt für die 2. Altersstufe z.B. bei 330 Euro, stünde dem Kind ein Anspruch auf Zahlung von mtl. 359 Euro zu (108,6 % von 330 Euro), ohne dass sein Titel über 108,6 % des Mindestunterhalts der 2. Altersstufe verändert werden müsste. Der sich aus der Berechnung ergebende Betrag ist jeweils auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB).31 Zur Formulierung eines Antrags auf Zahlung von dynamisierten Kindesunterhalt vgl. Rn. 799 ff. Wegen fälligen Unterhalts aus der Zeit bis 31.12.2007 gilt Entsprechendes, der variable Bezugspunkt des dynamisierten Unterhalts ist dann der Regelbetrag nach der Regelbetrag-VO. Im Hinblick auf die Änderung der Bezugsgröße des dynamisierten Unterhalts empfiehlt es sich jedoch, den Unterhalt für die Vergangenheit zu beziffern und erst ab 1.1.2008 in dynamisierter Form zu titulieren.
" Praxishinweis: Am Stichtag des Inkrafttretens des UÄndG bereits bestehende Unterhaltstitel mit einer dynamisierten Unterhaltsrente sind kraft Gesetzes, ohne dass es eines Abänderungsverfahrens bedarf, an das neue Recht angepasst (§ 36 Nr. 3 EGZPO), vgl. dazu Rn. 986 ff. Die Umrechnung dynamischer Titel wird auch unter Anm. E der DT (Stand 1.1.2010) erläutert.
2. Bedürftigkeit Das minderjährige Kind ist unterhaltsberechtigt, wenn es außerstande ist, sich 21 selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Minderjährige Kinder sind i.d.R. unterhaltsbedürftig, weil sie meist keine eigenen Einkünfte haben. Wenn das Kind aber Einkünfte bezieht, z.B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses oder aus Vermögen, muss es diese Einkünfte für seinen Unterhalt verwenden. Decken die Einkünfte den Bedarf, besteht kein Unterhaltsanspruch nach § 1602 Abs. 1 BGB. Wird der Bedarf nur teilweise mit eigenem Einkommen gedeckt, beschränkt sich der Anspruch auf den nicht gedeckten Teil.32 Eigene Einkünfte werden auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit 31 Vgl. dazu auch jeweils die Nr. 24 der Leitlinien der OLG, in der die Rundungsregel für alle Unterhaltsansprüche empfohlen wird. 32 BGH, FamRZ 1988, 159 f.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
von Bar- und Betreuungsunterhalt nur in Höhe der Hälfte angerechnet (vgl. dazu das Beispiel unter Rn. 7). Eine Pflicht des minderjährigen Kindes zur Verwertung des Vermögensstammes besteht nicht (§ 1602 Abs. 2 BGB). Nach Beendigung der gesetzlichen Schulpflicht sind minderjährige Kinder verpflichtet, sich ausbilden zu lassen. Ihnen steht nach Beendigung der Schule während der Suche nach einem Ausbildungsplatz, aber auch während der Ausbildung, wenn das Ausbildungsentgelt ihren Bedarf nicht deckt, ein Unterhaltsanspruch zu. Kommen sie jedoch ihrer Verpflichtung, einen Ausbildungsplatz zu suchen und sich ausbilden zu lassen, nicht nach, besteht eine Erwerbsobliegenheit. Bei Verstoß gegen diese Erwerbsobliegenheit kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht.33 Vgl. dazu Rn. 126. 3. Leistungsfähigkeit der Eltern 22 Der barunterhaltspflichtige Elternteil haftet für den Unterhalt nach seinem Leistungsvermögen. Den Maßstab zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit regelt § 1603 BGB: Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (Abs. 1). Befinden sich Eltern in dieser Lage, sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (Abs. 2 Satz 1). 23 Eltern haften für den Unterhalt mit ihrem Einkommen und Vermögen. Dabei ist auch die Verwertung des Vermögens zu erwarten, es sei denn, sie ist wirtschaftlich nicht vertretbar.34 Ihnen steht dabei ein angemessener Betrag als Eigenbedarf zu. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen obliegt ihnen aber eine verschärfte (gesteigerte) Unterhaltspflicht gegenüber ihren minderjährigen Kindern, d.h. von ihnen werden besondere Anstrengungen erwartet, nicht nur für den existenziellen, sondern auch für den nach ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedarf der Kinder zu sorgen. Folge ist eine gesteigerte Erwerbspflicht, nach der vom Verpflichteten ein besonderer Einsatz bei der Erwerbstätigkeit und bei den Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit im Falle der Arbeitslosigkeit erwartet wird.35 Reichen Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht aus, um den Mindestunterhalt zu zahlen, kann die Ausübung einer Nebentätigkeit in Betracht kommen, um das Einkommen zu erhöhen.36 Allerdings muss die Nebentätigkeit zumutbar sein, wobei bei der Zumutbarkeitsprüfung auch Umfang und Anforderungen der bereits ausgeübten Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Arbeitet der Unterhaltspflichtige weniger als 40 Stunden in der Woche kann grundsätzlich eine Nebentätigkeit verlangt werden, denn bei einer gesteigerten Unterhalts33 34 35 36
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OLG Brandenburg vom 23.8.2004, 9 WF 157/04. BGH, FamRZ 1986, 48, 50. BGH, FamRZ 1985, 158, 159; 1994, 372. BGH, FamRZ 2009, 314 ff.; KG, FamRZ 2006, 1702; AG Rinteln, FamRZ 2007, 1120; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 1701; OLG Dresden, OLGR 2005, 496; NJW-RR 2005, 951; OLG Brandenburg, NJW-RR 2005, 949; OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1118; 2003, 177; OLG Hamm, FamRZ 2003, 177; 2000, 1178; 2001, 565; a.A. OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 71 LS; OLG Hamm, FF 2005, 158; Wendl/Dose, § 1 Rn. 75. Vgl. i.Ü. die weiteren Ausführungen unter Rn. 135 und zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens bei Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit unter Rn. 60.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
pflicht hat sich die Erwerbspflicht mindestens an der Höchstgrenze der regelmäßigen Erwerbstätigkeit orientieren. Maßstab ist aber auch das ArbZG (Arbeitszeitgesetz): Eine Erwerbspflicht bis zu 200 Stunden im Monat, also deutlich über den tariflich bisher üblichen 168 Stunden, kann im Einzelfall unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, sowie objektiver als auch subjektiver Möglichkeiten zumutbar sein.37 Da nach § 3 ArbZG die werktägliche Arbeit des Arbeitnehmers acht Stunden nicht überschreiten darf und gem. § 9 ArbZG ein Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen besteht, ergibt sich eine zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Der BGH wendet den Maßstab des ArbZG als objektive obere Begrenzung der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB an.38 Beruft sich der Verpflichtete auf ein arbeitsvertragliches Nebentätigkeitsverbot, greift diese Einwendung gegen den Anspruch auf Kindesunterhalt in der Regel nicht, denn ein generelles Nebentätigkeitsverbot ist nach der Rechtsprechung des BVerfG39 und BAG40 unvereinbar mit Art. 12 GG.41 Vielmehr besteht ein Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Genehmigung der Nebentätigkeit, allerdings nur soweit eine Beeinträchtigung der hauptberuflichen Arbeitsleistung nicht zu erwarten ist.42 So wird ein Busfahrer für eine nebenberufliche Tätigkeit als Kraftfahrer keine Nebentätigkeitsgenehmigung erwarten können,43 ein Verkäufer oder Monteur hingegen schon. Ist der Unterhaltspflichtige arbeitslos, kann ihm zugemutet werden, Arbeit auch in einem ungelernten Beruf aufzunehmen44 oder den Wohnort zu wechseln, wenn dies zur Arbeitsaufnahme notwendig ist.45 Ob allerdings ein Ortswechsel im Einzelfall zumutbar ist, hängt wiederum von den individuellen Verhältnissen des Verpflichteten ab. Maßgebliche Kriterien für die Zumutbarkeitsprüfung sind u.a. die persönliche Bindung des Verpflichten zu seinen Kindern sowie etwaige höhere Umgangs- und Umzugskosten.46 Bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit besteht eine Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, um den Kindesunterhalt sicherzustellen.47 Denn das Vollstreckungsrecht sieht bei bestehenden Unterhaltsverbindlichkeiten Freibeträge beim Einkommen des Schuldners vor, die aus37 Vgl. OLG Hamm, FamRZ 2001, 565 und die Übersicht zur Entwicklung der tariflichen Arbeitszeiten bei Schürmann, FPR 2005, 448 ff. Zu dem Erfordernis der subjektiven Zumutbarkeit und der Berücksichtigung sozialrechtlicher Bestimmungen bei übertariflicher Arbeit im Unterhaltsrecht BVerfG, FamRZ 2003, 661. 38 BGH, FamRZ 2009, 314 ff.; 2008, 872, 875). 39 BVerfGE 75, 284 = NJW 1988, 543; WM 2002, 2204 (für Notare), BGH FamRZ 2009, 314, 316. 40 BAGE 98, 123. 41 OLG Naumburg, FamRZ 2005, 70–71; OLG Dresden, FamRZ 2005, 1584. 42 BAG, NZA 2000, 723. 43 BAG, MDR 2002, 97–98. 44 BGH, FamRZ 1994, 372 ff. 45 BGH, FamRZ 1980, 1113, 1114. 46 BVerfG, FamRZ 2006, 469 ff.; BGH, FamRZ 2009, 314, 316.Vgl. auch die Anforderungen an die Zumutbarkeitsprüfung bei Verstoß gegen in die Erwerbsbemühungen und Zurechnung eines fiktiven Einkommens unter Rn. 57 ff., 60; BGH, FamRZ 2009, 314, 316. 47 BGH, FamRZ 2005, 608 ff.; zu den Voraussetzungen und Wirkungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens vgl. u.a. Melchers/Hauß, Unterhaltsrecht und Verbraucherinsolvenz, 2003. Zu den verfahrensrechtlichen Folgen des Insolvenzverfahrens für den Unterhaltsprozess vgl. Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
schließlich der Befriedigung der Unterhaltsgläubiger dienen. Diese Freibeträge erhöhen den notwendigen Eigenbedarf des Schuldners und bilden zusammen mit dem notwendigen Bedarf die in § 850c ZPO geregelten Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen, die das Einkommen des Schuldners vor dem Zugriff von Gläubigern gewöhnlicher Geldforderungen schützen. Aufgrund dieses Vorteils ergibt sich die Obliegenheit für den Schuldner zur Einleitung des Insolvenzverfahrens.48 Zu den verfahrensrechtlichen Auswirkungen im Unterhaltsstreitverfahren vgl. den Praxishinweis Rn. 80, zu den vollstreckungsrechtlichen Einzelheiten und Höhe der Freibeträge Rn. 1318 ff., 1331. Verstößt der Verpflichtete in vorwerfbarer Weise gegen die ihm aufgrund der gesteigerten Unterhaltspflicht obliegenden Pflichten zur Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit, kann er wirtschaftlich fiktiv so gestellt werden, als hätte er sich pflichtgemäß verhalten. D.h. ihm wird dann ein fiktives Einkommen aus der für ihn möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zugerechnet. Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens kann ein zuvor vom Verpflichteten erzieltes Einkommen oder ein branchenüblicher Mindestlohn sein. In jedem Fall sind vom Gericht Feststellungen zu den Schätzgrundlagen zu treffen.49 Allerdings setzt die Zurechnung fiktiver Einkünfte neben nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen auch immer voraus, dass die zu unterstellenden Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt subjektiv als auch objektiv erzielbar sein müssen, was von seinen individuellen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, berufliche Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (reale Beschäftigungschance). Deshalb ist jeweils außer den subjektiv in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten noch zu prüfen, ob es zumutbare Erwerbstätigkeiten überhaupt gibt und solchen Tätigkeiten keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, für die der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig ist50 Vgl. dazu die Beispiele unter Rn. 57 ff. und 134 ff. 24 Während die Eltern gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder für sich einen angemessenen Selbstbehalt beanspruchen können (§ 1603 Abs. 1 BGB),51 gelten andere Maßstäbe gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder: Bei geringen Geldmitteln müssen sich die Eltern für ihren eigenen Lebensbedarf mit dem notwendigen Eigenbedarf begnügen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB).52 Dieser – auch als notwendiger Selbstbehalt bezeichnete Anteil am Einkommen – ist gesetzlich nicht näher geregelt. Lehre und Praxis haben dazu Maßstäbe entwickelt, nach denen ein Betrag angesetzt wird, der die Mittel zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs sichert und etwas über den Sätzen der Sozialhilfe liegt.53 Von dem Selbstbehalt sind die Kosten für die allgemeine Lebenshaltung, also z.B. für Nahrung, Kleidung, Urlaub, Miete einschließlich der Nebenkosten, Hausratversicherungen, private Haftpflichtversicherungen zu bestreiten. Der Selbstbehalt beträgt seit 1.1.2008 bundesweit, seit der Vereinheitlichung des Mindestunterhalts für Kinder in den neuen und alten Bundesländern (Rn. 18), 48 Zum Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen vgl. Kap. N, Rn. 1318 ff. 49 BVerfG, FamRZ 2010, 793, 794 f. Zu den Einzelheiten der Schätzung s. Rn. 60. 50 BGH, FamRZ 1998, 357, 359; 1985, 143, 146; 2009, 314, 317; BVerfG, FamRZ 2008, 2104; 2010, 183, 184; 2010, 793, 794. Zur realen Beschäftigungschance Rn. 60b m.w.N. 51 BGH, FamRZ 1989, 272. 52 BGH, FamRZ 1988, 604, 606. 53 BGH, NJW 1984, 1614 m.w.N.; Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
900 Euro bei Erwerbstätigkeit und, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig ist, 770 Euro.54 Die verschärfte Haftung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, für den Unter- 25 halt der minderjährigen Kinder auch Mittel zu verwenden, die er für seinen eigenen angemessenen Bedarf55 benötigen würde, tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB dann nicht ein, wenn andere leistungsfähigere Verwandte vorhanden sind (§ 1607 Abs. 1 BGB). Dies können z.B. der betreuende Elternteil oder die Großeltern sein. Voraussetzung für die Abwendung der verschärften Haftung des Verpflichteten ist, dass er bei Zahlung des Barunterhalts nicht mehr seinen angemessenen Eigenbedarf decken könnte und der andere Elternteil oder ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter über ein wesentlich günstigeres Einkommen verfügt.56 Bei der Prüfung, ob die Zahlung von Barunterhalt den angemessenen Eigenbedarf des Verpflichteten berühren würde, sind nicht nur seine Einkünfte, sondern auch eventuelle Ansprüche auf Familienunterhalt gegenüber dem Ehepartner (§ 1360 BGB) oder Ersparnisse aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens mit einem Lebenspartner mitzuberücksichtigen.57 Da der andere Elternteil in der Regel seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), haftet er ausnahmsweise nur dann mit für den Barunterhalt, wenn er ein deutlich höheres Einkommen hat und die Inanspruchnahme des barunterhaltspflichtigen Elternteils ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern zur Folge hätte. Sind diese Voraussetzungen allerdings gegeben, muss nach der Rechtsprechung des BGH noch nicht einmal die Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des Barpflichtigen zwingend vorliegen.58 Dann wird jedoch wenigstens der Mindestbedarf zu zahlen sein.59 Wann ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht anzunehmen ist und vom Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt abgewichen werden kann, ist gesetzlich nicht geregelt, sondern im Einzelfall zu bestimmen. In Rechtsprechung und Literatur wird meist ein mindestens zwei- bis dreifach so hohes bereinigtes Einkommen vorausgesetzt.60 Bei deutlich höherem Einkommen kann auch eine anteilige Haftung in Betracht kommen.61 54 Die maßgeblichen Werte sind jeweils unter Anm. Nr. 5 der DT und Nr. 21.2 der Leitlinien der OLG geregelt. 55 Die Bemessung des angemessenen Eigenbedarfs ist Sache des Tatrichters, so u.a. BGH, FamRZ 1992, 795 ff.; 2006, 683, 684; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 272, bemisst den angemessenen Eigenbedarf des unterhaltspflichtigen Elternteils in Höhe des großen Selbstbehalts gegenüber volljährigen Kindern mit derzeit 1 100 Euro. 56 BGH, FamRZ 1991, 182 ff.; 1998, 286, 288. 57 Ausführlich zur Höhe des Selbstbehalts s. Rn. 132 ff.; zum notwendigen Selbstbehalt BGH, FamRZ 2008, 594–599 (bei Zusammenleben mit einem Lebenspartner); BGH, FamRZ 2002, 742 (zum Familienunterhaltsanspruch des verheirateten Verpflichteten) m. Anm. v. Büttner, S. 743; OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780–1781; teilweise Deckung des Bedarfs durch nichtehelichen Partner, BGH FamRZ 2001, 614 m. Anm. Büttner, S. 617. 58 BGH, FamRZ 2002, 742; 1991, 182, 183. Dann wird aber wenigstens der Mindestbedarf zu zahlen sein. 59 Büttner, Anm. zu BGH FamRZ 2002, 742, S. 743. 60 Vgl. z.B. Nr. 12.3 der Leitlinien des OLG Frankfurt; Büttner, Anm. zu BGH, FamRZ 2002, 742 f., a.a.O. S. 743; Palandt/Diederichsen, § 1606 BGB Rn. 19 m.w.N.; nicht ausreichend ist ein um 20 % höheres Einkommen, OLG Hamm, FamRZ 2003, 1964. 61 BGH, FamRZ 1984, 39; OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780–1781 mit Berechnungsbeispiel bei annähernd doppelt so hohem Einkommen.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
25a Die Ersatzhaftung anderer Verwandter kommt immer erst nach den Eltern zum Zuge (§ 1607 Abs. 1 BGB), denn die Eltern sind als „gleich nahe Verwandte“ Teilschuldner des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes und vorrangig verpflichtet (§ 1606 Abs. 3 BGB). Großeltern können deshalb erst in Anspruch genommen werden, wenn die Eltern nicht oder nur nach den verschärften Anforderungen des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB leistungsfähig sind. Mit Rücksicht auf die nachrangige und damit geringere Einstandspflicht von Großeltern für den Unterhalt der minderjährigen Enkel, stehen ihnen generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge zu, wie sie auch im Rahmen des Elternunterhalts gelten.62 Die Darlegungs- und Beweislast für die Vorrangigkeit der Inanspruchnahme eines leistungsfähigen Verwandten liegt beim Verpflichteten.63 Dies gilt auch, soweit die vorrangige Verpflichtung des anderen betreuenden Elternteils behauptet wird. Eltern sind zwar Teilschuldner des Unterhalts, gleichwohl verlagert sich die Darlegungs- und Beweislast auf den Verpflichteten, denn es wird eine Abweichung von dem in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Grundsatz, dass der das Kind betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung erfüllt hat, behauptet.64 Die Verpflichtung, eigene für den angemessenen Eigenbedarf benötigte Mittel zur Verfügung zu stellen, besteht ferner auch dann nicht, wenn das minderjährige Kind seinen Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Die vorstehenden Grundsätze zur verschärften Unterhaltspflicht gelten ebenfalls gegenüber sog. privilegierten volljährigen Kindern, die im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). Vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 179. 25b Während die Darlegungs- und Beweislast für die Bedarfsbemessung bei dem unterhaltsberechtigten Kind liegt, soweit es mehr als den Mindestbedarf verlangt, trägt der barunterhaltspflichtige Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Einwendung, nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig zu sein.65 Macht er geltend, dass sein Einkommen geringer sei als vom Kind behauptet oder er den Mindestbedarf nicht zahlen könne, hat er im Einzelnen unter Vorlage von Belegen darzulegen, aus welchen Gründen dies der Fall ist. So hat er sämtliche Tatsachen z.B. für die Geltendmachung von einkommensmindernden Abzugsposten, die Anerkennung von Betriebsausgaben, Veränderung der Einkommensverhältnisse, Hinzutreten neuer Unterhaltsberechtigter, Bemühungen um eine Arbeitsstelle bei Erwerbslosigkeit, Gründe für die Kündigung eines sicheren Arbeitsplatzes, höhere konkrete berufsbedingte Aufwendungen, Aufwendungen für eine ergänzende Altersvorsorge, etc. vorzutragen und ggf. zu beweisen.66
62 BGH, Urt. v. 8.6.2005 – XII ZR 75/04 = FamRZ 2006, 26, 28 m. Anm. von Duderstadt FamRZ 2006, 30 f. und Luthin, FamRB 2006, 4 f. und FF 2006, 54 f.), BGH, Urt. v. 3.5.2006 – XII ZR 35/05, FamRZ 2006, 1099 ff.; m. Anm. von Soyka, FuR 2006, 367; BGH, NJW-RR 2007, 433. Nach den Leitlinien beträgt der Eigenbedarf von Großeltern i.d.R.1 400 Euro, s. Nr. 21.3.3 der LL. 63 BGH, FamRZ 1981, 347. 64 BGH, FamRZ 1981, 347, 349. 65 BVerfG, FamRZ 1985, 143, 146. 66 Vgl. dazu Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast mit einer Übersicht zu Einzelproblemen, Wendl/Dose, § 6 Rn. 710 ff.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
4. Beginn und Dauer des Anspruchs Der Anspruch des Kindes beginnt mit der Geburt und dauert über die Minderjäh- 25c rigkeit hinaus fort, solange das Kind unterhaltsbedürftig ist (Rn. 121 ff.) und die Eltern noch leistungsfähig sind. Während der Minderjährigkeit ist die Unterhaltsbedürftigkeit der Regelfall, sie endet mit der Ausbildung des Kindes. Lehnt das Kind noch während der Minderjährigkeit nach Abschluss der Schule ab, eine Ausbildung zu absolvieren, ist es gehalten, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen (Rn. 126). Während einer Ausbildung ist es nur in dem Umfang bedürftig, in dem die Ausbildungsvergütung seinen Bedarf nicht deckt. Ab Beginn der Volljährigkeit und fortdauernder Bedürftigkeit wegen eines Schulbesuchs oder einer Ausbildung bleibt der Anspruch bestehen, allerdings ändert sich für die Eltern die Art der Unterhaltsleistung, denn von da an sind beide Eltern barunterhaltspflichtig. Der Anspruch endet mit dem Tod des Kindes.
III. Wie der Unterhalt berechnet wird 1. Prüfungsschema Prüfungsschema für den Tabellenunterhalt Minderjähriger
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I. Berechnung des Bedarfs nach den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten. 1. Klärung des mtl. Durchschnittsnettoeinkommens des nichtbetreuenden Elternteils. a) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen (nur bei Nichtselbständigen) und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. b) Ist der Verpflichtete vorwerfbar nicht oder nur teilweise erwerbstätig, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht, das ebenfalls zu bereinigen ist (§ 287 ZPO). c) Klärung, ob und ggf. welche weiteren Unterhaltspflichten bestehen. d) Ergebnis: Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens. 2. Bestimmung des Bedarfs mit Hilfe des bereinigten Einkommens nach der Unterhaltstabelle. 3. Ist das Kind in Höhe des errechneten Betrags bedürftig? Eigene Einkünfte des Kindes sowie das hälftige Kindergeld sind auf den Bedarf anzurechnen. 4. Ist der Verpflichtete in Höhe des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? a) Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten sind abzuziehender ungedeckte Bedarf des Kindes, gleichrangige Unterhaltsverpflichtungen. b) Ist der notwendige Selbstbehalt67 gewahrt? Überprüfung der Angemessenheit des Zahlbetrages unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Verpflichteten sowie der Belange des Kindes. II. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt.
67 Der notwendige Selbstbehalt beträgt seit 1.1.2008 nach Nr. 21.2 der LL bundesweit 900 Euro bei Erwerbstätigen bzw. 770 Euro bei Nichterwerbstätigen. Bis 31.12.2007 lagen die Beträge in den neuen Bundesländern bei ca. 820 bzw. 710 Euro, Nr. 21.2 der LL, Stand 1.7.2007.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
27 Die Anwendung der Tabelle setzt zunächst voraus, dass das unterhaltsrechtlich maßgebliche Einkommen des Verpflichteten geklärt wird, denn der Unterhaltsbedarf des Kindes richtet sich nach dem Einkommen, das dem Unterhaltspflichtigen zur Deckung seines laufenden Lebensbedarfs zur Verfügung steht bzw. bei Anlegung eines objektiven Maßstabs zur Verfügung stehen müsste.68 Dazu steht dem Kind ein Auskunftsanspruch gegenüber dem pflichtigen Elternteil zu (§ 1605 BGB, Rn. 558 ff.). Für die Einkommensermittlung werden bei Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit Informationen über das in den letzten 12 Monaten oder im letzten Kalenderjahr erzielte Durchschnittseinkommen benötigt (Rn. 568). Da die Ermittlung des Durchschnittseinkommens dazu dient, eine Prognose über das zukünftig zu erzielende Einkommen zu erstellen, um auf dieser Basis den zukünftigen Unterhalt zu berechnen, ist es sinnvoll, auf einen möglichst entscheidungsnahen Zeitraum zurückzugreifen. Ist aufgrund der Veränderung der Arbeitssituation mit einer nachhaltigen Änderung des erzielbaren Einkommens zu rechnen, ist auf das Einkommen abzustellen, das zukünftig erzielt wird, und nicht mehr schematisch auf einen Durchschnitt von 12 Monaten. Für rückständigen Unterhalt ist maßgebend das tatsächlich innerhalb dieser Zeiträume erzielte Einkommen.69 Bei einem selbständig Erwerbstätigen wird für die Prognoseberechnung i.d.R. auf einen Dreijahreszeitraum abgestellt, der aber auch länger sein kann bei stark schwankenden Einkünften. Bei deutlich steigenden Einkünften kann auch ein kürzerer Zeitraum maßgebend sein. Für rückständigen Unterhalt kann auf das tatsächlich erzielte Einkommen abgestellt werden (Rn. 569). 28 Die Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens des Verpflichteten vollzieht sich in zwei Arbeitsschritten: – Aufzulisten sind alle aktuellen Bruttoeinkünfte, steuerpflichtig oder nicht, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung. Davon sind die gesetzlichen Abzüge bzw. die insoweit gleichgestellten Beiträge für freiwillige Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit abzuziehen. Ebenso aufzulisten sind eventuell vorhandene Schulden und sonstige Verbindlichkeiten, z.B. Kreditraten, Unterhaltspflichten etc., die das Einkommen des Unterhaltsschuldners schmälern. Nicht aufzulisten sind Kosten der allgemeinen Lebensführung, z.B. Miete, Versicherungen etc.; denn diese sind in dem Selbstbehalt, der dem Verpflichteten als eigener Unterhalt zusteht, berücksichtigt (vgl. dazu Rn. 24, 130 ff.). – Danach wird das Einkommen bereinigt, d.h., es ist zu bewerten, welche Einkünfte dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung welcher Aufwendungen und Schuldverpflichtungen für seinen Lebensbedarf zur Verfügung stehen. Dieses so ermittelte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen (bedarfsbestimmende Einkommen) ist der Ausgangspunkt für die Bedarfsbemessung. 29 Nach Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens wird der Bedarf nach der Unterhaltstabelle ermittelt (vgl. Rn. 87 ff.) und geprüft, ob das Kind in Höhe des errechneten Bedarfs auch bedürftig ist. Das (hälftige) Kindergeld und eventuell vorhandene eigene Einkünfte des Kindes werden vom Bedarf abgezogen (vgl. Rn. 121 ff.). Bleibt ein ungedeckter Unterhaltsbedarf des Kindes, ist zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der verpflichtete Elternteil tatsächlich leistungsfähig 68 BGH, FamRZ 1986, 780. 69 BGH, FamRZ 2007, 1532, 1534.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
ist. Bei Ansprüchen mehrerer gleichrangiger Unterhaltsberechtigter muss bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden (vgl. Rn. 145 ff.). Schließlich ist der ermittelte Bedarf stets auf seine Angemessenheit zu überprü- 30 fen. Denn ob der anhand der Tabelle ermittelte Bedarf tatsächlich dem Anspruch des Kindes auf angemessenen Unterhalt entspricht, ist jeweils noch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles und den Belangen des Verpflichteten auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen, gleichgültig, ob es sich um einen sog. Mangelfall handelt oder nicht.70 Der BGH hat es dem tatrichterlichen Ermessen überlassen, ob dies mit Hilfe der Bedarfskontrollbeträge der DT geschieht oder aber ohne Anwendung der Kontrollbeträge anhand einer abschließenden Ergebnisprüfung.71 2. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse Die nachfolgend dargestellten Grundsätze zur Klärung und Bereinigung des un- 31 terhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens werden zwar bezogen auf das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils erläutert, sie gelten jedoch gleichermaßen für die Klärung und Bereinigung des Einkommens des unterhaltsberechtigten Kindes, soweit es bereits Einkommen erzielt. Auch für die Klärung und Bereinigung der Einkommen von Berechtigten und Verpflichteten anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse kann nach den hier erläuterten Grundsätzen verfahren werden. Soweit dort Besonderheiten gelten, wird darauf hingewiesen. Folgende Einkünfte sind möglich:72
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Einkünfte aus Erwerbstätigkeit als Arbeiter, Angestellter, Beamter und dergleichen sowie als selbständiger Gewerbetreibender, Handwerker oder Freiberufler, einschließlich – Überstundenvergütungen, Leistungszulagen, Trinkgeldern, Abschlusszuwendungen, Tantiemen, Jubiläumszulagen, Provisionen, Steuerrückvergütungen; – Sachbezügen vom Arbeitgeber wie freies Essen, Wohnen, Freifahrten, Einkaufsrabatte, Überlassen eines PKW, Spesen und Auslagen, soweit sie den tatsächlich entstandenen Mehraufwand übersteigen; – Einkünften aus einer Nebentätigkeit, auch aus Hobbys, sofern dauerhafte Einkünfte erzielt werden, z.B. als Trainer oder bei der Zucht von Tieren; – Abfindungen mit und ohne Sozialplan, Übergangsgelder des ausscheidenden Bundeswehrsoldaten.73 Einkünfte ohne Erwerbstätigkeit
32
– Altersruhegeld, Pensionen, Versorgungsrenten, Renten aus Lebensversicherungen, Invalidenrenten;
70 BGH, FamRZ 2000, 1492, 1493; 2002, 536, 540. 71 BGH, FamRZ 2000, 1492, 1493; 1990, 266, 290; 1992, 539, 541. Beispiele zur Angemessenheitsprüfung anhand der Bedarfskontrollbeträge sind unter Rn. 91 zu finden. 72 Vgl. dazu auch die Nr. 1–9 der Leitlinien der OLG. 73 BGH, FamRZ 1987, 930.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
– Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Streikgeld, Krankengeld, Krankenhaustagegeld, Mutterschaftsgeld. Beim Arbeitslosengeld II gelten Besonderheiten: Auf Seiten des Unterhaltspflichtigen gilt es unterhaltsrechtlich als Einkommen, beim Unterhaltsberechtigten bleibt es als subsidiäre Sozialleistung als Einkommen unberücksichtigt, ausgenommen davon sind die Teile des Arbeitslosengeldes, die ebenfalls Lohnersatzfunktion haben, wie z.B. die Zuschläge nach § 24 SGB II oder das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II.74 – Pflegegeldleistungen nach der Pflegeversicherung (§ 37 Abs. 1 SGB XI) bleiben in der Regel sowohl beim Unterhaltsberechtigten als auch Verpflichteten unberücksichtigt. Denn zugunsten der pflegebedürftigen Person wird gem. § 1610a BGB vermutet, dass das Pflegegeld die Aufwendungen für die Pflege deckt. Pflegegeld, das an die Pflegeperson weitergeleitet wird, ist nach § 13 Abs. 6 SGB XI nur ausnahmsweise unterhaltsrechtliches Einkommen, wenn die Pflegeperson einem minderjährigen und/oder privilegierten volljährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtig ist (§ 1603 Abs. 2 BGB) oder beim Trennungs-, Nachehe- oder Verwandtenunterhalt, wenn der eigene Unterhaltsanspruch der Pflegeperson wegen grober Unbilligkeit beschränkt wird (§§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB); ansonsten bleibt es unberücksichtigt.75 Pflegegeld nach § 64 SGB XII, das z.B. für die Pflege von Eltern gewährt wird, oder Pflegegeld, das für die Tagespflege von Pflegekindern nach § 23 Abs. 1 SGB VIII bezogen wird, soll sowohl den Bedarf des Pfleglings abdecken als auch die Pflegeleistung des Pflegenden materiell anerkennen. Lebt ein Kind in der Pflegestelle, umfasst das für die Pflege gezahlte Geld u.a. den notwendigen Unterhalt für das Kind und die Kosten für die Erziehung (§ 39 SGB VIII). Soweit der Träger die Leistungen getrennt ausweist, kann das Erziehungsgeld als Einkommen des Pflegenden behandelt werden,76 anderenfalls ist zunächst von dem Pflegegeld der Bedarf des Pfleglings zu ermitteln und der überschießende Teil als Einkommen zu behandeln. Eine Bedarfsbemessung nach der DT ist nicht ohne weiteres möglich wegen der unterschiedlichen Ausgangssituation der Fremdunterbringng. Der Bedarf des Pfleglings kann hilfsweise gem. § 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG geschätzt werden, der verbleibende Betrag (i.d.R. ein Drittel)77 stellt Einkommen der Pflegeperson dar, das beim Ehegattenunterhalt um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen ist.78 – Wohngeld wird nur berücksichtigt, soweit es nicht unvermeidbare erhöhte Wohnkosten ausgleicht;79 – Erziehungs- und Elterngeld finden als Einkommen eines Unterhaltspflichtigen nur Berücksichtigung, soweit er einem minderjährigen und/oder privilegierten volljährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtig ist (§ 1603 Abs. 2 BGB). Es ist unterhaltsrechtlich kein Einkommen des Unterhaltsberechtigten, es sei denn, 74 Vgl. Rn. 66b und Nr. 2.2 der Leitlinien. 75 BGH, FamRZ 2006, 846 (mit Anm. v. Born, S. 849 f.) in Änderung seiner früheren Rechtsprechung in FamRZ 1996, 933; 984, 771; zur früheren Rechtsprechung Kalthoener/ Büttner, NJW 1996, 1857 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1216 m.w.N. 76 OLG Köln, FamRZ 2010, 904. 77 OLGR Zweibrücken 2002, 75; Wendl/Dose, § 1 Rn. 463a. 78 OLG Braunschweig, FamRZ 1996, 1216. 79 BGH, FamRZ 1982, 587, 589; 1984, 772, 774; 2003, 860, 862 = FPR 2003, 378, 380. Zur Berechnung des unterhaltsrelevanten Teils des Wohngeldes vgl. das Beispiel Rn. 257 und BGH, FamRZ 2003, 860, 862.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
sein Unterhaltsanspruch ist wegen grober Unbilligkeit beschränkbar (§ 9 BErzGG, § 11 BEEG i.V.m. §§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB, vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 66a–b). – Kindergeld und Kinderzuschüsse nach dem SGB II stellen kein bedarfsbestimmendes Einkommen des Verpflichteten dar.80 – Unterhalt, den ein barunterhaltspflichtiger Elternteil vom anderen Elternteil für sich erhält und der unter Vorabzug des Kindesunterhalts berechnet wurde, muss i.d.R. nicht für Kindesunterhalt verwendet werden. Taschengeld, das ein unterhaltspflichtiger Elternteil, der wegen eines hinzunehmenden Rollentauschs in der neuen Ehe nicht erwerbstätig ist, von seinem Ehegatten erhält, ist gegenüber minderjährigen Kindern Einkommen.81 Auch die Gewährung von Familienunterhalt nach § 1360a BGB wirkt sich wirtschaftlich wie Einkommen aus, indem es bedarfsmindernd auf Seiten des Barunterhaltspflichtigen berücksichtigt und damit die Berücksichtigung von tatsächlich oder fiktiv erzielten Nebeneinkünfte ermöglicht (Rn. 63 bei anzuerkennenden Rollentausch in neuer Ehe). Einkünfte aus Vermögen
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– Zinsen, sonstige Kapitalerträge, Mieteinnahmen, Wohnvorteil im Eigenheim, Gewinnbeteiligungen an Unternehmen etc. Abzüge für Steuern und Vorsorgeaufwendungen
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– Steuern (Einkommen-, Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag), Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Renten-, Arbeitslosen-, Krankenund Pflegeversicherung); – Beiträge für freiwillige Vorsorgeaufwendungen bei Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit, soweit sie in angemessenem Verhältnis zum Einkommen stehen. In der Regel sind für die primäre Altersvorsorge ca. 20 % des Bruttoeinkommens angemessen. – Zusätzlicher Altersvorsorgeaufwand wird – je nach Anforderung an die Einstandspflicht im Unterhaltsrechtsverhältnis – in Höhe von weiteren ca. 4 %–5 % des Bruttoeinkommens anerkannt, Rn. 85. Aufzulisten sind mögliche Abzugsposten, z.B. – berufsbedingte Aufwendungen, die zur Erzielung des Einkommens erforderlich sind und sich nach objektiven Merkmalen von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen (weitgehend entsprechend den Werbungskosten im Steuerrecht), verbreitet ist der Abzug einer Pauschale;82 – sämtliche Schulden und Verbindlichkeiten, soweit sie nicht zu den allgemeinen Kosten der Lebensführung gehören, z.B. Zins- und Tilgungsleistungen auf Kreditverpflichtungen, weitere Unterhaltsverpflichtungen etc. Nicht abzugsfähig – und damit nicht aufzulisten – sind allgemeine Kosten der Lebensführung, z.B. Miete, Gas, Elektrizität, Telefon, Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Hausratversicherungen etc. Diese sind Teil des dem Verpflichteten zustehenden eigenen notwendigen Unterhalts (Selbstbehalts). 80 BGH, FamRZ 1997, 806, s. Rn. 103 ff. 81 BGH, FamRZ 1980; BGH, FamRZ 2006, 1817, 1830; Wendl/Dose, § 1 Rn. 480. 82 Vgl. Nr. 10.2.1 der Leitlinien der OLG.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
" Praxishinweis: Werden im Unterhaltsstreitverfahren die Gehaltsbescheini-
gungen eingereicht, wird das Gericht die gesetzlichen und die für Vorsorgeaufwendungen notwendigen Abzüge bei seinen Berechnungen immer berücksichtigen. Anders ist es bei den Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten: Dazu muss der Unterhaltspflichtige seine sämtlichen Belastungen (bei Krediten Zeitpunkt der Kreditaufnahme und Verwendungszweck) selbst unter Beweisantritt vortragen; das Gericht betreibt keine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. Hier ist äußerste Sorgfalt beim Sachvortrag geboten, da die Höhe des Unterhalts immer von der Höhe des Einkommens abhängt, das sich nach Abzug berücksichtigungswürdiger Schulden ergibt. Am sinnvollsten ist es, schon vorgerichtlich – wenn das Kind Auskunft über Einkommen und Vermögen vom Unterhaltsschuldner verlangt – die Auskunft zu erteilen, wozu auch gehört, bestehende Verbindlichkeiten sowie deren Tilgung mitzuteilen und zu belegen. Das Kind kann dann von vornherein seine Zahlungsanträge der Leistungsfähigkeit anpassen, was sich günstig auf die Höhe der Verfahrenskosten auswirkt. Zwar kann der Verpflichtete die Auskunft im Streitfall noch im Rahmen seiner Rechtsverteidigung ohne Nachteil für seine materielle Rechtsposition vortragen. Er muss aber mit erheblichen Kostennachteilen rechnen, wenn er nicht schon vorprozessual auf das Auskunftsbegehren des Kindes reagiert hat oder einer Auflage des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG (Rn. 738 ff.) nicht fristgemäß nachkommt. Denn das Gericht hat bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Verfahrens gem. § 243 Nr. 2 und 3 FamFG die Säumigkeit des auskunftspflichtigen Beteiligten zu berücksichtigen (s. Rn. 689).
a) Einkommen nichtselbständiger Erwerbstätiger 35 Hat der Unterhaltsverpflichtete Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit, steht ihm zur Deckung seines Lebensbedarfs der tatsächliche Zahlbetrag – sein Nettoeinkommen, also Bruttoeinkommen abzüglich Steuern, Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge (nämlich Kranken-, Pflege-, Rentenund Arbeitslosenversicherung) – zur Verfügung. Für die Unterhaltsberechnung ist deshalb auf sein Durchschnittseinkommen der letzten 12 Monate oder des letzten Kalenderjahres abzustellen.83 Anhand eines Jahreseinkommensnachweises oder der monatlichen Gehaltsbescheinigungen, aus denen sich das Bruttound Nettoeinkommen einschließlich sämtlicher Zuschläge und Abzüge ergeben muss, ist unter Einbeziehung der Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Ortszuschläge, Überstunden u.Ä.) der monatliche Nettobetrag errechenbar. 36 Die Höhe der gesetzlichen Abzüge unterliegt Schwankungen. Die genaue Kenntnis der maßgeblichen Werte kann von Bedeutung sein, wenn das Einkommen fiktiv berechnet werden muss. Die fiktive Berechnung muss im Übrigen so detailliert sein, dass erkennbar ist, in welchem Umfang und zu welchem Stundensatz eine Tätigkeit zumutbar ist, für die ein fiktives Einkommen unterstellt wird.84 Ist der Arbeitnehmer nicht oder nicht in vollem Umfang sozialversicherungspflichtig – sorgt er also freiwillig für die Gesundheits- und Altersversorgung bei 83 BGH, FamRZ 1983, 996. 84 BGH, FamRZ 2009, 314, 317; BVerfG, FamRZ 2010, 793, 795 zum Begründungszwang bei einem über dem Mindestlohn liegenden Stundensatz.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
einer privaten Krankenkasse und Lebensversicherung –, sind die hierfür üblichen nachgewiesenen Ausgaben (bis ca. 20 % des Bruttoeinkommens für die Altersund Invaliditätsvorsorge und bis ca. 16 % des Bruttoeinkommens für die Kranken- und Pflegeversicherung) vom Bruttoeinkommen abzuziehen.85 Zum Abzug von höheren, ergänzenden Altersvorsorgeaufwendungen beim Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Minderjährigenunterhalts und anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse, s. Rn. 85. Das durchschnittliche Einkommen des letzten Jahres ist dann nicht maßgeblich, 37 wenn sich in jüngster Zeit gravierende Veränderungen bezüglich der Lohnentwicklung nach oben oder unten ergeben haben, die nun dauerhaft die Lebensbedingungen bestimmen werden, z.B. Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Steuerklasse, Arbeitslosigkeit, Beförderung, Pensionierung. Die künftige Unterhaltsrente richtet sich dann immer nach den aktuellen Einkünften.86 Beispiel Der Unterhaltsverpflichtete erzielte 2008 ein Durchschnittsnettoeinkommen von 1 600 Euro monatlich, das sich ab 1.7.2009 um 200 Euro erhöhte. Der Berechnung von Unterhaltsansprüchen sind ab Juli 2009 1 800 Euro zugrunde zu legen.
Liegen für die Berechnung des neuen Einkommens erst Belege für einige Monate vor und sind Sonderzuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld) zu erwarten, kann eine fiktive Einkommensberechnung erstellt werden.
" Praxishinweis: Es passiert immer wieder, dass Unterhaltspflichtige Frei-
beträge auf der Steuerkarte absichtlich nicht eintragen lassen oder eine Steuerklasse wählen, nach der höhere monatliche Lohnsteuerbeiträge zu zahlen sind, als dies der voraussichtlichen tatsächlichen Steuerschuld entspricht. Die erstinstanzlichen Gerichte ziehen häufig mit Hilfe der Lohnsteuertabellen den fiktiven richtigen Steuerbetrag ab, um eine Benachteiligung des Kindes zu vermeiden. Dies empfiehlt sich dann, wenn noch kein Steuererstattungsbescheid vorliegt. Der BGH hat diese Korrektur des Nettoeinkommens ausdrücklich gebilligt, wenn durch die Steuerklassenwahl die Steuerbelastung von Ehegatten zu Lasten des Unterhaltspflichtigen und damit zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten verschoben wird.87 In jedem Fall sollte vom Unterhaltsberechtigten immer auch Auskunft über die Steuererstattungen verlangt und vorsorglich die Zahlung eines geschätzten höher bezifferten Unterhaltsbetrages angemahnt werden. Das Gericht kann zur Aufklärung der Einkommensverhältnisse sogar selbst eine entsprechende Auskunft vom Finanzamt einholen, wenn der Verpflichtete trotz richterlicher Auflage untätig bleibt (§ 236 Abs. 1 Nr. 5 FamFG). Diese Befugnis gilt anders als nach § 643 Abs. 2 Nr. 3 ZPO a.F. jetzt für alle Unterhaltsrechtsverhältnisse. Das Auskunftsersuchen gegenüber dem Finanzamt ist den Verfahrensbeteiligten mitzuteilen (§ 236 FamFG, vgl. dazu Rn. 748). Es ist für die Beteiligten nicht selbständig anfechtbar.
85 So zuletzt BGH, FamRZ 2003, 860 ff. 86 OLG München, FamRZ 1984, 173. 87 BGH, FamRZ 2004, 443, 444 (zum Elternunterhalt).
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
b) Abfindungen 38 Bei hohen, mehr als ein Monatseinkommen ausmachenden Sonderzuwendungen wie Jubiläumszahlungen, Gratifikationen, Abfindungen88 oder Übergangshilfen der Bundeswehr89 sind die Einkünfte als monatliches Einkommen zu verteilen. Abfindungen, die als Ersatz für fortgefallenes Erwerbseinkommen dienen, sind über einen längeren Zeitraum zu verteilen, um den bisherigen Bedarf z.B. bei fortdauernder Erwerbslosigkeit zu sichern. Beispiel Ein 56-jähriger erhält nach Steuerabzug eine Abfindung in Höhe von ca. 40 000 Euro. Hier kann eine Verteilung des Kapitals und der Zinsen bis zur Rentenbezugsberechtigung auf 9 Jahre vorgenommen werden90, wenn nicht alsbald mit einer Neuanstellung zu rechnen ist91. Das ergibt ein zusätzliches mtl. Netto von ca. 370 Euro ohne Berücksichtigung von Zinserträgen (40 000 Euro : 108 Monate = 370 Euro).
Grundsätzlich ist der Unterhaltsschuldner verpflichtet, eine Übergangshilfe im Rahmen einer sparsamen Wirtschaftsführung zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seines minderjährigen Kindes zu verwenden.92 Bei Abfindungen aus Anlass der Aufhebung eines Anstellungsvertrags ist bei der Verteilung zu berücksichtigen, dass trotz des Verlustes des Arbeitsplatzes die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden sollen und der bisherige Bedarf sichergestellt werden soll. Ab wann eine Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse geboten ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles.93 Findet der Verpflichtete wieder eine Erwerbstätigkeit und sind die Einkünfte daraus dauerhaft niedriger, richtet sich der Bedarf nach dem nunmehr erzielten Einkommen. Ist die Abfindung noch mindestens teilweise vorhanden, wird jedoch eine Pflicht zur Verwertung insoweit bestehen, um den Mindestunterhalt des Kindes längerfristig bis zur Volljährigkeit zu sichern. Besonderheiten gelten beim Ehegattenunterhalt: Werden Abfindungen als Einkommen bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt, ist von der auf einen längeren Zeitraum umgelegten Abfindung, die an die Stelle des Erwerbseinkommens getreten ist, kein Erwerbstätigenbonus abzuziehen.94 Zu beachten ist ferner, dass sich bei größeren Zahlungen das Problem der Doppelverwertung beim Unterhalt und Zugewinn ergeben kann, vgl. dazu den Praxishinweis Rn. 370a. Verringern sich Einkünfte im Falle einer Neuanstellung dauerhaft, ist der Bedarf dem neuen Einkommen anzupassen (Rn. 484)95 und eine eventuell noch vorhandene Abfindung bleibt unterhaltsrechtlich außer Betracht. c) Einkünfte aus Mehrarbeit und überobligatorischer Erwerbstätigkeit 39 Es wird im Unterhaltsverfahren häufig darüber gestritten, ob Einkünfte, die zusätzlich zum Einkommen aus voller Erwerbstätigkeit bezogen werden, bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt bleiben können. Hierzu gehören Ein88 89 90 91 92 93 94 95
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BGH, FamRZ 2001, 278; 1998, 362; 1982, 250, 252; 1987, 359; OLGR Köln, 2004, 285. BGH, FamRZ 1987, 930. OLG Hamburg, DAV 1989, 87. OLG Koblenz, FamRZ 1991, 573, 574. BGH, FamRZ 1987, 930. BGH, FamRZ 1987, 359; OLG Koblenz, FamRZ 1991, 373, 374. BGH, FamRZ 2007, 983, 987. BGH, FamRZ 2003, 590 f.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
künfte aus Nebentätigkeiten, Überstunden, Mehrarbeit durch Urlaubsabgeltungen, Zuschläge für Schicht-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit, Zulagen für Schmutz-, Schwer- und Schwerstarbeit, Zweitarbeit und die Erwerbstätigkeit neben Bezug von Altersruhegeld. Grundsätzlich sind solche zusätzlichen Einnahmen mit zu berücksichtigen, wenn sie berufstypisch sind, das übliche Maß im jeweiligen Beruf des Verpflichteten nicht übersteigen und wenn die Lebensverhältnisse der Familie dadurch bestimmt waren.96 Beispiel V arbeitete bis zur Trennung regelmäßig 260 Stunden mtl., so dass die Ehegatten in Erwartung eines entsprechend hohen Einkommens Möbel auf Kredit kauften. Nach der Trennung reduzierte V seine Tätigkeit auf monatlich 180 Stunden und wollte das nun erzielte Einkommen der Unterhaltsberechnung zugrunde legen. Das Gericht akzeptierte diese drastische Reduzierung der Arbeitszeit wegen der hohen Verschuldung nicht und schätzte für die Unterhaltsberechnung die für V zumutbare Stundenzahl und das dieser Arbeitszeit entsprechende Einkommen.97
Ansonsten hängt die Berücksichtigung als bedarfsbestimmendes Einkommen von der Art des Unterhaltsrechtsverhältnisses ab. Da in den Vorschriften über den Kindesunterhalt eine ausdrückliche Regelung 40 über die Behandlung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit fehlt, richtet sich die Berücksichtigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalles.98 Für die vorzunehmende Interessensabwägung ist das Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt des Berechtigten von Bedeutung. Gegenüber den Ansprüchen minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder obliegt dem Verpflichteten eine besonders strenge Einstandspflicht für den Unterhalt (gesteigerte Unterhaltspflicht), so dass regelmäßig das gesamte Einkommen für die Bedarfsdeckung des Kindes zur Verfügung zu stehen hat, insbesondere dann, wenn der notwendige Lebensbedarf des Kindes nicht gedeckt wäre oder die Unterhaltsverpflichtungen in der Vergangenheit nur mangelhaft erfüllt wurden. In anderen Fällen kann die Abwägung ergeben, dass die Mehreinkünfte nur teilweise oder gar nicht beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt werden, z.B. wenn das Geld für die Schuldentilgung benötigt wird.99 Beispiel V verdient aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ein mtl., um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Einkommen von 2 200 Euro und hat 398 Euro Kindesunterhalt zu zahlen. Sein Sohn lebt bei der Mutter, die über ein Einkommen von 2 500 Euro verfügt. V verdient aus einer überobligatorischen Nebentätigkeit als Segellehrer mtl. weitere 350 Euro. Für den Kauf einer eigenen Segelyacht hat er mtl. Raten von 400 Euro zu zahlen. Die Rate für die Yacht kann er dem Kind gegenüber nicht einkommensmindernd absetzen. Obwohl sich der Kindesunterhaltsbedarf erhöhen würde, wenn man das Einkommen aus Nebentätigkeit hinzurechnete, bleibt es hier gleichwohl für die Bedarfsberechnung außer Betracht. Da V schon aufgrund seines Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit einen deutlich über dem Mindestunterhalt liegenden einkommensangemessenen Unterhalt zahlt, entspricht es der Billigkeit, dass er dieses Einkommen zur Schuldentilgung einsetzen kann. 96 97 98 99
BGH, FamRZ 1980, 984. OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 38. BGH, FamRZ 1991, 182 ff. OLG Hamm, FamRZ 1999, 43.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Besonderheiten gelten beim Ehegattenunterhalt wegen der unterschiedlichen Einstandspflicht für den Unterhalt. Vgl. dazu Rn. 362 ff. (Trennungsunterhalt), Rn. 488 ff. (Nacheheunterhalt). d) Zweckbestimmte Entgelte 41 Da ausnahmslos alle Einkünfte zu erfassen sind, bedarf es bei allen Arten von Spesen, Auslösungen, Reisekosten, Essensgeldern, Übernachtungsgeldern, Trennungsentschädigungen, Auslandszulagen, Auslandszuschlägen, Aufwandsentschädigungen, Diäten, Ministerialzulagen, Entschädigungen für Schöffentätigkeit, Betreuer- und Pflegervergütungen einer genauen Aufstellung darüber, in welcher Höhe der auszugleichende Mehraufwand tatsächlich entstanden ist.100 Der den Aufwand übersteigende Betrag ist unterhaltsrelevantes Einkommen. Hier kann eine Schätzung angebracht sein (§ 287 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG),101 wenn Angaben zum Mehraufwand unvollständig oder zweifelhaft sind, der Umfang der weiteren Aufklärung unverhältnismäßig schwierig ist und in seiner Bedeutung für die Höhe der Unterhaltsforderung in keinem angemessenen Verhältnis steht.102 Auslandszuschläge von Berufssoldaten in Krisengebieten werden, ggf. nach Abzug eines Mehraufwandes, in der Rechtsprechung häufig wegen der besonderen Erschwernisse und Gefahren, die der Einsatz mit sich bringt, nur zur Hälfte als Einkommen angerechnet,103 das OLG Hamm berücksichtigt nur ein Drittel.104
" Praxishinweis: Soweit mit Spesen und Auslösungen laufende Lebenshal-
tungskosten gespart werden, können dem Einkommen etwa ein Drittel der gezahlten Beträge hinzugerechnet werden. Bei bescheiden bemessenen Pauschbeträgen, z.B. Schöffenentschädigungen, kann der Betrag wegen Geringfügigkeit auch anrechnungsfrei bleiben. Sind die Auslösungen, z.B. bei Auslandsentschädigungen oder Aufwandsentschädigungen eines Abgeordneten, erkennbar höher als der tatsächliche Mehraufwand, ist der Differenzbetrag bei unvollständigen oder zweifelhaften Angaben zum Mehraufwand zu schätzen und dem Einkommen hinzuzurechnen. Werden die Kosten für Dienst- und Geschäftsreisen vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt, entfällt dafür ein Werbungskostenabzug beim Unterhaltsverpflichteten.
e) Einkommen selbständig Erwerbstätiger 42 Für die Bestimmung des durchschnittlichen Monatseinkommens bei Selbständigen ist i.d.R. das Einkommen der letzten 3 Jahre zugrunde zu legen, weil die
100 BGH, FamRZ 1986, 780 zur Aufwandsentschädigung von Abgeordneten; zur Behandlung von Auslandsverwendungszulagen nach § 55 BBesG bei Berufssoldaten als Einkommensbestandteil nach Abzug von auslandsbedingtem Mehrbedarf BGH, FamRZ 1980, 342 Tz. 15 ff.; zu Fahrkosten und Aufwandsentschädigung für doppelte Haushaltsführung BGH, FamRZ 1990, 266, 267; OLG Köln, FamRZ 1991, 940, 941 zum Auslandszuschlag. 101 BGH, FamRZ 1993, 789, 792; Wendl/Dose, § 6 Rn. 728 ff. 102 Zur Zulässigkeit der Schätzung im Unterhaltsprozess vergleiche BGH, FamRZ 2001, 1603; 1986, 885; 1981, 1165; 1984, 149, 151. 103 OLG Schleswig, FamRZ 2005, 369; BGH, FamRZ 1980, 342, 344. 104 OLG Hamm, NJW-RR 2010, 508 ff., mit Anm. v. Griesche, FamFR 2010, 83; ebenso OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 820.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Einnahmen häufig schwanken.105 Sind die Schwankungen sehr groß, kann eine Aufstellung für einen längeren Zeitraum verlangt werden.106 Zeichnet sich im letzten Jahr eine deutliche Erhöhung ab, kann ein kürzerer Zeitraum Berechnungsgrundlage für das maßgebliche Einkommen sein, wenn mit einer stetigen Weiterentwicklung des zuletzt erzielten Einkommens zu rechnen ist.107 Besonderheiten gelten bei neu begründeter Selbständigkeit: Hier kann das zuvor verdiente Einkommen Anknüpfungspunkt für den Bedarf sein, weil die Verpflichtung besteht, für den zu zahlenden Unterhalt Rücklagen zu bilden.108 Möglich ist aber auch, auf den vom Selbständigen zur Deckung seines Bedarfs verwendeten Betrag abzustellen.109 Beurteilungsgrundlage für die Höhe des Einkommens sind die von dem Verpflichteten (in einer geordneten Aufstellung) erteilten Auskünfte und vorgelegten Belege wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen, Überschussrechnungen, Einkommensteuerbescheide, Steuererklärungen etc. Fehlt eine geordnete Übersicht zu den Einkünften und liegen nicht alle Belege vor, ist zu beachten, dass sich nicht alle Einnahmen aus den vorgelegten Belegen ergeben müssen, obwohl sie zu berücksichtigen sind. So können Selbständige Renten oder Krankengeld beziehen, die z.B. in den vorgelegten Überschussrechnungen nicht erscheinen. Von den Gewinnen und sonstigen Einnahmen sind die Aufwendungen für Steu- 43 ern sowie für Alters- und Gesundheitsvorsorge abzusetzen. Abzugsfähig sind nur tatsächlich geleistete und dem Einkommen angemessene Vorsorgeaufwendungen. Dem Selbständigen wird der übliche, aber kein übermäßiger Versicherungsschutz zugebilligt. Üblich sind Aufwendungen i.H.v. ca. 20 % des Bruttoeinkommens für Alters- und Invaliditätsvorsorge und ca. 16 % für Kranken- und Pflegeversicherung. Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung werden in der Regel dann nicht anzuerkennen sein, wenn der Unterhaltspflichtige nicht das Existenzminimum der unterhaltsberechtigten Kinder und des Ehegatten abdecken kann.110 Ansonsten sind vom BGH ergänzende Altersvorsorgeaufwendungen jährlich in Höhe von 4 % des Jahresbruttoeinkommens des Vorjahres beim Ehegattenunterhalt in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der sog. „RiesterRente“111 und beim Elternunterhalt in Höhe von bis zu 5 % akzeptiert worden.112 Voraussetzung ist immer, dass tatsächlich Aufwendungen entstanden sind, was allerdings auch durch Sparrücklagen erfolgen kann. Fiktive Beträge sind nicht anzuerkennen.113 Steuern sind nach der Rechtsprechung des BGH i.d.R. in der Höhe abzuziehen, in der sie in dem maßgeblichen Jahr tatsächlich angefallen sind (sog. In-Prinzip).114 Das kann zu nicht unerheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens führen, wenn Steuervorauszahlungen geleistet wurden, die 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114
BGH, FamRZ 1982, 680. BGH, FamRZ 1985, 357, 358. BGH, FamRZ 1985, 582. BGH, FamRZ 1992, 1045. BGH, FamRZ 1988, 256. BGH, FamRZ 2003, 741, 744; ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 13.1.2009 – 10 UF 132/08 zum Kindesunterhalt. BGH, FamRZ 2005, 1817,1821 f. 2007, 793, 795. BGH, FamRZ 2006, 1511; 2003, 860 ff. (Elternunterhalt); OLG München, FamRZ 2005, 367, 368. BGH, FamRZ 2007, 193–196. BGH, FamRZ 1991, 304; 2003, 741 m.w.N.
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höher sind als die später bei der steuerlichen Veranlagung im Steuerbescheid festgesetzte tatsächliche Steuer und der Steuerpflichtige z.B. die tatsächliche Veranlagung noch hinauszögert. Die Rechtsprechung des BGH wird deshalb zu Recht als zu starr kritisiert.115 In der Praxis behelfen sich die Gerichte, indem sie nach dem Für-Prinzip die Steuern abziehen, die in den Steuerbescheiden für die maßgeblichen Jahre festgelegt wurden. Dies bietet sich immer dann an, wenn für den Zeitraum, der der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt wird, die Steuerbescheide bereits vollständig vorliegen. Man erspart sich damit eine dreifache Prüfung und Berechnung von Steuervorauszahlungen, Steuererstattungen und Steuernachzahlungen. Fiktive Steuerberechnungen kommen in Betracht, wenn die steuerliche Veranlagung manipulativ verzögert oder unterhaltsrechtlich relevante Korrekturen am zu versteuernden Einkommen vorzunehmen sind. Selbst wenn Steuerbescheide vorliegen, können unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte eine Korrektur des Einkommens und der Besteuerung erfordern, z.B. wenn Aufwendungen für Vermögensbildung, die mit Steuerersparnissen verbunden ist, nicht anzuerkennen sind, vgl. Rn. 47. Für die fiktive Steuerberechnung sind zunächst von dem Bruttoeinkommen steuerrechtlich anerkannte Abzüge für Sonderausgaben nach § 10 EStG vorzunehmen, wie z.B. für Vorsorgeaufwendungen des Verpflichteten, Krankenkassenund Pflegeversicherungskosten, § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 2 EStG, ggf. für Verluste bei Vermietung und Verpachtung (§ 10d EStG), für Unterhaltsbelastungen durch geschiedene oder getrenntlebende Ehegatten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder aber nach § 33a EStG.116 Von dem so ermittelten zu versteuernden Einkommen wird die Steuerschuld einschließlich des Solidaritätszuschlags je nach Sachverhalt entweder nach der Grundtabelle oder Splittingtabelle für das maßgebliche Jahr ermittelt.117 Die so ermittelte fiktive Steuerschuld wird dann von dem unterhaltsrechtlich maßgeblichen Bruttoeinkommen abgezogen. Anschließend wird das Einkommen um die die unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Vorsorgeaufwendungen sowie Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie sonstige unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Verbindlichkeiten bereinigt (vgl. dazu Rn. 67 ff.). 44 Schwierigkeiten bereitet oft die unterhaltsrechtliche Einschätzung, ob der aus den Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV), Einnahmen-Überschussrechnungen oder Steuerbescheiden ersichtliche unternehmerische Gewinn tatsächlich dem unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen des Selbständigen entspricht; denn nicht alle nach § 242 HGB oder § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Betriebsausgaben sind unterhaltsrechtlich abzugsfähig.118 Aufgrund der im Unterhalts- und Steuerrecht geltenden unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe sind deshalb Auskünfte über das steuerrechtliche Einkommen zu hinterfragen. Der Gewinn oder Überschuss ergibt sich aus der Aufstellung der Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben.119 Abzugsfähig sind alle zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Betriebes notwendigen Kosten. Aber betriebs115 Wendl/Kemper, § 1 Rn. 584 ff.; Fischer-Winkelmann, FamRZ 1993, 880, 884. 116 Borth, FamRZ 2010, 416 ff. 117 Zur Behandlugn des Splittingsvorteils bei der Einkommensberechnung s. Rn. 49a, beim Nacheheunterhalt Rn. 506 ff. 118 BGH, FamRZ 1980, 770, 771. 119 Vgl. die steuerrechtliche Abgrenzung von Gewinn- und Überschusseinkünften bei Wendl/Kemper, § 1 Rn. 220 ff., 110 ff.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
bedingte Ausgaben können ersparten Aufwendungen für den privaten Lebensbedarf entsprechen, so dass eine sorgfältige Prüfung der Ausgaben sinnvoll sein kann. Hauptstreitfall hierfür ist der Umfang des privaten Nutzungsanteils eines betrieblichen PKW. Aber auch Teile der Kosten für Telefon, Porto, Papier, Reisen, Bewirtung, Miete und dergleichen kommen oft auch der privaten Lebensführung zugute, so dass die Ersparnis privater Aufwendungen durchaus höher liegen kann als der steuerrechtlich berücksichtigte Anteil.120 Bestreitet der Unterhaltsberechtigte steuerrechtlich anerkannte Ausgaben und fehlen auf Seiten des Verpflichteten dazu konkrete Angaben oder sind sie unvollständig, bleiben die entsprechenden Positionen entweder ganz oder teilweise unberücksichtigt, wodurch sich das maßgebliche Einkommen aus unterhaltsrechtlicher Sicht ändert. Werden Angaben des Verpflichteten bestritten, ist darüber auf Antrag entsprechender Beweis zu erheben. Häufig wird insoweit jedoch eine Schätzung auf der Grundlage von § 286 und § 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG angezeigt sein, wenn der Aufwand der Beweiserhebung in einem unangemessenen Verhältnis zu dem Ergebnis steht.121 In der Praxis sind die Abschreibungen für Wirtschaftsgüter häufig ein Streit- 45 punkt. Die sog. AfA-Beträge, die die steuerrechtliche Absetzung für die Abnutzung von Anlagevermögen bezeichnen, können unterhaltsrechtlich nicht oder nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn z.B. die Anschaffung des Wirtschaftsguts nicht angemessen war (Kauf eines zu teuren Firmenwagens),122 das Anlagevermögen keinem oder einem längerfristigerem Wertverzehr unterliegt (Kauf eines Unternehmens als immaterielles Anlagevermögen), ferner Wertminderungen von Gebäuden, wenn diese mit einem Anstieg des Immobilienpreises ausgeglichen werden123. Gemäß § 7 EStG können die Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter über mehrere Jahre als Abzugsposten steuerlich geltend gemacht werden für deren Abnutzung (lineare Abschreibung), Substanzverringerungen sowie außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung. Vor allem die lineare Abschreibung für Abnutzung spielt in Unterhaltsprozessen eine Rolle. Werte für die Schätzung der Nutzungsdauer bei der linearen Abschreibung ergeben sich aus amtlichen Tabellen, die der Bundesfinanzminister mit Fachverbänden der Wirtschaft abstimmt, die aber nicht immer die tatsächliche Nutzungsdauer angeben, weil mit ihnen auch konjunkturpolitische Zwecke verfolgt werden. Der BGH hat die Anwendung der Tabellen als Hilfsmittel anerkannt, gleichzeitig jedoch klargestellt, dass sie zwar die Vermutung der Richtigkeit haben, aber die Gerichte nicht binden, wenn sie erkennbar nicht auf Erfahrungswissen beruhen und deshalb unzutreffend sind.124 Unterhaltsrechtlich kann durchaus Anlass für eine Korrektur bestehen, wenn tabellarisch festgesetzte Zeiträume für die Abnutzung zu kurz und die Absetzungsbeträge demzufolge sehr hoch sind, obwohl die tatsächliche Nutzungsdauer wesentlich länger ist. Weicht die tatsächliche Nutzungsdauer im Einzelfall erheblich ab, sind die Abschreibungsbeträge in geringerer Höhe über einen längeren Zeitraum zu verteilen, wodurch sich der Gewinn und damit das für die Bedarfsberechnung 120 Wendl/Kemper, § 1 Rn. 220 ff., 228 (Sachentnahmen, Nutzungsentnahmen, PKW Nutzung etc.). 121 Zur Darlegungs- und Beweislast bei der Bewertung steuerlicher Ergebnisse vgl. Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbständigen, Teil II 5.1; BGH, FamRZ 2005, 97 ff. zur Schätzung von betriebsbedingten Vorteilen als Einkommen. 122 BGH, FamRZ 1987, 46 ff. 123 BGH, FamRZ 1997, 281; 1998, 357, 359; OLG Dresden, FamRZ 1999, 850. 124 BGH, FamRZ 2003, 741, 743 mit krit. Anm. von Gerken.
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maßgebliche Einkommen erhöht.125 Dem Unterhaltsbedürftigen ist nicht zuzumuten, indirekt durch geringeren Unterhalt sachlich nicht gebotene Bildung von Betriebsvermögen mitzufinanzieren.126 Diese Grundsätze gelten auch, soweit für betriebliche Wirtschaftsgüter Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden.127 Ist das Ergebnis der Überprüfung der AfA-Beträge eine Kürzung der Abschreibungsbeträge, erhöht sich der Gewinn des Selbständigen. Häufig wird in der Praxis dann eine fiktive Steuerberechnung durchgeführt. Dies ist nach Auffassung des BGH unterhaltsrechtlich dann nicht geboten, wenn die Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen auch unter Berücksichtigung der Folgejahre im Wesentlichen verbleibt.128 46 Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung werden Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden (§§ 7 ff. EStG) unterhaltsrechtlich i.d.R. nicht anerkannt;129 denn sie beruhen auf steuerlichen Pauschalen für einen geschätzten Verschleiß von Gegenständen des Vermögens, die deutlich über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung der Bauwerke hinausgehen. Auch wirkt sich eine Abnutzung meist nicht auf das Einkommen aus durch eine günstige Entwicklung der Immobilienpreise.130 Instandsetzungskosten können unterhaltsrechtlich nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich um notwendigen Erhaltungsaufwand und nicht etwa um den Aufwand für Vermögensbildung handelt, wie dies bei Ausbauten und wertsteigernden Verbesserungen der Fall ist.131 47 Sonderabschreibungen, die sich nicht auf Wirtschaftsgüter des Betriebes beziehen (gemäß § 7a EStG z.B. bei Bauherrenmodellen), sind unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen, so dass weder die Belastungen noch die erzielten Steuervorteile zu berücksichtigen sind.132 Dies hat zur Folge, dass insoweit fiktive Steuerberechnungen erforderlich sind. Ansparabschreibungen können den steuerrechtlichen Gewinn des Unternehmens erheblich mindern, obwohl der in Ansatz gebrachte Betrag dem Unternehmer tatsächlich zur Verfügung steht. Nach § 7g Abs. 3 EStG können mittelständische Unternehmen für zukünftige Investitionen Rücklagen in Höhe von 40 % des anzuschaffenden Wirtschaftsguts und bis zu einem Höchstbetrag von 154 000 Euro innerhalb eines Ansparzeitraums von bis zu zwei Jahren gewinnmindernd in Ansatz bringen, ohne dass eine Verpflichtung besteht, die Investitionen später tatsächlich zu tätigen. Wird die Investition getätigt, ist die Rücklage aufzulösen und gewinnerhöhend in Ansatz zu bringen. Gleichzeitig kann die für das begünstigte Wirtschaftsgut in Betracht kommende AfA in Anspruch genommen werden. Ist die Anschaffung nicht getätigt worden, ist die Abschreibung bis Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen mit einem Gewinnzuschlag von 6 % pro Jahr (§ 7g Abs. 4 EStG). In 125 Strohal, FPR 2006, 344, 347; kritisch gegenüber Veränderung der Werte der AfA-Tabellen: Kleinle, FamRZ 1998, 1346 ff. sowie Weychardt, FamRZ 1999, 1407; Fischer-Winkelmann, FamRZ 1999, 1403 ff., befürwortet, bei der linearen Abschreibung auf die tatsächliche Nutzungsdauer abzustellen. 126 Wendl/Kemper, § 1 Rn. 154 ff. 127 BGH, FamRZ 2003, 741, 743 f. 128 BGH, FamRZ 2003, 741, 744. 129 BGH, FamRZ 1997, 281, 283. 130 BGH, FamRZ 2005, 1159 ff.; 1997, 281, 283; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 300. 131 BGH, FamRZ 1997, 281, 283; 1984, 39, 41; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 299. 132 BGH, FamRZ 1987, 36, 37.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
dem Fall muss das um Steuern bereinigte Einkommen dann nicht korrigiert werden, wenn das Durchschnittseinkommen für einen Zeitraum gebildet wird, in dem die Rücklage und Auflösung erfasst wird. Denn die geringere Steuerbelastung in der Zeit der Ansparphase wird in der Regel ausgeglichen durch die höhere Steuerbelastung aufgrund der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage. Fehlen vollständige Informationen, bleibt die Ansparabschreibung unberücksichtigt und es ist eine fiktive Steuerberechnung zu erstellen.133 Der BGH hat insoweit ausdrücklich betont, dass dann die Steuerbelastung zu berücksichtigen sei, die den Verpflichteten ohne die Ansparabschreibung getroffen hätte. Die Beispiele verdeutlichen, dass sorgfältig geklärt werden sollte, ob die steuer- 48 rechtlich anerkannten Ausgaben das Einkommen unterhaltsrechtlich tatsächlich mindern. Allerdings ist hier zu beachten, dass dies im Unterhaltsverfahren i.d.R. nicht von Amts wegen geschieht. Es ist vielmehr Aufgabe desjenigen, der den Unterhalt geltend macht, die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten, darzulegen und zu beweisen, wenn sich sein Bedarf – wie beim Minderjährigenunterhalt (soweit er über den Mindestunterhalt hinausgeht) nur nach den Lebensverhältnissen des Verpflichteten (§ 1610 Abs. 1 BGB) oder wie beim Ehegattenunterhalt (§§ 1361, 1569 ff. BGB) – auch nach den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten richtet. Zu diesem Zweck steht dem Unterhaltsberechtigten ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu, nach dem dieser verpflichtet ist, seine Einnahmen und Aufwendungen im Einzelnen so darzustellen, dass die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können. Insbesondere kann auch die Aufklärung zweifelhafter Positionen verlangt werden.134 Zum Auskunftsanspruch vgl. Kap. J, Rn. 558 ff. Kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf schlüssig darlegen und bestreitet er im Verfahren die unterhaltsrechtliche Relevanz einzelner Ausgaben, ist es Sache des Unterhaltsschuldners, der sich auf seine Leistungsunfähigkeit oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit beruft, seine Einnahmen und behaupteten Aufwendungen im Einzelnen so darzustellen, dass die allein steuerrechtlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich beachtlich sind, abgegrenzt werden können. Dazu gehört, substantiiert dazulegen und zu beweisen, dass die steuerrechtlich anerkannten Aufwendungen auch unterhaltsrechtlich berücksichtigungswürdig sind.135 Tut er dies nicht, kann das Gericht ggf. den Betrag außer Ansatz lassen oder gemäß § 287 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG schätzen.136 Wenn nach den Unterlagen die Gewinne gering ausfallen, obwohl die vollständige Familie vor der Trennung der Eltern noch gut leben konnte, können auch nicht gebuchte „Schwarz“einnahmen ursächlich sein. Beweispflichtig für ein tatsächlich höheres, zu versteuerndes Einkommen ist derjenige, der sich darauf beruft. Möglich ist auch, bei unklaren Einkommensverhältnissen auf die Privatentnah- 49 men des Selbständigen abzustellen.137 Da Entnahmen bei Einzelunternehmen 133 BGH, FamRZ 2004, 1177 ff.; Anm. dazu von Engels, FamRZ 2004, 1356; Eschenbruch/ Klinkhammer/Mittendorf, Kap. 6 Rn. 103; Heiß, Kap. 3, S. 25a; OLG Hamm, FamRZ 2002, 885. 134 Vgl. Rn. 569 und BGH, FamRZ 1980, 770; 1984, 39. 135 BGH, FamRZ 1998, 357, 359; grundlegend zum Abgrenzungserfordernis BGH, FamRZ 1980, 770, 771. 136 BGH, FamRZ 1993, 789. 137 So z.B. OLG Köln, FamRZ 1990, 310; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1088; Schürmann, FamRZ 2002, 1149 ff.; kritisch Heiß/Linderer, Kap. 45 Rn. 30 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
das Betriebsvermögen mindern, kann sich unterhaltsrechtlich jedoch das Problem der Zumutbarkeit des Vermögensverzehrs stellen.138 Wird für die Einkommensbestimmung auf die Entnahmen abgestellt, schließt dies die zusätzliche Berücksichtigung von Gewinnen aus. f) Steuererstattungen – Steuernachzahlungen – Ehegattensplittingvorteil 49a Steuererstattungen und Steuernachzahlungen werden bei der Berechnung rückständigen Unterhalts einkommenserhöhend oder einkommensmindernd in dem Jahr berücksichtigt, in dem sie geflossen sind. Für die Berechnung zukünftigen Unterhalts kommt eine entsprechende Berücksichtigung von Zu- bzw. Abschlägen nur in Betracht, wenn in Zukunft mit Steuererstattungen und Steuernachzahlungen zu rechnen ist.139 Bei starken Schwankungen kann für die Prognose des zukünftigen Einkommens und der Steuerschuld – auch bei Nichtselbständigen – der Durchschnitt aus mehreren zurückliegenden Jahren berechnet werden. Sind in der Vergangenheit Steuererstattungen geflossen und werden weder aktuelle Bescheide noch Steuererklärungen vorgelegt, darf das Gericht die zu erwartende Steuererstattung unter Berücksichtigung früherer Erstattungen nach § 287 ZPO schätzen.140 Soweit der Unterhaltspflichtige steuerliche Vorteile aufgrund einer neuen Eheschließung wegen des sog. Ehegattensplittings genießt, sind diese steuerlichen Vorteile zwar nach der Entscheidung des BVerfG vom 7. Oktober 2003 der neuen Ehe vorzubehalten.141 Dies gilt jedoch nicht für den Kindesunterhalt, bei dem für die Bedarfsberechnung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auf dessen tatsächlich erzieltes Einkommen einschließlich des auf seinem Einkommen beruhenden Splittingvorteils abzustellen ist, zumal eine andere Handhabung zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der gleichrangig berechtigten Kinder aus erster und zweiter Ehe führen würde.142 Sind Kindes- und Nacheheunterhalt gegen den wiederverheirateten Verpflichteten geltend zu machen, erfolgt deshalb die Bedarfsberechnung anhand unterschiedlich hoher Einkommen des Verpflichteten, denn für die Berechnung des Nacheheunterhalts sind von dem Einkommen fiktiv zu berechnende Steuern abzuziehen. Zur modifizierten Handhabung beim Nacheheunterhalt, wenn der neue Ehepartner unterhaltsbedürftig ist und der Bedarf durch Dreiteilung ermittelt wird,143 vgl. Rn. 506 ff. g) Einkünfte aus Vermögen 50 Maßgebend sind die Nettoeinnahmen, die mit einer Überschussrechnung ermittelt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8, 9 EStG). Abziehbare Kosten sind z.B. – von Miet- und Pachteinnahmen die Hauskosten wie Grundsteuer, Ausgaben für Hausmeister, Hausverwaltung, Hausversicherungen, notwendige Erhal138 139 140 141 142
Heiß/Linderer, a.a.O. BGH, FamRZ 1999, 372, 375. BGH, FamRZ 2003, 860, 863. BVerfG, FamRZ 2003, 1821; vgl. die Handhabung beim Nacheheunterhalt Rn. 505. BGH, FamRZ 2008, 2189 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1575, 1576; Schürmann, FamRZ 2003, 1825; so auch OLG Köln, FamRZ 2005, 650. 143 BGH, FamRZ 2009, 579 ff.
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tungsaufwendungen144, Kredit- und Finanzierungskosten (nicht absetzbar sind dagegen i.d.R. Tilgungsleistungen und Ausgaben für Anbauten oder wertsteigernde Verbesserungen, weil es sich insoweit um Vermögensbildung handelt, Abschreibungen für Gebäudeabnutzungen)145; – von Zinsen aus Kapitalvermögen Depotgebühren, Bankspesen, Steuern und ggf. Verwalterkosten. Sofern die Vermögenseinkünfte der Höhe nach stark schwanken, ist auf die Durchschnittseinnahmen eines längeren Zeitraums – z.B. der letzten 3 Jahre – abzustellen. h) Wohnwertvorteil durch mietfreies Wohnen Dem Einkommen hinzuzurechnen ist ein Wohnwertvorteil, also der geldwerte 51 Vorteil um den der (Mit-)Eigentümer einer selbst bewohnten Immobilie billiger wohnt als jemand, der Miete zahlen muss. Insoweit handelt es sich um die Zurechnung von fiktivem Einkommen für einen geldwerten Gebrauchsvorteil.146 Zur Klärung der Höhe des zuzurechnenden Wohnvorteils muss der Wohnwert bestimmt werden. Für die Bestimmung des Wohnwerts ist i.d.R. die ortsübliche Marktmiete maßgeblich. Zu den Korrekturmöglichkeiten der Höhe der Miete nach Angemessenheitsgesichtspunkten, wenn es sich um ein früheres Familienheim handelt, vgl. Rn. 52. Dem Wohnwert hinzuzurechnen ist die Eigenheimzulage (§ 8 ff. EigZulG), die unterhaltsrechtlich Einkommen darstellt.147 Da ein Wohnwertvorteil nur zurechenbar ist, wenn er die mit dem Gebäude oder der Eigentumswohnung verbundenen Kosten übersteigt, sind auch entstehende Unkosten abzugsfähig. Dies gilt allerdings nur mit Einschränkungen: So können von dem Wohnwert nach der geänderten Rechtsprechung des BGH nur noch solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm fiktiv zurzurechnenden Miete abgezogen werden, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können.148 Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Wasser, Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind umlagefähig und damit nicht mehr absetzbar, denn auch ein Mieter wird an ihnen beteiligt. Damit kommt es nicht mehr – wie bisher vom BGH vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist. Für abzugsfähige Instandsetzungskosten kann auch eine Rücklagenbildung anzuerkennen sein, wenn sie mit greifbaren, anstehenden Instandsetzungsarbeiten begründet werden kann. Ebenso sind abzugsfähig die mit dem Erwerb des Eigentums verbundenen Kosten, wobei die Abzugsfähigkeit des Tilgungsanteils der
144 145 146 147 148
BGH, FamRZ 1997, 281, 283. BGH, FamRZ 1997, 281, 283. Graba, FamRZ 2001, 1257, 1259. OLG München, FamRZ 1999, 251; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 331. BGH, FamRZ 2009, 1300 ff. = FPR 2009, 413 mit Anmerkung v. Ehinger S. 418; zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48, 49; 1998, 87, 88.
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Kreditraten von mehreren Faktoren abhängt, die unter Rn. 52, 53 behandelt werden. Der sich nach Abzug der Unkosten ergebende Differenzbetrag ist der anrechenbare Wohnvorteil, der als Ersparnis das Einkommen des Verpflichteten erhöht.149 Übersteigen die Zins- und ggf. Tilgungsleistungen den Wohnwertvorteil, entfällt eine Vorteilsanrechnung ganz. Inwieweit hingegen die Zins- und Tilgungsleistungen, die den Wohnwertvorteil übersteigen, gleichwohl abzugsfähig sind, hängt – wie bei anderen Verbindlichkeiten auch (s. Rn. 75 ff., 82) – von einer umfassenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und individuellen Interessenabwägung ab, wobei im Grundsatz gilt, dass der Unterhaltsschuldner nicht auf Kosten des Unterhaltsbedürftigen Vermögen bilden darf. Eine Anerkennung kann jedoch unter dem Gesichtspunkt einer ergänzenden Altersvorsorge in Betracht kommen (Rn. 85). Eine Rolle spielt für die Interessenabwägung ebenfalls, ob es sich um ein früheres Familienheim handelt150 (Rn. 82). Maßstab für die Bestimmung des Wohnwerts sind immer die tatsächlichen Verhältnisse und nicht ein pauschaler Wert.151 Die teilweise von den Gerichten praktizierte Bemessung in Höhe eines Drittels des Einkommens (sog. Drittelobergrenze) hat der BGH verworfen, da die Bemessung Teil einer umfassenden Angemessenheitsprüfung sei, die bei einer Pauschalisierung zu kurz komme.152 52 Lebt der Unterhaltspflichtige nach der Trennung vom anderen Elternteil im früheren Familienheim, gelten Besonderheiten zur Bestimmung des Wohnwerts, die für den Trennungsunterhalt entwickelt wurden (Rn. 390) und auch gegenüber Kindesunterhaltsansprüchen maßgeblich sind. In der Trennungszeit ist der Wohnwert des Pflichtigen, der das Familienheim allein bewohnt, unter Berücksichtigung des geänderten Wohnbedarfs zu schätzen.153 Nach den individuellen Verhältnissen ist zu bestimmen, welchen Mietzins der Verpflichtete aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste. Entspricht die benutzte Wohnung ausnahmsweise dem angemessenen Wohnbedarf, ist der objektiv erzielbare Mietzins anzusetzen. Soweit für das Familienheim Darlehensverbindlichkeiten bestehen, können nicht nur die Darlehenszinsen, sondern auch die Tilgungsraten von dem Wohnwert abgezogen werden (s. auch Rn. 82).154 Die den Wohnwert übersteigenden Aufwendungen können nur vom Einkommen abgezogen werden, wenn die Haltung eines Familienheims nach der Trennung unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist. Dies wird in der Regel der Fall sein, denn – solange das Scheitern der Ehe nicht endgültig feststeht – besteht keine Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verwertung des Familienheims, um nicht Fakten zu schaffen, die einer Versöhnung im Wege stehen könnten. Auch profitiert der andere Ehegatte noch über den Zugewinnausgleich von der Vermögensmehrung. Erst ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, dem Stichtag für die Berechnung des Zugewinns (§ 1385 BGB) ist auf die objektive Marktmiete abzustellen und nur noch die Zinsbelas149 150 151 152 153
BGH, FamRZ 1990, 991; 1995, 869, 870 m.w.N. BGH, NJW-RR 1995, 129; NJW 1984, 1237. BGH, FamRZ 2000, 950. BGH, FamRZ 1998, 899, 902. BGH, FamRZ 1998, 899, 901; FamRZ 2000, 950; vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rn. 390 zum Trennungsunterhalt. 154 BGH, FamRZ 1998, 899, 901.
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tung abzugsfähig, wenn das Familienheim im Alleineigentum des Verpflichteten steht. Denn der Unterhaltspflichtige darf kein Vermögen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bilden darf.155 Beispiel Der Verpflichtete, ein getrennt lebender Vater, hat ein Nettoeinkommen von 2 000 Euro und bewohnt ein Eigenheim mit 150 qm. Der objektive Wohnwertvorteil beträgt 750 Euro. Der unterhaltsrechtlich angemessene Mietkostenanteil beträgt nach seinem Einkommen für eine 60 qm große Wohnung in entsprechender Lage 400 Euro. Seine abzugsfähigen Wohnungskosten betragen 200 Euro. Seinem Einkommen sind 200 Euro als Wohnvorteil hinzuzurechnen.
Für die Zeit nach der Scheidung richtet sich die Bemessung des Wohnwerts in der 53 Regel nach der objektiven Marktmiete (Rn. 494).156 Ausnahmsweise kann zwar auch auf die angemessene Miete abgestellt werden, jedoch ist der Unterhaltspflichtige, der nach der Scheidung ein für ihn zu großes Haus bewohnt, dann unterhaltsrechtlich verpflichtet, nach Abwägung der beiderseitigen Interessen im zumutbaren Rahmen ein zu großes Haus wirtschaftlich angemessen zu nutzen.157 Zu diesem Zweck kann er gehalten sein, einzelne Räume zu vermieten oder u.U. das ganze Haus zu vermieten und selbst eine weniger kostspielige Wohnung zu beziehen, um die überschüssigen Einnahmen für Unterhaltszwecke einzusetzen. Nach Abwägung der Interessen von Unterhaltsschuldner und -gläubiger kann selbst die Veräußerung in Betracht kommen. Bei Verletzung der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung kann immer nur der auch tatsächlich am Markt erzielbare Preis für die Vermietung eines oder mehrerer Zimmer bzw. der Wohnung angesetzt werden. Bei einer Pflicht zur Veräußerung, der vorwerfbar nicht nachgekommen wird, sind auch fiktive Einkünfte aus Zinserträgen für den erzielbaren Kaufpreis in Betracht zu ziehen. Diese Grundsätze gelten sowohl beim Kindesunterhalt als beim Nacheheunterhalt (Rn. 494). Entsprechende Maßstäbe sind bei dem nicht verheirateten Elternteil anzulegen. i) Sachbezüge Einkommenserhöhend werden Ersparnisse berücksichtigt, die sich durch Sachbe- 54 züge vom Arbeitgeber wie Dienstwohnung, Freifahrten, Verpflegung u.Ä., ergeben. Ebenso stellt die Überlassung eines PKW vom Arbeitgeber einen zu schätzenden wirtschaftlichen Vorteil dar. Bei einer Schätzung des privaten Nutzungswerts eines Firmen-Pkw ist meist ein geldwerter Vorteil bereits im Erwerbseinkommen berücksichtigt. Denn Arbeitgeber rechnen den geldwerten Vorteil häufig nach der sog. 1 %-Methode dem Arbeitslohn hinzu, wobei sich das 1 % auf den inländischen Listenpreis des PKW inkl. Umsatzsteuer bezieht. Hinzugerechnet werden ferner noch 0,03 % des Listenpreises des PKW für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Beträge werden dem steuer- und sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommen hin155 BGH, FamRZ 2008, 963 ff.: kein Abzug von Tilgung ab vereinbarter Gütertrennung; 1987, 572, 575; 1998, 87, 88. 156 Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rn. 494 zum Nacheheunterhalt. 157 BGH, FamRZ 2000, 950 ff. mit Anm. von Graba, 952 f.; BGH, FamRZ 1984, 358, 360; 1985, 354, 356.
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zugerechnet, wodurch sich für den Arbeitnehmer die Abgaben für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge entsprechend erhöhen. In den Gehaltsbescheinigungen wird der Nutzungswert dann bei der Berechnung des Nettoeinkommens als Sachbezug abgezogen. Die Gerichte erhöhen deshalb häufig das Nettoeinkommen um den geldwerten Vorteil nach der 1 %-Methode abzüglich der dadurch erhöhten Abgaben.158 Ob dieser Schätzbetrag noch zu erhöhen ist, hängt außerdem noch davon ab, welche Kosten der Arbeitgeber für den PKW trägt (Versicherung, Steuer, Benzin, Reparaturen etc). Üblich ist ebenfalls, für die Schätzung des privaten Nutzungsvorteils die Verwendung von ADAC-Tabellen.159 Unabhängig davon, welche Methode man anwendet, ist immer zu berücksichtigen, dass aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Schätzwert nicht identisch sein muss mit dem objektiven Nutzungswert oder dem steuerrechtlich bemessenen Gehaltsanteil. Denn es ist immer nur der angemessene Wert ansetzbar, den der Nutzer erspart, weil er von der Anschaffung und Unterhaltung eines eigenen Fahrzeugs absieht, das er nach dem Maßstab seiner – gegebenenfalls beengten – Verhältnissen ausgewählt hätte.160 Deshalb kann der Nutzungsvorteil, etwa im Mangelfall, ganz unberücksichtigt bleiben oder z.B. nur den Betrag ausmachen, den der Nutzer für Privatfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erspart.161 Meist wird der Vorteil anhand der ersparten Kosten eines Mittelklassewagens unter Berücksichtigung der Steuermehrbelastung geschätzt werden können.162 55 Beispiel V darf einen Firmen-Pkw auch privat nutzen und erzielt ein Einkommen von 2 000 Euro. Er meint, sein Einkommen müsste um den Nutzungsvorteil für den PKW gemindert werden, denn er würde sich für die private Nutzung keinen PKW kaufen. Sein Arbeitgeber hat den Nutzungsvorteil mit mtl. 272 Euro brutto dem Einkommen für die Besteuerung hinzugerechnet. Dabei beziehen sich 200 Euro auf den Bruttoanschaffungspreis von 20 000 Euro (1 %) und 72 Euro auf die von V täglich zurückgelegte Kilometerzahl (12 × [0,03 % × 20 000]). Bei der Berechnung des Nettoeinkommens ist der Betrag als Sachleistung abgezogen worden, so dass er im Nettoeinkommen nicht mehr enthalten ist. V muss sich die Zurechnung eines privaten Nutzungsvorteils gefallen lassen, denn lässt sich der Verpflichtete darauf ein, einen Teil seines Einkommens in Form von Sachleistungen zu erhalten, sind geldwerte Vorteile zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, den privaten Nutzungsvorteil nach Abzug einer geschätzten Mehrbelastung für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge mit ca. 150 Euro zu bemessen.
j) Renten – Schmerzensgeld 56 Gesetzliche Renten gemäß § 33 SGB VI wegen Alters-, verminderter Erwerbsfähigkeit, Todes (Witwen(r)renten), Unfallrenten163 und private Renten einschließlich sämtlicher Zuschläge, die Einkommensersatzfunktion haben, sind im Rahmen aller Unterhaltsrechtsverhältnisse bei den Beteiligten als Einkommen uneingeschränkt zu berücksichtigen. Sofern Kinderzulagen und Kinderzuschüsse gewährt werden, die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 4 BKGG), sind diese bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses 158 Nr. 4 der LL des OLG Koblenz. 159 Die Schätzungen liegen bei ca. 150–250 Euro, vgl. z.B. OLG München, FamRZ 1999, 1350; bei gehobenen Einkommensverhältnissen auch deutlich höher, z.B. OLG Düsseldorf, FamRZ 2005, 1772: 403 Euro. 160 Langheim, FamRZ 2009, 665, 666 f. 161 OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 1759. 162 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 809. 163 OLG Hamm, FamRZ 2001, 441.
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zu behandeln, also gemäß § 1612b BGB auf den Bedarf des Kindes anzurechnen. Im Übrigen werden die Zulagen und Zuschüsse dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet. Besonderheiten gegenüber dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit ergeben sich lediglich daraus, dass der dem Verpflichteten zustehende Eigenbedarf für seinen Unterhalt grundsätzlich geringer ist als bei Erwerbstätigen, da weder ein finanzieller Aufwand für die Erwerbstätigkeit noch ein Anreiz für die Beibehaltung der Erwerbstätigkeit notwendig ist. Die Selbstbehaltssätze nicht erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger sind gegenüber denen Erwerbstätiger deshalb entsprechend niedriger. Beim Ehegattenunterhalt entfällt der Abzug eines Erwerbstätigenbonus. Renten und Sozialleistungen, die wegen eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden, wie Blindengeld, Pflege- und Mehrbedarfsgeld werden wegen der in § 1610a BGB geregelten Vermutung, dass sie kostendeckend geleistet werden, von der Anrechnung als Einkommen ausgenommen; es sei denn, im Unterhaltsstreitverfahren gelingt dem Gegner der Nachweis, dass diese Einkünfte des Unterhaltspflichtigen oder Unterhaltsberechtigten über dem Mehraufwand liegen, den die Behinderung verursacht. Da Folge der gesetzlich geregelten Vermutung der Kostendeckung die Umkehr der objektiven Beweislast ist, obliegt dem Gegner die volle Beweislast für das Gegenteil.164 § 1610a BGB gilt nicht nur beim Verwandtenunterhalt, sondern auch beim Trennungs- und Nacheheunterhalt (§§ 1361 Abs. 1 Satz 1, 1578a BGB). Besonderheiten gelten für Schmerzensgeld, denn trotz seiner Zweckbestimmung, bei dem Geschädigten einen immateriellen Schaden auszugleichen und ihm Genugtuung zu verschaffen, hat ein Elternteil dieses Geld auch für Unterhaltszwecke des Kindes zur Verfügung zu stellen, insbesondere im Rahmen einer gesteigerten Einstandspflicht für den Unterhalt.165 Die Beweiserleichterung des § 1610a BGB ist auf das Schmerzensgeld nicht anwendbar.166 Dies schließt nicht aus, dass z.B. bei fortdauernder körperlicher oder seelischer Beeinträchtigung der Eigenbedarf des Verpflichteten höher sein kann und deshalb angemessen zu erhöhen ist. Hat das minderjährige Kind aufgrund eines Unfalls Schmerzensgeld erhalten, ist die Kapitalsumme einschließlich der Erträge bis zur Volljährigkeit zu erhalten. Eine Anrechnung auf den Bedarf findet nicht statt.167 Zur Behandlung des Schmerzensgeldes beim Ehegattenunterhalt: vgl. Rn. 351 (Trennungsunterhalt) und Rn. 481 (Nacheheunterhalt). k) Fiktive Einkünfte Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kann sowohl zu Lasten des Unter- 57 haltspflichtigen als auch des Unterhaltsberechtigten erfolgen. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass ein unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit vorliegt, den der andere nicht hinzunehmen braucht (§ 242 BGB). Beim Kindesunterhalt spielt die Zurechnung fiktiver Einkünfte vor allem eine Rolle auf Seiten des Verpflichteten, soweit sein Einkommen für die Bedarfs164 Liceni-Kierstein, Beweis- und Beweislastumkehr im Unterhaltsverfahren, FPR 2010, 140, 142 m.w.N. 165 BGH, FamRZ 1989, 170. 166 Palandt/Diederichsen, § 1610a BGB Rn. 5. 167 OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1097; BVerwG, FamRZ 1995, 1348 zu den Anforderungen an den Einsatz bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Hilfe; Wendl/Dose, § 1 Rn. 482.
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bestimmung bedeutsam ist, aber auch soweit sich dieser auf verringerte Einkünfte und eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft. Denn verstößt der Verpflichtete gegen seine sich aus § 1603 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht, seine Arbeitskraft so gut wie möglich zu verwerten, kann er den Bedarf des Kindes, der sich nach dem bisher nachhaltig erzielten und erzielbaren Einkommen richtet, nicht zu dessen Nachteil verändern und sich auch nicht auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit berufen. Anknüpfungspunkt für die Bedarfsbemessung des fiktiven Einkommens ist immer nur das Einkommen, das seine Grundlage in den tatsächlichen Einkommensverhältnissen des Verpflichteten hat. Lediglich gedachte wirtschaftliche Verhältnisse, die keine Grundlage in der tatsächlichen Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen haben, können dessen Lebensstellung nicht prägen.168 Nicht möglich ist, dem wenig erfolgreichen Elternteil vorzuhalten, er könne bei entsprechenden Bemühungen ein deutlich höheres Einkommen erzielen und dieses zuvor nie erzielte Einkommen für die Bedarfsberechnung zu verwenden.169 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt vor allem in den Fällen in Betracht, in denen dem Verpflichteten der Arbeitsplatzverlust und/oder ein fehlendes ausreichendes Bemühen um eine neue Arbeit vorwerfbar ist.170 58 Der Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt die Zurechnung des bisher erzielten Einkommens nur dann, wenn er auf ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges, unterhaltsbezogenes Verhalten des Pflichtigen zurückzuführen ist.171 Dann ist ihm auch der Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt.172 Nicht ausreichend ist allein schon der ungewollte Verlust der Arbeit z.B. wegen eines Alkoholproblems oder Diebstahls, wenn es an der Unterhaltsbezogenheit des leichtfertigen Verhaltens fehlt.173 Denn die Antriebe und Vorstellungen müssen sich bei dem vorwerfbaren Verhalten auch auf die Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erstreckt haben.174 Ein leichtfertiges Verhalten kann z.B. darin bestehen, dass der Unterhaltspflichtige ohne triftigen Grund Altersteilzeit in Anspruch nimmt, sich dadurch sein Einkommen verringert und seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird.175 Auch in diesem Fall bleibt Anknüpfungspunkt das zuvor erzielte Einkommen. Ob ein Verhalten als leichtfertig zu beurteilen ist, hängt wesentlich vom Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt ab. Vgl. zu den Anforderungen beim Ehegattenunterhalt Rn. 485. 168 BGH, FamRZ 1997, 281, 283 zum fiktiven Einkommen beim Kindes- und Trennungsunterhalt; BGH, FamRZ 1992, 1045, 1047 zum fiktiven Einkommen beim Nacheheunterhalt; OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1481, 1482. 169 OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1481, 1482. 170 BGH, FamRZ 2000, 1358; 1994, 372, 373. 171 BGH, FamRZ 1994, 240; 1993, 1055; 1985, 158 ff. 172 BGH, FamRZ 2000, 815, 817. 173 BGH, FamRZ 1993, 1055 ff.; 1994, 240, 241. 174 BGH, FamRZ 1993, 1057; 1994, 240, 241: Verneinung bei Verlust des Arbeitsplatzes wegen Alkohols bei einem jungen unreifen Menschen, der sich zügig um neue Arbeit, die aber weniger gut bezahlt wird, bemüht hat. Das OLG Naumburg macht einen Unterschied, wenn der Verpflichtete Berufskraftfahrer ist und wegen eines trunkenheitsbedingten Unfalls seinen Führerschein und seine Arbeit verliert (FamRZ 2001, 565). 175 OLG Hamm, FamRZ 2001, 1476 zu den Anforderungen im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird Beispiele – V sieht nicht ein, vollschichtig erwerbstätig zu sein und die Hälfte des Gehalts als Unterhalt abgeben zu müssen. Er reduziert seine Arbeitszeit zugunsten von mehr Freizeit. Ihm ist für die Berechnung des Unterhalts das bisher erzielte Einkommen aus Vollzeitbeschäftigung zu unterstellen; denn für die Unterhaltsbemessung bleiben die Einkommensverhältnisse vor der leichtfertigen Reduzierung der Arbeit maßgeblich (§ 242 BGB).176 – V war auf dem Obstgroßmarkt seiner Eltern auch an Wochenenden tätig. Während des Berufswechsels zum Erzieher wird von ihm neben der Ausbildung der Einsatz an den Wochenenden auf dem Obstgroßmarkt zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten den Kindern gegenüber verlangt.177 – V verliert seine Arbeit durch fristlose Kündigung, weil er bei seinem Arbeitgeber – seiner Meinung nach – wertlosen Schrott entwendete. Nach langer Arbeitssuche findet er eine schlechter bezahlte Arbeit. Für die Unterhaltsberechnung ist nicht auf sein früheres höheres, sondern auf sein aktuelles Einkommen abzustellen; denn bei zwar verschuldetem, aber ungewolltem Arbeitsplatzverlust kommt die fiktive Anrechnung des vorher erzielten Einkommens nicht in Betracht.178
Wird dem Verpflichteten fiktiv sein früheres Einkommen wegen eines unter- 59 haltsbezogenen leichtfertigen Verhaltens zugerechnet und zeichnet sich aufgrund der Arbeitsmarktlage ab, dass trotz ausreichender Bemühungen nur noch ein niedrigeres Einkommen zu erzielen wäre, käme nach einem angemessenen Zeitraum, für den der Schuldner ernsthafte und ausreichende vergebliche Bemühungen darzulegen und zu beweisen hat,179 eine Anpassung an das tatsächlich erzielbare Einkommen in Betracht. Die Bemessung der Frist zur Anpassung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Kriterien sind u.a., den Schuldner vor einer Überschuldung zu bewahren, aber auch einem Missbrauch vorzubeugen (§ 242 BGB).180
" Praxishinweis: Ist der Unterhalt wegen vorwerfbarer Aufgabe des Arbeits-
platzes auf der Basis des früher erzielten Einkommens durch Zurechnung eines fiktiven Einkommens erst einmal tituliert worden, sind die Hürden für den Schuldner, den Unterhalt herabzusetzen – selbst wenn er mit einer neuen Arbeit weniger verdient – hoch. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kann der Unterhaltsschuldner, der seine Arbeit mutwillig aufgegeben hat und später nur eine geringer dotierte Arbeit findet, eine Abänderung des Titels und Herabsetzung des Unterhalts nach § 323 ZPO a.F. wegen geringerer Einkünfte nur dann erreichen, wenn er darlegen kann, dass er auch bei pflichtgemäßem Verhalten in der Vergangenheit seinen früheren Arbeitsplatz verloren, bzw. auch dort jetzt weniger verdienen würde.181 Auch bei einem nach § 238 Abs. 1 FamFG durchzuführenden Abänderungsverfahren
176 BGH, FamRZ 1985, 158 ff. 177 BGH, FamRZ 1987, 930, 932; 1982, 365, 366; OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1475, 1476. 178 BGH, FamRZ 1993, 1055 ff. 179 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (Leitsatz); OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881, 882. 180 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 730, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern; Palandt/Diederichsen, § 1603 BGB Rn. 53, solange der Verpflichtete sich nicht um eine Arbeit bemüht. 181 BGH, FamRZ 2008, 872, 874 m. Anm. v. Hoppenz S. 875.
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müsste sich der Vortrag zur wesentlichen Änderung der Verhältnisse bei einer Einkommensfiktion auf den fiktiv gedachten Sachverhalt beziehen. Es müsste dann gefragt werden: Was wäre geschehen, wenn der Schuldner die frühere Arbeitsstelle beibehalten hätte?182 Unabhängig von dieser speziellen Fallkonstellation, kann der Abänderungsantrag jedoch immer auch mit einer neu eingetretenen Änderung des Sachverhalts begründet werden, wie z.B. Erwerbsminderung durch Erkrankung, neue Altersstufe des Kindes, Hinzutreten neuer Unterhaltsberechtigter usw. (s. dazu Rn. 842 ff.). 60 Einem Unterhaltsschuldner ist ein fiktives Einkommen zuzurechnen, wenn er zwar ohne eigenes Verschulden seine Arbeit verloren hat, sich aber nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht. Denn Unterhaltspflichtigen trifft die unterhaltsrechtliche Obliegenheit, seine Arbeitskraft entsprechend seiner beruflichen Ausbildung, seinen persönlichen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage so gut wie möglich einzusetzen (§ 1603 Abs. 2 BGB, Rn. 23). Dabei können Bemühungen um eine neue Arbeit – jedoch abhängig von der Arbeitsmarktlage und individuellen Perspektive – im Umfang einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erwartet werden.183 Von dem Unterhaltspflichtigen kann auch erwartet werden, dass er sich bundesweit um Arbeit bemüht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht, führt aber nur dann zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens, wenn der Ortswechsel dem Pflichtigen zumutbar ist. Es ist deshalb jeweils zu prüfen, ob unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Bindung des Elternteils zu seinen Kindern sowie etwaiger höherer Umgangs- und Umzugskosten, ein Ortswechsel überhaupt zumutbar ist.184
" Praxishinweis: Hält das Gericht im Unterhaltsverfahren die Verletzung der Pflicht zur bundesweiten Arbeitssuche für entscheidungserheblich, sind die Beteiligten im Rahmen der Erörterung gemäß § 139 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG darauf hinzuweisen. Es ist dann Sache des Unterhaltspflichtigen die Gründe darzulegen und zu beweisen, die z.B. gegen die Zumutbarkeit einer bundesweiten Arbeitssuche sprechen.
Kommt der Unterhaltspflichtige den Anforderungen, sich ernsthaft um eine neue Arbeit zu bemühen nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er das Einkommen, das er bei gutem Willen unter Berücksichtigung seiner persönlichen Eigenschaften wie Alter, Gesundheit, Ausbildung, bisherige berufliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit einer zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielen könnte, tatsächlich erzielt.185 60a Für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens186 ist eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Grundlage der Schätzung wird in der Regel das früher erzielte Einkommen des Verpflichteten sein. Liegen derartige Erkenntnisse nicht vor oder haben sich Änderungen aufgrund einer veränderten Arbeitsmarktlage ergeben, kann die Schätzung unter Berücksichtigung der aktuellen Fähigkeiten des Betroffenen auf der Grundlage branchenüblicher Löhne, Tariflöhne durch Heranziehung von Tarifverträgen bzw. Mindestlöhnen bei geringqualifizierten Tätig-
182 183 184 185 186
Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 69. OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 624. BVerfG, FamRZ 2006, 469; mit Anm. von Finke in FPR 2006, 322 ff. BGH, FamRZ 1994, 372, 373, 374; 1985, 158, 159. Vgl. dazu auch Reinken, FPR 2006, 319, 321, 322.
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keiten vorgenommen werden.187 Von dem so zu schätzenden fiktiven Einkommen sind berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Ist dem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen aus Vollbeschäftigung zuzurechnen, steht ihm gegenüber Unterhaltsansprüchen des minderjährigen oder privilegierten volljährigen Kindes der nach den Leitlinien maßgebliche notwendige Eigenbedarfssatz zu, dessen Höhe für die Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist (s. dazu Rn. 131). Bezieht der Verpflichtete ALG II und sind ihm fiktiv Einkünfte aus einer möglichen Nebenbeschäftigung zuzurechnen, können ebenfalls berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden. Der notwendige Eigenbedarfssatz liegt insoweit aber – wenn überhaupt – nur marginal über dem Eigenbedarf für Nichterwerbstätige und ist vom Tatrichter zu bestimmen.188 Das Gericht hat die Beteiligten über die Berechnungsgrundlagen für das fiktive Einkommen zu informieren und diese – auch soweit verfahrensabschließend darüber zu entscheiden ist – so aufgeschlüsselt darzustellen, dass nachprüfbar ist, von welchem Umfang und Stundensatz das Gericht bei der fiktiv unterstellten und für zumutbar befundenen Tätigkeit ausgegangen ist.189 Das BVerfG hat in den letzten Jahren in mehreren Entscheidungen die Anforderungen an die Zurechnung eines fiktiven Einkommens im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB verschärft, mit der Begründung, dass die Zurechnung fiktiver Einkünfte als Eingriff in die Dipositionsfreiheit des Unterhaltspflichtigen (Art. 2 GG) zwar im Hinblick auf die aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind zulässig ist, die Beschränkung jedoch verhältnismäßig zu sein habe und von dem Verpflichteten nichts Unmögliches verlangt werden dürfe.190 Dies betrifft z.B. die Anforderungen an die Zurechnung von Einkünften aus einer Nebentätigkeit unter dem Aspekt der individuellen Belastbarkeit (Gesundheit, Alter etc.), die Anforderungen an die Zumutbarkeit eines Ortswechsels, an die Offenlegung der Kriterien eines erzielbaren Einkommens. Damit wird sich eine in der Vergangenheit sehr verbreitete Rechtsprechung der Instanzgerichte, bei unzureichenden Erwerbsbemühungen mindestens ein Einkommen zuzurechnen, das es dem Verpflichteten ermöglicht, den Mindestunterhalt i.H. des Regelbetrags zu zahlen, nicht fortsetzen lassen.191 Denn selbst bei vorwerfbar unzureichenden Bemühungen des Verpflichteten um eine Arbeit ist danach erforderlich, dass das Gericht konkrete Feststellungen dahingehend trifft, welcher Lohn aufgrund welcher Arbeit für den Verpflichteten realistischer Weise erzielbar wäre.192 Deshalb ist eine weitere Voraussetzung für die Annahme eines fiktiven Einkom- 60b mens auf dem Arbeitsmarkt, dass eine reale Beschäftigungschance besteht. D.h. im Unterhaltsverfahren hat das Gericht von sich aus als Voraussetzung zu prü187 OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 220; OLG Hamm, FamRZ 1995, 438. Eine Übersicht zu den Tariflöhnen findet sich im Internet z.B. bei der Hans-Böckler-Stiftung unter der Internetadresse www.boeckler.de. BVerfG FamRZ 2010, 183, 184; 2010, 793, 795 zur Begründungsbedürftigkeit bei einem den branchenübliche Mindestlohn übersteigenden geschätzten Einkommen. 188 BGH, FamRZ 2008, 594 ff. 189 BGH, FamRZ 2009, 314, 317. 190 BVerfG, FamRZ 2006,469; 2007, 273; 2010, 183, 184; 2010, 793, 795. Zustimmend Schürmann, FamR 2010, 202; ebenso Borth, FamRZ 2010, 629, allerdings mit Zweifeln an den Aufklärungsmöglichkeiten der Instanzgerichte. 191 So z.B. noch das OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 372. 192 BGH, FamRZ 1985, 158 ff.; 1994, 372, 374; FuR 2001, 224.
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fen, ob hinsichtlich der konkreten und für den Unterhaltspflichtigen zumutbaren Erwerbstätigkeit objektiv eine Erwerbschance besteht bzw. nicht ausgeschlossen werden kann. Dabei sind Prüfungskriterien in erster Linie objektive Voraussetzungen, wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt, das Alter, die Qualifikation und die Gesundheit des Verpflichteten.193 D.h. die Gerichte müssen prüfen, ob es die für den Verpflichteten in Betracht kommenden Tätigkeiten überhaupt gibt und der Aufnahme einer solchen Tätigkeit nicht rechtliche Hindernisse vorliegen, für die allerdings der Pflichtige darlegungs- und beweispflichtig ist.194 Das Ergebnis der Prüfung ist als objektive Voraussetzung der Zurechnung des fiktiven Einkommens mündlich bzw. in einer verfahrensabschließenden schriftlichen Entscheidung auch zu behandeln. Kann eine objektive Chance nicht ausgeschlossen werden und beruft sich der Verpflichtete auf das Fehlen einer realen Beschäftigungschance, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür bei ihm.195 Diese Grundsätze gelten sowohl für die Zurechnung eines Einkommens aus Vollbeschäftigung im erlernten Beruf als auch auf niedriger qualifizierte Aushilfstätigkeiten oder aus einer Nebentätigkeit.196 60c Bezieht der Verpflichtete Arbeitslosengeld, kann wenigstens die Aufnahme einer Nebentätigkeit verlangt werden, wenn Bemühungen um eine Vollbeschäftigung fehlgeschlagen sind und insoweit eine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Denn sowohl beim Bezug von Arbeitslosengeld als auch von Arbeitslosengeld II besteht die Möglichkeit zum Nebenverdienst. Das Nebeneinkommen ist auf das Arbeitslosengeld jeweils erst nach Abzug des titulierten Kindesunterhalts und eines Freibetrags anrechenbar. Zur Höhe der Hinzuverdienstmöglichkeiten und Freibeträge beim ALG s. Rn. 66a und beim ALG II Rn. 66b sowie die Beispiele zur Leistungsfähigkeit beim Bezug von ALG II Rn. 131. 60d Reichen die Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht aus, kann ebenfalls die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit in Betracht kommen.197 Dabei wird eine Arbeitszeit von monatlich ca. 200 Stunden die obere Grenze der Belastbarkeit darstellen (vgl. § 3 ArbZG, der eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden zulässt und auch die Ausführungen unter Rn. 23). Die Zurechnung hängt davon ab, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zumutbar ist. Dabei ist zu prüfen, ob dem Verpflichteten die zeitliche und physische Belastung durch die ausgeübte und die zusätzliche Arbeit – auch unter Berücksichtigung von Arbeitsschutzbestimmungen – abverlangt werden kann.198 In jedem Einzelfall ist eine umfassende Abwägung der konkreten Umstände geboten, denn die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit des Verpflichteten darf 193 BGH, FamRZ 1994, 372, 374. 194 BGH, FamRZ 2009, 314, 317; 1998, 357, 359; BVerfG FamRZ 1985, 143, 146; 2006, 469; 2010, 183, 184 = FamRB 2010, 198f m. Anm. v. Gölsche, der eine Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Gerichte befürwortet. 195 BGH, FamRZ 1996, 345; Bäumel, Die reale Beschäftigungschance, FPR 2000, 17 ff. 196 BVerfG, FamRZ 2010, 183, 184. 197 BGH, FamRZ 2009, 314, 316 m.w.N. 198 BVerfG, FamRZ 2003, 661 ff.; eine Pflicht zur Nebentätigkeit bejahen z.B.: OLG Dresden, OLGR 2005, 496; OLG Brandenburg, NJW-RR 2005, 949; OLG Naumburg, FamRZ 2003, 177; OLG Hamm, FamRZ 2003, 177; 2000, 1178; 2001, 565; 1996, 304 ff., FuR 2001, 559 ff. a.A. OLG Hamm, FF 2005, 158; Wendl/Dose, § 1 Rn. 75; KG (3. Senat), FamRZ 2003, 1208 ff.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
nur durch eine verfassungsgemäße Anwendung unterhaltsrechtlicher Vorschriften (§ 1603 Abs. 2 BGB) eingeschränkt werden.
" Praxishinweis: In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und des Lohndumpings, das
zunehmend im Geringverdienerbereich zu beobachten ist, bereitet die Schätzung des fiktiven Einkommens besondere Schwierigkeiten, da das Gefälle der erzielbaren Einkünfte insbesondere bei ungelernten Arbeitern selbst innerhalb einer Region oft sehr unterschiedlich ist. Hier können Informationen der Hans-Böckler-Stiftung, abrufbar im Internet unter der Adresse: www.boeckler.de weiterhelfen. Zur Einschätzung der realen Beschäftigungschance kann die regelmäßige Beobachtung der Stellenangebote in den regionalen Zeitungen und im Internet z.B. bei der Online-Stellenbörse Arbeiten. de unter www.arbeiten.de oder der Jobbörse der Arbeitsagentur für Arbeit unter jobboerse.arbeitsagentur.de hilfreich sein. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Darlegung der Bemühungen um eine Arbeit und erzielbare Einkünfte sind streng, insbesondere auch im Hinblick auf die Bemühungen um eine Nebentätigkeit beim Bezug von ALG II. Es sollte deshalb im Unterhaltsstreitverfahren bei Arbeitslosigkeit des Verpflichteten immer auch zu seinen Bemühungen um eine Nebentätigkeit vorgetragen werden, denn oft ist die Leistungsfähigkeit trotz Arbeitslosigkeit und Bezug von ALG II wenigstens in Höhe des Mindestunterhalts gegeben, wenn eine Nebentätigkeit ausgeübt werden kann.
Umschüler können – soweit dies zumutbar ist und den Erfolg der Schulung nicht gefährdet – zum Hinzuerwerb verpflichtet sein (vgl. Rn. 64).199 Auch dem selbständigen Unterhaltsverpflichteten, der die letzten durchschnitt- 61 lichen Umsätze und Gewinne nicht mehr erzielt, kann ein fiktives Einkommen zugerechnet werden. Dies kann in Höhe des bisherigen Einkommens geschehen, wenn er den Einkommensrückgang nicht plausibel erklärt oder nicht wieder als Arbeitnehmer arbeitet, obwohl sich das Geschäft als unrentabel erweist. In Betracht kommen kann jedoch auch die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer unselbständigen Nebentätigkeit z.B. bei saisonal bedingtem Rückgang des Umsatzes. Beispiel – V ist Elektrotechniker und hat als Angestellter 2 500 Euro verdient. Er hat sich mit der begründeten Aussicht auf deutlich höhere Einkünfte selbständig gemacht, erzielt aber nur noch 800 Euro Einkommen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann seine fortdauernde Leistungsfähigkeit – jedenfalls für einen gewissen Zeitraum – unterstellt werden, wenn er in vorwerfbarer Weise versäumt hat, Rücklagen zu bilden. Bessert sich die Ertragslage nicht alsbald wesentlich, ist die Wiederaufnahme der unselbständigen Arbeit unter Berücksichtigung der objektiven Erwerbschancen zu verlangen.200 Der Grund für die Zurechnung ist dann, dass er in leichtfertiger Weise an einem unrentablen Geschäft festhält, obwohl er bei angestellter Beschäftigung seiner Unterhaltspflicht nachkommen könnte.201 – F lebt von ihrem Mann getrennt. In ihrem erlernten Beruf als Schreibkraft findet sie trotz ernsthafter Bemühungen keine Arbeit. In ihrem Haushalt lebt ein volljähriges Kind. Der minderjährige gemeinsame Sohn S, 11 Jahre, wohnt beim Vater. Der Vater klagt den Mindestunterhalt für S ein. F beruft sich auf ihre Leistungsunfähigkeit. Da F wenigstens eine 199 KG, NJW-FER 2001, 119; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206 = FPR 2003, 481. 200 BGH, FamRZ 1996, 345. 201 AG Besigheim, FamRZ 2000, 1429.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Tätigkeit als Putzfrau zumutbar ist und sich insoweit nicht ausreichend um Arbeit bemüht hat, ist ihr ein fiktives Einkommen auf der Basis von 170 Stunden pro Monat zuzurechnen. Da sie vor längerer Zeit an Krebs erkrankt war, kommt die Zurechnung eines Einkommens aus einer umfänglicheren Tätigkeit nicht in Betracht. Das geschätzte bereinigte Netto beträgt ca. 950 Euro, so dass sie mtl. 50 Euro zu zahlen hat. Für die Schätzung des erzielbaren Einkommens kommt es auf die örtliche Arbeitsmarktlage an. In dem Fall kann es sinnvoll sein, für die Schätzung auf den Lohntarifvertrag der Gebäudereiniger-Innung abzustellen.
62 Gibt der Unterhaltspflichtige wegen der Betreuung eigener minderjähriger Kinder aus einer neuen Ehe seine Erwerbstätigkeit auf, ist er dazu zwar nach § 1356 Abs. 1 BGB berechtigt, bleibt aber seinen minderjährigen Kindern aus früherer Ehe zum Unterhalt verpflichtet. Ob und in welcher Höhe die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt, hängt entscheidend davon ab, ob die Rollenwahl unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist. Zu den Kriterien der Anerkennung s. die Übersicht Rn. 139.202 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt bei Anerkennung der Rollenwahl i.d.R. nicht in Betracht während des Bezugs von Elterngeld (bis zum 31.12.2008 von Erziehungsgeld).203 Bezieht der Verpflichtete Elterngeld gilt dieses im Verhältnis zu den minderjährigen Kindern nach § 11 Satz 4 BEEG als Einkommen. Gleiches gilt beim Bezug von Erziehungsgeld, das nach § 9 Satz 2 BErzGG bis zum 31.12.2008 gezahlt wurde. Es ist für den Kindesunterhalt zu verwenden, soweit es nicht für den eigenen notwendigen Bedarf des Pflichtigen benötigt wird. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens entfällt, denn es besteht für die Dauer des Bezugs des Elterngeldes/Erziehungsgeldes keine Pflicht zur Ausübung einer Nebentätigkeit, weil Kinder mindestens bis zum Alter von 2 Jahren eine ständige Betreuung benötigen. Dies gilt selbst dann, wenn der Verpflichtete das Eltern- bzw. Erziehungsgeld für seinen notwendigen Eigenbedarf benötigt und es nicht für den Kindesunterhalt zur Verfügung stellen kann.204 Das OLG Hamm205 verneint darüber hinausgehend eine Erwerbsobliegenheit der Mutter für die Dauer der ersten drei Lebensjahre des bei ihr lebenden Kindes. Bei beiden Varianten wird anders zu entscheiden sein, wenn der neue Ehegatte oder Lebenspartner bei der Betreuung helfen kann und dies auch zumutbar ist. Nach Beendigung des Bezugs von Erziehungs- bzw. Elterngeld kann die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommen, wenn dem Verpflichteten die Aufnahme einer Nebentätigkeit, z.B. in den Abendstunden zumutbar ist. Der neue Ehegatte ist insoweit verpflichtet, ihn für diese Zeit von der Kinderbetreuung zu entlasten. Soweit entsprechende Einkünfte unter dem Selbstbehalt liegen, müssen sie gleichwohl für den Kindesunterhalt zur Verfügung gestellt werden, wenn der Bedarf des Unterhaltspflichtigen durch seinen Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber dem neuen Ehegatten gedeckt ist (§§ 1360, 1360a BGB).206 Ist die Rollenwahl nicht hinzunehmen, bemisst sich der Bedarf nach dem früher erzielten Einkommen aus Vollbeschäftigung (zur Berechnung vgl. Rn. 63).
202 203 204 205 206
BGH, FamRZ 1996, 796; 1982, 25, 26; 1985, 158 ff. BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. m. Anm. von Borth. BGH, FamRZ 2006, 1010 ff. mit Anm. von Borth, S. 1014. FF 2007, 268 mit Anm. v. Bömelburg S. 270 f. BGH, FamRZ 1996, 7696, 797; 2001, 617; 2004, 24f.; 2004, 364, 365 und BGH, FamRZ 2006, 101 f.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Ist der Unterhaltsschuldner wieder verheiratet und beruft er sich darauf, keine Einkünfte mehr zu haben, weil er seinem neuen Ehegatten oder Lebenspartner den Haushalt führt, ohne dass Kinder zu betreuen sind, sind ihm fiktive Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zuzurechnen.207 Erlaubt der Gesundheitszustand nicht die Zurechnung von Einkünften aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, kann auch in Betracht kommen, als unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen eine fiktive Vergütung für die Versorgung des Partners oder das dem haushaltsführenden Ehegatten zustehende Taschengeld208 bzw. fiktive Einkünfte aus einer zumutbaren Teilzeitbeschäftigung in Ansatz zu bringen. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der eigene Lebensbedarf des Verpflichteten in der neuen Beziehung gedeckt ist.209 Liegen die Einkünfte aus einer Teilzeitbeschäftigung unter dem Selbstbehalt, sind sie gleichwohl für den Unterhalt zu verwenden, wenn der eigene Unterhaltsbedarf durch das auskömmliche Einkommen des Ehegatten abgedeckt ist.210 Beispiele – V nimmt Erziehungsurlaub und betreut seine zwei Kinder aus der neuen Ehe. Er ist zwei Kindern aus früherer Ehe barunterhaltspflichtig. Seine Ehefrau verdient mtl. 3 000 Euro. Obwohl er nur über Einkünfte i.H.v. 800 Euro aus Elterngeld verfügt, die den Eigenbedarf nicht decken, muss er seinen zwei Kindern aus der früheren Ehe Unterhalt zahlen, denn er hat einen Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber seiner gut verdienenden Ehefrau nach §§ 1360, 1356 Abs. 1 BGB (vgl. dazu auch Rn. 66).211 – M ist wieder verheiratet, nicht erwerbstätig und betreut ihr Kind aus zweiter Ehe, das 9 Jahre alt ist. Wenn ihre Kinder aus erster Ehe Barunterhalt verlangen, kann sie sich nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Ihr ist eine Nebentätigkeit zumutbar, um den Barunterhalt aufzubringen; für ihren eigenen Unterhalt kommt ihr Ehemann auf.212 – M ist wieder verheiratet, nicht erwerbstätig und führt ihrem Ehemann, der ca. 1 600 Euro verdient, den Haushalt. Sie hat keine Einkünfte. Kinder sind nicht zu betreuen. Ihr Sohn K aus erster Ehe wird von dem Vater betreut, der ebenfalls wieder verheiratet ist und ca. 1 200 Euro verdient. M will keinen Kindesunterhalt zahlen und beruft sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit. Dem ist der BGH nicht gefolgt: M ist mindestens zur Aufnahme einer Nebentätigkeit verpflichtet, die dann für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen ist. Im Falle der Erwerbsunfähigkeit ist ggf. das Taschengeld für den Kindesunterhalt einzusetzen.213
Für die Bemessung des geschuldeten Unterhalts war nach der früheren Rechtspre- 63 chung des BGH zu beachten, dass die Obergrenze des geschuldeten Unterhalts immer der Betrag ist, den der Verpflichtete schulden würde, wenn er noch einer Vollbeschäftigung nachginge.214 Diese Rechtsprechung hat der BGH dahingehend modifiziert, dass der auf der Grundlage einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit errechnete Unterhalt nur einen Mindestbetrag darstellt, der durch das Einkommen aus Nebenerwerbstätigkeit neben der tatsächlich ausgeübten Hausmannrolle 207 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. 208 BGH, FamRZ 1986, 668. 209 BGH, FamRZ 2002, 742. So auch der BGH, FamRZ 1987, 472, 473 zur Haftung der Eltern beim Volljährigenunterhalt. 210 BGH, FamRZ 2002, 742. 211 Nach OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 594 mit geänderten Zahlen. 212 OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 973, 974. 213 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. mit Anm. von Büttner, 1068. 214 BGH, FamRZ 1987, 472, 474; 1996, 796, 798; BGH, FamRZ 2004, 364 mit Anm. von Luthin, S. 365.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
überschritten werden kann.215 Erzielt ein unterhaltspflichtiger Hausmann aus einer Nebentätigkeit z.B. 500 Euro und ist sein eigener angemessener Bedarf durch den neuen Ehepartner abgedeckt, hat er dieses Einkommen, ggf. bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen, für den Kindesunterhalt zu verwenden, selbst wenn er bei einer Vollbeschäftigung von 1 200 Euro nur 300 Euro für die Kinder hätte zahlen können.216 Eine Kontrollrechnung und Begrenzung des Bedarfs ist ebenfalls nicht erforderlich, wenn kein Rollentausch vorliegt, weil der unterhaltspflichtige Ehegatte auch schon vor seiner Wiederverheiratung in der ersten Ehe den Haushalt geführt und die Kinder aus der ersten Ehe betreut hat. In dem Fall sind fiktive Einkünfte aus einer Nebentätigkeit uneingeschränkt für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen, soweit der Eigenbedarf durch den Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber dem neuen Ehegatten gesichert ist.217 Sobald anzuerkennende Gründe für die Einkommenslosigkeit vorliegen, können fiktive Einkünfte nicht mehr unterstellt werden, z.B. wenn der Verpflichtete wegen Krankheit nicht mehr erwerbstätig sein kann oder trotz aller Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist. Auch kann von einem Schüler oder Studenten, der noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, nicht der Abbruch der Ausbildung verlangt werden. Allerdings ist er verpflichtet, die Ausbildung zügig zu betreiben, damit in Zukunft der Unterhalt für die Berechtigten gesichert ist.218 Solange sind die übrigen Verwandten – nach der Mutter bzw. dem Vater ggf. die Großeltern – unterhaltsverpflichtet. 64 Ein Elternteil, der eine Arbeit hat, verstößt i.d.R. gegen seine gesteigerte Unterhaltspflicht, wenn er die Arbeit aufgibt und ein Studium, eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung beginnt,219 so dass die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt. Der Pflichtige darf zwar seine beruflichen Vorstellungen verwirklichen, muss aber die weitere Zahlung des Unterhalts sicherstellen. Nicht vorwerfbar ist die Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes dann, wenn der Arbeitsplatz gefährdet ist und die konjunkturelle Lage eine weitere Qualifikation sinnvoll und geboten erscheinen lässt. Aber auch wenn die Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht vorwerfbar ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit ein Hinzuverdienst, der nicht die Höhe des Mindestunterhalts erreichen muss, aufgrund einer Nebentätigkeit zumutbar ist.220 Denn bei Bezug von Arbeitslosengeld während der Umschulungszeit bleiben Einkünfte aus einer Nebentätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich in Höhe eines Betrages bis zu 165 Euro anrechnungsfrei (§ 141 Abs. 1 SGB III; zu den Voraussetzungen und zur Höhe des Arbeitslosengeldes vgl. Rn. 66a)221. Zu den Besonderheiten der Zurechnung fiktiver Einkünfte beim Ehegattenunterhalt s. Rn. 371 ff. (Trennungsunterhalt) und Rn. 485 ff. (Nacheheunterhalt).
215 216 217 218 219 220 221
BGH, Urt. v. 5.10.2006 – XII ZR 197/02, FamRZ 2006, 1827–1831. Büttner/Niepmann, NJW 2007, 2375, 2380. BGH, FamRZ 2004, 364, 365 mit Anm. von Luthin. BGH, FamRZ 1987, 930, 931. OLG Naumburg, EzFamR aktuell 2000, 357; OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 755. KG, NJW-FER 2001, 119. Zur Nebenerwerbspflicht von Umschülern OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206; KG, NJW-FER 2001, 119.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
l) Kindergeld Das Kindergeld stellt kein bedarfsbestimmendes Einkommen der Eltern dar.222 Es 65 handelt sich um eine zweckbestimmte Sozialleistung, die seit 1.1.1996 aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995223 dem Familienleistungsausgleich dient, d.h., das Kindergeld soll in Kombination mit einem Steuerfreibetrag für Kinder sowie dem später hinzugekommenen Freibetrag für den Betreuungsund Ausbildungsbedarf224 Familien mit Kindern fördern und steuerlich entlasten. Der Gesetzgeber hat mit dem UÄndG seit 1.1.2008 den Kindergeldausgleich bei getrennt lebenden Eltern, soweit ein Elternteil Kindesbarunterhalt zu zahlen hat, neu geregelt und vereinfacht. Dabei hat er die Zweckbestimmung des Kindergeldes betont, dass es als staatliche Leistung im wirtschaftlichen Ergebnis für die Existenzsicherung des Kindes zur Verfügung zu stehen habe. Seit 1.1.2008 wird deshalb das Kindergeld bedarfsmindernd von dem Barunterhaltsbedarf des Kindes abgezogen (§ 1612b Abs. 1 BGB). Vgl. zum Kindergeldausgleich bei Minderjährigen die Rn. 109a ff.; bei Volljährigen Rn. 228 ff. Diese Regelung ist an die Stelle der bis zum 31.12.2007 geltenden, komplizierteren Anrechnung des Kindergeldes nach § 1612b BGB a.F. getreten (vgl. dazu Rn. 110 ff.). Sofern der Unterhaltsverpflichtete Kinderzulagen und Kinderzuschüsse erhält, die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 4 BKGG), sind diese bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses zu behandeln, also gemäß § 1612b BGB auf den Bedarf anzurechnen. Im Übrigen werden die Zulagen und Zuschüsse dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet. Zur Höhe des Kindergeldes s. Rn.103. m) Unterhaltsvorschuss Bezieht das Kind Unterhaltsvorschussleistungen, so handelt es sich nicht um un- 65a terhaltsrechtliches Einkommen des Kindes, das seinen Bedarf mindert. Es handelt sich um eine Sozialleistung, die gewährt wird, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil den Unterhalt nicht zahlt. Das Kind hat in dem Fall bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt aus öffentlichen Kassen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Der Anspruch besteht in Höhe des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB abzüglich das volle Kindergeld, das i.d.R. der betreuende Elternteil bezieht. Unterhaltsvorschuss wird für die Dauer von längstens 72 Monaten gewährt (§§ 1, 3 UVG; s. auch Kap. I).
222 BGH, FamRZ 1997, 806, 809. 223 BGBl. I 1995, S. 1250. 224 Erstes Gesetz zur Familienförderung v. 22.12.1999, BGBl. I, 2552; Zweites Gesetz zur Familienförderung v. 16.8.2001, BGBl. I, 2074.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Mindestbetrag nach § 2 Abs. 1 UVG i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO
Maßgeblicher Betrag nach § 2 Abs. 1 S. 1 UVG i.V.m. § 1612a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 und 2 BGB
Vorschuss in 2008
Zahlbetrag nach Abzug des vollen Kindergeldes, wenn es der betreuende Elternteil erhält § 2 Abs. 2 UVG Kindergeld 154 E
1. Altersstufe 0–5 Jahre
279 E
279 – 154 = 125 E
2. Altersstufe 6–11 Jahre
322 E
322 – 154 = 168 E
Vorschuss in 2009
Kindergeld 164 E
1. Altersstufe 0–5 Jahre
87 % von 322 = 281 E
281 – 164 = 117 E
2. Altersstufe 6–11 Jahre
100 % von 322 = 322 E
322 – 164 = 158 E
Erhöhung des Freibetrags § 36 VI EStG
Kindergeld 184 E
Vorschuss ab 2010 1. Altersstufe 0–5 Jahre
87 % von 364 = 317 E
317 – 184 = 133 E
2. Altersstufe 6–11 Jahre
100 % von 364 = 364 E
364 – 184 = 180 E
Im Falle der Gewährung von Unterhaltsvorschuss geht der Unterhaltsanspruch in Höhe der gewährten Sozialleistung auf die Unterhaltsvorschusskasse, bzw. den öffentliche Träger über. Zu den rechtlichen Voraussetzungen des Rückgriffs des Leistungsträgers s. Rn. 556c. n) Elterngeld und Erziehungsgeld 66 Elterngeld ist eine finanzielle Förderung des Staates, die die Zweckbestimmung hat, die Bereitschaft von Eltern zu fördern, zugunsten der Betreuung neugeborener Kinder zeitweilig auf ihre Erwerbstätigkeit zu verzichten. Das Elterngeld ist seit 1.1.2007 an die Stelle des Erziehungsgeldes getreten und kann beansprucht werden, wenn das Kind ab dem 1.1.2007 geboren wurde. Eltern von Kindern, die bis zu diesem Stichtag geboren wurden, hatten weiterhin Anspruch auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz. Das BErzGG ist mit Wirkung ab 31.12.2008 außer Kraft getreten. Während das Erziehungsgeld für die Dauer von 24 Monaten gewährt wurde, ist die Leistungsdauer des Elterngeldes auf die Zeit bis zur Vollendung des 14. Lebensmonat des Kindes verkürzt worden, stattdessen aber – in Abhängigkeit von der Höhe des zuvor von einem Elternteil erzielten Einkommens – deutlich erhöht worden. 66a Erziehungsgeld nach dem BErzGG Leistungen nach dem BErzG spielen nur noch eine Rolle für Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2008, denn das Erziehungsgeld wurde nur noch wegen der Betreu48
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
ung von Kindern gewährt, die vor dem 1. Januar 2007 geboren wurden. Für diese Zeiträume gelten für die Inanspruchnahme von Erziehungsgeld und seine unterhaltsrechtliche Behandlung folgende Grundsätze: Das Erziehungsgeld hat aufgrund seiner sozialpolitischen Zweckbestimmung keine Lohnersatzfunktion, gilt deshalb nur in Ausnahmefällen als unterhaltsrechtlich berücksichtigungswürdiges Einkommen und bleibt i.d.R. gemäß § 9 Satz 1 BErzGG im Rahmen von Unterhaltsverpflichtungen als Einkommen unberücksichtigt. Die Ausnahmefälle sind in § 9 Satz 2 BErzGG geregelt: Verlangen minderjährige oder ihnen gleichgestellte volljährige Kinder Unterhalt, findet das Erziehungsgeld als Einkommen beim Verpflichteten Berücksichtigung (§ 9 Satz 2 BErzGG i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Beruft sich der Verpflichtete auf eingeschränkte oder mangelnde Leistungsfähigkeit, ist zu prüfen, ob sein notwendiger Bedarf nicht schon durch das Einkommen des neuen Ehepartners oder Lebensgefährten gesichert ist. Ist dies der Fall, ist das Erziehungsgeld ganz oder teilweise für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen.225 Für die unterhaltsrechtliche Anerkennung der Entscheidung, die Elternzeit und Erziehungsgeld in Anspruch zu nehmen, gelten im Verhältnis zu unterhaltsbedürftigen Kindern aus vorangegangenen Beziehungen die Grundsätze der Hausmannrechtsprechung (vgl. Rn. 139, 62). Beispiel M lebt von seiner Ehefrau, mit der er zwei minderjährige Kinder hat, getrennt. Er verdient als Lüftungsmonteur 1 800 Euro mtl. Er wird arbeitslos und bekommt mit seiner neuen Lebensgefährtin, die mtl. 570 Euro verdient, ein Kind. Er entscheidet sich für die Elternzeit und lehnt die Zahlung von Kindesunterhalt für seine beiden anderen Kinder, die bei seiner Ehefrau leben, wegen Leistungsunfähigkeit ab. Die von der Ehefrau in gesetzlicher Prozessstandschaft erhobene Klage auf Kindesunterhalt wird Erfolg haben, denn M hat Chancen auf dem Arbeitsmarkt und bessere Verdienstmöglichkeiten als seine Lebensgefährtin.
Ist die Rollenwahl des Verpflichteten, die Haushaltsführung und Kinderbetreuung in der neuen Ehe oder Beziehung zu übernehmen, unterhaltsrechtlich zu akzeptieren, muss er zwar sein Einkommen aus Erziehungsgeld für den Kindesunterhalt zur Verfügung stellen, ist aber während des Bezugs von Erziehungsgeld regelmäßig nicht zu einer Nebenerwerbstätigkeit verpflichtet, wenn dieses zur Bedarfsdeckung nicht ausreicht.226 Eine Pflicht, wenigstens eine geringfügige Erwerbstätigkeit auszuüben, besteht selbst dann nicht, wenn der Verpflichtete das Erziehungsgeld für seinen eigenen Unterhalt benötigt, weil sein notwendiger Selbstbehalt durch den Familienunterhalt nicht sichergestellt ist und er damit dem Kind gegenüber leistungsunfähig wird. Die Ausübung einer Nebentätigkeit kann allerdings ausnahmsweise zumutbar sein, wenn die Betreuung des Kindes gesichert ist und ein Hinzuverdienst aufgrund des Gesamteinkommens der Ehegatten die Gewährung des Erziehungsgeldes nicht in Frage stellt (§§ 5, 6 BErzGG).227
225 OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1497 f.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 592; Wendl/ Klinkhammer, § 2 Rn. 177. 226 BGH, Urt. v. 12.4.2006 – XII ZR 31/04, FamRZ 2006, 101 = NJW 2006, 2404 in Fortführung des Urt. v. 18.10.2000, FamRZ 2001, 1065. 227 KG, FPR 2002, 413, 414.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Besonderheiten gelten bei Unterhaltsansprüchen von Ehegatten, volljährigen Kindern und nicht verheirateter Eltern: Im Rahmen dieser Unterhaltsansprüche werden Unterhaltsverpflichtungen durch das Erziehungsgeld im Grundsatz nicht berührt und nur ausnahmsweise wird das Erziehungsgeld unterhaltsrechtlich als Einkommen behandelt. Es findet beim Trennungs- oder Geschiedenenunterhalt nur Berücksichtigung, wenn dem Unterhaltsberechtigten der Unterhalt wegen grober Unbilligkeit zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu befristen ist (§ 9 Satz 2 BErzGG i.V.m. § 1361 Abs. 3, § 1579 BGB). Das volljährige Kind muss sich das Erziehungsgeld als Einkommen anrechnen lassen, wenn sein Unterhaltsanspruch wegen Verwirkung gemäß § 1611 Abs. 1 BGB zu beschränken oder auszuschließen ist. Vgl. dazu Rn. 236 ff. Gleiches gilt, wenn nicht verheiratete Eltern untereinander gemäß § 1615l BGB Unterhalt geltend machen, denn § 1615 Abs. 3 Satz 1 BGB verweist auf § 1611 BGB. Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses werden für den Maßstab der Verwirkung allerdings die vom BGH zu den §§ 1579, 1570 BGB entwickelten Grundsätze zu gelten haben.228 Vgl. dazu Rn. 325a. 66b Elterngeld nach dem BEEG229 Anspruch auf Elterngeld haben grundsätzlich alle Eltern, deren Kind seit dem 1.1.2007 geboren wurde.230 Es kann nur von jeweils einem Elternteil in Anspruch genommen werden, wobei die bisher ausgeübte Tätigkeit keine Rolle spielt. Anspruch auf Elterngeld haben deshalb alle Eltern, egal ob sie selbständig oder unselbständig erwerbstätig, überhaupt nicht erwerbstätig oder arbeitslos sind. Die Eltern können selbst bestimmen, welcher Elternteil das Elterngeld beziehen würde (§ 5 Abs. 1 BEEG). Die Eltern können das Elterngeld auch im Wechsel in Anspruch nehmen und die Bezugszeit untereinander aufteilen.231 Das Elterngeld stellt eine einkommensabhängige Leistung dar und richtet sich nach der Höhe des bisher erzielten Einkommens des betreuenden Elternteils, der das Elterngeld in Anspruch nimmt. Es beträgt 67 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens der letzten 12 Monate und maximal 1 800 Euro pro Monat.232 Bei einem vor der Geburt erzielten Nettoeinkommen von weniger als 1 000 Euro erhöht sich der Prozentsatz nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 BEEG. Hat ein Elternteil Arbeitslosengeld II bezogen, studiert oder als Hausfrau bzw. Hausmann kein Einkommen gehabt, wird ein Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro pro Monat gezahlt. Das Elterngeld wird bis zu einer Höhe von 300 Euro nicht auf andere Sozialleistungen wie z.B. das Arbeitslosengeld II angerechnet (§ 10 Abs. 1 BEEG).
228 Vgl. Peschel-Gutzeit, FPR 2005, 344, 347. 229 Aufgrund geplanter Sparmaßnahmen ist auch beim Elterngeld mit Einschnitten zu rechnen. Die jeweils aktuelle Gesetzesversion kann beim BMJ unter www.gesetze-iminternet.de abgerufen werden. 230 Das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz ist seit 1.1.2007 in Kraft (vgl. BR-Drucks. 698/06), der zweite Abschnitt des BErzGG ist seit 31.12.2006 außer Kraft getreten. Das gesamte Bundeserziehungsgeldgesetz ist seit 31.12.2008 außer Kraft getreten (Art. 3 BEEG). 231 Vgl. zu den Wahlmöglichkeiten Schramm, FPR 2007, 342 ff. 232 Zur Berechnung des Elterngeldes vgl. Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, S. 38 ff., zur Steuerklassenwahl S. 52; Schramm, FPR 2007, 344.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Hat ein Elternteil neben einem ab dem 1.1.2007 geborenen Kind, für das er Elterngeld in Anspruch nimmt, noch ein weiteres Kind unter drei Jahren oder drei und mehr Kinder unter sechs Jahren, wird neben dem Elterngeld ein sog. Geschwisterbonus gezahlt. Dieser Zuschlag beträgt 10 % vom Elterngeld, mindestens allerdings 75 Euro pro Monat. Der Geschwisterbonus wird bis zum dritten beziehungsweise sechsten Geburtstag des ältesten Kindes gezahlt (§ 2 Abs. 4 BEEG). Das Elterngeld wird für die Dauer von 12 Monaten gezahlt. Es wird um zwei Monate verlängert, falls der zweite Elternteil für mindestens diese Zeit die Betreuung übernimmt und sich sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vermindert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Auszahlung des Elterngeldes auf 24 Monate (28 Monate mit Partnermonaten) zu strecken, wobei in diesem Fall die Gesamtsumme des in der Elternzeit erzielten Elterngeldes gleichmäßig auf 24 beziehungsweise 28 Monate verteilt wird und nur Anspruch auf die Hälfte der Monatsbeträge besteht (§ 5 BEEG). Minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Schülern gegenüber gilt das Elterngeld als Einkommen (§ 11 Satz 1 und 4 BEEG i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Wegen der Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und unterhaltsrechtlichen Anerkennung der Elternzeit gelten die gleichen Grundsätze wie beim Bezug von Erziehungsgeld, Rn. 66a. Im Rahmen anderer Unterhaltsrechtsverhältnisse werden Unterhaltsverpflichtungen durch die Zahlung des Elterngeldes und vergleichbarer Leistungen der Länder nur insoweit berührt, als das Elterngeld 300 Euro monatlich übersteigt (§ 11 Satz 1 BEEG). D.h. der 300 Euro übersteigende Betrag ist als Einkommen auf Seiten des Bezugsberechtigten zu berücksichtigen, dies gilt sowohl für den Unterhaltsberechtigten als auch Verpflichteten, denn insoweit hat das Elterngeld Lohnersatzfunktion wegen seiner Abhängigkeit vom zuvor erzielten Einkommen. Hat der bezugsberechtigte Elternteil von der Möglichkeit der verlängerten Auszahlung nach § 6 BEEG Gebrauch gemacht, bei der er auf Antrag mtl. nur das halbe Elterngeld bei verdoppelter Auszahlungszeit erhält, verringert sich der durch Unterhaltspflichten nicht berührte Betrag auf 150 Euro (§ 11 Satz 2 BEEG). Bei Mehrlingsgeburten vervielfältigt sich der jeweils maßgebliche Betrag um die Zahl der geborenen Kinder. Das Elterngeld ist in voller Höhe als Einkommen in die Unterhaltsberechnung einzustellen, wenn aus Billigkeitsgründen eine Beschränkung, Versagung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs des Bezugsberechtigten wegen eines Fehlverhaltens in den Fällen der §§ 1361 Abs. 3, 1579, 1611 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (§ 11 Satz 4 BEEG). o) Arbeitslosengeld Arbeitslosengeld tritt im Falle der Arbeitslosigkeit und beruflichen Weiterbil- 66c dung an die Stelle des Arbeitsentgelts, wenn sich der Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet hat (§ 117 SGB III) und über erforderliche Anwartschaftszeiten (§ 123 SGB III) verfügt. Es gilt als Lohnersatzleistung unterhaltsrechtlich uneingeschränkt als Einkommen. Es beträgt in der Regel 60 % des pauschalierten Nettoentgelts, das sich aus dem zuletzt erzielten Bruttoentgelt ergibt (§§ 129, 130, 133 SGB III). Der Betrag erhöht sich auf 67 %, wenn ein Kind, das nicht ein eigenes sein muss, mit im Haushalt lebt. Die Anspruchsdauer beträgt i.d.R. 12 Monate (§ 130 SGB III), bei älteren Arbeitnehmern kann sie je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bei einem Alter von 58 Jahren bis zu 24 Monate betragen Ehinger
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
(§ 127 SGB III). Die Bezugsdauer kann unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 128 SGB III gekürzt werden, möglich ist auch eine Kürzung der Leistung wegen bestimmter Pflichtverletzungen (§§ 140 ff. SGB III). Der Arbeitslose kann seit 1.1.2005 bei einer Nebentätigkeit, die weniger als 15 Stunden beträgt, 165 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen (§ 141 SGB III). Hat der Arbeitslose die geringfügige Tätigkeit schon 18 Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit neben einem Versicherungspflichtverhältnis ausgeübt, bleibt der volle in den letzten 12 Monaten durchschnittlich erzielte Betrag anrechnungsfrei (§ 141 Abs. 2 SGB III). Erhält ein Arbeitsloser im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung ein Entgelt z.B. von seinem Arbeitgeber, beträgt der Freibetrag 400 Euro (§ 141 Abs. 4 SGB III). In der Regel gilt für arbeitslose Unterhaltspflichtige ein geringerer notwendiger Selbstbehalt als für Erwerbstätige. (vgl. die Sätze für die unterschiedlichen Unterhaltsrechtsverhältnisse unter Nr. 21 der Leitlinien der OLG und Ausführungen zur Leistungsfähigkeit in den einzelnen Kapiteln). Vom Arbeitslosengeld ist eine Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen nicht abzugsfähig, wohl aber können notwendige Aufwendungen für die Arbeitssuche abgezogen werden. Ein Erwerbstätigenbonus wird bei Einkünften eines Kindesunterhaltspflichtigen grundsätzlich nicht abgezogen, beim Ehegattenunterhalt immer nur von Einkünften aus Erwerbstätigkeit, nicht beim Arbeitslosengeld. p) Arbeitslosengeld II 66d Seit 1.1.2005 sind Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe im Vierten Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – kurz „Hartz IV“ genannt – für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einem einheitlichen Leistungsrecht im SGB II zusammengeführt worden.233 Das Gesetz ist seitdem bereits durch mehrfache Änderungen nachgebessert worden und weitere Änderungen sind schon zum 1.1.2011 zu erwarten, nachdem das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben hat bis zum 31.12.2010 das sozialrechtliche Existenzminimum für Erwachsene und Kinder in einem neuen Bestimmungsverfahren zu regeln.234
" Praxishinweis: Nachdem das BVerfG eine unzureichende Methodik des Ge-
setzgebers für die Ermittlung des Anspruchsumfangs des sozialrechtlichen Existenzminimums für Erwachsene und Kinder und damit des Leistungsangebots nach dem SGB II in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 beanstandet hat,235 ist insbesondere beim Sozialgeld für Kinder ab 1.1.2011 mit Änderungen auch in der Höhe zu rechnen. Da außerdem von der Bundesregierung Sparmaßnahmen bei SGB II Leistungen angekündigt wurden, u.a. bei Zuschlägen nach § 24 SGB II, empfiehlt es sich, sich über den aktuellen Gesetzgebungsstand und die relevanten Werte auf dem Laufenden zu halten. Informationen zum SGB II sind im Internet z.B. abrufbar unter www. gesetze-im-internet.de oder auch über die Google-Suche z.B. mit dem Suchbegriff „Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)“ oder unter Wikipedia zu den Schlagwörtern Sozialgeld für Kinder, SGB II, ALG II etc. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf den Gesetzgebungsstand 1.6.2010.
233 Vgl. die detaillierte Übersicht über die Neuerungen bei Steck/Kossens, FPR 2005, Heft 11, 424 ff. 234 FamRZ 2010, 429 ff. 235 FamRZ 2010, 429 ff. m. Anm. v. Schürmann, S. 441 f.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Anspruch auf ALG II hat, wer erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Erwerbsfähig ist, wer über 15 und unter 65 Jahre und nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Unterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aber auch nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen insbesondere (unterhaltspflichtigen) Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 SGB II). Arbeitslosengeld II ist im Unterhaltsrecht nur auf Seiten des Unterhaltspflichtigen als Einkommen zu behandeln. Bezieht der Berechtigte Arbeitslosengeld II, gilt dieses hinsichtlich der Leistungen für die Grundsicherung zum Lebensunterhalt einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht als Einkommen, so dass der Berechtigte im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen insoweit unterhaltsbedürftig bleibt (s. Nr. 2.2 der LL). Die unterschiedliche Behandlung ist deshalb begründet, weil es sich bei dem Arbeitslosengeld II im Wesentlichen um eine Sozialleistung handelt, die vom Leistungsträger nur nachrangig (subsidiär) erbracht wird, wenn und soweit der Arbeitssuchende seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise wie zum Beispiel durch Unterhaltsleistungen bestreiten kann. Bei subsidiär erbrachten Sozialleistungen gilt die Sozialleistung im Verhältnis zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen nicht als bedarfsdeckende Leistung, so dass der Unterhaltspflichtige nach wie vor zur Unterhaltsleistung verpflichtet bleibt. Nach dem SGB II erhalten Erwerbsfähige Leistungen zum Lebensunterhalt – ALG II – für sich und die Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§§ 19 ff. SGB II). Das ALG II setzt sich zusammen aus pauschalierten Regelleistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarf des täglichen Lebens einschließlich der Teilnahme am kulturellen Leben (§ 20 SGB II) und Leistungen für angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Darüber hinaus kann Mehrbedarf abgedeckt werden z.B. bei Schwangerschaft (vgl. § 21 SGB II). Als Zuschüsse zum Arbeitslosengeld II kommen in Betracht z.B. die befristeten Zuschläge gemäß § 24 SGB II, die ab Ende des Bezugs des Arbeitslosengeldes für die Dauer von 2 Jahren gezahlt werden oder die Zahlung eines Einstiegsgeldes nach § 29 SGB II, um die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern. Die Regelleistung für die Grundsicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 SGB II beträgt für erwerbsfähige und hilfebedürftige Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, seit 1.7.2008 bundeseinheitlich 351 Euro und seit 1.7.2009 359 Euro236. Lebt der Arbeitssuchende mit anderen in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II), ergeben sich Kürzungen der Regelleistungen: Zwei volljährige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft bekommen jeweils 90 % der Regelleistung (§ 20 Abs. 3 SGB II), die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 % der vollen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Das volljährige Kind, das bei seinen Eltern oder einem Elternteil lebt, gehört mit Wirkung ab 1.7.2006 zur Bedarfsgemeinschaft und erhält 80 % der Regelleistung, wenn es nicht über eigene Einkünfte verfügt (§§ 7 Abs. 3 Nr. 2, 4; 20 Abs. 2 SGB II). Die236 Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II, BGBl. I 2008, S. 1102; BGBl. I 2009, S. 1342; s. a. zur Überprüfung aktualisierter Werte http://de.wikipedia.org/wiki/Zweites_Buch-Sozialgesetzbuch#Arbeitslosengeld-II.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
ser Satz bleibt für unter 25 jährige Kinder auch dann maßgeblich, wenn sie aus dem Haushalt der Eltern ausziehen, ohne sich vom kommunalen Leistungsträger zusichern zu lassen, dass sie einen erhöhten Leistungsanspruch erhalten. Minderjährige Kinder, die mit dem Arbeitssuchenden in einem Haushalt leben, erhalten bis zum 15. Lebensjahr Sozialgeld, das bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 % und im 15. Lebensjahr 80 % des vollen Regelbetrags beträgt (§ 28 SGB II). Dies ergibt seit 1.7.2009 folgende Beträge:237 Regelbeträge Volljähriger/allein Erziehende volljähriger Partner volljähriges Kind unter 25 Jahre
359 Euro 323 Euro 287 Euro
Kind 0– 5 Jahre Kind 6–13 Jahre Kind 14–17 Jahre
215 Euro 251 Euro 287 Euro
Normen 100 % § 20 Abs. 2 SGB II 90 % § 20 Abs. 3 SGB II 80 % §§ 20 Abs. 2, 22 Nr. 2a SGB II 60 % § 28 Abs. 1 Nr. 1SGB II 70 % § 74 Abs. 1 SGB II 80 % § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
Durch die Zahlung von Zuschlägen gemäß § 24 SGB II können die Einkünfte des Verpflichteten über dem notwendigen Eigenbedarf der Leitlinien liegen und damit unterhaltsrechtlich bedeutsam werden. Aber auch für die Einkommensbestimmung des Unterhaltsberechtigten spielen die Zuschläge eine Rolle, denn diese Zuschläge unterliegen nicht der Subsidiarität, so dass sie beim Unterhaltsberechtigten als eigenes Einkommen in Ansatz zu bringen sind. Insoweit erfolgt für diese Leistung kein gesetzlicher Forderungsübergang zugunsten des Leistungsträgers.238 Es besteht folgender Anspruch des Hilfeempfängers auf Zuschläge nach § 24 SGB II: Für die ersten zwei Jahre ab Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige monatliche Zuschläge in Höhe von zwei Drittel des Unterschiedsbetrags zwischen dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld zuzüglich gezahlten Wohngeldes und dem Arbeitslosengeld II, die sich nach Ablauf des ersten Jahres auf die Hälfte verringern (§ 24 Abs. 2 SGB II). Der Zuschlag beträgt im ersten Jahr höchstens 160 Euro, bei Partnern zusammen höchstens 320 Euro und für jedes im Haushalt lebende (auch nicht eigene) minderjährige Kind 60 Euro. Beispiel V erhält seit 1.7.2009 ALG II in folgender Höhe: Regelbetrag nach § 20 Abs. 2,3 SGB II Kosten für Unterkunft und Heizung § 22 SGB II239 Befristeter Zuschlag § 24 SGB II Gesamteinkommen
359 378 160 897
Euro Euro Euro Euro
237 Die aktuellen Werte sind jeweils im Internet z.B. über die Google-Suche unter dem Schlagwort Sozialgeld für Kinder bei dem BMAS oder Wikipedia abrufbar (www.bmas.de/ portal/22144/arbeitsmarktreform_fragen_und_antworten_zu_geldleistung.html#frage _09 oder http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialgeld 238 OLG München, FamRZ 2006, 1125; Scholz, FamRZ 2006, 1417, 1422; Klinkhammer, FamRZ 2006, 1171; a.A. Heiß/Born/Hußmann, 16 Rn. 58. 239 Die Zuschüsse richten sich nach Landesrecht (Fachanweisungen zu § 22 SGB II).
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird Durch den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II wird V wieder teilweise leistungsfähig zur Zahlung von Minderjährigenunterhalt, denn der Selbstbehalt für Nichterwerbstätige beträgt 770 Euro (vgl. zur Leistungsfähigkeit und den strittigen Fragen der Berücksichtigung von Freibeträgen als unterhaltsrechtliches Einkommen und der Höhe des Selbstbehalts bei Nebeneinkünften Rn. 131).
Das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen kann sich sowohl auf 66e Seiten des Unterhaltsverpflichteten als auch des Berechtigten noch deutlich dadurch erhöhen, dass neben dem Bezug von ALG II Nebeneinkünfte erzielt werden können, von denen Freibeträge gemäß § 30 SGB II anrechnungsfrei bleiben. Die Prozentsätze der nachfolgend dargestellten Freibeträge gelten sowohl für Einkommen aus geringfügiger Erwerbstätigkeit, als auch aus Teilzeit- und Vollbeschäftigungen. Sie beziehen sich auf das nach sozialrechtlichen Bestimmungen (§ 11 SGB), also im Wesentlichen um Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge, Riesterrente und Werbungskosten, bereinigte Bruttoeinkommen. Bei Einkommen bis zu 400 Euro erfolgt ein pauschaler Abzug von 100 Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Die Grenzwerte der Einkommen aus Erwerbstätigkeit für die Berechnung der nachfolgend dargestellten Freibeträge liegen so hoch, weil das ALG II auch ergänzend neben Einkommen aus Vollbeschäftigung gewährt wird, soweit dieses nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt des Bezugsberechtigten und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu bestreiten. Freibeträge seit 1.10.2005 gemäß § 30 SGB II i.d.F. vom 14.8.2005: 1. 20 % bei einem Bruttolohn von 100 Euro–800 Euro 2. 10 % bei einem Bruttolohn von 800,01–1 200 Euro Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro. Beispiel V bezieht ALG II und erzielt Einkünfte aus einer Nebentätigkeit i.H.v. 350 Euro. Ihm stehen zur Verfügung: ALG II (737 Euro Regelbetrag + Wohnungszuschuss + 160 Euro Zuschlag) Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II Freibetrag nach § 30 SGB II 20 % von 250 Euro, (350 Euro – 100 Euro = 250 Euro) Summe
897 Euro 100 Euro 50 Euro 1 047 Euro
Das ALG II wird um den anrechenbaren Teil des Nebenverdienstes (hier 200 Euro) gekürzt, es sei denn, V hat in der Höhe titulierten Unterhalt zu zahlen, der absetzbar ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II).
Der Hinzuverdienst bei Arbeitslosen spielt vor allem eine Rolle bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, der Kindesunterhalt zahlen soll. Für die Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist bei Ausübung einer Nebentätigkeit entscheidend, dass von dem anrechenbaren Einkommen aus dem zulässigen Nebenerwerb Unterhaltsleistungen vor einer Anrechnung auf das ALG II absetzbar sind.240 Dies ist mit Wirkung ab 1.8.2006 gesetzlich geregelt in § 11 Abs. 2 SGB II. Danach sind Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Un240 Schürmann, FPR 2005, 448, 453; Streicher, FPR 2005, 438, 442; BVerwGE 55, 148.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
terhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel und in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag absetzbar. Zur Berechnung von Nebeneinkünften und Freibeträgen bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit beim Minderjährigenunterhalt vgl. Rn. 131 mit Beispielen. 66f Einkünfte aus Nebentätigkeiten neben dem Bezug von ALG II spielen ebenfalls eine Rolle beim Ehegattenunterhalt, denn die Freibeträge werden nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet und mindern damit die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten.
" Praxishinweis: Im Kindesunterhaltsstreitverfahren berufen sich Unterhalts-
verpflichtete häufig auf mangelnde Leistungsfähigkeit wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II und verweisen auf erfolglose Bemühungen um eine Vollbeschäftigung. Meist wird übersehen, dass es zur schlüssigen Darlegung der mangelnden Leistungsfähigkeit nicht nur darauf ankommt, ausreichende vergebliche Bemühungen um eine Vollbeschäftigung nachzuweisen, sondern auch eine Pflicht zur Ausübung einer Nebenerwerbstätigkeit besteht. Fehlt es an zumutbaren Bemühungen um eine Nebenerwerbstätigkeit, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht. Beim Ehegattenunterhalt sind für die Bestimmung des Einkommens des Berechtigten die Zuschläge zum Arbeitslosengeld II und die Freibeträge für die Bestimmung des Einkommens von Bedeutung.
Zu den Problemen des Rückgriffs öffentlicher Leistungsträger aus übergeleiteten bzw. kraft Gesetzes übergegangen Unterhaltsansprüchen gegenüber den Unterhaltspflichtigen vgl. Kap. I, Rn. 556e. 3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens 67 Nach der Feststellung des aktuellen Einkommens ist zu klären, welche Teile davon tatsächlich für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen können und um welche Schuldverpflichtungen oder Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen das Einkommen noch zu bereinigen ist. a) Abzug berufsbedingter Aufwendungen 68 Bei nichtselbständigen Erwerbstätigen können vom bedarfsbestimmenden Einkommen berufsbedingte Aufwendungen, d.h. Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, Berufskleidung, Beiträge zu Berufsverbänden und Gewerkschaften, Fachliteratur und dergleichen, auf konkreten Nachweis abgezogen werden. Grundsätzlich ist von dem Verpflichteten zu erwarten, dass er die kostengünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel für Fahrten zur Arbeit in Anspruch nimmt, so dass Kosten für Fahrten mit dem eigenen PKW nur in Ausnahmefällen anerkannt werden. Als Ausnahme käme z.B. in Betracht, wenn bei Schichtarbeiten die Arbeitsstelle nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Zeitaufwand mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar wäre. Die Fahrtkosten werden dann konkret nach der Formel Tageskilometer % 220 Tage ðvariabelÞ % 0; 30 Euro 12 Monate berechnet, wobei der hier angewendete Bewertungsmaßstab § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG entnommen ist, der weitgehend dem früheren § 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG ent56
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
spricht und dessen Anwendung der BGH ausdrücklich gebilligt hat.241 In der Pauschale von 0,30 Euro242 sind sämtliche Kosten für Abnutzung und Anschaffungskosten sowie Unterhaltungs- und Betriebskosten einschließlich Steuern und Versicherung für den PKW mit berücksichtigt.243 Ein gesonderter Abzug von Kreditraten ist daneben nicht möglich.244 Die meisten Leitlinien orientieren sich an den Werten des JVEG, machen aber teilweise Abschläge wegen privater Nutzungsvorteile und bei langen Fahrstrecken. Bei einer mehr als 30 Kilometer betragenden einfachen Fahrstrecke zwischen Heim und Arbeitsstelle hält das OLG Hamm245 es für angemessen, die Kilometerpauschale auf 0,10 Euro herabzusetzen, das OLG Frankfurt halbiert dann die Pauschale. Vgl. dazu jeweils Nr. 10.2.2 der LL des zuständigen OLG. Bei hohen Fahrtkosten, die nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe des Einkommens stehen, stellt sich die Frage, ob nicht ein Wohnortwechsel zumutbar wäre. Bei der Angemessenheitsprüfung sind Einstandspflicht und Gründe für die weiten Entfernungen zu berücksichtigen. Das OLG Köln hat erhöhte Fahrtkosten, die dem Unterhaltspflichtigen wegen des Umzugs zur neuen Lebensgefährtin entstanden sind, im Rahmen von Kindesund Trennungsunterhaltsansprüchen nicht anerkannt, da Gründe, die gegen einen Wohnortswechsel in die Nähe der Arbeitsstelle sprechen, nicht plausibel begründet wurden.246 Berufsbedingte Aufwendungen werden häufig durch Abzug einer Pauschale be- 69 rücksichtigt. In den Leitlinien der OLG finden sich unter Ziff. 10.2 Angaben dazu, ob ein konkreter Nachweis für die Berücksichtigung erforderlich ist oder ob eine Pauschale abgezogen wird. Werden berufsbedingte Aufwendungen pauschal berücksichtigt, ist ein Abzug i.H.v. 5 % von dem um Steuern und Sozialabgaben bereinigten Einkommen mit Mindest- und Höchstsätzen von zzt. ca. 50 Euro/ 150 Euro üblich. Bei geringfügiger Teilzeitarbeit kann auch weniger abgezogen werden. Das OLG Braunschweig empfiehlt z.B. bei Einkommen bis zu 500 Euro einen pauschalen Abzug von 25 Euro (Nr. 10.2.1 der LL). In den Leitlinien der OLG der neuen Bundesländer ist meist wegen der knapperen Geldmittel ein pauschaler Abzug der berufsbedingten Aufwendungen nicht vorgesehen. Berufsbedingte Aufwendungen werden nicht abgezogen von Arbeitslosengeld, Renteneinkünften, Einkünften aus Kapital und Vermietung und Verpachtung. Werden berufsbedingte Aufwendungen bestritten, muss der Verpflichtete sie konkret belegen.
" Praxishinweis: Es empfiehlt sich, die Leitlinien des zuständigen OLG für
die Berechnung heranzuziehen. Bei engen finanziellen Verhältnissen kann es besser sein, der Annahme einer Pauschale zu widersprechen und auf den Nachweis berufsbedingter Aufwendungen zu bestehen. In den neuen Bundesländern ist ein pauschaler Abzug meist nicht üblich. Hat der Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete nicht nur Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, ist darauf zu achten, dass die Pauschale nur aus dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit gebildet wird.
241 BGH, FamRZ 2006, 846, 847; 1998, 1501, 1502 (zu § 9 ZSEG). 242 Diese gilt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG für Sachverständige, für Zeugen beträgt sie 0,25 Euro gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG. 243 Welche Werte das zuständige OLG anwendet, sollte den Leitlinien entnommen werden, vgl. dazu jeweils Nr. 10.2.2. 244 OLG Hamm, OLGR 2001, 128; OLG Hamm, FamRZ 2000, 1367. 245 OLG Hamm, OLGR 2001, 128 f. 246 OLG Köln, FamRZ 2006, 1760.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
70 Bei Teilzeitarbeit kann eine Kürzung der Pauschale in Betracht kommen. Auch bei Auszubildenden können entweder konkrete Aufwendungen oder eine Pauschale abgezogen werden. Allerdings wird bei Auszubildenden der Abzug einer Pauschale in den Leitlinien nicht einheitlich anerkannt (s. dazu jeweils Nr. 10.2.3 und 13.2 der LL). 71 Arbeitslose und längerfristig erkrankte Arbeitnehmer können keinen pauschalen Abzug beanspruchen. Entstehen für den arbeitslosen Verpflichteten Kosten bei der Arbeitssuche, sind diese bei Nachweis abzugsfähig. Werden neben dem Bezug von Arbeitslosengeld oder ALG II Einkünfte aus einer Nebentätigkeit erzielt, sollten berufsbedingte Aufwendungen wegen der meist eingeschränkten Leistungsfähigkeit nur bei konkretem Nachweis berücksichtigt werden. 72 Bei Selbständigen werden berufsbedingte Aufwendungen nicht abgezogen; denn diese werden bereits bei den Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung/Einnahmen-Überschussrechnung berücksichtigt. Der Gewinn stellt i.d.R. für die Unterhaltsberechnung das zu versteuernde Einkommen dar. 73 Das Nettoeinkommen kann ferner um Mehraufwendungen bei Krankheiten des Verpflichteten und Betreuungskosten, die für andere minderjährige Kinder des Unterhaltsschuldners in seinem Haushalt z.B. den Besuch einer Ganztagsschule oder die Beaufsichtigung während seiner berufsbedingten Abwesenheit anfallen, gemindert werden.247 Bei Betreuungskosten handelt es sich um konkrete berufsbedingte Aufwendungen, die in den Leitlinien jeweils unter Ziff. 10.3 gesondert aufgeführt sind. Sie können neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt werden.248 Dazu gehören i.d.R. nicht Kindergartenkosten, denn insoweit handelt es sich um Mehrbedarf des jeweiligen Kindes s. Rn. 118. Betreuungskosten sind beim Trennungs- und Geschiedenenunterhalt ebenfalls neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen abzugsfähig, ggf. als Teil des Kindesunterhalts. Umstritten ist, ob daneben ein Betreuungsbonus abgezogen werden kann, s. Rn. 363, 488. 74 Der Abzug eines Betreuungsbonus249 vom Einkommen des Unterhaltsschuldners ist im Unterhaltsrechtsverhältnis Eltern – Kind im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht gerechtfertigt.250 Der Betreuungsbonus ist von der Rechtsprechung als Abzugsposten im Rahmen des Unterhaltsrechtsverhältnisses zwischen getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten entwickelt worden, wenn die Betreuung von gemeinsamen Kindern zwar ohne besondere Kosten, aber unter besonderen Erschwernissen stattfindet.251 Gegenüber dem minderjährigen Kind obliegt dem Verpflichteten gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die zur Folge hat, dass alle verfügbaren Mittel für den Kindesunterhalt zur Verfügung zu stellen sind, wozu sogar Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit gehören können.252 247 248 249 250 251
BGH, FamRZ 1991, 182 f. Wendl/Dose, § 1 Rn. 87. Zum Abzug des Betreuungsbonus vgl. beim Ehegattenunterhalt Rn. 364 f. OLG Schleswig, FamRZ 1990, 657 = DAVorm 1990, 253. BGH, FamRZ 1982, 779, 780; FamRZ 1983, 569, 570; 1986, 790, 791; FamRZ 2001, 350, 352. 252 Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 312.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Der Abzug des Betreuungsbonus kann jedoch dann im Unterhaltsrechtsverhältnis Kinder – Eltern eine Rolle spielen, wenn beide Eltern für den Barunterhalt haften und ihre Haftungsquoten zu berechnen sind oder ein betreuender Elternteil, der neben der Betreuung erwerbstätig ist, als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter i.S.v. § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB neben der Betreuung auch zum Barunterhalt herangezogen werden soll.253 Zur Abzugsfähigkeit des Betreuungsbonus beim Getrenntlebenden- und Geschiedenenunterhalt vgl. die Ausführungen unter Rn. 363, 488). Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus, wie er beim Ehegattenunterhalt üblich 74a ist, kommt beim Einkommen des Unterhaltsschuldners im Unterhaltsrechtsverhältnis Eltern – Kind nicht in Betracht. Dem Gedanken des Arbeitsanreizes, der dem Erwerbstätigenbonus zugrunde liegt, ist beim Kindesunterhaltsrechtsverhältnis dadurch Rechnung getragen, dass dem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner ein höherer Eigenbedarf zugestanden wird als dem nichterwerbstätigen Schuldner (s. Rn. 130). So beträgt der Eigenbedarfssatz des Erwerbstätigen 900 Euro, der des Nichterwerbstätigen 770 Euro. Unabhängig davon können berufsbedingte Aufwendungen extra geltend gemacht und vom Einkommen abgezogen werden. b) Abzug von Verbindlichkeiten Ob Schulden einkommensmindernd vorab zu berücksichtigen sind, also vom 75 Nettoeinkommen vor der Unterhaltsberechnung abgezogen werden, ist in der Praxis häufig Anlass zum Streit; denn bei einem Vorabzug von Kreditraten kann sich der Unterhaltsanspruch so verringern, dass dadurch eine andere Gehaltsgruppe in der Tabelle für die Bestimmung des Unterhalts in Betracht kommt. Da zwischen Unterhaltsschulden und sonstigen Schulden keine gesetzlich geregelte Rangfolge für deren Befriedigung besteht (§ 1603 Abs. 1 BGB),254 ist in jedem Einzelfall unter umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen255 und auch unter Beachtung des Umstandes, ob der Mindestbedarf des Kindes gesichert ist, zu prüfen, ob und welche Schulden vom bedarfsbestimmenden Einkommen vor der Unterhaltsberechnung als berücksichtigungswürdig abgezogen werden können und welche Möglichkeiten bestehen, die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.256 Für diese Prüfung hat die Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt.257 Maßgebend für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden sind
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– Zeitpunkt und Art der Entstehung der Schulden, – Zweck der Eingehung der Verbindlichkeiten, – Dringlichkeit der Bedürfnisse von Verpflichtetem und Berechtigten, – Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung bei Eingehung der Verbindlichkeit, – schutzwürdiges Interesse des Drittgläubigers, – Möglichkeiten, einen neuen Schuldentilgungsplan zu entwickeln. 253 254 255 256 257
BGH, FamRZ 1991, 182, 184. BGH, FamRZ 1984, 657, 658; 1986, 254; OLG Bamberg, FamRZ 1995, 566 ff. BGH, FamRZ 1982, 157, 158; 1990, 266, 267. BGH, FamRZ 1986, 254, 257; 1990, 266, 267. BGH, FamRZ 1996, 160 ff.; 1982, 157; 1992, 797 jeweils m.w.N.
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Eine Berücksichtigung entfällt immer dann, wenn der Verpflichtete die Verbindlichkeit mit dem Ziel der Unterhaltsumgehung oder leichtfertig für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen ist.258 77 Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Verbindlichkeiten trägt der Schuldner.259 78 Zins- und Tilgungsraten auf Darlehen, die die Eltern noch während des Zusammenlebens in Übereinstimmung aufgenommen haben – ehebedingte Schulden –, sind i.d.R. vom Nettoeinkommen abzuziehen.260 Sie haben die Familienverhältnisse – und damit den Bedarf des Kindes auch schon vor der Trennung – geprägt und sind Folge der wirtschaftlichen Unselbständigkeit und Abhängigkeit des Kindes von den Einkommensverhältnissen der Eltern.261 Die Raten können aber nur abgezogen werden, wenn sie vom Schuldner auch tatsächlich bezahlt werden. Besteht ein Titel über die Verbindlichkeit, wird es auf den Nachweis der Tilgung nicht ankommen. Bei hoher Verschuldung muss der Verpflichtete sich um eine Tilgungsstreckung bemühen, sofern ansonsten die Unterhaltszahlungen für das Kind nicht mehr ausreichend erbracht werden können. Dabei kann im Verhältnis des Unterhaltspflichtigen zum minderjährigen Kind ein strengerer Maßstab anzuwenden sein als zu dem unterhaltsberechtigten Ehegatten,262 denn bei minderjährigen Kindern scheidet von vornherein die Möglichkeit aus, durch eigene Anstrengungen zur Sicherung ihres notwendigen Bedarfs beizutragen. 79 Nach den gleichen Kriterien sind auch Schulden, die erst nach der Trennung der Eltern entstanden sind, zu behandeln; denn anders als im Ehegattenunterhaltsrecht hängt die Bedarfsbestimmung für das Kind nicht von den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen beider Eltern, sondern nur von der Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen Elternteils ab. Deshalb hat es teil an der sich verändernden wirtschaftlichen Entwicklung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, und die Bedarfsbestimmung bleibt nicht etwa festgelegt auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Trennung oder Scheidung.263 Schulden werden i.d.R. dann nicht mehr berücksichtigt, wenn dadurch der Mindestunterhalt für das Kind nicht mehr gezahlt werden kann; denn der Schuldner muss bei der Eingehung von Verbindlichkeiten auf bestehende Unterhaltspflichten Rücksicht nehmen. Eine Berücksichtigung ist ausnahmsweise dann möglich, wenn eine durch Zinsen ständig wachsende Verschuldung droht.264 Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, kann auch eine Mithaftung des betreuenden Elternteils für den Barbedarf in Betracht kommen (Rn. 25), insbesondere dann, wenn er während des Zusammenlebens der Kreditaufnahme zugestimmt hat.265 Beispiel V erzielt ein Durchschnittsnettoeinkommen von mtl. 2 000 Euro. Er benutzt öffentliche Verkehrsmittel, um zur Arbeit zu kommen, und hat nach der Trennung einen Kredit mit 258 259 260 261 262 263 264 265
BGH, FamRZ 1990, 283; 1984, 358, 360. BGH, FamRZ 1990, 283 ff. BGH, FamRZ 1989, 159; 1985, 911. BGH, FamRZ 1996, 160. BGH, FamRZ 1984, 657, 659. BGH, FamRZ 2008, 2189, 2190; 1996, 161. BGH, FamRZ 1986, 254, 256. Ebenda.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird mtl. Raten i.H.v. 150 Euro für eine neue Wohnungseinrichtung sowie für einen PKW mit mtl. Raten i.H.v. 200 Euro aufgenommen. Er war sich mit seiner Frau M einig, dass ihr und dem Kind der Hausrat verbleiben sollte. Ferner zahlt er mtl. 100 Euro für einen ehebedingten Kredit. Sein bedarfsbestimmendes Einkommen wird wie folgt berechnet: Nettoeinkommen 5 % berufsbedingte Aufwendungen ehebedingter Kredit Kredit für Wohnungseinrichtung Summe
2 000 100 100 150 1 650
Euro Euro Euro Euro Euro
Wegen der Einigung der Eltern über den Hausrat wird die Kreditrate für die Einrichtung abgezogen. Nicht abzugsfähig ist die PKW-Rate, zumal V das Fahrzeug nicht für die Fahrt zur Arbeit braucht.
Über die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden ist jeweils nach umfassen- 80 der Interessenabwägung zu entscheiden.266 Bei hoher Verschuldung des Unterhaltspflichtigen ist von ihm zu erwarten, dass er einen vernünftigen Tilgungsplan erstellt, der auch den Unterhaltsinteressen seines Kindes Rechnung trägt.267 Bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit kann zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens geboten sein (Rn. 23).268 Da Unterhaltsansprüche nach materiellem Recht gleichrangig mit anderen Schuldverpflichtungen sind, ergibt sich im Insolvenzverfahren wegen der Pfändungsfreibeträge des § 850c Abs. 1 ZPO und des vorrangigen Pfändungszugriffs des Unterhaltsgläubigers (§ 850d ZPO) gegenüber anderen Gläubigern der Vorteil einer bevorzugten Befriedigung und Sicherung des Unterhalts.269 Ob aus besonderen Gründen die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens für den Verpflichteten unzumutbar ist, ist von ihm geltend zu machen und bleibt der Einzelfallprüfung vorbehalten.
" Praxishinweis: Der bevorzugte Zugriff auf das Einkommen des Verpflichte-
ten ist nur wegen des laufenden Unterhalts möglich. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Unterhaltsrückstände können nicht bevorrechtigt vollstreckt werden, denn insoweit handelt es sich um Insolvenzforderungen, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingebracht werden müssen. Deshalb wird ein Unterhaltsverfahren nur wegen der Unterhaltsrückstände kraft Gesetzes unterbrochen (§ 240 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG), nicht aber wegen des laufenden Unterhalts.270 Wegen Unterhalts für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens271 führt das Gericht das Unterhaltsverfahren weiter, denn Ansprüche auf laufenden Unterhalt gehören gemäß § 40 InsO (Insolvenzordnung) nicht zu den Insolvenzforderungen. Sie können unabhängig vom Insolvenzverfahren erstritten und auch während dieses Verfahrens in das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners vollstreckt werden, weil § 89 Abs. 1 InsO den
266 267 268 269 270
BGH, FamRZ 2002, 536, 540. BGH, FamRZ 1982, 23 ff. BGH, FamRZ 2005, 608, vgl. auch Rn. 23, 129. Zur Höhe der Pfändungsfreibeträge, vgl. Rn. 1324 f., 1331. OLG Koblenz, FamRZ 2003, 109; OLG Celle, FamRZ 2003, 1116; Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240 ff. m.w.N. 271 Erfolgt die Eröffnung am 18.5. wird das Verfahren wegen Unterhalts ab 1.6. fortgeführt, denn Unterhalt wird jeweils zum Ersten eines Monats fällig, § 1613 Abs. 3 BGB, vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2003, 109; Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240 m.w.N.
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Vollstreckungszugriff insoweit nur für Insolvenzgläubiger für unzulässig erklärt und in § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs in den unpfändbaren Teil der Bezüge ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Die Zwangsvollstreckung von Unterhaltstiteln richtet sich nach den Vorschriften der ZPO (§§ 120 Abs. 1 FamFG). 81 Schulden, die beim bedarfsbestimmenden Einkommen nicht berücksichtigt werden, können noch einmal eine Rolle bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und der abschließenden Angemessenheitsprüfung spielen. Der mithilfe der Tabelle ermittelte Unterhalt ist stets auf seine Angemessenheit zu überprüfen.272 Besonderheiten gelten für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an die Einstandspflicht für den Unterhalt beim Trennungsunterhalt (Rn. 380 ff.), beim Geschiedenenunterhalt (Rn. 497 ff.) und beim Elternunterhalt Rn. 269 ff.). c) Aufwendungen beim Wohnen im eigenen Heim und für Vermögensbildung 82 Verbindlichkeiten und Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Erhaltung eines Eigenheims bestehen, können vom aktuellen Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen werden, wenn die Unterhaltsberechtigten in dem Eigenheim wohnen. Dies gilt sowohl für die Zins- und Tilgungsleistungen.273 Bewohnt der Unterhaltspflichtige das Familienheim allein, weil die Kinder mit dem anderen Elternteil ausgezogen sind, können die Belastungen jedenfalls in der Trennungszeit für das Heim in voller Höhe abgezogen werden. Dabei muss sich der Verpflichtete einkommenserhöhend einen seinen bisherigen Einkommensverhältnissen und Wohnbedürfnissen angepassten Wohnwertvorteil anrechnen lassen (s. Rn. 51).274 Spätestens ab Scheidung der Ehe dürfen Belastungen nur noch in Höhe eines zurechenbaren Wohnwertvorteils abgezogen werden. Der Wohnwertvorteil bemisst sich nach der Scheidung i.d.R. nach der objektiven Marktmiete abzüglich der Kosten, die ein Mieter nicht zu tragen hat einschließlich der Kreditzinsen, und nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe weiterhin nach dem angemessenen Mietwert des Eigenheims.275 Allerdings besteht dann eine Pflicht zur wirtschaftlichen Verwertung des Eigentums. 83 Leben weder der Unterhaltspflichtige noch die Kinder in der Eigentumswohnung oder dem Haus und ist dies auch nicht Familienheim gewesen, sind keinerlei Aufwendungen absetzbar; denn der Verpflichtete darf nicht zu Lasten Berechtigter Vermögen bilden.276 Beeinträchtigen die Belastungen seine Leistungsfähigkeit, hat er die Möglichkeit, die Immobilie zu verwerten. Sollte die Veräußerung oder Verwertung des Eigentums für den Verpflichteten unzumutbar sein, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Verbindlichkeiten unterhaltsrechtlich anzuerkennen sind und vom Einkommen abgezogen werden. Zur Frage der Abzugsfähigkeit ist nach der BGH-Rechtsprechung stets noch eine Interessen- und Billigkeitsprüfung erforderlich.277 272 273 274 275
BGH, FamRZ 2000, 1492, 1493 m.w.N. BGH, FamRZ 1989, 1160. BGH, FamRZ 1998, 899, 901; zum Wohnwertvorteil vgl. Rn. 51 ff. BGH, FamRZ 2008, 963 ff.; 1998, 87; vgl. Rn. 53 mit Berechnungsbeispiel für Wohnwertvorteil. 276 BGH, NJW-RR 1995, 129; FamRZ 1988, 145, 149 f.; 1984, 358, 360; 1986, 48, 50. 277 BGH, NJW-RR 1995, 129; FamRZ 1984, 149, 151.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Werden Zins- und Tilgungsleistungen für Immobiliendarlehen unterhaltsrechtlich nicht anerkannt, verbleiben dem Verpflichteten die darauf entfallenden Steuervorteile allein.278 Dies geschieht in der Weise, dass das zu versteuernde Einkommen um die auf die Immobilie entfallenden Verluste erhöht wird und von diesem Betrag eine fiktive Steuerschuld abgezogen wird. Die fiktive Steuerschuld wird berechnet für das um die Verluste erhöhte Einkommen des Verpflichteten. Zu den Besonderheiten der Abzugsfähigkeit von Wohnkosten beim Eltern-, Trennungs- und Geschiedenenunterhalt vgl. die Rn. 269, 390, 494 ff. d) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten Unterhaltszahlungen an andere Unterhaltsberechtigte können bei der Ermittlung 84 des bedarfsbestimmenden Einkommens im Rahmen des Minderjährigenunterhalts nicht vorab abgezogen werden, selbst wenn der Verpflichtete dazu schon zu einem früheren Zeitpunkt verurteilt worden ist.279 Alle gleichrangigen Unterhaltslasten des Verpflichteten werden zunächst nach den aktuellen Unterhaltstabellen gleichzeitig berechnet. Ergibt die Berechnung für die anderen Unterhaltsberechtigten niedrigere Beträge als tituliert, sind die errechneten maßgeblich, denn der Unterhaltsschuldner kann ggf. gegen den anderen Unterhaltsberechtigten mit einem Abänderungsverfahren gegen den danach zu hohen, bereits bestehenden Unterhaltstitel vorgehen.280 Soweit ein Unterhaltstitel für die Vergangenheit nicht mehr abgeändert werden kann und der titulierte Betrag den tatsächlich geschuldeten Betrag übersteigt, darf der titulierte überschießende Differenzbetrag abgezogen werden, es sei denn, der Verpflichtete hat vorwerfbar versäumt, rechtzeitig eine Abänderung zu beantragen. Nachrangige Verbindlichkeiten, z.B. Unterhaltszahlungen an volljährige Kinder, die sich nicht mehr im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils und in der allgemeinen Schulbildung befinden (§ 1609 Abs. 1 i.V.m. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), bleiben genauso unberücksichtigt. Anderes gilt im Rahmen des sonstigen Verwandtenunterhalts: Bei der Bestimmung des Einkommens von Eltern, die volljährigen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sind, werden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern einkommensmindernd abgezogen, denn volljährige Kinder gehen den minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern im Unterhaltsrang nach (§ 1609 Nr. 1 und 4 BGB). Bei der Berechnung des Unterhalts für ein privilegiertes volljähriges Kind ist die Frage strittig, ob nicht in dem Fall, wenn beide Eltern barunterhaltspflichtig sind und ein Elternteil noch Barunterhaltspflichten gegenüber nicht gemeinsamen minderjährigen Kindern zu erfüllen hat, dieser Barunterhalt vorab – trotz der Gleichrangigkeit der Ansprüche – einkommensmindernd vom Einkommen des Verpflichteten abgezogen werden kann, s. dazu Rn. 178a und das Rechenbeispiel Rn. 228. Ansonsten ist der Vorabzug von Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern und privilegierten volljährigen Schülern aufgrund der Vorrangigkeit der Ansprüche auch im übrigen Verwandtenunterhalt sowie im Verhältnis nichtehelicher Eltern nach § 1615l Abs. 3 BGB unstrittig. 278 BGH, FamRZ 1987, 36 ff. 279 BGH, FamRZ 1980, 555, 557. 280 BGH, FamRZ 1992, 797 ff.
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Besonderheiten gelten für die Berücksichtigung von Unterhaltsverbindlichkeiten im Rahmen des Ehegattenunterhalts, vgl. Rn. 387 ff. zum Trennungsunterhalt und Rn. 502 ff. zum Nacheheunterhalt. Zur Berechnung des Ehegattenunterhalts bei mehreren gleichrangigen Unterhaltsberechtigten Rn. 397. e) Abzug von Versicherungsbeiträgen und zusätzlichen Vorsorgeaufwendungen 85 Ebenfalls nicht vom Nettoeinkommen abzuziehen sind die Versicherungsbeiträge für Hausrat, Rechtsschutz, private Haftpflicht oder Unfallversicherungen. Diese Aufwendungen gehören zum allgemeinen Lebensbedarf. Abzugsfähig sind jedoch Berufshaftpflichtversicherungen. Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel anzuerkennen, denn es hat sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gesetzliche Rentenversicherung zu einer angemessenen Altersversorgung zukünftig nicht mehr ausreichen wird. Der BGH hat deshalb zusätzliche Aufwendungen für eine angemessene Altersversorgung im Grundsatz anerkannt. Dabei ist bei der jeweiligen Höhe der Aufwendungen zu differenzieren je nach Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt.281 Im Rahmen des Elternunterhalts soll ein Betrag von weiteren 5 % des Bruttoeinkommens des letzten Jahreseinkommens als zusätzliche Altersvorsorge zu akzeptieren sein (vgl. dazu auch Rn. 271), im Rahmen des Ehegattenunterhalts sind es 4 % in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der Riester-Rente (vgl. Rn. 381 und 497).282 In welcher Form die Altersvorsorge erfolgt, ist nicht bindend festgelegt. Beim Erwerb einer Immobilie kann deshalb eine Vermögensbildung durch Zahlung von Tilgungsraten i.H.v. bis zu 4 % des Bruttoeinkommens zu berücksichtigen sein.283 Eine Entscheidung zur Bestimmung der Höhe liegt für den Kindesunterhalt bisher nicht vor. Aufwendungen in Höhe von 4 % werden jedoch auch im Rahmen des Kindesunterhalts hinzunehmen sein.284 Ist der Unterhaltspflichtige allerdings nicht in der Lage, den Mindestbedarf des Kindes abzudecken, sind zusätzliche Vorsorgeaufwendungen in dieser Höhe abzulehnen.285 Nicht möglich ist die Berücksichtigung fiktiver Altersvorsorgeaufwendungen.286 f) Abzug von Umgangskosten 86 Vom bedarfsbestimmenden Einkommen des Pflichtigen können Kosten, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, wie z.B. Lebensmittel, Kinokarten etc. im Allgemeinen nicht abgezogen werden, denn es handelt sich insoweit um Kosten der allgemeinen Lebensführung. Fallen jedoch z.B. hohe Fahrtkosten an, die unumgänglich zur Durchführung des Umgangs entstehen und verbleiben dem Verpflichteten nach Abzug des Unterhalts keine ausreichenden Mittel über seinen Eigenbedarf hinaus zum Bestreiten der Kosten, kommt ein Abzug in Betracht.287 Denn das Unterhaltsrecht darf dem Unterhalts281 282 283 284
BGH, FamRZ 2004, 792, 793. BGH, FamRZ 2005, 1817, 1822. BGH, FamRZ 2007, 779, 881 für den Trennungsunterhalt. BGH, FamRZ 1996, 160, 161; Büttner, FamRZ 2004, 1918, 1920; Borth, FPR 2004, 549, 551; Griesche, FPR 2006, 33, 341 mit einer Übersicht zur Rechtsprechung des BGH zur zusätzlichen Altersvorsorge. 285 BGH, FamRZ 2003, 741, 743. 286 BGH, FamRZ 2007, 793 ff. 287 BGH, FamRZ 2005, 706, 708; zur Berücksichtigung beim Ehegattenunterhalt BGH FamRZ 2009, 1300, 1306; 2007, 193–196 s. Rn. 500.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
pflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben (Art. 6 Abs. 2 GG).288 Ist Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 zu berechnen, ist noch vorrangig zu prüfen, ob der Verpflichtete nach der bis dahin geltenden Rechtslage zunächst auf den Einsatz seines Kindergeldanteils verwiesen werden kann, soweit ihm dieser unter Berücksichtigung der Verrechnungsregelung des § 1612b Abs. 5 BGB a.F. verbleibt, denn es wird unterhaltsrechtlich zwar nicht als Einkommen des Verpflichteten behandelt, steht ihm aber zur Erleichterung seiner Unterhaltspflicht zu.289 Wegen Unterhalts ab 1.1.2008 entfällt diese Möglichkeit, denn das Kindergeld ist seitdem gem. § 1612b BGB als zweckgebundene Leistung für den Bedarf des Kindes zu behandeln, auf das es auch einen Anspruch hat.290 Zur Berücksichtigung von Umgangskosten im Rahmen des Ehegattenunterhalts s. Rn. 500. Anstelle des Abzugs der Kosten ist es genauso möglich, den notwendigen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen zu erhöhen, um zu vermeiden, dass er wegen der Umgangskosten selbst sozialhilfebedürftig wird.291 Bezieht der Verpflichtete ALG II oder ist er aus anderen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, kann ein Anspruch auf Erstattung notwendiger Fahrtkosten zur Durchführung des Umgangs nach § 73 SGB XII in Betracht kommen, was auch für die Kinder gilt, wenn die Kosten bei ihnen entstehen.292 Eine Beteiligung des anderen Elternteils an den Umgangskosten kann ebenfalls in Betracht kommen, wenn der Verpflichtete diese nicht aufbringen kann, der andere über ein auskömmliches Einkommen verfügt und das Umgangsrecht anderenfalls leer laufen würde.293 Umgangskosten, die z.B. für Beköstigung während eines vierwöchigen Ferienaufenthalts des Kindes beim barunterhaltspflichtigen Elternteil entstehen, werden nicht, auch nicht durch Einbehalt der Unterhaltsrente für diesen Zeitraum ausgeglichen.294 4. Ermittlung des Bedarfs nach Unterhaltstabellen Steht das bedarfsbestimmende Einkommen fest, wird der Unterhaltsbedarf der 87 Unterhaltstabelle entnommen. Wie das geschieht, wird im Folgenden anhand der von allen Gerichten in den Bundesländern verwendeten Düsseldorfer Tabelle (DT, Stand 1.1.2010) vorgestellt. Seit der Einführung eines einheitlichen Mindestunterhalts für alle Bundesländer mit Wirkung ab 1.1.2008 gibt es nur noch eine einheitliche, bundesweit geltende Unterhaltstabelle.
288 Der BGH (FamRZ 2005, 706, 708) hatte seine frühere Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit der Kosten (FamRZ 1995, 215) nach der Reform des Kindschaftsrechts (1.7.1998) geändert, auch nachdem sie auf Kritik gestoßen ist, vgl. z.B. die Anm. von Weychardt, FamRZ 1995, S. 539. 289 BGH, NJW 2005, 1493, 1495.; OLG Bamberg, FamRZ 1987, 1265, 1295. 290 BT-Drucks. 16/1830, S. 30. 291 BGH, FamRZ 2005, 706, 708; BGH, FamRZ 1996, 1272, 1273 (keine Entstehung von Sozialhilfebedürftigkeit wegen Unterhaltsleistungen). 292 BSG, FamRZ 2007, 465, 467 f. 293 BVerfG, FamRZ 2002, 809. 294 BGH, DAVorm 1995, 370.
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88 Für die Anwendung der Tabellen müssen immer drei Informationen feststehen: – Einkünfte des Verpflichteten, – Alter des Kindes, – Anzahl und Rang der Unterhaltsberechtigten. Die Unterhaltstabellen enthalten nach dem Alter des Kindes und dem Einkommen seines barunterhaltspflichtigen Elternteils gestaffelte Pauschalsätze. Damit wird der Unterhalt zwar nach dem Alter und Einkommen individuell, aber ansonsten pauschal bestimmt. a) Einkommensgruppen 89 Die Tabelle war vom 1.7.1998 bis 31.12.2007 in 13 und ist seit 1.1.2008 in 10 Einkommensgruppen gegliedert, für die in 3 nebenstehenden Spalten der jeweilige Bedarf für 3 Altersstufen der minderjährigen Kinder abzulesen ist. Die Einkommensgruppe 1 der DT, Stand 1.1.2008, beginnt mit einem Einkommen von bis zu 1 500 Euro. Bei einem Einkommen bis zu diesem Betrag besteht für unterhaltsberechtigte Kinder der drei Altersstufen ein Bedarf in Höhe des gesetzlich geregelten Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO (vgl. Rn. 20). Zwischen den Einkommensgruppen 2–10 bestehen Einkommenssprünge von jeweils 400 Euro. Liegt das anrechenbare Einkommen des Verpflichteten deutlich unter 1 500 Euro, kann ein geringerer Bedarf als der Mindestunterhalt in Betracht kommen; denn geschuldet wird letztlich nur der nach der Leistungsfähigkeit des Schuldners bezahlbare Betrag.295 Liegt das Einkommen über der 10. Einkommensgruppe, kann der Bedarf höher liegen, muss aber vom Berechtigten konkret dargelegt werden.296 b) Altersstufen 90 Die 1. Altersstufe umfasst die Zeit bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres, die 2. Altersstufe die Zeit vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und die 3. Altersstufe die Zeit vom 13. Lebensjahr bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Unterhaltsbetrag einer höheren Altersstufe ist jeweils ab Beginn des Monats maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet (§ 1612a Abs. 3 BGB). Die DT ist seit dem 1.1.1996 noch um eine 4. Altersgruppe, die der volljährigen noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Kinder, erweitert worden. Der Bedarf der Volljährigen ist höher bemessen als für Kinder der 3. Altersstufe, aber geringer als für Volljährige, die nicht im Haushalt eines Elternteils oder beider Eltern leben. Insoweit handelt es sich um eine vom OLG Düsseldorf praktizierte Bedarfsbestimmung für diese spezielle Gruppe von Unterhaltsberechtigten, der die meisten OLG gefolgt sind. Ob und unter welchen Voraussetzungen die 4. Altersstufe für Volljährige angewendet wird, ist in Nr. 13 der Leitlinien der OLG geregelt.
295 BGH, FamRZ 2002, 536 ff. 296 BGH, FamRZ 2000, 358, 359; vgl. dazu Rn. 15.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird Beispiel Bedarfsbestimmung bei 3 Unterhaltsberechtigten (DT, Stand 1.1.2010) V hat ein bereinigtes Einkommen von 2 600 Euro, die getrennt lebende Mutter hat kein Einkommen und betreut die beiden 3 und 7 Jahre alten Kinder. Sie bezieht das Kindergeld i.H.v. insgesamt 368 Euro. Der Bedarf der Kinder beträgt nach der Einkommensgruppe 4 bei einem Einkommen von 2 600 Euro: K 1 Altersstufe 1 (0–5 Jahre) K 2 Altersstufe 2 (6–11 Jahre) Gesamtbedarf:
365 Euro 419 Euro 784 Euro
Der Vater hat den Kindesunterhalt abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB): 365 Euro – 92 Euro = 419 Euro – 92 Euro = zusammen
273 Euro 327 Euro 600 Euro
Zur Vereinfachung der Berechnung der Zahlbeträge durch Abzug des anteiligen Kindergeldes ist der DT ein Anhang: Tabelle Zahlbeträge beigefügt s. Anhang II. Ist außerdem Ehegattenunterhalt zu berechnen, ist seit 1.1.2008 der tatsächlich gezahlte Kindesunterhalt, also der Unterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes, vom Einkommen des Verpflichteten abzuziehen,297 so dass gerechnet wird wie folgt: V 2 000 Euro (2 600 Euro – 600 Euro = 2 000 Euro). Die Mutter hat nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus von z.B. 1/ 7 des Einkommens einen Bedarf von 857 Euro (2 000 × 6/ 7 : 2 = 857 Euro oder auch 2000 × 3/ 7). Zur Berechnung des Trennungsunterhalts vgl. Rn. 387 ff., des Nacheheunterhalts Rn. 502 ff. Die Verteilung des Unterhalts unterliegt einer abschließenden Angemessenheitskontrolle: 2 600 Euro – 273 Euro – 327 Euro – 857 Euro = 1 143 Euro. Von seinen 2 600 Euro verbleiben V 1 143 Euro für den Eigenbedarf. Sein notwendiger Selbstbehalt gegenüber den minderjährigen Kindern (900 Euro) und angemessener Selbstbehalt gegenüber dem Ehegatten (1 000 Euro) ist nicht tangiert. Darüber hinaus ist jedoch noch jeweils abschließend zu prüfen, ob das Verhältnis der errechneten Unterhaltsbeträge zueinander angemessen und ausgewogen ist; denn auch V hat einen Anspruch auf eigenen angemessenen Unterhalt, soweit nicht der notwendige Unterhaltsbedarf (Mindestunterhalt) der Kinder gefährdet ist. Dies kann z.B. durch Anwendung des Bedarfskontrollbetrags der DT geschehen.
c) Bedarfskontrollbeträge Um die Angemessenheit der Verteilung des Einkommens zwischen dem Unter- 91 haltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern besser zu gewährleisten, sind neben den Unterhaltsbeträgen in der rechten Spalte der DT Bedarfskontrollbeträge aufgeführt.298 Sie geben den Betrag an, der dem Unterhaltsverpflichteten nach Abzug des Unterhalts in Relation zu den Tabellenbeträgen als eigener angemessener Unterhalt verbleiben sollte; denn Anspruch auf angemessenen Unterhalt haben nicht nur die Berechtigten, sondern auch der Verpflichtete. Nur bei geringen Einkünften muss sich der Verpflichtete zur Sicherung des Unterhalts der Kinder auf den notwendigen Eigenbedarf verweisen lassen (§ 1603 Abs. 2 BGB). In der Einkommensgruppe 1 entspricht der Bedarfskontrollbetrag dem notwendigen Eigenbedarf. Ab Einkommensgruppe 2 sind die Kontrollbeträge nicht mehr identisch mit dem Eigenbedarf, der dem Verpflichteten zu verbleiben hat, 297 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304 ff. 298 Anm. 6 der DT.
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sondern stellen nur ein Hilfsmittel für die angemessene Verteilung der vorhandenen Mittel zwischen den Beteiligten dar. Ob der Tatrichter den Bedarfskontrollbetrag anwendet, um zu einer Bestimmung des angemessenen Bedarfs aller Beteiligten zu kommen, oder eine abschließende Angemessenheitskontrolle ohne Verwendung des Kontrollbetrags vornimmt, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der BGH hat die Anwendung der Bedarfskontrollbeträge als eine Methode der Angemessenheitskontrolle gebilligt, die für jeden individuellen Einzelfall durchzuführen ist, ohne den Tatrichter auf eine bestimmte Verfahrensweise festzulegen.299 Die Handhabung der Oberlandesgerichte ist deshalb auch nicht einheitlich, so dass jeweils in den Leitlinien des zuständigen Gerichts zu prüfen ist, wie die Angemessenheitskontrolle durchgeführt wird. Entscheidet man sich zur Anwendung des Kontrollbetrags, ist wie folgt zu verfahren: Ergibt sich nach Abzug der Kindes- und anderer Unterhaltsansprüche, dass dem Verpflichteten weniger als der Kontrollbetrag verbleibt, ist der Bedarf so lange den nächstniedrigeren Tabellensätzen zu entnehmen, bis diese Ausgewogenheit zwischen Unterhaltsverpflichtung und Eigenbedarf erreicht ist. Liegt das Einkommen wegen einer geringeren Zahl von Unterhaltsberechtigten nach Abzug des Unterhalts deutlich über dem Kontrollbetrag, ist eine Höherstufung des Tabellenunterhalts vorzunehmen. Ab 1.1.2008 wird für die Kontrollrechnung der Tabellenunterhalt abzüglich das hälftige Kindergeld eingesetzt, da dieses seitdem gem. § 1612b Abs. 1 BGB bedarfsmindernd beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen ist (Rn. 109a).300 Bis zum 31.12.2007 ist der Tabellenunterhalt ohne Abzug des hälftigen Kindergeldes maßgeblich. Beispiel wie oben: Das V verbleibende Einkommen liegt nach Abzug des Unterhalts bei 1 143 Euro also unter dem Bedarfskontrollbetrag der Einkommensgruppe 4, der bei 1 200 Euro liegt. Bei Herabstufung in die Einkommensgruppe 3 ergäben sich für die Kinder Zahlbeträge von 257 Euro + 309 Euro = 566 Euro, so dass der Ehegattenunterhalt 871 Euro betragen würde (2 600 – 566 Euro = 2034 × 3/ 7 = 871 Euro). Nach Abzug des gesamten Unterhalts würde er mit ihm verbleibenden 1 163 Euro über dem Bedarfskontrollbetrag der Einkommensgruppe 3 von 1 100 Euro liegen.
d) Höher- und Herabstufungen bei einer höheren oder niedrigeren Zahl von Unterhaltsberechtigten 92 Die Angemessenheit der zu berechnenden Bedarfsbeträge lässt sich dadurch sichern, dass bei der Eingruppierung in die Tabelle beachtet wird, wie viel Personen der Verpflichtete Unterhalt zu leisten hat. Höher- und Herabstufungen sind vor allem dann erforderlich, wenn mehr oder weniger Unterhaltsberechtigte zu befriedigen sind als dies den Tabellenwerten zugrunde liegt. Für die Anwendung der Tabellen nach dem Stand bis zum 31.12.2009 sind die OLG einheitlich davon ausgegangen, dass die Werte auf eine Unterhaltspflicht 3 Personen gegenüber zugeschnitten sind (Anm. A 1 der DT, Stand 1.1.2009).
299 BGH, FamRZ 2000, 1492, 1493 m.w.N. 300 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304 ff.; Klinkhammer, FamRZ 2008, 193, 198; Riegner, FPR, 2008, 4, 6 und 7.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Deshalb ist für Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2009 wie folgt zu verfahren: Sind weniger als 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden, können die Tabellensätze erhöht werden. Gibt es mehr als 3 Unterhaltsberechtigte, sollten die Tabellenwerte einer niedrigeren Gruppe entnommen werden. Bei der Bestimmung der Anzahl der Unterhaltsberechtigten zählen auch nachrangig Berechtigte mit; denn die im Gesetz geregelte Rangfolge (§ 1609 BGB) greift erst im Mangelfall für die Abfolge der Befriedigung.301 Für Unterhaltszeiträume ab 1.1.2010 ist die Anwendung der DT durch die OLG 93 nicht mehr einheitlich. Wegen der starken Erhöhung der Mindestbeträge und infolgedessen auch der Tabellenbeträge um ca. 13 % gehen ein Reihe von OLG zur Entlastung der Unterhaltspflichtigen jetzt nur noch von einer Verpflichtung gegenüber 2 Unterhaltsberechtigten aus, so dass jetzt schon z.B. bei 3 Unterhaltsberechtigten Abschläge durch Einstufung in eine niedrigere Gruppen angemessen sein können.302 Eine Höherstufung kommt in Betracht, wenn es nur einen Unterhaltsberechtigten gibt. Insoweit ist notwendig die jeweils maßgebliche Praxis des zuständigen OLG unter der Nr. 11.2 der LL zu überprüfen. In dem vorstehenden Beispiel unter Rn. 90 kann deshalb, da V drei Personen unterhaltspflichtig ist, von vornherein der Bedarf der Kinder durch Herabstufung in die Einkommensgruppe 3 bestimmt werden. Das Ergebnis ist auch in dem Fall abschließend auf seine Angemessenheit zu überprüfen, Die Anwendung des Bedarfskontrollbetrags ist insoweit ein mögliches Hilfsmittel. Welche Handhabung das zuständige Gericht pflegt, kann der Nr. 11.2 der Leitlinien entnommen werden. e) Geltendmachung dynamisierten Unterhalts Das Kind kann wählen, ob es von dem Unterhaltsschuldner den ihm zustehenden 94 Tabellenunterhalt als statische Unterhaltsrente mit einem bezifferten Betrag oder in dynamisierter Form als Prozentsatz des Mindestunterhalts (§ 1612a Abs. 1 BGB) geltend macht. Der Vorteil der Titulierung als Prozentsatz des Mindestunterhalts liegt darin, dass der für die drei Altersstufen in § 1612a Abs. 1 Satz 1 BGB definierte Mindestunterhalt303 in der Höhe anknüpft an ein Zwölftel des doppelten steuerrechtlichen Freibetrags des sächlichen Existenzminimums für Kinder nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG und dieser Betrag vom Gesetzgeber alle zwei Jahre anhand eines im Auftrag der Bundesregierung zu erstellenden Existenzminimum-Berichts überprüft und – soweit erforderlich – in § 32 Abs. 6 EStG angepasst wird.304 D.h. ein titulierter Unterhaltsbetrag entwickelt sich in der Höhe dynamisch mit, entsprechend den Anpassungen des steuerrechtliche Freibetrags an das notwendige Existenzminimum. Bis zum 3.12.2007 war die Bezugsgröße für den dynamisierten Unterhalt der Regelbetrag nach der RegelbetragVO, der ebenfalls im Abstand von 2 Jahren auf seine Validität überprüft wurde.
301 Klinkhammer, FF 2007, 113, 14; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778, 779; BTDrucks. 16/1830, v. 15.6.2006, S. 24. 302 Anm. Anm. 1 der DT, Stand 1.1.2010 und. Nr. 11.2 der LL der OLG Brandenburg, Bremen, Frankfurt, Hamburg, Rostock und das KG. S. dazu die Übersichten bei Riegner, FPR 2010, 129 ff.; Borth, FamRZ 2010, 256 f. 303 Vgl. dazu BT-Drucks. 16/1830, S. 27 f. = RegE S. 50, (zu finden unter www.famrb.de); Beispiele zur praktischen Anwendung und Antragstellung Rn. 700 ff. 304 Vgl. 6. Existenzminimum-Bericht, a.a.O., S. 62–64.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Die Titulierung des dynamisierten Unterhalts kann im Rahmen eines Unterhaltsstreitverfahrens (Rn. 795 ff.) oder im vereinfachten Verfahren (Rn. 950 ff.) beantragt werden, sie ist aber auch möglich in allen anderen vollstreckbaren Titeln, wie z.B. den Jugendamtsurkunden, notariell beurkundeten Schuldanerkenntnissen etc. 95 Der Unterhaltsbedarf wird zunächst nach der Tabelle errechnet, wie oben unter Rn. 87 ff. dargestellt. Für den errechneten Tabellenbetrag wird dann der Prozentsatz bestimmt. Zur Bestimmung des Prozentsatzes enthält die DT neben den Unterhaltsbeträgen der 3 Altersgruppen die zusätzliche Rubrik „Prozentsatz“. Der Prozentsatz gibt für jede Einkommensgruppe die Steigerung der Unterhaltsbeträge, bezogen auf den für die 1. Einkommensgruppe maßgeblichen Mindestunterhalt, in Prozenten an. Die Mindestunterhaltsbeträge der aktuellen DT, Stand 1.1.2010, ergeben sich aus § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 32 Abs. 6 EStG und betragen für die drei Altersstufen: – 1. Altersstufe: 317 Euro = 100 % – 2. Altersstufe: 364 Euro = 100 % – 3. Altersstufe: 426 Euro = 100 % In dem Titel kann die Verpflichtung, den Mindestunterhalt bzw. den Prozentsatz des Mindestunterhalts zu zahlen, jeweils gestaffelt nach Altersstufen aufgenommen werden (Rn. 799, 804). Sinnvoll ist jedoch, die je nach Alter des Kindes noch in Betracht kommenden Altersstufen ohne Begrenzung bis zur Volljährigkeit zu titulieren. Denn das Kind kann aus dem Titel nach Eintritt der Volljährigkeit noch vollstrecken, sofern es fortdauernd unterhaltsberechtigt ist, ohne dass allein wegen der Volljährigkeit die Vollstreckung unzulässig wäre (§ 244 FamFG, entspricht § 798a ZPO a.F.). Die Titulierung einer dynamisierten Unterhaltsrente empfiehlt sich immer dann, wenn bei dem Verpflichteten nicht mit wesentlichen Veränderungen seiner Einkommensverhältnisse zu rechnen ist. Wie die Anträge zu formulieren sind, ist unter Rn. 799 ff., 804 anhand eines Musters dargestellt und erläutert. f) Bedarfsberechnung bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht der Eltern 96 Sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, z.B. weil das Kind durch Dritte betreut wird, in einer Wohngemeinschaft oder in eigenem Haushalt lebt, wird der Barbedarf nach der Tabelle unter Zugrundelegung des gemeinsamen bereinigten Einkommens der Eltern berechnet. Herab- oder Heraufstufungen entfallen. Liegt das zusammengerechnete Einkommen höher als nach der Einkommensgruppe 10, der höchsten Einkommensgruppe der DT, kann – sofern kein höherer Bedarf konkret dargelegt wird –, von dem Bedarf der Gruppe 10 ausgegangen werden. Von dem ermittelten Betrag wird das Kindergeld abgezogen, wenn es dem Kind oder der Betreuungsperson direkt zufließt. Bezieht der Elternteil, der den höchsten Unterhaltsbeitrag leistet, das Kindergeld (§ 64 Abs. 3 S. 2 EStG), wird zunächst die Haftungsquote der Eltern vom Tabellenunterhalt berechnet und der von dem anderen Elternteil zu zahlende Unterhalt um die Hälfte des Kindergeldes verringert, (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, § 64 Abs. 2 EStG, s. Rn. 109a), der Anteil des kindergeldbeziehenden Elternteils hingegen um die Häfte des Kindergeldes erhöht. Bei der Einstufung in die Tabelle ist darauf zu achten, dass auf jeden Elternteil kein höherer Betrag entfällt, als er zu zahlen hätte, wenn der Bedarf nur nach seinem eigenen Einkommen zu berechnen wäre. Der Haftungsanteil des jeweiligen Elternteils wird nach folgender Formel berechnet: 70
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Einsatzbetrag des Vaters oder der Mutter % Bedarf des Kindes Summe der Einsatzbetrage ¨ der Eltern Die Einsatzbeträge ergeben sich aus dem bereinigten Einkommen der Eltern abzüglich des angemessenen Selbstbehalts, bei engen Verhältnissen nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs.305 Beispiel M hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, V von 2 000 Euro. Bei einem Gesamteinkommen von 3 500 Euro beträgt der Bedarf nach der Einkommensgruppe 5 in der 3. Altersstufe 512 Euro.306 Nach Abzug von 184 Euro Kindergeld gem. § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, die das Kind bzw. seine Betreuungsperson erhält (s. Rn. 109a), haben die Eltern noch 328 Euro anteilig zu tragen. Eine Höhergruppierung ist hier nicht vorzunehmen. Jeder Elternteil haftet nur maximal in Höhe des Betrags, den er aufgrund seines eigenen Einkommens nach der Tabelle schulden würde. Die Haftungsquoten werden berechnet wie folgt: M: 1 500 Euro – 1 100 Euro (angemessener Selbstbehalt) = V: 2 000 Euro – 1 100 Euro (angemessener Selbstbehalt) = Summe der Einsatzbeträge der Eltern = Haftungsanteil M 400 Euro / 1 300 Euro × 328 Euro = Haftungsanteil V 900 Euro / 1 300 Euro × 328 Euro =
400 900 1 300 101 227 328
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
g) Bedarfsberechnung bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung durch beide Eltern (sog. Wechselmodell) Leben Eltern getrennt und üben sie die elterliche Sorge gemeinsam für ihr Kind 97 aus, ändert dies nichts an der üblichen Aufteilung in Bar- und Betreuungsunterhalt nach § 1606 Abs. 3 BGB, so dass insoweit keine Besonderheiten gelten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Eltern die Betreuung des Kindes in der Weise teilen, dass jeder etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.307 Dann hat das Kind gegen jeden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch für die Zeit, in der es von dem anderen Elternteil betreut wird. Der BGH lässt Ausnahmen von dem gesetzlichen Regelfall des § 1606 Abs. 3 BGB, nach dem Betreuungs- und Barunterhalt gleichwertig sind, nur zu, wenn die Eltern ein Wechselmodell mit im Wesentlichen gleichen Anteilen an der Betreuung praktizieren. Keine wesentlich gleiche Aufteilung der Betreuung liegt danach vor und es bleibt bei der einseitigen Barunterhaltspflicht, wenn sich das Kind z.B. zu 64 % der Gesamtzeit bei der Mutter aufhält.308 Diese Rechtsprechung stößt in der Literatur zunehmend auf Kritik, weil sie ein Hindernis darstelle, den nicht betreuenden Elternteil mehr in die Betreuung einzubinden und der Tatsache rea305 Ob der angemessene oder notwendige Eigenbedarf abzuziehen ist, wird von den OLG noch nicht einheitlich gehandhabt. Für eine Differenzierung in Abhängigkeit von den finanziellen Verhältnissen s. Nr. 12.3, 13.3 der SüdL, Nr. 12.3 der LL des OLG Oldenburg, ebenso Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 295 f. Der BGH hat beim Mehrbedarf für die Berechnung der Haftungsanteile der Eltern auf den Abzug des angemessenen Eigenbedarfs abgestellt (BGH, FamRZ 2009, 962, 965), s. dazu die Vergleichsberechnung Rn. 119. 306 DT, Stand 1.1.2010. 307 BGH, FamRZ 2006, 1015, 1017. 308 BGH, FamRZ 2007, 707 ff.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
ler Ersparnisse, vor allem bei den Verpflegungskosten, nicht Rechnung trage.309 Zur Vermeidung ausufernder Streitigkeiten, die zu Lasten des Kindes auch in Sorgerechtstreitigkeiten hineinwirken würden, sollte im Grundsatz an der klaren Regel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB festgehalten werden. Allerdings wäre bei einer nicht unbeträchtlichen Beteiligung des barunterhaltspflichtigen Elternteils an der Versorgung des Kindes durchaus sinnvoll, einen pauschalierten Ausgleich dadurch zu schaffen, dass der Barbedarf des Kindes – sofern nicht nur der Mindestunterhalt gezahlt wird – z.B. durch Herabstufung um eine oder zwei Einkommensgruppen in der DT gekürzt wird, bzw. von einer an sich gebotenen Höherstufung abgesehen wird.310 98 Ist bei etwa hälftiger Betreuung durch die Eltern die Gewährung des bei der Betreuung geleisteten Naturalunterhalts bei der Bemessung des Kindesunterhalts zu berücksichtigen und von einer Barunterhaltspflicht beider Eltern auszugehen,311 sind der Bedarf und die Haftungsanteile der Eltern zu berechnen. Die Rechtsprechung hat dazu verschiedene Lösungsmodelle entwickelt, von denen hier zwei vorgestellt werden.312 Variante 1: Das OLG Karlsruhe313 bestimmt den Bedarf und die Haftungsanteile der Eltern, wenn beide Elternteile leistungsfähig sind, für jeden Elternteil in Höhe der Hälfte des sich nach seinem Einkommen ergebenden Tabellenunterhalts. Beispiel (ohne Höhergruppierung in der DT) M hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, V von 2 000 Euro. M bezieht aufgrund einer Einigung der Eltern das Kindergeld. Das Kind K, 1. Altersstufe, hat nach der DT Tabelle folgenden Barunterhaltsbedarf, der aufgrund des gewährten Naturalunterhalts jeweils zu halbieren ist. Davon ist abzuziehen jeweils das hälftige Kindergeld, denn dieses steht den Eltern zur Verwendung für die Lebensshaltungskosten des Kindes jeweils zur Hälfte zur Verfügung: Barbedarf gegenüber der Mutter Einkommensgruppe 1 der DT Barbedarf gegenüber dem Vater Einkommensgruppe 3 der DT Differenz
317 E / 2 =
159 E – 92 E
= 67 E
349 E / 2 =
175 E – 92 E
= 83 E 16 E
Somit ergibt sich für die Eltern folgende Ausgleichsberechnung: Vater hat zu zahlen: 83 Euro Mutter hat zu zahlen: 159 Euro (67 Euro + 92 Euro hälftiges Kindergeld) Die Ausgleichzahlung an V beträgt 76 Euro. Ausgleichszahlung: 159 – 83 = 76 Euro, die M an V zu zahlen hat.
Variante 2: Das OLG Düsseldorf (3. Senat) berechnet den Bedarf nach der DT unter Zugrundelegung des gemeinsamen bereinigten Einkommens.314 Eine Höher309 Anm. zu BGH, FamRZ 2007, 707 ff. von Luthin, a.a.O., S. 710; Born, NJW 2007, 1859–1861, Rakete-Dombek, FF 2007, 200–201; Born, FPR 2008, 88 ff. 310 So das OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1354 und der Vorschlag von Born, NJW 2007, 1859–1861; FPR 2008, 88, 90. 311 BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1530; OLG Düsseldorf, JAmt 2001, 299. 312 Weitere Beispiele bei Viefhus, FPR 2006, 287 ff. 313 FamRZ 2006, 1225–1226; Anm. von Soyka, FuR 2006, 321–322; ebenso rechnet das AG Freiburg, FamRZ 2006, 567–568. 314 OLG Düsseldorf, JAmt 2001, 298, 299 = NJW 2001, 3344 f.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
stufung ist dann nicht vorzunehmen. Da in dem Tabellenbetrag nur die bei einem Elternteil anfallenden Wohnkosten enthalten sind, kann ein Mehrbedarf für Wohnkosten im Wege der Schätzung aufgeschlagen werden. Weiterer Mehrbedarf z.B. durch Fahrtkosten ist von den Parteien konkret darzulegen und ggf. zu schätzen. Der ermittelte Betrag wird anteilig auf die Eltern verteilt, entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen zueinander. Die Haftungsanteile der Eltern werden nach folgender Formel berechnet: Einsatzbetrag des Vaters oder der Mutter % Bedarf des Kindes Summe der Einsatzbetrage ¨ der Eltern Die Einsatzbeträge ergeben sich aus den bereinigten Einkünften der Eltern abzüglich des angemessenen Selbstbehalts. Bei engen finanziellen Verhältnissen kann der notwendige Eigenbedarf abgezogen werden. Soweit Eltern Naturalleistungen erbringen, können diese abgezogen werden. Beispiel (ohne Höhergruppierung in der DT) M hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro, V von 2 000 Euro. M bezieht das Kindergeld. Der Bedarf beträgt bei einem Gesamteinkommen von 3 500 Euro nach der Einkommensgruppe 6 der DT, Stand 1.1.2010, 406 Euro in der 1. Altersstufe. Es besteht ein Mehrbedarf von 100 Euro (Wohnung + Fahrkosten), so dass sich ein Gesamtbedarf von 506 Euro ergibt, von dem 184 Euro Kindergeld abzuziehen sind = 322 Euro. Betreut jeder Elternteil das Kind zur Hälfte, sind beide am Barbedarf in Höhe des auf jeden Elternteil entfallenden Haftungsanteils zu beteiligen. Für die Berechnung der Haftungsanteile wird von den Einkommen der Eltern jeweils der ihnen zustehende angemessene Eigenbedarf von 1 100 Euro abgezogen,315 so dass sich für M ein Einsatzbetrag von 400 Euro und für V von 900 Euro ergibt. Die Summe der Einsatzbeträge beträgt 1 300 Euro, daraus errechnen sich folgende Haftungsanteile für den Bedarf, der hier um 50 % wegen geleisteten Naturalunterhalt gekürzt wird. Das Kindergeld, das die Mutter bezieht, steht dem Vater zur Verwendung für den Bedarf des Kindes zur Hälfte zu. Bedarf bei Gesamteinkommen der Eltern von 3 500 E Einkommensgruppe 6 der DT 1. Altersstufe zzgl. Mehrbedarf Gesamtbedarf abzügl. Kindergeld 184 E =
406 100 506 322
Haftungsanteile der Eltern Einsatzbeträge nach Abzug des Eigenbedarfs: Mutter 1 500 – 1 100 = Vater 2 000 – 1 100 = Summe
E E E E
400 E 900 E 1 300 E
Quote Mutter: 400 / 1 300 × 322 = Quote Vater: 900 / 1 300 × 322 = davon ist ein zu schätzender Naturalunterhalt abzuziehen, hier 50 % Haftungsanteil Mutter gerundet Haftungsanteil Vater gerundet V hätte an M zu zahlen
99 E 223 E 50 E 111 E 111 E
M hätte an V zu zahlen 50 + 92 E hälftiges Kindergeld Ausgleichszahlung: 142 – 111 = 31 Euro, die M an V zu zahlen hat.
142 E
315 Bei engen finanziellen Verhältnissen ist der notwendige Eigenbedarf abzuziehen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB), s. auch Rn. 23, 96 und die Vergleichsberechnung Rn. 119; ebenso Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 295 f.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Die Variante 1 bietet den Vorteil einer stärkeren Vereinfachung, denn da der Gesamtbarbedarf nach der Tabelle höher liegt und in beiden Beträgen ein Wohnanteil enthalten ist, wird ein Aufschlag wegen erhöhter Wohnkosten i.d.R. überflüssig sein. Der weniger verdienende Elternteil hat allerdings einen höheren Anteil zu tragen. So kann gerechnet werden, wenn kein Mehrbedarf in Betracht kommt. 99 Haben die Eltern annähernd gleich hohe Einkommen, wird meist ein Ausgleichsanspruch entfallen, abgesehen vom Kindergeldausgleich. Entsteht Mehrbedarf des Kindes, eignet sich am besten die Berechnungsvariante 2, die der BGH im Urteil vom 21.12.2005316 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gebilligt hat, bei der die Haftungsanteile der Eltern dann für den gesamten Bedarf anhand des Verhältnisses ihrer Einkünfte berechnet werden.
" Praxishinweis: Können Eltern, die die elterliche Sorge gemeinsam ausüben
und das Kind hälftig betreuen, sich nicht über den Unterhalt einigen, muss die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt werden; denn ist der Lebensmittelpunkt nicht eindeutig einem Elternteil zuzuordnen, gilt das Alleinvertretungsrecht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB (Obhutsprinzip) nicht.317 Der Ergänzungspfleger vertritt das Kind dann auch im Unterhaltsstreitverfahren (vgl. Rn. 647, 634 ff.). Wegen des Anwaltszwangs in Unterhaltsstreitverfahren kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden bei Bedürftigkeit des Kindes. Zur Bezugsberechtigung des Kindergeldes beim Wechselmodell vgl. Rn. 105.
Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil zwar nicht hälftig, aber doch über den Rahmen eines üblichen Umgangs hinaus an der Betreuung beteiligt, kann ein zu schätzender Abschlag vom Barbedarf unter Würdigung der Gesamtumstände in Betracht kommen, wenn der mitbetreuende Elternteil Kosten im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil für den normal anfallenden Bedarf, wie z.B. für Kleidung übernimmt. 5. Anwendung der Vortabellen zur Düsseldorfer Tabelle in den neuen Bundesländern und dem Beitrittsteil von Berlin wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 100 Auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007 finden noch die für die neuen Bundesländer und den Beitrittsteil von Berlin entwickelten Vortabellen i.V.m. der DT Anwendung, wenn das Kind dort lebte. Die Notwendigkeit zur Entwicklung eigener Vortabellen hatte sich nach der Vereinigung ergeben, da die Regelbeträge nach der Regelbetrag-VO, die Grundlage der DT sind, in den neuen Bundesländern niedriger lagen als in den alten Bundesländern. Mit der Einführung eines einheitlichen Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO für die gesamte Bundesrepublik, wird nunmehr seit 1.1.2008 bundesweit nur noch die DT angewendet, denn sie basiert seitdem nicht mehr auf den Regelbeträgen nach der Regelbetrag-VO, sondern den gesetzlich definierten Mindestunterhaltsbeträgen. Wie die Vortabellen für die Berechnung von Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 anzuwenden sind, wird nachfolgend anhand der Berliner Tabelle 316 BGH, FamRZ 2006, 1015, 1017 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 74 ff. = FamRZ 1999,1530 LSe); OLG Düsseldorf, NJW 2001, 3344, 3345. 317 Hennemann, FPR 2006, 295 ff. zu § 1629 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
(BT) erläutert, deren Werte identisch sind mit allen anderen Vortabellen in den neuen Bundesländern. Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe der BT, Stand 1.7.2007, beruhen auf den für die neuen Bundesländer maßgeblichen Regelbeträgen des § 2 der Regelbetrag-VO. Die Tabelle enthält zwei Rubriken: „Vomhundertsatz Ost“ und „Vomhundertsatz West“. Ist für das Kind aufgrund seines Wohnsitzes im Beitrittsgebiet der Regelbetrag Ost maßgeblich, ist immer der Vomhundertsatz vom Regelbetrag Ost ausschlaggebend, auch wenn der Bedarf nach den Einkommensgruppen 1–13, die der DT entsprechen, zu bestimmen ist. Ist für das Kind der Regelbetrag West maßgeblich, knüpft der Vomhundertsatz an diesen an. Bei der Titulierung ist jeweils zu kennzeichnen, ob der Vomhundertsatz sich auf § 2 oder § 1 der Regelbetrag-VO bezieht. Beispiele (Berechnung des Unterhalts nach der BT318 auch in dynamisierter Form) – V verdient 1 050 Euro. Das Kind K ist 7 Jahre alt. Es lebt in Berlin-Mitte (Beitrittsteil der Stadt). Maßgebend für die Bedarfsbestimmung sind die Einkommensgruppe b) und die Altersstufe 2: K hat einen Anspruch auf einen Zahlbetrag von 236 Euro. Der dynamisierte Anspruch lautet: 104,4 % des Regelbetrags Ost (236 Euro: 226 Euro × 100). – V verdient 1 750 Euro. Das Kind K ist 14 Jahre alt. Es lebt in Berlin-Mitte. Maßgebend für die Bedarfsbestimmung sind die Einkommensgruppe 4 und die Altersstufe 3: K hat einen Anspruch auf einen Zahlbetrag von 349 Euro. Der Regelbetrag Ost der Altersstufe 3 beträgt 267 Euro. Der dynamisierte Anspruch lautet: 130,7 % des Regelbetrags Ost (349 Euro: 267 Euro × 100).
Die BT und die jeweils maßgeblichen Tabellen aus dem Beitrittsgebiet sind an- 101 wendbar, wenn sowohl das berechtigte Kind als auch der verpflichtete Elternteil in den neuen Bundesländern wohnen. In sog. Ost-West-Fällen, in denen nur entweder das Kind oder der Verpflichtete im Beitrittsgebiet wohnt, ist wegen des Bedarfs des Kindes die Tabelle anzuwenden, die für seinen Wohnsitz gilt, und wegen des Selbstbehalts des Verpflichteten auf die Selbstbehaltssätze der Leitlinien des für den Wohnsitz des Verpflichteten zuständigen OLG abzustellen. Beispiele – V lebt in Leipzig, das Kind in Köln: Für den Bedarf gilt die DT. Der Selbstbehalt des V richtet sich nach den Richtlinien der Sächsischen Unterhaltstabelle. – V lebt in Köln, das Kind in Leipzig: Anwendung der Sächsischen Unterhaltstabelle für den Bedarf; Anwendung der Selbstbehaltssätze der DT für V. – V und Kind leben in Leipzig: Anwendung der Sächsischen Unterhaltstabelle.
6. Unanwendbarkeit des Tabellenunterhalts Lebt das Kind in einem Heim oder bei Pflegeeltern, bestimmt sich sein Bedarf 102 nach den konkret entstehenden Kosten der Heimunterbringung oder Vollzeitpflege. Die insoweit erbrachten Leistungen der öffentlichen Träger erfolgen nicht mehr subsidiär, sondern seit der Reformierung des SGB VIII seit 1.10.2005 bedarfsdeckend.319 D.h. der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Eltern geht nicht auf den Träger über. Dies führt allerdings nicht zu einer Entbindung der Eltern von ihrer Unterhaltspflicht, denn sie werden von den öffentlichen Trägern 318 BT, Stand 1.7.2007. Das Problem der Höherstufung wurde bei den Beispielen vernachlässigt. 319 BGH, FamRZ 2007, 377 ff. m. Anm. v. Döring-Striening, S. 380 f.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
zu den Kosten herangezogen, wobei sich die Beteiligung der Eltern an den Kosten ausschließlich nach öffentlichem Recht richtet (§§ 92 Abs. 2, 94 Abs. 5 SGBVIII i.V.m. der Kostenbeitragsverordnung v. 1.10.2005 i.V.m. der Anlage 1, der dazu gehörenden Kostentabelle).320 Lebt nur noch ein Elternteil und ist das Kind bei den Großeltern untergebracht, kann der Bedarf hingegen nach der Tabelle anhand des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils bestimmt und der ermittelte Betrag wegen des außerdem geschuldeten Betreuungsunterhalts verdoppelt werden.321 7. Anrechnung des Kindergeldes 103 Das Kindergeld wird seit dem 1.1.1996 unabhängig von der Höhe des Einkommens der Eltern für alle Kinder gezahlt (§§ 66 Abs. 1, §§ 62, 63 EStG und § 6 BKGG) und seitdem in folgender Höhe gewährt: Zeitraum
für das 1. Kind
für das 2. Kind
für das 3. Kind
für jedes weitere Kind
1.1.1996–31.12.1996
200 DM
200 DM
300 DM
350 DM
1.1.1997–31.12.1998
220 DM
220 DM
300 DM
350 DM
1.1.1999–31.12.1999
250 DM
250 DM
300 DM
350 DM
1.1.2000–31.12.2001
270 DM
270 DM
300 DM
350 DM
1.1.2002–31.12.2008
154 Euro
154 Euro
154 Euro
179 Euro
1.1.2009–31.12.2009
164 Euro
164 Euro
170 Euro
195 Euro
Ab 1.1.2010322
184 Euro
184 Euro
190 Euro
215 Euro
Für das Kalenderjahr 2009 konnte zusätzlich eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro je Kind beansprucht werden, soweit in 2009 mindestens einen Monat für jedes Kind ein Anspruch auf Kindergeld bestand (§ 66 Abs. 1 Satz 2 EstG). Da das Kindergeld immer nur an einen Berechtigten ausgezahlt wird, erfolgte der Ausgleich zwischen getrennt lebenden Eltern im Rahmen des Unterhaltsrechts bis zum 30.6.1998 nach Grundsätzen, die die Rechtsprechung in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung entwickelt hatte. Vom 1.7.1998–31.12.2007 war der privatrechtliche Ausgleich zwischen den Eltern in § 1612b BGB a.F. gesetzlich geregelt. Mit Wirkung ab 1.1.2008 ist der Kindergeldausgleich in § 1612b BGB zwischen den Eltern neu geregelt worden, indem das Kindergeld nunmehr auf den Bedarf des Kindes bedarfsmindernd angerechnet wird, vgl. dazu die Darstellung unter Rn. 109a. Für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche bleibt der in § 1612b BGB a.F. geregelte Kindergeldausgleich maßgeblich, s. Rn. 110. Zum besseren Verständnis der Ausgleichsregelung sind nachfolgend die Funktion des Kindergeldes im Rahmen des steuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs und die Regelung der Bezugsberechtigung im EStG dargestellt. 320 Die Verordnung mit Tabelle kann im Internet unter www.gesetze-im-internet.de eingesehen werden. 321 BGH, FamRZ 2006, 1597 ff. m. Anm. von Born, S. 1600. 322 § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 6 BKGG (BGBl. I 2009, S. 3951, 3954).
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
a) Kindergeld im Steuerrecht Da das Kindergeld der finanziellen Entlastung beider Eltern dienen soll, wird es 104 unterhaltsrechtlich nicht mehr dem bedarfsbestimmenden Einkommen der Eltern zugeschlagen.323 Die Kindergeldbeträge dienen seit 1.1.1996 aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995324 dem Familienleistungsausgleich, d.h., sie sollen durch eine vorweggenommene Steuererstattung in Kombination mit der steuerlichen Freistellung in Höhe des Existenzminimums eines Kindes Familien mit Kindern fördern und steuerlich entlasten (§ 31 EStG). Aufgrund der Beanstandungen des BVerfG325 wurden die Freibeträge der Eltern in der Folgezeit erweitert: Seit dem 1.1.2000326 dient die steuerliche Entlastung durch Einräumung eines Kinderfreibetrags nicht mehr nur der Sicherung des Existenzminimums des Kindes, sondern auch der Kompensation des Betreuungsbedarfs für Kinder und seit 1.1.2002 dem Ausgleich von Aufwendungen für Erziehungsund Ausbildungsbedarf.327 Die steuerliche Entlastung wird während des laufenden Jahres mit der monatlichen Zahlung des Kindergeldes bewirkt (§ 31 EStG). Das Finanzamt prüft bei der jährlichen Veranlagung von Amts wegen, ob das Kindergeld den Steuervorteil übersteigt oder nicht. Übersteigt das Kindergeld den Steuervorteil, verbleibt dem Steuerpflichtigen der Mehrbetrag. Anderenfalls werden die Freibeträge gewährt und wird das Kindergeld nach § 31 EStG verrechnet.328 Bei getrennt lebenden Eltern wird jedem Elternteil der in § 32 Abs. 6 EStG geregelte Freibetrag unter Verrechnung des hälftigen Kindergeldes zugerechnet. Fallen die Freibetragsberechtigung und die Kindergeldberechtigung auseinander, wird dies durch das Verrechnungsgebot nach § 31 EStG ausgeglichen. Die Eintragung des Freibetrags für Kinder auf der Lohnsteuerkarte ist somit nur noch für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag von Bedeutung. b) Auszahlung an den Kindergeldberechtigten Das Kindergeld wird monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die 105 Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (§ 66 Abs. 2 EStG). Es wird grundsätzlich nur an einen der Berechtigten ausgezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). An wen das Kindergeld ausgezahlt wird, bestimmen verheiratete, aber auch unverheiratete in häuslicher Gemeinschaft wohnende Eltern selbst (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Bei getrennt lebenden verheirateten oder nicht verheirateten Eltern wird das Kindergeld nach dem sog. Obhutsprinzip an den ausgezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Lebt das Kind je zur Hälfte bei beiden Eltern (Wechselmodell), müssen die Eltern der Familienkasse einen Bezugsberechtigten benennen. Gelingt dies nicht, entscheidet das FamG (§ 64 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG). Wechselt das Kind von der Obhut 323 324 325 326 327
So jetzt die geänderte Rechtsprechung des BGH, FamRZ 1997, 806. BGBl. I 1995, S. 1250. BVerfG, FamRZ 1999, 285, 291, 295. § 32 Abs. 6 EStG geändert durch das 1. Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999. § 32 Abs. 6 EStG geändert durch das 2. Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: Seit 2002 beträgt der Kinderfreibetrag pro Elternteil für das Existenzminimum 1 824 Euro und für den Erziehungs- und Ausbildungsbedarf 1 080 Euro. 328 Vgl. die Berechnungsbeispiele bei Kaiser-Plessow, FPR 2003, 36, 37.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
eines Elternteils in die des anderen, muss die Familienkasse informiert werden; denn dann ändert sich auch die Bezugsberechtigung. Die Familienkasse kann – auch rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Wechsels – bereits gezahltes Kindergeld von dem zuvor Berechtigten zurückverlangen.329 Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils, erhält derjenige Elternteil das Kindergeld, der den höheren Barunterhalt zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). Eigene Einkünfte des minderjährigen Kindes aus Erwerbstätigkeit oder einem Ausbildungsverhältnis bleiben bei der Gewährung von Kindergeld unberücksichtigt. 106 Auch bei Kindern über 18 Jahre erhält der bezugsberechtigte Elternteil das Kindergeld. Dies gilt bis zum 21. Lebensjahr für arbeitslose und bis zum 27. Lebensjahrs für Kinder in der Ausbildung, die keinen Ausbildungsplatz finden oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren oder behindert sind (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG). Die vergebliche Suche nach einem Ausbildungsplatz muss glaubhaft gemacht werden.330 Behinderte Kinder, deren Behinderung noch vor Vollendung des 27. Lebensjahrs eingetreten ist, werden ohne Altersbegrenzung berücksichtigt (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Kindergeld wird nicht mehr gezahlt, wenn die Einkünfte der Kinder z.B. aus Erwerbstätigkeit, Lohnersatzleistungen, Vermögen, Unterhaltsgeld bzw. Ausbildungsvergütung, Ausbildungsunterstützung nach dem BAföG (soweit es nicht als Darlehen gewährt wird) oder aus der Sozialhilfe (soweit von einer Rückforderung von Unterhaltspflichtigen abgesehen wird) jährlich 8 004 Euro übersteigen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Das Kind hat an der Aufklärung des für die Fortzahlung des Kindergeldes maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken, z.B. durch Vorlage von Semesterbescheinigungen, Ausbildungsvergütungen etc. (§ 68 Abs. 1 EstG). Der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht gleichzusetzen mit dem des zu versteuernden Einkommens i.S.v. § 2 Abs. 5 EStG, sondern entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG, nach der Einkünfte der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sind. Das bedeutete nach geltendem Recht bisher, dass z.B. Vorsorgeaufwendungen für Kranken- und Rentenversicherung nicht abziehbar sind.331 In seiner Grundsatzentscheidung vom 11.1.2005 hat das BVerfG332 entschieden, dass die Einbeziehung der Sozialversicherungsbeträge in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig sei, was zu einer Erweiterung des Kreises der Kindergeldberechtigten geführt hat.333 Ein Verzicht des Kindes auf einen Teil ihm zustehender Einkünfte ist für die Höhe unbeachtlich. Keine anrechenbaren Einkünfte sind Unterhaltsleistungen der Eltern an das Kind und Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, z.B. Büchergeld oder Auslandsstudiengebühren. 107 Das Kind kann die Auszahlung des Kindergeldes an sich beantragen, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt (§ 74 Abs. 1 EStG).
329 Hußmann, FPR 2003, 65 ff. 330 Bergkaemper, FPR 2003, 44 ff. mit einer umfassenden Übersicht zu den steuerrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen und zur Bezugsberechtigung. 331 BFH, NJW 2000, 3516; 2001, 95 = FPR 2002, 112 ff. Kritisch dazu Kaiser-Plessow, FPR 2002, 428 ff. 332 BVerfG, NJW 2005, 1923. 333 Kaiser-Plessow, FPR 2005, 267 mit weiteren detaillierten Ausführungen zu den steuerrechtlichen Konsequenzen der Entscheidung des BVerfG.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Das Kindergeld wird auf Antrag durch Bescheid der Familienkasse festgesetzt 108 und ausgezahlt. Die Familienkasse wird im Auftrag der Bundesfinanzverwaltung tätig. Familienkassen wurden im Rahmen der Auftragsverwaltung bei ganz unterschiedlichen Trägern eingerichtet. So übernimmt z.B. im öffentlichen Dienst der Dienstherr die Auszahlung des Kindergeldes, die Bundesagentur für Arbeit hat Familienkassen bei den Arbeitsämtern eingerichtet etc. (§ 72 EStG). Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen (Abzweigung), die 109 dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt (§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG), also z.B. an den Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger, wenn das Kind im Heim lebt.334 c) Der Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nach § 1612b BGB seit 1.1.2008 Lebt das Kind bei dem betreuenden Elternteil, erhält dieser in der Regel auch das 109a Kindergeld von der Familienkasse nach dem Obhutsprinzip (§ 64 Abs. 2 EStG). Gegen den nichtbetreuenden Elternteil hat das Kind einen Barunterhaltsanspruch. Von diesem Barbedarf wird bedarfsmindernd die Hälfte des Kindergeldes abgezogen, denn der betreuende Elternteil hat diesen Teil des Kindergeldes für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dem betreuenden Elternteil verbleibt die andere Hälfte des Kindergeldes zur Unterstützung der von ihm erbrachten Betreuungsleistung für das Kind, denn diese ist der Barunterhaltsleistung des anderen Elternteils gleichwertig (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Beispiel Das Kind hat gegen den nichtbetreuenden Elternteil einen Barbedarf von 317 Euro (1. Altersstufe). Nach Abzug des hälftigen Kindergeldes beträgt der Bedarf (317 Euro – 92 Euro =) 225 Euro. In dieser Höhe hat das Kind einen Mindestunterhaltsanspruch, denn nur insoweit ist es bedürftig.
Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil nur eingeschränkt leistungsfähig und kann er nur einen geringeren Betrag als den Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes zahlen, verbleibt das Kindergeld ohne weitere Anrechnung auf den zu zahlenden Betrag beim Kind. Die Eltern profitieren vom Kindergeld somit nur noch in der Weise, dass sich der Bedarf des Kindes verringert. Beispiel V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 050 Euro. Bei einem Selbstbehalt von 900 Euro kann er für sein Kind, das nach der Altersstufe 2 einen Mindestunterhaltsbedarf von 272 Euro hat (364 Euro – 92 Euro anteiliges Kindergeld), nur 150 Euro Unterhalt zahlen. Bei diesem Betrag bleibt es, denn ein anteiliger Kindergeldabzug von diesem Betrag kommt nicht mehr in Betracht, weil der geschuldete Unterhalt hinter dem gesetzlich geregelten Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergeldes, das sind 272 Euro, zurückbleibt.
Wird das Kind nicht von den Eltern betreut und sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, wird der Barunterhaltsbedarf durch das volle Kindergeld gemindert (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB). Erst nach Abzug des Kindergeldes wird ermittelt, in welcher Höhe die Eltern für den Restbetrag entsprechend dem Verhältnis ihrer 334 Zu den rechtlichen Möglichkeiten des Jugendhilfeträgers auf Rückgriff auf das Kindergeld vgl. Wiesner, FPR 2003, 69 ff.
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Einkommen aufzukommen haben. Bezieht ein Elternteil das Kindergeld, hat er es dem Kind bzw. dessen Betreuungsperson zur Verfügung zu stellen. Beispiel Das Kind K lebt in einer Wohngemeinschaft. Das Kindergeld erhält der Vater, der das höhere Einkommen hat (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). Das Kind hat nach dem Gesamteinkommen der Eltern einen Bedarf von 500 Euro. Nach Abzug des Kindergeldes von 184 Euro haften beide Eltern für den ungedeckten Bedarf von 316 Euro anteilig, entsprechend der Höhe ihrer Einkünfte: der Vater i.H.v. 200 Euro, die Mutter i.H.v. 116 Euro. Der Vater hat zusätzlich zu den 200 Euro noch das Kindergeld an K zu zahlen, also insgesamt 384 Euro.
Soweit Eltern einen Zuschuss zum Kindergeld ab dem dritten gemeinsamen Kind als sog. Zählkindvorteil erhalten, ist dieser ebenfalls hälftig auszugleichen. Keine Ausgleichspflicht des Zählkindvorteils besteht, wenn das Kindergeld wegen eines nicht gemeinsamen Kindes anfällt (§ 1612b Abs. 2 BGB). Der Vorabzug des gesamten Kindergeldes vom Bedarf des Kindes vor der Ermittlung der Haftungsquote der Eltern führt, anders als wenn zunächst die Haftungsquote und von dieser das hälftige Kindergeld für jeden Elternteil abgezogen würde, dazu, dass der mehr verdienende Elternteil auch stärker vom Kindergeld profitiert (s. Rn. 219). Dies stellt aber kein Gerechtigkeitsproblem dar, wenn beide Eltern das Kind nicht betreuen und die Gleichbehandlung von Betreuungs- und Barunterhalt nicht in Frage gestellt wird. d) Der Kindergeldausgleich nach § 1612b BGB a.F. bis 31.12.2007 Bei Ansprüchen auf Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007, erfolgt der Kindergeldausgleich gem. § 1612b BGB a.F. nach folgenden Regeln: 110 Betreut ein Elternteil das Kind und bezieht er das Kindergeld, wird das Kindergeld über den Barunterhaltsanspruch des Kindes ausgeglichen (§ 1612b Abs. 1 BGB a.F.), d.h., der vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu zahlende Unterhalt verringert sich um die Hälfte des Kindergeldes. 111 Das Kindergeld wird immer hälftig zwischen den Eltern aufgeteilt. Auch bei mehreren gemeinsamen Kindern wird immer nur das auf das jeweilige Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte auf den Barunterhalt angerechnet (§ 1612b Abs. 1 BGB a.F.). In den nachfolgenden Beispielen ist mit den in 2007 geltenden Kindergeldbeträgen gerechnet worden (zur Höhe s. Rn. 103). Beispiel M betreut die 4 gemeinsamen Kinder und bezieht das Kindergeld i.H.v. insgesamt 641 Euro (154 Euro + 154 Euro + 154 Euro + 179 Euro). Der von V zu zahlende Kindesunterhalt verringert sich wegen des Abzugs des hälftigen Kindergeldes für die ersten 3 Kinder um je 77 Euro und für das 4. Kind um 89,50 Euro (§ 1612b Abs. 1 BGB).
112 Bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht mit unterschiedlicher Haftungsquote der Eltern wird das Kindergeld ebenfalls hälftig verrechnet, was die jeweils noch ausstehende steuerrechtliche Verrechnung des Kindergeldes vereinfacht. Deshalb erhöht sich der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den das Kindergeld beziehenden Elternteil um die Hälfte des auf das Kind entfallenden Kindergeldes; gegenüber dem anderen Elternteil verringert er sich um die Hälfte (§ 1612b Abs. 2 BGB a.F.). 80
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird Beispiel Das Kind hat einen Barunterhaltsanspruch gegenüber V auf Zahlung von 254 Euro und gegenüber M auf Zahlung von 150 Euro. V bezieht das Kindergeld i.H.v. 154 Euro. Dem Kind stehen unter Berücksichtigung des Kindergeldausgleichs folgende Barunterhaltsansprüche zu (§ 1612b Abs. 2 BGB): gegenüber V 331 Euro (254 Euro + 77 Euro), gegenüber M 73 Euro (150 Euro – 77 Euro).
Hat nur der barunterhaltspflichtige Elternteil Anspruch auf das Kindergeld, wird es aber nicht an ihn ausgezahlt, ist es in voller Höhe anzurechnen (§ 1612b Abs. 3 BGB a.F.). Besonderheiten gelten für den Kindergeldausgleich bei volljährigen Kindern, vgl. Rn. 219a ff. Die Höhe des auszugleichenden Kindergeldes richtet sich nicht nach dem Betrag, 113 den der Kindergeldempfänger pro Kind tatsächlich erhält, sondern nur nach dem Betrag, der ihm für die Anzahl der gemeinschaftlichen Kinder zustünde. Der sog. Zählkindvorteil, der eintritt, wenn weitere nicht gemeinsame Kinder vorhanden sind, ist nicht ausgleichspflichtig (§ 1612b Abs. 4 BGB a.F.). Beispiel Versorgt M neben 3 gemeinsamen Kindern ein weiteres älteres, nicht gemeinsames Kind, bezieht sie Kindergeld i.H.v. 154 Euro + 154 Euro + 154 Euro + 179 Euro = 641 Euro. V darf den Unterhalt für die gemeinsamen Kinder je Kind nur um 77 Euro kürzen, obwohl das 4. und jüngste Kind, für das M 179 Euro bezieht, ein gemeinsames Kind ist. Das hälftige Kindergeld zuzüglich des Zählkindvorteils für das 4. Kind verbleibt der Mutter (77 Euro + 77 Euro + 77 Euro + 102 Euro).
Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige 114 außerstande ist, Unterhalt i.H.v. 135 % des Regelbetrags zu zahlen (§ 1612b Abs. 5 BGB a.F.).335 Der Pflichtige muss immer dann, wenn der nach seinen Einkommensverhältnissen berechnete Tabellenunterhalt unter 135 % des Regelbetrags liegt, das auf ihn entfallende Kindergeld zur Bedarfsdeckung des Kindes in Höhe des fehlenden Betrages zur Verfügung stellen. Deshalb wird der Unterhalt um das anteilige Kindergeld gar nicht mehr gekürzt, wenn der Tabellenunterhalt weniger als 135 % des Regelbetrags abzüglich des hälftigen Kindergeldes beträgt. Dann verbleibt das Kindergeld ungeschmälert bei dem betreuenden Elternteil und ist für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Ein teilweiser Kindergeldausgleich ist immer dann noch möglich, wenn der nach der Tabelle errechnete Unterhalt zwischen 135 % des Regelbetrags und 135 % des Regelbetrags abzüglich des hälftigen Kindergeldes liegt. Der geschuldete Kindesunterhalt wird zum Zwecke des Kindergeldausgleichs dann nur noch in Höhe des verbleibenden Kindergeldanteils gekürzt, der nicht zur Aufstockung des Unterhalts auf 135 % des Regelbetrags benötigt wird. Ab der Einkommensgruppe 6 (135 % des Regelbetrags) findet immer eine hälftige Anrechnung des Kindergeldes statt.
335 Die Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB trat am 1.1.2001 in Kraft. Der Gesetzgeber hat später die Kritik des BVerfG (FamRZ 2003, 1370) an der Kompliziertheit der Regelung zum Anlass genommen, den Kindergeldausgleich, durch Vorwegabzug des Kindergeldes vom Bedarf, mit Wirkung ab 1.1.2008 zu vereinfachen.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
115 Der gemäß § 1612b Abs. 5 BGB a.F. anrechnungsfreie, d.h. nicht ausgleichbare und dem Kind verbleibende Kindergeldanteil wird wie folgt berechnet: hälftiges Kindergeld + geschuldeter Tabellenunterhalt – 135 % des Regelbetrags = ausgleichbarer Kindergeldanteil336 (Bei einem Negativsaldo findet keine Anrechnung mehr statt.) Beispiel Geschuldeter Tabellenunterhalt nach der Einkommensgruppe 4, 3. Altersstufe Hälfte des Kindergeldes (154 Euro / 2)
353 Euro 77 Euro
Berechnung des Kindergeldabzugs: 1/ 2 des Kindergeldes zuzüglich geschuldeter Tabellenunterhalt abzüglich 135 % des Regelbetrags der 3. Altersstufe Der anrechenbare Kindergeldanteil beträgt:
77 353 393 37
Euro Euro Euro Euro
Der zu zahlende Unterhalt (geschuldeter Tabellenunterhalt 353 Euro abzüglich anrechenbares Kindergeld i.H.v. 37 Euro) beträgt: 316 Euro
e) Der Kindergeldausgleich beim Wechselmodell 116 Betreuen Eltern das Kind je zur Hälfte nach dem sog. Wechselmodell, dann entspricht diese Betreuungskonstellation des Wechselmodells nicht dem Modellfall des Kindergeldausgleichs nach § 1612b BGB (s. dazu Rn. 109a), gleichwohl hat das Kindergeld zu gleichen Anteilen jedem Elternteil für den Bedarf und die Betreuung des Kindes zur Verfügung zu stehen. Deshalb hat der Elternteil, der das Kindergeld bezieht, die Hälfte an den anderen Elternteil auszukehren. Zur Regelung der Barunterhaltspflicht beider Eltern beim Wechselmodell mit Kindergeldausgleich vgl. Rn. 97 ff. mit Beispiel. f) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse 117 Sofern Unterhaltsverpflichtete Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, dem Kindergeld vergleichbare Leistungen im Ausland oder von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung erhalten, die den Bezug von Kindergeld ausschließen (§ 65 EStG), sind diese bis zur Höhe des durch sie verdrängten Kindergeldes wie dieses zu behandeln (§ 1612c BGB).337 Darüber hinausgehende oder andere Zulagen und Zuschüsse werden dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet.338 Beispiel V bezieht eine Verletztenrente, in der eine Kinderzulage enthalten ist. Liegt die Rente bei 800 Euro, muss V bei einem ihm zustehenden Eigenbedarf von 770 Euro 30 Euro an sein Kind zahlen. Beträgt die Rente inkl. Kinderzulage allerdings nur 730 Euro, muss er – trotz der Verfehlung des rechtspolitischen Zwecks des Kinderzuschusses – die Kinderzulage nicht auszahlen, damit ihm selbst das Existenzminimum verbleibt.339 336 So die Kurzformel in Nr. 10 der Anmerkungen zur DT, Stand 1.7.2007. 337 BGH, FamRZ 1988, 604 ff. 338 Vgl. die Übersicht bei Wendl/Dose, § 1 Rn. 463 ff. zur Differenzierung zwischen kinderbezogenen Leistungen und Einkommen z.B. im Pflegegeld. 339 BGH, FamRZ 1988, 606.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Das Kind kann, wenn es keinen Unterhalt vom Verpflichteten erhält, beim Rentenversicherungsträger die Auszahlung des Kinderzuschusses in Höhe des Kindergeldes an sich beantragen; denn der Kinderzuschuss kann auf Antrag an das Kind ausgezahlt werden, wenn es nicht vom Rentenberechtigten unterhalten wird. 8. Mehrbedarf und Sonderbedarf Die Tabellensätze umfassen den Elementarbedarf der Minderjährigen. Daneben 118 kann noch ein Mehrbedarf oder/und Sonderbedarf entstehen, der gesondert geltend gemacht werden muss. Mehrbedarf sind andauernde Mehrausgaben für das Kind, die im Tabellenunter- 119 halt nicht enthalten sind, die aber gemäß § 1610 Abs. 1 BGB zum Lebensbedarf gehören, z.B. Krankenversicherungsbeiträge (minderjährige Kinder sind allerdings i.d.R. bei den Eltern mitversichert) oder besondere Ausgaben wegen eines Internatsaufenthalts, des Besuchs einer Privatschule, eines Auslandsaufenthalts eines Gymnasiasten,340 überdurchschnittliche Kosten für Sport- oder Musikunterricht bei besonderer Begabung341 etc. Trifft der sorgeberechtigte Elternteil allein die Entscheidung, dass das Kind eine Kosten verursachende Privatschule besucht, muss der Unterhaltspflichtige dies unterhaltsrechtlich hinnehmen,342 es sei denn, es fehlt jede sachliche Begründung für diese Maßnahme oder die Kosten sind wirtschaftlich unzumutbar. Der Mehrbedarf muss als Zuschlag zur monatlichen Unterhaltsrente geltend gemacht werden.343 Kosten für den Besuch eines Kindergartens oder einer vergleichbaren Einrichtung für die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung, dienen nach Auffassung des BGH jedenfalls ab dem dritten Lebensjahr sowohl bei halbtägigem als auch ganztätigem Besuch, vorrangig erzieherischen Zwecken und sind deshalb Bedarf des Kindes und nicht des betreuenden Elternteils.344 Dabei qualifiziert der BGH alle insoweit entstehenden Kosten, abzüglich der darin enthaltenen Kosten für Essen, als Mehrbedarf, weil sie nicht im Tabellenunterhalt – weder im Mindestunterhalt noch in höheren Tabellenbeträgen – enthalten sind. Dies ergibt sich aus dem Existenzminumbericht der Bundesregierung, der Grundlage für die Berechnung des steuerlichen sächlichen Kinderfreibetrags ist sowie den Berechnungsgrundlagen der Sozialregelsätze nach den §§ 27 SGB XII, an denen sich der Existenzminumbericht orientiert.345 Seine zuvor vertretene Differenzierung zwischen den Kosten für einen halbtägigen Kindergartenbesuch, die im Tabellenunterhalt in Höhe des Existenzminimums (Mindestunterhalt) abgedeckt, und den darüber hinausgehenden Kosten für einen ganztägigen Besuch, die Mehrbedarf des Kindes sein sollten,346 hat der BGH mit Urteil vom 26.11.2008 aufgegeben, zugunsten der einheitlichen Zuordnung
340 341 342 343
OLG Dresden, Urt. v. 9.2.2006 – 21 UF 619/05, OLGR Dresden 2006, 357–359. BGH, FamRZ 2001, 1603. BGH, FamRZ 1983, 48; OLG Koblenz FamRZ 2005, 1006; BGH, FamRZ 2001, 1603 zur Schätzung des Bedarfs bei Förderung der Entwicklung zum Konzertpianisten. 344 BGH, BGH, FamRZ 2009, 962 ff. mit Anm. v. Born, S. 965 f. 345 BGH, FamRZ 2009, 962, 962, Tz. 21 ff. 346 BGH, FamRZ 2008, 1152, 1153, mit Anm. v. Born, S. 1155.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
der Kindergartenkosten (abzüglich der Essenskosten) als Mehrbedarf.347 Siehe dazu auch die Nr. 10.3 und 12.4 der LL der OLG.348 Für den regelmäßigen zusätzlichen Mehrbedarf haften i.d.R. beide Eltern anteilig nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).349 Dabei sind zur Berechnung der Haftungsanteile der Eltern die Einsatzbeträge in der Weise zu ermitteln, dass von den bereinigten Einkommen die angemessenen Eigenbedarfssätze der Eltern abzuziehen sind.350 Die Rechtsprechung der OLG ist zu der Frage, ob insoweit der angemessene Eigenbedarf (zzt. 1 100 Euro) oder notwendige Eigenbedarf (900 Euro, bzw. 770 Euro) abzuziehen ist, noch nicht einheitlich, eine Angleichung ist mit Rücksicht auf die BGH Rechtsprechung jedoch zu erwarten.351 Für den Abzug des angemessenen Eigenbedarfs spricht, dass bei einem erheblichen Gefälle zwischen den Einkommen der Eltern der weniger verdienende Elternteil in geringerem Maße mit den Kosten belastet wird. Dies zeigt das nachfolgende Beispiel: Beispiel Beide Eltern sind erwerbstätig. M betreut das gemeinsame Kind, V zahlt Barunterhalt für das Kind in Höhe von 241 Euro. Der Kindergarten kostet ohne Essensanteil 250 Euro. Bei Abzug des angemessenen Eigenbedarfs hat V an M 241 Euro Barunterhalt zzgl. 173 Euro Mehrbedarf zu zahlen, M muss sich mit 77 Euro an den Kindergartenkosten beteiligen. Bei Abzug des notwendigen Eigenbedarfs würde ihr Beitrag 88 Euro betragen: Abzug des angemessenen Eigenbedarfs Einkommen M 1 500 Einkommen des V abzgl. des Kindesbarunterhalts 2 000 Mutter 1 500 – 1 100 = 400 Vater 2 000 – 1 100 = 900 Summe 1 300 Quote Mutter (400 / 1 300 × 100 =) Quote Vater (900 / 1 300 × 100 =) Kindergartenkosten Haftungsanteil der M Haftungsanteil des V
E E E E E
31 % 69 % 250 E 77 E 173 E
Abzug des notwendigen Eigenbedarfs Einkommen M 1 500 Einkommen des V abzgl. des Kindesbarunterhalts 2 000 Mutter 1 500 – 900 = 600 Vater 2 000 – 900 = 1 100 Summe 1 700 Quote Mutter (600 / 1 700 × 100 =) Quote Vater (1 100 / 1 700 × 100 =) Kindergartenkosten Haftungsanteil der M Haftungsanteil des V
E E E E E
35 % 65 % 250 E 88 E 162 E
Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist immer der notwendige Eigenbedarf für die Berechnung der Haftungsanteile einzusetzen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Bei einem deutlich höheren Einkommen eines Elternteils, kann ihm auch allein die Kostenlast auferlegt werden. Dies gilt auch, wenn es der betreuende Elternteil ist (s. Rn. 25). Der barunterhaltspflichtige Elternteil haftet allein, wenn der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig ist und umgekehrt.
347 BGH, FamRZ 2009, 962, 963 f. m. Anm. v. Born, S. 965 f.; NJW 2009, 1816 m. Anm. von Maurer. 348 Eine Übersicht zur Rezeption der Rechtsprechung des BGH in den Leitlinien gibt Riegner, FPR 2010,129 ff.; Graba, FamRZ 2010, 601, 602. 349 BGH, FamRZ 2008, 1152, 1154; 2009, 962, 965. Siehe dazu Nr. 12.4 der LL. 350 BGH, FamRZ 2009, 962, 965 m. Anm. v. Born, S. 965 f. 351 Den Abzug des angemessenen Eigenbedarfs sehen z.B. vor die süddeutschen OLG. (Nr. 12.3 und 13.3 SüdL), OLG Oldenburg Nr. 12.3; für den Abzug des notwendigen Eigenbedarfs sprechen sich aus z.B. OLG Braunschweig Nr. 12.3; KG Nr. 12.3 i.V.m. 13.3.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Sonderbedarf kann nur wegen eines unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen 120 Bedarfs verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Sonderbedarf wird relativ selten zugestanden; denn der Unterhaltsberechtigte ist gehalten, auch Rücklagen für voraussehbare, zukünftig entstehende Kosten zu bilden. Insbesondere werden weder Nachhilfestunden noch Ausgaben für Kinderzimmer, Kommunion, Konfirmation oder Klassenreisen als Sonderbedarf angesehen.352 Allerdings wird, je kleiner die monatliche Unterhaltsrente und deshalb Rücklagenbildung ausgeschlossen ist, desto eher ein Anspruch auf Sonderbedarf in Betracht kommen. Sind die Kosten nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens von etwa vier Monaten aus dem laufenden Unterhalt bezahlbar, dürfte Sonderbedarf vorliegen.353 Sonderbedarf ist z.B. angenommen worden bei Klassenreisen in das Ausland, Klassenskireise, kieferorthopädischer oder heilpädagogischer Behandlung, erforderlichem Umzug, behinderungsbedingten Anschaffungen, Kosten eines Computers bei Lernschwierigkeiten des Kindes.354 Der Sonderbedarf kann für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit seiner Entstehung von dem Verpflichteten verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB), nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung aber nur, wenn der Verpflichtete vorher in Verzug geraten oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Bei Verfahrenskosten handelt es sich auch um Sonderbedarf, der jedoch nur unter den besonderen anspruchseinschränkenden Voraussetzungen von § 1360a Abs. 4 BGB, der entsprechend anwendbar ist, geltend gemacht werden kann. Vgl. zur dogmatischen Begründung des Anspruchs Rn. 162. Beispiel K (13 Jahre) braucht nach der Trennung der Eltern eine psychotherapeutische Behandlung, die 1 500 Euro kostet, am 1.1.2009 beginnt und deren Bezahlung am 31.12.2009 fällig wird. Der Sonderbedarf kann bis zum 31.12.2010 ohne vorherige Mahnung oder Klage gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Vater geltend gemacht werden.
9. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs Unterhaltsberechtigt ist nur, wer bedürftig ist, also außerstande ist, sich selbst zu 121 unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Erzielt das minderjährige Kind eigene Einkünfte aus Vermögen oder Erwerbstätigkeit, z.B. eine Ausbildungsvergütung, so muss es diese für seinen Unterhalt verwenden. Die Einkünfte werden, ebenso wie das Kindergeld, bedarfsmindernd zur Hälfte wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt355 (vgl. Rn. 7 und das folgende Beispiel) vom errechneten Tabellenunterhalt abgezogen. Verbleibt dann noch ein ungedeckter Bedarf, so besteht der Unterhaltsanspruch nur noch in dieser Höhe.
352 Zur Klassenreise so auch OLG Jena, FamRZ 1997, 448; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1585 L; OLG Bremen, FamRZ 2003, 1585 L. So auch BGH zu Konfirmationskosten vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2006 – XII ZR 4/04, FamRZ 2006, 612–614. 353 KG, FamRZ 2003, 1584 zu den Kosten einer Konfirmationsfeier. 354 OLG Hamm, FamRZ 2004, 830; KG, FamRZ 2003, 1584. 355 Zur hälftigen Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes auf den Barbedarf wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1980, 1109, 1111; 1981, 541, 543; 1988, 159, 161.
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122 Das Kind muss allerdings für seinen Unterhalt nicht das Vermögen in der Substanz, den Vermögensstamm, angreifen, sondern nur die (Netto-)Einnahmen verwenden, die es aus dem Vermögen abzüglich der Erhaltungskosten zieht, z.B. Mieteinnahmen, Zinseinkünfte, Gewinnbeteiligungen. Wird unterhaltsrechtlich vorwerfbar versäumt, zumutbare Einnahmen aus dem Vermögen zu erzielen, können diese bei der Unterhaltsberechnung als fiktive Einkünfte des Kindes unterstellt werden. Reichen die Erträge aus dem Vermögen nicht aus, um den Bedarf des Kindes zu decken, und sind die Eltern ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts nicht leistungsfähig, dann ist das Kind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB auf seinen Vermögensstamm zu verweisen. Es muss das Kapital verbrauchen oder sein Mietshaus, seine Wertpapiere, seine Firmenbeteiligung veräußern, um davon zu leben.356 Für diese Entscheidungen muss der sorgeberechtigte Elternteil ggf. die Genehmigung des Familiengerichts einholen (§§ 1643 Abs. 1, 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8–11 BGB). 123 Die Ausbildungsvergütung eines Minderjährigen ist vor ihrer Anrechnung um den nachzuweisenden ausbildungsbedingten Mehraufwand zu kürzen. In einigen OLG-Bezirken ist dieser Aufwand auch als Pauschale (zzt. ca. 90 Euro) abziehbar, andere OLG bestehen auf die konkrete Darlegung berufsbedingten Aufwands.357 Die Einnahmen des Minderjährigen werden ebenfalls nur zur Hälfte auf den errechneten Barbedarf angerechnet; denn die andere Hälfte verbleibt wegen der gleichwertigen Betreuungsleistung auf Seiten des anderen Elternteils.358 Beispiel Ein Minderjähriger lebt bei der Mutter, die das Kindergeld bezieht und bekommt im 1. Lehrjahr 400 Euro Ausbildungsvergütung. Er braucht eine Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel für 50 Euro, so dass ihm 350 Euro verbleiben. Von seinem Gesamtbarbedarf i.H.v. 512 Euro sind abzuziehen das hälftige Kindergeld i.H.v. 92 Euro (§ 1612b Abs. 1 BGB) und die Hälfte der bereinigten Lehrlingsvergütung, nämlich 175 Euro, so dass V noch 245 Euro zu zahlen hat.
124 Keine Anrechnung finden Einkünfte von Schülern aus Ferienjobs oder Nebentätigkeiten wie Nachhilfeunterricht, Zeitungsaustragen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht den vollen Unterhalt zahlt; denn diese Einkünfte stammen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, auf die die Grundsätze des § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung finden.359 Einen Schüler trifft neben dem Schulbesuch keine Pflicht zur Erwerbstätigkeit. Anders als bei Studenten gilt dieser Grundsatz nicht nur im Regelfall, sondern stets.360 Arbeitet das Kind gleichwohl und erzielt daraus ein Einkommen, handelt es sich um ein überobligatorisch erzieltes Einkommen, das jederzeit ohne Rechtsnachteil beendet werden kann und nur aus besonderen Billigkeitsgründen unterhaltsrechtlich relevant sein kann (Rn. 489). Wird der Mindestunterhalt gezahlt, sind bei der anzustellenden Billigkeitsprüfung, ob von den Einkünften ein Teil unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist, die Belange des Berechtigten und Verpflichteten unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeneinander abzuwägen. Bei Schülerarbeit findet eine Anrechnung nur bei besonders schützenswerten Inte356 357 358 359 360
BGH, FamRZ 1984, 682. Vgl. jeweils die Nr. 10.2.3 der Leitlinien des zuständigen OLG. BGH, FamRZ 1981, 541, 543. BGH, FamRZ 1995, 475. OLG Köln, FamRZ 1996, 1102.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
ressen des Verpflichteten statt.361 Nicht anzurechnen sind Einkünfte eines Schülers, bloß weil sie ein großzügig bemessenes Taschengeld übersteigen und die Einkünfte nicht der Deckung besonders anzuerkennender Bedürfnisse dienen.362 Erzielt das Kind z.B. aus einer künstlerischen Tätigkeit als Schauspieler oder Sänger laufende oder unregelmäßige oder sehr hohe Einkünfte, sind diese als eigenes Einkommen bedarfsmindernd anzurechnen. Freiwillige Zuwendungen der Eltern oder Dritter an das Kind (Sparverträge, Ge- 125 schenke, Taschengeld) werden nicht bedarfsmindernd abgezogen; denn i.d.R. dienen diese Leistungen der Unterstützung des Kindes, nicht aber der Entlastung des Unterhaltspflichtigen.363 Liegt keine ausdrückliche Willensbestimmung des Zuwendenden vor, kann diese meist aus den persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander geschlussfolgert werden.364 Fiktive Einkünfte können auf den Bedarf angerechnet werden, wenn das Kind es 126 vorwerfbar unterlässt, eigene Einkünfte zu erzielen. Das gilt nicht für minderjährige Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; denn sie unterliegen noch der allgemeinen Schulpflicht und dürfen nicht erwerbstätig sein (§ 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 JArbSchG). Ab dem 16. Lebensjahr kann das Kind auf eine Erwerbstätigkeit nur verwiesen werden, wenn es seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, sich ausbilden zu lassen, die mit der Pflicht der Eltern korrespondiert, dem Kind eine angemessene Vorbildung für einen Beruf zu ermöglichen, nicht nachkommt. Lehnt es die Fortsetzung des Schulbesuchs sowie die Aufnahme einer Ausbildung ab und beansprucht gleichwohl Unterhalt, kann ihm ein fiktives Einkommen aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit auf den errechneten Bedarf angerechnet werden.365 Die Anrechnung erfolgt in voller Höhe, wenn das Kind bei keinem Elternteil mehr lebt; nur in halber Höhe, wenn es noch im Haushalt eines Elternteils lebt. Bemessungsmaßstab für die Höhe fiktiver Einkünfte ist das erzielbare Einkommen aus einer Tätigkeit, die der Jugendliche realistischerweise ausüben könnte und für die kein Arbeitsverbot für Jugendliche besteht. Dem Kind ist zunächst nach Abschluss der Schule eine Orientierungsphase zuzugestehen, in der es sich um einen Ausbildungsplatz bemühen kann. Ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden oder liegen lange Wartezeiten zwischen der Beendigung der Schule und dem Beginn der Ausbildung kann von dem Jugendlichen erwartet werden, dass er in einem angemessenen Rahmen durch Aufnahme von Aushilfsarbeiten oder Teilzeitjobs einen eigenen Beitrag zu seinem Unterhalt erbringt.366 Dabei hängt das Maß des zu fordernden Einsatzes von der Dauer der zu überbrückenden Zeitspanne, den Arbeitsmöglichkeiten, aber auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern ab. Bei Verstoß gegen diese Obliegenheit ist der fiktive Beitrag nach den Einsatzmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu schätzen.367 361 362 363 364 365
OLG Köln, 14. Senat, FamRZ 1996, 1102. Anders: OLG Köln, 26. Senat, FamRZ 1995, 55. BGH, FamRZ 1995, 537, 539. Palandt/Diederichsen, § 1602 BGB Rn. 10. OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 442; 1990, 194; OLG Koblenz, JAmt 2004, 153; OLG Köln, FuR 2005, 570; OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 2094; OLG Rostock, FamRZ 2007, 1267; Wendl/Dose/Scholz, § 1 Rn. 519a, § 2 Rn. 46; a.A. OLG Stuttgart, FamRZ 1997, 447; Reinken, FPR 2009, 334, 340. 366 OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 758. 367 OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 443; 1990, 194.
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127 Auf den Bedarf sind ferner anzurechnen z.B. Leistungen nach dem BAföG, soweit es sich um Regelleistungen handelt, die nicht subsidiär zum Unterhalt der Eltern gewährt werden (wie die Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG),368 und Waisenrenten. 128 Nicht anrechenbar sind Sozialleistungen für Körper- und Gesundheitsschäden. Hier gilt die Vermutung, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe der Sozialleistungen (§ 1610a BGB). Subsidiäre Sozialleistungen, Vorauszahlungen nach dem BAföG und Leistungen nach dem UVG werden nicht als Einkommen berücksichtigt.369 10. Leistungsfähigkeit des Elternteils 129 Die Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils richtet sich nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit370 und ist dann gegeben, wenn er den Bedarf des Kindes decken kann, ohne unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden (§ 1603 Abs. 1 BGB, Rn. 23). Die Angemessenheit des dem Pflichtigen verbleibenden Unterhalts wird bei der Bedarfsermittlung nach der Tabelle immer mitgeprüft, z.B. unter Berücksichtigung des Bedarfskontrollbetrags, s. Rn. 91. Allerdings sind hier die Besonderheiten in der Berechnungspraxis der OLG zu beachten; denn nicht alle OLG verwenden diesen Maßstab für die Angemessenheitsüberprüfung. Grundsätzlich gilt aber, dass der notwendige Unterhaltseigenbedarf der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten im Haushalt lebenden volljährigen Schülern (§ 1603 Abs. 2 BGB) nicht unterschritten wird. Die Eltern sind zwar verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt zu verwenden (§ 1603 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB), ihnen muss aber ein über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegender Betrag verbleiben, denn nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Unterhaltspflicht nicht mehr, soweit der Unterhaltsschuldner infolge der Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde. Ihm ist deshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen mindestens ein Betrag zu belassen, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt.371 Wobei die Bemessung dieses Mindestselbstbehalts Aufgabe des Tatrichters ist, dem es unbenommen bleibt, sich an Erfahrungs- und Richtwerten, wie z.B. den Selbstbehaltssätzen der Leitlinien der OLG zu orientieren, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten.372 a) Notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt 130 Da das Gesetz keine konkreten Werte zum notwendigen Eigenbedarf der Eltern angibt, hat die Rechtsprechung Richtwerte entwickelt, die in den Leitlinien der OLG – auch als notwendiger oder sog. kleiner Selbstbehalt bezeichnet – veröffent368 BGH, FamRZ 1989, 499. 369 BGH, FamRZ 1993, 417 zur Sozialhilfe; 1980, 126, 128 zum BAföG. Zur Rückforderung von Unterhaltsvorschuss s. Kap. I. 370 BGH, FamRZ 1981, 341, 343; 539, 540; BVerfG, FamRZ 1985, 143 ff. 371 BGH, FamRZ 2008, 594, 596; 2006, 683, 684. 372 BGH, FamRZ 1984, 1000; 1990, 849, 850; 1996, 1272, 1273; 1984, 1000; 1993, 43, 44; 2006, 683 zum Mindestselbstbehalt beim Ehegattenunterhalt. Vgl. zur Höhe der Selbstbehaltssätze im Verhältnis zum Existenzminimum den kritischen Beitrag von Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff.
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licht sind. In den Unterhaltstabellen entsprechen diese den niedrigsten Bedarfskontrollbeträgen. Seit 1.1.2008 gelten in den alten und neuen Bundesländern einschließlich in Berlin (Ost und West) folgende Werte für den notwendigen Selbstbehalt:373 für erwerbstätige Unterhaltspflichtige: für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige:
900 Euro 770 Euro
Der Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ist um 130 Euro höher als der eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. Dieser Differenzbetrag soll einen Anreiz bieten, die Erwerbstätigkeit fortzusetzen und die für Berufstätige erhöhten Lebenshaltungskosten ausgleichen, die i.d.R. entstehen, wenn weniger Zeit zur Verfügung steht, kostengünstig zu haushalten. Er beinhaltet keinen Ausgleich für berufsbedingte Aufwendungen, die jeweils noch gesondert, in Form einer Pauschale oder konkret, abgezogen werden können.
" Praxishinweis: Der erhöhte Eigenbedarf bei erwerbstätigen Unterhalts-
schuldnern entspricht beim Kindesunterhalt dem Erwerbstätigenbonus, der bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts als Abzugsposten üblich ist und eine vergleichbare Funktion hat. Deshalb ist beim Kindesunterhalt bei der Berechnung des Einkommens des Verpflichteten kein Erwerbstätigenbonus abzuziehen, weil hier der erhöhte Eigenbedarf für Erwerbstätige die Funktion des Erwerbsanreizes erfüllt. Daneben können berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden.
Erwerbslosen und längerfristig kranken Unterhaltspflichtigen steht nur noch der 131 niedrigere Selbstbehalt für Nichterwerbstätige zu, da der Zweck des erhöhten Selbstbehalts, einen Arbeitsanreiz und Ausgleich für höhere Kosten für Berufstätige zu schaffen, nicht mehr erfüllt wird.374 Umschülern, die ein Unterhaltsgeld beziehen, das meist nicht ausreicht, um noch den Bedarf eines Kindes zu befriedigen, steht der Selbstbehalt für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige zu, wenn die zeitliche Inanspruchnahme nicht einer Vollbeschäftigung entspricht, denn sie üben keine Erwerbstätigkeit aus und haben Zeit zum preisgünstigen Wirtschaften. Bei der Umschulung handelt es sich um eine Form der Ausbildung, die neue berufliche Chancen eröffnen soll, so dass es eines Anreizes im Hinblick auf die Fortsetzung einer ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht bedarf.375 Entspricht der zeitliche Umfang der Umschulung jedoch dem einer Vollbeschäftigung, sollte der Selbstbehalt für Erwerbstätige angewendet werden, denn dann entfällt der ebenfalls den geringeren Eigenbedarf rechtfertigende Grund des günstigeren Wirtschaftens.376 Die Handhabung zum Selbstbehalt ist bei den Gerichten jedoch nicht einheitlich, so dass sich insoweit empfiehlt, die Praxis anhand der Rechtsprechung und Leitlinien des maßgeblichen OLG zu überprüfen.377 Soweit für den Umschüler beson373 Maßgeblich ist jeweils die Nr. 21.2 der Leitlinien. 374 OLG Köln, FamRZ 1998, 480; BGH, FamRZ 2008, 594, 596f. 375 Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth, Kap. 3 Rn. 144; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206–1207. 376 OLG Dresden, FamRZ 2006, 1703; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 266. 377 Den Selbstbehalt für Erwerbstätige oder einen Mittelwert wenden an, z.B. OLG Dresden, FamRZ 2006, 1703 f.; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1015; OLG Koblenz, FamRZ 2002, 1215; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 264.
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dere ausbildungsbedingte Aufwendungen entstehen, können diese geltend gemacht werden. Meist erstatten die Agenturen für Arbeit jedoch den Mehrbedarf. Auch für den arbeitslosen Unterhaltspflichtigen ist der Selbstbehalt für Nichterwerbstätige anwendbar. Insoweit wird in der Literatur die Auffassung vertreten, bei Nachweis intensiver Bemühungen um eine Arbeit, den Selbstbehalt für Erwerbstätige anzuwenden.378 Diese Auffassung überzeugt nicht, denn der Vorteil kostengünstigeren Wirtschaftens besteht auch hier, da kein festgelegter Zeitrahmen einzuhalten ist. I. Ü. dürfte der Nachweis, dass die Bewerbungen dem Umfang einer Vollbeschäftigung entsprechen, kaum zu führen sein. Der notwendige Selbstbehalt findet auch auf den Unterhaltspflichtigen, der neben dem Arbeitslosengeld bis zu 165 Euro netto aus einer Nebentätigkeit anrechnungsfrei hinzuverdienen kann Anwendung (vgl. Rn. 66c).379 Soweit sich die Nebentätigkeit dem Umfang einer Halbtagsbeschäftigung nähert, kommt eine Erhöhung des Selbstbehaltssatzes für Nichterwerbstätige, zum Beispiel in Höhe der Hälfte der Differenz zum Selbstbehalt für Erwerbstätige, in Betracht. Bezieht der Unterhaltspflichtige bei länger dauernder Arbeitslosigkeit die Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeitslose, ALG II, kann noch eine teilweise Leistungsfähigkeit in Betracht kommen, wenn er aufgrund vorangegangener Erwerbstätigkeit für die Dauer von zwei Jahren befristete Zuschläge nach § 24 Abs. 2, 3 SGB II erhält. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit ist für ihn der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt für Nichterwerbstätige nach den LL maßgebend.380 Beispiel V ist seinem 8-jährigen Kind barunterhaltspflichtig. Trotz ernsthafter Bemühungen, findet er keine Arbeit, so dass die Zurechnung eines fiktiven Arbeitseinkommens nicht in Betracht kommt. Er erhält ALG II in folgender Höhe: Regelbetrag nach § 20 Abs. 2, 3 SGB II381 Kosten für Unterkunft und Heizung § 22 SGB II382 Befristeter Zuschlag § 24 SGB II Gesamteinkommen
359 378 160 897
Euro Euro Euro Euro
Bei einem Selbstbehalt von 770 Euro hat er 127 Euro Kindesunterhalt zu zahlen.
Da Bezieher von ALG II Nebeneinkünfte erzielen dürfen, von denen Freibeträge anrechnungsfrei bleiben,383 ist die Frage streitig, ob diese Freibeträge, die nicht unbeträchtlich sein können, weil der Gesetzgeber Anreize schaffen wollte für die Ausübung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit, für Unterhaltszwecke einzusetzen sind oder dem Verpflichteten – wegen der Arbeitsanreizbestimmung – zu belassen sind.384 Vorzugswürdig ist, die Freibeträge als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu behandeln. Denn die arbeitsmarktpolitische Motivation 378 Botur in Büte/Poppen/Menne, § 1603, Rn.66; a.A. Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth, Kap. 3, Rn. 144. 379 BGH, FamRZ 2008, 594, 596 f.; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206; KG, NJW-FER 2001, 119. 380 BGH, FamRZ 2008, 594 ff. Zu den Voraussetzungen der Gewährung von ALG II vgl. Rn. 66b. 381 Seit 1.7.2009, s. BGBl. I, S. 1342; s. auch unter www.bmas.de/portal/18294/regelsaetze_ lebenshaltung.html 382 Die Höhe richtet sich nach den landesrechtlichen Fachanweisungen zu § 22 SGB II. 383 Vgl. wegen der Höhe der Freibeträge und der Möglichkeit des Vorabzugs titulierter Unterhaltsforderungen vom Nebenerwerb Rn. 66b. 384 Schürmann, FamRZ 2005, 148; FPR, 2005, 448, 451; Riegner, FPR 2006, 324, 328.
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des Gesetzgebers, mit den Freibeträgen Erwerbsanreize zu schaffen, überlagert nicht den für das Unterhaltsrecht maßgeblichen Grundsatz, dass Eltern ihren minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern gesteigert unterhaltspflichtig sind und alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt einzusetzen haben.385 Eine derartige Einschränkung der Verwendung der Mittel sieht weder das SGB II vor, noch existiert eine entsprechende Übung bei vergleichbaren Überschneidungen von Rechtsvorschriften. So gilt z.B. Eltern- und Erziehungsgeld unterhaltsrechtlich als Einkommen gegenüber Minderjährigen trotz seiner sozialpolitischen Bestimmung, Menschen zur Elternschaft zu motivieren. Der Gesetzgeber hat im Übrigen der Bedeutung unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen in § 11 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab 1.8.2006 dadurch Rechnung getragen, dass Einkommen in Höhe titulierter oder notariell beurkundeter Unterhaltsansprüche anrechnungsfrei bleibt. Abzugsfähig sind jedoch berufsbedingte Aufwendungen, wobei diese nachgewiesen werden sollten, denn gerade bei geringem Verdienst ist nicht zwingend, dass sie überhaupt entstehen. Eine weitere Streitfrage, ob bei Nebeneinkünften der Selbstbehalt für Erwerbstätige oder Nichterwerbstätige anzuwenden ist, hat der BGH in dem Sinne entschieden, dass es bei einem nur geringen Hinzuverdienst kaum gerechtfertigt wäre, den zur Förderung des Arbeitsanreizes gewährten höheren Selbstbehalt für vollschichtig Tätige anzuwenden, wenn der überwiegende Teil des Einkommens aus Arbeitslosengeld besteht.386 Damit kommt allenfalls bei einer umfänglicheren Nebentätigkeit ein Betrag in Betracht, der zwischen dem Selbstbehalt für Erwerbstätige und Nichterwerbstätige liegt. Wie der Zwischenbetrag ermittelt wird, hat der Tatrichter zu entscheiden. Dazu werden verschiedene Lösungsansätze vertreten: So kann man einen zwischen den Selbstbehalten liegenden Betrag z.B. in Höhe der Hälfte der Differenz wählen, was einen Selbstbehalt von 835 Euro ergäbe (900 – 770 = 130 Euro : 2 = 65 Euro; 770 + 65 = 835 Euro).387 Möglich ist auch, den Selbstbehalt für Nichterwerbstätige um den Freibetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II i.H.v. 100 Euro zu erhöhen, so dass sich ein Eigenbedarf von 870 Euro ergäbe. Die notwendigen Selbstbehalte sind Richtwerte, die nur bei Vorliegen ganz be- 132 sonderer Umstände unterschritten werden können, z.B. wenn der Unterhaltsverpflichtete mit einem neuen erwerbstätigen Ehegatten oder Lebensgefährten einen gemeinsamen Haushalt führt. Dann kann beim verheirateten Unterhaltspflichtigen ein zu berücksichtigender Anspruch auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB bestehen, der den Eigenbedarf teilweise oder ganz abdeckt, so dass seine sonstigen Einkünfte teilweise oder ungeschmälert für den Kindesunterhalt zu verwenden sind.388 Der BGH hat dies für den wiederverheirateten Verpflichteten beim Minderjährigenunterhalt entschieden, dessen Einkommen unter dem notwendigen Selbstbehalt lag.389 Die Folge ist, dass es bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Höhe des erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit, sondern auf das reale Einkommen ankommt.390 Beruft sich der Verpflichtete auf eine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit, muss 385 386 387 388 389 390
Kritisch dazu Klinkhammer, FamRZ 2006, 85, 91. BGH, FamRZ 2008, 594, 597. So z.B. Klinkhammer, FamRZ 2004, 1909, 1914; Streicher, FPR 2005, 438 ff. BGH, FamRZ 2006, 1010, 1013f; 2006, 1827,1828; 2008, 594, 598. BGH, FamRZ 2006, 1827, 1828. BGH, FamRZ 2002, 742; 2003, 363; 2004, 24.
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er, wenn er wieder verheiratet ist, auch darlegen und beweisen, dass sein Unterhaltsbedarf nicht durch den Ehegatten gedeckt werden kann. Besteht kein Anspruch auf Familienunterhalt, ist gleichwohl eine Herabsetzung des Eigenbedarfssatzes wegen ersparter Kosten der Haushaltsführung bezogen auf Wohnkosten, Heizung, allgemeine Lebenshaltungskosten nicht unmöglich, selbst wenn der Ehegatte nur Sozialhilfe bezieht. Die Darlegungs- und Beweislast – auch für den Beitrag und das Einkommen des Ehegatten – obliegt dem Verpflichteten, wenn er sich auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft.391 Lebt der Verpflichtete mit einem Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung kann ebenfalls aufgrund von Einsparungen („Synergieeffekten“) eine Kürzung des Selbstbehalts des Verpflichteten bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen, wie dies auch bei der Leistungsbemessung für die Bedarfsgemeinschaft nach §§ 19, 24 SGB II gehandhabt wird.392 Danach erhalten zwei volljährige Hilfebedürftige in Bedarfsgemeinschaft nur je 90 % der Regelleistung. Um festzustellen, um wie viel sich die Leistungsfähigkeit erhöht, sich also der Eigenbedarfssatz verringert, ist die Differenz zwischen unterhaltsrechtlichem Eigenbedarfssatz und sozialhilferechtlichem Existenzminimum zu bilden. Der Regelbetrag nach dem SGB II beträgt seit 1.7.2009 359 Euro (Rn. 66d). Aufgrund dieser Erwägungen kommt sogar dann eine Kürzung in Betracht, wenn der Lebenspartner selbst Sozialleistungen bezieht. Die Darlegungs- und Beweislast – auch für das Einkommen des Lebensgefährten – obliegt dem Unterhaltsschuldner, der sich auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft.393 Eine große Zahl der Instanzgerichte setzt den Selbstbehalt beim Zusammenleben mit einem Dritten herab, wobei sich der Umfang der Kürzung nach den Umständen des Einzelfalles richtet.394 Das OLG München hat den Selbstbehalt z.B. in einem Fall um 25 %, das OLG Dresden um 12 % gekürzt,395 das OLG Stuttgart um 110 Euro396 und das OLG Hamm um 27 % bei ersparten Kosten für Miete, Heizung, Strom, Telefon, Zeitung, Rundfunk- und Fernsehgebühren.397 Die Kürzung ist jedoch höchstens bis auf das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen möglich.398 133 Hat der Unterhaltsschuldner nur geringere Kosten für die Miete, als im Selbstbehalt enthalten,399 ohne dass darüber hinausgehend Ersparnisse durch eine 391 BGH, FamRZ 2008, 594, 598. 392 BGH, FamRZ 2008, 594, 597; 1991, 182, 185 zum Anspruch auf Familienunterhalt. Zur Leistungsfähigkeit des wiederverheirateten Verpflichteten beim Minderjährigenunterhalt BGH, FamRZ 2002, 742; 2003, 363; 2004, 24. 393 BGH, FamRZ 2008, 594, 597 f.; Büttner, Anmerkung zu BGH, FamRZ 2002, 742, a.a.O., S. 743; zur Leistungsfähigkeit des Partners KG FamRZ 2006, 1702 f. 394 OLG Hamm, FamRZ 2005, 53; OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 54; OLG München, FamRZ 2004, 485; OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 300; OLG Köln, OLGR 2004, 330; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1210; OLG Hamm FamRZ 2002, 1708; OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 594; OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044; OLG Hamm, FamRZ 1999, 42; 1980, 916, 917. 395 OLG München, FamRZ 2004, 485; OLG Dresden, FamRZ 2007, 1477 ff. 396 OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 54. 397 OLG Hamm, FamRZ 2000, 311; 2003, 1210. 398 BGH, FamRZ 2008, 594, 597 f. 399 Nicht alle Leitlinien weisen den Betrag, der im Selbstbehalt für Wohnkosten angesetzt ist, aus. Soweit die Wohnkosten unter der Nr. 21 der LL ausgewiesen sind, betragen sie
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Haushaltsgemeinschaft in Betracht kommen, führt dies nach Rechtsprechung des BGH i.d.R. nicht zu einer Herabsetzung des Selbstbehalts. Der BGH hat mit Urteil vom 23.8.2006,400 nunmehr auch für den Minderjährigenunterhalt, entschieden,401 dass der Selbstbehalt nicht schon deshalb zu vermindern sei, weil der Schuldner geringere Kosten für die Warmmiete habe, als im Selbstbedarfsatz enthalten, denn es unterliege seiner Dispositionsfreiheit, wie er die ihm belassenen Mittel verwende, wenn er sich mit einer preiswerteren Wohnung begnüge. Diese Rechtsprechung überzeugt im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB nicht, insbesondere wenn der Mindestunterhalt nicht gezahlt wird, zumal niedrigere Wohnkosten nicht unbedingt Ausdruck einer Beschränkung beim Wohnkomfort sind. Eine Herabsetzung sollte deshalb in den Fällen möglich sein, in denen eine Beschränkung in den Wohnverhältnissen nicht feststellbar ist oder geringere Kosten auf einer freiwilligen Leistung Dritter beruht, die auch den Kindern zugute kommen soll und der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden kann.402 Beispiel Der barunterhaltspflichtige V verdient 1 000 Euro netto und lebt schon seit vielen Jahren kostenlos im Haus seiner Mutter. Der Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergelds für seine beiden 2- und 5-jährigen Kinder beträgt insgesamt 376 Euro. Bei Zahlung des Unterhalts wäre der Selbstbehalt von 900 Euro unterschritten. Hier kann eine Kürzung des Selbstbehalts gerechtfertigt sein, weil für V keine Mietkosten anfallen und die Mutter ihn auch deshalb weiter bei sich wohnen lässt, damit er seinen Kindern Unterhalt zahlen kann.
b) Einschränkung oder Wegfall der Leistungsfähigkeit Die Leistungsfähigkeit kann ganz entfallen oder eingeschränkt werden, wenn der 134 Verpflichtete beispielsweise unverschuldet längerfristig arbeitslos ist. Die Zahlungspflicht entfällt oder verringert sich – je nach Höhe des Arbeitslosengeldes – aber nur dann, wenn der Verpflichtete den Verlust des Arbeitsplatzes nicht absichtlich herbeigeführt und alle ihm möglichen Anstrengungen unternommen hat, eine neue Arbeit zu finden, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Anforderungen an die Bemühungen um eine neue Arbeit werden bestimmt durch die gesteigerte Erwerbsobliegenheit403 (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Danach ist dem Verpflichteten auch zuzumuten, eine weniger qualifizierte Arbeit aufzunehmen404, ggf. sogar – soweit es die persönlichen Verhältnisse erlauben– einen Ortswechsel hinzunehmen, um eine neue Arbeit zu finden.405 Kriterien für die Zumutbarkeit
400 401 402 403 404 405
zzt. beim notwendigen Selbstbehalt 360 Euro, im angemessenen Selbstbehalt 450 Euro. Darin enthalten sind umlagefähige Nebenkosten. In den neuen Bundesländern lag der Mietanteil bis zum 31.12.2007 wegen der niedrigeren Selbstbehaltssätze bei 250 Euro/300 Euro. BGH, FamRZ 2006, 1664, 1666. Der BGH hatte früher ausdrücklich eine Kürzung des angemessenen Eigenbedarfs als sachgerecht gebilligt (FamRZ 1998, 286, 288; 2002, 742; 1984, 683, 684), ist jedoch mit Urt. v. 25.6.2003, FamRZ 2004, 186, davon abgerückt. Vgl. dazu auch die Anm. von Ehinger, FPR 2004, 152. Vgl. dazu auch die Ausführungen zu den Anspruchsvoraussetzungen unter Rn. 23 und zu den fiktiven Einkünften unter Rn. 57 ff. BGH, FamRZ 1994, 372 ff. BGH, FamRZ 1988, 604, 606.
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eines Ortswechsels sind u.a. Pflege der Bindung zum Kind, Kosten des Umgangs und eines Umzugs,406 vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rn. 23 m.w.N. Ist dem Verpflichteten unterhaltsrechtlich vorwerfbar, dass er ohne Arbeit ist, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens407 in Betracht. Beim Bezug von Arbeitslosengeld I (§ 117 SGB III, Rn. 66c) ist bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens nicht nur darauf abzustellen, dass eine Pflicht besteht, sich um eine Vollbeschäftigung zu bemühen, denn auch schon durch Ausübung einer Nebenbeschäftigung kann sich die Leistungsfähigkeit erhöhen oder wieder hergestellt werden. Zur Höhe anrechnungsfreien Nebeneinkommens vgl. § 141 SGB III und Rn. 66c. Nebentätigkeiten sind auch beim Bezug von Arbeitslosengeld II erlaubt. Außerdem können Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel und in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag von dem anrechenbaren Einkommen aus dem zulässigen Nebenerwerb abgesetzt werden (§ 11 Abs. 2 SGB II, vgl. dazu Rn. 66d). Zur Höhe des anzuwendenden Selbstbehalts bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus Nebentätigkeit vgl. Rn. 131. 135 Die Anforderungen an die Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit sind im Unterhaltsverfahren streng. Um im Falle der Arbeitslosigkeit seiner Darlegungslast für die fehlende Leistungsfähigkeit zu genügen, muss ein Unterhaltspflichtiger in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen.408 Der Verpflichtete muss sämtliche Bemühungen einzeln aufführen und Belege vorlegen, z.B. Inserate, Bewerbungs- und Ablehnungsschreiben.409 Erwartet wird ein Zeitaufwand für Bewerbungen, der einer Vollzeitbeschäftigung entspricht.410 Auch Blindbewerbungen sind zumutbar. Schriftliche Bewerbungen müssen in korrektem Deutsch verfasst sein, soweit dies bei der in Betracht kommenden Tätigkeit erwartet wird, und die Ernsthaftigkeit der Bewerbung erkennen lassen. Zu den Anforderungen im Unterhaltsverfahren vgl. Praxishinweise unter Rn. 455. Beispiele – V kündigt sein Arbeitsverhältnis, weil er nicht einsieht, dass er so viel Unterhalt an Frau und Kind nach der Trennung zahlen soll. Er ist dennoch weiter zur Zahlung des Unterhalts, bemessen nach seinem früher erzielten Einkommen, verpflichtet; denn ihm obliegt gegenüber seinem Kind eine verschärfte Unterhaltspflicht, gegen die er verstößt, wenn er sich absichtlich leistungsunfähig macht. – V ist seinem minderjährigen Kind unterhaltspflichtig. V behauptet, nicht leistungsfähig zu sein, da er arbeitslos sei, und legt seine Arbeitslosengeldbescheinigung über 190 Euro wöchentlich vor. Er habe sich vergeblich um die verschiedensten Stellungen als Fernsehtechniker und Aufnahmeleiter beim Fernsehen bemüht. V wird zur Zahlung des Min406 BVerfG, FamRZ 2006, 469 ff. 407 Zu fiktiven Einkünften vgl. auch die Beispiele unter Rn. 57 ff., 58. 408 BGH, FamRZ 1996, 345; zur Darlegungslast des Berechtigten vgl. BGH, FamRZ 1986, 244, 246. 409 Für die anwaltliche Praxis können Hinweise für den Mandanten zum gezielten Sammeln von Informationen hilfreich sein, vgl. das Muster eines Informationstextes für Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete, Ehinger, FPR 2000, 17. 410 Zu den Anforderungen im Einzelnen OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 3236 ff.; OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1757.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird destunterhalts verurteilt, obwohl sein tatsächliches Einkommen unter dem ihm zustehenden Selbstbehalt von 900 Euro liegt. Er hat nicht unter Beweis gestellt, dass er sich ernsthaft um Arbeit bemüht hat. Nicht ausreichend ist es, die Meldung bei der Arbeitsagentur und Bewerbungen auf von vornherein aussichtslose Stellen vorzutragen. Von V wird erwartet, dass er sich bei schwieriger Arbeitsmarktlage auch um weniger qualifizierte Stellen bewirbt und selbst Inserate aufgibt. Sämtliche Bemühungen müssen dem Gericht lückenlos vorgetragen und bewiesen werden können. Nach der Arbeitsmarktlage könnte V mindestens Einkünfte aus einer Nebentätigkeit als Zeitungsbote verdienen.
Bei Ansatz eines fiktiven Einkommens wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Er- 136 werbstätigkeit muss neben der subjektiven Vorwerfbarkeit unzureichender Bemühungen objektiv auch eine reale Beschäftigungschance bestehen; denn ob ein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger einen neuen Arbeitsplatz gefunden hätte, wenn er sich ausreichend bemüht hätte, hängt von den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und den persönlichen Eigenschaften des Bewerbers (Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand) ab.411 Dabei genügt für die Annahme einer realen Beschäftigungschance, wenn das Gericht nach eigener Prüfung objektiv nicht ausschließen kann, dass der Unterhaltspflichtige bei genügenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance auf die konkret für ihn für zumutbar befundene Erwerbstätigkeit hätte.412 Vgl. dazu die Ausführungen zum fiktiven Einkommen unter Rn. 58, 60 f. In Ansatz gebracht werden als fiktive Einkünfte Stundenlöhne i.H.v. ca. 7,50–8 Euro bei ungelernter Tätigkeit,413 das OLG Frankfurt hält die Erzielung eines über 890 Euro liegenden Nettoeinkommens für unrealistisch.414 Beruft sich der Verpflichtete auf das Fehlen einer realen Beschäftigungschance, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür bei ihm.415 Wird der Verpflichtete arbeitslos wegen Alkoholabhängigkeit, ist für die Zurech- 137 nung eines fiktiven Einkommens zu unterscheiden zwischen der Vorwerfbarkeit des Verlustes des Arbeitsplatzes und der Verletzung der unterhaltsrechtlichen Obliegenheit, sich eine neue Arbeit zu suchen. Der Verlust des Arbeitsplatzes hat nur dann unterhaltsrechtliche Sanktionen zur Folge, wenn dem Fehlverhalten, das zur Kündigung geführt hat, auch die Vorstellung und der Antrieb zugrunde gelegen hat, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu mindern.416 Das wird oft kaum nachweisbar und meist nicht Ursache für die Erkrankung gewesen sein. Dem Unterhaltspflichtigen obliegt aber, seine Krankheit behandeln zu lassen, was eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit voraussetzt. In der Regel entlastet nur eine krankheits- oder suchtbedingte Beeinträchtigung der Einsichts- und Willenskraft von der unterhaltsrechtlichen Vorwerfbarkeit.417 Ist die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit streitig, muss der Unterhaltsschuldner ggf. ärztlich begutachtet werden. Ein Abbruch der Therapie lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf einen Krankheitswert der Willensschwäche zu. Kann von 411 412 413 414 415
BGH, FamRZ 1996, 345; 1986, 244, 246; 1987, 912, 913. BGH, FamRZ 2009, 314, 317; 1998, 357, 359; 1994, 372, 374. AG Flensburg, FamRZ 2006, 1293, 1294. OLG Frankfurt, NJW 2007, 382. BGH, FamRZ 2009, 314, 317 (für Nebentätigkeit); 1998, 357, 359; 1996, 345; Bäumel, Die reale Beschäftigungschance, FPR 2000, 17 ff. 416 BGH, FamRZ 1994, 240, 242. Dies gilt auch bei Verlust des Arbeitsplatzes wegen einer Straftat (vgl. BGH, FamRZ 2002, 813, 814). 417 Förster, FamRZ 1999, 1250; OLG Hamburg, FamRZ 1998, 182; Finke, FPR 1998, 12; KG, FamRZ 2000, 1617.
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einer Willens- und Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden, ist meist das nicht ausreichende Bemühen um eine neue Arbeit unterhaltsrechtliche Voraussetzung für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens. Abzustellen ist bei der Klärung der Leistungsfähigkeit auf das dann erzielbare Einkommen. Für seine mangelnde Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit ist der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig.418 138 Gibt der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit auf, weil er in einer neuen Ehe den Haushalt führt und Kinder aus dieser Ehe betreut, kann er sich nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.419 Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen der sog. Hausmannsrechtsprechung können die neuen Ehegatten zwar nach § 1356 Abs. 1 BGB im gegenseitigen Einvernehmen regeln, dass einer von ihnen die Haushaltsführung und ggf. die Kindesbetreuung allein übernimmt. Unterhaltsrechtlich entlastet die häusliche Tätigkeit einen unterhaltspflichtigen Ehegatten nur gegenüber den Mitgliedern der neuen Familie, denen diese Fürsorge allein zugute kommt, nicht aber gegenüber den minderjährigen Kindern aus früherer Ehe.420 139 Ob die Leistungsfähigkeit in Anknüpfung an das früher erzielte Einkommen gegeben ist oder auf die Pflicht zur Ausübung einer Nebentätigkeit abzustellen ist, um der Unterhaltspflicht zu genügen, hängt in den sog. Hausmannsfällen davon ab, ob die Rollenwahl unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist. Die Anerkennung, die auf Ausnahmefälle beschränkt sein soll, hängt stets von der Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls ab. Dabei hat der BGH mehrere Kriterien für die Anerkennung benannt421: – Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit muss zu einer wesentlich günstigeren Einkommenssituation der neuen Familie führen. – Auch bei günstigerer Einkommenssituation muss das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie gegenüber dem Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung der alten Familie überwiegen. – Der Unterhaltspflichtige hat zumutbare Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung des Unterhalts der alten Familie getroffen. – Die Kindesbetreuung durch Dritte ist nicht möglich oder teurer als der finanzielle Vorteil durch den Rollenwechsel. Ist die Rollenwahl anzuerkennen, ist gleichwohl zu erwarten, dass der Verpflichtete eine Nebentätigkeit ausübt, um zum Unterhalt für die gleichrangig berechtigten Kinder aus erster Ehe beitragen zu können, oder dass er bei auskömmlichem Verdienst des Ehegatten sein Taschengeld (er kann gem. § 1360a BGB etwa 5 % des Nettoeinkommens seines Ehegatten als Taschengeld beanspruchen)422 für den Minderjährigenunterhalt einsetzt. Bezieht er Elterngeld, ist er während der Bezugsdauer regelmäßig nicht zu einer Nebenerwerbstätigkeit ver418 OLG München, FamRZ 1994, 1406; OLG Hamm, FamRZ 1994, 1403; Reinecke, Rechtsprechungstendenzen zur Alkoholabhängigkeit in der Familie, FPR 1998, 36 m.w.N. 419 BGH, FamRZ 1996, 796 zum Bezug von Erziehungsgeld; BVerfG, FamRZ 1996, 915. 420 BGH, FamRZ 1996, 796. 421 BGH, FamRZ 2001, 614, 616. 422 BGH, FamRZ 86, 668; zur bedingten Pfändbarkeit des Anspruchs vgl. BGH, NJW 2004, 2450.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
pflichtet.423 Die vom BGH entwickelten Grundsätze beim Bezug von Erziehungsgeld, das bis zum 31.12.2008 für Kinder gezahlt wurde, die bis zum 31.12.2006 geboren wurden, und das durch das seit 1.1.2007 geltende Elterngeld ersetzt wurde, können auf den Bezug von Elterngeld entsprechend angewendet werden, zumal es minderjährigen Kindern gegenüber auch als Einkommen gilt. Danach gilt: Das Elterngeld ist für den Bedarf des minderjährigen Kindes aus früherer Ehe zu verwenden (§ 11 Satz 1 und 4 BEEG),424 wenn und soweit sein eigener Selbstbehalt durch seinen Anspruch auf Familienunterhalt in der neuen Ehe abgesichert ist. Benötigt der Verpflichtete das Elterngeld zur Deckung seines eigenen Bedarfs, besteht während des Bezugs des Elterngeldes keine Pflicht zur Nebenerwerbstätigkeit,425 es sei denn, sie ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zumutbar.426 Ist der Rollenwechsel nicht anzuerkennen, muss der Unterhaltspflichtige sich fiktiv sein früher erzieltes Einkommen anrechnen lassen. Unabhängig von der Frage, ob der Rollenwechsel anzuerkennen ist oder nicht, gilt für die Bemessung des geschuldeten Unterhalts, dass der auf der Grundlage einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit errechnete Unterhalt nur einen Mindestbetrag darstellt, der bei Zugrundelegung eines Einkommens aus einer Nebenerwerbstätigkeit neben der tatsächlich ausgeübten Hausmannsrolle überschritten werden kann.427 Die Grundsätze zur Hausmannsrechtsprechung gelten entsprechend, wenn der 140 Unterhaltspflichtige in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner zusammenlebt und ein aus dieser Beziehung stammendes Kind betreut.428 Führt der Verpflichtete in der neuen Ehe nur den Haushalt, ohne dass Kinder zu betreuen sind, gelten nicht die Grundsätze zur Hausmannsrechtsprechung,429 d.h., der Verpflichtete kann sich wegen der Haushaltsführung nicht auf eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit berufen, so dass ihm ggf. fiktive Einkünfte anzurechnen sind. Im Falle der eingeschränkten Erwerbsunfähigkeit kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit in Betracht. Bei voller Erwerbsunfähigkeit ist von ihm zu erwarten, dass er ein ihm zustehendes Taschengeld für den Kindesunterhalt einsetzt, sofern sein eigener Unterhaltsbedarf von seinem Ehegatten bestritten wird. Ein nur vorübergehender Wegfall der Leistungsfähigkeit – wegen kurzfristiger Ar- 141 beitslosigkeit oder unbezahlten Urlaubs – oder eine vorübergehende Minderung der Leistungsfähigkeit beeinträchtigen den Unterhaltsanspruch nicht. Für diese Fälle wird vom Verpflichteten eine Rücklagenbildung erwartet. Allerdings sind bei den Anforderungen an diese Pflicht die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen; denn je niedriger das Einkommen, desto weniger zumutbar ist eine Rücklagenbildung. 423 424 425 426 427
BGH, FamRZ 2006, 1010. OLG Nürnberg, FamRZ 1994, 1402 m.w.N. BGH, FamRZ 2006, 1010, m. Anm. von Borth S. 1014. KG, FPR 2002, 413. BGH, Urt. v. 5.10.2006 – XII ZR 197/02, FamRZ 2006, 1827–1832. Zur Änderung der Rechtsprechung des BGH bei der Berechnung eines fiktiven Einkommens, vgl. Rn. 63. 428 BGH, FamRZ 2001, 614 ff. mit Anm. von Büttner. 429 BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. mit Anm. von Büttner, 1068.
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Nimmt der Unterhaltsschuldner für sich einen Kredit zur Überbrückung eines Einkommensausfalls in Anspruch, wird von ihm verlangt, dass er den Kredit auch für seine Unterhaltsverpflichtungen aufnimmt.430 Droht eine Zahlungsunfähigkeit wegen hoher Verschuldung, besteht die Pflicht zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, denn durch die Pfändungsfreibeträge für Unterhaltsschulden kann eine Sicherung des laufenden Unterhaltsbedarfs des Kindes bei entsprechendem Einkommen des Pflichtigen in Betracht kommen.431 142 Strafhaft führt zur Leistungsunfähigkeit, es sei denn, sie wurde wegen Unterhaltsentziehung ausgesprochen oder der Straftat lagen die Vorstellung und der Antrieb zugrunde, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu mindern.432
" Praxishinweis: Besteht ein Unterhaltsurteil bzw. -beschluss und kann der
Verpflichtete den Unterhalt zu Recht für voraussichtlich längere Zeit nicht mehr oder nur noch zum Teil zahlen, muss er dies dem gesetzlichen Vertreter des Kindes, i.d.R. dem anderen Elternteil, mitteilen (am besten unter Nachweis der Gründe für die mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit) und innerhalb einer genau bezeichneten Frist den (teilweisen) Verzicht auf die Rechte aus dem Unterhaltstitel für die Zeit ab dem Ersten des folgenden Monats verlangen. Kommt der Berechtigte dieser Aufforderung nicht nach, sollte zügig ein Abänderungsverfahren beantragt werden; denn solange das Gericht den Titel nicht abgeändert hat, kann daraus wegen der Unterhaltsforderung vollstreckt werden. Seit 1.9.2009 ist im Abänderungsverfahren auch die rückwirkende Erhöhung von Unterhalt für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- bzw. Verzichtsverlangen folgenden Monats möglich (§ 238 Abs. 1 FamFG, s. Rn. 853 ff.). Die Herabsetzung kann für die Zeit bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags beantragt werden (Rn. 855). Eine zügige Klärung ist gleichwohl sinnvoll, weil im Falle der Vollstreckung des Unterhalts, die Chance auf Rückerstattung zuviel gezahlten Unterhalts beim Kindesunterhalt gering ist. Wegen der Abänderung von Titeln vgl. Rn. 830 ff.
143 Für den Fall, dass der Verpflichtete keinen Unterhalt zahlen kann, kann das Kind einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt aus öffentlichen Kassen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe des Mindestunterhalts seiner Altersgruppe abzüglich das volle Kindergeld geltend machen. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben Kinder für die Dauer von längstens 72 Monaten bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (§§ 1, 3 UVG). Der Unterhaltspflichtige wird durch die Bezahlung des Unterhaltsvorschusses nicht von seiner Unterhaltspflicht befreit, denn der Unterhaltsanspruch des Kindes geht in Höhe der Vorschusszahlung auf den Leistungsträger über. Zum Forderungsübergang s. Kap. I, Rn. 556c ff. Zur Höhe der Unterhaltsvorschussbeträge s. die Übersicht unter Rn. 65a. 144 Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist der über dem Selbstbehalt liegende Teil für den Unterhalt zu verwenden. Sind noch andere gleichrangige Berechtigte mit zu berücksichtigen, ist die jeweilige Unterhaltsrente mithilfe der Dreisatzrechnung zu ermitteln (vgl. dazu die nachstehende Mangelfallberechnung).
430 BGH, FamRZ 1987, 372, 374; OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1475, 1476. 431 BGH, FamRZ 2005, 608 ff.; vgl. dazu auch Rn. 23 und zu den verfahrensrechtlichen Folgen der Verbraucherinsolvenz den Praxishinweis unter Rn. 80. 432 BGH, FamRZ 2002, 813, 814 zur Leistungsfähigkeit eines Sexualstraftäters.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
11. Mangelfälle Ergibt sich nach der Klärung des Bedarfs der Unterhaltsberechtigten und der Prü- 145 fung der Leistungsfähigkeit, dass die zur Verfügung stehenden Nettoeinkünfte des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreichen, um seinen notwendigen Selbstbehalt und den errechneten Bedarf mehrerer gleichrangiger Unterhaltsberechtigter abzudecken,433 muss das über dem Selbstbehalt liegende Geld anteilig auf die gleichrangigen Unterhaltsverpflichtungen aufgeteilt werden (sog. absoluter Mangelfall). Vom unechten (relativen) Mangelfall spricht man, wenn die Verteilungsmasse nicht ausreicht, um die Unterhaltsansprüche aller Berechtigten, auch der nachrangig Unterhaltsberechtigten, zu befriedigen. In dem Fall ist die Verteilungsmasse zunächst für die Befriedigung der vorrangig Berechtigten zu verwenden. Für die Berechnung der Kürzung der Unterhaltsrenten im absoluten Mangelfall gilt folgende Formel: Hohe der monatlichen Unterhaltsrente ¼ ¨
Einsatzbedarf % Verteilungsmasse Summe der Einsatzbetrage ¨
Die Mangelfallberechnung erfolgt in 4 Arbeitsschritten434:
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– Bestimmung der Einsatzbeträge der Unterhaltsberechtigten für die Mangelfallberechnung; – Feststellung des zu verteilenden Einkommens (bereinigtes Einkommen abzüglich des dem Verpflichteten zustehenden notwendigen Selbstbehalts = Verteilungsmasse); – Berechnung der Anteile der Berechtigten an der Verteilungsmasse entsprechend dem Verhältnis ihrer Einsatzbeträge nach der Formel: Einsatzbetrag × Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten. Vereinfacht: Einsatzbetrag × Kürzungsfaktor (Kürzungsfaktor = Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge). – abschließende Angemessenheitskontrolle und ggf. Korrektur des Ergebnisses durch Vergleich des individuellen Bedarfs mit den Ergebnissen untereinander. Einsatzbeträge sind, da minderjährige und nach § 1603 Abs. 3 BGB privilegierte volljährige Kinder seit 1.1.2008 im ersten Rang vor den anderen Berechtigten stehen, die errechneten Bedarfsbeträge oder der Mindestunterhalt der Kinder, jeweils abzüglich das anteilige Kindergeld, denn es mindert den Barbedarf des Kindes (§ 1612b Abs. 1 Satz 2 BGB).435 Bei privilegierten Volljährigen ist das volle Kindergeld abzuziehen (s. Rn. 219a). Die Verteilungsmasse wird ermittelt durch Abzug des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen von dem bereinigten Einkommen. Der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kindern beträgt seit 1.1.2008 nach den Leitlinien aller OLG 433 Zur Rangfolge der Ansprüche vgl. Rn. 155. 434 BGH, Urt. v. 22.1.2003 – XII ZR 2/00, FamRZ 2003, 363 ff. in grundlegender Änderung seiner Rechtsprechung; zur früheren Handhabung vgl. BGH, FamRZ 1997, 806, 811. 435 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304 f.; DT, Anm. C sowie Nr. 15.2 der LL; Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2027; Reinken, FPR 2008, 9, 11; Klinkhammer, FamRZ 2008, 193, 200; Schürmann, FamRZ 2008, 313, 323.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
bundesweit 900 Euro beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen und 770 Euro beim Nichterwerbstätigen.436 a) Mangelfallberechnung nach neuem Recht ab 1.1.2008 147 Beispiel V lebt von seiner Ehefrau F getrennt, in deren Haushalt drei gemeinsame Kinder im Alter von 5, 7 und 18 Jahren leben. Das volljährige Kind besucht noch die Schule. Das Kindergeld bezieht F, die kein Einkommen hat. Das bereinigte Einkommen des V beträgt 1 400 Euro. Die Kinder haben nach der Einkommensgruppe 1 der DT einen Unterhaltsbedarf i.H.v. zusammen 1 169 Euro. Nach Abzug des Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 1 BGB besteht ein ungedeckter Bedarf von 798 Euro: K1 4. Altersstufe K2 2. Altersstufe K3 1. Altersstufe (erhöhtes Kindergeld) Summe der Bedarfsbeträge:
488 Euro – 184 Euro 364 Euro – 92 Euro 317 Euro – 95 Euro 1 169 Euro abzgl. Kindergeld
= 304 = 272 = 222 = 798
Euro Euro Euro Euro
Da F zur Zahlung von Unterhalt für das privilegierte volljährige Kind (K3) nicht leistungsfähig ist, hat V für den gesamten Unterhalt der Kinder aufzukommen. Bei einem Selbstbehalt von 900 Euro, der auch gegenüber privilegierten volljährigen Kindern gilt, reichen die zur Verfügung stehenden 500 Euro nicht aus, um den Bedarf der Kinder vollständig zu befriedigen, so dass ein Mangelfall vorliegt. Hier handelt es sich um einen absoluten Mangelfall, denn es können die Ansprüche der im ersten Rang gem. § 1609 Nr. 1 BGB berechtigten Kinder nicht vollständig befriedigt werden. Für die ebenfalls unterhaltsbedürftige F, die gem. § 1609 Nr. 2 BGB im 2. Rang berechtigt ist, sind keine Mittel mehr vorhanden, so dass sie leer ausgeht. 1. Bestimmung der Einsatzbeträge Die Einsatzbeträge entsprechen hier den errechneten Bedarfsbeträgen. Einsatzbetrag ist der Mindestunterhalt abzüglich des anteiligen Kindergelds. K1 K2 K3 Summe der Bedarfsbeträge:
488 Euro – 184 Euro 364 Euro – 92 Euro 317 Euro – 95 Euro
= 304 = 272 = 222 = 798
Euro Euro Euro Euro
2. Verteilungsmasse Bei einem Selbstbehalt von 900 Euro reicht das Einkommen des V nicht aus, um den Bedarf der Kinder von 798 Euro zu befriedigen, so dass die Ansprüche gekürzt werden müssen. Die Verteilungsmasse beträgt 500 Euro (1 400 Euro Einkommen – 900 Euro Selbstbehalt). 3. Berechnung der anteiligen Unterhaltsansprüche der Kinder Einsatzbeträge × Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten K1 = 191 Euro (304 Euro × 500 Euro : 798 Euro) K2 = 170 Euro (272 Euro × 500 Euro : 798 Euro) K3 = 139 Euro (222 Euro × 500 Euro : 798 Euro) = 500 Euro 4. Vereinfachte Berechnung Kürzungsfaktor × Einsatzbetrag = Unterhalt Der Kürzungsfaktor beträgt 62,65 % (Verteilungsmasse 500 : Summe der Einsatzbeträge 798 × 100 = 62,65 %) 436 Zur Höhe des aktuellen Selbstbehalt s. Nr. 21.2 der jew. für den Wohnsitz des Kindes maßgeblichen LL.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird K1 = 191 Euro (304 Euro × 62,65 %) K2 = 170 Euro (272 Euro × 62,65 %) K3 = 139 Euro (222 Euro × 62,65 %) = 500 Euro
b) Mangelfallberechnung wegen bis zum 31.12.2007 fälligen Kindesunterhalts bei Gleichrangigkeit des Ehegattenunterhalts (zweistufige Mangelfallberechnung) Nach bis zum 31.12.2007 gültigem Recht ergeben sich für die Mangelfallberech- 147a nung aus mehreren Gründen Unterschiede zur Berechnung nach aktueller Rechtslage, die zu beachten sind, wenn Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007 zu berechnen sind. Zum einen waren bis zum 31.12.2007 minderjährige und privilegierte volljährige Kinder mit den Ehegatten gleichrangig unterhaltsberechtigt, so dass die Berechnung im Hinblick auf die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze des Verpflichteten gegenüber Kindern und Ehegatten komplizierter ist, zum anderen ergeben sich bei der Kindergeldverrechnung Besonderheiten, insbesondere im Hinblick auf § 1612b Abs. 5 BGB a.F. (Rn. 110 ff.). Wegen des Gleichrangs von Kindesunterhaltsansprüchen mit denen des Ehegatten und der unterschiedlichen Eigenbedarfssätze gegenüber Kindern und getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten ist für diese Zeiträume beim Zusammentreffen dieser Ansprüche eine zweistufige Mangelberechnung vorzunehmen, die nachfolgend erläutert wird. Einsatzbeträge sind, wenn Kindes- und Ehegattenunterhaltsansprüche geltend 147b gemacht werden, nicht die errechneten Bedarfsbeträge, sondern ein Bedarf in Höhe des jeweiligen Existenzminimums, um eine gleichmäßige Verteilung der Mittel zu gewährleisten. Für jedes Kind werden deshalb 135 % des Regelbetrags der maßgeblichen Altersstufe nach der Regelbetrag-VO und für den Ehegatten der notwendige Eigenbedarf nach Maßgabe seiner jeweiligen Lebenssituation eingesetzt.437 Der Einsatzbetrag für den unterhaltsberechtigten Ehegatten entspricht dem notwendigen Eigenbedarf nach den Leitlinien: Die Eigenbedarfssätze des Verpflichteten und Einsatzbeträge von berechtigten Ehegatten haben vom 1.7.2005–31.12.2007 nach den Leitlinien je nach Lebenssituation betragen: Leitlinien Stand 1.7.2005
Leitlinien Stand 1.7.2007
DT/neue Bundesländer
DT/neue Bundesländer
Eigenbedarfssätze gegenüber Minderjährigen falls erwerbstätig falls nicht erwerbstätig
890/820 770/710
900/820 770/710
gegenüber getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten falls erwerbstätig falls nicht erwerbstätig
890–995/820 770/710
900–1000/820 770/710
437 BGH, FamRZ 2003, 363, 366.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes Leitlinien Stand 1.7.2005
Leitlinien Stand 1.7.2007
DT/neue Bundesländer
DT/neue Bundesländer
Einsatzbeträge für unterhaltsberechtigte Ehegatten nach Trennung und Scheidung falls erwerbstätig falls nicht erwerbstätig
890/820 770/710
900/820 770/710
für im Haushalt lebenden Ehegatten falls erwerbstätig falls nicht erwerbstätig
650/580 560/500
650/580 560/500
Bezieht der mit dem Unterhaltspflichtigen in einem Haushalt lebende Ehegatte Erziehungsgeld, ist dieses nicht bedarfsmindernd auf seinen Familienunterhaltsanspruch anzurechnen.438 Insoweit gilt § 9 Abs. 1 BErzGG, nach dem die Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltsschuldners unverändert bleibt, wenn seine unterhaltsberechtigte Ehefrau Erziehungsgeld erhält. Betreut der neue Ehegatte keine gemeinsamen Kinder, kann sein Familienunterhaltsanspruch gleichrangig bei der Mangelfallberechnung neben den Unterhaltsansprüchen der Kinder des Verpflichteten berücksichtigt werden, wenn deren Mutter nicht mehr unterhaltsbedürftig ist.439 Auch Elterngeld, das ab 1.1.2007 bezogen wurde, bleibt in Höhe von mtl. 300 Euro außer Ansatz (§ 11 BEEG, s. Rn. 66b). Ergibt die Mangelfallberechnung für den Ehegatten einen höheren Unterhalt als ihm nach dem errechneten Quotenunterhalt entsprechend den eheprägenden Einkünften zustünde, ist der Anspruch im Rahmen der Angemessenheitskontrolle auf den Quotenunterhalt zu begrenzen. Dieser bildet die obere Grenze des Bedarfs.440 148 Beispiel für zweistufige Mangelfallberechnung (DT, Stand 1.7.2007) V ist seinen 2 minderjährigen Kindern und seiner getrennt lebenden Ehefrau F unterhaltspflichtig. Er hat ein bereinigtes Einkommen von 1 400 Euro; F ist nicht erwerbstätig und betreut die gemeinsamen Kinder K 1 (3 Jahre) und K 2 (9 Jahre). Der Selbstbehalt gegenüber den Kindern beträgt 900 Euro und gegenüber der Ehefrau 1 000 Euro. Der Bedarf der Kinder beträgt nach der Tabelle (Einkommensgruppe 2) 217 Euro (K 1) + 263 Euro (K 2) = 480 Euro. Der Bedarf der F beträgt nach Vorabzug des Kindesunterhalts 395 Euro: Einkommen V – Kindesunterhalt – Erwerbstätigenbonus : 2 1 400 Euro – 480 Euro = 920 Euro 920 Euro abzüglich Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 entspricht: 920 × 6/ 7 = 789 Euro 789 Euro : 2 = 395 Euro
438 BGH, FamRZ 2006, 1182–1185. 439 BGH, FamRZ 2007, 1081. 440 BGH, FamRZ 2003, 366, 367, Nr. 2g, 5aa.
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IV. Wie der Unterhalt geleistet wird Der Gesamtbedarf der Kinder und F beträgt 875 Euro (480 Euro + 395 Euro). Das zu verteilende Einkommen beträgt insgesamt nur 500 Euro und reicht zur Befriedigung des Bedarfs nicht aus. 1. Stufe: Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau bei einem Selbstbehalt von 1 000 Euro a) Bestimmung der Einsatzbeträge aller Berechtigten Existenzminimum der Kinder: 135 % des Regelbetrags K1 K2
273 331 604 770 1 374
Existenzminimum der F (notwendiger Eigenbedarf) Summe der Einsatzbeträge:
Euro Euro Euro Euro Euro
b) Verteilungsmasse Die Verteilungsmasse beträgt 400 Euro. c) Berechnung des gekürzten Anspruchs der Ehefrau Einsatzbetrag × Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge (770 Euro × 400 Euro : 1 374 Euro) = 224 Euro Zwischenergebnis: F kann 224 Euro verlangen. 2. Stufe: Berechnung des Kindesunterhalts bei einem Selbstbehalt von 900 Euro a) Bestimmung der Einsatzbeträge K1 K2
273 Euro 331 Euro 604 Euro
b) Verteilungsmasse Die Verteilungsmasse beträgt 276 Euro (1 400 Euro Einkommen V – 224 Euro Anspruch F – 900 Euro kleiner Selbstbehalt). c) Berechnung des gekürzten Unterhalts der Kinder Berechnung nach der Kurzformel: Kürzungsfaktor: 276 : 604 = 0,4569 K1= K2=
Einsatzbetrag × Kürzungsfaktor Verteilungsmasse : Einsatzbeträge 125 Euro (273 Euro × 0,4569) 151 Euro (331 Euro × 0,4569) 276 Euro
Die Berechnung der Kindesunterhaltsanteile könnte in der 2. Stufe auch mit den Tabellenbedarfsbeträgen durchgeführt werden. Ergebnis: Von der Gesamtverteilungsmasse von 500 Euro entfallen 224 Euro auf den Ehegattenunterhalt, 125 Euro auf K 1 und 151 Euro auf K 2. Ein Kindergeldausgleich findet nicht statt, da die zu zahlenden Beträge niedriger liegen als 135 % des Regelbetrags abzüglich des anteiligen Kindergeldes (§ 1612b Abs. 5 BGB, Rn. 114). Das Ergebnis gibt keinen Anlass zur Korrektur, denn die errechneten Beträge stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander.
IV. Wie der Unterhalt geleistet wird Der barunterhaltspflichtige Elternteil ist zur Zahlung von Unterhalt in Form ei- 149 ner Geldrente (§ 1612 Abs. 1 BGB) verpflichtet. Diese ist jeweils im Voraus zu Ehinger
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
zahlen (§ 1612 Abs. 3 BGB). Die Vorauszahlungsregel ist nicht gleichbedeutend mit der Zahlung zum jeweils Ersten des Monats; vielmehr bezieht sich die Formulierung nur auf die jeweilige Unterhaltsperiode, die auch am 10. oder 15. eines Monats beginnen kann.441 150 Die Fälligkeit, d.h. ab wann der Unterhaltsgläubiger den Unterhalt verlangen kann, richtet sich nach § 1613 Abs. 1 BGB. Danach ist der Unterhalt ab dem Ersten des Monats geschuldet, in dem der Verpflichtete zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung aufgefordert wurde, in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (Rn. 156). Im Unterhaltstitel sollte deshalb die Fälligkeit genau bestimmt werden. Da der Verpflichteten für erbrachte Leistungen auf den geschuldeten Unterhalt darlegungs- und beweispflichtig ist, sollte auf den Überweisungsträgern immer genau angegeben werden, auf wen (bei mehreren Berechtigten), in welcher Höhe und auf welchen Zeitraum sich die Zahlungen beziehen. Fehlt es an einer zeitlichen Bestimmung des Verpflichteten, werden die Zahlungen zunächst auf den laufenden Unterhalt und dann auf die Rückstände verrechnet (§ 366 Abs. 2 BGB).
" Praxishinweis: Empfehlenswert ist folgende Antragsformulierung: „Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab 1.1.2007 an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin, eine monatliche jeweils im Voraus bis zum 1. (variabel) eines Monats zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von 188 Euro zu zahlen.“ Wie die Zahlungsanträge nebst Zinsen zu fassen sind, ist anhand von Musterantragsschriften – auch für den dynamisierten Unterhalt – unter Rn. 797 ff. erläutert.
151 Ob ein Elternteil einem minderjährigen Kind barunterhaltspflichtig ist, hängt davon ab, bei welchem Elternteil das Kind lebt. Unabhängig von der Regelung der elterliche Sorge erfüllt der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, in der Regel seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind durch Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 BGB), der andere nicht betreuende Elternteil ist barunterhaltspflichtig. Dies gilt auch, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil umfänglich Umgang mit dem Kind hat und sich an der Betreuung beteiligt. Nur bei im Wesentlichen hälftiger Betreuung des Kindes kommt eine beiderseitige Barunterhaltspflicht in Betracht.442 Zur Berechnung des Unterhalts beim Wechselmodell vgl. Rn. 97 ff.
V. Keine Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB 152 Anders als sonst im Verwandtenunterhalt schließt das Gesetz eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen sittlichen Verschuldens oder einer schweren Verfehlung des minderjährigen Kindes gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahen Angehörigen ausdrücklich aus (§ 1611 Abs. 2 BGB). Maßgeblich für diese Schutzklausel zugunsten Minderjähriger ist zum einen die gesteigerte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber minderjährigen Kindern, zum anderen, dass eventuelle Fehlentwicklungen oft auf dem unzureichenden Erziehungsverhalten von Eltern beruhen. Privilegierte Volljährige können sich hingegen nicht auf § 1611 Abs. 2 BGB berufen, denn der Gesetzgeber hat eine entsprechende An-
441 FamGB/Griesche, § 1612 BGB Rn. 30; KG, FamRZ 1984, 1131, 1134. 442 BGH, FamRZ 2006, 1015, 1017.
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VI. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht
wendung der Vorschrift für sie nicht vorgesehen.443 Liegen die Gründe für die Unterhaltsbedürftigkeit eines volljährigen Kindes in der Zeit der Minderjährigkeit, rechtfertigen sie ebenfalls nicht die Anwendung der Verwirkungsvorschrift des § 1611 Abs. 1 BGB.444 Dies gilt z.B. wenn eine 17-Jährige ihre Ausbildung vorwerfbar abbricht, arbeitslos wird und auch für die Zeit der Volljährigkeit Unterhalt verlangt.445
VI. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht Für die Zukunft kann auf den Unterhalt des minderjährigen Kindes nicht verzich- 153 tet werden, auch nicht teilweise (§ 1614 Abs. 1 BGB). Eine Unterschreitung der Tabellenwerte wird bis zu 20 % noch hinzunehmen sein, liegt der vereinbarte Unterhalt jedoch um ein Drittel unter dem gesetzlich geschuldeten Unterhalt, ist die Vereinbarung in der Regel unwirksam.446 Die Unwirksamkeit der Vereinbarung führt dazu, dass das Kind jederzeit den höheren Unterhalt verlangen kann. Keine Bedenken bestehen gegen einen Verzicht auf rückständigen Unterhalt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn für das Kind in der Vergangenheit öffentliche Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse oder vom Sozialhilfeträger bezogen wurden (s. Kap. I, Rn. 556c). Da die Ansprüche in Höhe der Leistungsgewährung auf das Sozialamt oder die Vorschusskasse übergegangen sind, bedarf eine solche Vereinbarung der Genehmigung des Leistungsträgers. Oft besteht ein Bedürfnis der Eltern, rechtlich verbindlich zu klären, dass der bar- 154 unterhaltspflichtige Elternteil keinen Unterhalt zahlen muss, z.B. wenn er nach der Scheidung weiter die Lasten für ein gemeinsames Haus, in dem der andere mit dem Kind lebt, bezahlt oder jeder ein gemeinsames Kind versorgt und beide Eltern etwa gleichviel verdienen. Hier darf zwar auch nicht auf Kindesunterhalt verzichtet werden. Die Eltern können aber wirksam eine Vereinbarung darüber treffen, dass der das Kind betreuende Elternteil den anderen von der Zahlung von Kindesunterhalt im Innenverhältnis freistellt (sog. Freistellungsvereinbarung). Eine Freistellungsvereinbarung stellt eine Erfüllungsübernahmeverpflichtung i.S.v. § 329 BGB dar, aufgrund derer der Unterhaltsschuldner gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen kann, dass dieser den Anspruch des Kindes zu erfüllen, bzw. ihm den an das Kind gezahlten Unterhalt zu erstatten hat. Das Kind verliert durch diese Vereinbarung der Eltern nicht seinen Unterhaltsanspruch. Bei wechselseitigen Freistellungsvereinbarungen der Eltern in den Fällen der Geschwistertrennung sollte bei sehr unterschiedlichen Einkünften beachtet werden, dass die geschuldeten Unterhaltsrenten erheblich differieren können. Hier kann es sinnvoll sein, festzulegen, dass der besser gestellte Elternteil zur Zahlung eines Differenzbetrags verpflichtet ist. Die Anforderungen an das Vorliegen einer ausdrücklichen Freistellungsvereinbarung sind allerdings streng, insbesondere muss aus übereinstimmenden Willenserklärungen der Eltern eindeutig erkennbar sein, dass ein Elternteil mit Rechtsbindungswillen den tatsächlich
443 Vgl. zur Billigkeitsklausel des § 1611 BGB beim Verwandtenunterhalt ausführlich Griesche, FPR 2005, 335 ff. 444 BGH, FamRZ 1988, 159, 163. 445 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.5.2009 – 9 WF 53/09, NJW-RR 2010, 219–221. 446 BGH, FamRZ 1984, 999.
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geschuldeten Unterhalt für den anderen übernehmen will, was durch ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung geschehen kann. Nicht ausreichend ist z.B., dass sich ein Elternteil im Unterhaltsstreit mit einer geringeren Zahlung als geschuldet einverstanden erklärt hat.447
VII. Rangverhältnisse 155 Reicht das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Befriedigung der Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten nicht aus, gilt die in § 1609 BGB geregelte Rangfolge: Die minderjährigen unverheirateten Kinder und die ihnen gleichgestellten unverheirateten volljährigen Schüler bis zu ihrem 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, haben seit 1.1.2008 den ersten Rang vor allen anderen Unterhaltsberechtigten (§ 1609 Nr. 1 BGB).448 Es folgen im 2. Rang kinderbetreuende Elternteile, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Im 3. Rang berechtigt sind alle übrigen Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen; im 4. die volljährigen Kinder; im 5. Rang Enkelkinder, im 6. Rang die Eltern und im 7. Rang weitere Verwandte (§ 1609 Nr. 3–7 BGB). Bis 31.12.2007 waren die minderjährigen und privilegierten volljährigen Kinder nach § 1609 Abs. 1 und 2 BGB a.F. neben dem Ehegatten – einschließlich des (getrennt lebenden oder geschiedenen) Ehegatten – gleichberechtigt vor allen anderen Unterhaltsgläubigern zu berücksichtigen. Sind wegen Unterhalts ab 1.1.2008 neben erstrangig berechtigten Kindern noch weitere nachrangige Unterhaltsberechtigte zu befriedigen und reichen die Mittel nicht zur Befriedigung des vollen Unterhaltsbedarfs aller aus, ist der Kindesunterhalt zunächst in Höhe des Zahlbetrags, d.h. abzüglich des anteiligen Kindergeldes, vorab vom Einkommen des Verpflichteten abzuziehen.449 Dass das Kindergeld bedarfsmindernd abzuziehen ist, folgt aus der in § 1612b Abs. 1 BGB geregelten Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf des Kindes.450 Streitig ist hingegen, in welcher Höhe dem Kind Unterhalt zustehen soll, wenn das Geld zwar für die Befriedigung des Kindesunterhalts, aber nicht zur vollen Befriedigung nachrangig berechtigter Ehegatten ausreicht (s. dazu Rn. 416). Maßgeblich ist der sich nach einer Angemessenheitsprüfung ergebende Betrag, der sich bei der Einstufung in die DT durch Anwendung der Bedarfskontrollbeträge ergibt unter Berücksichtigung aller Unterhaltsberechtigten, unabhängig von ihrem Rang (Rn. 92).451 Denn die Rangfolge spielt keine Rolle für die Bedarfsbestimmung, sondern erst bei der Leistungsfähigkeit. Werden die Bedarfskontrollbeträge für die Angemessenheitsprüfung nicht angewendet, wird auch vertreten, dass zur Vereinfachung der Unterhalt sogleich der Einkommensgruppe 1 entnommen werden sollte, um eine angemessene Verteilung des Unterhalts zwischen Unterhaltsberechtigten der geänderten Rangfolge 1–3, wie sie sich der Gesetzgeber des UÄndG vorgestellt hat, zu erreichen.452 Bei engen Verhältnissen wird die Angemessenheitsprüfung mithilfe der Bedarfskontrollbeträge i.d.R. den Mindestunter447 448 449 450
BGH, FamRZ 2009, 768–770. Vgl. zur übrigen Rangfolge Rn. 422. BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304 f. Vgl. Nr. 23.1 der LL, ebenso u.a. Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2027; Borth, FamRZ 2006, 813, 820; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292f; Ehinger, FamRB 2006, 338, 342 f. 451 Dose, JAmt 2009 1, 6. 452 So Wendl/Gerhard, § 4 Rn.191; Wendl/Scholz, § 2 Rn. 241; BT-Drs. 16/1830, S. 24.
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VIII. Unterhalt für die Vergangenheit
halt ergeben, so dass die Streitfrage wenig praktische Relevanz hat (Rn. 416). Ergeben sich bei günstigeren finanziellen Verhältnissen jedoch höhere Kindesunterhaltsbeträge, werden diese bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit nicht wegen nachrangiger Unterhaltsansprüche generell auf den Mindestunterhalt herabgestuft.453
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit Unterhalt kann i.d.R. nicht für die Vergangenheit verlangt werden; denn er dient 156 immer nur der Deckung des aktuellen Lebensbedarfs. Es kann deshalb für eine zurückliegende Zeit nur ausnahmsweise Unterhalt in folgenden Fällen geltend gemacht werden: – gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Verpflichtete zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen; – gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Zeitpunkt an, zu dem der Unterhaltsverpflichtete in der Vergangenheit unter Angabe des Zahlungsbetrags vergeblich zur Zahlung aufgefordert worden ist, d.h. in Verzug gesetzt worden ist, oder der Unterhaltsanspruch mit Zustellung der Klageschrift an den Verpflichteten rechtshängig geworden ist; – gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB für Sonderbedarf innerhalb eines Jahres seit Entstehung des Anspruchs; nach Ablauf eines Jahres nur, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Zu den Anspruchsvoraussetzungen des Sonderbedarfs vgl. die Erläuterungen unter Rn. 120; – gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b BGB für den Zeitraum, in dem das Kind aus rechtlichen Gründen (Nr. 2 Buchst. a) oder aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen (Nr. 2 Buchst. b), an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. In diesen Fällen kann sich der Anspruch aber mindern oder darf gestundet werden, falls die volle oder sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde (§ 1613 Abs. 3 BGB). Der gemäß § 1613 Abs. 1 BGB geltend gemachte Unterhalt für die Vergangenheit wird geschuldet ab dem Ersten des Monats (Fälligkeit), in den eines der ersten drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Regelung in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB ist an die Stelle des früheren 157 § 1615d BGB a.F. getreten und ermöglicht dem nichtehelichen Kind nach Feststellung oder Anerkennung der Vaterschaft, Unterhalt auch für den Zeitraum geltend zu machen, in dem die Vaterschaft noch nicht rechtsverbindlich geklärt war. Beispiel Am 15.1.2009 wird rechtskräftig festgestellt, dass V der Vater des am 15.12.2007 geborenen Kindes K ist. K kann für die Zeit ab 15.12.2007 rückständigen Individualunterhalt einschließlich Sonderbedarf verlangen. Liegt ein Härtegrund vor, kann V die Stundung oder Minderung der Zahlungsverpflichtung verlangen.
453 Dose, JAmt 2009, 1, 6.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
158 Mit der Regelung in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB können auch die Fälle erfasst werden, in denen der Verpflichtete sich z.B. unbekannt im Ausland aufhält. Beispiel M bricht aus dem bürgerlichen Leben aus, verlässt die Familie, ohne Nachricht zu hinterlassen, wie man ihn erreichen kann, und erfüllt sich seinen Traum einer Weltumseglung. Er meldet sich nach 2 Jahren wieder bei der Familie. Seine Kinder können für die vergangenen 2 Jahre rückständigen Unterhalt verlangen.
159 Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Gemäß § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet, durch die Mahnung in Verzug. Die Zahlungsaufforderung entspricht der Mahnung.454 Klageerhebung und Zustellung des Mahnbescheids stehen der Mahnung gleich (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Auskunftsverlangen ist ebenfalls einer Mahnung gleichzustellen, wenn es mit einer unbezifferten Zahlungsaufforderung (Stufenmahnung, vgl. Rn. 714) verbunden wird.455 Steht die Leistungszeit z.B. aufgrund eines Vertrags fest, ist eine Mahnung entbehrlich. Der in § 286 Abs. 3 BGB geregelte automatische Verzugseintritt (30-Tage-Regel) bezieht sich nur auf Entgeltforderungen, nicht auf Unterhaltsforderungen. 160 Die Fälligkeit tritt bei der Mahnung ab dem Ersten des Monats ein, in dem die Mahnung bzw. Stufenmahnung dem Schuldner zugeht (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB); der Verzug hingegen tritt erst ab Zugang der Mahnung (auch der unbezifferten Stufenmahnung) ein und erstreckt sich auf die künftig fällig werdende wiederkehrende Unterhaltsrente.456 Deshalb muss die Mahnung nicht monatlich wiederholt werden. Beispiel M fordert als gesetzliche Vertreterin von K den Vater V schriftlich auf, ab April eine mtl. Unterhaltsrente jeweils zum Ersten eines Monats in noch zu beziffernder Höhe zu zahlen und Auskunft über sein Einkommen für das letzte Kalenderjahr innerhalb einer Frist von 3 Wochen zu erteilen. V geht das Mahnschreiben am 15.4. zu. Nach Auskunftserteilung verlangt K die Zahlung von mtl. 218 Euro ab 1.4. V beginnt mit der Zahlung des laufenden Unterhalts erst ab 1.8. K hat Anspruch auf Zahlung von Unterhalt für die Vergangenheit ab 1.4., denn aufgrund der Stufenmahnung ist der Unterhalt gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB ab 1.4. fällig. Verzugszinsen können für den rückständigen Unterhalt für April ab 15.4., dem Zugang der Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB), für Mai ab 1.5., für Juni ab 1.6., für Juli ab 1.7. verlangt werden.
Ab Verzugseintritt können Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank verlangt werden (§ 288 Abs. 1 i.V.m. § 247 BGB). Der Basiszinssatz beträgt z.B. seit 1.1.2005 1,21 %, 1.7.2005 1,17 %, 1.1.2006 1,37 %, 1.7.2006 1,95 %, 1.1.2007 2,7 %, 1.7.2007 3,19 %, 1.1.2008 3,32 %, 1.7.2008 3,19 %, 1.1.2009 1,62 %, 1.7.2009 0,12 %, 1.1.2010 0,12 % und seit 1.7.2010 0,12 %.
454 Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rn. 17. 455 BGH, FamRZ 1990, 283, 285. 456 BGH, FamRZ 1988, 370, Tz. 11, s. auch das Muster für eine Antragsschrift Rn. 795, Anm. 4 Rn. 797.
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IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
Für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2010 z.B. können deshalb 5,12 % Zinsen verlangt werden. Der variable Basiszins wird regelmäßig zum 1.1. und 1.7. eines Jahres dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank angepasst und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht.457
" Praxishinweis: Die seit 1.7.1998 geltende Regelung des § 1613 BGB, nach
der Unterhalt für die Vergangenheit ab dem Ersten des Monats verlangt werden kann, in dem dem Schuldner ein Auskunftsverlangen über sein Einkommen zum Zweck der Unterhaltsberechnung zugegangen ist, entsprach einem Bedürfnis der Praxis; denn zuvor musste der Unterhalt „ins Blaue“ hinein beziffert zu werden, um Ansprüche zu sichern, was auch mit Kostennachteilen verbunden war. Trotz dieser Regelung ist die Mahnung unentbehrlich, wenn das Einkommen des Verpflichteten bekannt ist oder ein Auskunftsverlangen wegen der 2-Jahres-Frist gemäß § 1605 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt. Aber auch für die Geltendmachung von Verzugszinsen ist sie notwendig (vgl. im verfahrensrechtlichen Teil Mustermahnschreiben unter Rn. 590).
Besonderheiten gelten für die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf Zahlung von Sonderbedarf (vgl. Rn. 156).
IX. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Grundsätzlich gilt für alle Unterhaltsansprüche, dass sie zeitnah geltend zu ma- 160a chen sind, denn sie dienen der Befriedigung des allgemeinen aktuellen Lebensbedarfs und für den Unterhaltsschuldner muss alsbald Klarheit über die Höhe seiner Belastungen hergestellt werden, damit Rückstände nicht zu einer drückenden Schuldenlast werden.458 Hält sich der Unterhaltsgläubiger nicht daran, muss er damit rechnen, dass er seine Ansprüche verwirkt (§ 242 BGB). Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen setzt voraus, dass der Berechtigte seine Ansprüche längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).459 Dabei geht der BGH davon aus, dass schon ein Jahr der Nichtgeltendmachung des Unterhalts, ausreichen könne, um den Anspruch zu verwirken.460 Dies gilt gleichermaßen für bereits titulierten Unterhalt, wenn er ohne triftigen Grund nicht vollstreckt wird.461 Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BGH auch für den Minderjährigenunterhalt, obwohl die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Allerdings müssen besondere Gründe das Vorliegen des Zeit- und Umstandsmoments rechtfertigen, wenn der rückständige Unterhalt nur in Höhe des Mindestbedarfs geltend gemacht wird:462 457 Die aktuellen Daten sind auch im Internet über www.bundesbank.de oder www.basiszinssatz.de abrufbar. 458 BGH, FamRZ 1988, 370. 459 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 460 BGH, FamRZ 1988, 370; 2002, 1698; 2004, 531, 532. 461 BGH, FamRZ 2004, 531, 532. Zum titulierten Minderjährigenunterhalt OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 362–364. 462 BGH, FamRZ 1999, 1422 unter Hinweis auf OLG München, FamRZ 1986, 504, 50. Ebenso OLG Köln, NJW-FER 2000, 311; OLG Dresden, JAmt 2004, 337, 339.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
Hat z.B. der Unterhaltspflichtige für das Kind in der Vergangenheit trotz Mahnung oder eines Auskunftsverlangens gemäß § 1613 Abs. 1 BGB nicht einmal Unterhalt in Höhe des Existenzminimums gezahlt, das Kind zwar wiederholt gemahnt, aber nicht alsbald Klage erhoben, dann wird zwar das Zeitmoment erfüllt sein, nicht jedoch das Umstandsmoment. Der Unterhaltspflichtige konnte trotz des Zeitablaufs nicht damit rechnen, dass das minderjährige Kind nicht auf Unterhalt dieser Höhe angewiesen sei, weil es anders als ein Erwachsener eben nicht in der Lage ist, sich selbst zu behelfen. Ist der Unterhaltsanspruch auf öffentliche Leistungsträger übergegangen, wird die Verwirkungsfrist von einem Jahr zu kurz bemessen sein, denn es ist hinreichend bekannt, dass die Behörden längere Bearbeitungszeiten benötigen, nicht zuletzt wegen der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschuss und Sozialhilfe für Kinder und Sparmaßnahmen in der Verwaltung.463 Eine über zwei Jahre hinausgehende Frist dürfte jedoch mit Rücksicht auf den Schutz des Schuldners vor Überschuldung nicht mehr gerechtfertigt sein. Eine Verwirkung kommt wegen Vorliegen des Umstandsmoments jedoch in Betracht, wenn der Gläubiger die Behauptung des Schuldners, er sei leistungsunfähig, folgenlos über Jahre hinnimmt. Beispiel K bezieht seit 2002 Unterhaltsvorschuss. Der unterhaltspflichtige V erteilt Auskunft, dass er Sozialhilfe beziehe. Die Vorschusskasse unternimmt nichts weiter, informiert V jedoch regelmäßig über die weitere Leistungsgewährung und macht im Januar 2006 einen Gesamtrückstand von 5 940 Euro für die Zeit vom 1.1.2003–31.12.2005 geltend. V ist fortdauernd arbeitslos und teilt dies mit. Im Mai 2007 erhebt das Land B Klage auf Zahlung des Gesamtrückstandes. Der Erfolg der Klage ist sehr zweifelhaft, denn hier dürfte auch das Umstandsmoment erfüllt sein, weil die Behörde nach der Mitteilung über den Bezug von Sozialhilfe (später ALG II) in 2002 über mehrere Jahre keine Anstalten gemacht hat, den Anspruch durchzusetzen und den Eindruck erweckt hat, als akzeptiere sie beim Bezug von Sozialhilfe/ ALG II die behauptete Leistungsunfähigkeit.
Besonders strenge Anforderungen an das Zeit- und Umstandsmoment haben gegenüber dem nichtehelichen Vater zu gelten ab Kenntnis einer möglichen Vaterschaft und deren Klärung.464
X. Verjährung 161 Die Verjährungsfrist für Unterhaltsansprüche Minderjähriger beträgt 3 Jahre (§ 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt grundsätzlich bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.). Diese Regelung gilt seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und ersetzte die bis dahin geltende Frist von 4 Jahren (§§ 197, 201 BGB a.F.). Bei Ansprüchen Minderjähriger gilt die Besonderheit, dass die Verjährung während der Minderjährigkeit gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB). 463 Vgl. zur Kritik an der Rechtsprechung des BGH bezogen auf den Elternunterhalt Hußmann, FPR 2004, 153; Klinkhammer, FamRZ 2003, 1702, 1704. In 2002 wurden 170 392 398 Euro als Unterhaltsvorschuss bewilligt, davon wurden 36 738 000 Euro im Wege des Rückgriffs eingeholt, s. Helmbrecht, UVG, S. 16. 464 OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 1044–1045.
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XI. Verfahrenskostenvorschuss Beispiel K wird am 21.4.2005 volljährig. Für alle bis zum 21.4.2005 entstandenen Unterhaltsansprüche des Kindes beginnt die Verjährungsfrist wegen der Hemmung erst am 21.4.2005 und endet am 31.12.2008.
Die Hemmung gilt nicht im Falle der Abtretung des Anspruchs an Dritte oder des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 7 UVG (§ 207 Satz 2 Nr. 2 BGB).465
XI. Verfahrenskostenvorschuss Minderjährige Kinder haben ihren Eltern gegenüber einen Anspruch auf Verfah- 162 renskostenvorschuss, mit dem die eigenen voraussichtlich entstehenden Anwalts- und Gerichtsgebühren verlangt werden können. Als Vorschuss kann ein Gerichtskostenvorschuss nach §§ 14, 28 FamGKG und für den Anwalt des Kindes der anwaltliche Gebührenvorschuss gemäß § 9 RVG einschließlich Nebenkosten verlangt werden. Zur Berechnung des Gerichts- und Anwaltskostenvorschusses s. Rn. 727 ff. mit einem Musterantrag für eine einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG. Umstritten war früher, ob der Vorschuss als Sonderbedarf Teil des allgemeinen Lebensbedarfs nach § 1610 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1613 Abs. 2 BGB ist466 oder – wie vom BGH467 entschieden – in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB geltend gemacht werden kann. Vorzuziehen ist die entsprechende Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB, denn insoweit handelt es sich um einen vom Gesetz speziell geregelten Fall von Sonderbedarf, wobei die Inanspruchnahme des Verpflichteten noch an bestimmte, anspruchseinschränkende Voraussetzungen geknüpft ist, deren Geltung auch im Verhältnis Eltern – Kind sinnvoll ist. Ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss besteht danach nur, wenn der Berechtigte bedürftig, der Schuldner leistungsfähig ist, der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft und die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch der Billigkeit entspricht. Bei der Billigkeitsprüfung sind insbesondere die persönlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen. Der Maßstab für die Belastbarkeit des Verpflichteten bestimmt sich nach seiner Einstandspflicht aufgrund des Unterhaltsrechtsverhältnisses, so dass dem Verpflichteten in der Regel der nach den Leitlinien maßgebliche eigene angemessene Eigenbedarf verbleiben sollte (§§ 1581 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB). Da gegenüber minderjährigen Kindern die erhöhte Einstandspflicht des § 1603 Abs. 2 BGB gilt, stellt die äußerste Grenze der Belastbarkeit der notwendige Selbstbehalt dar.468 Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit sind vorrangige Verbindlichkeiten abzuziehen. Ist der Verpflichtete eingeschränkt leistungsfähig, so dass er den Vorschuss nur in Raten aufbringen könnte, ist auch die Auferlegung einer ratenweisen Bezahlung möglich, wobei als Maßstab für die Bemessung auf die Grundsätze im Prozesskostenhilfeverfahren zurückgegriffen werden kann. Eine stärkere ratenweise Belastung der Eltern als im Falle eigener Prozess465 BGH, NJW 2006, 3561. 466 OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1100, für § 1360a BGB analog OLG Köln, FamRZ 1984, 723. 467 BGH, FamRZ 2004, 1633. 468 BGH, FPR 2004, 624, 625.
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A. Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes
führung mit PKH-Bewilligung entspräche nicht der Billigkeit.469 Allerdings gilt für die Bemessung der Raten, dass dem Schuldner der für das Unterhaltsrechtsverhältnis maßgebliche Selbstbehalt verbleibt, dies ist beim Minderjährigenunterhalt der notwendige Selbstbehalt. Zur Billigkeitsprüfung gehört auch, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben wird,470 wobei die für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zu §§ 114 ff. ZPO entwickelten Maßstäbe gelten. D.h. es besteht in aller Regel bereits dann eine Erfolgsaussicht, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängt, deren Prüfung nicht in das Verfahren über die Anordnung eines Prozesskostenvorschusses, vorverlagert werden darf.471
" Praxishinweis: Bevor das Kind für ein Unterhaltsstreitverfahren gegen den
barunterhaltspflichtigen Elternteil Verfahrenskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO beantragt, sollte immer zunächst geprüft werden, ob ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegenüber den Eltern besteht. Dieser kann dann im selbständigen einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG beantragt werden (Rn. 730 ff.). Insoweit besteht kein Anwaltszwang. Aber auch von dem betreuenden Elternteil kann die Bevorschussung verlangt werden, denn beim Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss handelt es sich um einen vermögenswerten Anspruch des Kindes, den es vorrangig gegenüber dem Schuldner geltend machen muss. Zu seinem verwertbaren Vermögen i.S.v. § 115 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII gehört auch der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen Eltern.472 Ist der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig, sollte dem Antrag des Kindes auf öffentliche Verfahrenskostenhilfe eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Elternteils beigefügt werden. Ein Elternteil ist dann nicht leistungsfähig zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses, wenn er nach seinen Einkommensverhältnissen selber Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung hätte.473 Zu den Anforderungen an die Bedürftigkeit im Verfahrenskostenhilfeverfahren vgl. Rn. 704 ff.
469 BGH, FPR 2004, 624, 625. 470 BGH, NJW 2001, 1646 f. 471 BVerfG, NJW 1991, 413; 1994, 241, 242; 2000, 1936, 1937; BGH, NJW-RR 2003, 1438; BGH, NJW 2002, 3554; 2001, 2262. 472 Allg. Meinung, vgl. Zöller/Geimer, 28. Auflage, § 115 BGB Rn. 67a m.w.N. 473 BGH, FamRZ 2004, 1633, 1634 f.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes I. Einleitung Der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes richtet sich – wie der des min- 163 derjährigen Kindes – nach den Vorschriften des BGB über den Verwandtenunterhalt (§§ 1601–1615 BGB); dabei handelt es sich um einen einheitlichen, rechtlich identischen Anspruch.1 Dies gilt für eheliche und nichteheliche Kinder gleichermaßen, denn sie sind seit 1.7.1998, dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 und des KindUG vom 6.4.1998 materiell-rechtlich einander völlig gleichgestellt.2 Im Zuge der Reform in 1998 wurde eine weitere Neuerung im materiellen Unterhaltsrecht eingeführt. Seitdem haften Eltern für unverheiratete, sog. privilegierte volljährige Kinder, die noch bei ihnen zu Hause oder bei einem Elternteil leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, nach den strengeren Anforderungen des Minderjährigenunterhalts (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). D.h. sie müssen sie bei knappen Geldmitteln gleichrangig mit den minderjährigen Kindern mit Unterhalt versorgen (§ 1609 Nr. 1 i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Außer dieser Besonderheit gelten für privilegierte volljährige Kinder ansonsten die übrigen Grundsätze des Volljährigenunterhalts, das bedeutet insbesondere, dass der bisher betreuende Elternteil den Unterhalt nun – genau wie der andere Elternteil – auch gegenüber dem bei ihm lebenden volljährigen Schüler nicht mehr durch Betreuung, sondern durch Leistung von Bar- oder Naturalunterhalt erbringen muss.3 Die nachfolgende Darstellung gilt deshalb sowohl für volljährige privilegierte Schüler als auch nicht privilegierte Volljährige. Soweit Besonderheiten für privilegierte Schüler gelten, wird darauf hingewiesen. Die wesentlichen Kriterien für die Klärung, wann ein Kind als privilegierter Volljähriger zu behandeln ist, sind nachfolgend unter B. III zusammengefasst (Rn. 179 ff.).
" Praxishinweis: Das Kind kann ab Volljährigkeit weiter aus einem Titel (z.B.
einem Beschluss, Urteil, einem gerichtlich protokollierten Vergleich oder einer vollstreckbaren Urkunde), der für ihn als Minderjährigen errichtet wurde, wegen des laufenden Unterhalts vollstrecken; denn der Unterhaltsanspruch des volljährigen ist mit dem des minderjährigen Kindes rechtlich identisch. Das minderjährige Kind hat deshalb auch einen Anspruch auf Titulierung des Unterhalts ohne zeitliche Beschränkung.4 Ist der Unterhalt in einem Scheidungsvergleich von den Eltern oder als Scheidungsfolgesache in einem Beschluss oder Urteil geregelt worden, kann das Kind ab Volljährigkeit die Vollstreckung betreiben, muss den Titel aber auf sich umschreiben lassen (§ 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB).5 Aus einem Unterhaltstitel in dynamisierter Form kann nach Eintritt der Volljährigkeit weiter vollstreckt werden; denn dem Verpflichteten ist die Verteidigung gegen die Zwangsvollstreckung mit dem Einwand der Volljährigkeit durch § 244 FamFG (§ 798a ZPO a.F.) abgeschnitten. Zulässig bleibt für den Verpflichteten aber das Ab-
1 2 3 4 5
BGH, FamRZ 1984, 682; 1994, 696. Zur verfahrensrechtlichen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder s. Rn. 1 ff. BGH, FamRZ 2002, 815, 817 f.; 2006, 99 f. OLG Stuttgart, NJWE-FER 2000, 142. Zulässig ist ab Volljährigkeit nur noch die Zwangsvollstreckung durch das Kind (OLG München, OLGR 2002, 68 und FamRZ 1997, 1493).
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
änderungsverfahren mit der Begründung, die Unterhaltsbedürftigkeit sei mit der Volljährigkeit entfallen oder geringer.6 Das Kind ist dann für seine fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit darlegungs- und beweispflichtig, was häufig übersehen wird.7
II. Anspruchsvoraussetzungen 164 Das volljährige Kind hat einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 BGB). Es ist aber nur unterhaltsberechtigt, soweit es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Grundsätzlich wird von ihm ab Beginn der Volljährigkeit erwartet, dass es eigenverantwortlich für seinen eigenen Unterhalt sorgt. Ein Anspruch kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn es nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil es noch zur Schule geht, studiert, eine Ausbildung erhält, krank ist und deshalb nicht arbeiten oder aber unverschuldet keine Arbeit finden kann. Für die Bestimmung des Bedarfs ist i.d.R. wegen des Fehlens einer eigenen Lebensstellung auf das Einkommen der Eltern abzustellen. Eigenes Einkommen des Kindes wird auf den Bedarf mindernd angerechnet. Für den verbleibenden ungedeckten Bedarf haften die Eltern als Verpflichtete anteilig nach ihrem Leistungsvermögen (§ 1603 Abs. 1 i.V.m. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das volljährige Kind hat sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen, z.B. ein Ausbildungsverhältnis oder eine Erkrankung, darzulegen und zu beweisen. Dies gilt auch für die Tatsachen, aus denen sich die Höhe des Anspruchs ergibt. Hat es noch keine eigene selbständige Lebensstellung, gehören dazu die Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Eltern. Diese sind aber auch deshalb unentbehrlich, weil die Eltern als Teilschuldner für den Unterhalt haften (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) und die Berechnungsgrundlagen für ihre anteilige Haftung für den Barunterhalt dargelegt werden müssen.8 Die Anspruchsvoraussetzungen gelten ab dem Tag der Volljährigkeit und nicht schon ab dem Ersten des Monats, in dem das Kind volljährig wird, denn § 1612a Abs. 3 BGB, der eine entsprechende Regelung für die Unterhaltsberechnung des Minderjährigenunterhalts bei Änderungen der Altersstufen vorsieht, gilt nicht für den Volljährigenunterhalt.9 1. Bedarf 165 Der angemessene Unterhalt bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Dem volljährigen Kind steht ein Anspruch auf angemessenen Unterhalt zu, dessen Höhe sich gemäß dem Gesetzeswortlaut nach seiner Lebensstellung, also seinen eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen richtet. Solange es jedoch ausbildungs(oder krankheits-)bedingt noch keine wirtschaftliche Selbständigkeit erreicht hat, fehlt es i.d.R. an der eigenen, von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern unabhängigen Lebensstellung. Davon ist selbst dann auszugehen, wenn das Kind schon einen eigenen Hausstand hat. Deshalb richtet 6 Vgl. dazu die Ausführungen zum Abänderungsverfahren unter Rn. 671. 7 KG, FamRZ 1989, 1206, 1207; 1994, 765, 766; OLG Köln, NJWE-FER 2000, 144; FamRZ 2000, 1043; BGH FamRZ 1990, 496 zur Darlegungs- und Beweislast, wenn sich der Abänderungsgegner trotz veränderten Sachverhalts auf fortdauernde Bedürftigkeit beruft. 8 BGH FamRZ 1994, 696 ff. 9 Palandt/Brudermüller, § 1612a BGB Rn. 27.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
sich der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes – jedenfalls zumindest für den Ausbildungsunterhalt – auch nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern.10 Erst nach Abschluss der Ausbildung erlangt das Kind eine eigene, von den Eltern unabhängige Lebensstellung, selbst wenn es nicht gleich eine Anstellung in dem erlernten Beruf findet.11 Das volljährige Kind kann ab Volljährigkeit von beiden Eltern Barunterhalt verlangen. Da es nicht mehr pflege- und erziehungsbedürftig ist, erbringt der bisher betreuende Elternteil seinen Beitrag zum Unterhalt nicht mehr durch Pflege und Erziehung (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), sondern gemäß § 1612 BGB durch Zahlung einer Geldrente (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder durch Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies gilt auch für Schüler, die noch im Haushalt eines Elternteils leben. Das Recht zur Bestimmung darüber, wie der Unterhalt geleistet wird, steht trotz 166 der mit dem 18. Geburtstag erreichten rechtlichen Selbständigkeit des Kindes den unterhaltsverpflichteten Eltern zu. Sie entscheiden darüber, ob sie den Unterhalt in Form von Naturalunterhalt (Zurverfügungstellung von Wohnraum, Verpflegung und sonstiger Versorgung zuzüglich Taschengeld) oder ausschließlich durch Zahlung einer Geldrente oder in einer Mischform von Bar- und Naturalunterhalt erbringen wollen (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dabei haben die Eltern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen (§ 1618a BGB). Das Bestimmungsrecht gilt auch, wenn Eltern getrennt leben. Es wird ausgeübt durch Erklärung dem Kind gegenüber und muss sowohl auf die Belange des Kindes als auch des anderen Elternteils Rücksicht nehmen (Rn. 233).12 Der Bedarf umfasst den gesamten Lebensbedarf, einschließlich der Berufsausbil- 167 dungskosten (§ 1610 Abs. 2 BGB). Im Wesentlichen besteht der Lebensbedarf in der Ausstattung mit allen für die leibliche und geistige Entwicklung notwendigen Mitteln, also Nahrung, Bekleidung, Hygiene, Gesundheits- und Krankenvorsorge, Unterkunft, Freizeitgestaltung, Taschengeld, Erholung, Reisen, Bildung, Befriedigung musischer und sportlicher Bedürfnisse und dergleichen. Der Bedarf kann individuell errechnet werden. In der Praxis wird jedoch der Unterhalt i.d.R. nicht nach dem individuellen Bedarf, sondern entweder pauschaliert nach der Unterhaltstabelle oder festen Regelbedarfssätzen bestimmt, die in den Leitlinien der zuständigen OLG für volljährige Kinder festgelegt sind. Der feste Regelbedarfssatz beträgt zzt. 640 Euro (Anm. A Nr. 7 der DT, Stand. 168 1.1.2010) und gilt seit 1.1.2008 bundesweit. Der aktuell geltende Wert ist jeweils unter der Nr. 13.1.2 der Leitlinien des zuständigen OLG geregelt. Lebt das Kind noch im Haushalt eines Elternteils wird der Bedarf nach der Unterhaltstabelle bemessen.13 Die DT hat für die volljährigen Kinder im Alter vom 18. bis zum 21. Lebensjahr, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, eine 4. Altersgruppe entwickelt. Der Bedarf der Volljährigen dieser Altersgruppe ist höher bemessen als für Kinder der 3. Altersstufe.
10 BGH, FamRZ 1986, 151. 11 Das OLG Bamberg (FamRZ 1994, 255, 256) bemisst in dem Fall den Bedarf bei fortdauernder Erwerbsunfähigkeit des Kindes nach dem kleinen Selbstbehaltssatz für Nichterwerbstätige. 12 Zur Unterhaltsbestimmung durch die Eltern und verfahrensrechtlichen Neuregelung seit 1.1.2008 vgl. Rn. 233 ff. 13 So jetzt alle OLG, vgl. z.B. Anm. A. 7 der DT und jeweils die Nr. 13.1.1 der Leitlinien.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Der Bedarf für volljährige, im Haushalt eines Elternteils lebende Kinder wird sowohl für Schüler als auch nicht privilegierte Volljährige von den Gerichten seit 1.1.2008 überwiegend nach der 4. Altersstufe bestimmt. Zu dieser Vereinheitlichung der Rechtsprechung hatte schon die Entscheidung des BGH über die volle Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsbedarf des volljährigen, im Haushalt eines Elternteil wohnenden Kindes beigetragen.14 Denn die zuvor teilweise von den Gerichten praktizierte Anwendung der Altersstufe 3 erfolgte unter der Voraussetzung eines nur hälftigen Abzugs des Kindergeldes, der seit 1.1.2008 nicht mehr möglich ist. Seitdem ist in § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB geregelt, dass das Kindergeld in voller Höhe mindernd auf den Bedarf des Kindes anzurechnen ist. Die Bedarfsbestimmung anhand der Tabelle erfolgt unter Berücksichtigung der Summe der bereinigten Einkommen beider Eltern. Für die Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens kann auf die Ausführungen zum Minderjährigenunterhalt in Kap. A, Rn. 31 ff. verwiesen werden. Sie gelten ohne Einschränkung für den Unterhalt privilegierter volljähriger Kinder (Rn. 179 ff.) wegen der gleich strengen Anforderungen an die Einstandspflicht der Eltern für den Unterhalt. Soweit wegen der geringeren Einstandspflicht gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern Besonderheiten gelten, ist dort darauf hingewiesen. Ist der Elternteil, bei dem das Kind lebt, nicht leistungsfähig, bleibt sein Einkommen für die Einstufung nach der Tabelle außer Betracht.15 169 Sehr gute wirtschaftliche Verhältnisse der Eltern können einen höheren Bedarf als den pauschalierten Regelbedarfssatz von zzt. 640 Euro nach den Leitlinien ergeben. Das führt jedoch selbst bei luxuriösen Einkommensverhältnissen nicht zu einer schematisierten Teilhabe am Luxus, sondern nur zur Befriedigung des gesamten – wenn auch gehobenen – Lebensbedarfs.16 Der BGH hat ausdrücklich jede pauschale Anknüpfung des Bedarfs an ein über dem Durchschnitt liegendes Einkommen der Eltern abgelehnt;17 denn Unterhalt dient immer nur der konkreten Bedarfsdeckung. Einen festgelegten Grenzwert nach oben (Sättigungsgrenze) gibt es zwar nicht, gleichwohl ergibt sich eine obere Grenze aus der Anknüpfung des Lebensbedarfs der Kinder an ihre Lebenssituation in der Ausbildung, denn geschuldet ist nicht die Teilhabe am Luxus.18 Macht das Kind einen Bedarf geltend, der den höchsten Satz der DT oder den festen Bedarfssatz für Volljährige übersteigt, muss es konkret seine besonderen und kostenintensiven Bedürfnisse sowie die dafür entstehenden Kosten darlegen und belegen; dabei sind an die Darlegungslast keine übertriebenen Anforderungen zu stellen.19 170 Von dem pauschalen Bedarfssatz kann auch abgewichen werden, wenn das volljährige Kind einen erhöhten ausbildungsbedingten Mehrbedarf hat, z.B. weil es im Ausland studieren will, was i.d.R. mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Ob die Eltern diese Mehrkosten zu tragen haben, hängt von den gesamten Um14 BGH, FamRZ 2006, 99 ff. und zum früheren Meinungsstreit über die Anrechnung des Kindergeldes Rn. 219a. 15 BGH, FamRZ 2006, 99, 100; s. auch Nr. 13.1.1. der LL; OLGR Dresden 2009, 652. 16 BGH, FamRZ 1983, 473, 474. 17 BGH, FamRZ 1983, 473, 474 für minderjährige Kinder; FamRZ 1987, 58, 60 für volljährige Kinder und BGH, FamRZ 2000, 358 ff. zur prozentualen Fortschreibung der DT für minderjährige Kinder. 18 BGH, FamRZ 1987, 58, 60. 19 BGH, FamRZ 2000, 359.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
ständen des Einzelfalls ab. Insoweit gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1618a BGB. Zur angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört ein Auslandsstudium dann – abgesehen davon, dass es in den Studienablauf passen und für den angestrebten Beruf zumindest nützlich sein muss –, wenn es den Eltern finanziell zumutbar ist.20 Je besser also die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern, desto eher haben die Kinder auch Anspruch auf die Finanzierung eines Auslandsstudiums, wobei sie aber wiederum bei der Wahl des Studienorts und der dortigen Lebensführung zur Sparsamkeit verpflichtet sind. Entsprechendes gilt für Mehrkosten, die durch hohe Fahrtkosten zum Studienort anfallen: So kann ein Vater, der noch einer Ehefrau und einem weiteren Kind unterhaltspflichtig ist, die studierende Tochter darauf verweisen am Studienort zu wohnen, um die hohen Fahrtkosten zur Wohnung ihrer Mutter, bei der sie lebt, zu sparen und sich mit dem Regelbetragssatz zu begnügen.21 Regelmäßig anfallende Studiengebühren stellen immer Mehrbedarf dar.22 Von dem ihm zugemessenen Unterhaltsbetrag muss der Unterhaltsberechtigte sämtliche Kosten seiner Lebensführung und der Ausbildung bestreiten. Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sind in der Unterhaltssumme nicht enthalten. Allerdings kann auch der Volljährige Anspruch auf Sonderbedarf, d.h. auf Unter- 171 halt wegen eines „unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs“ (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB), haben (vgl. Rn. 120). Sonderbedarf kann beim volljährigen, in der Ausbildung stehenden Kind entstehen z.B. durch unvorhergesehene Krankheits-, Operations-, Kur- oder Heilbehandlungskosten, soweit sie von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Kein Sonderbedarf sind die Kosten eines Erholungsurlaubs oder für den Umzug zur Freundin. Ausbildungsbedingte Aufwendungen, z.B. Fahrgeld und Anschaffungskosten für Fachbücher oder Arbeitskleidung, sind nur dann Sonderbedarf, wenn sie ungewöhnlich hoch sind und nicht regelmäßig anfallen, sonst handelt es sich um Mehrbedarf. 2. Bedürftigkeit Ein volljähriges Kind ist nur unterhaltsberechtigt, wenn es bedürftig, also außer- 172 stande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Die Gewährung von Unterhalt ist ab Beginn der Volljährigkeit an strengere Voraussetzungen als bei minderjährigen Kindern geknüpft; denn dem Grundsatz nach wird von dem volljährigen Kind erwartet, dass es sich selbst unterhält. Unterhaltsberechtigt ist deshalb nur, wer nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil er noch zur Schule geht, studiert, eine Ausbildung erhält, krank ist und deshalb nicht arbeiten oder aber unverschuldet keine Arbeit finden kann. Erzielt das Kind eigene Einkünfte, z.B. aufgrund seines Ausbildungsverhältnisses, muss es diese für seinen Unterhalt verwenden. Ist Vermögen vorhanden, müssen – anders als beim minderjährigen Kind (§ 1602 Abs. 2 BGB) – nicht nur die Erträge aus dem Vermögen für den Unterhalt verwendet, sondern es muss die
20 BGH, FamRZ 1992, 1064. 21 BGH, FamRZ 2009, 763, Tz. 27 ff. 22 OLGR Koblenz 2009, 367–369.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Substanz des Vermögens – im Rahmen des Zumutbaren – verwertet werden.23 Dies gilt auch für das privilegierte volljährige Kind (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Dabei ist dem Volljährigen ein Teil des Vermögens als Reserve z.B. für Sonderbedarf zu belassen, mindestens in Höhe des nach dem Sozialhilferecht maßgebenden Freibetrags von zzt. 1 600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 der DVO zu § 90 SGB XII). Das Schonvermögen kann je nach Umständen des Einzelfalls höher bemessen werden, wobei die soziale Lage der Eltern und z.B. ausbildungsbedingte Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen sind.24 Die Zweckbestimmung des dem Kind zugewendeten Vermögens spielt für die Abwägung ebenfalls eine Rolle.25 Mittel aus Ausbildungsversicherungen sind i.d.R. für den Unterhalt zu verbrauchen, wozu auch Sonderbedarf für die Einrichtung einer eigenen Wohnung gehört. Ausnahmsweise wird die Verwertung der Substanz dann nicht zumutbar sein, wenn sie – wiederum auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern – aufgrund besonderer Umstände grob unbillig wäre (§ 242 BGB). Nicht entsprechend anwendbar ist der weniger strenge Maßstab in § 1577 Abs. 3 BGB, der beim Ehegattenunterhalt an die Verwertung von Vermögen angelegt wird.26 Ist das Kind – unabhängig von der Arbeitsmarktlage – z.B. aufgrund einer Behinderung dauerhaft krank und bezieht es Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung gemäß § 41 ff. SGB XII, sind diese als Einkommen27 bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Denn das Kind hat einen Anspruch auf Grundsicherung, auch wenn Unterhaltsansprüche gegen die Eltern bestünden. Erst ab einem Gesamtjahreseinkommen der unterhaltspflichtigen Eltern von 100 000 Euro, greift der Grundsatz der Subsidiarität und der Anspruch des Kindes auf Grundsicherung entfällt (§ 43 Abs. 2 SGB XII).28 Decken die eigenen Einkünfte des Kindes den Bedarf, besteht kein Unterhaltsanspruch. Wird der Bedarf nur teilweise gedeckt, beschränkt sich der Anspruch auf den nicht gedeckten Teil. Das Kind ist für seine ab Volljährigkeit fortdauernde Bedürftigkeit den Eltern gegenüber darlegungs- und beweispflichtig.
" Praxishinweis: Wurde ein Unterhaltstitel für das minderjährige Kind errich-
tet, muss das Kind ab Beginn der Volljährigkeit damit rechnen, dass der bisher allein barunterhaltspflichtige Elternteil Auskunft von ihm darüber verlangen wird, ob es noch unterhaltsbedürftig ist und in welcher Höhe der andere Elternteil nun ebenfalls Unterhalt zahlen wird. Hier sollte – wenn nicht
23 BGH, FamRZ 1998, 367, 369. Das OLG Hamm, NJW 2007, 1217 hat bei einem Vermögen von 15 000 Euro eine Verwertbarkeit angenommen für einen Gesamtbedarf von 4 000 Euro. 24 OLG Celle, FamRZ 2000, 47, 48; OLG München, FamRZ 1996, 1433 (ca. 2 500 Euro); OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1235 (ca. 5 000 Euro bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen des Vaters). 25 BGH, FamRZ 1998, 367, 369; OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1137. 26 BGH, FamRZ 1998, 367, 369, s. dazu Rn. 514. 27 So auch Nr. 2.9 der Leitlinien. 28 Das Gesamteinkommen der Eltern ist die Summe der Einkünfte i.S.d. Einkommenssteuerrechts (vgl. § 16 SGB IV i.V.m. § 2 EStG). Ob sich das Gesamteinkommen auf das zusammengerechnete Einkommen beider Eltern oder das Einkommen eines jeden einzeln bezieht, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Gesetz und ist in der Literatur umstritten. Für Einzelbewertung Klinkhammer, FamRZ 2003, 1793, 1799; Günther, FPR 2005, Heft 11; Hußmann, FPR 2004, 534, 540; a.A. Steymans, FamRZ 2002, 1687, 1688; Zeitler, NDV 2002, 422.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
zu erwarten ist, dass die Eltern die Unterhaltsfrage einvernehmlich regeln können – der aus dem Titel verpflichtete Elternteil schon rechtzeitig vor dem 18. Geburtstag darüber informiert werden, dass noch Unterhaltsbedarf besteht, weil das Kind z.B. noch die Schule besucht oder eine Ausbildung absolviert, und in welcher Höhe der andere Elternteil sich am Unterhalt beteiligen wird. Empfehlenswert ist, die erforderlichen Unterlagen wie Schulbescheinigung, Ausbildungsvertrag, Einkommensnachweise des anderen Elternteils und eventuell des Kindes dem Verpflichteten zur Überprüfung der Angaben zur Verfügung zu stellen. Denn beantragt der Verpflichtete die Abänderung des Titels, weil er keine Auskunft erhält, ist das Kind darlegungsund beweispflichtig für die Fortdauer seines Anspruchs. Hier kann das volljährige Kind durch eigene Aktivität und rechtzeitige Auskunftserteilung ein Unterhaltsstreitverfahren und unnötige Kosten vermeiden. Ihm können nämlich in einem von dem Verpflichteten beantragten Abänderungsverfahren die Kosten auferlegt werden, wenn es trotz vorprozessualer Aufforderung zur Auskunfterteilung durch den Verpflichteten die Auskunft nicht oder nicht vollständig erteilt hat (§ 243 Nr. 2 FamFG, § 93d ZPO a.F., s. Rn. 689). 3. Leistungsfähigkeit der Eltern Eltern volljähriger Kinder müssen nur Unterhalt zahlen, wenn sie leistungsfähig 173 sind. Anders als bei minderjährigen Kindern obliegt ihnen keine gesteigerte Unterhaltspflicht mehr, denn sie sind nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn sie bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande sind, ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). Ihre den eigenen angemessenen Unterhalt übersteigenden bereinigten Einkünfte und das Vermögen sind für den Kindesunterhalt zu verwenden.29 a) Angemessener oder sog. großer Selbstbehalt Den Eltern volljähriger Kinder soll immer der angemessene Selbstbehalt (§ 1603 174 Abs. 1 BGB) verbleiben, der seit 1.1.1.2008 fortdauernd in den allen Bundesländern 1 100 Euro (mit einem Warmmietanteil von 450 Euro) beträgt (Anm. A Nr. 5 der DT, Stand 1.1.2010).30 Gegenüber privilegierten Volljährigen i.S.v. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB, die der Gesetzgeber insoweit wie minderjährige Kinder behandelt, steht Eltern ebenfalls der angemessene Eigenbedarf, in Mangelfällen jedoch nur der notwendige Eigenbedarf von 900 Euro bzw. 770 Euro bei Nichterwerbstätigkeit zu (vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter Rn. 179). b) Fiktive Einkünfte Kommt ein unterhaltspflichtiger Elternteil in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer 175 Weise seiner Erwerbspflicht nicht nach, kann ihm ein fiktives Einkommen in der Höhe zugerechnet werden, in der für ihn ein Einkommen erzielbar wäre. Die Grundsätze über die Zurechnung eines fiktiven Einkommens (§ 242 BGB) finden auch beim Unterhalt für volljährige Kinder Anwendung. Dabei ist im Regelfall bei Eltern privilegierter volljähriger Kinder und volljähriger Kinder in der 29 BGH, FamRZ 1986, 48, 50 zu den Anforderungen an die Verwertung von Vermögen. 30 Vgl. jeweils auch Nr. 21.3 der Leitlinien zum aktuellen Stand.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Ausbildung von einer Erwerbsobliegenheit zur Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung auszugehen.31 Erzielt ein Elternteil keine eigenen Einkünfte, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, aus welchen Gründen eine Erwerbsobliegenheit nicht besteht, bzw. ihm die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung nicht zumutbar ist. Dies kann z.B. aus Krankheitsgründen oder wegen der Betreuung minderjähriger Kinder der Fall sein. Verstößt der Unterhaltspflichtige gegen seine Erwerbsobliegenheit, ist ihm ein fiktives Einkommen sowohl für die Bedarfsberechnung (beim Tabellenunterhalt) als auch die Prüfung seiner Leistungsfähigkeit zuzurechnen.32 In diesen Fällen schätzt das Gericht, was der Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner beruflichen Vorbildung bei Verwertung seiner Arbeitskraft verdienen könnte, und setzt dieses fiktive Einkommen bei der Unterhaltsberechnung ein.33 Insoweit kann auf die Ausführungen zum Minderjährigenunterhalt verwiesen werden (vgl. Rn. 57 ff.). 176 Die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit sind gegenüber volljährigen Kindern unterschiedlich hoch: Gegenüber privilegierten Kindern besteht eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB; Rn. 179), die strengere Anforderungen an die Einstandspflicht für den Unterhalt und damit auch höhere Anforderungen an die Erwerbstätigkeit stellt. Denn sie sind den minderjährigen Kindern im Wesentlichen gleichgestellt und haben auch den gleichen Rang wie Minderjährige. Insoweit gelten die Ausführungen unter den Rn. 57 ff. uneingeschränkt. Gegenüber volljährigen Kindern in der Ausbildung besteht ein weniger strenger Maßstab. So wird von den Eltern nicht mehr erwartet werden können, z.B. die Aufnahme von Tätigkeiten unterhalb der beruflichen Qualifikation, ein Ortswechsel oder die Aufnahme eines zusätzlichen Nebenjobs zur Erfüllung der Erwerbsobliegenheit. Volljährige Kinder, die sich nicht in der Ausbildung befinden, sind hingegen für ihren eigenen Unterhalt verantwortlich und können nur unter sehr engen Voraussetzungen von Eltern erwarten, für ihren Unterhalt einzustehen (Rn. 201 ff.). 177 Ist der unterhaltspflichtige Elternteil wiederverheiratet, führt den Haushalt und betreut minderjährige Kinder dann richten sich die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit im Verhältnis zu einem privilegierten volljährigen Kind nach den Grundsätzen der Hausmannrechtsprechung, d.h. ihm ist ein fiktives Einkommen zuzurechnen, wenn die Rollenwahl in der Ehe nicht anzuerkennen ist (s. zu den Einzelheiten Rn. 62 f.). Sind keine Kinder zu betreuen, ist ein erzielbares Einkommen i.d.R. aus Vollbeschäftigung fiktiv zu unterstellen. Gleiche Grundsätze gelten, wenn der Elternteil in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt. Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern finden die Grundsätze zur Hausmannrechtsprechung nur eingeschränkt Anwendung, insbesondere wenn der Unterhaltspflichtige minderjährige Kinder betreut, denn ihn trifft im Verhältnis zu dem volljährigen Kind keine Erwerbsobliegenheit wegen des Vorrangs der Unterhaltsansprüche seiner minderjährigen Kinder (§ 1609 BGB), so dass die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ausscheidet.34 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt allerdings in Betracht, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil wieder verheiratet ist, über kein eigenes Einkommen verfügt, weil er 31 32 33 34
Wendl/Dose, § 1 Rn. 489. BVerfG, FamRZ 2005, 1893; BGH, FamRZ 1994, 372, 373. OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1099. Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 187a.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
seinem Ehegatten den Haushalt führt, und keine minderjährigen Kinder zu betreuen sind. Zwar ist er im Rahmen der neuen Ehe berechtigt, seinen Beitrag zum Familienunterhalt durch Hausarbeit zu erbringen (§ 1356 BGB). Dies wird i.d.R. jedoch nicht der Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen. Ist der eigene angemessene Bedarf wegen des auskömmlichen Einkommens des neuen Ehepartners gedeckt, kann das Einkommen des Verpflichteten z.B. aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit, das unter dem angemessenen Selbstbehalt liegt, für die Bedarfsdeckung herangezogen werden.35 Beruht die Leistungsfähigkeit eines Elternteils nur auf der Zurechnung fiktiver 178 Einkünfte, kann das Kind seinen gesamten Bedarf von dem leistungsfähigen Elternteil verlangen und braucht sich nicht auf ein Unterhaltsverfahren gegen den nur fiktiv leistungsfähigen Elternteil einzulassen. Denn es darf sich in Anwendung des Rechtsgedankens des § 1607 Abs. 2 BGB vorrangig an den leistungsfähigen Elternteil halten und ihn in Anspruch nehmen, der dann für den vollen, nach seinem Einkommen berechneten Bedarf haftet. § 1607 Abs. 2 BGB sieht eine Ausfallhaftung nachrangig oder gleichrangig unterhaltspflichtiger Verwandter vor, wenn der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist. Der leistungsfähige Elternteil kann seine Haftung nicht unter Hinweis auf das fiktive Einkommen des anderen Elternteils anteilig reduzieren.36 Das Kind ist für die Leistungsunfähigkeit des anderen Elternteils jedoch darlegungs- und beweispflichtig.37 Zugunsten des vorleistenden Elternteils kommt dann ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil in Betracht, bei dessen Geltendmachung die den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen des § 1613 BGB zu beachten sind, der entsprechend angewendet wird.38 Beispiele – K lebt im Haushalt des V und verlangt Unterhalt von M unter Darlegung der Einkommensverhältnisse des V und Angabe seines eigenen Ausbildungsverhältnisses (Dauer und eventuelle Einkünfte daraus). Die wieder verheiratete M ist nicht mehr erwerbstätig und führt ihrem gut verdienenden Ehemann den Haushalt. Da ihr eine Nebenbeschäftigung zuzumuten wäre, ist Einkommen, das sie aus der Erwerbstätigkeit erzielen könnte (ohne Ansatz des Selbstbehalts, da ihr eigener Bedarf vom Ehemann sichergestellt wird), für den Unterhalt des Kindes mit einzusetzen. K hat Aussicht auf Erfolg, einen Titel gegen M zu erstreiten. – K hat einen eigenen Hausstand, V verdient mtl. 2 000 Euro, M ist nicht erwerbstätig und versorgt als Alleinerziehende 2 kleine Halbgeschwister, die vorrangig unterhaltsberechtigt sind. Hier sollte K nur den V auf Zahlung des gesamten Unterhaltsbedarfs in Anspruch nehmen.
c) Vorabzug von Unterhaltsverbindlichkeiten Das für die Bedarfs- und auch Leistungsfähigkeit maßgebliche Einkommen ist 178a immer um Unterhaltsverbindlichkeiten vorrangig Unterhaltsberechtigter zu bereinigen, wie z.B. um den Unterhalt für minderjährige Kinder und gleichgestellte 35 BGH, FamRZ 1987, 472, 473 bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder; BGH, FamRZ 2002, 742 mit Anm. v. Büttner zum Elternunterhalt; BGH, FamRZ 2001, 1065 ff. bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder. 36 OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 687 f. zum Anspruch eines privilegierten Kindes; OLG Koblenz, FamRZ 1989, 307 ff. und OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 971 jeweils zum Anspruch eines volljährigen Kindes; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 440. 37 BGH, FamRZ 2006, 26, 30; OLG Celle, FamRZ 1993, 1235; Wendl/Scholz, § 2 Rn. 557. 38 BGH, FamRZ 1989, 850, in Fortführung von FamRZ 1984, 775, 777; BGHZ 50, 266 f.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
volljährige Schüler (§ 1609 Nr. 1 BGB; zu den Grundsätzen des Abzugs von Unterhalt bei der Einkommensermittlung s. Rn. 84). Ist der Unterhaltsanspruch eines volljährigen privilegierten Schülers zu berechnen, und hat ein Elternteil außerdem noch Barunterhalt an minderjährige Kinder zu leisten, wird deren Unterhalt von seinem Einkommen vorab abgezogen, obwohl die Ansprüche an sich gleichrangig sind. Dies gilt jedoch nicht für den Mangelfall.39 In dieser in der Literatur strittigen Frage,40 hat der BGH den Vorwegabzug des Minderjährigenunterhalts jedenfalls für den Mangelfall abgelehnt, da er den anderen Elternteil unverhältnismäßig belasten würde, und den Vorschlag Borths für vertretbar gehalten, zunächst den prozentualen Anteil des Unterhalts des privilegierten Kindes am Einkommen des Verpflichteten unter Berücksichtigung weiterer gleichrangiger Ansprüche zu ermitteln und diesen in die Haftungsanteilsberechnung einzubringen.41 Wie bei der Ermittlung der quotalen Haftung der Eltern in dem Fall zu rechnen ist, ist in dem Rechenbeispiel unter Rn. 228 erläutert. Ist der Unterhaltspflichtige einem neuen Ehegatten, der in seinem Haushalt lebt und nicht erwerbstätig ist, zum Unterhalt verpflichtet, so ist dieser vorrangig unterhaltsberechtigt und sein Bedarf einkommensmindernd abzuziehen. Für die Berechnung des abzugsfähigen Bedarfs der Ehefrau auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst (§ 1578 Abs. 1 BGB), ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind den ehelichen Bedarf mitgeprägt hat, so dass der Kindesunterhalt vorab vom Einkommen des Ehemannes abzuziehen ist. Da die endgültige Höhe des Kindesunterhalts jedoch noch nicht feststeht, kann zur Vereinfachung auf den bisher geleisteten Betrag zurückgegriffen werden und das gewonnenen Ergebnis auf ein Missverhältnis hin überprüft werden.42 Bei der Ehefrau ist kein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit einzustellen, da ihr insoweit ein Wahlrecht nach § 1360 BGB zusteht, sich auf die Familienarbeit zu beschränken. Da sowohl der Ehefrau als auch dem Unterhaltspflichtigen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens ein geldwerter Vorteil zufließt, ist dieser beim Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen und bei dem Bedarf der Ehefrau durch Kürzung in Höhe der Hälfte der zu schätzenden Ersparnis zu berücksichtigen (z.B. je 12,5 % bei beiden Ehegatten).43
III. Besonderheiten bei Unterhaltsansprüchen privilegierter volljähriger Schüler 179 Der Bedarf volljähriger unverheirateter Kinder, die bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden, richtet sich – wie bei anderen Volljäh39 So z.B. das OLG Hamm, s. Nr. 13.3.2 der LL. 40 Für einen Vorabzug ausgenommen im Mangelfall u.a. das OLG Hamm, s. Nr. 13.3.2 der LL; BGH, FamRZ 2002, 815, 816; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 470, ausführlich zum Meinungsstreit m.w.N.; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1018, 1019; Wohlgemuth, FamRZ 2001, 321; gegen eine Vorabzug OLG Hamm, FamRZ 2000, 1178; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 75 ff. 41 BGH, FamRZ 2002, 815, 816 unter Hinweis auf Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Teil V, Rn. 168 ff.; ebenso OLG Saarbrücken, FamRZ 2007, 1763, 1764. 42 BGH, FamRZ 2009, 762, 766 f. 43 BGH, FamRZ 2009, 762, 766 f., Tz. 53.
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III. Besonderheiten bei Unterhaltsansprüchen privilegierter volljähriger Schüler
rigen auch – nach den Einkommensverhältnissen der Eltern, wird jedoch nur nach der Unterhaltstabelle bemessen. Die Privilegierung hat nicht zur Folge, dass der bisher betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht weiter durch Betreuung erfüllen kann. Auch gegenüber privilegierten volljährigen Kindern haften beide Eltern als Teilschuldner für den Unterhalt nach ihren Einkommensverhältnissen durch Zahlung einer Geldrente (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder durch Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB).44 Allerdings obliegt den Eltern eine strengere Einstandspflicht für den Kindesunterhalt, wie sie auch gegenüber minderjährigen Kindern besteht (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eltern sind bei gesteigerter Unterhaltspflicht verpflichtet, bis zum Abschluss der Schule alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt ihrer Kinder und ihren eigenen Unterhalt gleichmäßig zu verwenden und „das letzte Hemd“ mit ihnen zu teilen. Sie müssen sich deshalb bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen für ihren eigenen Lebensbedarf mit dem notwendigen Eigenbedarf, dem sog. kleinen Selbstbehalt, begnügen45 und die darüber hinausgehenden Beträge für den Unterhalt zur Verfügung stellen. Der kleine Selbstbehalt beträgt bundeseinheitlich (seit 1.1.2008) nach den Leitlinien 900 Euro (bei Nichterwerbstätigen 770 Euro).46 Die gesteigerte Unterhaltspflicht hat außerdem Auswirkungen auf die Anforderungen an die Erwerbspflicht der Eltern, denen z.B. zuzumuten ist, auch Tätigkeiten auszuüben, die unter ihrer beruflichen Qualifikation liegen, oder einen Ortswechsel vorzunehmen, um ihrer Unterhaltspflicht nachkommen zu können.47 Die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gilt ebenso, wenn das Kind schon langjährig im Haushalt der Großeltern lebt. Insoweit findet § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung.48 Der Lebensmittelpunkt bei nahen Verwandten oder in einem Internat begründet hingegen nicht die Privilegierung.49 Wegen der Einzelheiten zur strengeren Einstandspflicht der Eltern beim Minderjährigenunterhalt wird auf die Ausführungen unter Rn. 22 ff. und Rn. 129 ff., 135 verwiesen. Ist der Pflichtige außerstande, allen Berechtigten Unterhalt zu gewähren, sind 180 privilegierte volljährige Kinder gleichrangig mit minderjährigen Kindern vor allen anderen Berechtigten zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB). Bei Unterhaltsansprüchen bis zum 31.12.2007 ist im Mangelfall der nach § 1609 Abs. 2 BGB a.F. bestehende Gleichrang mit den Ehegatten zu berücksichtigen (s. Rn. 422, 552a, 148).
" Praxishinweis: Seit 1.1.2008 gilt in der Zwangsvollstreckung aufgrund von
§ 850d Abs. 2 ZPO für die Reihenfolge der zu befriedigenden Ansprüche § 1609 BGB, wobei gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben sollen, so dass minderjährige und privilegierte volljährige Kinder gleichmäßig zu befriedigen sind, s. Rn. 1336.50
44 45 46 47 48 49
BGH, FamRZ 2002, 815, 816. Vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 130. Anm. A. Nr. 5 der DT und jeweils Nr. 21.2 der LL, Stand 1.1.2010. A.A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 701. OLG Dresden, JAmt 2002, 211, 212. Gegen eine analoge Anwendung von § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB auf diese Fallkonstellation sind z.B. das OLG Hamm, FamRZ 2006, 641 f. und OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1706; in der Literatur besteht eher die Tendenz zur restriktiven Auslegung, vgl. Wendl/ Klinkhammer, § 2 Rn. 456; Palandt/Diederichsen, § 1603 BGB Rn. 56. 50 BGH, FamRZ 2003, 1176.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
181 Von der Privilegierung sind nur Schüler betroffen, die noch eine allgemeinbildende Schule besuchen. Allgemeinbildende Schulen sind immer Schulen, die allgemeine Ausbildungsinhalte vermitteln und einen anerkannten Schulabschluss anbieten (z.B. Hauptschulabschluss, mittlere Reife und Abitur). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, weil anerkannte Schulabschlüsse auch an Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen, Fachoberschulen etc. neben dem Erwerb berufsbezogener Ausbildungsinhalte erworben werden können. Nicht zu den allgemeinbildenden Schulen zählen Schulen, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermitteln.51 Der BGH hat für die Begriffsbestimmung auf Grundsätze zurückgegriffen, die die Rechtsprechung bei der Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelt hat. In § 2 BAföG ist die Ausbildungsförderung von Schülern geregelt, die nicht mehr im Elternhaus leben und eine weiterführende allgemeinbildende Schulen besuchen. Danach sind für die Bestimmung, ob eine allgemeine Schulausbildung vorliegt, folgende Kriterien maßgebend: (1) das Ausbildungsziel, (2) die zeitlichen Beanspruchung des Schülers, (3) die Organisationsstruktur der Schule. Zu 1. Ziel des Schulbesuchs muss der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein, also jedenfalls der Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss, die fachgebundene oder die allgemeine Hochschulreife. Diese Voraussetzung ist beim Besuch der Hauptschule, der Gesamtschule, der Realschule, des Gymnasiums und der Fachoberschule immer erfüllt.52 Anders zu beurteilen ist der Besuch einer Schule, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt.53 Auf die Rechtsform der Schule kommt es nicht an. Zu 2. Die Schulausbildung muss die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes voll oder zumindest überwiegend in Anspruch nehmen, so dass eine Erwerbstätigkeit nebenher nicht möglich ist. Zu 3. Die Schule muss in einer Weise organisiert sein, dass eine Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gewährleistet ist wie sie dem herkömmlichen Schulbesuch entspricht, die Teilnahme also nicht etwa der Entscheidung des Schülers überlassen ist. In der Praxis ergeben sich immer wieder Abgrenzungsprobleme, insbesondere wenn mit der Ausbildung eine Doppelqualifikation, nämlich fachbezogene Ausbildung und ein allgemeiner Schulabschluss erworben wird, was in unserem Bildungssystem aufgrund der Länderhoheit sehr häufig und in unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen möglich ist. So wird eine allgemeine Schulbildung abge51 BGH, FamRZ 2001, 1068 ff. 52 Palandt/Diederichsen, § 1603 BGB Rn. 57; Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 457 ff. 53 BGH, FamRZ 2001, 1068 ff.
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III. Besonderheiten bei Unterhaltsansprüchen privilegierter volljähriger Schüler
lehnt, wenn trotz volltägigen Besuchs einer Berufsfachschule und der Möglichkeit des Erwerbs der Fachhochschulreife gleichzeitig eine Berufsausbildung abgeschlossen wird.54 Anderes soll gelten, wenn der Besuch der Berufsfachschule nicht dem Ziel dient, eine konkrete Berufsausbildung zu erlangen, sondern die Schule nur allgemeine und fachliche Lerninhalte vermittelt, um den Schüler zu befähigen, den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder einen Teil der Berufsausbildung zu erlangen.55 Anerkannt als schulische Allgemeinbildung wurden in der Rechtsprechung das schulische Berufsgrundbildungsjahr, wenn es dem Erwerb des Hauptschulabschlusses dient,56 die Berufsfachschule (Höhere Handelsschule), auch wenn sie nur zum Erwerb der Fachhochschulreife führt,57 ein Berufskolleg sowie die Volkshochschule bei kontrolliertem Unterricht, wenn Ziel ein Realschulabschluss ist.58 Nicht anerkannt als allgemeine Schulausbildung wurde der gleichzeitige Erwerb einer Berufsausbildung und Fachhochschulreife z.B. die Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten59 oder zum staatlich geprüften Assistenten für medizinische Gerätetechnik, selbst wenn die Ausbildungen dann zum Besuch einer Fachoberschule berechtigen bzw. zur Fachhochschulreife führen.60 Beispiele – K 1 ist 18 Jahre alt und lebt bei M. Er hat einen Hauptschulabschluss und besucht eine Berufsfachschule. Er hat täglich Unterricht und kann bei erfolgreichem Abschluss der Schule die Malerausbildung abschließen und die mittlere Reife erlangen. V hat noch einem weiteren, minderjährigen Kind K 2 Unterhalt i.H.v. 300 Euro zu zahlen und verdient nur 1 200 Euro. Da K 1 auf der Schule auch einen konkreten Beruf erlernt, ist er nicht einem minderjährigen Kind gleichgestellt, so dass V zunächst den Unterhaltsbedarf von K 2 befriedigen muss. K 1 erhält keinen Unterhalt; denn V ist nach Abzug der 302 Euro nicht mehr leistungsfähig, weil sein Selbstbehalt gegenüber dem nicht privilegierten Sohn K 1 1 000 Euro beträgt. Eine Mangelfallberechnung findet nicht statt, weil K 2 vorrangig unterhaltsberechtigt ist. Nach Auffassung des OLG Dresden (10. ZS)61 müsste hier von einer allgemeinen Schulausbildung ausgegangen werden, mit der Folge, dass eine Mangelfallberechnung durchzuführen wäre. – K ist 18 Jahre alt, lebt bei M und besucht eine höhere Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung (höhere Handelsschule). Sie verlangt von V Unterhalt und meint, dass nur V barunterhaltspflichtig sei, weil sie noch zur Schule gehe. Sie hat täglich Unterricht, erhält zwar berufliche Kenntnisse vermittelt, erlangt aber bei erfolgreichem Abschluss der Schule nicht einen Berufsabschluss, sondern „nur“ die Fachhochschulreife. Der BGH ist K darin gefolgt, dass sie eine allgemeine Schulausbildung absolviere,62 im Übrigen hat er bestätigt, dass beide Eltern gegenüber privilegierten volljährigen Kindern grundsätzlich barunterhaltspflichtig sind.
Der Bedarf richtet sich auch bei privilegierten Volljährigen nach dem zusammen- 182 gerechneten Einkommen der Eltern und wird i.d.R. nach der Unterhaltstabelle 54 55 56 57 58 59 60 61 62
KGR Berlin 2002, 113; OLG-NL 2005, 90–91. OLG Dresden, FamRZ 2004, 301 (LS) = OLGR Dresden 2004, 17–18 mit Gründen. OLG Celle, FamRZ 2004, 301. BGH, NJW 2002, 2026. BGH, NJW 2001, 2633. OLG Dresden, OLGR 2005, 467. KGR Berlin 2002, 113. OLG Dresden, FamRZ 2004, 301 = OLGR Dresden, 2004, 17–18. BGH, FamRZ 2002, 815, 816.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
bemessen. Wie der Bedarf im Einzelnen zu bestimmen ist, wird unter Rn. 206 ff. behandelt. Vgl. dazu auch jeweils die Nr. 13 der Leitlinien des für den Wohnsitz des Kindes zuständigen OLGs. Für die Berechnung der Haftungsanteile der Eltern, die in Beispiel unter Rn. 227 erläutert wird, ist bei der Ermittlung der Verteilungsmasse der angemessene und – sofern andernfalls der Bedarf der Kinder nicht gedeckt werden kann –, der notwendige Selbstbehalt vom Einkommen abzuziehen. Insoweit ist die Handhabung der OLG nicht einheitlich. Teilweise wird sogleich der notwendige Eigenbedarf von 900 Euro bzw. 770 Euro abgezogen.63
IV. Ausbildungsunterhalt 183 Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zur Verfügung zu stellen (§ 1610 Abs. 2 BGB). 1. Angemessene Vorbildung zu einem Beruf 184 Eltern schulden ihren Kindern Berufsausbildungskosten. Ein Beruf ist jede Tätigkeit, die nach allgemeinen gesellschaftlich festgelegten Merkmalen bestimmt ist, beispielsweise durch geregelte Ausbildungsgänge. Ziel der Ausbildung ist, einen Beruf zu erlernen, der geeignet ist, den eigenen und ggf. den Lebensunterhalt der zukünftigen eigenen Familie des Kindes sicherzustellen. Die Berufsausbildung muss angemessen sein. Sie soll zuallererst den Neigungen, der Leistungsbereitschaft und den körperlichen wie intellektuellen Begabungen des Kindes und seinen Berufswünschen entsprechen. Auf den Beruf und die gesellschaftliche Stellung der Eltern kommt es nicht an.64 Beispiele – V kann seinem Sohn nicht die Finanzierung des von ihm in Aussicht genommenen Studiums mit der Begründung verweigern, er solle gleich etwas Praktisches lernen, um den väterlichen Betrieb zu übernehmen, denn die Arbeitslosigkeit unter Akademikern sei besonders hoch. – Das Kind des Bauhelfers ist ebenso berechtigt, sich für den Beruf des Arztes zu entscheiden, wie das Kind des Arztes den Beruf der Altenpflegerin wählen kann.
185 Allerdings sind Eltern nicht verpflichtet, offensichtliche berufliche Fehlentwicklungen ihrer Kinder zu finanzieren. Sind die für den Beruf erforderlichen körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten erkennbar nicht vorhanden, so ist die Berufswahl unangemessen; der Unterhaltsanspruch entfällt. Beispiel Einem Kind, das erst im zweiten Anlauf nach jahrelangen Nachhilfestunden das Abitur schafft und erhebliche Mängel gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern aufweist, während seine Leistungen im Sport weit überdurchschnittlich sind, müssen die Eltern kein Medizinstudium, möglicherweise aber ein Sportstudium finanzieren.
63 So z.B. das OLG Hamm, s. Nr. 13.3.2 der LL, anders Nr. 13.3. der SüdL. 64 BGH, FamRZ 2006, 1100 f.; 2000, 420; 1992, 170; 1989, 853.
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IV. Ausbildungsunterhalt
Prognosen über die Chancen am Arbeitsmarkt nach Abschluss der Ausbildung 185a spielen für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildung keine Rolle.65 Ein weiteres Kriterium für die Angemessenheit der Berufsausbildung sind die 186 wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhaltsverpflichteten Eltern, die das Kind zu berücksichtigen hat.66 Dabei ist Eltern, die frei von finanziellen Sorgen in weit überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, zuzumuten, den Wünschen ihrer Kinder weitestgehend entgegenzukommen. Auch finanzkräftige Eltern brauchen aber unbegabten oder leistungsunwilligen Kindern keine Berufsausbildung ohne konkretes Berufsziel zu finanzieren. Umgekehrt wird von Eltern auch in beengten finanziellen Verhältnissen verlangt, einem hochbegabten und leistungswilligen Kind eine entsprechend gehobene Ausbildung unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel zu ermöglichen.67 Je höher die Befähigung des Kindes, desto größer werden die von den Eltern zu verlangenden Opfer – allerdings immer nur bis zu der Grenze, die der Selbstbehalt ihrer Leistungsfähigkeit setzt. Haben die Eltern einmal einer Ausbildung zugestimmt, so sind sie verpflichtet, die Kosten auch bis zum Abschluss zu tragen. Die Entscheidung über Art und Gang der Berufsausbildung trifft das volljährige 187 Kind grundsätzlich selbst. Dabei ist es aufgrund der vom Gesetz gebotenen gegenseitigen Rücksichtnahme gehalten, seine Absichten mit den Eltern zu besprechen (§§ 1618a, 1631a BGB). Denn Eltern müssen wissen, welche Unterhaltslasten auf sie zukommen und können darüber informieren, was sie leisten können. Auch das Kind, das keinen Kontakt zu dem Unterhaltsverpflichteten hat, muss ihn zumindest über die Art der Ausbildung informieren.
" Praxishinweis: Weigern sich die Eltern (oder ein Elternteil), Unterhalt zu zahlen, weil sie mit der gewählten Ausbildung nicht einverstanden sind, muss das Kind Leistungsantrag auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt erheben. Das Familiengericht entscheidet dann über die Höhe des Unterhaltsanspruchs und damit zugleich auch über die Frage, ob dem Grunde nach ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht, also auch über die Frage der Angemessenheit der Berufsausbildung.
2. Beginn und Ende der Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt Häufig kann das Kind mit einer Berufsausbildung nicht sofort nach Schul- 188 abschluss beginnen, sei es, dass es sich noch nicht für einen Beruf entscheiden kann oder will, dass es vorher „die Welt sehen“ will, sei es, dass kein Ausbildungsplatz frei ist oder dass einfach zwischen Schulabschluss und frühestmöglichem Ausbildungsbeginn einige Monate liegen. Hier fragt sich dann, ob das Kind zwischenzeitlich von den Eltern unterhalten werden oder für sich selbst sorgen muss, bzw. welchen Einfluss eine längere Orientierungsphase auf den Ausbildungsanspruch hat. Diese Fragen lassen sich nicht für alle Fallgestaltungen einheitlich beantworten. Grundsätzlich ist das volljährige Kind verpflichtet, sich selbst zu unterhalten. Die Eltern sind lediglich verpflichtet, die Kosten für die Ausbildung zu tragen 65 Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 63. 66 BGH, FamRZ 1977, 629 = NJW 1977, 1774; FamRZ 1995, 416, 417. 67 OLG Karlsruhe, NJEE-FER1998, 148.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
und während der Ausbildungszeit den Lebensbedarf des Kindes zu decken. Deshalb hat ein Kind sich während einer längeren Orientierungsphase selbst zu unterhalten. Anderes gilt bei kürzeren Übergangszeiten: So kann es aufgrund des im Unterhaltsrecht geltenden Grundsatzes der Gegenseitigkeit, der eine gegenseitige Rücksichtnahme gebietet, möglich sein, dass Eltern auch für Übergangszeiten noch Unterhalt zahlen; denn das Kind ist zwar verpflichtet, die in Aussicht genommene Ausbildung so schnell wie möglich aufzunehmen, aber: Für eine kurze unverschuldete Übergangszeit von etwa 3 Monaten zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn besteht i.d.R. ein Anspruch auf Unterhalt.68 Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen ist hingegen eine Erwerbstätigkeit zu erwarten. Gibt es Arbeitsmöglichkeiten und bemüht sich das Kind nicht darum, besteht kein Unterhaltsanspruch.69 189 Gleiches gilt nach Beendigung der Ausbildung: Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht bis zur Beendigung der Ausbildung. Er endet somit mit dem Ende des Monats, in den die Abschlussprüfung fällt (§ 1612 Abs. 3 BGB). Wenn der Berechtigte jedoch nicht sofort eine Anstellung findet, bleibt er gemäß § 1602 Abs. 1 BGB bedürftig. Für eine gewisse Übergangszeit, die für Bewerbungen benötigt wird, steht ihm dann weiterhin Unterhalt zu.70 Gelingt es ihm auch nach einigen Monaten nicht, in dem erlernten Beruf eine Anstellung zu finden, muss er seine Arbeitskraft anderweitig verwerten; notfalls muss er durch ungelernte Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdienen.71 Das Risiko, eine Anstellung gerade in dem erlernten Beruf zu finden, fällt dem Unterhaltspflichtigen nicht zur Last.72 190 Ob der Ausbildungsunterhaltsanspruch bei längerer Unterbrechung insgesamt verloren gehen kann, hängt ebenfalls sehr von den Umständen des Einzelfalls ab: Der „Weltenbummler“ muss sich selbstverständlich selbst unterhalten. Aber auch er muss sich innerhalb einer angemessenen Zeit zu einer Ausbildung entscheiden, sonst geht er das Risiko ein, seinen Ausbildungsunterhaltsanspruch vollständig zu verlieren. Der BGH hat eine Orientierungsphase von etwa einem Jahr nicht beanstandet; denn diese Zeit diene auch dazu, einem in der Berufswahl noch unsicheren jungen Menschen die Entscheidung für einen Beruf zu erleichtern.73 Wenn das volljährige Kind den Beginn der Ausbildung aber unangemessen und ohne das Einverständnis des Unterhaltsverpflichteten verschiebt und dadurch das schützenswerte Interesse des Unterhaltsverpflichteten an einer zügigen und zuverlässigen Durchführung der Ausbildung gröblich außer Acht lässt, ist die Ausbildung unangemessen, und der Unterhaltsanspruch entfällt.74 Hingegen können selbst erhebliche mehrjährige Verzögerungen des Beginns der Erstausbildung im Einzelfall von den Unterhaltspflichtigen hinzunehmen sein, solange sie nachvollziehbar begründet werden und den Eltern dies zumutbar ist, z.B. wegen einer Erkrankung des Kindes oder weil das Kind im Elternhaus wegen familiärer Probleme schwierige Entwicklungschancen hatte.75 68 OLG Hamm, NJW-RR 2006, 509–511. So auch Scholz/Stein/Erdrich, Kindesunterhalt, I, Rn. 58; a.A. Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth, S. 776. 69 OLG Stuttgart, FamRZ 1996, 181; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 59. 70 BGH, FamRZ 1990, 904. 71 BGH, FamRZ 1985, 273; OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 291. 72 BSG, FamRZ 1985, 1251, 1253. 73 BGH, FamRZ 2001, 757, 758. 74 OLG Hamm, FamRZ 1995, 1007. 75 OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1342.
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IV. Ausbildungsunterhalt Beispiel F schafft mit 18 Jahren nicht das Abitur, bricht eine Lehre als Zahnarzthelferin ab, weil die Eltern keinen Unterhalt zahlen, kann eine zweite Lehre wegen einer schweren Erkrankung nicht beginnen, holt dann den Realschulabschluss nach und beginnt 4 Jahre nach der Abiturprüfung eine Ausbildung an der Fachhochschule als Logopädin. Das OLG Thüringen hat F Ausbildungsunterhalt für eine Erstausbildung zugestanden.76
3. Ausbildungsverzögerungen Mit der Verpflichtung von Eltern, ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren, 191 korrespondiert die Verpflichtung des in der Ausbildung befindlichen Kindes zu Zielstrebigkeit, Fleiß und Sparsamkeit; denn der Ausbildungsunterhalt ist zweckgebunden und wird nur dann und insoweit geschuldet, als der Berechtigte ihn zu seiner Berufsausbildung auch tatsächlich einsetzt.77 Eltern haben deshalb einen Anspruch darauf, dass ihr unterhaltsberechtigtes Kind seine Ausbildung so betreibt, dass es sie innerhalb der üblichen Zeit erfolgreich beenden kann. Hierzu gehört, dass der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung an den für den Ausbildungsgang geltenden Plänen ausrichtet und diese Zeitpläne einhält. Bei Studenten endet der Unterhaltsanspruch somit mit Ablauf der Regelstudienzeit, bei anderen Ausbildungen mit Ablauf der vorgesehenen Ausbildungszeit einschließlich Abschlussprüfung.78 Einmaliges Prüfungsversagen, krankheitsbedingte Verzögerungen oder vorüber- 192 gehendes Versagen führen nicht zum Wegfall des Anspruchs.79 Zwar besteht ein Interesse der Eltern an einem überschaubaren zeitlichen Rahmen für das ausbildungsbedingte Fortbestehen der Unterhaltspflicht. Solange aber Verzögerungen auf nachvollziehbaren Gründen beruhen, sind sie von den Verpflichteten hinzunehmen. Erst wenn die Misserfolge so offensichtlich werden, dass mit einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss vernünftigerweise nicht mehr zu rechnen ist, kann der Anspruch auf fortgesetzte Unterhaltszahlung wenigstens für diese Ausbildung entfallen. Ob der Unterhaltsanspruch wieder aufleben kann, wenn die Ausbildung nach einer längeren Zeit des „Bummelns“ wieder aufgenommen und dann zielstrebig fortgesetzt wird, ist wiederum eine Frage der Angemessenheit und insbesondere der Zumutbarkeit.80 Als Ausfluss des Gegenseitigkeitsprinzips steht dem Unterhaltsverpflichteten 193 ein gewisses Recht zur Überwachung und Kontrolle des Ausbildungsganges zu,81 dem durch die Vorlage von Zeugnissen als Nachweis über den bisherigen Ausbildungsgang Rechnung getragen werden kann. 4. Ausbildungswechsel Es liegt in der Natur der Entwicklung junger Erwachsener, dass Umwege bei der 194 Ausbildung beschritten und Änderungen des ursprünglichen Ausbildungsweges 76 OLG Jena, OLGR Jena 2009, 423 f.; ebenso OLG Köln, FamRZ 2005, 301 f. bei einer Unterbrechung von 2,5 Jahren. 77 BGH, FamRZ 1984, 777, 778; 1997, 470. 78 BGH, FamRZ 1984, 777. 79 BGH, FamRZ 1990, 149; 1984, 777; OLG Hamm, FamRZ 1990, 904. 80 OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1342. Weitere Beispiele bei Reinken, FPR 2009, 334, 338. 81 BGH, FamRZ 1987, 470; OLG Zweibrücken, FamRZ 1995, 1006.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
oder -ziels vorgenommen werden, weil eigene Fähigkeiten nicht richtig eingeschätzt werden oder falsche Vorstellungen von dem gewählten Beruf bestehen.82 Deshalb billigen die Gerichte dem jungen Menschen sowohl eine gewisse Orientierungsphase vor Beginn der Ausbildung als auch einen Ausbildungswechsel zu, selbst wenn beides zur Verlängerung der Ausbildung führt. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet; denn bei der Entscheidung ist auch das Interesse des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, möglichst bald Gewissheit über die Dauer der Zahlungspflicht zu erhalten. Beruht die Wahl der Erstausbildung auf einer Fehleinschätzung, weil sie keine den Fähigkeiten angemessene Ausbildung darstellt, berechtigt dies zu einer weiteren Ausbildung, vgl. Rn. 196.83 195 So ist ein Studienfachwechsel innerhalb des 1. oder 2. Semesters unschädlich,84 in der zweiten Hälfte des Studiums kann der Fachrichtungswechsel dagegen zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führen85. Der Abbruch einer Heilpraktikerausbildung und die Aufnahme eines Medizinstudiums sind hinzunehmen, wenn der Wechsel möglichst früh vollzogen wird und zwischen der abgebrochenen und der angefangenen Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht.86 Allerdings ist der Berechtigte im Allgemeinen entsprechend dem oben dargestellten Gebot zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet, sich mit dem Verpflichteten zu beraten oder sogar abzustimmen, bevor er den Ausbildungsgang wechselt. Des Weiteren ist der Fachrichtungswechsel nur dann für die Unterhaltsansprüche unschädlich, wenn er nicht nur einer Laune des Unterhaltsberechtigten entspringt, sondern nach Neigung und Eignung begründbar und sinnvoll ist. Darüber hinaus führt der Wechsel nur dann nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs, wenn das Kind nach dem Abbruch der einen Ausbildung die danach in Aussicht genommene unverzüglich aufnimmt und zielstrebig durchführt. Überlegungsoder Orientierungsphasen werden dem jungen Erwachsenen nach Abbruch einer Ausbildung i.d.R. nicht mehr zugestanden. Beispiel Der Abbruch der Ausbildung zur Verkäuferin nach 10 Monaten, um eine Handelsschule zu besuchen, war für den Unterhaltsanspruch unschädlich.87 Wer aber die begonnene Lehre nach 4 Monaten abbricht, ohne sich zuvor um einen bestimmten anderen Ausbildungsplatz gekümmert zu haben, kann seinen Unterhaltsanspruch verlieren, wenn eine neue Ausbildung nicht alsbald aufgenommen wird.
" Praxishinweis: In der Praxis führen Ausbildungswechsel häufig zu Unter-
haltsverfahren, die ihre Ursache meist in der gestörten Kommunikation zwischen dem Kind und dem Unterhaltspflichtigen haben. Davon sind besonders häufig Kinder aus geschiedenen Ehen betroffen. Zwar können volljährige Kinder über ihren Ausbildungsgang in eigener Verantwortung entscheiden, gleichwohl muss, wer Ausbildungsunterhalt von seinen Eltern verlangt, auch auf die Interessen der Eltern Rücksicht nehmen. Deshalb empfiehlt sich immer, die Ausbildungswünsche mit den Eltern zu bespre-
82 83 84 85 86 87
BGH, FamRZ 2006, 1100, 1103. BGH, FamRZ 2006, 1100, 1103. LG Hannover, FamRZ 1976, 380; BGH, FamRZ 1987, 470. OLG Hamm, FamRZ 1981, 490; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 193. BGH, FamRZ 2001, 757, 759. OLG Hamburg, FamRZ 1983, 523.
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IV. Ausbildungsunterhalt
chen, auch und gerade, wenn im Fall der Scheidung der Eltern kein Kontakt mehr zum anderen Elternteil gepflegt wird. Sind Gespräche nicht mehr möglich, können die Informationen auch schriftlich in höflicher Form ausgetauscht werden. Hier gibt es häufig Empfindlichkeiten, so dass Ungeschicktheiten in der Form vermieden werden sollten. Grobe Beleidigungen können zu einer Verwirkung des Anspruchs führen (vgl. dazu Rn. 236 ff.). 5. Finanzierung einer weiteren Ausbildung des Kindes Haben die Eltern ihre Pflicht zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung 196 des Kindes erfüllt, so sind sie nicht verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.88 Dieses gilt ausnahmsweise nicht, wenn (1) die Eltern ihr Kind in eine von ihm nicht gewünschte Ausbildung gedrängt haben oder die begabungsangemessene Ausbildung aus Kostengründen verweigert haben,89 (2) der erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann,90 (3) die Erstausbildung auf einer schwerwiegenden Fehleinschätzung der Begabung und Fähigkeiten des Kindes beruht,91 (4) erkennbar von vornherein ein einheitlicher Berufs- und Ausbildungsplan bestand (z.B. in den Mittlere-Reife-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium-Fällen),92 (5) ein enger und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten Berufsausbildung und Studium besteht (z.B. bei den Abitur-Lehre-StudiumFällen).93 In all diesen Fällen sind die Eltern verpflichtet, dem Kind eine weitere Ausbildung zu ermöglichen, d.h., sie müssen für die Dauer einer weiteren Ausbildung Unterhalt zahlen. Im 1. Fall folgt dieses aus der Tatsache, dass die dem Kind von den Eltern aufgenötigte Ausbildung noch nicht die gesetzlich geschuldete angemessene Vorbildung zu einem Beruf war. Auch im Fall 2. ist die Berufsausbildung noch nicht die gesetzlich geschuldete, da sie nicht den persönlichen Eignungsvoraussetzungen des Kindes für den gewählten Beruf entsprach. In der Praxis führen vor allem die Konstellationen der Fälle 3. bis 5. zu Streit zwi- 197 schen Eltern und Kindern, wenn es nämlich darum geht, wann Eltern verpflichtet sind, ihrem Kind die Weiterbildung in dem erlernten Beruf oder eine Zweitausbildung zu finanzieren, nachdem der ursprünglich vom Kind gewünschte und von den Eltern finanziell ermöglichte Berufsausbildungsabschluss erreicht ist.
88 89 90 91 92 93
BGH, FamRZ 1993, 1057; 1990, 149; 1991, 322. BGH, FamRZ 1991, 322. OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 555. BGH, FamRZ 1980, 1115. BGH, FamRZ 1995, 416, 417; FamRZ 1991, 320, 321. BGH, FamRZ 1990, 149; 1991, 1044, 1045; 1993, 1057; 1992, 170.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Beispiele – Nach dem Abitur macht der Sohn eine dreijährige Ausbildung zum Bankkaufmann. Im Anschluss daran möchte er Betriebswirtschaft studieren (Weiterbildung). – Die Tochter möchte im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Banklehre ein Sportstudium aufnehmen, um Lehrerin zu werden (Zweitausbildung).
Die Rechtsprechung hat für die fortdauernde Zahlungspflicht trotz Finanzierung einer Ausbildung zwischen Weiterbildung und Zweitausbildung differenziert, in beiden Fällen aber die Finanzierung an die Erfüllung bestimmter Kriterien geknüpft, die im Folgenden erläutert werden. 6. Weiterbildung 198 Die Eltern müssen das beabsichtigte Hochschulstudium nach Abschluss der Lehre finanzieren, wenn dies von vornherein der einheitlichen Berufs- und Ausbildungsplanung entsprach, denn dann handelt es sich um eine zusammenhängende (Erst-)Ausbildung. Dem Kind wird ebenfalls ein weiterer Unterhaltsanspruch in den sog. AbiturLehre-Studium-Fällen zugebilligt, wenn ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den praktischen und den theoretischen Ausbildungsabschnitten besteht und die Finanzierung des Hochschulstudiums im Anschluss an die Lehre den Eltern finanziell zumutbar ist.94 Hierfür ist also weder erforderlich, dass der Entschluss zum Studium von vornherein vorlag, noch, dass die Erstausbildung (Lehre) auf einer Fehleinschätzung von Begabung und Fähigkeiten des Kindes beruhte. Allerdings muss das Studium derselben Berufssparte angehören, d.h., die praktische Ausbildung muss zumindest sinnvolle Vorbereitung für den in Aussicht genommenen Beruf bzw. das angestrebte Studium sein. Das Studium muss eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung der praktischen Ausbildung bezwecken.95 Beispiele wie in den Beispielen unter Rn. 197 – Dem Bankkaufmann stehen damit für das Betriebswirtschaftsstudium (weitere) Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern zu. – Bei der Bankkauffrau fehlt es an dem sachlichen Zusammenhang zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung. Sie hat unter dem Gesichtspunkt der Weiterbildung auch dann keinen Unterhaltsanspruch, wenn sie für das Sportstudium besondere Eignung und Begabung mitbringt.
Der von der Rechtsprechung verlangte enge sachliche Zusammenhang wurde bei den Abitur-Lehre-Studium-Fällen z.B. in folgenden Fällen bejaht: Banklehre und Jurastudium96, Banklehre und Betriebswirtschaft, 97 Heilpraktiker und Medizin,98 Erzieherin und Sozialpädagogik. 99 Dagegen wurde der sachliche Zusammenhang verneint bei folgendem Ausbildungsverlauf: Speditionskaufmann und Jurastudi94 95 96 97 98 99
BGH, FamRZ 1989, 853; 1990, 149; 1995, 416 ff. BGH, FamRZ 1990, 149; 1995, 416 ff.; grundlegend FamRZ 1977, 629 = NJW 1977, 1774. BGH, FamRZ 1992, 170. OLG Celle, FamRZ 1981, 584. BGH, FamRZ 2001, 757. OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 244.
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IV. Ausbildungsunterhalt
um,100 Industriekaufmann und Medizinstudium,101 Industriekaufmann und Maschinenbaustudium, 102 Finanzinspektor und Psychologie.103 Leitgedanke dieser Rechtsprechung ist, dass Eltern eben nicht verpflichtet sind, ihren Kindern eine praktische Ausbildung und ein Studium zu finanzieren. Sie schulden nur eine einzige Berufsausbildung.104 Dem Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammenhangs ist dann Rechnung getragen, wenn Erst- und Weiterbildung als sinnvolle und nützliche zeitliche Einheit anzusehen sind. Der Berechtigte hat das Studium so bald wie möglich nach Abschluss der Lehre aufzunehmen. Der fertige Bankkaufmann muss sein Studium deshalb im folgenden Semester nach Möglichkeit beginnen. Stets ist aber auch bei den Weiterbildungswünschen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. So soll die erhebliche Verlängerung der Ausbildungszeit durch ein Hochschulstudium von den Eltern dann nicht finanziert werden müssen, wenn damit empfindliche finanzielle Einschränkungen der Eltern verbunden sind. Auch spielt es eine Rolle, ob das Kind bei Beendigung der praktischen Ausbildung bereits ein Alter erreicht hat, in dem die Eltern mit weiterer Belastung von Unterhaltsforderungen nicht mehr zu rechnen brauchten. Nach den gleichen Grundsätzen können auch die Schule-Lehre-Fachoberschule- 199 Studium-Fälle behandelt werden.105 Auch dann ist ein Unterhaltsanspruch zur Weiterbildung gegeben, wenn zwischen Lehre und Hoch- oder Fachhochschulstudium ein weiterer Schulbesuch (Fachoberschule) zur Erlangung eines höheren Schulabschlusses eingeschoben ist, der für Haupt- und Realschüler einen möglichen Weg zur Erlangung einer höherqualifizierten Ausbildung darstellt. Der BGH besteht allerdings in diesen Fällen auf einem einheitlichen Ausbildungsplan, der von vornherein bestanden haben muss.106 Ein Unterhaltsanspruch wurde von der Rechtsprechung z.B. bejaht bei der Ausbildungsfolge Kfz-Mechaniker – Fachoberschule mit Abschluss Fachhochschulreife – Maschinenbaustudium; Physiklaborantin – Berufsoberschule – Physikstudium107 und Facharbeiter mit Abitur und anschließendem Studium.108 7. Zweitausbildung Ausnahmsweise besteht ein Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung einer 200 mit der Erstausbildung in keinem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden Zweitausbildung, wenn das Kind eine Zweitausbildung anstrebt, weil die Erstausbildung auf einer schwerwiegenden Fehleinschätzung seiner Fähigkeiten und Begabung beruht (vgl. Rn. 196).109 Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei dem Unterhaltsberechtigten um einen sog. Spätentwickler handelt, d.h., 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109
OLG Stuttgart, FamRZ 1991, 1472, 1473. BGH, FamRZ 1991, 1044. BGH, FamRZ 1993, 1057. BGH, FamRZ 1981, 344. BGH, FamRZ 1991, 1044, 1045. OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 852. FamRZ 1995, 416; 1991, 320 ff.; 1989, 853; 1977, 629. LG Freiburg, FamRZ 1990, 308; OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1387. KG, FamRZ 1994, 1055. BGH, FamRZ 1991, 322, 323.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
dass Begabung, Leistungswille und Ausbildungsfähigkeit sich erst längere Zeit nach Aufnahme, u.U. erst nach Abschluss der Erstausbildung gezeigt haben. Nach der Lebenserfahrung können sich besonders gestörte häusliche Verhältnisse, die meist durch Trennung und Scheidung offenkundig werden, nachteilig auf die schulische Entwicklung eines Kindes auswirken.110
" Praxishinweis: Da der Anspruch auf eine Zweitausbildung also nur unter engen Voraussetzungen besteht, muss der Unterhaltsberechtigte im Unterhaltsverfahren besonders gründlich und sorgfältig vortragen und im Falle des Bestreitens auch beweisen können, aus welchen Gründen die Zweitausbildung angestrebt wird, warum diese bisher nicht begonnen oder durchgeführt werden konnte und warum die Erstausbildung nicht ausreicht. Hat z.B. der elterliche Trennungs- und Scheidungskonflikt die Persönlichkeitsentwicklung verzögert, wird die Finanzierung einer Zweitausbildung zumutbar sein.
Beispiele – Ein Anspruch auf Finanzierung des Sportstudiums der Bankkauffrau besteht nicht, wenn der Studienwunsch allein auf einem Wechsel der Neigung beruht,111 der Lehrerberuf eine bessere gesellschaftliche Stellung112 oder ein höheres Einkommen verspricht, oder die Banklehre gewählt wurde, weil zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns die Berufsaussichten für Lehrer ungünstig erschienen.113 Auch der Umstand, dass die Eltern zur Erstausbildung nichts beigetragen haben, lässt allein keinen Anspruch auf Finanzierung einer Zweitausbildung entstehen.114 – Ein solcher Anspruch könnte aber gegeben sein, wenn die Tochter sehr bald nach Beginn der Lehre festgestellt hat, dass es nicht die richtige Berufswahl war, ihren Eltern dieses unverzüglich mitgeteilt und eine Alternativausbildung benannt hat, die Ausbildung zur Bankkauffrau aber dennoch auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern beendet hat.115 Gleiches gilt für die durchaus nicht seltenen Fälle, in denen die Bildungsfähigkeit des Jugendlichen wegen schwieriger häuslicher Verhältnisse, z.B. wegen Trennung und Scheidung der Eltern, nicht rechtzeitig vor Beginn der ersten Ausbildung erkannt worden ist.116
V. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung 201 Nach Abschluss der Ausbildung und völlig unabhängig von deren Qualität oder Dauer hat der Volljährige eine eigene Lebensstellung erlangt und ist nunmehr unterhaltsrechtlich gehalten, für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Unterhaltsberechtigt ist er dann nur noch, wenn er aus besonderen unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Gründen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Gleiches gilt für den Volljährigen, der keine Ausbildung anstrebt; denn es gilt der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung. 202 Unterhaltsrechtlich anzuerkennen ist eine Unterhaltsbedürftigkeit, die dadurch verursacht ist, dass das volljährige Kind aufgrund einer Erkrankung nicht mehr erwerbstätig sein kann. Es kann u.U. einen lebenslangen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern haben. Dieser muss jedoch nicht zum Zuge kommen, wenn das 110 111 112 113 114 115 116
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BGH, FamRZ 1981, 437, 439; 2000, 420, 421. OLG München, FamRZ 1976, 216; OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1097. BGH, FamRZ 1977, 669. OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1097; OLG Oldenburg, FamRZ 1985, 1282. BGH, FamRZ 1981, 437; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 926. BGH, FamRZ 1991, 931 f. BGH, FamRZ 1981, 437; OLG Frankfurt, FamRZ 1985, 1167.
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V. Anspruch auf Unterhalt außerhalb der Ausbildung
volljährige Kind Anspruch auf Grundsicherung wegen Erwerbsminderung hat und sein Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern unberücksichtigt bleiben kann, weil das Einkommen der Eltern unter einem Betrag von 100 000 Euro liegt (§§ 41 Abs. 3, 43 Abs. 2, 91 SGBXII). Bei Arbeitslosigkeit nach Abschluss der Ausbildung besteht nur noch ausnahmsweise ein Unterhaltsanspruch. An die Verwertung der Arbeitskraft nach abgeschlossener Ausbildung werden strenge Maßstäbe angelegt; denn § 1602 Abs. 1 BGB gibt der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des Volljährigen für die Bestreitung seines Unterhalts den Vorrang. Der Volljährige ist daher auch gehalten, berufsfremde Tätigkeiten aufzunehmen, 203 wenn es ihm nicht möglich ist, in dem erlernten Beruf sein Auskommen zu finden. Dabei sind ihm auch Arbeiten unterhalb der erstrebten oder bisher innegehabten Lebensstellung zuzumuten.117 Kann der Unterhaltsberechtigte durch die Aufnahme einer solchen Tätigkeit, die der Arbeitsmarkt zulässt, seinen Lebensbedarf erwirtschaften, entfällt ein Unterhaltsanspruch. Das gilt auch dann, wenn er dies vorwerfbar nicht tut, sondern weiterhin nach einer Beschäftigung im erlernten Beruf Ausschau hält. Denn das Risiko, eine Anstellung gerade in dem erlernten Beruf zu finden, fällt den Unterhaltspflichtigen nicht zur Last. Findet der gesunde arbeitsfähige Volljährige jedoch außerhalb des erlernten Berufs ebenfalls keinen Erwerb, um sich seinen angemessenen Unterhaltsbedarf zu verdienen, bleibt der leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, selbst wenn die allgemeine wirtschaftliche Lage bzw. die Lage des Arbeitsmarktes hierfür ursächlich ist.118 Gleiches gilt für diejenigen Schulabgänger, die keine Ausbildung anstreben oder für die nur ungelernte Tätigkeiten in Frage kommen. Die volljährige Tochter, die wegen der Erziehung ihres eigenen Kindes nicht erwerbstätig ist, hat nur ausnahmsweise einen Unterhaltsanspruch für sich gegen ihre Eltern. Zunächst muss sie in Betracht kommende Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehegatten bzw. den anderen Elternteil des Kindes ausschöpfen. Zur Ersatzhaftung der Eltern für einen Anspruch ihres Kindes nach § 1615l BGB s. Rn. 325. Gleiches gilt für den volljährigen Sohn, der ein Kind zu versorgen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für die Bedürftigkeit liegt beim Unterhalts- 204 berechtigten. Zur Begründung des Anspruchs auf Unterhalt wegen fehlender Erwerbsmöglichkeiten reicht regelmäßig nicht die Erklärung, dass er arbeitslos und Arbeit suchend gemeldet ist. Vielmehr ist unter Vorlage von Belegen darzulegen, wie er sich durch eigene Initiative um Arbeit bemüht (Bewerbungen auf Stellenanzeigen in Zeitungen, Aufgabe eigener Annoncen, Bemühungen auch außerhalb seines Wohnorts usw.) und gleichwohl trotz intensiver Suche weder in seinem erlernten Beruf noch überhaupt irgendeine bezahlte Tätigkeit gefunden hat. Die Bemühungen müssen im Einzelnen für einen Dritten nachvollziehbar dokumentiert und nachprüfbar sein. Bezieht das arbeitslose volljährige Kind ALG II, ist diese Leistung nicht wie bedarfsdeckendes Einkommen zu behandeln, solange es a) das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und noch keine abgeschlossenen Ausbildung hat oder b) selbst Unterhalt von den Eltern verlangt, wozu auch schon eine Mahnung oder ein Auskunftsersuchen ausreicht Dann bleibt es bei der Subsidiarität der Sozialleistung ge117 OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 291. 118 BSG, FamRZ 1985, 1251, 1253.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
genüber dem Unterhalt, d.h. der Unterhaltsanspruch des Kindes geht in Höhe der gewährten Sozialleistung kraft Gesetzes auf den Leistungsträger über, der dann von den Eltern Zahlung verlangen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II, s. dazu Kap. I, Rn. 556d ff.). Macht hingegen das Kind keinen Unterhalt gegen seine Eltern geltend, findet in Höhe der gewährten Leistung kein gesetzlicher Forderungsübergang statt und das ALG II mindert die Bedürftigkeit, es sei denn, es hat das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und hat es noch keine abgeschlossenen Berufsausbildung (§ 33 Abs. 2 SGB II, s. Kap. I, Rn. 556f). Die Arbeitsagentur darf jedoch das arbeitslose Kind nicht auf die Geltendmachung von Unterhalt verweisen; umgekehrt dürfen Eltern nicht die Leistung verweigern und das Kind auf den Bezug von ALG II verweisen, denn im Grundsatz ist die Gewährung von ALG II immer subsidiär gegenüber Unterhaltsansprüchen.119 Bezieht das Kind Leistungen nach dem SGB II gilt es nach Nr. 2.2 der Leitlinien als Einkommen, wenn der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nach § 33 Abs. 2 SGB II nicht Kraft Gesetzes übergeht.
" Praxishinweis: In Unterhaltsverfahren wird häufig zu wenig zu den Bemü-
hungen um eine Erwerbstätigkeit vorgetragen. Es empfiehlt sich für den Unterhaltsberechtigten, einen Ordner zu führen, in dem nicht nur der Nachweis für die unverschuldete Arbeitslosigkeit (z.B. Kündigung aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit bzw. mangelnder gesundheitlicher Eignung), sondern insbesondere alle Bewerbungen, Ablehnungsschreiben und auch Telefonvermerke über Bewerbungen unter Angabe der Daten und Namen genauestens aufgeschrieben und gesammelt werden. Bewerbungsschreiben müssen die Ernsthaftigkeit der Arbeitssuche belegen. Nicht überzeugend sind z.B. Schreiben mit mehreren Rechtschreibungsfehlern, ohne individuellen Bezug zum Arbeitsangebot und eigenem Arbeitsprofil oder wenn sie Hinweise auf Mängel in der eigenen Ausbildung oder private Schicksalsschläge enthalten.
VI. Die Berechnung des Unterhalts 205 Für volljährige Kinder kann genau wie für minderjährige der Bedarf konkret berechnet werden, was z.B. bei behinderten Kindern sinnvoll sein kann. Üblich ist in der Praxis jedoch die Bedarfsbemessung entweder nach der DT oder nach speziell für Volljährige bemessenen festen pauschalisierten Regelbedarfssätzen (Anm. A Nr. 7 DT, Stand 1.1.2010). Nach der überwiegenden Praxis der Obergerichte wird der Unterhaltsbedarf volljähriger Kinder bis zum 21. Lebensjahr nach der Altersstufe 4 der Unterhaltstabelle bestimmt, wenn das Kind im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils lebt, und ansonsten nach den Regelbedarfssätzen, wenn es bereits einen eigenen Hausstand hat. Bei beiden Varianten sind nach der Klärung des Bedarfs jeweils eigene Einkünfte des Kindes sowie das Kindergeld in voller Höhe abzuziehen und danach die Haftungsquoten der Eltern zu berechnen. Seit 1.1.2008 ist der Kindergeldabzug auch für volljährige Kinder in § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelt, denn das Gesetz beschränkt die Anwendbarkeit nicht auf minderjährige Kinder. Der BGH hatte schon vor Inkrafttreten des neugefassten § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB durch das UÄndG seine Rechtsprechung zur Anrechnung des Kindergeldes bei volljährigen Kindern im Sinne des jetzt geltenden Rechts grundlegend 119 Heiß/Hußmann, 16, Rn. 69. Vgl. die Anwendungshinweise der Arbeitsagentur zu § 33 SGB II, abrufbar z.B. unter www.arbeitsagentur.de.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts
geändert120 und das Kindergeld in voller Höhe auf den Bedarf des Kindes angerechnet, auch wenn es noch im Haushalt eines Elternteils lebt, mit der Folge, dass erst danach die Haftungsanteile der Eltern für den Restbedarf errechnet werden. Vgl. dazu die Ausführungen zum Kindergeldausgleich unter Rn. 219a. 1. Bedarf nach der Unterhaltstabelle
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Prüfungsschema für den Tabellenunterhalt des privilegierten und nicht privilegierten volljährigen Kindes 1. Vorfragen zur Klärung der Privilegierung: Ist das Kind 18–21 Jahre alt? Besucht das Kind eine allgemeinbildende Schule? Lebt das Kind im Haushalt eines Elternteils? 2. Ist das volljährige Kind privilegiert, wird der Bedarf wie folgt errechnet: a) Klärung des Bedarfs nach den Einkommensverhältnissen beider Eltern. b) Bereinigung des Einkommens der Eltern durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. c) Bestimmung des Bedarfs nach dem zusammengerechneten bereinigten Einkommen beider Eltern nach der DT (i.d.R. nach der Altersstufe 4 ohne Herab- oder Heraufstufung)121. d) Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes und des Kindergeldes auf den Bedarf. e) Berechnung der Haftungsanteile der Eltern für den ungedeckten Bedarf nach der Formel: Bedarf des Kindes % Einsatzbetrag ðder Mutter bzw: des VatersÞ Summe der Einsatzbetrage ¨ beider Eltern Die Einsatzbeträge der Eltern entsprechen ihren bereinigten Einkommen abzüglich des angemessenen, bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen (Mangelfall) des notwendigen Selbstbehalts122. f) Zwischenergebnis: Haftungsanteil des Vaters bzw. der Mutter für den Bedarf. g) Abschließende Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Vaters bzw. der Mutter und der Belange des Kindes. Ggf. Korrektur des Bedarfs bzw. der Anteile der Eltern. h) Ergebnis: zu zahlender Unterhalt 3. Ist das volljährige Kind nicht privilegiert, wird der Bedarf wie oben mit folgenden Abweichungen berechnet: a) Bei der Bereinigung des Einkommens sind neben dem Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten auch vorrangige Unterhaltsschulden abzuziehen. b) Bei der Berechnung der Haftungsanteile der Eltern entsprechen die Einsatzbeträge ihren bereinigten Einkommen abzüglich des angemessenen Selbstbehalts123.
120 BGH, FamRZ 2006, 99 ff. 121 Das OLG Frankfurt lässt eine Höhergruppierung um eine Stufe zu, wenn nur ein Kind unterhaltsberechtigt ist, s. Nr. 13.1.1 der LL, Stand 1.7.2010. 122 Teilweise wird der angemessene Selbstbehalt abgezogen und nur im Mangelfall der notwendige Selbstbehalt, s. z.B. Nr. 13.3 der LL des OLG Frankfurt, Süddeutschen OLG u. Karlsruhe. Der notwendige Selbstbehalt gegenüber privilegierten Kindern beträgt zzt. nach den Leitlinien, Stand 1.1.2010, 900 Euro bei Erwerbstätigen bzw. 770 Euro bei Nichterwerbstätigen. Dies gilt bundeseinheitlich. 123 Der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beträgt zzt. in allen Bundesländern einheitlich nach den Leitlinien, Stand 1.1.2010, 1 100 Euro.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
207 Der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes, das unverheiratet ist, das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und im Haushalt seiner Eltern oder eines Elternteils lebt, richtet sich nach dem zusammengerechneten unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen beider Eltern (s. Kap. A, Rn. 31 ff.) und ist nach der Unterhaltstabelle zu bestimmen. Dabei werden privilegierte Schüler und andere volljährige Kinder in der Ausbildung insoweit gleich behandelt;124 denn erfahrungsgemäß hat ein volljähriges Kind, auch wenn es zu Hause wohnen bleibt, einen höheren Bedarf als ein minderjähriges Kind. Die DT sieht eine 4. Altersstufe für Kinder vom 18. bis zum 21. Lebensjahr vor. Die Beträge dieser Altersgruppe sind höher als die der 3. Altersgruppe. In den meisten Oberlandesgerichtsbezirken wird seit 1.1.2008 die 4. Altersgruppe einheitlich angewendet für in der Ausbildung oder in der allgemeinen Schulausbildung befindliche volljährige Kinder bis zum 21. Lebensjahr, die noch im Haushalt eines Elternteils leben. 208 Für die Einstufung in die maßgebliche Einkommensgruppe der Tabelle ist auf das zusammengerechnete zuvor unterhaltsrechtlich bereinigte Einkommen beider Eltern abzustellen, ohne dass davon der ihnen zustehende angemessene Eigenbedarfssatz abgezogen wird. Generell hat jeder Elternteil nach den Leitlinien den Unterhalt nur bis zu der Höhe zu leisten, wie sie sich nur nach seinem Einkommen bemessen nach der Tabelle ergibt. Die meisten Leitlinien sehen keine Höher- oder Herabstufungen vor, selbst wenn es eine größere oder geringere Zahl von Unterhaltsberechtigten gibt, als dies für den Zuschnitt der Tabellenwerte vorgesehen ist. Bis zum 31.12.2009 ging die Rechtsprechung einheitlich von einem Zuschnitt der Bedarfssätze der Tabelle von einer Unterhaltspflicht gegenüber drei Berechtigten, seit 1.1.2010 wird überwiegend nur noch von einer Unterhaltspflicht gegenüber zwei Berechtigten ausgegangen.125 Nur das OLG Frankfurt a.M. empfiehlt für den Fall, dass nur eine Unterhaltspflicht besteht, eine Höherstufung um eine Einkommensgruppe.126 Das OLG Braunschweig begrenzt den Bedarf nach der Altersstufe 4 in der Höhe auf den Regelbedarfssatz für volljährige Kinder von zurzeit 640 Euro.127 Das OLG Frankfurt a.M. wendet ebenfalls die 4. Altersstufe an, geht aber bei Kindern mit eigenem Einkommen von einem Mindestbedarf von 530 Euro aus (Nr. 13.1.1 der LL). Beispiel K ist 19 Jahre alt, Schüler und lebt bei M, deren bereinigtes Einkommen 500 Euro beträgt. V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro. Das Gesamteinkommen der Eltern beträgt 2 000 Euro. Der Bedarf würde bei Zugrundelegung beider Einkommen nach der Altersstufe 4 und der Einkommensgruppe 3 (1 901 bis 2 300 Euro) 537 – 184 = 353 Euro betragen. Da M bei einem Einkommen von 500 Euro, das unter dem Selbstbehaltssatz von 900 Euro liegt, nicht leistungsfähig ist, haftet V allein für den Unterhalt. Er muss deshalb nur 304 Euro (488 – 184 = 304 Euro) zahlen, denn seine Haftungsgrenze liegt bei 304 Euro, weil sich bei seinem Einkommen von 1 500 Euro nach der Einkommensgruppe 1 nur ein Bedarf von 488 – abzüglich das Kindergeld i.H.v. 184 = 304 Euro ergibt. Nach den Leitlinien des OLG Frankfurt käme hier aufgrund einer Höherstufung ein Bedarf i.H.v. 329 Euro (513 – 184 = 329 Euro) in Betracht, für den V einzustehen hätte.
124 So z.B. die LL des OLG Brandenburg, Nr. 13.1; anders noch z.B. das OLG Oldenburg. 125 S. dazu die Übersicht Borth, FamRZ 2010, 256 ff. Die Änderung ist auf die deutliche Erhöhung des Mindestunterhalts und daraus folgend der Tabellenwerte ab 1.1.2010 i.H.v. 5 % bzw. 8 % zurückzuführen. 126 Nr. 13.1.1 unter Hinweis auf BGH, FamRZ 1994, 696, 697. 127 S. Nr. 13.1.1 der LL.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts
2. Berechnung nach pauschalierten Regelbedarfssätzen für Volljährige Prüfungsschema für den Unterhalt volljähriger Kinder bemessen nach dem Regelbedarfssatz
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I. Berechnung des Bedarfs nach dem Regelbedarfssatz für Volljährige unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Eltern. 1. Feststellung des maßgeblichen Regelbedarfs nach den Leitlinien128. a) Abzug des Kindergeldes und gegebenenfalls Anrechnung eigener bereinigter Einkünfte des Kindes auf den Bedarf. b) Zwischenergebnis: ungedeckter Bedarf. 2. Klärung des Durchschnittseinkommens beider Eltern. a) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. b) Berechnung der Haftungsanteile der Eltern für den ungedeckten Bedarf nach der Formel: Bedarf des Kindes % Einsatzbetrag ðder Mutter bzw: des VatersÞ Summe der Einsatzbetrage ¨ beider Eltern Die Einsatzbeträge der Eltern entsprechen ihren bereinigten Einkommen abzüglich des angemessenen Selbstbehalts gegenüber volljährigen Kindern129. 3. Zwischenergebnis: vorläufiger vom Vater bzw. der Mutter zu zahlender Unterhalt. 4. Abschließende Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der Gesamtverpflichtungen des Vaters bzw. der Mutter und der Belange des Kindes. Ggf. Korrektur des Bedarfs, bzw. der Anteile der Eltern. II. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt.
Der Unterhaltsbedarf für ein in der Ausbildung stehendes volljähriges Kind mit 210 eigenem Hausstand und ab dem 22. Lebensjahr auch für Kinder, die noch bei den Eltern oder einem Elternteil leben, wird nach überwiegender Praxis nach dem pauschalierten Regelbedarfssatz für volljährige Kinder bemessen. Der Regelbedarfssatz für Volljährige beträgt seit 1.1.2008 bundeseinheitlich nach den Leitlinien 640 Euro (Stand 1.1.2010).130 In den Regelbedarfssätzen sind der Wohnbedarf und berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt; Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung sowie Studiengebühren sind nicht enthalten. Der Bedarf kann bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern höher liegen.
" Praxishinweis: Da die Leitlinien der OLG den Bedarf volljähriger Kinder un-
terschiedlich regeln, sind für die Bedarfsberechnung vorsorglich immer die Leitlinien des zuständigen OLG heranzuziehen. Sind für den Wohnsitz des Berechtigten und des Verpflichteten unterschiedliche OLG zuständig, gilt: Für die Bedarfsberechnung des Kindes sind die Leitlinien des für den Wohnsitz des Kindes zuständigen OLG, für die Leistungsfähigkeit des/der Ver-
128 S. Anm. A Nr. 7 der DT und Nr. 13.1.2 der LL. 129 Der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beträgt nach Nr. 21.3.1 der Leitlinien, Stand 1.1.2010, im Regelfall 1 100 Euro (s. auch Anm. A 5 der DT). 130 S. jew. Nr. 13.1.2 der LL. Die Höhe der zuvor geltenden Beträge lag bis 30.6.2005 bei 600 Euro in den alten Bundesländern und Berlin West, bei 640 Euro seit 1.7.2005 in den alten Bundesländern und Berlin. In den neuen Bundesländern lagen die Beträge vom 1.7.2005 bis 31.12.2007 bei 590/600 Euro.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
pflichteten die für seinen/ihren Wohnsitz maßgeblichen Leitlinien anzuwenden. 3. Bedürftigkeit des Kindes in Höhe des errechneten Bedarfs 211 Auf den Tabellenunterhalt oder den pauschalierten Regelbedarf muss sich das unterhaltsberechtigte Kind alles anrechnen lassen, was ihm als Einkommen zufließt; denn insoweit ist es nicht bedürftig (§ 1602 Abs. 1 BGB). Hierzu zählt eigenes Einkommen, insbesondere die Ausbildungsvergütung nach Abzug von Steuern und Sozialleistungen und ggf. ausbildungsbedingtem Mehrbedarf, wobei sich die Einkommensberechnung nicht von der Einkommensberechnung beim Verpflichteten unterscheidet. Ferner wird das Kindergeld in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet. a) Abzug von Einkommen 212 Bezieht das volljährige Kind Einkünfte aus einem Ausbildungsverhältnis oder sonstigen Erwerbstätigkeit sind diese den Bedarf mindernd abzuziehen. Dabei ist zuvor zu prüfen, ob die Einkünfte um berufsbedingte- bzw. ausbildungsbedingte Aufwendungen bereinigt werden können. Denn ob und wie das zu geschehen hat, hängt davon ab, ob sich der Bedarf des Kindes nach Maßgabe der Leitlinien nach der Unterhaltstabelle richtet oder vom Regelbedarfssatz auszugehen ist. Ausbildungsbedingte Aufwendungen sind beim Tabellenunterhalt nach der 3. oder 4. Altersstufe für die Bedarfsbestimmung entweder als Pauschale oder auf Nachweis von der Ausbildungsvergütung abziehbar.131 Da auch beim Abzug einer Pauschale im Falle des Bestreitens von berufsbedingten Aufwendungen ein Nachweis erforderlich ist, sollten die Aufwendungen dem Verpflichteten von vornherein konkret mitgeteilt werden. Bestimmt sich der Bedarf nach dem Regelbedarfssatz, ist die Handhabung der OLG hinsichtlich eines Abzugs von berufsbedingten Aufwendungen bei eigenen Einkünften unterschiedlich. Teilweise wird vertreten, dass die üblichen Werbungskosten einschließlich Fahrgeld darin enthalten sind, so dass das Einkommen in voller Höhe abgezogen wird132 nach anderer – überwiegender Praxis – wird das Einkommen um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen bereinigt und dann bedarfsmindernd abgezogen.133 Beispiel K hat nach den Leitlinien seines zuständigen OLG einen Bedarf von 488 Euro –184 Euro Kindergeld = 304 Euro. Seine bereinigten Einkünfte als Auszubildender i.H.v. 200 Euro (290 Euro abzüglich einer Pauschale von 90 Euro für ausbildungsbedingten Mehrbedarf)134 muss er für seinen Unterhalt verwenden. Dies ergibt einen ungedeckten Bedarf von 104 Euro (304 Euro–200 Euro = 104 Euro).
213 Erwerbseinkünfte von Schülern und Studenten durch Ferienarbeit oder auch aus Erwerbstätigkeit neben dem Studium werden nur dann bedarfsmindernd angerechnet, wenn dem Berechtigten ausnahmsweise eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Denn grundsätzlich wird Schülern und Studenten nicht zugemutet, neben der 131 132 133 134
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Nr. 13.2 der LL. So Nr. 13.2 der Leitlinien des KG. So die meisten OLG, s. z.B. Nr. 13.2 der OLG Celle, Hamburg, Hamm. Vgl. Anm. A 8 der DT, und z.B. Nr. 13.2. i.V.m. Nr. 10.2.3 der LL der Süddeutschen Familiensenate.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts
Ausbildung oder in den Ferien zu arbeiten. Der Besuch einer weiterbildenden Schule oder einer Hochschule steht einer Ganztagsbeschäftigung gleich. Schüler und Studenten sind verpflichtet, sich nach Kräften um einen erfolgreichen Schulbzw. Hochschulabschluss zu bemühen und alles zu unterlassen, was den Ausbildungszweck gefährdet.135 Wenn der Schüler oder Student erwerbstätig ist, ohne hierzu verpflichtet zu sein, 214 so wird – wie in sonstigen Fällen überobligationsmäßiger Erwerbstätigkeit auch – eine Anrechnung nur nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) stattfinden. Bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern und geringen Einkünften des Berechtigten in Taschengeldhöhe, z.B. durch Zeitungen austragen, werden diese immer anrechnungsfrei bleiben. Die Ferienarbeit eines Studenten im höheren Semester wird regelmäßig unzumutbar sein, insbesondere aber, wenn es sich um berufsfremde Tätigkeit handelt. Das hierfür verdiente Geld bleibt anrechnungsfrei. Im seltenen Einzelfall – beispielsweise bei wirtschaftlich schwachen Verhältnissen der Eltern oder bei langer Ausbildungsdauer oder nach einem Wechsel der Ausbildung – kann aber eine Ferien- oder Semesterbeschäftigung oder sogar eine Nebentätigkeit zumutbar bzw. geboten sein. Hierfür bleibt jedoch Voraussetzung, dass die Ausbildung ohne Nachteile weiter durchgeführt werden kann. Das aus pflichtgemäßer Tätigkeit erzielte Einkommen wird – ggf. nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen – auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Das volljährige Kind, das trotz bestehender Obliegenheit nicht erwerbstätig ist, 215 muss sich die für ihn erzielbaren Einkünfte fiktiv auf seinen Unterhaltsanspruch anrechnen lassen.136 Leistungen nach dem BAföG – der Höchstsatz beträgt zzt. 648 Euro (§§ 13,13a 216 BAföG) – sind in voller Höhe bedarfsmindernd anzusetzen, soweit es sich nicht um Vorausleistungen nach § 36 BAföG handelt. Vorausleistungen erbringt der Leistungsträger z.B. dann, wenn die Eltern den geschuldeten Unterhalt nicht an das Kind zahlen. Vorausleistungen sind nicht anrechenbar, weil sie subsidiär erbracht werden, d.h. der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Eltern geht auf den vorleistenden Leistungsträger über (§ 37 BAföG). Ansonsten sind BAföGLeistungen, selbst wenn sie als Darlehen gewährt werden, auf den Bedarf anzurechnen.137 Diese Rechtsprechung ruft bei den Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unverständnis hervor: Es sei nicht einzusehen, dass der Unterhaltspflichtige durch das BAföG-Darlehen dauerhaft, der Berechtigte dagegen nur für die Dauer der Darlehensgewährung entlastet ist, wenn er später zurückzahlen muss. Der BGH ist dagegen der Auffassung, dass auch das BAföG-Darlehen der Deckung des augenblicklichen Bedarfs dient und dieser nicht zweimal gedeckt zu werden braucht. Die BAföG-Darlehen würden zu sehr günstigen Bedingungen gewährt, so dass es dem Kind zumutbar sei, diese Ausbildungsförderung in Anspruch zu nehmen. Für das Kind besteht eine Obliegenheit BAföG-Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn es die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt. Deshalb ist im Un135 BGH, FamRZ 1995, 475 f.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1278; OLG Hamm, FamRZ 1994, 1279. 136 BVerfG, FamRZ 2005, 1893. Zu den Grundsätzen s. Rn. 57 ff. 137 BGH, FamRZ 1985, 916; 1989, 499 f.; KG, FamRZ 1985, 962.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
terhaltsverfahren darzulegen, dass und warum es keine BAföG-Leistungen bezieht; denn auch diese Leistungen sind Einkommen, die das Kind ggf. zumutbar erzielen könnte. Versäumt das Kind vorwerfbar einen entsprechenden Antrag zu stellen, kann ihm ein fiktives Einkommen in Höhe des in Betracht kommenden BAföG-Satzes zugerechnet werden.138 Die Eltern trifft im Bewilligungsverfahren eine Mitwirkungspflicht gem. § 60 SGB I i.V.m. § 47 Abs. 4 BAföG, denn sie müssen über ihre Einkünfte Auskunft erteilen und diese belegen.139 217 Eigene Kapitaleinkünfte des Kindes mindern ebenfalls seinen Bedarf. Ist Vermögen vorhanden, müssen nicht nur die Erträge aus dem Vermögen für den Unterhalt verwendet, sondern es muss die Substanz des Vermögens verwertet werden.140 Dabei ist dem Volljährigen ein Teil des Vermögens als Reserve für Sonderbedarf zu belassen, mindestens in Höhe eines im Sozialhilferecht geregelten Freibetrags von zzt. 2 600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 DVO v. 11.2.1988 i.d.F. v. 30.12.2003, BGBl. I, S. 3022, 3060), der auch im Verfahrenskostenhilfeverfahren angewendet wird. Der Freibetrag kann auch je nach Umständen des Einzelfalls höher bemessen werden, wobei die soziale Lage der Eltern und z.B. ausbildungsbedingte Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen sind. Ausnahmsweise wird die Verwertung der Substanz dann nicht zumutbar sein, wenn sie – wiederum auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern – aufgrund besonderer Umstände grob unbillig wäre. Nicht entsprechend anwendbar ist § 1577 Abs. 3 BGB, der für unterhaltsbedürftige Ehegatten einen weniger strengen Maßstab an die Verwertung von Vermögen anlegt. Erwerbsminderungsrenten sind ebenso anzurechnen wie Waisen- und Halbwaisenrenten. 218 Nicht bedarfsmindernd angerechnet werden Sozialhilfe (§ 94 Abs. 3 SGB XII) und Arbeitslosengeld II (§ 33 Abs. 1 SGB II, Rn. 66d)141 wegen der Subsidiarität der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen gegenüber Unterhaltsansprüchen, angerechnet werden aber alle Leistungen mit Lohnersatzcharakter (Arbeitslosengeld Rn. 66c, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Krankengeld usw.). Denn der Unterhaltsanspruch des Kindes geht kraft Gesetzes auf den Leistungsträger im Umfang der Leistungsgewährung über. Zu den Ausnahmen vgl. Rn. 172 und Kap. I, Rn. 556g. 219 Anrechnungsfrei bleiben außerdem andere zweckbestimmte Sozialleistungen, beispielsweise Blindengeld und Pflegegeld, da vermutet wird, dass diese Sozialleistungen den Mehrbedarf, der zusätzlich zum Regelbedarf der Leitlinien und Tabellen entsteht, decken (§ 1610a BGB). Die Vermutung ist allerdings widerlegbar, d.h., der Verpflichtete muss im Einzelfall dartun und beweisen, dass der tatsächlich entstehende Mehrbedarf des Berechtigten geringer ist als die erhaltene Sozialleistung. Da § 1610a BGB die Darlegungs- und Beweislast ändert, hat der Verpflichtete den vollen Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO zu erbringen.142 138 OLGR Karlsruhe 2009, 290–281; OLG Schleswig, FamRZ 2006, 571, Kasenbacher, NJW-Spezial 2009, 660. 139 OLGR Koblenz 2007, 579. 140 BGH, FamRZ 1998, 367, 369. 141 Enthält das ALG II Zuschläge oder ein Einstiegsgeld (§§ 24, 29 SGB II) gelten diese unterhaltsrechtlich jedoch als Einkommen, vgl. Rn. 66b und Nr. 2.2 der Leitlinien der OLG. 142 MünchKomm.ZPO/Prütting, § 292 ZPO Rn. 23.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts
b) Abzug des Kindergeldes Seit 1.1.2008 wird nach § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB das volle Kindergeld vom Bar- 219a unterhaltsbedarf des Kindes bedarfsdeckend abgezogen, wenn beide Eltern barunterhaltspflichtig sind. § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB regelt den Kindergeldausgleich im Unterhaltsrecht gleichermaßen für minderjährige als auch für volljährige Kinder, denn das Gesetz beschränkt die Anwendbarkeit nicht auf minderjährige Kinder. Erst nach Abzug des Kindergeldes und ggf. eigenen Einkommens des Kindes wird ermittelt, in welcher Höhe die Eltern für den Restbetrag entsprechend dem Verhältnis ihrer Einkommen aufzukommen haben. Der Vorabzug des Kindergeldes vom Bedarf des Kindes hat zur Folge, dass das Kindergeld den Eltern in dem Umfang als Entlastung zugute kommt, in dem sie zum Unterhalt des Kindes beitragen. Der Vorabzug des Kindergeldes vom Bedarf volljähriger Kinder gilt auch für Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007, denn der BGH hatte die nach früherem Recht hoch streitige Frage der Kindergeldverrechnung bereits mit Urteil v. 26.10.2005143 im Sinne der jetzt geltenden Verrechnungsweise durch entsprechende Anwendung von § 1612b Abs. 3 BGB a.F. entschieden und damit die Kindergeldverrechnung stark vereinfacht. Eine Folge des bedarfsmindernden Abzugs des vollen Kindergeldes ist, dass der Elternteil, der das Kindergeld erhält, dieses in voller Höhe für den Bedarf des volljährigen Kind zur Verfügung zu stellen hat. Lebt es nicht mehr in seinem Haushalt, ist das Geld an das Kind auszukehren, denn dieses hat einen Anspruch auf Auskehrung des Kindergeldes gegen über dem Elternteil, an den es von der Familienkasse gezahlt wird. Welcher Elternteil das Kindergeld bezieht (Bezugsberechtigung), richtet sich auch bei volljährigen Kindern nach dem EStG, wonach das Kindergeld an den Elternteil ausgezahlt wird, in dessen Haushalt das Kind lebt (§ 64 Abs. 2 EStG), denn die Neufassung des § 1612b BGB lässt die Regelungen im Steuerrecht über die Bezugsberechtigung für das Kindergeld unberührt. Hat das Kind einen eigenen Haushalt, wird das Kindergeld dem Elternteil ausgezahlt, der Unterhalt leistet. Zahlen beide Eltern Unterhalt, erhält der das Kindergeld, der den höchsten Unterhalt leistet (§ 64 Abs. 3 EStG). Das Kind kann die Auszahlung an sich selbst verlangen, wenn die Eltern keinen Unterhalt zahlen oder dieser geringer ist als das Kindergeld (§ 74 Abs. 1 EStG).
" Praxishinweis: Für Streitigkeiten über die Bezugsberechtigung des Kinder-
geldes nach § 64 Abs. 2 EStG ist seit 1.9.2009 das FamG zuständig, denn es handelt sich um Unterhaltssachen i.S.v. § 231 Abs. 2 FamFG. Bei diesen sind jedoch nicht die Verfahrensvorschriften der §§ 235–240 FamFG anwendbar, denn es handelt sich nicht um Familienstreitverfahren, sondern um Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Maßgebend sind die allgemeinen Vorschriften des Allgemeinen Teils des FamFG, zuständig für die Bearbeitung ist der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 3g, 25 Nr. 2 RPflG).
Lebt das Kind noch im Haushalt eines Elternteils, bezieht der wohnungsgewährende Elternteil das Kindergeld und hat es ebenfalls für den Bedarf des Kindes zur Verfügung zu stellen. Das Kindergeld ist auch dann in voller Höhe vom Bedarf abzugsfähig, wenn der wohnungsgewährende Elternteil zur Zahlung von Barunterhalt nicht leistungsfähig ist. 143 BGH, FamRZ 2006, 99 ff.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Beispiel K ist Schüler und lebt noch bei der Mutter. Er hat nach den Leitlinien seines zuständigen OLG einen Bedarf von 562 Euro. Das Kindergeld bezieht die Mutter. Nach Abzug des Kindergeldes hat K einen Bedarf von 378 Euro. Da M nicht leistungsfähig ist, hat V allein den Bedarf von 378 Euro zu zahlen. M hat das Kindergeld für K zur Verfügung zu stellen, sie ist jedoch berechtigt, es im Wege der Verrechnung mit der Wohnungsgewährung einzubehalten sowie ggf. einen weiteren Anteil des Barunterhalts von dem Kind zu beanspruchen, insbesondere, wenn weiterer Naturalunterhalt, z.B. durch Beköstigung, erbracht wird.
Hat das Kind einen eigenen Haushalt, gilt der Vorababzug des Kindergeldes gleichermaßen, wobei das Kind von dem bezugsberechtigten Elternteil im Falle eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit die Auskehrung des Kindergeldes an sich verlangen oder aber sogleich einen Antrag bei der Kindergeldkasse auf Abzweigung und Auszahlung an sich direkt stellen kann (§ 74 Abs. 1 EStG). Beziehen die Eltern einen Zählkindvorteil für ein gemeinsames Kind und entfällt dieser auf das volljährige Kind, dann ist das Kindergeld zzgl. Zählkindvorteil vom Bedarf abzuziehen (§ 1612b Abs. 2 BGB). Nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist ein wegen eines nicht gemeinsamen Kindes der Eltern bezogener Zählkindvorteil, dieser erhöht auch nicht das bedarfsbestimmende Einkommen des Elternteils und seine Leistungsfähigkeit im Verhältnis zum gemeinsamen Kind.144 4. Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern 220 Die Eltern sind gegenüber dem Kind Teilschuldner,145 d.h., sie schulden jeweils nicht den vollen Unterhalt, sondern abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit nur den auf sie entfallenden Teil (§§ 1606 Abs. 3 Satz 1, 420 BGB).
" Praxishinweis: Der Unterhaltsberechtigte muss immer auch die Einkom-
mensverhältnisse des von ihm nicht in Anspruch genommenen Elternteils darlegen und ggf. beweisen, um seinen Unterhaltsanspruch im Unterhaltsverfahren gegenüber dem Verpflichteten der Höhe nach schlüssig zu begründen. Beantragt der Verpflichtete nach Eintritt der Volljährigkeit die Abänderung eines Unterhaltstitels, der während der Minderjährigkeit des Kindes geschaffen wurde,146 muss das Kind außer seiner fortdauernden Bedürftigkeit noch die Einkommensverhältnisse des anderen Elternteils darlegen und beweisen. Um diesen Anforderungen zu genügen, steht dem Kind gegenüber beiden Eltern ein Auskunftsanspruch zu (s dazu Rn. 560 ff.). Auch die Eltern haben untereinander einen Auskunftsanspruch und können sich so, wenn die fortdauernde Bedürftigkeit des Kindes ab Volljährigkeit feststeht, unabhängig vom Kind Klarheit über ihre zukünftige Unterhaltsbelastung verschaffen.
Die Eltern sind verpflichtet, den Bedarf ihres Kindes entsprechend dem Verhältnis ihrer beiderseitigen Einkünfte nach Abzug des Selbstbehalts zu befriedigen. Das für den Unterhalt zur Verfügung zu stellende Einkommen wird nach Abzug des Selbstbehalts im Folgenden als Einsatzbetrag bezeichnet. Haben beide ein gleich hohes bereinigtes Nettoeinkommen, müssen sie beide den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes jeweils zur Hälfte decken. Die Einkommen sind
144 BGH, FamRZ 2000, 1494 (zum alten Recht); s. Wendl/Scholz, § 2 Rn. 512. 145 BGH, FamRZ 1989, 499. 146 KG, FamRZ 1989, 1206.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts
aber i.d.R. nicht gleich hoch, so dass der Haftungsanteil nach folgender Formel berechnet wird: Einsatzbetrag des Vaters bzw: der Mutter % ungedeckter Bedarf des K Summe der Einsatzbetrage ¨ beider Eltern
Der Haftungsanteil jedes Elternteils kann auch zunächst als Quote errechnet werden: Einsatzbetrag des Vaters bzw: der Mutter ¼ Quote Summe der Einsatzbetrage ¨ der Eltern
Der mit der Quote multiplizierte Bedarf ergibt dann den geschuldeten Unterhalt. Nachfolgend werden die Berechnungsschritte im Einzelnen anhand von Beispielen und unter Berücksichtigung der Selbstbehaltssätze nach dem Stand 1.1.2010 dargestellt. Für die Einkommensermittlung der Verpflichteten beim Unterhalt des volljäh- 221 rigen Kindes wird auf Rn. 31 ff. und Rn. 67 ff. verwiesen. Soweit Besonderheiten gelten, ist darauf verwiesen. Zu den Abweichungen bei der Leistungsfähigkeit und der Zurechnung fiktiver Einkünfte vgl. Rn. 174 ff. Von dem ermittelten bereinigten Einkommen ist der maßgebliche Selbstbehalt abzuziehen. Maßgeblich ist gegenüber volljährigen Kindern der angemessene, sog. große Selbstbehalt: Er beträgt bundesweit seit dem 1.1.2008 in der Regel 1 100 Euro, in dem 450 Euro 222 für eine Warmmiete enthalten sind (Anm. A Nr. 5 DT Stand. 1.1.2010). Er kann nach einigen Leitlinien für Nichterwerbstätige teilweise auch herabgesetzt werden oder ist mit einem geringeren Satz i.H.v. 980 Euro bemessen.147 Gegenüber privilegierten Volljährigen gilt ebenfalls der angemessene Selbst- 223 behalt, im Mangelfall jedoch der notwendige, sog. kleine Selbstbehalt:148 Der notwendige Eigenbedarf beträgt bundesweit seit 1.1.2008 für Erwerbstätige 900 Euro/Nichterwerbstätige 770 Euro. Haben die Eltern Einkommen, das nach Abzug der Verbindlichkeiten noch über 224 dem Selbstbehalt liegt, ist dieses den Selbstbehalt übersteigende Geld für den Unterhalt einzusetzen (sog. Einsatzbetrag). Der Einsatzbetrag ist also jeweils das Ergebnis folgender Berechnung: Einkommen – Verbindlichkeiten – Selbstbehalt = Einsatzbetrag Mit diesen Einsatzbeträgen wird der Haftungsanteil der Eltern berechnet: Einsatzbetrag des Vaters bzw: der Mutter % ungedeckter Bedarf des K Summe der Einsatzbetrage ¨ beider Eltern
147 S. Nr. 21.3 der LL der OLG Naumburg, Braunschweig. 148 So empfehlen es die meisten OLG in Nr. 13.3. Zu dieser Handhabung neigt auch der BGH, FamRZ 2002, 2002, 815, 818.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
a) Berechnungsbeispiel für Studenten mit eigenem Hausstand 225 Der Bedarf volljähriger Kinder mit eigenem Hausstand wird von allen OLG mit dem Regelbedarfssatz bemessen. Beispiel K ist Student mit eigenem Hausstand, das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 600 Euro (Rente), M 1 500 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Das Kindergeld bezieht V. Bedarf des K i.H. des Regelbedarfssatzes Abzug des Kindergeldes, 640 – 184 Euro =
640 Euro 456 Euro
Haftunganteile der Eltern: Nettoeinkommen der M abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag der M
1 500 Euro 1 100 Euro 400 Euro
Nettoeinkommen des V abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag des V
1 600 Euro 1 100 Euro 500 Euro
Summe der Einsatzbeträge Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 400 Euro : 900 Euro × 456 Euro Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 500 Euro : 900 Euro × 456 Euro Da V das Kindergeld bezieht hat er dieses an K auszukehren und hat deshalb insgesamt 437 Euro zu zahlen 253 + 184. K erhält somit zusammen 203 + 253 + 184, also insgesamt
900 Euro 203 Euro 253 Euro 640 Euro
b) Berechnungsbeispiel für Lehrling, der bei einem Elternteil lebt 226 Der Bedarf ist nach der 4. Altersstufe der DT berechnet. Nach den Leitlinien einiger OLG kann als Bedarf auch der Regelbedarfssatz maßgeblich sein. Dann erfolgt die Berechnung wie im Beispiel unter Rn. 225.149 Beispiel Lehrling K, 20 Jahre, lebt bei M, die das Kindergeld bezieht, und hat eigene Einkünfte i.H.v. 250 Euro. Das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 500 Euro (Rente), M 1 700 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Gesamteinkommen der Eltern Bedarf des Kindes nach der Altersstufe 4 Abzug von (184 Euro Kindergeld + 250 Euro Ausbildungsvergütung) ergibt einen ungedeckter Bedarf von
3 200 Euro 625 Euro 434 Euro 191 Euro
Haftungsanteile der Eltern: Nettoeinkommen der M abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag der M
1 700 Euro 1 100 Euro 600 Euro
Nettoeinkommen des V abzüglich Selbstbehalt Einsatzbetrag des V
1 500 Euro 1 100 Euro 400 Euro
Summe der Einsatzbeträge
1 000 Euro
149 Vgl. zur Bedarfsbestimmung volljähriger Kinder Rn. 210.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 600 Euro : 1 000 Euro × 191 Euro M hat außerdem noch das Kindergeld für den Bedarf zur Verfügung zu stellen
115 Euro 184 Euro
Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 400 Euro : 1 000 Euro × 191 Euro K stehen zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung: Unterhalt M mit Kindergeld 115 + 184 = Unterhalt V eigenes Einkommen Summe
76 Euro 299 76 250 625
Euro Euro Euro Euro
c) Berechnungsbeispiel für privilegierte Volljährige Der Bedarf wird nach der 4. Altersstufe bestimmt. Für die Berechnung der Eins- 227 satzbeträge der Eltern wird in der Regel der angemessene Eigenbedarf von 1 100 Euro abgezogen, dies entspricht der Berechnung im vorstehenden Beispiel b). Sind wie im nachfolgenden Beispiel die Einkommensverhältnisse eng, haften die Eltern bis zum notwendigen Eigenbedarf, da anderenfalls der Bedarf des Kindes nicht gedeckt wäre (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). Beispiel K ist Schüler, 18 Jahre alt (privilegierter Volljähriger), lebt bei M, die das Kindergeld erhält. Das bereinigte Einkommen der Eltern beträgt: V 1 100 Euro (Rente), M 1 200 Euro (aus Erwerbstätigkeit). Gesamteinkommen der Eltern Bedarf des Kindes nach der Altersstufe 4 der DT nach Abzug des Kindergeldes 537 – 184 =
2 300 Euro 537 Euro 353 Euro
Nettoeinkommen der M abzüglich angemessener Selbstbehalt bei Erwerbseinkommen Einsatzbetrag der M
1 200 Euro 900 Euro 300 Euro
Nettoeinkommen des V abzüglich angemessener Selbstbehalt bei Renteneinkommen Einsatzbetrag des V
1 100 Euro 770 Euro 330 Euro
Summe der Einsatzbeträge
630 Euro
Nimmt K die M in Anspruch, ist zu rechnen: 300 Euro : 630 Euro × 353 Euro M hat außerdem das Kindergeld zur Verfügung zu stellen 184 Euro, so dass sie zu zahlen hat
352 Euro
Nimmt K den V in Anspruch, ist zu rechnen: 330 Euro : 630 Euro × 353 Euro
185 Euro
K stehen zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung: Unterhalt M Kindergeld Unterhalt V Summe
168 184 185 537
168 Euro
Euro Euro Euro Euro
d) Berechnungsbeispiel für die Haftungsquoten der Eltern bei gleichrangigen Ansprüchen minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder Ist der einem volljährigen Kind gegenüber Unterhaltspflichtige noch minderjäh- 228 rigen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, wirkt sich dies für die Berechnung seines Haftungsanteils dann nicht aus, wenn er das minderjährige Kind in seinem Ehinger
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Haushalt betreut. Ein Abschlag von seinem Einkommen kommt für den Betreuungsunterhalt nicht in Betracht. Anders ist es, wenn er Barunterhalt für ein minderjähriges Kind zu zahlen hat. Dann wird der Barunterhalt bei dem Verpflichteten vorab von seinem Einkommen für die Berechnung seines Haftungsanteils abgezogen.150 Dieser Vorabzug des Barunterhalts für Minderjährige wird im Rahmen der Berechnung des Volljährigenunterhalts überwiegend in Rechtsprechung und Literatur auch dann gebilligt, wenn es sich um Unterhalt für einen privilegierten Volljährigen handelt, trotz Gleichrangigkeit der Kindesunterhaltsansprüche.151 Dies ist auf Kritik gestoßen, denn der Haftungsanteil des anderen Elternteils, der dem volljährigen Kind ebenfalls Barunterhalt schuldet, wird aufgrund des Vorabzugs größer. Dies wird man bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen hinnehmen können, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung der Berechnung. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen sollte jedoch differenzierter gerechnet werden, da anderenfalls der andere Elternteil unverhältnismäßig belastet würde (s. Rn. 178a).152 Nachfolgend werden zwei unterschiedliche Berechnungen für die Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern dargestellt: Beispiel V hat für den volljährigen Schüler K1 und die 2 minderjährigen Kinder K2 und K3 (3. Altersstufe) Barunterhalt zu zahlen. V verdient 1 700 Euro bereinigt, die die Kinder betreuende M 1 400 Euro. Berechnungsvariante 1 In dieser Berechnung wird zunächst der Bedarf von K1 nach dem Gesamteinkommen der Eltern und der Bedarf der minderjährigen K2 und K3 nach dem Einkommen des V bestimmt. Anschließend wird zur Berechnung der Haftungsanteile der Eltern jeweils der ihnen zustehende Eigenbedarf von ihrem Einkommen und bei V zusätzlich der Unterhalt für K2 und K3 vom Einkommen abgezogen Einkommen des Vaters V Einkommen der Mutter M Gesamteinkommen Bedarf des privilegierten volljährigen K1 nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern Altersstufe 4 ohne Herabstufung 586 –184 = Bedarf der minderjährigen Kinder nach dem Einkommen des V nach der Einkommensgruppe 1 wegen Herabstufung bei erhöhter Unterhaltspflicht gegenüber 3 Kindern K2 (3. Altersstufe) 426 – 92 = K2 (3. Altersstufe) 426 – 92 = Summe des Bedarfs von K2 und K3 Haftungsanteile der Eltern nach Vorabzug des Unterhalts für K2 und K 3 vom Einkommen des V Einsatzbetrag von V 1 700 – 668 – 900 Einsatzbetrag von M 1 400 – 900 Summe der Einsatzbeträge
1 700 Euro 1 400 Euro 3 100 Euro 402 Euro
334 Euro 334 Euro 668 Euro 132 Euro 500 Euro 632 Euro
Haftungsanteil des V 132 / 632 × 402 Haftungsanteil der M 500 / 632 × 402
84 Euro 318 Euro 402 Euro
Eigenbedarfskontrolle für V: 1700 – 668 – 84 =
948 Euro
150 BGH, FamRZ 1988, 1039, 1041. 151 So u.a. Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 470a, OLG Hamburg, FamRZ 2003, 181, 183; s. auch Nr. 13.3 des OLG Frankfurt/M., Nr. 13.3.2 der LL des OLG Hamm; a.A. Schwab/ Borth, Rn. V 168. 152 Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn. 470a; Eschenbruch/Wohlgemuth, Kap. 3 Rn. 585; Nr. 13.3.2 der LL des OLG Hamm; a.A. OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 439.
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VI. Die Berechnung des Unterhalts Berechnungsvariante 2 In dieser Berechnung wird zunächst der Gesamtbedarf der Kinder und der Anteil des volljährigen Kindes an dem Gesamtbedarf ermittelt. Sodann wird von dem nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden Einkommen des Vaters der Betrag ermittelt, der dem Anteil des volljährigen Kindes am Gesamtbedarf der Kinder entspricht. Dieser sich ergebende Anteil entspricht dem Einsatzbetrag von V für die Berechnung der Haftungsquoten der Eltern: Einkommen des Vaters V Einkommen der Mutter M Gesamteinkommen
1 700 Euro 1 400 Euro 3 100 Euro
Bedarf des privilegierten volljährigen K1 nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern Altersstufe 4 ohne Herabstufung 586 – 184 =
402 Euro
Bedarf der minderjährigen Kinder nach dem Einkommen des V nach der Einkommensgruppe 1 wegen Herabstufung bei erhöhter Unterhaltspflicht gegenüber 3 Kindern K2 (3. Altersstufe) 426 – 92 = K2 (3. Altersstufe) 426 – 92 = Gesamtbedarf der Kinder
334 Euro 334 Euro 1 070 Euro
Der Anteil von K1 am Gesamtunterhaltsbedarf der Kinder beträgt 402/1070 Von dem Einkommen des V stehen für den Unterhalt aller Kinder zur Verfügung 1700 – 900 = Anteil von K1 am Einsatzbetrag von V 0,38 × 800 = Einsatzbetrag von M 1 400 – 900 Summe der Einsatzbeträge Haftungsanteil des V 304 / 804 × 402 Haftungsanteil der M 500 / 804 × 402 Eigenbedarfskontrolle für V: 1700 – 668 – 152 =
0,38 800 304 500 804 152 250 402 880
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Soweit der Eigenbedarf von V um 20 Euro unterschritten ist, kann der Bedarf der Kinder anteilig um den Betrag gekürzt werden, der ihrem Anteil am Gesamtkindesunterhaltsbedarf entspricht. Dies ergibt für K1 eine Kürzung seines Bedarfs um 8 E auf 394 Euro : 20 Euro × 0,38 = 8 Euro.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass ein Vorwegabzug des Minderjährigenunter- 229 halts beim Vater zur Folge hat, dass die Mutter, sofern sie hinreichend leistungsfähig ist, unangemessen am Volljährigenunterhalt beteiligt wird (318 gegenüber 250 Euro), während der Vater zu Gunsten der weiteren Unterhaltsberechtigten entlastet wird. Zu einem ausgeglicheneren Verhältnis der Haftungsanteile der Eltern führt es, wenn von dem nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden Einkommen des Vaters der Betrag ermittelt wird, der dem Anteil des auf das volljährige Kind entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarf entspricht und sodann dieser Betrag mit dem verfügbaren Einkommen der Eltern ins Verhältnis gesetzt wird.153 Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn es sich bei den minderjährigen Kindern nicht um gemeinsame Kinder handelt. Denn dann ist nicht einzusehen, warum der andere Elternteil an der Entlastung des Unterhaltspflichtigen, der noch weiteren Kindern Unterhalt schuldet, mitwirken sollte. Einstweilen frei.
230–232
153 OLG Jena, NJW-RR 2006, 507.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
VII. Wie der Unterhalt geleistet wird 233 Haben Eltern einem unverheirateten volljährigen Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Unterhalt kann somit – muss aber nicht – dem Kind in Form einer monatlich im Voraus zahlbaren Geldrente gewährt werden (§ 1612 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BGB). Bestimmen die Eltern dagegen Naturalunterhalt, besteht kein Anspruch auf eine monatliche Geldrente. Die Bestimmung muss immer den gesamten Lebensbedarf umfassen (Wohnung, Bekleidung, Verpflegung, Taschengeld),154 wobei Mischformen von Bar- und Naturalunterhalt möglich sind. Zweck dieser Regelung ist, dass die Eltern mit der Gewährung von Wohnung und Verpflegung wirtschaftlich entlastet werden und ihnen außerdem eine bessere Kontrolle und Einflussmöglichkeit über den jungen Erwachsenen verschafft werden soll, als dieses bei Zahlung einer reinen Geldrente möglich ist.155 Das Recht zur Bestimmung steht beiden Eltern gemeinsam bzw. bei getrennt lebenden Eltern – unter Berücksichtigung der Belange des anderen – jedem allein zu. Die einseitige Unterhaltsbestimmung wird nur Bestand haben, wenn das Recht nicht missbräuchlich ausgeübt wird. Dabei sind wirtschaftliche Gründe des anderen beachtenswert.156 Bei Streit der Eltern darum, bei wem das Kind leben soll, wird i.d.R. der bisher Barunterhaltspflichtige dem anderen nicht das Recht zum Naturalunterhalt streitig machen können. Beispiele – Der bisher barunterhaltspflichtige V verlangt von seiner studierenden Tochter T, dass sie den Haushalt der M mit Erreichung der Volljährigkeit verlässt, zu ihm zieht und sich von seiner jetzigen Lebensgefährtin, die den Haushalt führt, versorgen lässt. T lehnt dies ab im Hinblick auf die enge Bindung zur Mutter. Die Unterhaltsbestimmung des V ist missbräuchlich und damit unwirksam, selbst wenn sie M vollständig von Unterhaltsleistungen entlasten würde. – K lebte nach der Scheidung der Eltern zunächst bei M, wechselte dann im Alter von 13 Jahren mit seinem Bruder zu V und im Alter von 18 Jahren wieder zu M. Um die Schule nicht wechseln zu müssen, bezog er am Schulort eine Zweitwohnung und wohnte nur an den Wochenenden bei M. K verlangt von V Barunterhalt. V, der noch für 3 weitere Kinder Unterhalt zu leisten hat, bot ihm an, bei ihm in einem separaten Zimmer einer Einliegerwohnung zu wohnen. Hier sprechen gewichtige wirtschaftliche Gründe für das Wohnen bei V, so dass die Bestimmung rechtswirksam ist.157 Der BGH hielt in diesem Fall die Unterhaltsbestimmung nicht für offenkundig missbräuchlich und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das OLG zurück.
234 Wenn der Verpflichtete eine zulässige Unterhaltsbestimmung getroffen hat und der Berechtigte den angebotenen Unterhalt nicht annimmt, verliert das Kind den Unterhaltsanspruch, solange die Unterhaltsbestimmung besteht.158 Denn Eltern können zwar ihr volljähriges, in der Ausbildung befindliches Kind nicht zwingen, in der elterlichen Wohnung zu leben. Wenn sie ihm dieses aber anbieten und der Annahme keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen, hat das Kind, wenn 154 155 156 157 158
150
BGH, FamRZ 1988, 831, 832. BGH, FamRZ 1981, 251, 252. BGH, FamRZ 1988, 831, 833. In Anlehnung an BGH, FamRZ 1988, 831, 832. BGH, FamRZ 1983, 369, 370; a.A. FamGB/Griesche, § 1612 BGB Rn. 18.
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VII. Wie der Unterhalt geleistet wird
es das Angebot ablehnt, keinen Anspruch auf Barunterhalt. Die Unterhaltsbestimmung braucht von den Verpflichteten nicht wörtlich und ausdrücklich erklärt zu werden. Es reicht aus, wenn dem Volljährigen weiterhin tatsächlich Wohnung, Verpflegung und Taschengeld geboten werden. Diese Unterhaltsbestimmung wird nicht dadurch unwirksam, dass das volljährige Kind die Wohnung der Eltern verlässt. Wohnt ein Kind bei einem Elternteil und entsteht dadurch ein Mehrbedarf durch hohe Fahrtkosten zum Studienort, den der andere Elternteil mitbezahlen soll, kann dieser erwarten, dass das Kind am Studienort ein Zimmer nimmt und sich mit dem Regelbetragssatz begnügt, wenn er selbst noch weiteren Unterhaltsberechtigten verpflichtet ist.159 Hält das volljährige Kind die Bestimmung der Eltern für unzumutbar, kann es seit 235 1.1.2008 nach § 1612 Abs. 1 BGB sogleich auf Zahlung von Barunterhalt klagen und muss nicht mehr – wie vor Inkrafttreten des UÄndG – zunächst in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren die Frage der Zumutbarkeit der Unterhaltsbestimmung der Eltern klären.160 Das Familiengericht hat dann im Unterhaltsverfahren als Vorfrage zu prüfen, ob die Barunterhaltspflicht wirksam durch die abweichende Unterhaltsbestimmung der Eltern oder des Elternteils abbedungen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wurde. Ist die Bestimmung rechtswirksam, hat der Antrag des Kindes auf Zahlung von Barunterhalt keinen Erfolg; ist sie rechtsunwirksam, ist das Gericht an die Bestimmung nicht gebunden und dem Antrag ist – wenn die übrigen Voraussetzungen der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit gegeben sind – stattzugeben. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Unterhaltsbestimmung der Eltern oder eines Elternteils seine eigenen Belange nicht in gebotener Weise berücksichtigt, liegt beim Kind. Betroffen sind von der Gesetzesänderung vor allem volljährige Kinder in der Ausbildung, Schüler und Studenten, die nicht mehr im elterlichen Haushalt leben wollen und Barunterhalt für ihre selbständige Lebensführung benötigen. Die Bestimmung der Eltern ist rechtsunwirksam, wenn auf die Belange des Kindes nicht die gebotene Rücksicht genommen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn die häuslichen Umstände bei dem Unterhaltspflichtigen für das Kind nicht (mehr) zumutbar sind. Maßstab für die Interessenabwägung ist § 1618a BGB, nach dem Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden. Dabei kommt es für die Abwägung der in einem Spannungsverhältnis stehenden Interessen maßgebend darauf an, wessen Interesse unter Berücksichtigung aller Umstände gewichtiger erscheint. Je anerkennenswerter die Belange der einen Seite sind, umso eher wird es dem anderen i.d.R. zumutbar sein, sich hierauf einzulassen.161 Der Wunsch nach Selbständigkeit und einer eigenen Lebensführung reicht i.d.R. bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aus, um die Unterhaltsbestimmung unwirksam zu machen,162 wohl aber besonders schwierige Familienverhältnisse, die den jungen Erwachsenen in seiner Entwicklung unangemessen hemmen und einschränken. Besondere Gründe sind Entfremdung,163 zerstörtes Vertrauensverhältnis,164 tiefgreifende Differenzen,165 Misshandlungen im 159 160 161 162 163 164 165
BGH, FamRZ 2009, 763, Tz. 27 ff. S. zur Begründung der Gesetzesänderung BT-Drucks. 16/1830, S. 25 f. BGH, FamRZ 2009, 762, 765. OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 1231; Palandt/Diederichsen, § 1612 BGB Rn. 19 m.w.N. OLG Hamm, FamRZ 1998, 1195, 1196; OLG Hamburg, FamRZ 1990, 1269, 1270. OLG Hamm, FamRZ 1999, 404. OLG Celle, FamRZ 2007, 762, 763.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
Elternhaus, unwürdige Erziehungsmethoden, Auseinanderfallen von wesentlichen Wertvorstellungen. Da der Gesetzgeber bei der Schaffung des Bestimmungsrechts die intakte Familie mit ihren erhaltenswerten Bindungen im Auge hatte,166 wird eine Bestimmung meist dann scheitern, wenn familiäre Bindungen stark gestört oder nicht vorhanden sind.167 Nach bis zum 31.12.2007 maßgeblicher Rechtslage war streitig und wurde von den Gerichten sehr unterschiedlich entschieden, ob im Unterhaltsprozess die Rechtswirksamkeit der Unterhaltsbestimmung durch die Eltern als Vorfrage mit entschieden werden kann,168 wer für das Abänderungsverfahren funktionell zuständig ist, der Richter oder der Rechtspfleger, wenn zeitgleich ein Unterhaltsprozess anhängig ist; ferner, ob der Richter verpflichtet ist, die Sache vom Rechtspfleger an sich zu ziehen oder ob der Prozess ausgesetzt werden muss, bis die Frage der Rechtswirksamkeit der Unterhaltsbestimmung durch den Rechtspfleger geklärt ist.169 Die seit 1.1.2008 in Kraft getretene Gesetzesänderung hat insoweit die notwendige Klarheit und mehr Rechtssicherheit gebracht.
" Praxishinweis: Da das Kind in der Regel nicht in der Lage sein wird, die Verfahrenskosten zu tragen, ist hier vor der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe immer daran zu denken, dass volljährige Kinder, jedenfalls im Rahmen ihres Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt, einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen die Eltern haben in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB. Dieser ist vorrangig gegenüber dem Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe geltend zu machen, s. Rn. 244. Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit der Eltern kann auch eine ratenweise Zahlung des Vorschusses beantragt werden.
VIII. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB 236 Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht (§ 1611 Abs. 1 BGB). Unterhaltsansprüche volljähriger und auch privilegierter volljähriger Kinder können verwirkt werden. Dabei darf die vorwerfbare Handlung nicht während der Zeit der Minderjährigkeit begangen worden sein; denn eine solche darf dem Kind bei fortdauernder Unterhaltsbedürftigkeit nicht entgegengehalten werden (§ 1611 Abs. 2 BGB). Die Frage der Verwirkung stellt sich in der Praxis meist, wenn Kinder drogenabhängig werden, das Eltern-Kind-Verhältnis infolge der Trennung und Scheidung so stark gestört ist, dass Kinder den Kontakt verweigern, sich beleidigend und hasserfüllt gegenüber dem Verpflichteten verhalten oder ihn beim Arbeitgeber oder sonstigen Behörden anschwärzen. Ob das Kind schuldhaft die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, hängt von seiner Ein166 BayObLG, FamRZ 2000, 976; Palandt/Diederichsen, § 1612 BGB Rn. 17. 167 OLG Celle, FamRZ 2007, 762, 763; KG, FamRZ 2006, 60, 61. 168 So OLG Celle, FamRZ 2007, 762 m.w.N., a.A. OLG Hamburg, FamRZ 2000, 246; KG, FamRZ 2000, 256. 169 S. dazu Palandt/Diederichsen, § 1612 BGB Rn. 21.
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VIII. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB
sichtsfähigkeit ab, die durch nachhaltig gestörte Familienverhältnisse auch noch fortwirkend beim volljährigen Kind beeinträchtigt sein kann. Beispiele – Der volljährige Schüler K jobbt neben dem Schulbesuch, da V aufgrund geringer Einkommensverhältnisse den auf ihn entfallenden Unterhalt nur zum Teil zahlen kann. Da K keine ausreichende Auskunft über seine Nebeneinkünfte erteilt, stellt V im Abiturjahr die Unterhaltszahlung ein. K schreibt ihm daraufhin wutentbrannt zum Geburtstag, er wünsche ihm im wahrsten Sinne des Wortes Hals- und Beinbruch. In einem weiteren Brief droht er, die Schwarzarbeit der Ehefrau des V dem Finanzamt mitzuteilen. Obwohl das Verhalten des Jungen mindestens grob beleidigend war, kommt ein Ausschluss gleichwohl nicht in Betracht, weil V früher gewalttätig gegenüber M war, die Familie verließ, um die beste Freundin der M zu heiraten, und V sich nie um eine Bereinigung des Verhältnisses zu seinem Sohn bemüht hatte.170 – Der Sohn, 40 Jahre alt, ist nach einer Phase der Drogenabhängigkeit an Aids erkrankt und erwerbsunfähig. Er nimmt V, der eine Rente von 2 000 Euro bezieht und zu dem er jahrelang keinen Kontakt pflegte, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch. Hier liegt ein sittliches Verschulden des Sohnes vor; denn Drogenkonsum ist strafbar und er musste mit einer Infizierung rechnen. Der Anspruch ist wegen der günstigen Einkommensverhältnisse des V nach Billigkeit zu kürzen.171
Die Annahme einer schwerwiegenden vorsätzlichen Verfehlung setzt immer 237 eine umfassende Abwägung aller maßgeblichen Umstände voraus, die auch das eigene Verhalten des unterhaltspflichtigen Elternteils, und zwar sowohl gegenüber dem Kind als auch ggf. gegenüber dem geschiedenen Elternteil, der das Kind jahrelang während seiner Minderjährigkeit versorgt und betreut hat, angemessen zu berücksichtigen hat.172 Die Kontaktverweigerung des Kindes gegenüber seinen Eltern reicht nicht aus, 238 um den Unterhalt ganz oder teilweise auszuschließen.173 Die Kürzung oder der Ausschluss von Unterhalt ist kein von § 1611 BGB legalisiertes Mittel des Unterhaltsverpflichteten, um den Umgang mit dem volljährigen Kind zu erzwingen.174 Ist der Tatbestand der Verwirkung erfüllt, ist der Unterhalt nach Billigkeit zu kürzen. Neben der Bezifferung des gekürzten Unterhalts im Unterhaltstitel, sollte in den Gründen des Unterhaltsbeschlusses oder des Vergleichs für den Fall einer späteren Abänderung des Unterhaltstitels die Kürzungsquote angegeben werden, also z.B.: „Der Unterhalt war gemäß § 1611 Abs. 1 BGB um 1/ 3 des Regelsatzes für Volljährige zu kürzen.“ Das Maß der Kürzung hängt von dem Gewicht der vorsätzlichen Verfehlung des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen ab. So hat das OLG Hamm den Unterhaltsanspruch einer Studentin um 1/ 3 gekürzt, die eine bewusst falsche Strafanzeige gegen den Unterhaltspflichtigen wegen des Vorwurfs der Nötigung im Straßenverkehr erstattet hatte.175 Soweit das Gesetz darüber hinausgehende Sanktionen für die Verfehlung vorhält, sind diese bei der Kürzung zu berücksichtigen: So ist aufseiten des Kindes Erzie170 OLG Hamm, FamRZ 1993, 468 zu mehrfachen Beleidigungen; OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 1513 mit Hinweis auf die Berücksichtigung der Familiengeschichte. 171 KG, FamRZ 2002, 1357, 1358. 172 BGH, FamRZ 1995, 475 f. 173 BGH, FamRZ 1995, 475. 174 OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 957. 175 OLG Hamm, NJW-RR 2006, 509–511= JAmt 2007, 107.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
hungs- oder Elterngeld ausnahmsweise in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen (§ 9 BErzGG, § 11 BEEG). Vgl. dazu Rn. 66. Der Anspruch entfällt ganz, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre (§ 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Kind kann den Unterhalt auch nicht von anderen Verwandten verlangen, wenn ihm der Anspruch gegenüber dem Vater oder der Mutter nach § 1611 BGB versagt worden ist (§ 1611 Abs. 3 BGB). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach dem vorgetragenen Sachverhalt im Unterhaltsprozess vor, sind sie von Amts wegen zu berücksichtigen, anderenfalls muss der Unterhaltspflichtige, der sich auf die Verwirkung beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen dafür darlegen und beweisen. Hat der Unterhaltspflichtige trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1611 BGB über längere Zeit den Unterhalt gezahlt, kann dies dafür sprechen, dass er seinem Kind verziehen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung trifft den in Anspruch genommenen Elternteil.
IX. Unterhalt für die Vergangenheit 239 Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Rückwirkend kann Unterhalt für Sonderbedarf binnen eines Jahres nach Entstehung verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); außerdem für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB). Unterhalt kann auch rückwirkend verlangt werden, wenn er aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (unbekannter Aufenthalt des Verpflichteten), nicht rechtzeitig gefordert werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB). Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet (§ 286 Abs. 1 BGB). Wegen der Einzelheiten zur Geltendmachung von Verzugszinsen wird auf die Ausführungen unter Rn. 159 ff. verwiesen.
X. Verjährung 240 Für Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder gilt gemäß § 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Für titulierte, bis zur Rechtskraft der Entscheidung, bzw. bis zum Abschluss des Vergleichs oder der Errichtung der Urkunde aufgelaufenen Unterhaltsansprüche, gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), für die titulierten zukünftigen Ansprüche gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen kann aus den verschiedensten Gründen gehemmt werden, z.B. während schwebender Verhandlungen über den Anspruch (§ 203 BGB), während des Unterhaltsverfahrens (auch bei Stufenverfahren) sowie des Verfahrenskostenhilfeverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 14 154
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XI. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB
BGB) oder Zustellung eines Antrags auf einstweilige Anordnung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB).
XI. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB Eine Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts 241 kann nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht kommen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).176 Der Geltendmachung von rückständigem Unterhalt kann schon vor Ablauf der Verjährung der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Da Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise geltend gemacht werden kann, weil der Unterhalt der Deckung des notwendigen und aktuellen Lebensbedarfs dient, ist vom Unterhaltsgläubiger eine zeitnahe Durchsetzung der Ansprüche zu erwarten.177 Auch der Schuldnerschutz macht eine zeitliche Beschränkung erforderlich; denn Unterhaltsrückstände können zu einer drückenden Schuldenlast anwachsen, die die Leistungsfähigkeit des Schuldners hinsichtlich des laufenden Unterhalts beeinträchtigen könnte. Ferner lassen sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die für die Einkommensverhältnisse maßgeblichen Zeitabschnitte nach längerer Zeit schwerer aufklären. Es kann deshalb eine Verwirkung des Anspruchs in Betracht kommen, wenn der Unterhaltsberechtigte, nachdem er den Unterhalt angemahnt oder Auskunft zum Zweck der Berechnung des Unterhalts verlangt hat, über einen längeren Zeitraum nichts mehr von sich hören lässt. Der Unterhaltsschuldner muss aufgrund der Umstände angesichts der Untätigkeit darauf schließen können, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen würde. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum widerspruchslos eine geringere Unterhaltsforderung als verlangt annimmt und keine Anstalten macht, den Differenzbetrag einzuklagen. Der BGH178 stellt weniger strenge Anforderungen an das Umstandsmoment und hält selbst im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs schon nach Ablauf eines Jahres der Untätigkeit des Sozialleistungsempfängers eine Verwirkung für möglich.179 Auf bereits titulierte Unterhaltsansprüche finden diese Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung ebenfalls Anwendung, denn vom Gläubiger einer titulierten Unterhaltsforderung ist zu erwarten, dass er sie zeitnah durchsetzt.180 Insoweit spielt zwar das Argument der schwierigeren Sachaufklärung keine Rolle, maßgebendes Gewicht kommt jedoch dem Schuldnerschutz zu: Genau wie vom Gläubiger eines noch nicht titulierten Anspruchs ist schon wegen der Zweckbestimmung der Leistung, nämlich den aktuellen Lebensbedarf des Gläubigers zu sichern, eine zeitnahe Durchsetzung der schon vor Fälligkeit titulierten Forderung zu erwarten, damit die Unterhaltsrückstände nicht zu einer drücken176 BGH, FamRZ 2002, 1698 f. 177 BGH, FamRZ 1988, 370. 178 So der XII. Senat, FamRZ 2002, 1698, 1699; strenger hinsichtlich des Umstandsmoments der VII. Senat, NJW 2003, 824. 179 BGH, FamRZ 2002, 1698, 1699; 1988, 370; KG, FamRZ 1994, 771. Kritisch dazu Büttner, FamRZ 2003, 449 f.; Hußmann, FPR 2003, 153 f. 180 BGH, Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2004, 531 ff.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
den Schuldenlast anwachsen.181 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch für titulierte Unterhaltsansprüche, soweit es sich um wiederkehrende Leistungen handelt, ab deren rechtskräftiger Feststellung keine längere Verjährungsfrist als 3 Jahre vorgesehen (§§ 197 Abs. 2, 201 BGB). Das Zeitmoment für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung kann schon nach Ablauf eines Jahres erfüllt sein. Ob das Umstandsmoment der Verwirkung ebenfalls erfüllt ist, hängt wiederum von den individuellen Verhältnissen ab, u.a. auch davon, ob der Verpflichtete sich schon in seiner Lebensführung auf die Nichtinanspruchnahme eingestellt hat.182
XII. Unterhaltsverträge und Unterhaltsverzicht 242 Hier gelten keine Besonderheiten gegenüber den Ausführungen betreffend das minderjährige Kind. Insbesondere ist auch der Verzicht auf Unterhalt nicht für die Zukunft, sondern lediglich für die Vergangenheit zulässig (§ 1614 Abs. 1 BGB). Freistellungsvereinbarungen zwischen den Eltern sind zulässig, sofern der Unterhaltsanspruch des Volljährigen dadurch nicht berührt wird.
XIII. Rangverhältnisse 243 Wenn Eltern wegen ihres eigenen zu geringen Einkommens außerstande sind, die Unterhaltsansprüche mehrerer Bedürftiger – seien es Kinder oder Ehegatten – zu erfüllen, gilt seit 1.1.2008 gemäß § 1609 BGB folgende Rangfolge für die Befriedigung volljähriger privilegierter Kinder und nicht privilegierter Volljähriger: Die minderjährigen unverheirateten Kinder und ihnen gleichgestellte volljährige Schüler bis zum 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, gehen allen anderen Unterhaltsberechtigten im Rang vor (§ 1609 Nr. 1 BGB). Danach folgen im zweiten Rang kinderbetreuende Eltern, egal ob sie verheiratet sind oder nicht, neben verheirateten oder geschiedenen Ehegatten, deren Ehe von langer Dauer ist und im dritten Rang Ehegatten, die nicht in den 2. Rang fallen (§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB). Erst im vierten Rang folgen volljährige Kinder, soweit sie nicht unter Nr. 1 fallen (§ 1609 Nr. 4 BGB). Dies bedeutet bei knappen Mitteln, wenn nicht alle Unterhaltsansprüche befriedigt werden können, dass die volljährigen nicht privilegierten Kinder nur insoweit Anspruch auf Unterhalt haben, als nach der Befriedigung der Ansprüche der vorrangig Berechtigten noch Geld vorhanden ist. Beispiel V hat ein bereinigtes Einkommen von 1 500 Euro. Nach Abzug des Unterhalts für den studierenden Sohn i.H.v. 400 Euro würden für den Unterhalt der getrennt lebenden Ehefrau, die über keine eigenen Einkünfte verfügt, nur 100 Euro übrig bleiben. Führt der Vorwegabzug des Unterhalts eines volljährigen Kindes, das gegenüber dem Ehegatten nachrangig unterhaltsberechtigt ist, zu einem Missverhältnis des Anspruchs des Ehegatten, entfällt der Vorwegabzug des Kindesunterhalts, so dass sich ein Anspruch der Frau i.H.v. 500 Euro 181 BGH, FamRZ 1999, 1422. 182 Der BGH (Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2005, 531, 532) hat keine Verwirkung der Vollstreckungsbefugnis titulierter, noch nicht verjährter Unterhaltsrückstände angenommen, wenn sich der Schuldner aufgrund seines überdurchschnittlichen Verdienstes nicht in seiner Lebensführung auf die Nichtgeltendmachung hat einstellen müssen.
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XIV. Verfahrenskostenvorschuss ergibt. Denn der angemessene Unterhalt würde ohne Vorwegabzug des Kindesunterhalts 648 Euro (1 500 Euro × 3/ 7 = 648 Euro) betragen, von dem V nur 500 Euro zahlen muss, wenn der ihm zustehende Selbstbehalt 1 000 Euro beträgt. S geht in dem Fall leer aus. Allerdings könnten sich V und seine Frau auch auf einen Vorabzug des Kindesunterhalts einigen, den das Gericht bei seiner Berechnung respektieren würde.183
XIV. Verfahrenskostenvorschuss Ein volljähriges Kind kann von seinen Eltern einen Verfahrenskostenvorschuss 244 in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB verlangen, wenn es noch keine eigene, von den Eltern unabhängige Lebensstellung erlangt hat und sich in der Ausbildung befindet. Im Gesetz ist ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss zwar explizit nur zwischen Ehegatten geregelt. Hier ist § 1360a Abs. 4 BGB entsprechend anwendbar, denn die Unterhaltsrechtsbeziehung zwischen Eltern und volljährigem Kind ist – jedenfalls in der Zeit der Ausbildung – ähnlich wie die zwischen Ehegatten noch durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt.184 Dies gilt sowohl für das privilegierte185 als auch das nicht privilegierte volljährige Kind. Zwar ist die Inpflichtnahme der Eltern, für den Unterhalt minderjähriger und privilegierter volljähriger Kindern aufzukommen, noch strenger (§ 1603 Abs. 2 BGB), gleichwohl ist die entsprechende Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB auch auf in der Ausbildung befindliche Volljährige geboten, die nicht mehr zu Hause leben und noch ohne eigene Lebensstellung sind, d.h. ohne Beruf, eigenes Einkommen und Vermögen. Denn bei ihnen besteht ebenfalls noch eine wirtschaftliche Unselbständigkeit und Abhängigkeit von den Eltern, die mit einer zwar graduell abgeschwächten, aber noch vergleichbaren Verantwortlichkeit der Eltern korrespondiert. So können die Eltern die Art der Unterhaltsgewährung gemäß § 1612 Abs. 2 BGB weitgehend bestimmen, was die starke Abhängigkeit des Kindes kennzeichnet, müssen im Gegenzug aber auch noch erhebliche Einschränkungen insbesondere in ihren finanziellen Dispositionen hinnehmen, um den Fortgang der Ausbildung des Kindes zu sichern. Die Geltendmachung eines Vorschusses gemäß § 1360a Abs. 4 BGB knüpft an 245 nachfolgende anspruchseinschränkende Voraussetzungen an, deren Geltung auch im Verhältnis Eltern/Kind sinnvoll ist. So besteht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nur, wenn der Berechtigte bedürftig, der Schuldner leistungsfähig ist und der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft. Schließlich muss die Gewährung eines Verfahrenskostenvorschusses der Billigkeit entsprechen. Der Billigkeit entspricht die Inanspruchnahme des Verpflichteten u.a. nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben wird.186 Prüfungsmaßstab für die hinreichende Erfolgsaussicht sind die zu § 114 ZPO von der Recht-
183 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304. 184 So BGH, FamRZ 2005, 883 mit Anm. von Borth. Dies entspricht der überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung; vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rechtsprechungsnachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Scholz, § 6 Rn. 24. 185 Für volljährige privilegierte Schüler vgl. OLG Hamm, NJWE-FER 1999, 120. 186 BGH, NJW 2001, 1646, 1647 = FamRZ 2001, 1363.
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B. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes
sprechung entwickelten Grundsätze, die im Familiengerichtsverfahren entsprechend anwendbar sind (§ 76 FamFG, s. Rn. 718 ff.). Ist der verpflichtete Elternteil nur eingeschränkt leistungsfähig, so dass er den Vorschuss nur in Raten aufbringen könnte, ist auch die Auferlegung einer ratenweisen Bezahlung möglich, wobei als Maßstab für die Bemessung der Höhe der Raten auf die Grundsätze im Prozesskostenhilfeverfahren zurückgegriffen werden kann. Da es sich beim Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss um einen unterhaltsrechtlichen Anspruch handelt, muss dem Verpflichteten allerdings der ihm nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zustehende Selbstbehalt verbleiben. Das ist hier im Rechtsverhältnis Eltern/volljähriges Kind der angemessene Eigenbedarf nach § 1603 Abs. 1 BGB, der zzt. 1 100 Euro beträgt.187 Ist der Verpflichtete zur Zahlung des Vorschusses in Raten leistungsfähig, kann die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung in Höhe der Vorschusszahlungen für das unterhaltsberechtigte Kind im Hauptverfahren in Betracht kommen.188 Als Vorschuss kann i.d.R. für den Anwalt des Kindes der anwaltliche Gebührenvorschuss gemäß § 9 RVG einschließlich Nebenkosten (2,5 Anwaltsgebühren gemäß VV 3100, 3104 zzgl. Auslagenpauschale von 20 % der Gebühren und Umsatzsteuer auf die Vergütung gemäß VV 7002, 7008) verlangt werden (s. dazu das Beispiel Rn. 730).
" Praxishinweis: Wird im Kindesunterhaltsverfahren Verfahrenskostenhilfe
beantragt, muss zunächst vor Antragstellung geprüft werden, ob ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegenüber den Eltern besteht, denn insoweit handelt es sich um einen vermögenswerten Anspruchs, der vorrangig gegenüber den Eltern geltend zu machen ist und die Bedürftigkeit i.S.v. § 115 Abs. 1 ZPO ausschließt. Kommt aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern eine Verfahrenskostenvorschusspflicht in Betracht, kann der Anspruch im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß §§ 246 Abs. 1 FamFG sowohl gegen den Antragsgegner des Hauptverfahrens als auch gegenüber dem nicht am Unterhaltsverfahren beteiligten Elternteil geltend gemacht werden. Da es sich seit 1.9.2009 bei den einstweiligen Anordnungsverfahren um selbständige Verfahren handelt, die nicht mehr Teil des Hauptsacheverfahrens sind, kann der Anspruch auf Vorschuss auch von dem nicht an der Hauptsache beteiligten Elternteil mit der einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 FamFG erstritten werden, ohne dass der Anspruch gegen ihn auf Vorschuss auch als Hauptsache verfolgt werden muss, vgl. dazu Rn. 727 ff. Für das einstweilige Anordnungsverfahren besteht kein Anwaltszwang und es kann dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Kann der Verfahrenskostenvorschuss nur in Raten gezahlt werden, empfiehlt es sich auch für das Unterhaltshauptverfahren Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Das Gericht kann dann Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung mit der Maßgabe bewilligen, dass die vom Vorschussschuldner erlangten Vorschussleistungen an die Staatskasse abzuführen sind. In jedem Fall sollte ein Verfahrenskostenhilfeantrag des Kindes im Unterhaltsverfahren – vor allem im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung – Angaben dazu enthalten, warum eine Vorschusspflicht der Eltern nicht und wenn ja in wel-
187 BGH, FamRZ 2004, 1633, 1634 f. 188 BGH, FamRZ 2004, 1633 ff.; mit Anmerkung von Viefhus S. 1635 ff.; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rn. 516 ff., 523 ff.
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XIV. Verfahrenskostenvorschuss
chem Umfang in Betracht kommt, denn das Gericht hat die Bedürftigkeit auch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Bei fehlenden Angaben muss mit einer Zurückweisung des Antrags gerechnet werden.
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C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung I. Klärung des anzuwendenden Rechts 1. Rechtsquellen Für Unterhaltsstreitigkeiten mit Bezug zum Recht eines ausländischen Staates – 246 d.h. zumindest ein Beteiligter besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder hält sich im Ausland auf – ist nach Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts (vgl. Rn. 636a ff.) das anzuwendende materielle Recht zu bestimmen. Maßgeblich sind hierfür in erster Linie – die unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Gemeinschaft – Regelungen in völkerrechtlichen Übereinkommen, soweit sie unmittelbar anwendbares Recht geworden sind. Diesen Vorrang des supranationalen Rechts gegenüber den Regelungen des deutschen internationalen Privatrechts im 2. Kapitel des EGBGB stellt Art. 3 EGBGB1 ausdrücklich klar. Regelungen im autonomen deutschen Kollisionsrecht sind nicht einschlägig, sofern europäisches oder staatvertragliches IPR maßgeblich ist.2 In Unterhaltssachen ist bislang die praktisch bedeutsamste Quelle für die Be- 246a stimmung des berufenen Rechts das völkerrechtliche Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ)3, wonach für die Beurteilung der Unterhaltspflicht grundsätzlich das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend ist (Art. 4 HUÜ). Das nach diesem Übereinkommen bestimmte Recht ist gemäß Art. 3 HUÜ unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit anzuwenden, das Übereinkommen mithin ohne Beschränkung des Personenkreises auch bei Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten in einem Nichtvertragsstaat anwendbar.4 Wegen dieses universellen Geltungsanspruchs gilt das HUÜ für die Rechtsanwendung in Deutschland bei jedem Auslandsbezug, es braucht nicht eigens geprüft zu werden, ob im konkreten Fall eine Berührung zu einem Vertragsstaat vorliegt oder nicht.5 Aufgrund seines allseitigen Geltungsanspruchs lässt das HUÜ auch keinen 246b Raum für ein abweichendes autonomes Kollisionsrecht. Die Anknüpfungsregeln des HUÜ sind deshalb inhaltlich – zum großen Teil wörtlich – in Art. 18 EGBGB eingestellt worden.6 In der Praxis wird daher häufig trotz des Vorranges des HUÜ 1 Durch das am 11.1.2009 in Kraft getretene AnpassungsG ist Art. 3 EGBGB a.F. in Art. 3 und Art. 3a aufgespalten worden und hat an Deutlichkeit gewonnen. 2 MünchKomm.BGB/Sonnenberger, Art.3 Rn. 1; Palandt/Thorn, EGBGB Art. 3 Rn. 1; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 859; Staudinger/Mankowski, EGBGB, Art. 18 Rn. 2f. 3 In Kraft getreten in Deutschland am 1.4.1987, BGBl. II 1986, S. 825. 4 Palandt/Heldrich, EGBGB, EG 18 Rn. 1. 5 Ganz/Rausch, Rn. 149; Krenzler/Borth/Niethammer-Jürgens, M, Fn. 1 zu Rn. 103. 6 Staudinger/Mankowski, EGBGB, Art. 18 Rn. 1; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 859; Ganz/Rausch, Rn. 149.
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C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung
als völkerrechtlicher Vereinbarung lediglich auf Art. 18 EGBGB abgestellt, was streng genommen nicht richtig ist, aber die Arbeit erleichtert und im Hinblick auf den Gleichlauf der Regelungen nicht schadet.7 246c An die Stelle des HUÜ wird künftig das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht8 treten. Am 23. November 2007 wurde ein neues, auf dem HUÜ aufbauendes ‚Haager Übereinkommen zur internationalen Durchsetzung von Kindesunterhalt und anderen Formen von Familienunterhalt‘ verabschiedet, dem ein Protokoll über das auf Unterhaltsverpflichtungen anwendbare Recht beigefügt ist, wobei Übereinkommen und Protokoll getrennt gezeichnet und ratifiziert werden können.9 Hintergrund der so angestrebten Neuregelung war der Widerstand der Staaten des Common Law gegen die Aufnahme von Kollisionsnormen, die innerstaatliche Gerichte zur Anwendung ausländischen Rechts in Unterhaltssachen verpflichten könnten.10 Das Haager Protokoll von 2007 (abgedruckt im Anhang IV) ist am 8. April 2010 durch die EU als erstem Vertragsstaat unterzeichnet und ratifiziert worden; es ist völkerrechtlich aber noch nicht in Kraft getreten (Stand: Juli 2010).11 246d In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreiches)12 wird das Haager Protokoll von 2007 ab dem 18. Juni 2011 anwendbar sein und für Verfahren gelten, die nach diesem Stichtag neu eingeleitet werden. Das Haager Protokoll von 2007 ist nämlich eng verzahnt mit der neuen Verordnung (EG) Nr. 4/2009 (EuUnterhVO), die das internationale Verfahrensrecht und die Durchsetzung von Ansprüchen in Unterhaltssachen zusammenfassend regelt (s. Rn. 636c zur internationalen Zuständigkeit). Gemäß Art. 15 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, nach jenem Protokoll. Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 wird ab dem 18. Juni 2011 Anwendung finden, weil das Haager Protokoll von 2007 nach seiner Unterzeichnung und Ratifikation durch die EU zu diesem Zeitpunkt in der Europäischen Gemeinschaft anwendbar ist (Art. 76 Verordnung (EG) Nr. 4/2009).13 246e Wie das HUÜ bestimmt auch das Haager Protokoll von 2007 mit universellem Geltungsanspruch, dass für Unterhaltspflichten grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend ist, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 3 Abs. 1 des Haager Protokolls von 2007). Für bestimmte Unterhaltsansprüche, u.a. für den Kindesunterhalt enthält Art. 4 des Protokolls aber eine Besonderheit gegenüber dem HUÜ: Hat die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren ge7 Staudinger/Mankowski, EGBGB, Art. 18 Rn. 5; Ganz/Rausch in Hdb. Fachanwalt Familienrecht, Rn. 149; vgl. auch BGH, FamRZ 2001,412, der jeweils beide Normen nebeneinander zitiert. 8 Abrufbar in Englisch, Französisch und Deutsch unter der Internetadresse der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht unter www.hcch.net (Pfad: welcome, conventions, Nr. 39); Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529, 1530. 9 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 862. 10 Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529 ff. 11 Hierfür ist die Unterzeichnung und Ratifikation des Protokolls durch einen 2. Staat erforderlich (Statusangaben können unter der in Fn. 8 angegebenen Internetadresse abgerufen werden). 12 Näheres hierzu bei Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529 ff. 13 Internationales Privat- und Verfahrensrecht, hrsg. von Jayme/Hausmann, S. 105, Fn. 1.
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I. Klärung des anzuwendenden Rechts
wöhnlichen Aufenthalt hat (d.h. für Deutschland: ein deutsches Gericht), so ist ungeachtet des Art. 3 das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden. Die Regelungen des Haager Protokolls von 2007 werden mithin darauf hinauslaufen, dass beim Kindesunterhalt fast immer deutsches Recht anzuwenden ist, wenn deutsche Gerichte damit befasst werden und international zuständig sind.14 2. Regelung des Unterhaltsstatuts nach dem Haager Übereinkommen von 1973 (HUÜ), bzw. nach Art. 18 EGBGB Als Grundsatzanknüpfung verweist Art. 4 Abs. 1 HUÜ (= Art. 18 Abs. 1 Satz 1 247 EGBGB) in das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten. Auf Unterhaltspflichten sind die Sachvorschriften des am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten geltenden Rechts anzuwenden. Der gewöhnliche Aufenthalt des Berechtigten wird bestimmt durch seine soziale Integration und seinen Lebensmittelpunkt, auf den Wohnsitz kommt es nicht an.15 Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse. Wechselt die unterhaltsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden; das Unterhaltsstatut nach Art. 4 Abs. 1 HUÜ ist wandelbar (Art. 4 Abs. 2 HUÜ). Hat der Berechtigte nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts keinen 247a Unterhaltsanspruch, so ist das Recht des Staates, dem die Beteiligten gemeinsam angehören anzuwenden (Art. 5 HUÜ = Art. 18 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Kann der Berechtigte auch danach keinen Unterhalt erhalten, so ist das innerstaatliche Recht der angerufenen Behörde berufen (Art. 6 HUÜ), d.h. das in Deutschland angerufene Gericht hat deutsches Recht anzuwenden (Art. 18 Abs. 2 EGBGB). Diese hilfsweisen Anknüpfungen erfolgen aber nur in den Fällen, in denen das an sich berufene fremde Recht des Berechtigten einen Unterhaltsanspruch überhaupt nicht zulässt. Es reicht nicht aus, wenn wegen besonderer Umstände des konkreten Falles (z.B. fehlende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) kein Unterhalt zu gewähren ist.16 Schließlich ist deutsches Recht auch anzuwenden, wenn sowohl der Berechtigte 247b als auch der Verpflichtete Deutsche sind und der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Art. 18 Abs. 5 EGBGB). Insoweit hat die Bundesrepublik bei der Ratifizierung des HUÜ gemäß Art. 15 und 24 HUÜ einen Vorbehalt gemacht mit der Folge, dass die Sonderregelung des Art. 18 Abs. 5 EGBGB (lex fori als gemeinsames Heimatrecht) eingreift.17 14 Andere völkerrechtliche Vereinbarungen haben derzeit nur geringe praktische Bedeutung. Das Haager Übereinkommen von 1956 gilt in seinem eingeschränkten Anwendungsbereich (Unterhaltsansprüche von Kindern bis 21 Jahre) nur noch gegenüber Liechtenstein, Österreich und Belgien. Im Verhältnis zu diesen Staaten wurde es vom Haager Übereinkommen von 1973 (HUÜ) nicht abgelöst. Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen von 1929 ist gegenüber dem HUÜ ebenfalls vorrangig. Danach gilt für die Beziehungen von Iranern untereinander ausschließlich persisches Sachrecht. 15 BGH, FamRZ 2001, 412; vgl. auch EuGH, FamRZ 2009, 843 für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2201/2003. 16 Ganz/Rauscher, Rn. 153; Motzer/Kugler, Kindschaftsrecht mit Auslandsbezug, Rn. 552. 17 Vgl. Bekanntmachung vom 26.3.1987, BGBl. II, 225; BGH, NJW 1991, 2212, 2213.
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C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung
248 Für die Rechtsanwendung in Deutschland bei Auslandsbezug ergibt sich nach diesen Bestimmungen Folgendes: 248a Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, haben unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit aufgrund von Art. 4 Abs. 1 und 2 HUÜ (= 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) Unterhaltsansprüche nach deutschem Recht. Die Höhe des Unterhalts wird entsprechend den Ausführungen in Kap. A und B berechnet. Lebt der unterhaltspflichtige Elternteil im Ausland kann die Erfassung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse Schwierigkeiten bereiten. Beispiel V lebt in der Schweiz und ist seinen in Deutschland lebenden Kindern unterhaltspflichtig. Das OLG Brandenburg18 hat den nach der DT bemessenen Bedarf um 15 % gekürzt wegen der höheren Lebenshaltungskosten für V in der Schweiz. Schätzungsgrundlage war die Statistik zum internationalen Vergleich der Verbraucherpreise des Statistischen Bundesamtes (s. Rn. 250).
248b Für Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, bestimmt Art. 4 Abs. 1 und 2 HUÜ (= 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), dass für Unterhaltspflichten des in Deutschland lebenden Elternteils das Unterhaltsrecht am Aufenthalt des Kindes gilt. Hier sind jeweils die Anspruchsvoraussetzungen des maßgeblichen Rechts des anderen Staates zu prüfen. Für die Bemessung des Unterhaltsbetrags gilt jedoch immer, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt, dass die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sind (Art. 11 Abs. 2 HUÜ = Art. 18 Abs. 7 EGBGB). In der Praxis ergeben sich Schwierigkeiten bei der Bedarfsbestimmung; denn häufig gibt es in anderen Ländern keine Bedarfstabellen wie die DT. Außerdem muss jeweils geklärt werden, welche finanziellen Mittel der Verpflichtete zur Verfügung stellen muss, um dem Kind den ihm zustehenden Lebenszuschnitt nach den dort üblichen Lebenshaltungskosten zu ermöglichen. Beispiel Ein nichteheliches türkisches Kind, das in der Türkei lebt und von seinem in Deutschland wohnenden türkischen Vater Unterhalt verlangt, muss seinen Unterhalt materiell-rechtlich nach türkischem Recht begründen. Danach ist ihm ein Unterhaltsbeitrag zu bewilligen, dessen Höhe das Gericht mit Rücksicht auf die soziale Lage der Mutter und des Vaters angemessen festsetzt (Art. 327, 330 TMK19). Da es in der Türkei keine Unterhaltstabellen gibt, kann das Gericht die DT heranziehen und den unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten durch einen Abschlag Rechung tragen. Das OLG München20 hat im Jahr 2001 einen Abschlag von einem Drittel vorgenommen.21
248c Lebt ein deutsches minderjähriges Kind im Ausland und hat der in Deutschland lebende unterhaltspflichtige Elternteil ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit, ist deutsches Unterhaltsrecht anwendbar (Art. 15 HUÜ, Art. 18 Abs. 5 EGBGB). Für die Höhe des Bedarfs ist das Einkommen des Verpflichteten maß18 OLG Brandenburg, Urt. v. 11.10.2007 – 10 UF 47/07. 19 Seit 1.1.2002 ist das neue Türkischen Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft. Zu den Neuerungen vgl. Zeytin, FPR 2004, 122 ff. 20 OLG München, FamRZ 2002, 55, 56. 21 Zum Problem der Bemessung des Unterschieds der Lebenshaltungskosten vgl. die Ausführungen unter Rn. 249 ff., 249a.
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II. Berechnungshilfen für die Bedarfsbemessung
gebend. Zu berücksichtigen ist bei der Bemessung des Bedarfs aber auch, welche Geldbeträge benötigt werden, um diesen Bedarf am Aufenthaltsort des Kindes zu befriedigen.22 Beispiel Der unterhaltspflichtige V und seine minderjährige Tochter T haben die deutsche Staatsangehörigkeit. T lebt bei der Mutter in Moskau und verlangt von V, der in Deutschland wohnt, Unterhalt. Anwendbar ist deutsches Recht (Art. 15 HUÜ, Art. 18 Abs. 5 EGBGB). Das Gericht23 hat den Bedarf zunächst nach der DT nach Maßgabe des Einkommens des V ermittelt und dann auf der Basis der Ländergruppeneinteilung (vgl. Rn. 249a) einen Abschlag von zwei Drittel wegen der unterschiedlichen Kaufkraft der Währungen vorgenommen.
II. Berechnungshilfen für die Bedarfsbemessung bei stark voneinander abweichenden Lebensverhältnissen Lebt der Unterhaltsberechtigte oder der Verpflichtete nicht in Deutschland, be- 249 reitet die Unterhaltsbemessung immer wieder Schwierigkeiten; denn wie die oben stehenden Beispiele zeigen, muss dabei die wirtschaftliche Situation des auswärtigen Beteiligten mit den inländischen Lebensverhältnissen verglichen werden. Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Aufenthalt im Ausland, hängt sein Bedarf nicht nur vom hiesigen Einkommen des Verpflichteten, sondern auch davon ab, welche Geldbeträge der Berechtigte benötigt, um ihm den nach der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zustehenden Lebensstandard zu ermöglichen.24 Lebt und arbeitet der Unterhaltsverpflichtete im Ausland, muss sein dort erzieltes Einkommen u.U. im Hinblick auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten korrigiert werden. In der Praxis behelfen sich die Gerichte auf unterschiedliche Weise, um die Unterschiede in der Kaufkraft auszugleichen. Lebt das unterhaltsberechtigte Kind im Ausland, wird häufig vom ermittelten Ta- 249a bellenunterhalt ein Abschlag mit einer Quote vorgenommen, die sich aus der Ländergruppeneinteilung zu § 33a EStG ergibt, die das Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht,25 um ins Ausland fließende Unterhaltsleistungen unter Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede steuerrechtlich angemessen zu bewerten. Dabei sind die Länder in vier Gruppen eingeteilt: Bei Gruppe 1 werden die Unterhaltsleistungen in voller Höhe, bei Gruppe 2 zu 3/4 und bei Gruppe 3 zu 1/ 2 und bei Gruppe 4 zu 1/4 angesetzt. Nach dem Stand 1.1.2010 sind z.B. die Türkei und die Russische Föderation der Gruppe 3 zugeordnet. Dies ergäbe für die beiden Länder, auf die sich die Beispiele 1 und 2 unter Rn. 248b, 248c beziehen, nach heutigem Stand jeweils einen Abschlag von 1/ 2. Da das Kind an dem höheren Lebensstandard des in Deutschland lebenden Verpflichteten teilhaben soll, wird der Abschlag von den Gerichten oft im Wege der Schätzung zugunsten des
22 BGH, FamRZ 1987, 682. 23 OLG Koblenz, FamRZ 2002, 56 ff.; kritisch dazu das OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 729–730, das in 2003 unter Berücksichtigung des Preisniveauvergleichs des Statistischen Bundesamts bei auseinanderfallenden Werten der Ländergruppeneinteilung (Ansatz 1/ 3) und des Statistischen Bundesamts (9 % billigeres Preisniveau) den Unterhalt nur um 22 % herabgesetzt hat. 24 BGH, FamRZ 1987, 682; Krause, FamRZ 2002, 145 ff. 25 Für 2010 vgl. BStBl. I 2009, S. 1323.
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C. Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen mit Auslandsberührung
Kindes verringert.26 Denn die Anwendung der Ländergruppeneinteilung stößt in der Praxis auf Vorbehalte, weil die Abschläge ein zu grobes Raster für die Bemessung darstellen und zu wenig flexibel auf Veränderungen der Lebensverhältnisse in den ausländischen Staaten reagieren.27 249b Üblich war es deshalb, für den Kaufkraftvergleich die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Tabellen zu den Verbrauchergeldparitäten28 heranzuziehen und den entsprechenden Jahreswert mit dem Devisenkurs des ausländischen Staates in Verhältnis zu setzen. Dieser Weg wird künftig allerdings verschlossen sein. Das Statistische Bundesamt erhebt die erforderlichen Daten nicht mehr, die entsprechende Schriftenreihe, in der die weltweit ermittelten und ständig aktualisierten Verbrauchergeldparitäten veröffentlicht wurden, ist zum 1.1.2010 eingestellt worden. Zur möglichen Alternative, s. Rn. 251. 250 Da für die Vergangenheit die statistischen Daten zum internationalen Preisvergleich aber noch zur Verfügung stehen, soll das Rechnen mit Verbraucherparitäten hier dennoch kurz dargestellt werden: Die Verbrauchergeldparität gibt an, wie viele ausländische Geldeinheiten erforderlich sind, um die gleiche Menge Güter bestimmter Qualität im Ausland zu erwerben, die man in Deutschland für einen Euro erhält.29 Anhand der Verbrauchergeldparität allein lässt sich aber nicht erkennen, ob ein Land teurer oder billiger ist als ein anderes. Das ist erst feststellbar, wenn man die Verbrauchergeldparität mit dem Devisenkurs vergleicht. Ist die Verbrauchergeldparität in ausländischer Währung größer als der Devisenkurs, ist das Ausland teurer, ist sie kleiner, ist das Ausland billiger. Dies gilt jedoch nur für die Länder, in denen nur eine Währung verwendet wird.30 Ist neben der Landeswährung eine weitere Währung zugelassen, z.B. der US-Dollar, kann man den Preisniveau-Unterschied nicht mehr aus dem Vergleich der Verbrauchergeldparität mit dem Devisenkurs der Landeswährung herleiten. In diesen Fällen empfiehlt das Statistische Bundesamt die Verwendung seiner Tabelle zum Preisniveau, die zusammen mit den anderen beiden Tabellen veröffentlicht wird. Dort ist in der Indexdarstellung unmittelbar abzulesen, um wie viel Prozent teurer oder billiger die Lebenshaltung gegenüber der in Deutschland (= 100) ist. Ein Index von 105 z.B. bedeutet eine um 5 % teurere Lebenshaltung und ein Index von 75 bedeutet eine um 25 % billigere Lebenshaltung als in Deutschland. Nach dem Stand der Tabelle 3 der Fachserie 17, R 10, November 2007, des Statistischen Bundesamts31 ergeben sich z.B. folgende Werte: Bezogen auf Polen erhielt man nach dem Devisenkurs im September 2005 für 1 Euro = 3,9160 PLN. Die Verbrauchergeldparität betrug 3,1119. Da die Verbrauchergeldparität niedriger ist als der Wechselkurs, ist das Leben in Polen billiger. Dies bestätigt die Tabelle zum Preisniveauvergleich: Für Polen betrug das Preis-
26 OLG Koblenz, FamRZ 2002, 56 ff.; 1998, 1532; OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 887 f. 27 So z.B. OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 33, 35; AG Hamburg, Urt. v. 19.9.1989 – 289 F 150/88, s. auch Fn. 21. 28 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, Reihe 10: Internationaler Vergleich der Verbraucherpreise, abrufbar im Internet als PDF-Datei unter www.destatis.de; Kemnade/ Scholz/Zieroth, Daten und Tabellen zum Familienrecht, 5. Aufl., 2004, und FamRZ 1993, 1152 ff. 29 Statistisches Bundesamt, a.a.O., Textteil 1 Erläuterungen. 30 Statistisches Bundesamt, a.a.O., Textteil 1 Erläuterungen. 31 Kostenlose Downloads der Tabellen sind möglich unter www.destatis.de.
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II. Berechnungshilfen für die Bedarfsbemessung
niveau im Jahr 2005 79,5 %, die Lebenshaltung war dort also um 20,5 % billiger als in Deutschland. Auf Großbritannien/London bezogen, ergaben sich folgende Werte für September/Oktober 2005: Für 1 Euro erhielt man 0,6795 Pfund (GBP). Der Index für die Verbrauchergeldparität betrug 0,8240. Vergleicht man den Wechselkurs mit der Verbrauchergeldparität, ist die Verbrauchergeldparität größer, d.h. das Ausland ist teurer. Der Index für das Preisniveau beträgt 121,3 %, so dass nach dem Preisniveauvergleich das Leben dort um 21,3 % teurer ist. Verwendet man die Tabellen des Statistischen Bundesamts und will den erforderlichen Abschlag oder Zuschlag zum Ausgleich von Kaufkraftunterschieden für den Unterhalt berechnen, kann gerechnet werden wie folgt: Ab-/Zuschlag = Preisniveau % ./. 100 % Bei einem nach der DT berechneten Unterhaltsbedarf für ein in Polen lebendes Kind i.H.v. 420 Euro ergibt sich folgender Abzug zur Kompensation der unterschiedlichen Kaufkraft des Geldes: 79,5 % – 100 % = – 20,5 % Abschlag 420 Euro × 20,5 % = 86,10 Euro 420 Euro – 86,10 Euro = 333,90 Euro, gerundet 334 Euro. Zu erwägen ist, ob man künftig als Orientierungshilfe die Tabellen für den Kauf- 251 kraftausgleich heranzieht, die bei der Besoldung im Ausland tätiger deutscher Beamten verwendet werden.32 Ins Ausland entsandte Beamte und Soldaten erhalten einen Kaufkraftausgleich, der dafür sorgt, dass sie sich mit den Dienstbezügen die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen der Lebenshaltung kaufen können wie im Inland. An Dienstorten mit hohem Preisniveau erhalten sie einen Zuschlag zum Gehalt und bei sehr niedrigen Preisen einen Abschlag. So müssen z.B. Beamte, die in Polen (Warschau) tätig sind, einen Abschlag von 12 % (Stand: Mai 2010) hinnehmen. Für das Vereinigte Königreich (London) weist die Tabelle aber darauf hin, dass Zahlen derzeit nicht zur Verfügung stehen. Nach der Ermittlung des Kaufkraftunterschieds ist bei der abschließenden Schät- 252 zung des zu zahlenden Kindesunterhalts immer noch zu berücksichtigen, dass mit dem Unterhalt vor allem elementare Bedürfnisse eines Kindes zu befriedigen sind, bei denen der Konsum von Dienstleistungen und Industrieprodukten nicht im Vordergrund steht, die aber bei der Bewertung der Kaufkraft mit berücksichtigt werden. Dienstleistungen und Industrieprodukte sind maßgebliche Faktoren für die Berechnung der Kaufkraftunterschiede. So beinhaltete der vom Statistischen Bundesamt beim Preisniveauvergleich zugrunde gelegte „deutsche Warenkorb“ zwar keine Kosten für die Anschaffung eines PKW, wohl aber für Benzinkosten, Kosten für Tabak und Alkohol, Ausrüstungen für die Wohnung und den Haushalt, Beherbergungs- und Gaststättenkosten u.Ä., die das Preisniveau insgesamt nicht unerheblich beeinflussen, für die Bedürfnisbefriedigung eines Kindes aber nicht die gleiche Rolle wie für einen Erwachsenen spielen.
32 Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig Übersichten zu den „Teuerungsziffern für den Kaufkraftausgleich der Auslandsbesoldung in Prozent“. Die Tabellen sind abrufbar im Internet unter www.destatis.de. Zur Anwendung vgl. OLG München, FamRZ 2002, 55 ff.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder I. Einleitung In der Praxis spielen Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder vor allem 253 dann eine Rolle, wenn die Eigenmittel nach Eintritt in den Ruhestand für den allgemeinen Lebensbedarf nicht ausreichen oder die Eltern pflegebedürftig werden und die hohen Pflegekosten nicht mit ihrem Einkommen aus Rente und Pflegeversicherung abdecken können. Meist übernimmt das Sozialamt vorläufig die Kosten und greift später aus übergegangenem Recht auf die Kinder zurück.
II. Anspruchsvoraussetzungen Eltern sind unterhaltsberechtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unter- 254 halten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Sie haben einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Dabei ist für die Bestimmung ihres Bedarfs auf ihre eigene Lebensstellung abzustellen, die auch die obere Grenze bildet (§ 1610 Abs. 1 BGB). Letztlich sind für die Höhe des tatsächlich zu zahlenden Unterhalts aber die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten maßgebend; denn nach der Ermittlung des Lebensbedarfs ist eigenes Einkommen der Eltern auf den Bedarf mindernd anzurechnen. Für den verbleibenden ungedeckten Bedarf haften die Kinder als Verpflichtete nur nach ihrem Leistungsvermögen unter Wahrung ihres eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs (§ 1603 Abs. 1 BGB).1 Dabei haften mehrere Kinder immer nur als Teil- und nicht als Gesamtschuldner für den Elternunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB). Die Eltern tragen für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs, also das Verwandtschaftsverhältnis, die Höhe des Bedarfs, ihre Bedürftigkeit einschließlich deren Dauer die Darlegungs- und Beweislast, nicht hingegen für die Leistungsfähigkeit der in Anspruch genommenen Kinder. Denn das Gesetz geht zunächst von dem Grundsatz aus, dass Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren und sie nur im Ausnahmefall zur Leistung von Unterhalt außerstande sein werden.2 Für alle die Leistungsfähigkeit mindernden oder ausschließenden Umstände obliegt deshalb dem Kind als Unterhaltsschuldner die Darlegungsund Beweislast.3 Bei mehreren unterhaltspflichtigen Kindern obliegt dem Berechtigten allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Haftungsanteile der Kinder, die als Teilschuldner für den Unterhalt haften. Ist nur eines der Kinder leistungsfähig, muss dargelegt und im Falle des Bestreitens im Unterhaltsverfahren bewiesen werden, dass die anderen Kinder nicht leistungsfähig sind. Zur Klärung der Frage steht den Eltern ein Auskunftsanspruch gegenüber ihren Kindern über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu (§ 1605 BGB, vgl. Rn. 560 ff.).
" Praxishinweis: Auch wenn Eltern im Unterhaltsverfahren keine Angaben zur Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Kindes machen müssen, empfiehlt sich vor Einleitung eines Unterhaltsverfahrens die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu klären. Denn scheitern die gestellten
1 BGH, FamRZ 2002, 1698, 1701. 2 Baumgärtel/Pruskowski, vor § 1603 ff. Rn. 1; BGH, FamRZ 1981, 347, 348. 3 Palandt/Diederichsen, Einf. vor § 1601 Rn. 71 ff.; Baumgärtel/Pruskowski, vor §§ 1601 ff. Rn. 1.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
Zahlungsanträge später ganz oder teilweise an der Leistungsunfähigkeit des Kindes, wirkt sich dies bei den Verfahrenskosten zu Lasten des unterlegenen Antragstellers aus, § 243 Nr. 1 FamFG. Nur wenn Eltern das Kind vorgerichtlich zur Auskunftserteilung aufgefordert haben und es dieser Aufforderung nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist, kann das Gericht dies bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenregelung nach § 243 Nr. 2 FamFG (entspricht § 93d ZPO a.F.) trotz des Unterliegens zugunsten des Antragstellers berücksichtigen. 1. Bedarf 255 Der unterhaltsbedürftige Elternteil hat Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs. 2 Satz 1 BGB), also sämtliche Kosten für die allgemeine Lebensführung, die von den individuellen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Berechtigten bestimmt werden. Dazu gehören, wenn der Unterhaltsberechtigte noch allein lebt, u.a. die Miete für die Wohnung, Ernährung, Bekleidung, Beiträge für die Krankenkasse und Pflegeversicherung. Ist er pflegebedürftig und lebt in einem Pflegeheim, umfasst der Bedarf auch die Kosten für die Unterbringung und Versorgung im Pflegeheim, soweit diese nicht durch die Versicherungen abgedeckt werden. Grundsätzlich gilt deshalb, dass der angemessene Bedarf nach den individuellen Verhältnissen zu bestimmen ist. Dabei richtet sich der Bedarf nach Eintritt der Eltern in den Ruhestand nicht nach ihren früheren Einkommensverhältnissen, die durch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bestimmt waren, sondern nach den danach gegebenen tatsächlichen Verhältnissen.4 Liegt keine Pflegesituation vor, die erhöhte Kosten verursacht, ist der Bedarf so zu bemessen, dass das Existenzminimum sichergestellt wird. So kann bei einfachen Verhältnissen zur Vereinfachung als untere Grenze des Bedarfs auf den notwendigen Eigenbedarfssatz abgestellt werden, der nach den Leitlinien für einen unterhaltsberechtigten Ehegatten gilt und am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichtet ist. Er beträgt zzt. 770 Euro.5 Darin enthalten sind Kosten für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) in Höhe von 360 Euro, nicht hingegen die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung. Der BGH hat den notwendigen Eigenbedarf als Bezugsgröße aus Vereinfachungsgründen als untere Grenze des Bedarfs gebilligt.6 2. Bedürftigkeit 256 Bevor Eltern ihre Kinder in Anspruch nehmen, müssen sie eigene Einkünfte dazu verwenden, ihren Bedarf zu decken. Decken die eigenen Einkünfte den Bedarf, besteht nach § 1602 Abs. 1 BGB kein Unterhaltsanspruch. Anrechenbar auf den Bedarf sind sämtliche Einkünfte des Berechtigten wie z.B. Renten, Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Unterhaltsansprüche gegenüber dem vorrangig unterhaltspflichtigen Ehegatten, Vermögenserträge, Erträge aus Verwertung des Vermögens, Wohnvorteil beim Wohnen im Eigenheim oder bei ei4 BGH, FamRZ 2003, 860, 861. 5 Vgl. zur Höhe des notwendigen Eigenbedarfssatzes Anm. B V der DT, Stand 1.1.2010 und Nr. 19 der LL der OLG. 6 BGH, FamRZ 2003, 860, 861.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
nem Wohnrecht, Sozialleistungen, soweit sie nicht subsidiär gewährt werden, Wohngeld,7 soweit es nicht erhöhte Wohnkosten abdeckt, Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz,8 Leistungen der Pflegeversicherung.9 Die mtl. Leistungen der Pflegeversicherung betragen seit 1.1.2010 gemäß §§ 36, 43 SGB XI: Pflegestufe 1 Pflegestufe 2 Pflegestufe 3
bei ambulanter Pflege bis zu 440 Euro bis zu 1 040 Euro bis zu 1 510 Euro
bei stationärer Pflege bis 1 023 Euro bis 1 279 Euro bis 1 510 Euro
Bei der Ermittlung der bedarfsmindernden Einkünfte sind folgende Besonderheiten zu beachten: Leistungen der Grundsicherung (Grundsicherungsrente) sind in der Regel anre- 256a chenbares Einkommen. Nach § 41 Abs. 1 SGB XII haben Eltern ab Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, wenn sie ihren Unterhalt nicht aus ihren Einkünften und Vermögen bestreiten können. Die Grundsicherung umfasst für Alleinstehende den Regelsatz nach §§ 42 Satz 1 i.V.m. 28 SGB XII, der von den jeweiligen Landesregierungen durch Rechtsverordnung festgesetzt wird (§ 28 Abs. 2 SGB XII) und zzt. bei ca. 359 Euro liegt. Hinzu kommen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die Kosten für Krankenkasse und Pflegeversicherung soweit keine Pflichtversicherung besteht, sowie gegebenenfalls bei Schwerbehinderung Zuschläge in Höhe von 17 % des Regelsatzes. Bezieht der unterhaltsbedürftige Elternteil Leistungen der Grundsicherung, sind 256b diese im Verhältnis zum unterhaltspflichtigen Kind anrechenbares Einkommen des bedürftigen Elternteils, wenn ein Rückgriff des Leistungsträgers auf die unterhaltspflichtigen Kinder nicht möglich ist.10 Unterhaltsansprüche der Eltern gegen ihre Kinder bleiben unberücksichtigt, d.h. ein Rückgriff des Leistungsträgers auf die Kinder kommt nicht in Betracht, wenn die unterhaltspflichtigen Kinder ein jährliches Gesamteinkommen haben, das unter 100 000 Euro liegt (§ 43 Abs. 2 SGB XII, § 16 SGB IV, § 2 EStG). Ob sich diese Einkommensgrenze auf die zusammengerechneten Einkommen aller unterhaltspflichtigen Kinder oder jedes einzelnen Kindes bezieht, ist im Gesetz nicht eindeutig formuliert. Überwiegend wird beim Elternunterhalt im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass bei unterhaltspflichtigen Kindern diese Einkommensgrenze jedem Kind zuzugestehen ist.11 Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XII gilt eine Vermutung, dass das 7 BGH, FamRZ 1982, 587, 589; 1984, 772, 774; 2003, 860, 862. 8 Brudermüller, NJW 2004, 633, 634. 9 Hat der Unterhaltspflichtige Zweifel am Verbrauch des Pflegegeldes trägt er die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf § 1610a BGB. Nach Auffassung des OLG Hamm, NJW-FER 1999, 294, ist die gesetzliche Vermutung des § 1610a BGB schon widerlegt bei nicht bestimmungsgemäßem Verbrauch; kritisch dazu Griesche, FPR 2004, 693. Zu den Anforderungen an die Änderung der Darlegungs- und Beweislast bei § 1610a BGB, Liceni-Kierstein, FPR 2010, 140, 142. 10 Nr. 2.9 der Leitlinien. 11 So OLG Brandenburg, JAmt 2006, 262–264; Hußmann, FPR 2004, 534, 540; Günther, FPR 2005, 461 ff. m.w.N.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
Einkommen unterhaltspflichtiger Kinder den Grenzbetrag nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung kann der Leistungsträger von dem leistungsberechtigten Elternteil Auskunft über die Einkommensverhältnisse der Kinder verlangen und ist darüber hinaus bei ausreichenden Anhaltspunkten auch berechtigt, von den Kindern selbst Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse und die Vorlage entsprechender Belege zu verlangen (§ 43 Abs. 2 SGB XII). Übersteigt das Einkommen der Kinder diesen Grenzbetrag, ist die Vermutung widerlegt und der Anspruch der Eltern auf Grundsicherung entfällt. Beispiel M bezieht eine Rente von 400 Euro und hat Mietkosten von 300 Euro. Sie hat zwei Kinder. Der Sohn S verdient brutto 110 000 Euro, ihre Tochter 50 000 Euro. M hat keinen Anspruch auf Grundsicherung, schon wegen der Höhe des Einkommens ihres Sohnes. Bis zur Klärung und Zahlung des Unterhalts hat sie Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII. Diese gilt nicht als Einkommen. Der Unterhaltsanspruch gegen die Kinder geht deshalb bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen12 gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger kraft Gesetzes über, der bei den Kindern Rückgriff nehmen kann.
Unterhaltsbedürftige Eltern sind verpflichtet, vor der Inanspruchnahme der Kinder ihren Anspruch auf Grundsicherung geltend zu machen, wenn deren Einkommen unter 100 000 Euro liegt. Tun sie dies nicht, kann insoweit ein fiktives Einkommen in Höhe der beanspruchbaren Grundsicherung auf den Bedarf angerechnet werden.13
" Praxishinweise: Zahlen Kinder laufend Unterhalt und beantragt ein Eltern-
teil Grundsicherung, ist zu beachten, dass damit dem Elternteil bereite Mittel zur Befriedigung seines Bedarfs zur Verfügung stehen, die der Leistungsträger bedarfsmindernd auf die Grundsicherung anzurechnen hat.14 In dem Fall kann der Vorteil der Gewährung einer Grundsicherungsrente nur ausgeschöpft werden, wenn die Kinder ausdrücklich den Elternteil auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen und die Zahlungen nur unter Vorbehalt erfolgt, dass keine Grundsicherung gewährt wird. Besteht bereits ein Unterhaltstitel über den Elternunterhalt, besteht die Möglichkeit des Abänderungsverfahrens nach §§ 238 ff. FamFG (§ 323 ZPO a.F.), s. Rn. 830 ff.
257 Führt der bedürftige Elternteil noch einen eigenen Haushalt und bezieht er Wohngeld, kann eine Anrechnung des Wohngeldes in Betracht kommen. Dabei kommt es auf folgende Differenzierung an: Der Anteil des Wohngeldes, der dazu dient erhöhte Wohnkosten auszugleichen, ist nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Übersteigt das Wohngeld jedoch den unterhaltsrechtlich als überhöht zu bewertenden Betrag, ist der Differenzbetrag vom Bedarf abzuziehen. Erhöht sind die Wohnkosten, die den im notwendigen Eigenbedarfssatz (Rn. 256) enthaltenen Wohnkostenanteil von zzt. 360 Euro15 übersteigen.
12 Wegen der Miete geht der Unterhaltsanspruch nur wegen eines Teils der Aufwendungen (44 %) kraft Gesetzes über, vgl. §§ 94 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. 105 Abs. 2 SGB XII. 13 Scholz, FamRZ 2007, 1160, 1161 (Anm. zu BGH, FamRZ 2007, 1158); Hußmann, FPR 2004, 534, 540; Klinkhammer, FamRZ 2002, 997; Herr, FamRZ 2005, 1021, 1022; Günther, FPR 2005, 461 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1807. 14 BGH, FamRZ 2007, 1158 ff. mit Anm. von Scholz, S. 1160, 1161. 15 Anm. A Nr. 5 der DT.
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II. Anspruchsvoraussetzungen Beispiel Die 70-jährige M macht einen Mindestbedarf von 770 Euro geltend. Ihre Miete beträgt 400 Euro, sie bezieht Wohngeld i.H.v. 100 Euro. Da der Mietkostenanteil in dem Mindestbedarfssatz 360 Euro beträgt (vgl. Anm. A 5 der DT, Stand 1.1.2010), die tatsächliche Miete den Mindestbetrag um 40 Euro übersteigt, ist das Wohngeld in Höhe von 60 Euro vom Bedarf abzuziehen. Denn es werden nur 40 Euro benötigt, um die unterhaltsrechtlich als erhöht geltenden Wohnkosten auszugleichen.16
Soweit Vermögen vorhanden ist, müssen nicht nur die Erträge z.B. in Form von Zinsen für den Unterhalt verwendet werden, sondern es muss der Vermögensstamm – bis auf einen Schonbetrag (Rn. 258) – verwertet werden.17 Dies ergibt der Umkehrschluss aus der Regelung in § 1602 Abs. 2 BGB, nach der minderjährige Kinder, deren Einkünfte aus Vermögen nicht zum Unterhalt ausreichen, Unterhalt von den Eltern verlangen können. Von minderjährigen Kindern wird eine Verwertung des Vermögensstamms vor der Inanspruchnahme der Eltern ausdrücklich nicht verlangt. Da das Gesetz diese privilegierende Regelung nur für minderjährige Kinder und nicht für andere Verwandte vorsieht, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier absichtlich differenziert hat. Als Regelfall wird deshalb beim Verwandtenunterhalt von dem Berechtigten erwartet, dass er vor einer Inanspruchnahme des Verpflichteten zunächst seinen Bedarf aus eigenen Einkünften oder der Verwertung seines Vermögens bestreitet. Eine analoge Anwendung der Minderjährigenregelung kommt aufgrund dieser Gesetzessystematik zugunsten der Eltern nicht in Betracht. Ausnahmsweise gilt dies dann nicht, wenn aufgrund besonderer Tatsachen die 258 Verwertung im Einzelfall grob unbillig und damit unzumutbar wäre, wobei immer auch die Lage des Verpflichteten mit zu berücksichtigen ist.18 Den Eltern ist jedoch ein sog. Notgroschen für eventuell auftretenden Sonderbedarf als Vermögensreserve zu belassen, dessen Bemessung sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Mindestens aber sollte ihnen das Vermögen verbleiben, das nach den Vorschriften des Sozialhilferechts als unverwertbares Vermögen gilt.19 Bezogen auf Barmittel liegt der Freibetrag seit 1.1.2005 bei 2 600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 der DVO). Abweichend davon hat das OLG Köln ein Sparvermögen in Höhe von 4 500 DM ausnahmsweise dann für verwertbar gehalten, wenn der Berechtigte im Alter von 88 Jahren bettlägerig ist und im Pflegeheim versorgt wird, so dass ein darüber hinausgehender Bedarf nicht mehr vorstellbar sei.20 Anrechenbar sind auch vermögenswerte Ansprüche wie Rückgewähransprüche aus Schenkungsrecht. Hat der Unterhaltsbedürftige sein Vermögen in Form von Wertpapieren, eines Sparguthabens oder Grundstücks vor Eintritt der Bedürftigkeit an seine Kinder, Enkel oder Dritte übertragen, kommt ein Rückforderungsanspruch wegen Notbedarfs gegenüber den Beschenkten gemäß § 528 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Beschenkten für den Unterhalt nicht aufkommen wollen oder können. Der Anspruch entsteht mit der Bedürftigkeit des Schenkers und ist gerichtet auf wiederkehrende Leistungen in Höhe des Bedarfs, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist.21 Er ist ausgeschlossen, 16 17 18 19 20 21
BGH, FamRZ 2003, 860, 862. BVerfG, NJW 1957, 154; BGH, FamRZ 1957, 120; OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 1137. BGH, FamRZ 1998, 367; vgl. auch Rn. 276. BGH, FamRZ 2004, 370, 371 zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG. OLG Köln, 27. Senat, FamRZ 2001, 437. BGH, NJW 2003, 2449; BGH, NJW-RR 2003, 53, 54; BGH, FamRZ 1996, 483.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
wenn die Bedürftigkeit erst 10 Jahre nach der Leistung des geschenkten Gegenstandes eintritt (§ 529 BGB). Unerheblich ist, worauf die Bedürftigkeit zurückzuführen ist. Der Anspruch unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren. Springt der Sozialhilfeträger für den Unterhalt ein, kann er den Anspruch gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten, der Anspruch kann aber auch auf ihn übertragen werden. Für die Entstehung und Wirksamkeit der Überleitung des Anspruchs nach § 528 BGB müssen die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs des zu Lebzeiten verarmten Schenkers zum Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialleistung durch den Sozialhilfeträger vorgelegen haben. Spätere Veränderungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder sein Tod beeinträchtigen nicht den übergeleiteten Anspruch.22 Dieser Anspruch ist – anders als ein übergegangener Unterhaltsanspruch – vor dem allgemeinen Zivilgericht und nicht vor dem Familiengericht einklagbar, denn es handelt sich nicht um eine sonstige Familiensache im Sinne der §§ 111 Nr. 10, 266 FamFG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er nicht im Zusammenhang mit einem familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnis der Beteiligten steht. Machen die Beschenkten geltend, nicht mehr bereichert zu sein (§ 818 Abs. 3 BGB), tragen sie dafür die Darlegungs- und Beweislast.23 Veräußern sie z.B. ein geschenktes Grundstück, nachdem ihnen bekannt wird, dass der Schenker Sozialhilfeleistungen erhält, sind sie mit dem Einwand der Entreicherung ausgeschlossen (§ 819 BGB). 259 Auf den Bedarf sind auch Unterhaltsforderungen anzurechnen, die der anspruchstellende Elternteil gegen seinen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten hat. Bevor sich Eltern an ihre Kinder halten, müssen sie zunächst ihren Ehegatten auf Zahlung in Anspruch nehmen (§ 1608 Satz 1 BGB); denn die Kinder haften nur ersatzweise nach dem Ehegatten des anspruchstellenden Elternteils. Dies gilt auch, wenn die Ehe der Eltern geschieden ist (§ 1584 Satz 1 BGB). Nur wenn der Ehegatte nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist, greift die Ersatzhaftung der Kinder (§ 1608 Satz 2, § 1584 Satz 2 BGB i.V.m. § 1607 Abs. 2 und 4 BGB). Bei der Inanspruchnahme des vorrangig unterhaltspflichtigen Ehegatten ist zu berücksichtigen, dass diesem ein angemessener Eigenbedarf zusteht, dessen Höhe sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Der angemessene Eigenbedarf des Ehegatten des anspruchstellenden Elternteils ist nicht gleichzusetzen mit dem angemessenen Eigenbedarf der unterhaltspflichtigen Kinder ihren Eltern gegenüber (§ 1603 Abs. 1 BGB)24 und liegt nach den derzeit geltenden Leitlinien der OLG (Nr. 21.4) bei 1 000 Euro und damit deutlich niedriger als der Eigenbedarf unterhaltspflichtiger Kinder gegenüber den Eltern, der zzt. 1 400 Euro beträgt (Rn. 262). Der Grund für die Abweichungen liegt in den unterschiedlichen Maßstäben hinsichtlich der Einstandspflicht für den anderen; denn Unterhaltsberechtigte sind in unterschiedlichem Maße auf Unterhalt angewiesen und zur Selbsthilfe in der Lage, ferner muss der Verpflichtete – wie das meist bei Kindern gegenüber Eltern der Fall ist – nicht immer mit einer Inanspruchnahme rechnen. Nur wenn die Rechtsverfolgung gegen den Ehegatten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, können die Kinder zuvor in Anspruch genommen werden; auf diese geht dann der Anspruch gegen den Ehegatten kraft Gesetzes über (§ 1607 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung). Sie können des22 BGH, NJW 2003, 2449, 2450. 23 BGH, FamRZ 1995, 160, 162; BGH, NJW 2003, 2448, 2450. 24 BGH, FamRZ 1990, 263.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
halb im eigenen Namen Rückgriff beim Ehegatten nehmen und auf Zahlung des von ihnen verauslagten Unterhalts klagen. 3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Ver- 260 pflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). Ob der Unterhaltspflichtige zur Zahlung des Bedarfs leistungsfähig ist, hängt von dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen ab, das um Verbindlichkeiten zu bereinigen ist. Dabei steht ihm selbst ebenfalls ein nach seiner Lebensstellung angemessener Unterhalt als Eigenbedarf zu. Der angemessene Eigenbedarf richtet sich nach den individuellen Verhältnissen seiner Lebensstellung. Da das Gesetz keine konkreten Werte zum angemessenen Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen angibt, ist dieser individuell zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsberechtigte mehr als eine gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel von dem Verpflichteten nicht verlangen kann, denn nicht nur der Berechtigte, sondern auch der Pflichtige hat Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 und § 1603 Abs. 1 BGB). Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz im Unterhaltsrecht, dass die Bedürftigkeit des Berechtigten nicht in der Weise gemindert oder beseitigt werden darf, dass der Verpflichtete am Ende bedürftiger ist als der Berechtigte.25 In der Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass den unterhaltspflichtigen Kindern 261 als angemessener Eigenbedarf ein deutlich höherer Selbstbehalt gegenüber den Eltern zuzugestehen ist, als dies umgekehrt der Fall ist, wenn Eltern an ihre Kinder Unterhalt zahlen sollen. Denn anders als bei der Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber Kindern müssen Kinder sich in ihrer Lebensplanung nicht von vornherein darauf einstellen, dass die Eltern einmal unterhaltsbedürftig werden.26 Eltern haben i.d.R. für ihren angemessenen Lebensbedarf im Alter Vorsorge getroffen. Ein überdurchschnittlich hoher Unterhaltsbedarf entsteht meist erst bei schweren Krankheiten, die aber i.d.R. nicht vorhersehbar sind. Hinzu kommt, dass Elternunterhalt den anderen Unterhaltsansprüchen im Rang nachgeht (§ 1609 Nr. 6 BGB). Diese Besonderheiten des Unterhaltsrechtsverhältnisses rechtfertigen es, einen 262 weniger strengen Haftungsmaßstab zugunsten des Pflichtigen anzuwenden.27 Deshalb haben die seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes (1.7. 1998) in 2. Instanz zuständigen OLG den angemessenen Selbstbehalt für unterhaltspflichtige Kinder um etwa 25 % höher festgesetzt als den angemessenen Selbstbehalt für Eltern gegenüber volljährigen Kindern, was der BGH gebilligt hat.28 Nach den Leitlinien beträgt der angemessene Selbstbehalt gegenüber Eltern seit 1.1.2005 fortdauernd mindestens 1 400 Euro, wobei darin ein Mietanteil von 450–480 Euro für Warmmiete enthalten ist.29 In den Leitlinien der neuen Bundes-
25 26 27 28 29
Göppinger/Strohal, 7. Aufl., Rn. 369. BGH, FamRZ 1992, 795. So zuletzt BGH, FamRZ 2002, 1698, 1700 ff. BGH, FamRZ 2006, 1511, Tz. 22. Z.B. Anm. D 1 der DT und Nr. 21.3.3 der LL (Stand 1.1.2010).
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
länder sind die Selbstbehaltssätze seit 1.1.2008 angeglichen worden. Sie haben zuvor bei ca. 1 300 Euro gelegen.30 Bei den Selbstbehaltssätzen des Unterhaltspflichtigen handelt es sich nach den Leitlinien um Mindestbeträge. Insoweit gilt wie für alle Selbstbehaltssätze, dass diese nur einen Orientierungsrahmen darstellen, den der Tatrichter verpflichtet ist zu verlassen, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind, als sie den Pauschalsätzen zugrunde gelegt worden sind.31 Zu beachtender Maßstab für die Verteilung des Einkommens ist, dass die dem Verpflichteten abverlangte Schmälerung seines Einkommens aufgrund der geringeren Anforderungen an seine Einstandspflicht nicht zu einer spürbaren und dauerhaften Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus führen darf. Schützenswert ist dabei nicht ein nach den Verhältnissen unangemessener Aufwand der Lebensführung. Bei der Bestimmung des angemessenen Eigenunterhalts ist die Erfahrung zu berücksichtigen, dass üblicherweise die Lebensführung an die zur Verfügung stehenden Mittel angepasst wird, bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen also ein einfacherer Lebensstandard anzutreffen ist als bei gehobeneren und hohen Einkommensverhältnissen.32 Deshalb kann sich der angemessene Eigenbedarf nach den Leitlinien in Einzelfällen erhöhen,33 bei kurzfristiger Inanspruchnahme aber auch verringern. 263 Darüber hinaus kann der Unterhaltspflichtige i.d.R. die Hälfte des über dem Eigenbedarf liegenden bereinigten Nettoeinkommens für sich beanspruchen. Denn für die Verteilung des über dem Selbstbehalt liegenden Einkommens hat sich in der Praxis der Gerichte durchgesetzt, dass das über dem angemessenen Eigenbedarf liegende Mehreinkommen nur bis zu 50 % für den Elternunterhalt einzusetzen ist.34 Diese auf einem Vorschlag des Deutschen Familiengerichtstags35 beruhende Handhabung steht im Einklang mit einer verbreiteten Praxis der Sozialhilfeträger, nur einen Teil des über dem Selbstbehalt liegenden Einkommens für den Unterhalt zu beanspruchen. Der BGH hat die 50 %-Regelung in seiner Entscheidung vom 23.10.200236 als eines der möglichen Mittel des Tatrichters gebilligt, das über dem Selbstbehalt liegende Einkommen angemessen zwischen den Beteiligten zu verteilen. Beispiel S hat ein um berufsbedingte Aufwendungen und weitere berücksichtigungsfähige Belastungen bereinigtes Einkommen von monatlich 4 000 Euro. Seine Mutter lebt im Pflegeheim. Es entstehen Kosten für Pflege und Wohnen, die nach Abzug ihrer eigenen geringen Einkünfte und der Pflegeversicherung noch monatlich 1 500 Euro betragen. Der Sozialhilfeträger, der die Kosten verauslagt, will sie von S erstattet haben. S ist in Höhe von 1 300 Euro leistungsfähig: 4 000 Euro Einkommen – 1 400 Euro angemessener Eigenbedarf = 2 600 Euro / 2 = 1 300 Euro. S verbleiben 2 700 Euro. Ohne den Verteilungsschlüssel von 50 % ergäbe sich eine Haftung für die volle Höhe des Bedarfs. Kann S einen höheren Eigenbedarf z.B. wegen höherer Mietkosten als in dem Eigenbedarfssatz zugrunde gelegt geltend machen, muss er diesen darlegen und beweisen. Seine Leistungsfähigkeit verringert sich dann entsprechend.
30 31 32 33 34 35 36
Vgl. z.B. Nr. 21.3.3 der LL des OLG Brandenburg. BGH, FamRZ 1982, 365, 366; 1985, 354, 356; 1992, 795 ff. BGH, FamRZ 2002, 1698, 1700 ff. BGH, FamRZ 2002, 1698; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1533 f. Nr. 21.3.3 der Leitlinien der OLG. Vorschlag des Deutschen Familiengerichtstags, FamRZ 2000, 274 (I.4a). BGH, FamRZ 2002, 1698, 1700 ff.; 2003, 1179, 1182.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Die Grundsatzentscheidungen des BGH zur Billigung der 50 %-Methode und Be- 264 messung der Selbstbehaltssätze beim Elternunterhalt haben zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung und damit zu einer größeren Rechtssicherheit geführt, denn sie werden auch von den Sozialhilfeträger beachtet (vgl. dazu Rn. 283).
III. Wie der Unterhalt berechnet wird Prüfungsschema für die Berechnung des Elternunterhalts
265
1. Wie hoch ist der angemessene Unterhaltsbedarf des Berechtigten? a) Klärung des angemessenen Bedarfs nach der Lebensstellung des Berechtigten, § 1610 Abs. 1 BGB (pauschal als Mindestbedarf oder durch konkrete Bedarfsberechnung) b) Abzug sämtlicher eigenen Einkünfte des Berechtigten vom Bedarf. c) Zwischenergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. 2. Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig (§ 1603 Abs. 1 BGB? a) Klärung des Durchschnittsnettoeinkommens des Verpflichteten aus Erwerbstätigkeit und Vermögen b) Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen, vorrangiger Unterhaltspflichten (§ 1609 BGB) und berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten. c) Hat der Verpflichtete kein Einkommen, kann die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommen, wenn eine Erwerbstätigkeit zumutbar und möglich ist. d) Zwischenergebnis: bereinigtes Einkommen des Verpflichteten. e) Von dem bereinigten Einkommen ist der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten in Höhe von mindestens 1 400 Euro abzuziehen.37 Das verbleibende über dem angemessenen Selbstbehalt liegende bereinigte Einkommen des Verpflichteten steht i.d.R. hälftig für den geltend gemachten Elternunterhalt zur Verfügung. Abschließend ist das Ergebnis auf seine Angemessenheit unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfen und ggfs. nach unten oder oben zu korrigieren. 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt.
1. Bedarf Zunächst ist aufzulisten, wie hoch der allgemeine Lebensbedarf ist. Dies kann 266 durch Angabe der konkreten Kosten geschehen, die für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Wohnen und Krankenvorsorge entstehen. Bei bescheidenen Verhältnissen ist eine Auflistung entbehrlich und der Bedarf kann in Höhe des notwendigen Eigenbedarfs nach den Leitlinien geltend gemacht werden. In den typischen Fällen der Unterbringung im Pflegeheim ist die Notwendigkeit der Heimunterbringung darzulegen und ebenfalls eine konkrete Bedarfsbestimmung vorzunehmen. Der Bedarf wird i.d.R. mit den Heimunterbringungskosten identisch sein, so dass es ausreicht, die Heimkosten aufzuschlüsseln und genau zu beziffern.38 Hinzukommt ein Taschengeld, es sei denn, es fehlt die Fähigkeit zur selbstbestimmten Verwendung. 37 Zur Höhe des angemessenen Eigenbedarfs vgl. jeweils Nr. 21.3.3 der Leitlinien. 38 BGH, FamRZ 2002, 1698.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder Beispiel Die 80-jährige M lebt seit 1.2.2002 im Altenheim, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen kann. Der Tagessatz im Pflegeheim beträgt 80 Euro, so dass sich ein mtl. Bedarf von 2 433 Euro ergibt. Ferner entstehen Krankenkassenkosten, so dass der Bedarf mit einem kleinen Taschengeld insgesamt 2 600 Euro beträgt.
Die Gleichsetzung der entstehenden Heimkosten mit dem angemessenen Bedarf ist jedoch nicht zwingend, denn die Auswahl des Heims hängt wegen erheblicher Kostenunterschiede von den finanziellen Möglichkeiten des Berechtigten und des Verpflichteten ab.39 Generell wird man von dem Berechtigten, der auf Unterhalt angewiesen ist, erwarten können, dass er ein kostengünstiges Heim auswählt.40 Letztlich ist aber entscheidend dafür, ob die Kosten dem angemessenen Bedarf des Unterhaltsberechtigten entsprechen, ob sie in einem adäquaten Verhältnis zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten – auch unter Berücksichtigung früherer Lebensverhältnisse – stehen. Bei einem eher bescheidenen Lebensstil wird ein kostengünstiges Heim zumutbar sein. Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen, von denen auch die Kinder in der Vergangenheit partizipiert haben, werden Kosten eines gehobenen Heimniveaus angemessen sein. Das OLG Schleswig räumt den Eltern insoweit einen Entscheidungsspielraum ein, mit der – überzeugenden – Begründung, dass Eltern, die ihren Kindern die Ausbildung finanziert haben und deren ausbildungsbezogene Entscheidungen hinzunehmen hatten, ein entsprechend großzügiger Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung ihrer Versorgung im Alter eingeräumt werden müsse.41 Ebenfalls von Bedeutung für die Auswahl sind Nähe zum Ehegatten, den Kindern, sonstigen Verwandten, die sich noch kümmern. Will das unterhaltspflichtige Kind die Kosten wegen preisgünstigerer Alternativen bestreiten, muss es dies substantiiert tun, d.h. es muss konkret darlegen, dass eine kostengünstigere Möglichkeit der Versorgung und Pflege in einem anderen Heim besteht.42 Ob dem Pflegebedürftigen tatsächlich ein Umzug in ein kostengünstigeres Heim zugemutet werden kann, hängt aber nicht nur davon ab, ob kostengünstigere Alternativen bestehen, sondern auch davon, ob dem Pflegebedürftigen ein Umzug noch wegen seines Gesundheitszustandes zuzumuten ist und er noch fähig ist, sich veränderten Verhältnissen anzupassen.43 2. Bedürftigkeit 267 Auf den ermittelten Bedarf sind alle eigenen Einkünfte des Berechtigten, auch aus Versicherungsleistungen, anzurechnen. Beispiele 1. (wie zuvor) Bedarf der pflegebedürftigen M beträgt 2 600 Euro. M hat eine eigene Altersrente i.H.v. 400 Euro und bezieht Leistungen aus der Pflegeversicherung für die Pflegestufe 1 i.H.v. 1 023 Euro. Nach Abzug dieser Einkünfte verbleibt ein ungedeckter Bedarf von mtl. 1 177 Euro. 39 Griesche, FPR 2004, 693, 695 m.w.N.; Brudermüller, NJW 2004, 633, 634; a.A. Müller, FPR 2003, 611, 614. 40 Heiß/Born/Hußmann, Kap. 13, Rn. 21 f. 41 OLG Schleswig, NJW-RR 2004, 867. 42 BGH, FamRZ 2002, 1698. 43 OLG Schleswig, OLGR 2009, 382–384.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird 2. M lebt in ihrer Wohnung, hat eine Rente von 500 Euro, Mietkosten von 400 Euro und benötigt Hilfe bei der Pflege. Die von ihr angestellte F verlangt 500 Euro. M erhält ein Pflegegeld von 410 Euro. Ihr Bedarf beträgt insgesamt 1 310 Euro (770 Euro Mindestbedarf incl. Wohnkostenanteil von 360 Euro44 + 40 Euro erhöhte Wohnkosten + 500 Euro Pflegekosten = 1 310 Euro). Ihr ungedeckter Bedarf beträgt 400 Euro (1 310 – 500 Euro Rente – 410 Euro Pflegegeld).45
3. Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes Mit der Klärung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes ergibt sich, in 268 welcher Höhe der Unterhalt maximal zu zahlen ist. In der Regel soll von dem um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen des Verpflichteten nach Abzug eines pauschalierten Eigenbedarfs von 1 400 Euro die Hälfte für den ungedeckten Unterhaltsbedarf zur Verfügung stehen (Rn. 262, 263): Beispiel 1. M hat einen ungedeckten Bedarf i.H.v. 1 177 Euro. Ihr Sohn S hat ein Einkommen von 2 000 Euro und Wohnkosten von 600 Euro. Sein Eigenbedarf beträgt 1 400 Euro zzgl. 150 Euro höhere Wohnkosten als im Eigenbedarf vorgesehen, also 1 550 Euro. Es verbleiben 450 Euro, die in Höhe von 225 Euro für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen sind. 2. M hat einen ungedeckten Bedarf von 400 Euro. Ihre Tochter T hat als Krankenschwester ein Einkommen von 1 600 Euro. Sie hält sich wegen ihres Schichtdienstes einen PKW, der alsbald erneuert werden müsste. Dafür bildet sie Sparrücklagen iHv mtl. 100 Euro. Bei Anerkennung der Sparraten, müsste T mtl. 50 Euro Elternunterhalt zahlen.
In welcher Höhe der Unterhalt letztlich zu zahlen ist, hängt entscheidend von der Klärung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes und davon ab, welche Verbindlichkeiten anzuerkennen sind. 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Ermittlung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Kindes Bei der Klärung des für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens des 268a Verpflichteten ergeben sich die meisten Streitigkeiten; denn von dem Ergebnis hängt ab, wie viel Unterhalt zu zahlen ist. Hier stellen sich immer wieder folgende Fragen: Wie hoch sind Belastungen durch vorrangige Unterhaltspflichten? Welche Ausgaben sind einkommensmindernd zu berücksichtigen und nicht schon Teil des Selbstbehalts? Welche Verbindlichkeiten dürfen einkommensmindernd berücksichtigt werden? Für die Einkommensermittlung des unterhaltspflichtigen Kindes gelten die unter den Rn. 31 ff. und Rn. 67 ff. dargestellten allgemein gültigen Grundsätze. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit den Besonderheiten, die sich für die Bereinigung des Einkommens und die Anforderungen an die Verwertung von Vermögen aus der geringeren Einstandspflicht der Kinder für den Unterhalt der Eltern bei der Einkommensbestimmung ergeben.
44 Anm. A 5 der DT. 45 Zur unterhaltsrechtlichen Behandlung des Pflegegeldes s. Rn. 32 – Pflegegeldleistungen.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten 268b Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind immer abzuziehen die Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber vorrangig Unterhaltsberechtigten. Vorrangig unterhaltsberechtigt sind der Ehegatte,46 die Abkömmlinge des Verpflichteten sowie die Mutter eines nichtehelichen Kindes des Verpflichteten (§ 1609 BGB, s. a. Rn. 289). Die Höhe des Unterhalts für vorrangig berechtigte Kinder richtet sich nach dem titulierten Zahlbetrag, wenn sie nicht im Haushalt des Verpflichteten leben. Besteht kein Unterhaltstitel, muss der geschuldete Unterhalt nach der DT und anhand des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Verpflichteten berechnet werden. Für die Einstufung in die Einkommensgruppe der Unterhaltstabelle ist aufseiten des Verpflichteten zu berücksichtigen, wie viel Personen er unterhaltspflichtig ist. Dazu zählt auch die Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern, obwohl sie Kindern gegenüber nachrangig ist, denn die Rangfolge ist erst im Mangelfall von Bedeutung. Ist der Tabellenunterhalt ermittelt, ist der jeweilige Zahlbetrag abzuziehen, dh. der geschuldete Tabellenunterhalt nach Abzug des anteiligen Kindergeldes (§ 1612b BGB).47 Ob tatsächlich im Rahmen des Elternunterhalts auch der Zahl- und nicht der Tabellenbetrag abgezogen wird, ist vom BGH bisher noch nicht entschieden worden. Soweit der BGH dies bereits für die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt befürwortet hat, trägt die Begründung auch beim Elternunterhalt, nämlich dass der Gesetzgeber in § 1612b BGB verbindlich geregelt hat, dass das (anteilige) Kindergeld eigenem Einkommen des Kindes gleichstellt und auf seinen Bedarf anzurechnen ist.48 Es ist deshalb auch nicht als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Lebt das Kind mit dem Verpflichteten und dem anderen Elternteil in einem Haushalt, ist der Tabellenunterhalt nach dem zusammengezogenen Einkommen der Eltern zu bestimmen und der von dem Unterhaltspflichtigen aufzubringende Unterhalt durch Quotelung nach dem Verhältnis der Einkommen beider Eltern zu ermitteln (s. Rn. 96). Auch insoweit ist Berechnungsgrundlage der ermittelte Tabellenunterhalt abzüglich das Kindergeld. 268c Unterhalt für einen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten richtet sich nach dem zu zahlenden Unterhalt, der meist tituliert ist. Lebt der Verpflichtete mit seinem Ehegatten zusammen und ist dieser unterhaltsbedürftig, steht auch dem Ehegatten ein Anspruch auf angemessenen Unterhalt zu. Der Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten ist nach der Rechtsprechung des BGH als Geldrente nach den Grundsätzen zu berechnen, die für die Berechnung des Trennungs- und nachehelichen Unterhalts gelten (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB vgl. Rn. 349 ff. und 479 ff.), obwohl der Anspruch des Ehegatten auf Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB nicht auf Zahlung einer Geldrente gerichtet ist.49 Mindestens steht dem mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten nach Nr. 22.3 der Leitlinien als ange46 Der angemessene Bedarf des in Hausgemeinschaft mit dem Verpflichteten lebenden Ehegatten beträgt nach den Leitlinien, soweit er dort bestimmt ist, ca. 1 050/1 100 Euro, so dass ein Familienbedarf i.H.v. insgesamt 2 450/2 500 Euro besteht, in dem 800 Euro Wohnkosten enthalten sind, vgl. Rn. 262. 47 BGH, FamRZ 2009, 1300, Tz. 49 ff. 48 BGH, FamRZ 2009, 1300, Tz. 49 ff. 49 BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860 mit Anm. von Klinkhammer, S. 866; BGH, FamRZ 2004, 792, 794.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
messener Unterhalt ein Betrag von 1 050 Euro oder 1 100 Euro zu; in diesem Betrag ist eine Warmmiete von 350 Euro enthalten.50 In dem Gesamtbedarf der Ehegatten von 2 450 Euro bzw. 2 500 Euro sind Mietkosten von 800 Euro incl. Nebenkosten enthalten. Übersteigt das zur Verfügung stehende Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes und seines Ehegatten den Familienmindestbedarf von 2 450 bzw. 2 500 Euro nicht, ist Elternunterhalt wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht zu zahlen. Bei höheren Einkünften ist der Bedarf des Ehegatten, dem nach dem Grundsatz der Halbteilung die Hälfte des Gesamteinkommens – soweit es nicht in die Vermögensbildung fließt – zusteht, nach der Rechtsprechung des BGH immer individuell zu berechnen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er über dem Mindestbedarf nach den Leitlinien liegen würde. Er ist zu errechnen nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen der Ehegatten (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB), so dass sich die Frage stellt, ob vom Einkommen des Verpflichteten der Elternunterhalt vorweg abzuziehen ist mit der Folge, dass sich dadurch der Bedarf des Ehegatten mindert.51 Nach Auffassung des BGH ist ein Vorabzug dann gerechtfertigt, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse von der Unterhaltslast für den Elternteil bereits geprägt waren, wenn also die Unterhaltsbedürftigkeit schon bei der Heirat bestand oder vorhersehbar war, bzw. schon Unterhaltsleistungen für den bedürftigen Elternteil erbracht wurden. Dabei soll es aber nicht allein auf die Verhältnisse bei der Eheschließung des Unterhaltspflichtigen ankommen, sondern auch auf die spätere Entwicklung. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden um so eher von einer Unterhaltsverpflichtung mitbestimmt, je höher die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen ist, für den Unterhalt von Eltern aufkommen zu müssen.52 Diese Auffassung, für die Abzugsfähigkeit auf die Voraussehbarkeit der Unterhaltspflicht abzustellen, ist auf Kritik gestoßen,53 denn bei einer fortdauernden Lebensgemeinschaft sind insbesondere unabwendbare Veränderungen, die die Höhe des Familienunterhalts beeinflussen, von den Ehegatten als Schicksalsgemeinschaft hinzunehmen, so dass auch spätere Entwicklungen zu berücksichtigen sind.54 Auch ergibt sich, wenn man dieser Rechtsprechung des BGH folgt, ein dogmatischer Widerspruch zu seiner Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“, nach der selbst nach Trennung und Scheidung das Hinzutreten weiterer Unterhaltspflichten von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten hinzunehmen ist.55 Das nachfolgende vereinfachte Rechenbeispiel, in dem Kostenersparnisse des unterhaltspflichtigen Kindes wegen gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Ehegatten nicht berücksichtigt sind (s. dazu Rn. 268b), verdeutlicht die praktischen Konsequenzen des Meinungsstreits:
50 51 52 53
Vgl. Anm. D 1 der DT und jeweils die Nr. 22.3 der Leitlinien. BGH, FamRZ 2003, 860 ff. BGH, FamRZ 2004, 792, 794 m. Anm. v. Borth; 2004, 186, 187f; 2003, 860, 864. So u.a. Klinkhammer, FamRZ 2003, 867 f., Soyka, Familienrecht kompakt, 2003, 96; Ehinger, FPR 2003, 623, 626. 54 Klinkhammer, FamRZ 2003, 866, 867 und FPR 204, 555; Ehinger, FPR 2003, 623, 626; Griesche, FPR 2004, 693, 701 m.w.N.; a.A. jetzt Wendl/Scholz, 7. Aufl., § 3 Rn. 82. 55 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder Beispiel M ist pflegebedürftig und hat einen monatlichen ungedeckten Unterhaltsbedarf von 1 200 Euro. S, der Sohn von M, ist verheiratet und verdient mtl. bereinigt 2 000 Euro, seine Ehefrau erzielt ein eigenes Einkommen von 1 000 Euro. 1. Ehegattenbedarfsberechnung ohne Vorwegabzug des Elternunterhalts: Berechnung des Bedarfs der Ehefrau: Einkommen S Einkommen F Gesamtbedarf
2 000 Euro 1 000 Euro 3 000 Euro
Bedarf der Ehefrau abzüglich eigenes Einkommen ungedeckter Bedarf der F
1 500 Euro 1 000 Euro 500 Euro
Berechnung des nach Leistungsfähigkeit zu zahlenden Elternunterhalts: Einkommen S abzüglich Bedarf Ehefrau abzüglich Eigenbedarf
2 000 500 1 400 100 50 1 450
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Berechnung des nach Leistungsfähigkeit zu zahlenden Elternunterhalts: Einkommen S abzüglich Selbstbehalt zu verteilendes Einkommen davon 50 %
2 000 1 400 600 300
Euro Euro Euro Euro
Berechnung des Bedarfs der Ehefrau: Einkommen S abzüglich Elternunterhalt bereinigtes Einkommen Einkommen F Gesamtbedarf Bedarf der Ehefrau abzüglich eigenes Einkommen ungedeckter Bedarf der F
2 000 300 1 700 1 000 2 700 1 350 1 000 350
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
davon 50 % S verbleiben nach Abzug des Eltern- und Ehegattenunterhalts 2. Ehegattenbedarfsberechnung mit Vorwegabzug des Elternunterhalts:
S verbleiben nach Abzug des Eltern- und Ehegattenunterhalts 1 350 Euro (2 000 – 300 – 350 =). Der Elternunterhalt kann im Rahmen der Angemessenheitskontrolle z.B. um 50 Euro auf 250 Euro gekürzt werden.
268d Die Berechnungsvariante 1 ergibt im Gegensatz zur Berechnungsvariante 2 zwangsläufig wegen des Grundsatzes der Halbteilung beim Ehegattenunterhalt einen deutlich niedrigeren Unterhaltsanspruch für Eltern. Hußmann stellt grundsätzlich in Frage, ob die Bedarfsberechnung bei zusammenlebenden Ehegatten nach dem Grundsatz der Halbteilung an dieser Stelle wirklich sinnvoll ist, denn selbst wenn der Elternunterhalt nicht eheprägend war, könnte der Ehegatte tatsächlich als Familienunterhalt nicht die Hälfte des Einkommens verlangen. Vorzugswürdig sei, den Bedarf des Ehegatten in einem solchen Fall mit dem angemessenen Mindestbedarfssatz nach den LL zu bemessen, denn damit werde den Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft besser Rechnung getragen. Bei günstigen Einkommensverhältnissen könne der Bedarfssatz angemessen erhöht werden.56 Wendet man diese Berechnungsvariante auf das vorstehenden Beispiel 56 Heiß/Born/Hußmann, Kap. 13, Rn. 47,48.; Hußmann, Elternunterhalt, 2. Aufl., S. 33.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
an, ergibt sich ebenfalls ein Elternunterhalt von 250 Euro (3 000 Gesamteinkommen – 1 100 Bedarf Ehefrau – 1 400 Eigenbedarf = 500/2 = 250 Euro). Für den Vorschlag von Hußmann spricht der Vereinfachungsgedanke, der im Unterhaltsrecht zwar häufig beschworen, aber selten beherzigt wird. Auch ergibt sich gegenüber der Berechnungsvariante zu 2, in der der Bedarf der Ehefrau individuell nach Vorabzug des Elternunterhalts errechnet wird, keine wesentliche Abweichung in den Ergebnissen, selbst wenn man beim Verpflichteten ein deutlich höheres Einkommen einsetzt. Allerdings sollte das Berechnungsergebnis immer – sei es, dass man den Bedarf der Ehefrau konkret oder pauschal berechnet –, abschließend unter Berücksichtigung der Bedeutung des Familienunterhalts und des Elternunterhalts sowie aller Umstände des Einzelfalles auf seine Angemessenheit überprüft und ggf. korrigiert werden.57 Ist der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten unterhaltspflichtig mit dem er zu- 268e sammenlebt und errechnet man dessen Bedarf individuell nach dem Grundsatz der Halbteilung (entsprechend der Berechnungsvariante 1 im vorstehenden Beispiel unter Rn. 268c), kann noch eine Kostenersparnis für das gemeinsame Wirtschaften berücksichtigt werden, die das Einkommen des Verpflichteten und dessen Leistungsfähigkeit erhöht. Da sich die Leistungsfähigkeit nach der Hälfte des Einkommens des Verpflichteten bemisst, die dem Verpflichteten nach Abzug des Ehegattenunterhalts und sonstigen Verbindlichkeiten sowie seines angemessenen Eigenbedarfs verbleibt, stellt sich die Frage, wie diese Kostenersparnis bei dem Verpflichteten und im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu bemessen ist. Nach den Leitlinien der OLG ist nur in dem angemessenen Mindestbedarf des mit dem Verpflichteten zusammenlebenden Ehegatten eine entsprechende Kostenersparnis berücksichtigt, denn er beträgt i.d.R. 1 050 bzw. 1 100 Euro, liegt also niedriger als der des Unterhaltspflichtigen (1 400 Euro). Die Kostenersparnis ist darin für die gemeinsame Haushaltsführung mit 350 Euro in Ansatz gebracht, so dass sie bezogen auf den Familienbedarf von 2 450 Euro (1 050 Euro zzgl. 1 400 Euro) ca. 14 % beträgt (350 / 2450 × 100).58 Da eine Kostenersparnis wegen gemeinsamer Haushaltsführung nur bei dem deutlich niedrigeren Eigenbedarfssatz des Ehegatten des Pflichtigen berücksichtigt ist und nicht bei diesem selbst, ist umstritten, wie der auf den Pflichtigen entfallende Anteil an der Kostenersparnis bei der Berechnung des Elternunterhalts zu berücksichtigen ist, wenn der Ehegattenunterhalt nach dem Halbteilungsgrundsatz und nicht durch Abzug des Mindestbedarfssatzes berechnet wird. Dabei bietet sich an, die anteilige Ersparnis entweder durch einen Abschlag vom Selbstbehalt oder als Zuschlag zum Einkommen zu berücksichtigen.59 Zu diesem Problem gibt es verschiedene Lösungsansätze,60 von denen hier das von Scholz und Klinkhammer vorgeschlagene Berechnungsmodell anhand des folgenden Beispiels vorgestellt werden soll.61 Bei überdurchschnittlich hohen Einkünften von über 5 000 Euro wird vorgeschlagen, eine Schätzung vorzunehmen. 57 Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. 2 Rn. 82. 58 Soweit der Bedarf geregelt ist, vgl. jeweils die Nr. 22.3 der Leitlinien. 59 Wendl/Scholz, § 3 Rn. 83, 85 f.; Scholz, FamRZ 2004, 1829 (1830); zu weiteren Vorschlägen vgl. Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. 2 Rn. 81 ff. 60 OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 438; FamRZ 2007, 1684; OLGR Hamm 2008, 412. 61 Zu den verschiedenen Berechnungsvorschlägen s. die Übersicht bei Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. 2 Rn. 81 ff.; Wendl/Scholz, § 3 Rn. 83 ff., der exakt mit 14, 29 % Ersparnis rechnet.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder Beispiel M lebt im Altenheim und hat einen Bedarf von 2 600 Euro. S, der Sohn von M, ist verheiratet und verdient mtl. bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen 2 000 Euro, seine Ehefrau erzielt ein eigenes bereinigtes Einkommen von 1 000 Euro. Von dem Gesamteinkommen i.H.v. 3 000 Euro stehen jedem Ehegatten 1 500 Euro zu. Würde man bei S den ihm zustehenden Selbstbehalt von 1 400 Euro abziehen, verblieben ihm 100 Euro, von denen er 50 Euro Elternunterhalt zahlen müsste. Da die Kostenersparnis aufgrund gemeinsamen Wirtschaftens in dem Selbstbehalt von S nicht berücksichtigt ist, kann – wenn die Eheleute zusammenleben – gerechnet werden wie folgt. Gesamtfamilieneinkommen Abzug 14 % Ersparnis für gemeinsames Wirtschaften es verbleiben S steht davon die Hälfte zu zgl. sein Anteil der Ersparnis bezogen auf sein Einkommen (2 000 Euro × 14 %) abzüglich Selbstbehalt von 1 400 Euro ergibt davon 50 %, aufgerundet
3 000 420 2 580 1 290
Euro Euro Euro Euro
280 1 570 170 85
Euro Euro Euro Euro
268f Ist der mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebende Ehegatte neben der Betreuung minderjähriger Kinder erwerbstätig, bleibt sein erzieltes Einkommen nicht von vornherein wegen überobligatorischer Tätigkeit unterhaltsrechtlich teilweise oder ganz außer Betracht. Denn anders als bei einem alleinerziehenden geschiedenen oder getrenntlebenden Elternteil ist bei der Kinderbetreuung ein Zusammenwirken der Ehegatten i.S.v. § 1356 Abs. 2 BGB zu erwarten, mit der Folge, dass eine Erwerbstätigkeit eher zumutbar ist, was bei der Prüfung der Anrechenbarkeit von Erwerbseinkünften im Rahmen von § 1577 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist.62 Die Berechnung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechend §§ 1361, 1578 BGB kann dazu führen, dass im Ergebnis dem Ehegatten mehr Unterhalt zur Verfügung steht, als dem unterhaltspflichtigen Ehepartner. Dies ist aber hinzunehmen wegen der nur diesen treffenden Unterhaltspflicht gegenüber dem bedürftigen Elternteil. b) Abzug von anderen Verbindlichkeiten 269 In der Regel gilt wie in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen auch: Verbindlichkeiten, die eingegangen wurden, bevor die Unterhaltsbedürftigkeit bekannt wurde, werden anerkannt und abgezogen. Später entstandene Verbindlichkeiten sind nur anzuerkennen, wenn es für den Verpflichteten unumgänglich war, die Zahlungsverpflichtung einzugehen. Insoweit ist jeweils eine Interessenabwägung nach billigem Ermessen erforderlich, bei der u.a. Zweck, Zeitpunkt der Entstehung, Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten miteinander abzuwägen sind.63 Belastungen, die aus Vermögensbildung resultieren, sind dann nicht anzuerkennen, wenn die Verwertung des Vermögens zuzumuten ist (vgl. Rn. 276). Nicht zumutbar ist die Verwertung des Familienheims.
62 BGH, FamRZ 2003, 860, 866. 63 BGH, FamRZ 1982, 157.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
Uneingeschränkt absetzbar sind die Aufwendungen für die Finanzierung eines Familienheims. Dazu gehören beim Elternunterhalt nicht nur die Zinsen, sondern auch die Tilgungsleistungen und Aufwendungen, soweit es sich um nicht umlagefähige Kosten im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1, 2 BetrKV handelt (s. dazu Rn. 390).64 Im Gegenzug ist dem Einkommen allerdings hinzuzurechnen der wirtschaftliche Wohnvorteil für die Nutzung des Eigenheims in Höhe einer zu schätzenden Miete. Dabei ist für die Schätzung nicht auf die ortsübliche objektiv erzielbare Marktmiete, sondern eine den familiären Verhältnissen entsprechende, angemessene Miete abzustellen.65 Würde man den Wohnvorteil mit der objektiv erzielbaren Marktmiete für die Immobilie gleichsetzen, bestünde häufig die Gefahr, dass die Immobilie verwertet werden müsste, was mit der geringeren Einstandspflicht des Unterhaltspflichtigen nicht vereinbar wäre.66 Verbindlichkeiten für eine nicht selbst genutzte Eigentumswohnung sind nur anzuerkennen, wenn die Immobilie nicht verwertbar ist, s. Rn. 276, oder sie zum Zwecke einer angemessenen (ergänzenden) Altersvorsorge benötigt wird (s. Rn. 271). Nicht abzuziehen sind Verbindlichkeiten, die für allgemeine Lebenshaltungskos- 270 ten bestehen, wie Beiträge für Hausrats- und Haftpflichtversicherungen, Miete und Mietnebenkosten, Rundfunkgebühren etc.; denn diese sind üblicherweise bei der Höhe des Selbstbehalts schon berücksichtigt. Die Höhe der Warmmiete incl. umlegbarer Nebenkosten und Heizung ist mit 450 Euro in den Düsseldorfer Leitlinien angesetzt. Liegt die zu zahlende Miete niedriger als in den Selbstbehaltssätzen, erhöht sich dadurch die Verteilungsmasse für den Unterhalt nicht, denn es bleibt beim angemessenen Eigenbedarf der Disposition des Unterhaltschuldners überlassen, wie er die ihm belassenen Mittel verwendet.67 Liegt sie höher, können die erhöhten Aufwendungen vom Einkommen abgezogen bzw. durch Erhöhung des Eigenbedarfssatzes geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn z.B. die Mietverbindlichkeit in Kenntnis des zu zahlenden Elternunterhalts eingegangen wurde, obwohl preisgünstigere Wohnungen zur Verfügung standen oder wenn an sich ein Umzug in eine preisgünstigere Wohnung zumutbar wäre. Bei der Interessenabwägung ist die geringere Einstandspflicht für den Unterhalt zu berücksichtigen. Beispiel S hat ein Einkommen von 4 000 Euro, die Mutter einen Unterhaltsbedarf von 1 500 Euro. Da S eine einkommensangemessene Miete für seine Wohnung von 1 000 Euro mtl. zahlt und diese um 550 Euro höher liegt als die im angemessenen Eigenbedarfssatz mit 450 Euro in Ansatz gebrachten Kosten für eine Warmmiete, kann er diesen Differenzbetrag einkommensmindernd geltend machen. Danach ist er nur noch i.H.v. 1 025 Euro leistungsfähig nach folgender Berechnung: 4 000 Euro – 550 Euro – 1 400 Euro = 2 050 Euro / 2 = 1 025 Euro. Es kann wegen der höheren Mietkosten auch so gerechnet werden, dass die höheren Mietkosten nicht als Verbindlichkeit abgezogen werden, sondern der Eigenbedarfssatz um diesen Betrag erhöht wird, was auf das Ergebnis letztlich keinen Einfluss hat.
64 65 66 67
BGH, FamRZ 2009, 1300, 1303 = FPR 2009, 413, 414f m. Anm. v. Ehinger S. 418. BGH, FamRZ 2003, 1179, 1181; 2004, 1184. BGH, FamRZ 2003, 1179, 1181; 2004, 1184. BGH, FamRZ 2004, 186.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
Ebenfalls nicht abzuziehen sind alle Ausgaben, die i.d.R. aus dem laufenden Einkommen finanziert werden können, wie Sparverträge, aber auch Aufwendungen für Überziehungskredite für Lebenshaltung, Hausrat68 und Reisen. Die heute in den Haushalten üblichen Aufwendungen für Hausrat, Reisen und PKW werden häufig entweder durch Rücklagenbildung oder Überziehungskredite finanziert, so dass in der Rechtsprechung auch vertreten wird, Raten aus Konsumkrediten, die zu diesen Zwecken aufgenommen worden sind, nicht gesondert abzuziehen. Denn es soll nicht der bevorteilt werden, der für diese Ausgaben extra einen Kredit aufnimmt.69 Dieser Auffassung ist nur teilweise zuzustimmen: Beruhen die Ratenzahlungsverpflichtungen auf Krediten, die vor der Entstehung der Unterhaltspflicht aufgenommen wurden, sind sie anzuerkennen. Bei einer späteren Aufnahme in Kenntnis der Unterhaltspflicht sollte die Anerkennung davon abhängen, ob der Kredit für größere Anschaffungen aufgenommen wurde, wie z.B. den Kauf eines PKWs, die nach dem individuellen Lebenszuschnitt üblich sind. Für die Anerkennung nach diesem Maßstab spricht auch die Rechtsprechung des BGH, nach der zweckbestimmtes Sparvermögen dann nicht für den Elternunterhalt angegriffen werden muss, wenn der Verwendungszweck zu dem üblichen Lebenszuschnitt des Verpflichteten gehört, denn der Verpflichtete soll durch die Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine wesentliche Beschränkung seines Lebensstandards hinnehmen müssen.70 Ein entsprechender Maßstab ist deshalb bei der Anerkennung von Kreditverbindlichkeiten zu berücksichtigen, wenn die Kreditaufnahme zur Finanzierung größerer Anschaffungen der bisherigen Handhabung entspricht, ohne den angemessenen Lebenszuschnitt zu strapazieren. 271 Vorsorgeaufwendungen Selbständiger sind abzugsfähig, soweit sie angemessen sind und tatsächlich geleistet werden.71 Ein Richtmaß für die Angemessenheit der Aufwendungen sind die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung, also ca. 20 % der erzielten Bruttoeinkünfte. Nach Auffassung des BGH ist ein Aufschlag von zusätzlichen 5 % nicht unangemessen und deshalb hinzunehmen im Hinblick auf den im Elternunterhalt um 25 % höheren Selbstbehalt als Konkretisierung der geringeren Einstandspflicht für den Unterhalt.72 Aufwendungen zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, wie sie Nichtselbständige i.H.v. 2,8 % (§ 341 Abs. 2 SGB III) für die Arbeitslosenversicherung aufbringen, sind bei Selbständigen nicht abzugsfähig, da bei ihnen nicht die Gefahr einer Kündigung besteht.73 Gleich hohe Aufwendungen sind auch für nichtselbständige Arbeitnehmer und Beamte hinzunehmen.74 Als Vorsorgeaufwendungen sind sowohl bei Selbständigen als auch Arbeitnehmern nicht nur anzuerkennen Lebensversicherungen, sondern auch sonstige vermögensbildende Investitionen, die nicht mit erhöhten Risiken verbunden sind,
68 OLG Hamm, FamRZ 1990, 999; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 596. 69 OLG Hamm, FamRZ 1990, 998; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 595, 596. Ebenso Griesche, FPR 2004, 693, 699. 70 BGH, NJW 2006, 3344 = FamRZ 2006, 1511 (1516) mit Anm. Klinkhammer. 71 BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, NJW 2003, 1660 ff. = FamRZ 2003, 860 ff. 72 BGH, FamRZ 2004, 792, 793 mit Anm. von Borth, S. 794. 73 BGH, FamRZ 2003, 860, 863. 74 BGH, FamRZ 2004, 792 ff.; 2003, 1179.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
wie z.B. der Erwerb von Grundeigentum oder Zahlungen auf ein Sparkonto.75 Bei der Wahl der Anlageform hat das unterhaltspflichtige Kind einen eigenen großzügigen Entscheidungsspielraum, allerdings muss die Zweckbestimmung der Altersvorsorge deutlich sein, schon um die Abgrenzung zur gewöhnlichen Vermögensbildung, die der Pflichtige nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten betreiben darf, zu ermöglichen. Besteht (Mit-)Eigentum an einem Familienheim wird eine darüber hinausgehende weitere ergänzende Altersvorsorge nicht notwendig sein. 76 Voraussetzung für die Anerkennung von Altersvorsorgeaufwendungen ist die tatsächliche Zahlung, ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht.77 Wird die Zahlung bestritten, hat der Unterhaltspflichtige sie nachzuweisen.78 Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, ist die angemessene Altersvorsorge für den nicht berufstätigen Ehegatten als Verbindlichkeit gleichermaßen zu berücksichtigen.79 Ist der Verpflichtete Rentner, wird ihm auch ein Betrag zur Rücklagenbildung für Hausreparaturen, Anschaffungen und Zuzahlungen zu Heilbehandlungen zuzubilligen sein.80 Bei großzügigeren finanziellen Verhältnissen sind von den Betroffenen Einschränkungen des bisherigen Lebensstils hinzunehmen; denn die Unterhaltspflicht mag zwar unerwartet eingetreten sein, gleichwohl ist ihre Erfüllung durch Anpassung an die veränderte Situation zu ermöglichen.81 Die insoweit erforderliche Abwägung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Bei einer längerfristigen Inanspruchnahme soll es nicht zu einer dauerhaften und spürbaren Senkung des berufs- und einkommenstypischen Lebensstandards des Verpflichteten kommen.82 Beispiel S soll für die Pflegekosten der M mtl. 200 Euro zahlen. Er beruft sich auf Leistungsunfähigkeit. Zu Recht nach Auffassung des OLG Oldenburg83 (Zahlen und Währung wurden verändert): Er bezieht eine Rente i.H.v. mtl. 2 000 Euro und bewohnt ein lastenfreies Eigenheim mit seiner Ehefrau, die kein Einkommen hat. Auch unter Zurechnung eines Wohnvorteils von 500 Euro für beide Ehegatten reichen seine Einkünfte nur zur Bedarfsdeckung für ihn und seine vorrangig unterhaltsberechtigte Frau. Die verbleibenden 50 Euro (2 500 Euro – 1 400 Euro Selbstbehalt S – 1 050 Euro Selbstbehalt Ehefrau) darf er zur Rücklagenbildung für unerwartet auftretende Ausgaben wie Hausreparaturen, Zuzahlungen für Medikamente etc. verwenden. Auf eine Errechnung des Kostenvorteils wegen gemeinsamen Wirtschaftens kommt es hier angesichts der geringen verteilungsfähigen Mittel nicht an. Nicht zumutbar ist der Verweis auf eine spätere Kreditaufnahme.
Die Abgrenzung, welche Verbindlichkeiten noch aus dem erhöhten Selbstbehalt 272 zu finanzieren und welche abzugsfähig sind, bereitet in der Praxis Schwierigkeiten; denn es gibt keine eindeutigen Kriterien. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich bei dem, dem Verpflichteten zuge75 76 77 78 79 80 81 82 83
BGH, NJW 2003, 1660 ff. = FamRZ 2003, 860 ff. BGH, FamRZ 2004, 370, Tz. 32. BGH, FamRZ 2007, 193 ff. Griesche, FPR 2004, 693, 700; Herr, FamRZ 2005, 1021, 1023. BGH, FamRZ 2004, 792 ff. m. Anm. v. Both, S. 794 f. OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 1174. OLG Koblenz, FamRZ 2000, 1176. BGH, FamRZ 2002, 1698, 1700 f. OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 1174.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
standenen angemessenen Selbstbehalt um die Untergrenze des angemessenen Eigenbedarfs handelt,84 was für die Anerkennung von Verbindlichkeiten einen eher großzügiger Maßstab nahe legt. Da jedoch darüber hinaus das über dem Selbstbehalt liegende Einkommen noch hälftig zwischen dem Verpflichteten und dem Berechtigten geteilt wird,85 ist zu bedenken, dass bei sehr großzügiger Anerkennung von Verbindlichkeiten neben dem erhöhten Selbstbehalt und einer 50 %-Regelung die Gefahr besteht, dass der Verpflichtete unangemessen bevorteilt wird und Unterhalt für Eltern eine Spendenqualität erhalten könnte, was weder wünschenswert wäre noch im Einklang mit dem Gesetz stünde.86 c) Fiktives Einkommen 273 Die Zurechnung fiktiver Einkünfte beim Verpflichteten kommt immer nur dann in Betracht, wenn dieser in vorwerfbarer Weise seiner zumutbaren Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder die Tätigkeit auszuweiten, nicht nachkommt (§ 242 BGB). Grundsätzlich sind auch Kinder ihren Eltern gegenüber verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um deren Unterhalt bezahlen zu können. Allerdings wirkt sich die geringere Einstandspflicht für den Elternunterhalt, die insbesondere in der vom Gesetzgeber geregelten Rangfolge der gesetzlichen Unterhaltsansprüche zum Ausdruck kommt und die Eltern nach Abkömmlingen, Ehegatten und der nicht verheirateten Mutter auf den Rang 6 verweist (§ 1609 Nr. 6 BGB)87, auch auf die Anforderungen an die Zumutbarkeit der Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus. Dem Kind wird deshalb nicht ein Orts- oder Berufswechsel zuzumuten sein, nur um den Elternunterhalt zahlen zu können. Ist die unterhaltspflichtige Tochter Hausfrau und versorgt ihre minderjährigen Kinder, kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ebenfalls nicht in Betracht. Sind die Kinder schon aus dem Haus und ist sie Hausfrau geblieben, erbringt sie in ihrer Ehe ihren Beitrag zum Familienunterhalt durch die Haushaltsführung (§ 1360 BGB), was zwar hinzunehmen ist, aber die Ausübung mindestens einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nicht ausschließen muss. Diese muss jedoch mit den Belangen der Familie vereinbar sein (§ 1355 Abs. 2 BGB) und es muss auch eine realistische Erwerbschance bestehen.88 Im Ergebnis wird die Zurechnung eines fiktiven Einkommens meist dann nicht in Betracht kommen, wenn das Kind lange nicht im Beruf tätig war und/oder selbst schon Schwierigkeiten hat, aufgrund seines Alters eine Anstellung zu finden. Gleichwohl ist die bestehende Unterhaltspflicht nicht bedeutungslos, denn mindestens ist im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit bei der Leistungsfähigkeit des Kindes zu prüfen, inwieweit sein angemessener Unterhaltsbedarf durch das Einkommen seines Ehegatten gedeckt ist und er sein Taschengeld oder Einkünfte aus einer Nebentätigkeit für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen hat.
84 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1533. 85 Das hat der BGH als eine mögliche Methode der angemessenen Verteilung der Mittel gebilligt (vgl. FamRZ 2002, 1698, 1700 f.). 86 LG Paderborn, FamRZ 1996, 1497; Klinkhammer, FamRZ 2002, 1702, 1704 m.w.N.; Hußmann, Elternunterhalt, S. 29; Wendl/Scholz, 6. Aufl., § 2 Rn. 620. 87 Vgl. zur Rangfolge auch Palandt/Diederichsen, § 1609 BGB Rn. 3. 88 FamRZ 2004, 366, 369 zur Einsatzpflicht des Ehegattentaschengeldes; OLG Köln, FamRZ 2001, 437 ff.; Wendl/Pauling, § 2 Rn. 645; Griesche, FPR 2004, 693, 703.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
d) Einkommen des Ehegatten des Unterhaltsschuldners – sog. Schwiegersohnhaftung Das Einkommen des Ehegatten des Unterhaltsschuldners bleibt i.d.R. außer Be- 274 tracht, wenn er nicht unterhaltsbedürftig ist, denn dieser ist nicht verpflichtet, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Unterhalt für die Eltern des anderen gezahlt werden kann.89 Gleichwohl ist es unterhaltsrechtlich nicht bedeutungslos, wenn dadurch der Lebensbedarf des Unterhaltsschuldners gedeckt wird: Denn erbringt der Unterhaltspflichtige im Einvernehmen mit seinem gut verdienenden Ehegatten seinen Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung und Teilzeitarbeit, steht ihm ein Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an dem von beiden Ehegatten Erwirtschafteten zu.90 Ist sein Auskommen durch den Familienunterhalt nach § 1360 Satz 2 BGB wegen des hohen Einkommens seines Ehegatten angemessen gesichert, ist Konsequenz der Einstandspflicht für den Elternunterhalt, dass er sein selbst verdientes Geld, das für den Familienunterhalt nicht benötigt wird – auch wenn es unter dem angemessenen Eigenbedarf liegt – für den Elternunterhalt (mindestens i.H.v. 50 %) zu verwenden hat.91 Eine solche angemessene Sicherung des Familieneinkommens wird z.B. dann in Betracht kommen, wenn das Einkommen des Ehegatten bereinigt dem doppelten Selbstbehalt beider Ehegatten entspricht.92 Das sind zurzeit 4 900 Euro bzw. 5 000 Euro. Werden die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen hingegen für den Familienunterhalt benötigt, hängt die Frage, ob noch Mittel für den Elternunterhalt zur Verfügung zu stellen sind, davon ab, wie hoch der Familienunterhaltsbedarf zu bemessen ist. Der Familienunterhalt umfasst alles, was für die Haushaltsführung und Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten sowie eventueller Kinder erforderlich ist. Er ist nicht generell mit den Mindestselbstbehaltssätzen gleichzusetzen, vielmehr muss er – jedenfalls dann, wenn ein höherer Eigenbedarf als nach den Mindestbedarfsätzen geltend macht wird – nach den im Einzelfall maßgeblichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensstellung, des Einkommens, Vermögens und der sozialen Gepflogenheiten individuell bestimmt werden. Da der Unterhaltspflichtige insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, muss er im Einzelnen die Kosten der Lebensführung darlegen. Dazu gehören auch Angaben, ob und gegebenenfalls welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet werden, denn wie in anderen Unterhaltsrechtsverhältnissen gilt beim Elternunterhalt, dass der Verpflichtete kein Vermögen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bilden darf, soweit dies nicht zum Zweck der Altersvorsorge erfolgt. Nur wenn Einkommen nicht für den Familienunterhalt benötigt wird und letztlich der Vermögensbildung dient, kommt nach der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich dieser freien Mittel in Höhe des auf den Unterhaltspflichtigen entfallende Anteils, berechnet nach dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten zueinander, eine Leistungsfähigkeit in Betracht:93
89 BGH, FamRZ 2004, 370. 90 BGH, FamRZ 2004, 366, 368. 91 BGH, FamRZ 2004, 370, 372; 443, 445. Diese Rechtsprechung des BGH ist zugespitzt auch als verdeckte Schwiegersohnhaftung kritisiert worden ist, so Klinkhammer, FPR 2004, 555, 558; Brudermüller, NJW 2004, 663, 637; Born, FamRB 2004, 73; zustimmend Griesche, FPR 2004, 693, 703. 92 BGH, FamRZ 2004, 370, 373 (4bcc). 93 BGH, NJW-RR 2004, 721 = FamRZ 2004, 795 (798) m. Anm. Strohal m. Rechenbeispiel.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder Beispiel Das unterhaltspflichtige Kind K hat ein Einkommen von 1 000 Euro, sein Ehegatte in Höhe von 3 000 Euro. Beide leben im Eigenheim. K kann darlegen und beweisen, dass das über dem gemeinsamen Selbstbehalt von 2 450 Euro liegende Einkommen in Höhe von weiteren 1 050 Euro, das heißt in Höhe von insgesamt 3 500 Euro, für die gemeinsame Lebensführung benötigt wird und mtl. 500 Euro zur Vermögensbildung verwendet werden. Da die Altersvorsorge beider Ehegatten ausreichend gesichert ist, steht der von dem Sparbetrag in Höhe von 500 Euro auf den Unterhaltspflichtigen entfallende Anteil für den Elternunterhalt zur Verfügung. Dieser bemisst sich nach dem Verhältnis der Einkommen der Ehegatten zueinander und beträgt für K 125 Euro (1 000 Euro : 4 000 Euro × 100 = 33,33 % × 500 = 125 Euro), so dass 125 Euro Elternunterhalt zu zahlen sind. Dieser Betrag ist nicht noch um 50 % zu kürzen, wenn der angemessene Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen bereits im Rahmen des angemessenen Familienunterhalts gewahrt ist.94
275 Ist der verheiratete Unterhaltspflichtige erwerbstätig und wird sein Einkommen nach der Steuerklasse V besteuert, kann dies durch einen Abschlag korrigiert werden, damit die mit der Einstufung in Steuerklasse V verbundene Verschiebung der Steuerbelastung auf den unterhaltspflichtigen Ehegatten möglichst behoben wird. Diesen Abschlag kann das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung schätzen unter Berücksichtigung der Einkommen beider Ehegatten.95 Ist der verheiratete Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig, hat er Anspruch auf Taschengeld für die von ihm geleistete Familienarbeit gegenüber seinem erwerbstätigen Ehegatten (§§ 1356, 1360 BGB). Dieser ist zu Unterhaltszwecken heranzuziehen, wenn der Verpflichtete es nicht benötigt, um damit seinen angemessenen Eigenbedarf abzudecken.96 Nach der Rechtsprechung beträgt der Anspruch auf Taschengeld ca. 5 % bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens des Ehegatten,97 so dass sich die Frage der Leistungsfähigkeit des nicht erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Kindes nur bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen stellen wird. Das Taschengeld ist unterhaltspflichtiges Einkommen und mindestens in Höhe von 50 % für Unterhaltszwecke zur Verfügung zu stellen, wenn es nicht für den angemessenen Eigenbedarf benötigt wird.98 Beispiel Die pflegebedürftige Mutter M hat einen Bedarf von 600 Euro. Ihre unterhaltspflichtige Tochter T ist Hausfrau und hat keine eigenen Einkünfte. Das für den Familienunterhalt zur Verfügung stehende bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes der unterhaltspflichtigen Tochter beträgt 150 000 Euro. T hat Anspruch auf 875 Euro Taschengeld mtl. (7 % von 150 000 Euro = 10 500 Euro p.a. = 875 Euro mtl.) und ist leistungsfähig i.H.v. 438 Euro (875/2 =). Ihr angemessener Eigenbedarf ist von dem Taschengeld nicht abzuziehen, da er bei so auskömmlichen Verhältnissen bereits durch den vom Ehegatten geleisteten Familienunterhalt gedeckt ist.
275a Der BGH hat mit der Einbeziehung des Familienunterhalts in den angemessenen Eigenbedarf des Verpflichteten konsequent seine bereits für andere Unterhaltsrechtsverhältnisse entwickelte Rechtsprechung beim Elternunterhalt fort94 BGH, FamRZ 2004, 443, Tz. 22. 95 BGH, FamRZ 2004, 443, Tz. 13; 1980, 984, 985. 96 BGH, NJW 2004, 674 = FamRZ 2004, 366, 369; OLG Stuttgart, NJW 2001, 2215 = OLGR 2000, 245; Büttner/Niepmann, NJW 2001, 2218. 97 BGH, NJW 1998, 1553 = FamRZ 1998, 608, 609. 98 BGH, FamRZ 2004, 366, 369 f.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
geführt. So ist eine Haftung der Eltern beim Volljährigenunterhalt99 bei einer vergleichbaren Interessenlage ebenfalls nicht ausgeschlossen. Denn der Elternteil, der wegen der Betreuung vorrangig unterhaltsberechtigter minderjähriger Kinder nur teilweise erwerbstätig ist, hat gleichwohl die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel zum Unterhalt einzusetzen, wenn und soweit er sie zur Bestreitung seines angemessenen Lebensbedarfs nicht benötigt, weil dieser durch seinen erwerbstätigen Ehegatten abgedeckt wird.100 e) Einsatz von Vermögen Der Unterhaltspflichtige muss sein Vermögen zur Erfüllung seiner Unterhalts- 276 pflicht einsetzen (§ 1603 Abs. 1 BGB).101 Soweit Vermögen vorhanden ist, muss das unterhaltspflichtige Kind nicht nur die Erträge z.B. in Form von Zinsen für den Unterhalt der Eltern verwenden, sondern auch den Vermögensstamm verwerten. Der Vermögensstamm ist jedoch nicht zu verwerten, wenn dies mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre.102 Die Veräußerung oder Vermietung der Immobilie kann dann nicht verlangt werden, wenn der Schuldner selbst und ggf. seine Familienangehörigen darin wohnen. Denn die Veräußerung oder Vermietung eines Familienheims würde die bisherige, häufig bereits langjährig gestaltete Lebensführung grundlegend und damit in unterhaltsrechtlich unzumutbarer Weise beeinträchtigen.103 Hingegen kann die Verwertung eines Miteigentumsanteils an einem Ferienhaus durchaus zumutbar sein.104 Eine von den Eltern geschenkte Immobilie ist zu beleihen, wenn an sich die Voraussetzungen der Rückgewähr der Schenkung nach § 528 BGB wegen einer Notlage der unterhaltsbedürftigen Eltern gegeben sind,105 das Kind muss dann aber auch in der Lage sein, Zins- und Tilgungsleistungen für den zur Abgeltung der Ansprüche aufzunehmenden Kredit aufzubringen.106 Die Beleihung oder Veräußerung eines Grundstücks kommt i.d.R. in Betracht, wenn das Grundstück nicht selbst genutzt, sondern fremdvermietet wird. Sie scheidet aus, wenn sie unzumutbar ist, z.B. wegen Unwirtschaftlichkeit oder weil ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Unzumutbar ist die Beleihung, wenn keine laufenden Einkünfte da sind, aus denen der Kredit bezahlt werden kann. Die Veräußerung wird man nicht erwarten können, wenn das Grundstück gute Erträge abwirft und wenigstens teilweise der Lebensbedarf daraus bestritten wird, für die Alterssicherung benötigt wird oder nach der Marktlage mit nicht unbeträchtlichen Verlusten zu rechnen wäre. Ein unterhaltspflichtiges Kind, das Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses ist, ist z.B. nicht verpflichtet, sich durch Aufnahme eines zinslosen, grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens vom Sozialhilfeträger zur Zahlung von Elternunterhalt leistungsfähig zu machen.107 99 BGH, FamRZ 1987, 472 ff., s. Rn. 177. 100 Dies gilt auch bei Unterhaltspflichten gegenüber Minderjährigen, wenn der Unterhalt des Verpflichteten in neuer Ehe gesichert ist: FamRZ 2002, 742 ff. 101 RG, JW 1907, 674; BGH, FamRZ 1980, 43; 2006, 1511. 102 BGH, FamRZ 1986, 48, 50; OLG München, FamRZ 2000, 307. 103 BGH, FamRZ 2003, 1178, 1181; 2004, 1184. 104 BGH, FamRZ 1986, 48, 50. 105 OLG München, FamRZ 2000, 1177. 106 BGH, FamRZ 2001, 21, 23. 107 BVerfG, FamRZ 2005, 1051 ff. mit Anm. von Klinkhammer, S. 1055–1057. Die Verfassungsbeschwerde hatte eine unterhaltspflichtige Tochter eingelegt, die aus laufendem
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
276a Umstritten ist, ob ein rechtliches Hindernis für die Veräußerung dann besteht, wenn das Grundstück das Vermögen des Verpflichteten ausmacht und der Ehegatte der Veräußerung nicht zustimmt (§ 1365 BGB).108 Da Eltern einen eigenen, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, kommt es auf die Zustimmung des Ehegatten zur Zwangsvollstreckung für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht an, denn der Miteigentumsanteil unterliegt der Zwangsvollstreckung der Gläubiger des Kindes unabhängig von der Zustimmung des Ehegatten zur Zwangsversteigerung.109 Die Darlegungsund Beweislast für die fehlende Zumutbarkeit oder das rechtliche Hindernis obliegt dem Unterhaltsverpflichteten. 276b Auch Barvermögen ist einzusetzen, wenn es weder für die angemessene Lebensführung noch für die (ergänzende) Alterssicherung benötigt wird. So hat der BGH im Urteil v. 23.10.2002 entschieden, dass einem unterhaltspflichtigen Kind, das über laufende Einkünfte aus Altersversorgung von ca. 4 000 DM, ein Barvermögen von 300 000 DM und eine zeitweise vermietete Eigentumswohnung verfügte, ohne Weiteres zumutbar sei für Elternunterhalt einmalig 22 400 DM zu zahlen.110 Nicht zu verwerten ist das Vermögen, soweit die Erträge daraus benötigt werden, um den angemessenen Eigenbedarf sicher zu stellen, weil die laufenden Einkünfte dazu nicht ausreichen.111 Das OLG Köln112 hat einem unterhaltspflichtigen Rentner, der ein Eigenheim mit seiner Frau bewohnte, ein vorhandenes Sparguthaben von 58 524 DM als Schonvermögen belassen, das dieser benötigte, um seinen zukünftigen Lebensbedarf zu sichern. In der Rechtsprechung besteht eine deutlich erkennbare Tendenz, den Unterhaltspflichtigen ein Schonvermögen zuzugestehen, das mit Rücksicht auf die geringere Einstandspflicht gegenüber den Eltern sehr viel höher angesetzt wird als etwa bei einer Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Ehegatten oder der nichtehelichen Mutter.113 In der Literatur ist vorgeschlagen worden, Unterhaltspflichtigen, die nur über Sparvermögen verfügen, aus Gleichbehandlungsgrundsätzen zu anderen Vermögensanlagen der Einkommens- und Alterssicherung,114 einen Betrag von ca. 75 000 Euro als Schonvermögen einzuräumen, was auch einer Praxis der Sozialämter in einigen Bundesländern entspricht.115 Der BGH116 hat eine Entscheidung des OLG München gebilligt, nach der dem Unterhaltsschuldner ein Schonver-
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Einkommen nicht leistungsfähig war, und vom LG Duisburg verurteilt worden war, wegen der Verwertbarkeit ihres Miteigentumsanteils an einem Mietshaus mit einem Verkehrswert von 660 000 DM, in entsprechender Anwendung von § 89 BSHG, ein vom Sozialhilfeträger (der für den Elternunterhalt in Vorleistung getreten ist) angebotenes zinsloses und erst nach ihrem Tod rückzahlbares Darlehen anzunehmen und den Grundstücksanteil durch Bewilligung und Eintragung einer Grundschuld in Höhe des Darlehens von 123 000 DM zu belasten. Befürwortend OLG Köln, FamRZ 2001, 437 f. = NJW-RR 2000, 810, 811; Günther, NDV 2003, 85, 88; a.A. Büttner, NJW 1999, 2315, 2318 unter Hinweis auf KG, FamRZ 1992, 846 m.w.N. Büttner, NJW 1999, 2315, 2318; KG, FamRZ 1992, 846. BGH, FamRZ 2002, 1698. BGH, FamRZ 1989, 170, 171. OLG Köln, NJW-RR 2003, 1, 2. OLG Köln, NJW-RR 2003, 1, 2 und FamRZ 2003, 471, 472; BGH, FamRZ 2002, 1698 ff. BVerfG, NJW 1999, 2357 f. So Günther, NDV, 2003, 85, 90 mit Nachweisen zu den Sozialhilferichtlinien in den Ländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen. BGH, FamRZ 2006, 1511, 1516 mit Anm. von Klinkhammer, S. 1516–1517.
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III. Wie der Unterhalt berechnet wird
mögen von 91 700 Euro als ergänzende Alterssicherung belassen wurde. Da diese bei ca. 5 % des gesamten Bruttoeinkommens liegt (Rn. 271), ist für die Berechnung der Höhe des Schonvermögens eine Sparrate von 5 % des jährlichen Bruttoeinkommens des Verpflichteten für die Dauer von 35 Berufsjahren mit einer Rendite von 4 % zugrunde gelegt worden. Nach diesem Modus lässt sich der Schonbetrag auch für andere Fälle individuell berechnen. Für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit ist auf das Vermögen abzustellen, das 276c der Verpflichtete während des Zeitraums innehatte, für den Unterhalt geltend gemacht wird. Wird Vermögen später mutwillig verringert, um der Unterhaltspflicht zu entgehen, wird es ihm fiktiv als noch vorhanden zugerechnet (§ 242 BGB).117 Erlangt der Verpflichtete erst später verwertbares Vermögen, begründet dies nicht nachträglich die Leistungsfähigkeit. Das ist auch dann nicht der Fall, wenn der Verpflichtete während des Unterhaltszeitraums nicht leistungsfähig war, weil er die ihm gehörende Eigentumswohnung selbst bewohnt hat, später aber wegen Vermietung oder Veräußerung der Wohnung leistungsfähig wird.118 Die Verwertung des Vermögens ist immer dann nicht zumutbar, wenn es Teil einer angemessenen Alterssicherung ist oder sein soll, wenn z.B. Zinsen aus Sparvermögen für den allgemeinen Lebensbedarf im Rentenalter vorgesehen sind oder Einkünfte aus einer vermieteten Eigentumswohnung für den Unterhalt benötigt werden. Der Verpflichtete trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, wie hoch der angemessene Bedarf bei Eintritt der Rente sein wird, in welcher Höhe Renteneinkünfte zur Verfügung stehen werden und inwieweit eine ergänzende Versorgung benötigt und angemessen ist. f) Berechnung der Haftungsanteile mehrerer Geschwister Hat der Unterhaltsberechtigte mehrere Kinder, haften diese gemäß § 1606 Abs. 3 277 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit. Es besteht mithin keine Gesamtschuldnerschaft der Kinder für den Bedarf; sie haften vielmehr als Teilschuldner jeweils nur für den auf sie entfallenden Anteil. Der Unterhaltsberechtigte muss sich deshalb zur Berechnung seiner Ansprüche zunächst Klarheit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Kinder verschaffen, deren Nettoeinkommen ermitteln, um Verbindlichkeiten bereinigen und davon den nach den Leitlinien maßgeblichen Selbstbehalt abziehen. Die verbleibenden Einkommen der Geschwister sind dann zur Deckung des Bedarfs entsprechend ihrem Verhältnis zueinander nach folgender Formel aufzuteilen: Einsatzbetrag des Kindes % Bedarf des Elternteils Summe der Einsatzbetrage ¨ aller Kinder Beispiel M lebt seit Januar 2009 im Pflegeheim. Die mtl. Heimkosten betragen zuzüglich Krankenkassenbeiträge 2 500 Euro. M verfügt über eigenes Einkommen i.H.v. mtl. 500 Euro aufgrund von Unterhaltszahlungen des geschiedenen Mannes. Die Pflegeversicherung zahlt 1 500 Euro, so dass ein ungedeckter Bedarf von 500 Euro besteht. M verlangt mit Schreiben 117 Günther, NDV 2003, 85, 88 mit einer sehr detaillierten Übersicht zur Rechtsprechung zur Vermögensverwertung. 118 OLG Köln, FamRZ 2001, 1475 f.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder vom 15.7.2009 von allen Kindern (3 Töchtern) Auskunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse und stellt fest, dass T 1 nur über mtl. Einkünfte von 1 200 Euro verfügt, während T 2 ein Einkommen von 1 500 Euro und T 3 von 2 000 Euro hat. M macht Unterhalt für die Zeit ab 1.7.2009 geltend und kann von T 2 mtl. 71 Euro und von T 3 mtl. 429 Euro aufgrund folgender Berechnung verlangen: Der Bedarf beträgt 500 Euro. Nach Abzug des Selbstbehalts von je 1 400 Euro stehen 700 Euro für den Unterhalt zur Verfügung. Davon entfallen auf T 2 100 Euro (1 500 Euro – 1 400 Euro Selbstbehalt) und auf T 3 600 Euro (2 000 Euro – 1 400 Euro Selbstbehalt). T 1 ist nicht leistungsfähig. Für den benötigten Betrag von 500 Euro haften die Schwestern entsprechend dem Verhältnis der Einkommen zueinander. T 2 haftet mit 71 Euro und T 3 mit 429 Euro. Das ergibt sich aus folgender Berechnung: T 2: 100 Euro Einsatzbetrag × 500 Euro Bedarf : 700 Euro Summe der Einsatzbeträge der Schwestern = 71 Euro. T 3: 600 Euro Einsatzbetrag × 500 Euro Bedarf : 700 Euro Summe der Einsatzbeträge der Schwestern = 429 Euro.
278 Auch die Geschwister, die einander nach dem Gesetz nicht unterhaltspflichtig sind, können voneinander Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen, soweit dies zur Feststellung ihrer Haftungsanteile für den Unterhalt der Eltern erforderlich ist. Anspruchsgrundlage ist § 242 BGB;119 denn zwischen den Geschwistern besteht eine Rechtsbeziehung besonderer Art dadurch, dass sie als Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind (s. Rn. 562). Der Anspruch auf Auskunft gegenüber den Geschwistern erstreckt sich auch auf die Einkünfte von deren Ehegatten, soweit dies zur Berechnung der Haftungsanteile der Geschwister von Bedeutung ist. Es besteht jedoch kein eigener Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gegenüber den Ehegatten der Geschwister selbst.120 279 " Praxishinweis: Der Unterhaltsberechtigte muss im Unterhaltsverfahren den Haftungsanteil seines unterhaltspflichtigen Kindes darlegen und beweisen, was voraussetzt, dass er auch die Einkommensverhältnisse der anderen Kinder und deren Haftungsanteile darlegt und unter Beweis stellt. Der Berechtigte muss deshalb schon vor Verfahrenseinleitung Auskunft von allen Kindern verlangen, um sich einen Überblick zu verschaffen und die in Betracht kommenden Anteile berechnen zu können. Ihm steht zu diesem Zweck ein Auskunftsanspruch gegenüber allen Kindern zu (§ 1605 Abs. 1 BGB). Die Anforderungen an die Darlegungslast zur Begründung des Haftungsanteils der einzelnen Kinder sind nicht zu unterschätzen; denn es muss z.B. bei selbständig erwerbstätigen Kindern das Einkommen der letzten 3 Jahre nach unterhaltsrechtlichen Kriterien aufgeschlüsselt und belegt werden. Will das in Anspruch genommene Kind das Einkommen eines Geschwisterkindes, das z.B. selbständig erwerbstätig ist, bestreiten, muss es konkret die einzelnen Positionen einer Gewinn- und Verlustrechnung, die bestritten werden sollen, benennen und begründen.121 Um sich im Unterhaltsstreitverfahren besser verteidigen zu können, haben alle Kinder untereinander einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die jeweiligen Einkommensverhältnisse des anderen. 119 BGH, FamRZ 2003, 1836.1838; OLG München, FamRZ 2002, 50. 120 BGH, FamRZ 2003, 1836–1838; zum Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zwischen Eltern eines volljährigen Kindes BGH, FamRZ 1988, 268, 269. 121 BGH, FamRZ 1987, 259 f.; Wendl/Dose, § 6 Rn. 723 zu den Anforderungen des Bestreitens von Einkünften Selbständiger.
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger Die Prozesse, in denen Elternunterhalt verlangt wird, werden meist von den So- 280 zialhilfeträgern geführt, die für die hohen Pflegekosten in Vorleistung getreten sind und dann Rückgriff auf die unterhaltspflichtigen Kinder nehmen, soweit diese leistungsfähig sind. Wurde dem unterhaltsbedürftigen Elternteil Sozialhilfe für die Zeit bis 31.12.2004 gewährt, richtet sich der Forderungsübergang nach § 91 BSHG. Für Leistungen, die ab 1.1.2005 erbracht werden, ist § 94 SGB XII maßgeblich, denn mit Wirkung ab 1.1.2005 ist das Sozialrecht neu geordnet worden. 1. Der Forderungsübergang nach §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (seit 1.1.2005) Erbringt der öffentliche Leistungsträger Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII 281 und haben die Leistungsempfänger – hier also die Eltern – während des Leistungszeitraums einen Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht gegenüber ihren Ehegatten oder Kindern, dann gehen die Unterhaltsansprüche entweder kraft Gesetzes gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII oder durch Überleitungsanzeige nach § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Leistungsträger in Höhe der erbrachten Leistung über. Er kann dann selbst im eigenen Namen den Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen geltend machen und auch verfahrensrechtlich durchsetzen. Obwohl der Anspruch in Höhe der gewährten Sozialhilfeleistung zusammen mit dem Auskunftsanspruch gegenüber dem Verpflichteten auf den Leistungsträger übergeht, behalten auch die Eltern ihren Auskunftsanspruch, um über die Sozialhilfe hinausgehende Unterhaltsansprüche überprüfen und ggf. selbst geltend machen zu können.122 Daneben steht dem Sozialhilfeträger ein eigener öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII zu. Bei folgenden gewährten Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII kann ein Forderungsübergang in Betracht kommen: – Hilfen zum Lebensunterhalt (§§ 27–40, 3. Kapitel) – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41–46, 4. Kap.) – Hilfen zur Gesundheit (§§ 47–52, 5. Kapitel) – Eingliederungshilfen für behinderte Menschen (§§ 53–60, 6. Kapitel) – Hilfen zur Pflege (§§ 61–66, 7. Kapitel) – Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67–69, 8. Kapitel) und – Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70–74, 9. Kapitel) In folgenden Fällen ist nach § 94 SGB XII ein Anspruchsübergang kraft Gesetzes ausgeschlossen: – Der Unterhaltsschuldner zahlt den Unterhalt laufend an die leistungsberechtigte Person (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), – Es bestehen nur Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten zweiten Grades (Enkel, Großeltern, § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII),
122 KG, FamRZ 1997, 105 = KGR Berlin 1998, 332–333 (mit Gründen).
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
– Der Unterhaltspflichtige ersten Grades ist schwanger oder betreut ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (§ 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII). – Die Eltern beziehen bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung und die unterhaltspflichtigen Kinder verdienen jährlich weniger als 100 000 Euro (§ 43 Abs. 2 SGB XII). Liegt das Einkommen darüber, muss der Sozialhilfeträger den Anspruch auf sich überleiten. Vgl. dazu Rn. 256. – Der Unterhaltsschuldner ist selbst sozialhilfebedürftig nach den §§ 27 ff. SGB XII oder würde dies bei Erfüllung des Anspruchs werden (§ 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII). – In Höhe von 44 % der Unterkunftskosten, soweit kein Wohngeld bezogen wird (§ 94 Abs. 2 i.V.m. 105 Abs. 2 SGB XII). – Der Anspruchsübergang würde eine unbillige Härte für den Schuldner bedeuten (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Die Einstandspflicht für den Unterhalt des Bedürftigen ist im Sozialrecht und Unterhaltsrecht nicht einheitlich geregelt. Der Leistungsträger hat im Falle des Rückgriffs zwingend die sozialhilferechtlichen Leistungsgrenzen aber auch die unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit zu prüfen. Die sozialhilferechtliche Einstandspflicht für den Unterhalt ist im Sozialhilferecht strenger als im bürgerlichen Recht: Sie ist geregelt in den §§ 27–40 SGB XII. Danach ist der Verpflichtete erst dann nicht mehr zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, wenn sein Einkommen unter dem Regelbedarf der Sozialhilfe nach § 28 SGB XII liegt, zuzüglich ev. Leistungen für den Wohnbedarf nach § 29 SGB XII. Die Bemessung der Regelsätze richtet sich nach Landesrecht und wird durch Rechtsverordnung der Landesregierungen geregelt (§ 28 Abs. 2 SGB XII). Es kann davon ausgegangen werden, dass die maßgebliche Haftungsgrenze bei circa 705 Euro liegt, wobei das Gesetz noch Zuschläge für besondere Bedarfssituationen vorsieht. 282 Für die sozialhilferechtliche Einkommensermittlung123 des Verpflichteten sind die §§ 82–84 SGB XII i.V.m. der DVO zu § 90 SGB XII maßgebend. Vom Bruttoeinkommen sind die gesetzlichen Abzüge absetzbar (Steuern, Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, § 82 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB XII). Abziehbar sind berufsbedingte Aufwendungen (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 der DVO zu § 82 SGB XII), wie z.B. notwendige Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe eines Pauschbetrags von 5,20 Euro oder ein höherer Betrag bei konkretem Nachweis, aber auch Kosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entweder in Höhe der tariflich günstigsten Zeitkarte für öffentliche Verkehrsmittel oder Kosten für den PKW in Höhe einer mtl. Pauschale von 5,20 Euro pro Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (jedoch nicht mehr als 40 Kilometer), ferner Beiträge für Berufsverbände oder z.B. Kosten für eine doppelte Haushaltsführung. Schuldverbindlichkeiten werden nicht abgezogen, weil es nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist, Schulden des Hilfeempfängers zu tilgen.124
123 Ausführlich zum sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff und zur Einkommensbereinigung Heiß/Born/Hußmann, Kap. 16 Rn. 104 ff. 124 BVerwGE 55, 148 ff.
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
Ihre Berücksichtigungswürdigkeit wird jedoch bei der Angemessenheit der Inanspruchnahme gemäß § 87 Abs. 1 SGB XII geprüft.125 Selbst wenn der Verpflichtete nach sozialhilferechtlichen Maßstäben leistungs- 283 fähig sein sollte, folgt daraus noch nicht, dass der Verpflichtete erfolgsversprechend in Anspruch genommen werden kann. Denn geht der Sozialhilfeträger aus dem auf ihn übergegangenen bürgerlich-rechtlichen Anspruch gegen den Verpflichteten vor, richten sich die Anforderungen an die Einstandspflicht für den Unterhalt letztlich nach bürgerlichem Recht, die sehr viel weniger streng sind, weil z.B. schon die Eigenbedarfssätze für den Unterhaltspflichtigen deutlich höher sind als im Sozialhilferecht. Deshalb ist es im Unterhaltsverfahren zur Schlüssigkeit des Zahlungsantrags nicht mehr erforderlich, dass eine sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung vorgetragen wird. Maßgeblich abzustellen ist stattdessen für den Vortrag auf die Leistungsfähigkeit nach bürgerlichem Unterhaltsrecht, was jetzt auch der üblichen Handhabung der öffentlichen Leistungsträger entspricht. 2. Folgen des Anspruchsübergangs Der Unterhaltsanspruch geht nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung auf 284 den öffentlichen Leistungsträger über. Für den Schuldner ergibt sich unterhaltsrechtlich durch den Übergang keine Benachteiligung, denn aufgrund des unveränderten unterhaltsrechtlichen Charakters des Anspruchs stehen ihm alle unterhaltsrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Anspruch zu. D.h. bei Rückständen sind die Voraussetzungen nach § 1613 BGB zu beachten, außerdem muss der Übergang dem Schuldner nach § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII angezeigt worden sein und es gelten für ihn die i.d.R. günstigeren Haftungsmaßstäbe des Unterhaltsrechts. Es ergeben sich jedoch auch Besonderheiten in den Rechtsfolgen aufgrund der unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe im Unterhalts- und Sozialrecht: Ist der Verpflichtete nach sozialhilferechtlichen Kriterien leistungsunfähig, nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben aber leistungsfähig, z.B. aufgrund der Zurechnung eines fiktiven Einkommens, geht die Unterhaltsforderung nicht auf den Sozialhilfeträger über.126 Die Gewährung von Sozialhilfe hat aber gleichwohl nicht zur Folge, dass der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch wegen Wegfalls der Bedürftigkeit erlischt; denn wegen des Nachrangs der Sozialhilfe bleibt die zivilrechtliche Unterhaltspflicht zunächst unberührt von der Gewährung von Sozialhilfe (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Die gewährte Sozialhilfe gilt, selbst wenn ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattfindet, nicht als Erfüllung des Unterhaltsanspruchs, so dass der Unterhaltsberechtigte selbst nicht gehindert ist, den noch bestehenden Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verpflichteten geltend zu machen.127 Macht der Unterhaltsberechtigte selbst den Anspruch gegen den Verpflichteten geltend, kann die Durchsetzung ausnahmsweise scheitern, wenn eine Anrechnung der Zuwendung aus öffentlichen Mitteln auf den Bedarf des Berechtigten im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) geboten ist. Dies kann z.B. in Mangelfällen in Betracht kommen, wenn anderenfalls 125 Heiß/Born/Hußmann, Kap. 16 Rn. 121. 126 BGH, FamRZ 1999, 843 ff. 127 BGH, FamRZ 1999, 843 ff.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
der Schuldner mit so hohen Unterhaltsschulden aus der Vergangenheit belastet wäre, dass es ihm voraussichtlich auf Dauer unmöglich wäre, den laufenden Unterhalt zu bezahlen.128
" Praxishinweis: Hat der Sozialhilfeempfänger mehrere Kinder, die Unterhalt
schulden, gehört zur schlüssigen Begründung des Zahlungsantrags eines Sozialhilfeträgers die Darlegung, in welcher Höhe er für welche Zeiträume Zahlungen erbracht hat, wie hoch der Bedarf des anspruchstellenden Elternteils ist, wie hoch dessen eigene Einkünfte sind, in welcher Höhe er für welche Zeiträume Sozialhilfeleistungen erhalten hat und wie die Einkommensverhältnisse der Kinder sind. Die Einkommensverhältnisse sind unter Vorlage von Belegen vorzutragen. Die Höhe des beantragten Unterhalts muss wegen der anteiligen Haftung der Kinder nachvollziehbar vorgetragen sein und konkrete, überprüfbare Angaben zur Leistungsfähigkeit aller Kinder enthalten. Die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der anteiligen Haftung der Antragsgegner liegt beim Antragsteller. Ihm steht gegenüber allen Unterhaltspflichtigen ein Auskunftsanspruch zu.
285 Übergegangener Unterhalt kann auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass der Schuldner bereits zu dem Zeitpunkt, von dem an Unterhalt verlangt wird, zur Auskunftserteilung über sein Einkommen und Vermögen zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, er sich mit der Zahlung des Unterhalts im Verzug befunden hat oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig gewesen ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Ferner muss der Sozialhilfeträger ihm schriftlich die Gewährung der Hilfe mitgeteilt haben (§ 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Die rückwirkende Geltendmachung muss zeitnah erfolgen; denn ansonsten droht wegen des Schuldnerschutzes Verwirkung (§ 242 BGB). Verwirkung kann schon in Betracht kommen, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen.129 S. dazu Rn. 292. 286 Der Sozialhilfeträger kann nicht nur bereits fälligen Unterhalt aus übergegangenem Recht verlangen. Möglich ist auch der Antrag auf Zahlung zukünftiger Leistungen, wenn die Hilfe voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss (§ 94 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Gemäß § 94 Abs. 5 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit dem Sozialhilfeempfänger auf diesen zurückübertragen, wovon allerdings beim Elternunterhalt im Hinblick auf das Alter der Unterhaltsbedürftigen kaum Gebrauch gemacht wird. Kosten, mit denen der Hilfeempfänger dadurch belastet wird, sind vom Sozialhilfeträger zu übernehmen. 3. Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs wegen unbilliger Härte nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII 287 Der gesetzliche Forderungsübergang kann ausgeschlossen sein oder nur eingeschränkt geltend gemacht werden, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde (§ 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Dies wäre der Fall, wenn objektiv mit der Inanspruchnahme des Verpflichteten soziale Belange 128 BGH, FamRZ 2000, 1358, 1359. 129 BGH, FamRZ 2002, 1698, 1699; Griesche, FPR 2005, 340, 343; Hußmann, FPR 2003, 153, 154.
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IV. Probleme beim gesetzlichen Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger
vernachlässigt werden müssten, was nach den jeweiligen Anschauungen der Gesellschaft zu beurteilen ist.130 Da die Anschauungen in der Gesellschaft wandelbar sind, unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte ebenfalls Veränderungen. Immer zu beachten sind bei der Auslegung die Zielsetzung der öffentlichen Hilfe und die Grundsätze des Sozialhilferechts. Kriterien für die unbillige Härte sind u.a.: Dauer und Höhe der bisherigen Unterhaltsbelastung; Betreuung und Pflege des Hilfeempfängers durch den Unterhaltsverpflichteten vor der Gewährung der Sozialhilfe über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltspflicht hinaus;131 Ausmaß der Pflegebedürftigkeit, teilstationäre Unterbringung; Höhe des Einkommens des Verpflichteten; Alter des Unterhaltsberechtigten; Rentenbezug des Unterhaltspflichtigen und Höhe des Heranziehungsbetrags im Verhältnis zu einer zu befürchtenden nachhaltigen Störung des Familienfriedens.132 Beispiele – S soll für seine im Seniorenheim lebende Mutter M, die nach ihrer Aufnahme im Heim in die Pflegestufe I eingestuft wurde, Unterhalt an das Sozialamt zahlen. S meint, nicht zahlen zu müssen, da er über Gebühr belastet werde, denn er habe M, schon bevor sie in das Pflegeheim gekommen sei, 6 Jahre lang in seinem Haushalt betreut. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit habe ihn und seine Frau psychisch stark belastet und die Ehe gefährdet. Hier kommt aus Billigkeitsgründen eine Beschränkung des Anspruchs um ein Drittel in Betracht, da S schon vor 6 Jahren die Mutter in seinen Haushalt aufgenommen hat und diese aufgrund einer beginnenden Altersdemenz der besonderen Betreuung bedurfte. – Das Sozialamt macht von T Unterhalt für den im Pflegeheim lebenden Vater aus übergegangenem Recht geltend. Die Tochter lebte nie mit dem Vater zusammen, da dieser infolge der Kriegserlebnisse nach Rückkehr aus dem 2. Weltkrieg ununterbrochen in psychiatrischen Kliniken leben musste. Hier hat der BGH einen Anspruch versagt aus Härtegründen i.S.v. § 91 Abs. 2 BSHG (nicht wegen Verwirkung gemäß § 1611 BGB), weil soziale Belange deswegen vernachlässigt seien, weil die Tochter als Kriegsfolge in ihrer Kindheit die emotionale und wirtschaftliche Fürsorge ihres Vaters habe entbehren müssen.133 § 91 Abs. 2 BSHG entspricht dem heute maßgeblichen § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII.
Der Sozialträger hat die Einschränkung des Übergangs von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis erlangt (§ 94 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Kommt es zum Unterhaltsstreitverfahren, liegt die Entscheidung darüber, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer unbilligen Härte und damit eines Ausschlusses gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII vorliegen, beim Familiengericht.134 Eine Bindung an die Einschätzung des Sozialhilfeträgers besteht nicht, wenn 130 BGH, FamRZ 2004, 1097 ff.; BVerwGE 58, 209, 211; Griesche, FPR 2005, 340, 342; Hußmann, Elternunterhalt, S. 70 ff. 131 OLG Oldenburg, NJW 2010, 1293. 132 OLG Köln, FamRZ 1997, 53; Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe, FamRZ 2000, 788 ff. Nr. 12 ff.; Schellhorn, FuR 1993, 261, 266; OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1237 ff. zur Bewertung der Unterhaltsbelastung im Verhältnis Eltern zu behinderten Kindern; OLG Frankfurt, FamRB 2002, 137, 138 zur Bewertung von Störungen bei zwischenmenschlichen Belangen. Das OLG Hamm, Urteil v. 6.8.2008 – 2 UF 241/08, FamRZ 2010, 303 will familiäre Belange im Rahmen von § 94 III SGB XII nur berücksichtigen, wenn auch soziale Belange berührt sind, da den familiären Belange bereits durch § 1611 BGB Rechnung getragen sei m.w.N. 133 BGH, FamRZ 2004, 1097, 1098 mit Anmerkung von Klinkhammer, FamRZ 2004, 1283; vgl. auch BGH, FamRZ 2003, 1468. 134 BGH, FamRZ 2003, 1468, 1470; OLG Frankfurt, OLGR 2002, 25, 27.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
der Forderungsübergang nicht durch Verwaltungsakt, sondern kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergeht.
V. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB 288 Häufig wird vom Schuldner der Einwand der groben Unbilligkeit der Inanspruchnahme auf Unterhalt geltend gemacht (§ 1611 Abs. 1 BGB), der zu einer Minderung oder einem Wegfall der Unterhaltspflicht führen kann. Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unterhalt beschränkt werden oder wegfallen, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein eigenes sittliches Verschulden bedürftig geworden ist (Alternative 1), er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Pflichtigen gröblich vernachlässigt (Alternative 2) oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen (Alternative 3) oder einen nahen Angehörigen des Pflichtigen (Alternative 4) schuldig gemacht hat. Hier werden in der Praxis oft Gründe vorgetragen, die schicksalhaft das frühere Familienleben bestimmt oder sogar zerstört haben, wie z.B. Alkoholmissbrauch, sexueller Missbrauch, Misshandlung (Gründe der Alt. 3), gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflicht und Betreuung (Gründe der Alt. 2). Da Eltern ihren Kindern entweder Bar- oder Naturalunterhalt schulden, kann auch eine Vernachlässigung bei der Betreuung grundsätzlich geeignet sein, die Rechtswirkungen des § 1611 BGB auszulösen.135 Zwar können sich Eltern der Hilfe Dritter bei der Betreuung ihrer Kinder bedienen, sie verletzen aber ihre Unterhaltspflicht, wenn sie die Verantwortung völlig delegieren und dies einhergeht mit einer groben Vernachlässigung der persönlichen Kontaktpflege.136 Der Unterhaltsschuldner ist darlegungs- und beweispflichtig für die Gründe, die zum Wegfall oder zur Beschränkung des Anspruchs geführt haben. Die Anforderungen an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Verwirkung sind streng, denn es handelt sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift.137 Beispiele – T soll für M, die im Pflegeheim lebt, Unterhalt zahlen. Sie wendet grobe Unbilligkeit ein, da die Ehe der Eltern schlecht gewesen, M während ihrer Kindheit alkoholabhängig gewesen sei mit der Folge, dass sie sich um die anderen Geschwister habe kümmern müssen und nicht den Beruf habe lernen können, den sie sich erwünscht hatte. Keine Verwirkung ist anzunehmen bei schicksalhaften Verläufen der Familiengeschichte. M litt unter dem tyrannischen Ehemann und befand sich mehrfach in psychiatrischer Behandlung.138 – V verlangt von seiner Tochter T Unterhalt, obwohl er nach der Scheidung von der Mutter von T keinen Kontakt mehr zu T gesucht hat und selbst früher trotz Leistungsfähigkeit über längere Zeit keinen Unterhalt für T gezahlt hat. Der Anspruch ist verwirkt.139 – T verteidigt sich gegen den Unterhaltsanspruch ihrer Mutter, dass sie seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt hätten, weil ihre Mutter sie in der Vergangenheit mehrfach schwer beleidigt habe. Das OLG Karlsruhe hat eine Kürzung des Anspruchs abgelehnt, weil der 135 136 137 138
BGH, FamRZ 2004, 1559, 1560, mit Anm. Born, S. 1561. Kritisch dazu Griesche, FPR 2005, 335, 339. OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 971. Zum fehlenden Verschulden bei einer Erkrankung des Elternteils an einer schizophrenen Psychose vgl. OLG Hamm – 2 UF 241/08. Eine auf Kriegserlebnisse zurückzuführende psychische Erkrankung mit der Folge einer völligen Entfremdung zum unterhaltspflichtigen Kind kann jedoch einen Ausschluss nach § 94 Abs. 3 SGB XII begründen, BGH, FamRZ 2004, 1097, 109, s. Rn. 287. 139 OLG Koblenz, OLGR 2000, 254 ff.
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VII. Unterhalt für die Vergangenheit fehlende Kontakt und die Kränkungen zwar menschlich bedauerlich seien, sich aber nicht auf völlig ungewöhnlichem Niveau bewegten.140 – M lebt im Pflegeheim und verlangt Unterhalt von der Tochter T, die als berufstätige Krankenschwester leistungsfähig wäre. In der Vergangenheit hatte M die Tochter im Alter von eineinhalb Jahren zur Großmutter in Pflege gegeben, erbrachte zu keinem Zeitpunkt Unterhalt für das Kind, gebar aus einer weiteren Beziehung noch drei Kinder und wanderte mit diesen für mehrere Jahre in die USA aus. Sie hielt auch in dieser Zeit kaum Kontakt zu T. Hier entfällt der Unterhaltsanspruch nach Auffassung des BGH völlig,141 weil M sowohl gröblich gegen ihre Unterhaltspflicht gegenüber T verstoßen hat (§ 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) als auch ihre elterliche Pflichten durch mangelnde Pflege des Kontaktes zu T so erheblich verletzt hat, dass es sich als schwere Verfehlung i.S.v. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB darstellt. – Das Amtsgericht Frankfurt hat den Elternunterhalt teilweise gem. § 1611 Abs. 1 BGB gekürzt, weil der Unterhaltsberechtigte während seiner Erwerbstätigkeit als Selbständiger überdurchschnittlich gut verdient und keine ausreichende Altersvorsorge getroffen hat.142
VI. Rangverhältnisse Da die Kinder nur ersatzweise nach dem Ehegatten haften – auch nach dem ge- 289 schiedenen Ehegatten –, muss zunächst dieser in Anspruch genommen werden. Nur wenn der Ehegatte nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist, greift die Ersatzhaftung der Kinder (§§ 1608 Satz 2, 1584 Satz 2 BGB). Werden Kinder auf Elternunterhalt in Anspruch genommen, stehen die Unterhaltsansprüche der Eltern an 6. Stelle der Rangfolge der Unterhaltsansprüche und sind nachrangig gegenüber den Ansprüchen der Abkömmlinge und Ehegatten der unterhaltspflichtigen Kinder sowie den Ansprüchen nichtehelicher Mütter (§ 1609 Nr. 6 BGB).
VII. Unterhalt für die Vergangenheit Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen 290 Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Rückwirkend kann Unterhalt für Sonderbedarf binnen eines Jahres nach Entstehung verlangt werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); außerdem für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BGB). Unterhalt kann auch rückwirkend verlangt werden, wenn er aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (unbekannter Aufenthalt des Verpflichteten), nicht rechtzeitig gefordert werden konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BGB). Für rückständigen Unterhalt können Verzugszinsen verlangt werden, wenn sich 291 der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Wegen der Voraussetzungen und der Höhe wird auf Rn. 159 ff. verwiesen. 140 OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 971. 141 BGH, FamRZ 2004, 1559 f. mit Anm. Born, S. 1561. 142 AG Frankfurt, FPR 2002, 76.
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D. Unterhaltsansprüche von Eltern gegen ihre Kinder
VIII. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB 292 Das Recht, rückständigen Unterhalt geltend zu machen, kann verwirkt sein, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Der Geltendmachung von rückständigem Unterhalt kann schon vor Ablauf der Verjährung der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Der BGH stellt vor allem aus Gründen des Schuldnerschutzes keine strengen Anforderungen an die Tatbestandserfüllung der Verwirkung und hält sie schon für möglich nach mehr als einem Jahr der Untätigkeit143 (zu den Voraussetzungen der Verwirkung im Einzelnen vgl. Rn. 241). Allerdings hat der BGH später eine Entscheidung der Vorinstanz insoweit gebilligt, als diese die Verwirkung von Ansprüchen wegen Fehlens des Umstandsmoments abgelehnt hatte, obwohl die Ansprüche einen Zeitraum betrafen, in dem die Behörde schon über ein Jahr untätig war. Dabei wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass der Unterhaltspflichtige zwar in der Regel seine Lebensführung an die zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasse, so dass er bei einer Unterhaltsnachforderung, mit der er nicht mehr zu rechnen brauche, auf die Mittel zurückgreifen können müsse. Der Vertrauensschutz sei aber weniger stark, wenn sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus Mitteln ergebe, die nicht für den Familienunterhalt benötigt und der Vermögensbildung zugeführt würden.144 Betroffen von den strengen Anforderungen an das Zeitmoment sind hier vor allem die Sozialhilfeträger, die den übergeleiteten Anspruch häufig erst nach mehreren Jahren, nachdem sie den Verpflichteten um Auskunft über seine Einkommensverhältnisse ersucht haben, beziffern. Im Hinblick auf die erfahrungsgemäß zeitraubende Klärung der Einkommensverhältnisse der Verpflichteten und allgemein bekannten Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung dürften die Anforderungen, den Anspruch innerhalb einer Frist von einem Jahr zu beziffern, überspannt sein, zumal aufgrund der demographischen Entwicklung die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfeleistungen für Pflegekosten ständig ansteigt.145 Auch bereits titulierte Ansprüche unterliegen der Verwirkung nach den gleichen Grundsätzen.146
IX. Verjährung 293 Gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB gilt für Unterhaltsansprüche die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.). Für rechtskräftig zuerkannte Ansprüche auf Unterhalt bis zur Rechtskraft des Urteils, bzw. bis zum Abschluss des Vergleichs, der Errichtung der Urkunde gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), für die nach diesen Zeit143 BGH, FamRZ 2002, 1698 f.; 1988, 370. 144 BGH, FamRZ 2004, 795, 798. 145 Zu Recht kritisch gegenüber der kurzen Bemessung der Frist u.a. Hußmann, FPR 2003, 153; Hußmann, Elternunterhalt, S. 60 f.; Büttner, NJW 2003, 449; Griesche, FPR 2005, 340, 343 m.w.N. 146 BGH, FamRZ 2004, 531, 532.
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X. Prozesskostenvorschuss
punkten entstehenden Ansprüchen gilt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 BGB).
X. Prozesskostenvorschuss Es besteht kein Anspruch der Eltern auf Prozesskostenvorschuss gegen die Kin- 294 der. Ein solcher Anspruch ist weder im Gesetz unter Verwandten ausdrücklich geregelt, noch ergibt er sich für Eltern gegenüber ihren Kindern aus einer entsprechenden Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB. Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss in § 1360a Abs. 4 BGB nur explizit zwischen Ehegatten geregelt, was nach der Rechtsprechung des BGH147 im Umkehrschluss dafür spricht, dass der Vorschuss nicht selbstverständlicher Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ist. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verpflichteten ist ein Unterhaltsrechtsverhältnis, das durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt ist. Davon kann zwar im Verhältnis von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen und in der Ausbildung befindlichen volljährige Kindern148 ausgegangen werden, nicht aber, wenn Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind.149
147 BGH, FamRZ 1984, 148. 148 So die überwiegende Meinung in der obergerichtlichen Rspr.; vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rspr.-Nachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Scholz, § 6 Rn. 24a. 149 OLG München, FamRZ 1993, 821.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern I. Einleitung Wird ein Kind nichtehelich geboren, kommen zugunsten der Mutter folgende An- 295 sprüche gegen den Vater in Betracht: – Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB), – Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB), – Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB), – Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Anspruch der Mutter erlischt nicht beim Tod des Vaters, sondern geht als Verpflichtung auf dessen Erben über (§ 1615l Abs. 3 Satz 4, § 1967 BGB). Heiratet die nichteheliche Mutter, entfällt ihr Unterhaltsanspruch in entsprechender Anwendung von § 1586 Abs. 1 BGB.1 Stirbt die Mutter bedingt durch Schwangerschaft oder Entbindung und kann der Erbe nicht dafür aufkommen, hat der Vater die Beerdigungskosten für die Mutter zu tragen (§ 1615m BGB). Seit 1.7.1998, dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes, hat auch der Vater einen Unterhaltsanspruch gegen die Mutter, wenn er das Kind nach der Geburt betreut (§ 1615l Abs. 4 i.V.m. § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB). Seit 1.1.2008, dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes, sind die Verlängerungsmöglichkeiten des Anspruchs wegen Kindesbetreuung zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern und zwischen verheirateten Eltern weitgehend angeglichen worden (§ 1615l Abs. 2 Satz 3 bis 5 BGB und § 1570 Abs. 1 BGB). Im Zuge der Kindschaftsrechtsreform wurde die Zuständigkeit der Familiengerichte für die Ansprüche nach § 1615l BGB mit dem dreistufigen Instanzenzug Amtsgericht/Oberlandesgericht/BGH eingeführt (§ 23b Abs. 1 Nr. 13 GVG a.F., §§ 119 Abs. 1 Nr. 1a, 133 GVG. i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 11 ZPO a.F.). Sie gilt auch fort nach dem seit 1.9.2009 geltenden reformierten Verfahrensrecht des FamFG (§§ 23a Abs. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1a, 133 GVG i.V.m. § 111 Nr. 8 FamFG).
II. Unterhaltsanspruch der Mutter 1. Voraussetzung – die geklärte Vaterschaft Eine entscheidende Vorfrage für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen 296 zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern ist: Muss die Vaterschaft erst gerichtlich festgestellt werden? Reicht ein Anerkenntnis? Was ist, wenn die Mutter noch verheiratet ist? Solange die Eltern sich einig sind, gibt es keine Probleme. Welche Anforderungen sind aber zu stellen, wenn der Unterhalt erstritten werden muss? 1 BGH, FamRZ 2005, 347 ff.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
297 Ein Unterhaltsstreitverfahren gegen den Vater setzt voraus, dass die Vaterschaft rechtsverbindlich feststeht.2 Die Vaterschaft für das nichteheliche Kind steht fest, wenn der Vater die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2, § 1594 BGB) oder die Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 Nr. 3, § 1600d Abs. 1 und 4 BGB). Nicht ausreichend ist die Darlegung der vermuteten Vaterschaft, selbst wenn sie nicht bestritten wird.3 Ist die Vaterschaft noch nicht rechtsverbindlich geklärt, kann die Mutter gleichwohl Unterhalt nach § 1615l BGB geltend machen, allerdings gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten: Ist sie unverheiratet und besteht ein dringender Unterhaltsbedarf, kann sie durch einstweilige Anordnung gemäß § 247 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 1615l Abs. 1 BGB – schon vor der Geburt – Mutterschaftsunterhalt für die Zeit von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt geltend machen, wobei es in diesem Verfahren ausreicht, den vermuteten Vater anzugeben. Dazu genügen die Angaben, wann der Antragsgegner als vermuteter Vater mit der Mutter in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte (§ 247 Abs. 2 FamFG, § 1600d Abs. 2 BGB). Diese Anordnung setzt nicht die Anhängigkeit eines Vaterschaftsfeststellungverfahrens voraus (Rn. 936). Auch nach der Geburt besteht – nun allerdings im Rahmen des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens (sog. Statusklage) – für die Mutter die Möglichkeit, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 248 Abs. 1 FamFG i.V.m. 1600d Abs. 2 und 3 BGB für sich und das Kind Unterhalt gemäß §§ 1615l, 1601 ff. BGB zu erlangen, wozu ebenfalls ausreicht, die Vaterschaft des Verpflichteten glaubhaft zu machen (Rn. 935, 937 ff.).4 298 Die Mutter kann sich während des ungeklärten Zustands der Vaterschaft auch zunächst an ihre Verwandten halten und von ihnen Unterhalt verlangen, die dann aus übergegangenem Recht nach der Klärung der Vaterschaft gegen den Vater vorgehen können (§ 1607 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1615a, § 1615l Abs. 3 BGB). Wartet die Mutter hingegen die Klärung der Vaterschaft ab, kann sie ihren Unterhalt vom Vater rückwirkend verlangen (§ 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB). Ist die Mutter noch mit einem anderen Mann als dem Vater des Kindes verheiratet und gilt das Kind als ehelich (§ 1592 Nr. 1 BGB), können Ansprüche gemäß §§ 1615l ff. BGB gegen den Vater nicht gerichtlich geltend gemacht werden. Erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des biologischen Vaters kann die Mutter ihre Ansprüche gemäß § 1615l BGB einklagen. Dies gilt dann unabhängig davon, ob die Ehe noch besteht oder nicht. Hat der Ehemann vor der Rechtskraft des die Vaterschaft feststellenden Beschlusses Unterhalt für das Kind gezahlt, kann er ihn vom wahren Vater gemäß § 1607 Abs. 2, § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB zurückverlangen; denn die rechtskräftige Feststellung der Vaterschaft gestaltet rückwirkend die Rechtsverhältnisse bis zum Zeitpunkt der Geburt. Allerdings besteht insoweit gem. § 1600d Abs. 4 BGB eine Rechtsausübungssperre, denn die Rechtswirkungen der Vaterschaft können erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden. Diese Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB steht der Rückwirkung der Vaterschaftsfeststellung und Entstehung des Anspruchs der Mutter und des Übergangs auf Dritte nicht entgegen, nur kann der 2 So u.a. Wendl/Pauling, § 7 Rn. 3; Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581, 590,; a.A. Huber, FPR 2005, 189, 190. 3 Wendl/Pauling, § 7 Rn. 3; Bute/Poppenz/Menne, § 1615l BGB Rn. 7; a.A. Palandt/Diederichsen, § 1615l BGB Rn. 2; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 554. 4 Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Vaterschaft s. Zöller/Philippi, § 248 FamFG, Rn. 5.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Anspruch i.d.R. erst nach Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden.5 Nur in Ausnahmefällen kann diese Rechtsausübungssperre durchbrochen werden, z.B. wenn diejenigen, die berechtigt sind ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu beantragen, es ablehnen, ein solches durchzuführen.6 Beispiel F und M sind von 1989 bis 2004 miteinander verheiratet. In der Ehe werden 3 Kinder geboren. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren des M hat Erfolg. Die Mutter F und ihr Lebensgefährte, der vermutlich der Vater der Kinder ist, lehnen es ab, an der Klärung des Status der Kinder mitzuwirken. M klagt auf Erstattung des von ihm erbrachten Kindesunterhalts gegen den Lebensgefährten aus gem. § 1607 Abs. 3 BGB übergegangenem Recht. Der BGH hat hier die Klage nicht an der Rechtsausübungssperre scheitern lassen und ausnahmsweise die Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Rahmen eines Unterhaltsverfahrens für möglich gehalten, da M ansonsten rechtlos gestellt wäre im Hinblick auf die Weigerung von M und ihrem Lebensgefährten, den Status des Kindes zu klären. Durch die Weigerung von F konnten auch die Kinder kein Statusverfahren beantragen, denn seit 1.7.1998 ist die gesetzliche Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder abgeschafft (§§ 1706, 1709 BGB a.F.).
Ist der Anspruch nicht durchsetzbar, kann der Ehemann auch die Mutter auf Rückzahlung gemäß § 812 BGB in Anspruch nehmen. Schadensersatzansprüche gegen die Mutter kommen nur bei einem arglistigen Verhalten in Betracht (§ 826 BGB), das nicht schon durch den Ehebruch und dessen Verheimlichung gegeben ist.7 Anerkennt der wahre Vater spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechts- 299 kraft des Scheidungsurteils für ein nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags geborenes Kind mit Zustimmung des Ehemanns die Vaterschaft, wird die anerkannte Vaterschaft frühestens mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam, so dass die Mutter ab dem Zeitpunkt ihre Ansprüche gemäß § 1615l BGB – auch rückwirkend – geltend machen kann (§ 1599 Abs. 2 i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB). Gleiches gilt auch für die Erstattungsansprüche des Ehemanns oder von Verwandten. Hat die Mutter bei noch bestehender Ehe und rechtskräftig festgestellter Vaterschaft eines anderen Mannes sowohl Anspruch auf Unterhalt gegen den Ehemann wegen der Betreuung weiterer, ehelicher Kinder als auch gegen den Vater des nichtehelichen Kindes wegen der Betreuung des nichtehelichen Kindes, haften beide für den Unterhalt als Teilschuldner.8 Gleiches gilt nach Scheidung der Ehe (vgl. insoweit die Ausführungen unter Rn. 309). Steht die Vaterschaft aufgrund eines rechtswirksamen Anerkenntnisses oder Urteils fest, kann Unterhalt ebenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung im Unterhaltsverfahren des Kindes gemäß § 248 Abs. 2 FamFG und i.V.m. § 1615l BGB verlangt werden (Rn. 943 ff.).
" Praxishinweis: Sind sich die Eltern über die Zahlung von Betreuungsunter-
halt an die Mutter einig, empfiehlt es sich zur Vermeidung späterer Streitigkeiten den Unterhalt z.B. in einem notariell beurkundeten Vertrag oder einem notariellen Schuldanerkenntnis, aber auch – kostenlos – in einer vor
5 Palandt/Diederichsen, § 1600d BGB Rn. 18 ff.; OLG Celle, FamRZ 2007, 673 ff. 6 BGH, FamRZ 2008, 1424 ff. (Revisionsentscheidung zu OLG Celle, FamRZ 2007, 673 ff.) m. Anm. v. Wellenhofer; Anm. v. Zimmermann in FPR 2008, 327. 7 BGH, FamRZ 1990, 367 zum Schadensersatzanspruch wegen jahrelanger Unterhaltszahlungen für das als ehelich geltende Kind. 8 BGH, FamRZ 2008, 1739 ff.; mit. Anm. v. Maurer S. 1831. Vgl. dazu unter Rn. 324.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
dem Jugendamt errichteten Urkunde (§ 59 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII) titulieren zu lassen (Rn. 598 ff.). 2. Unterhaltstatbestände 300 Prüfungsschema für die Unterhaltsansprüche 1. Was wird verlangt? – Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB): Unterhalt für 14 Wochen (6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt), – Sonderbedarf: Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB), – Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB): Unterhalt für die Zeit ab 4 Monate vor der Geburt bis zu 3 Jahre nach der Geburt, – Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) 2. Für alle Ansprüche müssen folgende Punkte geklärt werden: – (voraussichtliches) Datum der Geburt des Kindes, – Ist die Vaterschaft anerkannt (§ 1592 Nr. 2, § 1594 BGB) oder festgestellt (§ 1592 Nr. 3, § 1600d BGB)? 3. Bedarf der Mutter – Auflistung des Sonderbedarfs bei Entbindungskosten, ansonsten gilt: Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach bisherigem eigenen Einkommen der Mutter. 4. Bedürftigkeit – Kann der Bedarf durch eigene Einkünfte gedeckt werden (Anrechnung eigener Einkünfte wie Arbeitslosengeld, Mutterschaftsgeld, Zinsen aus Sparguthaben; Wohnvorteil bei Wohnen im Eigenheim; Vermögen, BAföG etc.)? 5. Leistungsfähigkeit des Verpflichteten – Klärung und Bereinigung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens – Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes und des angemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten9 6. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt
Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen der einzelnen Unterhaltstatbestände bei der Mutter. a) Mutterschutzunterhalt (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) 301 Der Vater hat der Mutter für die Dauer von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren (§ 1615l Abs. 1 BGB). Die Mutter hat damit im Rahmen der Mutterschutzfristen10 einen eigenen Unterhaltsanspruch 9 Der angemessene Eigenbedarf beträgt zzt. 1 000 Euro (Stand 1.1.2010). Zum aktuellen Wert s. jeweils Nr. 21 der LL und Anm. D II der DT. 10 Die Mutterschutzfristen sind in §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG geregelt. Danach besteht ein Beschäftigungsverbot in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung und bis zu 8 Wochen nach der Entbindung bzw. 12 Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten. Innerhalb der Beschäftigungsverbotsfristen besteht ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld, das die gesetzliche Krankenkasse bzw. das Bundesversicherungsamt gemäß § 13 MuSchG zahlt, und ggf. auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegen den Arbeitgeber gemäß § 14 MuSchG. Zur Berechnung der Höhe der Ansprüche vgl. die Hinweise des BMFSFJ unter www.bmfsfj.de.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
für insgesamt 14 Wochen, auf den die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten, geregelt in §§ 1601–1615 BGB, entsprechend anwendbar sind (§ 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB). Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob die Mutter bei Beginn der Frist selbständig, unselbständig oder nicht erwerbstätig gewesen ist. Beispiel Der Zeitraum für die Unterhaltspflicht wird berechnet wie folgt: Geburtstag des Kindes ist Samstag, der 23.6.2007. Die Zahlungspflicht beginnt am Samstag, den 12.5.2007. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB fällt das Ereignis (§ 187 Abs. 1 BGB), von dem die Wochenfrist abhängt, hier auf den Samstag, der nicht mitrechnet, so dass die Wochenfrist mit dem entsprechenden Wochentag endet (§ 188 Abs. 2 BGB). Die Zahlungspflicht endet 8 Wochen nach der Geburt, dies ist Samstag, der 18.8.2007.
Weitere Voraussetzung für den Anspruch ist – wie bei jedem anderen Unterhaltsanspruch auch –, dass die Mutter unterhaltsbedürftig und der Vater leistungsfähig ist. Nicht erforderlich ist, dass die Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter ursächlich bedingt ist durch die Schwangerschaft. D.h., zugunsten der Mutter kommt auch dann ein Unterhaltsanspruch in Betracht, wenn sie bereits aus anderen Gründen, z.B. wegen Krankheit oder der Betreuung eines weiteren Kindes, an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert oder arbeitslos ist.11 Soweit sie innerhalb der Schutzfrist Mutterschaftsgeld (§ 13 MuSchG) erhält, ihr Arbeitgeber ihr einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld oder weiter das Arbeitsentgelt zahlt (§§ 14, 11 MuSchG) wird i.d.R. kein Unterhaltsanspruch bestehen; denn Ziel der Zuschusspflicht des Arbeitgebers ist der volle Lohnausgleich für die Frau während der Schutzfrist (vgl. dazu die Ausführungen zur Höhe des Bedarfs unter Rn. 308 ff.). b) Entbindungskosten (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) Die Mutter kann Sonderbedarf, d.h. Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der 302 Schwangerschaft und Entbindung – auch außerhalb der Mutterschutzfristen – entstanden sind, vom Vater ersetzt verlangen, sofern diese nicht durch Versicherungsleistungen gedeckt sind oder nicht aus eigenem Einkommen bestritten werden können. Hierzu gehören z.B. Arztkosten wegen der Entbindung und für die Klinik, aber auch Aufwendungen für Umstandskleidung, Schwangerschaftsgymnastik, Medikamente, soweit sie nicht von anderer Stelle getragen werden. Dazu gehören nicht die Kosten für die Babyausstattung, diese stellt Sonderbedarf des Kindes dar.12 Die Angemessenheit der Aufwendungen richtet sich nach der Lebensstellung der Mutter, die nach der Rechtsprechung des BGH selbst bei einem längeren Zusammenleben mit dem nichtehelichen Vater nicht von dem Lebensstandard der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geprägt sein kann (umstr. s. Rn. 316).13
11 BGH, FamRZ 1998, 541. 12 OLG Celle, FamRZ 2009, 704. 13 FamRZ 2008, 1739, 1741 f., m. Anm. von Maurer, S. 1831; BGH, FamRZ 2005, 442, 443. A.A. u.a. Büttner, FamRZ 2000, 781, 783; Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581, 584; Maurer, FamRZ 2008, 1831, Ehinger, FPR 2001, 25, 27.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
c) Unterhalt wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung (§ 1615l Abs. 2 Satz 1 BGB) 303 Kann die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die Mutterschutzfristen hinaus Unterhalt zu zahlen. Dies gilt für die Zeit vor und nach der Geburt mit der Maßgabe, dass die Unterhaltspflicht frühestens 4 Monate vor der Geburt beginnt und 3 Jahre nach der Geburt endet. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und bestehende Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB). Die Verlängerung des Anspruchs wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung wird i.d.R. der Billigkeit entsprechen. Beispiele – M trennt sich während der Schwangerschaft von V. Sie hat eine Risikoschwangerschaft und vorzeitige Wehen, so dass sie ab 15.1.2007 nicht mehr arbeiten darf. Das Kind wird am 15.6.2007 geboren. V muss im Falle der Bedürftigkeit der M ab dem 15.1.2007 zahlen. Der Unterhalt kann ausnahmsweise ohne Rechtsnachteil auch rückwirkend verlangt werden (§ 1615l Abs. 3 Satz 1, § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB), wenn die Vaterschaft für das nichteheliche Kind erst nach Entstehen des Anspruchs anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird. – Die Unternehmerin erleidet bei der Geburt am 15.7.2003 einen Bandscheibenvorfall, der eine langwierige Behandlung zur Folge hat und eine Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung nicht erlaubt. Erst ab 15.7.2007 kann sie – nach einer erfolgreichen Operation – wieder arbeiten. Der nichteheliche Vater muss, wenn keine anderen Billigkeitsgründe dagegen sprechen, bis zum 14.7.2007, also länger als 3 Jahre Unterhalt zahlen, da die Erkrankung durch die Entbindung verursacht wurde.
d) Unterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB) 304 Der Mutter steht wegen der Pflege und Erziehung des Kindes mindestens bis zu 3 Jahren nach der Geburt Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB zu. Der Anspruch verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 5 BGB). Seit dem 1.1.2008, dem Inkrafttreten des UÄndG, sind die Anspruchsvoraussetzungen des Betreuungsunterhaltsanspruchs im Umfang eines „Basisunterhalts“14 zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes und zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 1570 Abs. 1 BGB) hinsichtlich der Dauer gleich geregelt und die Verlängerungsmöglichkeiten weitgehend angeglichen worden. Dies war aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.2.2007 erforderlich geworden,15 nachdem das Gericht den Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. wegen der ungleichen Dauer des Anspruchs im Verhältnis zum Betreuungsunterhaltsanspruch der geschiedenen Mutter für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 erklärt hatte (vgl. dazu Rn. 437).
14 BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, S. 17. 15 BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff., vgl. zum Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB Rn. 437 ff.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Dabei besteht nach dem Willen des Gesetzgebers in den ersten drei Lebensjahren 304a des Kindes ein Vorrang der elterlichen Betreuung, denn in diesem Lebensalter entwickelt das Kind seine Bindungsfähigkeit und ist besonders betreuungsbedürftig. In diesem Zeitraum besteht deshalb für den betreuenden Elternteil keine Erwerbspflicht. Die Mutter kann sich zwischen Erwerbstätigkeit und Betreuung frei entscheiden.16 Demzufolge kommt es i.d.R. nicht darauf an, ob Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen und ohne die Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden könnte, ob also die Kindesbetreuung die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit ist. Ein Anspruch besteht auch dann, wenn die Mutter schon zuvor erwerbslos war oder ein anderes Kind betreute, welches sie an einer Erwerbstätigkeit hinderte.17 Der Unterhaltsanspruch verlängert sich nach Vollendung des dritten Lebensjah- 304b res, wenn dies der Billigkeit entspricht. Als Kriterien für die Billigkeitsprüfung sind vorrangig die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB).18 Diese Regelung beruht auf der Prämisse, dass ein Kind ab Vollendung des dritten Lebensjahres zwar noch betreuungsbedürftig ist, es aber mit dem Kindeswohl vereinbar ist und die Belange eines Kindes nicht beeinträchtigt sind, wenn die Pflege und Erziehung während der Arbeitszeit der Eltern in anderer Weise als durch elterliche Betreuung sichergestellt werden kann.19 Wegen der ab dem 3. Lebensjahr fortdauernden Betreuungsbedürftigkeit des Kindes kommt eine Verlängerung deshalb immer dann in Betracht, wenn keine oder nur eine eingeschränkte Fremdbetreuungsmöglichkeit für das Kind besteht, so dass die Mutter an der Ausübung einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit gehindert ist. Bei der Billigkeitsprüfung sind insbesondere kindbezogene Gründe zu berücksichtigen, die für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen. Kindbezogene Gründe können z.B. sein:
304c
– Alter und Anzahl der zu betreuenden gemeinsamen Kinder – Entwicklungsstand des Kindes/der Kinder (fehlende Kindergartenreife) – vorhandene Betreuungsmöglichkeiten sind nicht zumutbar für das Kind/die Kinder z.B. wegen einer Behinderung, Erkrankung, Verhaltensauffälligkeiten – vorhandene Betreuungsmöglichkeiten sind nicht zumutbar für die Mutter wegen fehlender Verlässlichkeit, Unvereinbarkeit mit den Arbeitsbedingungen der Mutter, eines Missverhältnisses der Kosten mit finanziellem Vorteil aus Erwerbstätigkeit. Die Belange des Kindes sind immer dann berührt, wenn es in besonderem Maße betreuungsbedürftig ist und die Aufnahme einer vollen, oder aber auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht im Einklang mit dem 16 BT-Drucks. 16/11830, S. 31; BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, S. 22; BGH, FamRZ 1998, 543; Puls, FamRZ 1998, 872; Büttner, FamRZ 2000, 881 ff. jeweils m.w.N.; OLG Bremen, FamRZ 2000, 636 ff.; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 286 ff. 17 OLG Hamm, 2. Senat, FamRZ 1997, 632 und BGH, FamRZ 1998, 543. 18 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1748. 19 BT-Drucks. 16/1830, S. 31. Eine zeitliche Begrenzung auf drei Jahre für alle Kinder ist vom BVerfG ausdrücklich nicht beanstandet worden, FamRZ 2007, 965 ff.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
Kindeswohl steht. D.h. nach der Rechtsprechung des BGH auch, dass im Rahmen von § 1615l BGB aus kindbezogenen Gründen kein abrupter übergangsloser Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verlangt wird, wie dies auch für die Verlängerung des ehelichen Unterhaltsanspruchs nach dem Willen des Gesetzgebers gelten soll.20 Eine besondere Betreuungsbedürftigkeit kann sich ergeben wegen Entwicklungsschwierigkeiten, die den Besuch eines Kindergartens nicht oder nur beschränkt zulassen (wie z.B. eine ADHS-Erkrankung), Verhaltensauffälligkeiten aufgrund einer konflikthaften Trennung der Eltern oder fortdauernder Streitigkeiten wegen des Umgangs. Aber auch besondere Begabungen können einen besonderen organisatorischen Betreuungsaufwand erfordern, der nicht durch Betreuungseinrichtungen geleistet werden kann. Auch elternbezogene Gründe können eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. 21 Sie sind zwar in § 1615l Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich erwähnt, anders als beim nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch in § 1570 Abs. 2 BGB, der eine Verlängerung aus ehebezogenen Gründen vorsieht (s. Rn. 440b). Gleichwohl sind sie zu beachten, denn nach dem Gesetzeswortlaut in § 1615l Abs. 2 Satz 5 BGB sind bei der Billigkeitsprüfung „insbesondere die Belange des Kindes“ zu berücksichtigen, so dass diese zwar vorrangig zu beachten sind, andere Gründe, die für eine Verlängerung sprechen, jedoch nicht ausgeschlossen sind. 304d Solche elternbezogenen Gründe können sein: – schützenswertes Vertrauen des betreuenden Elternteils in die Erhaltung der bisherigen Betreuungssituation wenn die Eltern in einer dauerhaften Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben,22 – die Mutter betreut mehrere Kinder desselben Vaters,23 – die Mutter hat in der Kleinkindphase gearbeitet, um die Ausbildung des Vaters zu finanzieren,24 – Einigung der Eltern während des früheren Zusammenlebens, dass eine Fremdbetreuung möglichst gering gehalten werden soll, – überobligatorische Belastung des betreuenden Elternteils durch die Doppelbelastung bei Ausübung einer Vollbeschäftigung neben der Kindesbetreuung,25 – Erkrankung der Mutter, die eine Doppelbelastung unzumutbar macht.26 – Mutter musste ihr Studium wegen der Betreuung des Kindes in den ersten drei Lebensjahren unterbrechen.27
20 BGH, FamRZ 2010, 444, 446, Tz. 26 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/6980, S. 9 und seine Rechtsprechung zu § 1570 BGB in FamRZ 2009, 1391, 1393 f. 21 BT-Drucks. 16/6980, S. 10; BGH, FamRZ 2008, 1739, 1748; 2010, 444, 447, Tz. 26. 22 BT-Drucks. 16/6980, S. 10 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367; BGH, 2010, 357, 362, Tz. 48. 23 BT-Drucks. 16/6980, S. 10. 24 Empfehlungen des 13. Deutschen Familiengerichtstags, FamRZ 2000, 273; weitere Gründe bei Puls, FamRZ 1998, 865, 872 und Büttner, FamRZ 2000, 781, 783. 25 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1749, Tz. 103; FamRZ 2006, 1362, 1367; Maier, FamRZ 2008, 101, 102 f.; Borth, FamRZ 2008, 2, 7 f. 26 OLG Schleswig, FamRZ 2004, 975. 27 OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 577.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Vor allem, wenn Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft längere Zeit zusammengelebt haben, können sich aufgrund einer gemeinsamen Lebensplanung, berücksichtigungswürdige Gründe für die Verlängerung ergeben, wenn die Mutter z.B. ihre beruflichen Pläne von der Unterstützung des Vaters bei der Kinderbetreuung abhängig gemacht hat oder mehrere gemeinsame Kinder zu betreuen sind. Beispiel M und V leben seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammen, aus der 2 gemeinsame Kinder hervorgehen. V übt eine Vollbeschäftigung aus, M studiert. Nach der gemeinsamen Lebensplanung soll M ihr Studium neben der Kinderbetreuung fortsetzen. Als das jüngste Kind 2 Jahre alt ist, trennen sich M und V. M kann die Zahlung von Betreuungsunterhalt verlangen, obwohl sie neben der Kinderbetreuung ein Studium absolviert; denn die Betreuung muss nicht einzige Lebensaufgabe der M sein. Mit Rücksicht auf die gemeinsame Planung der Eltern, dass das Studium neben der Kindesbetreuung absolviert werden soll, verlängert sich der Anspruch über das dritte Lebensjahr des jüngsten Kindes hinaus bis zum Abschluss des Studiums der Mutter.28
Bei einer nur kurzen Beziehung wird eine Verlängerung kaum, bei einer längeren Beziehung mit einer gemeinsamen Lebensplanung, in der ein gemeinsamer Kinderwunsch verwirklicht wurde, eher in Betracht kommen. Haben z.B. Eltern von der Geburt des Kindes bis zur Trennung fünfeinhalb Jahre zusammengelebt, kann es der Billigkeit entsprechen, dass die bisher nur teilzeitbeschäftigte Mutter erst ein Jahr nach der Trennung anfängt, vollschichtig zu arbeiten.29Die Belange des betreuenden Elternteils sind immer – auch unabhängig von der Dauer eines eventuellen Zusammenlebens – dann zu berücksichtigen, wenn sie in ursächlichem Zusammenhang mit der Betreuung des Kindes stehen und sich auf das Kindeswohl auswirken.30 So kann z.B. eine Überforderung wegen Erkrankung oder Behinderung des betreuenden Elternteils der Aufnahme einer vollen oder teilweisen Erwerbstätigkeit entgegenstehen.31 Diese letztgenannten Gründe lassen sich im Übrigen nach der zutreffenden Auffassung von Borth letztlich auch – genau wie das Fehlen von Fremdbetreuungsmöglichkeiten – wegen ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Belange des Kindes auch als kindbezogene Gründe definieren.32 Eine Erkrankung, die schon vor der Geburt des Kindes bestanden hat, rechtfertigt für sich genommen keine Verlängerung des Anspruchs, denn § 1615l Abs. 2 BGB gewährt insoweit keinen Krankheitsunterhalt. So hat z.B. eine schon vor der Geburt an Multipler Sklerose erkrankte Mutter keinen Anspruch auf Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs, wenn sie nicht konkret und nachvollziehbar darlegen und beweisen kann, dass sie durch die Betreuung des Kindes und Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit überobligatorisch belastet ist.33 In die Billigkeitsabwägung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eltern mit einzubeziehen. 28 OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1522. 29 Zur Relevanz längerfristiger Bindungen zwischen den Eltern für den Unterhalt, vgl. BGH, FamRZ 2010, 357, 363, Tz. 52; 2008, 1739, 1748, Tz. 102; 2006, 1363, 1367; BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff. 30 BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367. 31 BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367. 32 Borth, Anm. zu BGH, FamRZ 2009, 770 ff. in FamRZ 2009, 960, 961. 33 BGH, FamRZ 2010, 357, 363, Tz. 53; ebenso OLG Bremen, Beschl. v. 10.5.2010 – 4 WF 43/10.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
Grundsätzlich gilt für die Verlängerung, dass der Betreuungsunterhalt nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss. Dieser Grundsatz ist für die Auslegung zu beachten ist, d.h. er darf auch nicht in das Gegenteil verkehrt werden.34 Soweit der Unterhaltsanspruch über die 3-Jahresgrenze hinaus zu verlängern ist, sollte er unbefristet verlängert werden, es sei denn, der Zeitpunkt des Wegfalls ist eindeutig bestimmbar. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung besteht auch die Möglichkeit, die Unterhaltsforderung nicht nur zeitlich zu befristen sondern auch der Höhe nach zu begrenzen. Als Maßstab kann insoweit § 1578b Abs. 1 BGB herangezogen werden. 304e Bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 1615l Abs. 2 BGB und § 1570 Abs. 1 BGB ist auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 6 Abs. 5 GG für eheliche und nichteheliche Kinder zu achten. Dieses endet jedoch, soweit sich beim nachehelichen Betreuungsunterhalt die Gründe aus § 1570 Abs. 2 BGB herleiten, denn danach können sich Verlängerungsgründe aus ehebezogenen Billigkeitsgründen unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe ergeben. Da auch die Ehe unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht, ist ein völliger Gleichklang bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten weder geboten noch zu erwarten, solange sich besondere Verlängerungsgründe aus dem besonderen Vertrauensschutz herleiten lassen, den die Eingehung der Ehe begründet und der für den geschiedenen und kinderbetreuenden Ehegatten nicht abrupt mit der Scheidung endet. Die von der Rechtsprechung bei der Auslegung des bis zum 31.12.2007 geltenden § 1615l Abs. 2 BGB a.F. anerkannten Gründe zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit rechtfertigen immer auch eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen nach neuem Recht. 304f Die Darlegungs- und Beweislast für die Geltendmachung von Betreuungsunterhalt liegt bei der Mutter.35 Für die Dauer der ersten drei Lebensjahre muss sie unter Angabe der Personendaten des Kindes, der anerkannten bzw. festgestellten Vaterschaft des Verpflichteten, der Höhe ihres bisher erzielten Einkommens und ihrer jetzigen Einkommenssituation darlegen, dass sie ein gemeinsames Kind betreut und in welcher Höhe sie unterhaltsbedürftig ist. Nicht erheblich und damit auch nicht darlegungsbedürftig ist, ob Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen. Nur wenn Unterhalt über die 3-Jahresgrenze hinaus verlangt wird, sind die Gründe für einen fortdauernden Betreuungsbedarf darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört, zunächst, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht und dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Soll der Unterhalt aus elternbezogenen Gründen verlängert werden, sind alle Umstände die zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, konkret darzulegen und zu beweisen.36 Behauptet der Vater, aus besonderen Gründen treffe die Mutter schon während der ersten drei Lebensjahre eine Erwerbsobliegenheit, ist er insoweit darlegungs-
34 BGH, FamRZ 2010, 444, 447, Tz. 26; 2008, 1739, 1748. 35 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1748. 36 BGH, FamRZ 2010, 357, 362, Tz. 49; 2009, 1391, 1393; 2008, 1739, 1748.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
und beweispflichtig.37 Hier können vor allem Gründe in Betracht kommen, die sich aufgrund eines Zusammenlebens der Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben. Ob der Anspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB im Unterhaltsbeschluss von vorn- 304g herein bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres befristet werden sollte, ist umstritten.38 Der BGH geht davon aus, dass der Anspruch mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes endet, wenn der Unterhaltsberechtigte keine Gründe vorträgt, aus denen sich eine Verlängerung ergeben kann.39 Denn es gilt grundsätzlich, dass der Betreuungsunterhalt nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss.40 Ob im Unterhaltsverfahren zu eventuellen Verlängerungsgründen aus kindbezogenen Gründen und wegen unzureichender Fremdbetreuungsmöglichkeiten vom Unterhaltsberechtigten vorgetragen werden kann, hängt vom Entwicklungsstand des Kindes und letztlich vom sehr unterschiedlichen kommunalen Kinderbetreuungsangebot ab. In der Regel wird es deshalb, wenn über den Antrag noch im Säuglings- und Kleinstkindalter (bis zu 2 Jahren) zu entscheiden ist, dem betreuenden Elternteil meist kaum möglich sein, schon zu Billigkeitsgründen vorzutragen, was gegen eine Befristung spricht. In den Gründen sollte dann jedoch auf die materielle Rechtslage und zeitliche Begrenzung des Anspruchs bei Fehlen von Verlängerungsgründen hingewiesen werden. Ab Vollendung des 2. Lebensjahres wird jedoch im Unterhaltsverfahren ein Vortrag zu eventuellen Verlängerungsgründen zu erwarten sein, da spätestens ab diesem Zeitpunkt Anmeldungen für den Kindergarten erfolgen können, um sich einen Platz zu sichern und eine Beurteilung des Entwicklungsstandes des Kindes hinsichtlich seiner Kindergartenreife möglich sein dürfte. Fehlt ein entsprechender Vortrag, ist der Anspruch zu befristen, liegen Verlängerungsgründe vor, ist der Anspruch nur zu befristen, wenn sicher voraussehbar ist, dass die Verlängerungsgründe wegfallen. Zur Handhabung beim nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch s. Rn.441a.
" Praxishinweis: Wird der Anspruch unbefristet zugesprochen, bleibt es dem
Verpflichteten unbenommen, die Abänderung des Unterhaltstitels zu beantragen, wenn abzusehen ist, dass das Kind ab dem dritten Lebensjahr ganztägig im Kindergarten betreut werden kann, so dass eine Verlängerung des Anspruchs nicht mehr der Billigkeit entspricht. Gleiches gilt, wenn sich die Höhe des Anspruchs aufgrund veränderter Berechnungsgrundlagen ändert, weil z.B. eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden kann und Einkünfte aufseiten des Berechtigten den Anspruch mindern. Hier sollte zunächst zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten rechtzeitig Auskunft über die tatsächlichen Verhältnisse und ggf. der Verzicht auf die Rechte aus
37 Diese Handhabung entspricht den Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast, die der BGH zur Erwerbsobliegenheit bei der Betreuung ehelicher Kinder entwickelt hat, FamRZ 1983, 458; 1982, 24, 25. 38 Gegen eine Befristung, wenn ein Wegfall nicht sicher prognostiziert werden kann Dose, JAmt 2009, 1, 5; Borth, FamRZ 2009, 960, 961; 2008, 1, 10 zu § 1570 BGB, Büte/Poppen/ Menne, § 1615l BGB Rn. 30; Johannsen/Henrich/Graba, § 1615l BGB Rn. 12, a.A. OLG Bremen, FamRZ 2008, 1281; Wever, FamRZ 2008, 553, 558; Schilling, FPR 2008, 27, 30; Palandt/Diederichsen, § 1615l BGB Rn. 13. 39 BGH, FamRZ 2010, 444, 446, Tz. 25. 40 BGH, FamRZ 2010, 444, 447, Tz. 26; 2008, 1739, 1748.
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dem Titel von dem Berechtigten verlangt werden. Der Berechtigte ist sowohl auskunftspflichtig in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen als auch seine Bedürftigkeit. Im Unterhaltsabänderungsverfahren muss er sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für einen fortdauernden Betreuungsunterhaltsanspruch darlegen und beweisen. Kommt er einem vorgerichtlichen Auskunftsbegehren des Verpflichteten nicht rechtzeitig nach, muss er damit rechnen, die Kosten des Abänderungsverfahrens auferlegt zu bekommen, selbst wenn er in der Sache obsiegen sollte (§ 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG entspr. § 93d ZPO a.F., Rn. 689). e) Unterhalt wegen Kindesbetreuung für die Zeit bis zum 31.12.2007 nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. 305 Soweit Unterhalt für die Betreuung des Kindes während der ersten drei Lebensjahre für die Zeit bis zum 31.12.2007 geltend gemacht wird, entsprechen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. dem seit 1.1.2008 geltenden Recht, d.h. der Vater ist verpflichtet, der Mutter Unterhalt zu zahlen, wenn von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Dabei endet die Unterhaltspflicht drei Jahre nach der Geburt, sofern es nicht insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen. Obwohl das BVerfG mit Beschluss vom 28.2.2007 festgestellt hat,41 dass § 1615l Abs. 2 BGB a.F. mit Art. 6 Abs. 5 GG unvereinbar ist, bleibt das Gesetz auf Unterhaltsansprüche für die Zeit bis zum 31.12.2007 anwendbar. Denn das BVerfG hatte gleichzeitig bestimmt, dass bis zu einer Neuregelung der verfassungswidrige Zustand hinzunehmen sei, da § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB für sich betrachtet dem Kindeswohl nicht zuwiderlaufe.42 Wird die Verlängerung des Unterhalts wegen einer Betreuung des Kindes nach Vollendung des dritten Lebensjahres für einen vor dem 1.1.2008 liegenden Zeitraum beansprucht, ist deshalb der strengere Maßstab der groben Unbilligkeit zu berücksichtigen. Eine Verlängerung kommt danach immer nur dann in Betracht, wenn die Versagung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen muss.43 Die grobe Unbilligkeit kann auf Gründen beruhen, die entweder in der Person der Mutter oder des Kindes liegen. Solche Gründe können z.B. sein:44 41 BVerfG, FamRZ 2007, 965–973. 42 BVerfG, FamRZ 2007, 965–973 mit Anm. u.a. v. Born, FamRZ 2007, 1076f; Klinkhammer, FamRZ 2007, 1205–1211; Hauß, FamRB 2007, 227. Zum Diskussionsstand vor der Entscheidung: Für die Verfassungswidrigkeit hatten sich ausgesprochen u.a. Puls, FamRZ 1998, 867; Müller, DAmtsV 200, 829, 836; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1893; KG (16. Senat) FamRZ 2004, 1895; von der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung sind ausgegangen, BGH, FamRZ 2006, 1362 ff.; ebenso u.a. Büttner, FamRZ 2000, 786; Göppinger/Maurer, Rn. 1218; Wellenhof/Klein, FuR 1999, 448; Wever, FF 2005, 174 ff.; Ehinger/Rasch, Unterhaltsrecht, 4. Aufl., Rn. 305. 43 BGH, FamRZ 2006, 108 ff., auch zur Verfassungsgemäßheit des § 1615l BGB a.F.; OLGR Rostock, 2007, 639 f. 44 Die Aufzählung basiert auf den Empfehlungen des 13. Deutschen Familiengerichtstages, FamRZ 2000, 273; weitere Gründe bei Puls, FamRZ 1998, 865, 872 und Büttner, FamRZ 2000, 781, 783.
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– Behinderung des Kindes, – schwerwiegende Erkrankung des Kindes,45 – Erkrankung der Mutter, die eine Doppelbelastung unzumutbar macht, – durch eine längere Beziehung der Eltern ist ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden,46 – die Mutter betreut mehrere Kinder desselben Vaters, – trotz zumutbarer Bemühungen besteht keine Fremdbetreuungsmöglichkeit, – die Mutter hat in der Kleinkindphase gearbeitet, um die Ausbildung des Vaters zu finanzieren. Der Begriff der groben Unbilligkeit ist wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Schaffung gleicher Bedingungen für eheliche und nichteheliche Kinder nach Art. 6 Abs. 5 GG verfassungskonform und somit weit auszulegen. Im Ergebnis unterscheiden sich deshalb, auch im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung,47 die Anforderungen an die Notwendigkeit einer Verlängerung im Ergebnis nicht mehr wesentlich zu denen nach aktueller Rechtslage. Zu den Billigkeitsgründen nach aktueller Rechtslage s. Rn. 304b. 3. Wie der Unterhalt berechnet wird Die nichteheliche Mutter ist unterhaltsberechtigt, wenn sie außerstande ist, sich 306 selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Sie hat einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1610 Abs. 1 BGB). Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts hängt von ihrem Bedarf und ihrer Bedürftigkeit sowie der Leistungsfähigkeit des Vaters ab (§ 1603 Abs. 1 BGB). Da nicht nur die unterhaltsberechtigte Mutter, sondern auch der unterhaltspflichtige Vater einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt hat (§ 1610 Abs. 1 und § 1603 Abs. 1 BGB), sind die vorhandenen Mittel im Rahmen der Angemessenheitsprüfung gleichmäßig zu verteilen. Entsprechend dem Gerechtigkeitsgedanken, nach dem der Unterhaltsberechtigte sich nicht durch die Unterhaltsgewährung besser stehen sollte als der Verpflichtete, hat dem Verpflichteten von seinem Einkommen mindestens ein Betrag zu verbleiben, der das eigene Einkommen des Berechtigten zuzüglich des geschuldeten Unterhalts nicht unterschreitet. Der BGH hat sich zur Lösung des Problems einer gerechten Verteilung der vorhandenen Mittel dafür entschieden, generell den im ehelichen Unterhaltsrecht geltenden Grundsatz der Halbteilung auch auf den Anspruch nach § 1615l BGB zur Begrenzung des Bedarfs anzuwenden. Damit soll verhindert werden, dass ein betreuender Elternteil, der vor der Geburt mehr als der Verpflichtete verdiente, einen höheren Bedarf beanspruchen kann als dem Verpflichteten verbleibt. D.h. dem Verpflichteten hat ein maßvoll die Hälfte seines bereinigten, verteilungsfähigen Einkommens übersteigender Betrag zu verbleiben, was auch beinhaltet, dass ihm der beim Ehegattenunterhalt übliche Erwerbstätigenbonus – der eine Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes darstellt – zugutekommen soll.48 Diese dogmatische am nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch angelehnte Lösung ist im Kontext der Rechtsprechung 45 46 47 48
OLG Celle, FamRZ 2002, 636. BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367. BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367 und BVerfG FamRZ 2007, 965 ff. BGH, FamRZ 2005, 442, 443 zu § 1615l BGB; FamRZ 2006, 683, 686 zur Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes beim Ehegattenunterhalt im Sinne der Anspruchsbegrenzung.
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des BGH zu sehen, die Ansprüche nach § 1615l BGB und § 1570 BGB möglichst anzugleichen, denn das Problem der gerechten Verteilung hätte sich ebenso mit der im Rahmen des Verwandtenunterhalts möglichen und üblichen Angemessenheitsprüfung lösen lassen. Unbefriedigend an der Rechtsprechung ist, dass die Grundsätze des nachehelichen Unterhaltsrechts letztlich nicht konsequent angewendet werden, wenn der Verwandtenunterhalt keine adäquate Lösung für Rechtsanwendungsprobleme bereithält. Dies zeigt die Rechtsprechung des BGH zur Bestimmung des Bedarfs des betreuenden Elternteils, der mit dem Verpflichteten über mehrere Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat. Danach richtet sich der Bedarf nicht nach dem gemeinsamen Einkommen der Eltern, selbst wenn diese über Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt und gewirtschaftet haben, sondern ausschließlich nach der eigenen Lebensstellung der Mutter (s. Rn. 316).49 Die OLG haben in den Unterhaltsleitlinien einen Selbstbehaltssatz festgesetzt, der dem Unterhaltspflichtigen mindestens als eigener angemessener Unterhalt verbleiben sollte.50 Bei dem pauschalierten Selbstbehaltssatz handelt es sich jedoch nur um einen empfohlenen Richtwert. Er ist als Hilfsmittel zur Bestimmung der Leistungsgrenze des Pflichtigen und Berechnung des geschuldeten Unterhalts heranzuziehen, ist aber immer im Rahmen der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalles auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die in den Tabellen und Leitlinien als Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen angegebenen Mindestbeträge zu erhöhen sind, unterliegt letztlich der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters.51 Die Mutter muss die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Bedarfs und ihrer Bedürftigkeit anhand ihrer eigenen früheren und aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen und beweisen. Zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Vaters und besseren Einschätzung eines Verfahrenskostenrisikos steht ihr ein Auskunftsanspruch gegen den Vater zu (§ 1615l Abs. 3 Satz 1, § 1605 BGB), vgl. Rn. 561. Dem Vater obliegt die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die seine Leistungsfähigkeit einschränken oder ausschließen.52 307 Prüfungsschema für die Unterhaltsbedarfsberechnung der Mutter 1. Berechnung des angemessenen Bedarfs der Unterhaltsberechtigten. a) Klärung des bisherigen eigenen Durchschnittseinkommens ggf. abzüglich berufsbedingter Aufwendungen. b) Ergebnis: Bedarf. 2. Ist die Unterhaltsberechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? a) Vom Bedarf sind abzuziehen: eigene Einkünfte, z.B. bereinigtes Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, Arbeitslosengeld, Mutterschaftsgeld, Zinsen aus Sparguthaben, Wohnvorteil bei Wohnen im Eigenheim, Vermögen, BAföG, das Elterngeld, soweit es 300 Euro übersteigt, nicht hingegen das Erziehungsgeld, bei 49 BGH, FamRZ 2010, 444, 445, Tz. 6; 2008, 1739, 1742. 50 Vgl. zur Höhe des Selbstbehaltssatzes des Verpflichteten gegenüber der Mutter bzw. des Vaters eines nichtehelichen Kindes jeweils die Nr. 21 der aktuellen Leitlinien des zuständigen OLG. 51 BGH, FamRZ 2004, 1184–1187 zur Bedeutung der Eigenbedarfssätze nach den LL beim Elternunterhalt. 52 Baumgärtel/Pruskowski, § 1615l BGB Rn. 1, 6.
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Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit ggf. Abzug des nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrelevanten Teils, § 1577 Abs. 2 BGB analog.53 b) Ergebnis: ungedeckter Bedarf. 3. Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? a) Klärung des Durchschnittseinkommens (Jahreseinkommen bei Arbeitnehmer, 3 Jahreseinkommen bei Selbständigen). b) Von dem Einkommen sind abzuziehen: ggf. berufsbedingte Aufwendungen (bei Arbeitnehmer), vorrangige Unterhaltspflichten (§ 1609 BGB), berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten, Ergebnis: zu verteilendes Einkommen. c) Angemessenheits- und Selbstbehaltskontrolle: Begrenzung des Bedarfs der Mutter auf den Betrag, der dem Verpflichteten verbleibt (Halbteilungsgrundsatz, ggf. mit Vorabzug eines Erwerbstätigenbonusses).54 Dem Verpflichteten hat jedoch stets ein angemessener Selbstbehalt zu verbleiben, der zzt. i.d.R. 1 000 Euro beträgt.55 4. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt.
a) Bedarf Das Maß des nach § 1615l Abs. 1 und 2 BGB zu gewährenden Unterhalts be- 308 stimmt sich nach der Lebensstellung der bedürftigen Mutter (§ 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB).56 Dabei umfasst der Unterhalt die Kosten für den gesamten Lebensbedarf, z.B. für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Wohnen, Freizeitgestaltung, Erholung, Reisen, Bildung, zur Befriedigung kultureller Bedürfnisse, Krankenvorsorge57, Pflegeversicherung. Altersvorsorgeunterhalt gehört nicht zum geschuldeten Bedarf, denn die Mutter ist als betreuender Elternteil kraft Gesetzes in der Zeit der Kindererziehung in den ersten drei Lebensjahren des Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Durchschnittseinkommens der Versicherten versichert (§§ 56, 249 SGB VI). Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Der Lebensbedarf kann konkret durch Darstellung der individuellen Lebenshaltungskosten berechnet werden. Üblicherweise wird auf das von der Mutter vor der Geburt nachhaltig erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgestellt.58 Bei niedrigen bis mittleren Gehältern dient das Einkommen i.d.R. der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs, so dass zur schlüssigen Darlegung des Bedarfs ausreicht, das bisherige Durchschnittseinkommen anzugeben und zu belegen.59 Bei überdurchschnittlichen Einkünften, bei denen meist ein Teil des Geldes in die Vermögensbildung fließt, ist eine Abgrenzung zwischen Aufwendungen für die Lebenshaltung und Vermögensbildung erforderlich; denn verlangt
53 54 55 56 57 58
BGH, FamRZ 2005, 442, 444; vgl. Rn. 318. BGH, FamRZ 2005, 442, 443. Vgl. Anm. D.II der DT bzw. jeweils Nr. 21 der Leitlinien, Stand 1.1.2010. BGH, FamRZ 2006, 1362, 1367; 2008, 1739, 1742 f.; 2010, 3357, 359; 2010, 444, 445. OLG München, NJW-RR 2006, 586, 587. BGH, FamRZ 2010, 357, 359, Tz, 17 ff.; 2005, 442, 443; 2007, 1303–1306; 2008, 1739, 1741 f.; OLG Bremen, FamRZ 2000, 636 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 1531 ff.; OLG Köln, NJW-RR 2001, 364 f. 59 OLG Bremen, FamRZ 2000, 636.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
werden kann nur der für die Lebenshaltungskosten maßgebliche Betrag. Es kann ggf. eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht kommen. Durch die seit 1.1.2008 erweiterten Verlängerungsmöglichkeiten des Unterhaltsanspruchs ergeben sich auch neue Fragestellungen zur Bedarfshöhe, wenn sich aufgrund des Zeitablaufs zwischen der Erwerbstätigkeit vor der Geburt und der dreijährigen Betreuung Einkommensentwicklungen ergeben, die für den verlängerten Unterhalt zu einem höheren Bedarf führen. Wenn also zum Beispiel eine noch vor der Geburt begonnene Ausbildung zwischenzeitlich abgeschlossen wurde oder in der Branche höhere Löhne gezahlt werden.60 Maßgebend ist der Bedarf, den der Unterhaltsbedürftige in dem maßgeblichen Unterhaltszeitraum nach der dann gegebenen Lebensstellung hat. D.h. normale Entwicklungen, die in der beruflichen Tätigkeit angelegt sind, wie z.B. die Beendigung einer Ausbildung sowie sonstige Einkommensentwicklungen, sind bei der Bedarfsbestimmung zu berücksichtigen, denn aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass der Bedarf im Sinne einer statischen Größe fixiert ist auf die Zeit vor der Geburt. Beispiel M war vor der Geburt Lehrling mit einem Ausbildungsentgelt von 600 Euro. Als das Kind 4 Jahre alt ist, hat sie ausgelernt, kann aber aus kindbezogenen Gründen nur halbtags arbeiten. Bei Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit würde sie bereinigt 1 200 Euro verdienen. Ihr Bedarf beträgt 1 200 Euro abzüglich das tatsächlich erzielte Einkommen. Der Bedarf ist nicht auf das vorgeburtliche Einkommen, aufgestockt auf das Existenzminimum (Rn. 311), beschränkt.
War die Mutter vor der Schwangerschaft arbeitslos, ist das vor der Arbeitslosigkeit nachhaltig erzielte Erwerbseinkommen maßgeblich, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie dieses Einkommen ohne Schwangerschaft hätte erzielen können.61 Beispiel M verdiente als Verkäuferin bereinigt 1 000 Euro. Nach 3-monatiger Arbeitslosigkeit wird sie schwanger. Nach der Geburt entscheidet sie sich, das Kind selbst zu betreuen. Ihr Bedarf beträgt 1 000 Euro.
309 Ist die Mutter noch verheiratet oder geschieden und betreut sie neben dem nichtehelichen Kind ein weiteres Kind aus der (noch nicht) geschiedenen Ehe so bestimmt sich ihr Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß §§ 1361, 1578 BGB, die auch den Maßstab für den Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB gegen den Vater des nichtehelichen Kindes bilden.62 Die Unterhaltsansprüche gemäß § 1615l BGB können neben Unterhaltsansprüchen gegen den Ehemann gemäß § 1570 BGB oder § 1361 BGB geltend gemacht werden ab der rechtswirksamen Feststellung der Vaterschaft des Nichtehemannes (Rn. 298). Der Ehemann und der Vater des nichtehelichen Kindes haften für den Betreuungsunterhalt in entsprechender Anwendung des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB als Teilschuldner anteilig.63 Für die Bemessung der Haftungsquoten kommt es in erster Linie auf ihre Leistungsfähigkeit, aber auch auf den jeweiligen Betreuungsaufwand für die Kin60 Mehle, FamRZ 2010, 510 ff. 61 OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 1531 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.9.2000 – 3 WF 93/00, n. v. 62 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742; 2007, 1303 ff. (Grundsatzurteil); 1998, 541, 544. 63 BGH, FamRZ 2005, 357; 1998, 544; KG, FamRZ 2001, 29 ff.; OLG Schleswig, FamRZ 2000, 637; OLG Hamm, FamRZ 2000, 637.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
der an.64 So kann die Quote des Vaters höher ausfallen, wenn sein Kind keine und das Kind des anderen Vaters schon eine (teilweise) Erwerbstätigkeit der Mutter zulässt. Beispiel M ist verheiratet und lebt von ihrem Ehemann E getrennt, von dem sie 1 000 Euro Unterhalt wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes erhält. Sie empfängt ein Kind von V, mit dem sie zusammenlebt. Da E und V mit einem gleich hohen Einkommen für den Unterhalt einzustehen haben, hat M gegen V und E jeweils einen Anspruch auf Zahlung von 500 Euro. Stehen aufseiten des V nur 300 Euro für den Unterhalt zur Verfügung, hat E 700 Euro zu zahlen.
Wird der Trennungsunterhalt vom Ehemann gemäß § 1579 Nr. 2 BGB i.V.m. 310 § 1361 Abs. 3 BGB wegen des dauerhaften Zusammenlebens der Mutter mit dem Vater des nichtehelichen Kindes gekürzt, bleibt es im Verhältnis zum nichtehelichen Vater bei dem bisherigen Bedarf, für den dieser dann neben seiner Haftungsquote auch hinsichtlich des aberkannten Teils uneingeschränkt allein aufzukommen hat. Hatte die nichteheliche Mutter vor der Geburt keine nachhaltig gesicherte beruf- 311 liche Stellung und bezieht sie Sozialhilfe bzw. ALG II, ist als Bedarf ein Mindestbedarfssatz anzusetzen.65 Dieser liegt nach den Leitlinien bei 770 Euro.66 Dieser Wert entspricht dem notwendigen Eigenbedarf für unterhaltspflichtige, nicht erwerbstätige Eltern gegenüber minderjährigen Kindern.67 Beispiel M lebt seit Jahren von Sozialhilfe und empfängt ein Kind von V, mit dem sie nicht zusammenlebt. V verfügt über ein Einkommen von 2 500 Euro. M kann Unterhalt in Höhe des Mindestbedarfssatzes nach den Leitlinien verlangen.
Der Mindestbedarfssatz gilt auch dann, wenn der Bedarf der Mutter noch geprägt 312 ist von einem Anspruch auf Trennungs- oder Nacheheunterhalt und dieser unter dem Mindestbedarfssatz liegt.68 Denn der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB soll – wie auch der Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt – einem Elternteil ermöglichen, das gemeinsame Kind in den ersten drei Lebensjahren persönlich zu betreuen. Damit er daran nicht gehindert ist, darf sein Unterhaltsanspruch nicht unterhalb des Existenzminimums liegen, da er sonst erwerbstätig sein müsste, um seinen eigenen Bedarf zu verdienen und dann die aus eltern- und kindbezogene Gründen angemessene persönliche Betreuung nicht sichergestellt wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Bedarf wegen der angestrebten Anglei- 313 chung der Unterhaltsansprüche nicht verheirateter, getrennt lebender und ge64 BGH, FamRZ 2010, 357, 359; 2007, 1303 ff. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rn. 324 zur Leistungsfähigkeit des Vaters und unter Rn. 327 zu den Rangverhältnissen. 65 So jetzt BGH, FamRZ 2010, 444, 447, Tz. 17; in FamRZ 2008, 1739, 1743, noch ohne abschließende Entscheidung. Zur Ablehnung eines Mindestbedarfssatzes beim Ehegattenunterhalt vgl. BGH, FamRZ 1997, 806, 808. 66 Vgl. dazu Nr. 18 der LL der Süddeutschen OLG. 67 Zur Höhe des sozialhilfe- und steuerrechtlichen Existenzminimums vgl. die kritische Abhandlung von Klinkhammer, FamRZ 2007, 85 ff. 68 BGH, FamRZ 2010, 357, 360; im Anschluss an BGH, FamRZ 1739, 1743.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
schiedener Mütter in der Höhe zu begrenzen durch entsprechende Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes, der im Ehegattenunterhaltsrecht aus § 1578 BGB folgt (Rn. 337, 434a), denn der nicht verheirateten Mutter soll kein höherer Unterhalt zustehen als der geschiedenen Mutter.69 Danach ist der Bedarf der Mutter stets auf den Betrag zu begrenzen, der dem unterhaltspflichtigen Vater selbst verbleibt.70 Zu einem entsprechenden Ergebnis kommt man, wenn man die Grundsätze des Verwandtenunterhaltsrechts anwendet. Danach wird die Höhe des Anspruchs der nichtehelichen Mutter durch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten begrenzt, der – wie die Mutter – ebenfalls Anspruch auf angemessenen Unterhalt hat, so dass ihm aus Gerechtigkeitsgründen ein Betrag seines Einkommens zu verbleiben hat, der das eigene Einkommen des Berechtigten zuzüglich des gezahlten Unterhalts nicht unterschreitet. Vgl. zur Begrenzung des Anspruchs die Ausführungen und Beispiele unter Rn. 325 zur Leistungsfähigkeit. 314–315 Einstweilen frei. 316 Lebt die Mutter mit dem Vater des Kindes in einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsplanung, wird ihr Bedarf nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht nach dem Lebensstandard der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestimmt, selbst wenn mehrere Kinder daraus hervorgegangen sind.71 Maßgeblich für den Bedarf ist allein ihre eigene Lebensstellung vor der Geburt der Kinder. Dabei soll der maßgebliche Gesichtspunkt sein, dass es sich bei dem Beitrag des besser verdienenden Lebenspartners zum gemeinsamen Lebensstandard vor der Geburt des Kindes um eine freiwillige Leistung handle, auf die für den betreuenden Elternteil kein Rechtsanspruch besteht. Deshalb könne der tatsächliche Lebensstandard nicht nach der Geburt des Kindes einen darauf bezogenen Rechtsanspruch begründen. Denn einen Rechtsanspruch auf einen Bedarf nach den gemeinsamen Lebensverhältnissen sieht § 1615l Abs. 2 BGB nicht vor. Das Unterhaltsrechtsverhältnis entsteht erst mit der Geburt des Kindes, bei mehreren gemeinsamen Kindern soll auf die vor der Geburt des ersten Kindes maßgebenden Verhältnisse des betreuenden Elternteils abgestellt werden.72 Diese Rechtsauffassung überzeugt nicht, jedenfalls wenn es sich um ein längeres nichteheliches Zusammenleben handelt. Denn in dem Fall entsteht mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes – genau wie beim ehelichen Zusammenleben – ein schützenswertes Vertrauen darin, das Kind im Rahmen der gegebenen Verhältnisse versorgen zu können, was eine entsprechende Handhabung nahelegt. Hinzu kommt – und darauf weist Maurer zutreffend hin73 – dass sich bei dieser restriktiven Auslegung des BGH ein nicht nachvollziehbarer Widerspruch in der Wertung ergibt, wenn einerseits der Anspruch eines vor der Geburt besser verdienenden Elternteils durch entsprechende Anwendung des beim ehelichen Unterhalt geltenden Halbteilungsgrundsatzes gedeckelt wird und andererseits der geringer Verdienende nicht später am höheren Einkommen teilhaben kann, obwohl dieses den Lebensstandard mitgeprägt hat. Der Bedarf sollte deshalb auch durch das Einkommen des nicht betreuenden Elternteils mit bestimmt sein und die Berechnungsgrundsätze des ehelichen bzw. nachehelichen Unterhalts auf der Bedarfsebene entspre69 70 71 72 73
BGH, FamRZ 2005, 442, 443, unter Nr. 1b aa). BGH, FamRZ 2005, 442, 443. BGH, FamRZ 2010, 357, 359; Bestätigung von BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742. BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742; m. Anm. v. Maurer, S. 1831 f. Maurer, FamRZ 2008, 1831.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
chend angewendet werden können, wenn ein vergleichbarer Lebenssachverhalt und ähnliche Interessenlage gegeben ist.74 Ist der Vater Alleinverdienender, stünde danach der Mutter die Hälfte des bereinigten Einkommens zu. Beispiel M und V leben bereits seit 2 Jahren zusammen. M hat ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und versorgt die beiden Kinder des V aus erster Ehe. Nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes trennen sie sich. V verbleiben nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, des Erwerbstätigenbonus und des Kindesunterhalts noch 2 000 Euro. Davon stünde M nach der hier vertretenen Auffassung die Hälfte, also 1 000 Euro, zu, auf den Mindestbedarf nach den LL von zzt. 770 Euro braucht nicht zurückgegriffen zu werden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH besteht nur ein Anspruch i.H.v. 770 Euro, es sein denn, M kann einen höheren Bedarf aufgrund ihrer früher ausgeübten Erwerbstätigkeit begründen.75
b) Bedürftigkeit Erzielt die Mutter eigene Einkünfte, z.B. Mutterschaftsgeld, BAföG-Leistungen 317 (auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG), Arbeitslosengeld oder Krankengeld, sind diese bedarfsmindernd von dem errechneten Bedarf abzuziehen.76 Ob Einkünfte aus einer neben der Kindesbetreuung ausgeübten Voll- oder Teilzeitbeschäftigung anzurechnen sind, hängt davon ab, ob eine Erwerbstätigkeit von der Mutter erwartet werden kann oder nicht. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist i.d.R. überobligatorisch während der ersten drei Lebensjahre, denn die Mutter ist jederzeit berechtigt, eine Berufstätigkeit aufzugeben, um sich der Pflege und Erziehung des Kindes zu widmen. Einkünfte aus zumutbarer Tätigkeit sind uneingeschränkt auf den Bedarf anre- 318 chenbar. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit richtet sich die Anrechenbarkeit danach, inwieweit dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Billigkeit entspricht (§ 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung77). Dabei genügt nach der Rechtsprechung des BGH der Abzug einer Pauschale als Betreuungsbonus nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Billigkeitsprüfung i.S.v. § 1577 Abs. 2 BGB.78 Vielmehr ist anhand der individuellen 74 BGH, FamRZ 2005, 442 ff. Eine entsprechende Anwendung befürworten OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 444; Büttner, FamRZ 2000, 781, 783; Johannsen/Henrich/Graba, § 1615l BGB Rn. 14; Wendl/Pauling, § 7 Rn. 27; Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581, 584; Ehinger, FPR 2001, 25, 27; a.A. BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742; OLG Hamm, FF 2000, 137 ff.; NJW 2005, 297; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1321; Palandt/Diederichsen, § 1615l BGB Rn. 24; Eschenbruch/Menne, Kap. 4 Rn. 39. Der Familiengerichtstag hat sich für den Quotenunterhalt ausgesprochen (FamRZ 2001, 1437). 75 Der Mindestbedarf nach Nr. 18 der LL ist anwendbar, wenn Angaben zur Höhe früherer Einkünfte aus Erwerbstätigkeit fehlen. Ebenso BGH, FamRZ 2010, 357, Tz. 39. 76 BGH, FamRZ 2005, 442, 445. 77 So BGH, FamRZ 2005, 442, 444; Büttner, FamRZ 2000, 783; Göppinger/Wax/Maurer, Rn. 1244; der 14. Deutsche Familiengerichtstag empfiehlt die gesetzliche Regelung der entsprechenden Anwendung (FamRZ 2002, 296, 298, B. I. 3.); a.A. OLGR Schleswig 2001, 201; BGH, FamRZ 1995, 475 ff. zur entsprechenden Anwendung im Unterhaltsrecht; OLG Köln, FamRZ 1991, 856; BGH, FamRZ 1983, 146 ff. grundlegend zu § 1577 Abs. 2 BGB. 78 BGH, FamRZ 2005, 442, 442 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB in FamRZ 1998, 1501, 150; 1981, 1159, 1161. Vgl. zum Betreuungsbonus beim Ehegattenunterhalt Rn. 363, 488.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
Umstände des Einzelfalles jeweils zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe ein Teil des Einkommens unterhaltsrechtlich relevant und in welcher Höhe es der Mutter anrechnungsfrei zu belassen ist. Für die vorzunehmende Billigkeitsabwägung können verschiedene Umstände eine Rolle spielen, z.B. wie die Betreuung konkret geregelt ist, welche Hilfen der Mutter zur Verfügung stehen, wie die Betreuung mit den Arbeitszeiten zu vereinbaren ist, welche Fahrzeiten anfallen und ob z.B. zusätzliche Betreuungskosten entstehen. Beruft sich der Verpflichtete auf die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit oder eine vollständige Anrechnung der Einkünfte aus Billigkeitsgründen, ist er darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen. Die Frage der Zumutbarkeit wird vor allem dann eine Rolle spielen, wenn die Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben. 319 Bezog die Mutter für ein bis zum 31.12.2006 geborenes Kind Erziehungsgeld, wird dieses in dem für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Zeitraum nicht als anrechenbares Einkommen berücksichtigt.79 Gemäß § 9 BErzGG werden Unterhaltsverpflichtungen durch die Gewährung des Erziehungsgeldes nicht berührt. Das Erziehungsgeld wird für die Dauer von 24 Monaten gewährt (§ 4 Abs. 1 BErzGG), in den ersten 12 Monaten i.H.v. 450 Euro, bis zum 24. Lebensmonat i.H.v. 300 Euro (§ 5 Abs. 1 BErzGG). Das BVerfG hat die gesetzliche Regelung in § 9 BErzGG und die dazu bestehende herrschende Rechtsprechung, nach der Erziehungsgeld nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist, ausdrücklich gebilligt.80 Beim Bezug von Elterngeld, das für die Betreuung eines ab dem 1.1.2007 geborenen Kindes gezahlt wird i.H.v. 67 % des in den letzten 12 Monaten vor dem Monat der Geburt erzielten Einkommens (§ 2 Abs. 1 BEEG)81, werden Unterhaltsverpflichtungen nur insoweit berührt, als das Elterngeld 300 Euro (bzw. 150 Euro in den Fällen des § 6 Satz 2 BEEG) übersteigt. Erhöhungen der Beträge ergeben sich bei Mehrlingsgeburten (§ 11 BEEG). Vgl. zu den Einzelheiten des Elterngeldes Rn. 66. Beispiele – M verdiente vor der Geburt 1 000 Euro als Verkäuferin. Nach der Geburt am 30.11.2006 nimmt sie Erziehungsurlaub bis zum 24. Lebensmonat des Kindes (§ 4 BErzGG). Ihr Bedarf beträgt sowohl für das 1. als auch das 2. Lebensjahr des Kindes 1 000 Euro, das Erziehungsgeld wird nicht bedarfsmindernd angerechnet, sie hat gegen V einen Anspruch i.H.v. 1 000 Euro. Im 3. Lebensjahr des Kindes übt M eine Teilzeitbeschäftigung aus und verdient 500 Euro. Da sie zur Ausübung der Tätigkeit nicht verpflichtet ist und der Unterhaltspflichtige in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, findet auch für diesen Zeitraum keine Anrechnung statt. – M bekommt nach dem 1.1.2007 ein Kind. Ihr Verdienst betrug in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt 1 000 Euro. Sie ist nicht erwerbstätig und bezieht ein Elterngeld von 670 Euro (67 % von 1 000 Euro). Sie hat gegen den Vater einen Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 630 Euro: Von dem Elterngeld i.H.v. 670 Euro stehen ihr ungeschmälert 300 Euro ohne Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf zu. 370 Euro muss sie sich auf ihren Bedarf von 1 000 Euro anrechnen lassen, so dass noch ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 630 Euro besteht.
79 OLG München, FamRZ 1999, 1166. 80 BVerfG, FamRZ 2000, 1149. 81 Wegen der geplanten Kürzung des Elterngeldes auf 65 % empfiehlt sich die Überprüfung des Werts unter dem Schlagwort Elterngeld z.B. unter http://www.bmfsfj.de oder http://de.wikipedia.de.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
Freiwillige Leistungen Dritter mindern ebenfalls im Verhältnis zum Verpflichteten nicht den Bedarf; denn sie werden im Zweifel nicht erbracht, um den nichtehelichen Vater von seiner Unterhaltspflicht zu entlasten. Vermögen hat die Mutter zum Bestreiten ihres Bedarfs einzusetzen. Die Verwertung der Substanz des Vermögens ist allerdings dann nicht zumutbar, wenn das Vermögen benötigt wird, um eine angemessene Altersvorsorge zu sichern.82 c) Leistungsfähigkeit des Vaters Dem Unterhaltspflichtigen steht ein nach seiner Lebensstellung angemessener 320 Unterhalt als Eigenbedarf zu. Denn unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). Um die Leistungsfähigkeit festzustellen, ist zunächst das Durchschnittseinkom- 321 men des Vaters zu ermitteln und das Einkommen um berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten zu bereinigen. Zur Klärung und Bereinigung des Einkommens wird auf die Darstellung in Kap. A II 2 und 3, Rn. 31 ff. und 67 ff. verwiesen. Für vorhandenes Vermögen gilt, dass es ebenfalls zum Bestreiten des Unterhalts einzusetzen ist.83 Im Übrigen gelten für die unterhaltsrechtliche Bereinigung des Einkommens beim unterhaltspflichtigen Vater folgende Besonderheiten: Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus ist pauschal neben der Berücksichtigung 322 von berufsbedingten Aufwendungen bei der Einkommensbereinigung nach der Rechtsprechung des BGH dann gerechtfertigt, wenn der Anspruch der Mutter in der Höhe durch Halbteilung zu begrenzen ist. Denn wegen der angestrebten weitgehenden Angleichung der Unterhaltsansprüche nicht verheirateter, getrennt lebender und geschiedener Mütter soll für alle Ansprüche der Halbteilungsgrundsatz i.S. einer Anspruchsbegrenzung gelten und gleichermaßen der Grundsatz, dass der nicht verheirateten Mutter kein höherer Unterhalt zustehen soll als der geschiedenen Mutter. Für Eltern, die zusammengelebt haben, hat der BGH den Vorabzug eines Erwerbstätigenbonus auch ausdrücklich bestätigt.84 Die Höhe des abzugsfähigen Erwerbstätigenbonus, wie er für den Ehegattenunterhalt gilt, ist in den Leitlinien unterschiedlich geregelt, vgl. dazu Nr. 15.2. Ist der Anspruch nicht durch Halbteilung zu begrenzen, erfolgt bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit auch kein Abzug, denn der Erwerbsanreiz ist im angemessenen Eigenbedarf berücksichtigt. Abzuziehen sind sämtliche den bisherigen Lebensstandard bestimmende Ver- 323 bindlichkeiten, soweit sie nicht in den Selbstbehaltssätzen der Leitlinien berücksichtigt sind. Nicht abzugsfähig sind Verbindlichkeiten, die ohne wichtigen Grund in Kenntnis der Unterhaltspflicht eingegangen worden sind und im Hinblick auf die Ansprüche beider Eltern auf angemessenen Unterhalt nicht anerkennenswert sind. Insoweit gelten die üblichen Grundsätze (vgl. Rn. 76 ff.). 82 KG Berlin, FPR 2003, 671; BGH, FamRZ 2006, 1362, 1368. 83 BGH, FamRZ 1986, 48, 50 zu den Anforderungen an die Verwertung von Vermögen beim Verwandtenunterhalt. 84 BGH, FamRZ 2005, 442, 443, unter Nr. 1b aa).
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern Beispiele – V hat ein Einkommen von mtl. 1 500 Euro und kauft sich, obwohl ihm seine Freundin schon von der Schwangerschaft berichtet hatte, einen neuen PKW, für den er mtl. Raten von 200 Euro zu zahlen hat. Da V auf die berufliche Nutzung des PKW nicht angewiesen ist und eine Veräußerung nicht mit gravierenden finanziellen Einbußen verbunden ist, ist diese Verbindlichkeit nicht leistungsmindernd zu berücksichtigen. – M hat einen Bedarf von 1 000 Euro. V hat ein (um berufsbedingte Aufwendungen und Erwerbstätigenbonus) bereinigtes Einkommen von mtl. 1 500 Euro, bewohnt eine Eigentumswohnung, für die er mtl. Belastungen von 300 Euro zu tragen hat. Die ersparte Miete beträgt 800 Euro. Er ist in voller Höhe leistungsfähig: 1 500 Euro Einkommen + 800 Euro ersparte Miete – 300 Euro Belastungen = 2 000 Euro – 1 000 Euro Selbstbehalt = 1 000 Euro.
324 Hat die Mutter auch einen Unterhaltsanspruch gegen ihren (früheren) Ehemann wegen der Betreuung ehelicher Kinder, haften der Vater des nichtehelichen Kindes und der Ehemann als Teilschuldner nach ihrer Leistungsfähigkeit für den Bedarf gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB wie „gleich nahe Verwandte“ in entsprechender Anwendung von § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.85 Da § 1606 Abs. 3 BGB nur entsprechende Anwendung findet, ist bei der Bestimmung der Haftungsquote auch Raum für eine Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Fallgestaltung wie Anzahl, Alter, Entwicklung und Betreuungsbedürftigkeit der jeweiligen Kinder. Von Bedeutung wäre z.B., wenn die Mutter wegen der Betreuung ehelicher Kinder eine Teilzeitbeschäftigung ausüben könnte, wegen des jüngsten Kindes aber daran gehindert ist.86 Im Unterhaltsstreitverfahren hat die Mutter bei Teilschuldnerschaft des Ehegatten und des Vaters des nichtehelichen Kindes nicht nur die Leistungsfähigkeit des Vaters darzutun und zu beweisen, sondern auch die Einkommensverhältnisse des Ehemannes.87 324a Beruft sich der unterhaltspflichtige Vater darauf, jetzt weniger als zuvor zu verdienen oder seine Arbeit verloren zu haben, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm geltend gemachte eingeschränkte oder weggefallene Leistungsfähigkeit. Dazu gehört, dass er seine Bemühungen um eine neue Arbeit dartut. Denn bei unverschuldeter längerfristiger Arbeitslosigkeit entfällt oder verringert sich die Zahlungspflicht nur dann, wenn der Verpflichtete alle ihm möglichen Anstrengungen unternommen hat, eine neue Arbeit zu finden, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten. Er muss deshalb in nachprüfbarer Weise dem Berechtigten vortragen, welche Schritte er im Einzelnen zu dem Zweck unternommen hat, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen.88 Tut er dies in vorwerfbarer Weise nicht, muss er sich ein fiktives Einkommen in Höhe des für ihn nach seiner Leistungsfähigkeit erzielbaren Einkommens zurechnen lassen.89 Auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt obliegt dem Unterhaltspflichti85 BGH, FamRZ 2005, 357 f., im Anschluss an BGH, FamRZ 1998, 541, 544; 2008, 1739, 1744. 86 BGH, FamRZ 2007, 1303 ff.; 2008, 1739, 1744. 87 BGH, FamRZ 2007, 1303 ff.; 2008, 1739, 1744. 88 BGH, FamRZ 1996, 345; zur Darlegungslast des Berechtigten BGH, FamRZ 1986, 244, 246; Ehinger, Hinweise für Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, FPR 2000, 17. 89 Zu den Bemessungskriterien eines fiktiven Einkommens vgl. Rn. 57 ff.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
gen, der sich auf die Leistungsunfähigkeit beruft, die Darlegungs- und Beweislast.90 Nach der Klärung der Höhe des verteilungsfähigen Einkommens des Vaters ist zu 325 prüfen, ob dem Verpflichteten bei Zahlung des errechneten Bedarfs der Mutter der eigene, ihm zustehende angemessene Bedarf verbleibt. Der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten richtet sich nach den individuellen Verhältnissen seiner Lebensstellung, also seinem Einkommen, Vermögen und seinem sozialen Status.91 Da das Gesetz keine konkreten Werte zum angemessenen Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen angibt, ist dieser zwar einerseits individuell zu bestimmen, andererseits sind objektive Grenzen – nach unten und nach oben – im Unterhaltsrecht zu beachten, die sich aus der Zweckbestimmung des Unterhalts ergeben. Die obere Grenze der Inanspruchnahme ergibt sich aus dem Gerechtigkeitsgedanken, nach dem dem Verpflichteten ein gleich hoher Betrag für seinen eigenen Unterhaltsbedarf zur Verfügung zu stehen hat, wie dem Berechtigten unter Einbeziehung von dessen Einkünften zuzüglich des zu zahlenden Unterhalts. Denn es gilt der Grundsatz, dass nach Sinn und Zweck des Unterhaltsrechts der Verpflichtete wegen der Zahlung des Unterhalts nicht bedürftiger sein darf als der Berechtigte. Dieser Grundsatz konkretisiert sich nach der Rechtsprechung des BGH im Halbteilungsgrundsatz in seiner bedarfsbegrenzenden Funktion.92 Beispiel M verdiente bereinigt 3 000 Euro, bevor sie wegen der Kindesbetreuung ihre Arbeit aufgab. Ihr Bedarf liegt zwar bei 3 000 Euro. Sie erhält von V aber nicht mehr als 1 500 Euro, der bereinigt ebenfalls 3 000 Euro verdient. Ihm muss genauso viel zum Leben zur Verfügung stehen wie M.
Die untere Grenze der Inanspruchnahme bildet der angemessenen Eigenbedarf, der dem Verpflichteten für seine Lebensführung i.d.R. zu verbleiben hat, denn § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB verweist auf die entsprechende Anwendung von § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Der BGH hat den angemessenen Eigenbedarf unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des § 1615l Abs. 2 BGB, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil während der ersten drei Lebensjahre zu sichern, und wegen der Vergleichbarkeit des Anspruchs mit dem Betreuungsunterhaltsanspruch zwischen Ehegatten, für den Regelfall als Mittelwert zwischen dem angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) definiert.93 Damit ist die Höhe der Eigenbedarfssätze bei allen Betreuungsunterhaltsansprüchen, egal ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht, angeglichen. Nach den Leitlinien der OLG, Stand 1.1.2010, liegt der dem unterhaltspflichtigen Elternteil zustehende angemessene Selbstbehalt bei 1 000 Euro, wobei i.d.R. nicht 90 BGH, FamRZ 1996, 345; s. Rn. 60b zur realen Beschäftigungschance m.w.N. 91 BGH, FamRZ 2005, 353 ff. zu den Kriterien der Bestimmung des angemessenen Eigenbedarfs des Verpflichteten bei § 1615l BGB. 92 BGH, FamRZ 2005, 442, 443; 2007, 1303 ff. 93 Vgl. die Grundsatzentscheidungen des BGH zum angemessenen Eigenbedarf in FamRZ 2005, 363 ff. zu § 1615l BGB und in FamRZ 2006, 683 ff. Zum Trennungs- und Nacheheunterhalt s. Rn. 518 (Nacheheunterhalt), 408 (Trennungsunterhalt).
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
mehr differenziert wird zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen.94 Soweit in Ausnahmefällen auch der notwendige Selbstbehalt gemäß § 1603 Abs. 2 BGB maßgeblich sein kann, liegen die Beträge bei 900 Euro/770 Euro.95 Die Selbstbehaltssätze stellen – wie bei allen Unterhaltsrechtsverhältnissen – nur eine Orientierungshilfe für den Regelfall dar und sind anhand der individuellen Verhältnisse im Rahmen einer abschließenden Billigkeitsprüfung zu überprüfen und ggf. für den Einzelfall zu korrigieren. 4. Beschränkung oder Wegfall des Unterhalts nach § 1611 BGB 325a Auf die Unterhaltsansprüche der nichtehelichen Mutter finden die Vorschriften des Verwandtenunterhalts entsprechende Anwendung, also auch § 1611 Abs. 1 BGB. Danach braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, der der Billigkeit entspricht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen ihn oder einem nahen Angehörigen schuldig gemacht hat (§ 1611 Abs. 1 BGB). Der Verwirkungsgrund setzt einen vorsätzlichen und schuldhaften Verstoß des Unterhaltsberechtigten gegen gewichtige, ihm auferlegte Pflichten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen oder dessen Rechte voraus. Dabei genügt nicht jede Verfehlung, sondern sie muss schwer wiegen. Als Beispiele kommen in Betracht tätliche Angriffe, ständige grobe Beleidigungen, vorsätzliche Kränkungen, falsche Anschuldigungen, Schädigungen des Verpflichteten in seiner beruflichen Stellung oder Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz.96 Die Annahme einer schwerwiegenden vorsätzlichen Verfehlung setzt eine umfassende Prüfung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände voraus, also auch das Verhalten des Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zum Unterhaltsberechtigten und nicht nur umgekehrt. Man wird einen strengen Maßstab an das Vorliegen einer schweren Verfehlung bei nicht verheirateten Eltern anlegen müssen, denn es handelt sich um ein auf drei Jahre angelegtes Unterhaltsrechtsverhältnis, das ausschließlich auf den Gedanken beruht, dass dem Kind eine Betreuung durch die Mutter vor allem in den ersten drei Lebensjahren zukommen soll. Keine Rolle spielt deshalb dem Grundsatz nach das Verhältnis der Eltern zueinander. Liegt eine schwere Verfehlung vor, sind die Besonderheiten des Unterhaltsrechtsverhältnisses zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes nochmals auf der Rechtsfolgenseite bei der Bemessung des Billigkeitsunterhalts zu berücksichtigen, denn die Betreuung des Kindes soll gewährleistet bleiben. Deshalb sollte die Mutter trotz schwerer Verfehlung wenigstens den Mindestbedarf nach Maßgabe der Leitlinien erhalten. Insoweit können bei der Bemessung des Billigkeitsunterhalts, die von der Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhaltsanspruch entwickelten Grundsätze bei Verfehlungen nach § 1579 BGB entsprechend angewendet werden, nach denen dem Berechtigten für die Dauer der Betreuung wenigstens der Mindestbedarf zuzugestehen ist.97 Liegen die Voraussetzungen für eine Kürzung des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB vor, ist von der Mutter bezogenes Erziehungs- oder Elterngeld bei der Unter94 95 96 97
Vgl. zum aktuellen Stand jew. Nr. 21.3.2 der LL und DT, Anm. D II. BGH, FamRZ 2005, 353 ff. Palandt/Diederichsen, § 1611, Rn. 5,6; Bamberger/Reinken, § 1611 BGB Rn. 4. BGH FamRZ 1997, 483; 1989, 1279. Peschel-Gutzeit regt für die Reformgesetzgebung an, die entsprechende Anwendung des § 1579 BGB in § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB zu regeln, FPR 2005, 345, 348.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
haltsberechnung nach § 9 Satz 2 BErzGG bzw. das Elterngeld nach § 11 Satz 4 BEEG als Einkommen der Mutter zu berücksichtigen.98 5. Rangverhältnisse und Ersatzhaftung a) Rangverhältnisse ab 1.1.2008 Reichen die Einkünfte des Vaters nicht aus, die Unterhaltsansprüche der Mutter 326 und weiterer Unterhaltsbedürftiger zu befriedigen, sind die Ansprüche gemeinsamer und nicht gemeinsamer minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegierter volljähriger Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) vorrangig zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 BGB). Die Mutter eines nichtehelichen Kindes folgt mit ihrem Anspruch wegen Kindesbetreuung99 seit 1.1.2008 im 2. Rang neben der kinderbetreuenden verheirateten Mutter und neben Ehegatten, die wegen der langen Dauer der Ehe einen Unterhaltsanspruch haben (§ 1609 Nr. 2 BGB). Verbleibt dem Verpflichteten nach Abzug bevorrechtigter Unterhaltsansprüche noch ein über dem angemessenen Selbstbehalt von 1 000 Euro liegendes Mehreinkommen, steht dieses zur Befriedigung des errechneten Bedarfs der Mutter und ggf. gleichrangig Berechtigter zur Verfügung. Beispiel M (18 Jahre) hat einen Unterhaltsbedarf von 730 Euro und keine eigenen Einkünfte. Der verheiratete Vater ihres nichtehelichen Kindes V hat ein bereinigtes Einkommen von 2 000 Euro, von dem er 800 Euro Unterhalt für seine ehelichen und nichtehelichen minderjährigen Kinder zahlen muss. Für M bleiben 200 Euro: bereinigtes Einkommen des V Kindesunterhalt abzüglich Selbstbehalt Es verbleiben für M
2 000 800 1 000 200
Euro Euro Euro Euro
Zur Berechnung von Ehegattenunterhalt und einem gleichrangigen Anspruch nach § 1615l BGB s. das Berechnungsbeispiel unter Rn. 398. b) Ersatzhaftung Ist der Vater des Kindes nicht leistungsfähig, hat die Mutter einen Ersatzanspruch 326a nur gegen ihre eigenen Eltern, nicht aber gegen die des Vaters (§ 1607 BGB).100 Nimmt sie ihre Eltern auf Unterhalt in Anspruch, können diese für sich den angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beanspruchen, der zurzeit 1 100 Euro beträgt (zur Berechnung der Haftungsanteile der Eltern und Höhe des Selbstbehalts s. Rn. 220 ff.). Beispiel F hat wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Vaters ihres Kindes noch einen ungedeckten Bedarf von 530 Euro. Diesen Restbedarf kann F von ihren Eltern verlangen, die gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 und 2, § 1607 Abs. 1 BGB) ersatzweise anteilig haften. Da ihre Mutter 1 500 Euro und ihr Vater 2 000 Euro verdienen, ergibt sich nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts der Eltern von je 1 100 Euro eine Verteilungsmasse von 1 300 Euro (400 Euro + 900 Euro) für den Bedarf der F. Davon haben die Eltern nach ihren 98 Vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1995, 674 für den Nacheheunterhalt. 99 Palandt/Diederichsen, § 1615l BGB Rn. 33 f. 100 OLG Nürnberg, FamRZ 2001, 1322.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern Haftungsquoten, die sich nach dem Verhältnis ihrer verteilungsfähigen Einkommen richten, folgende Beträge zu zahlen: M: 163 Euro (400 Euro × 530 Euro : 1 300 Euro) V: 367 Euro (900 Euro × 530 Euro : 1 300 Euro)
Die Ersatzhaftung der Eltern der nichtehelichen Mutter erstreckt sich wegen Mutterschaftsunterhalt nach § 1615l Abs. 1 BGB auf die Zeit von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes, denn insoweit besteht für die Mutter ein Beschäftigungsverbot (§§ 3, 6 MuSchG). Die Ersatzhaftung für den Anspruch wegen Betreuung des Kindes nach § 1615l Abs. 2 BGB ist in der Regel auf den Zeitraum begrenzt, für den die nichteheliche Mutter den Vater des Kindes auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen werden könnte, also i.d.R. auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes.101 Bezieht die Tochter Elterngeld oder Erziehungsgeld, ist das Elterngeld, soweit es 300 Euro übersteigt, bedarfsmindernd im Unterhaltsrechtsverhältnis Tochter/Eltern zu berücksichtigen, das Erziehungsgeld hingegen nicht (§ 9 BerzGG; § 11 BEEG). Die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit eines kinderbetreuenden volljährigen Kindes sind im Verhältnis zu ihren Eltern nach den Maßstäben zu messen sein, die auch im Verhältnis zum nichtehelichen Vater gelten, d.h. es wird im Grundsatz für die ersten drei Jahre keine Erwerbsobliegenheit zu verlangen sein. Ein strengerer Maßstab ist jedoch dann anzulegen, wenn die Eltern in engen wirtschaftlichen Verhältnissen leben.102 Der BGH ist zwar in einer Entscheidung von 1985103 noch von einer Erwerbsobliegenheit nach Ablauf des Mutterschutzes ausgegangen, ausgenommen, dass keine Fremdbetreuungsmöglichkeit für das Kind besteht. Zu diesem Zeitpunkt sah § 1615l BGB in seiner damaligen Fassung jedoch nur einen auf 1 Jahr begrenzten Unterhaltsanspruch der Mutter gegen den Vater mit dem Vorrang elterlicher Betreuung vor, was die Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben dürfte.104 Letztlich spielen Ersatzansprüche gegenüber Eltern in der Praxis für diese Zeitspanne im Hinblick auf die geltenden Regelungen im Sozialhilferecht (§ 11 Abs. 4 Sätze 2–4 SGB XII) und zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) keine nennenswerte Rolle, denn die nichteheliche Mutter hat Ansprüche auf Leistungen, aber keine Erwerbspflicht während der Schwangerschaft und bis zum 3. Lebensjahr ihres Kindes. Ab Vollendung des 3. Lebensjahres besteht ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz und deshalb auch eine Erwerbsobliegenheit, sofern die Möglichkeit der Fremdbetreuung vorhanden ist. Bezieht die Tochter Sozialleistungen nach dem SGB XII oder Arbeitslosengeld nach dem SGB II, werden die Eltern nicht vom Träger der Leistung in Regress genommen, denn es findet insoweit gem. § 33 Abs. 2 SGB II und § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB kein gesetzlicher Forderungsübergang hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seine Eltern während der Schwangerschaft und bis zum 6. Lebensjahr des Kindes statt.105 Mit diesen Regelungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Schwangere nicht davon abgehalten werden, Leistungen nach dem 101 102 103 104
OLG Frankfurt, FPR 2009, 485 f. OLG München, FamRZ 1999, 1166; BGH FamRZ 1985, 1245, 1246. BGH, FamRZ 1985, 1245, 1246. Erst seit 1995 besteht ein Betreuungsunterhaltsanspruch für die Mutter bis zum 3. Lebensjahr, der seit 1.7.1998 bei grober Unbilligkeit und seit 1.1.2008 aus Billigkeitsgründen verlängert werden kann. 105 A.A. OLG Frankfurt, FPR 2009, 485, 488.
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II. Unterhaltsanspruch der Mutter
SGB II in Anspruch zu nehmen, weil sie den Regress des Leistungsträgers bei den Eltern fürchten müssen und in diesem Falle unter Umständen dem Druck ausgesetzt werden, das Kind nicht zur Welt zu bringen. 106 Bezieht die nichteheliche Mutter Leistungen nach dem SGB II, gilt es nach Nr. 2.2 der Leitlinien als Einkommen, also bedarfsdeckend, da der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nach § 33 Abs. 2 SGB II nicht Kraft Gesetzes übergeht. Ist die nichteheliche Mutter noch verheiratet, sind ihre Ansprüche gegen den Va- 327 ter des Kindes vorrangig im Verhältnis zu Ansprüchen gegen den Ehemann, soweit sie nicht wegen der Betreuung ehelicher Kinder bestehen. Der Vorrang der Haftung des Vaters gegenüber dem Ehemann ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 1615l Abs. 3 Satz 2 BGB, nach dem die Unterhaltspflicht des Vaters der der Verwandten vorgeht.107 Der Vorrang gilt dann nicht, wenn die Mutter auch Kinder aus der Ehe betreut und noch einen Betreuungsunterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann hat. Dann haften Vater und Ehemann als Teilschuldner nebeneinander in entsprechender Anwendung von § 1606 Abs. 3 BGB.108 c) Rangverhältnisse bis zum 31.12.2007 Unterhaltsansprüche der nichtehelichen Mutter spielten nach der Rechtslage bis 327a zum 31.12.2007 in der Praxis kaum ein Rolle, was nicht zuletzt mit der bis dahin geltenden Rangfolge zusammenhängt: Wegen Unterhalts für die Zeit bis 31.12.2007 gehen die Ansprüche des nichtehelichen Kindes sowie anderer minderjähriger und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder und die der (geschiedenen) Ehefrau denen der nichtehelichen Mutter vor (§ 1615l Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 1609 BGB a.F.). Die Mutter des nichtehelichen Kindes kann nur Unterhalt beanspruchen, soweit nach Abzug der vorrangigen Ansprüche noch verteilungsfähiges Geld verbleibt unter Berücksichtigung eines dem Verpflichteten zustehenden Selbstbehalts von 1 000 Euro. 6. Unterhalt für die Vergangenheit Für die Vergangenheit kann die unterhaltsberechtigte Mutter i.d.R. Erfüllung 328 oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Ohne diese Einschränkungen können jedoch verlangt werden: – Unterhalt für Sonderbedarf (z.B. nach § 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB) binnen eines Jahres nach Entstehung (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB); – Unterhalt für Sonderbedarf auch für solche Zeiträume, in denen der Berechtigte aus rechtlichen Gründen keinen Unterhalt verlangen konnte (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB), insbesondere weil die Vaterschaft noch nicht rechtswirksam anerkannt oder festgestellt war; 106 LSG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2008, FEVS 59, 424 m.w.N. 107 Palandt/Diederichsen, § 1615l BGB Rn. 33; OLG Koblenz, FamRZ 1981, 92; a.A. Schilling/Wever, FamRZ 2002, 581, 589. 108 BGH, FamRZ 2005, 357; 1998, 541, 543 m.w.N.; 2008, 1739, 1744; vgl. dazu die Ausführungen zur Haftung des Ehemannes und des Vaters als Teilschuldner unter Rn. 309.
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E. Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern
– regulärer Unterhalt für die Vergangenheit, wenn er aus tatsächlichen Gründen gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen (z.B. bei unbekanntem Aufenthalt des Verpflichteten), oder aus rechtlichen Gründen gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB nicht rechtzeitig gefordert werden konnte. 329 Für rückständigen Unterhalt können Verzugszinsen verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet (§ 286 Abs. 1 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 159 ff. verwiesen. 7. Verwirkung von Unterhaltsrückständen nach § 242 BGB 329a Ist die Vaterschaft rechtswirksam geklärt und bestehen auch ansonsten keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse an der Geltendmachung von Unterhalt, ist die Mutter gehalten, ihre Ansprüche zeitnah gegenüber dem Vater geltend zu machen, ansonsten droht deren Verwirkung (vgl. Rn. 241). 8. Verjährung 330 Gemäß § 197 Abs. 2 i.V.m. § 195 BGB gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist jeweils das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Bei ungeklärter Vaterschaft beginnt die Verjährungsfrist nicht vor Eintritt der Rechtswirksamkeit der Anerkennung oder gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft zu laufen (§ 1594 Abs. 1, § 1600d Abs. 4 BGB). 9. Prozesskostenvorschuss 331 Es besteht kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss zwischen den Eltern eines nichtehelichen Kindes. Das entsprechend anwendbare Unterhaltsrecht zwischen Verwandten sieht einen solchen Anspruch nicht vor. Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss in § 1360a Abs. 4 BGB explizit nur zwischen verheirateten Ehegatten geregelt, was nach der Rechtsprechung des BGH109 im Umkehrschluss dafür spricht, dass er nicht selbstverständlicher Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verpflichteten ein Unterhaltsrechtsverhältnis ist, das durch ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Opferbereitschaft aufseiten des Verpflichteten geprägt ist. Davon kann zwar im Verhältnis von unterhaltspflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen und in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kindern110 ausgegangen werden, nicht jedoch im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen den Eltern eines nichtehelichen Kindes, denn auch die geschiedene Mutter, deren Situation mit der der nichtehelichen Mutter vergleichbar ist, hat keinen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss.111
109 BGH, FamRZ 1984, 148; BGH, FamRZ 2005, 883, 885. 110 So die überwiegende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, vgl. u.a. OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 981 f. mit Rechtsprechungsnachweisen auch für die abweichende Meinung; OLG Hamm, DAVorm 1995, 1011 f.; OLG Köln, FamRZ 2000, 757; OLG Hamm, FamRZ 2000, 255; Wendl/Scholz, § 6 Rn. 22. 111 BGH, FamRZ 2005, 883, 885. Zum Reformbedarf vgl. Schilling, FPR 2005, 513, 516; a.A. OLG München, FamRZ 2002, 1219.
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III. Unterhaltsanspruch des Vaters
III. Unterhaltsanspruch des Vaters Auch der Vater hat einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter, wenn er das 332 nichteheliche Kind betreut. Sein Unterhaltsanspruch ist dem der Mutter angepasst; denn nach § 1615l Abs. 4 BGB steht ihm ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB gegenüber der Mutter zu, § 1615l Abs. 3 BGB gilt entsprechend. Bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift auf den Vater kann der Anspruch nicht erst für die Zeit nach Ablauf von 8 Wochen nach der Geburt geltend gemacht werden, sondern auch schon während der Mutterschutzzeit, wenn die Mutter dem Vater das Kind schon kurzfristig nach der Geburt überlässt (§ 1615l Abs. 1 BGB).112 Das Gesetz bindet den Anspruch nicht an eine Übertragung der elterlichen Sorge für das Kind. Wegen der Berechnung des Unterhalts wird auf die Ausführungen zum Unterhaltsanspruch der Mutter verwiesen. Die Ausführungen ab Rn. 304 ff. gelten sinngemäß auch für den Vater.
112 Zur Auslegung vgl. Büdenbender, FamRZ 1998, 129, 138 mit synoptischer Übersicht der Ansprüche der Eltern.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten I. Grundsätze zur Abgrenzung des Trennungsunterhalts vom Familienund Nacheheunterhalt Wenn Ehepartner sich trennen, stellt sich die Frage nach dem Unterhalt. Kann 333 der wirtschaftlich schwächere Ehegatte im Fall der Trennung Unterhalt verlangen und wie viel? Solange Ehepartner in häuslicher Lebensgemeinschaft zusammenleben, schul- 334 den sie sich wechselseitig Familienunterhalt (§ 1360 BGB), d.h., sie sind beide verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Jeder leistet entsprechend der vereinbarten Aufgabenteilung in der Familie seinen Beitrag zum Familienunterhalt, z.B. durch Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Kindesbetreuung und mit seinem Vermögen. Wird die häusliche Lebensgemeinschaft durch die Trennung beendet, endet der Anspruch auf Familienunterhalt und wandelt sich für den bedürftigen Ehegatten in einen persönlichen Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) und später, nach der Scheidung, auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB). Für den Trennungs- und Geschiedenenunterhalt gelten unterschiedliche Maßstäbe: Da während des Getrenntlebens noch das rechtliche Band der Ehe zwischen den Ehepartnern besteht und häufig noch nicht abzusehen ist, ob die Ehe tatsächlich geschieden wird, werden beim Trennungsunterhalt weniger strenge Anforderungen an die Eigenverantwortung des bedürftigen Ehegatten gestellt. Denn solange das rechtliche Band der Ehe noch besteht, sind die Ehegatten zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet, und die Zerrüttung der Ehe soll nicht noch durch eine drastische Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gefördert werden. Der Status quo der wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die bisherige Aufgabenverteilung einschließlich des Umfangs der Erwerbstätigkeit, soll zunächst möglichst aufrechterhalten werden. Deshalb haben auch beide Ehegatten noch bis zur Scheidung gleichberechtigt teil an der wirtschaftlichen Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse. Anders nach der Scheidung der Ehe: Nunmehr soll jeder Ehegatte wieder für sich selbst sorgen, so dass der zum Zeitpunkt der Scheidung erzielte Lebensstandard Maßstab für die Höhe des Unterhalts bleibt. Allerdings gilt sowohl für den Trennungsals auch den nachehelichen Unterhalt, dass Veränderungen des Einkommens, die sich zwischen Trennung und Scheidung aber auch nach der Scheidung ergeben, grundsätzlich für die Bedarfsberechnung beachtlich sind, soweit diese auch während des Zusammenlebens aufgrund einer absehbaren Entwicklung hätten hingenommen werden müssen.1 Darunter fällt insbesondere die normale Fortentwicklung des Einkommens, was sowohl für Steigerungen als auch Minderungen der Einkünfte gilt. Nicht beachtlich sind dagegen unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklungen, z.B. ein deutlich erhöhtes Einkommen aufgrund eines erst nach der Trennung eingetretenen Karrieresprungs.2 Ebenso wenig sind Verringerungen des Einkommens beachtlich, die auf ein vorwerfbares 1 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; 1982, 575, 576; 1982, 892, 893; 1986, 244, 245; 1994, 228; 1992, 1045, 1046. 2 Vgl. zum Karrieresprung Rn. 368. Zum Begriff der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse s. Rn. 483a.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Verhalten des getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten zurückzuführen sind.3
II. Anspruchsvoraussetzungen 335 Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1, 1. Halbs. BGB). Voraussetzungen für den Anspruch sind, dass die Ehegatten 1. getrennt leben, 2. ein Ehegatte unterhaltsbedürftig ist, weil er seinen Unterhaltsbedarf nicht aus eigenen Einkünften decken kann, und 3. der Anspruchsgegner zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs in der Lage, d.h. leistungsfähig ist; denn Unterhalt muss nicht zahlen, wer wegen der Erfüllung der Unterhaltspflicht selbst bedürftig wird. Der Unterhaltsanspruch ist gerichtet auf eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente (§ 1361 Abs. 4 BGB) und umfasst den gesamten Lebensbedarf als Summe der individuellen Einzelbedürfnisse, die ein menschenwürdiges Dasein sichern (Elementarbedarf). Zum gesamten Lebensbedarf gehört auch regelmäßig auftretender Mehrbedarf, wie z.B. die Kosten für eine Fortbildung oder Umschulung, für die Krankenvorsorge, krankheitsbedingten Mehrbedarf und ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags auch die Kosten einer angemessenen Altersversicherung und Versicherung für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit (sog. Trennungsvorsorgeunterhalt – § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Anspruch auf Trennungsunterhalt umfasst neben dem laufenden Unterhaltsbedarf auch Sonderbedarf. Unter Sonderbedarf fällt ein unregelmäßig auftretender nicht vorhersehbarer, außerordentlich hoher Bedarf, wie er z.B. aufgrund einer Behinderung oder schweren Erkrankung auftreten kann für Arztkosten, Rollstuhl, Prothesen etc., der aus laufenden Einkünften nicht finanziert werden kann (§§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 2 Satz 1 BGB, vgl. auch zur Begriffsbestimmung Rn. 120). 336 Maßstab für die Bemessung des Unterhalts ist der eheangemessene Lebensbedarf (§ 1361 Abs. 1 BGB), der sich nach den prägenden individuellen ehelichen Lebensverhältnissen richtet. D.h. bei der Berechnung der Höhe des Unterhalts wird abgestellt auf das den Ehegatten für den Unterhalt zur Verfügung stehende Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen, also auf den individuellen Lebensstandard der Familie. Denn es gibt keinen Mindestbedarf4 oder pauschalierten Bedarf nach Tabellen. Der Unterhalt wird vielmehr pauschaliert als Quotenunterhalt nach dem Grundsatz der Halbteilung (s. nachfolgend Rn. 337) aus den bedarfsprägenden Einkünften der Ehegatten errechnet. Möglich ist aber auch eine konkrete Berechnung des Bedarfs, die sich bei überdurchschnittlich hohen Einkommen anbietet (Rn. 375).
3 BGH, FamRZ 2009, 1207 ff. m.w.N. zum Nacheheunterhalt; BGH, FamRZ 2007, 1532 ff. zum Trennungsunterhalt. 4 Ein Mindestbedarf i.S. eines Existenzminimums spielt nach neuer Rechtsprechung des BGH lediglich eine Rolle bei der Verteilung knapper Mittel mit Hilfe der Mangelfallberechnung, BGH, FamRZ 2005, 97 ff., 2003, 363, 365; vgl. Rn. 413 ff., 416. Für die Einführung eines Mindestbedarfs beim Ehegattenunterhalt plädiert Gerhardt, FamRZ 2009, 1114 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Da beide Ehegatten an dem durch die Einkünfte bestimmten Lebensstandard und dessen Weiterentwicklung nach der Trennung grundsätzlich gleichen Anteil haben,5 ist für die Anspruchsklärung des laufenden und zukünftigen Unterhalts auf das aktuelle, den Ehegatten zur Verfügung stehende Einkommen abzustellen (Rn. 355 ff.). Da der Quotenunterhalt, d.h. die Aufteilung der Einkommen der Ehegatten, immer auf der Grundlage des bereinigten, verteilungsfähigen Einkommens der Ehegatten errechnet wird, ist das Einkommen zunächst um Verbindlichkeiten zu bereinigen. Verbindlichkeiten der Ehegatten werden von dem festgestellten Einkommen abgezogen, wenn sie schon die ehelichen Lebensverhältnisse während des Zusammenlebens geprägt haben. Soweit nach der Trennung erhöhte Kosten entstehen, die auf unabwendbaren und nicht leichtfertig eingegangenen Verbindlichkeiten beruhen, sind diese ebenfalls einkommensmindernd zu berücksichtigen, denn auch nach der Trennung haben beide Ehegatten teil sowohl an positiven als auch negativen Entwicklungen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.6 Zur Entwicklung der Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen und deren Bedeutung für die Berücksichtigungswürdigkeit von einseitig eingegangenen Verbindlichkeiten nach der Trennung und neu hinzugekommenen Unterhaltspflichten s. Rn. 380 ff. Von den für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünften beider Ehegatten 337 steht jedem die Hälfte zu (Grundsatz der Halbteilung7). Dabei hat sich bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit in der Praxis durchgesetzt, dass neben berücksichtigungswürdigen Belastungen, zu denen auch berufsbedingte Aufwendungen (Rn. 353a) gehören, noch ein Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen abgezogen wird.8 Dies führt zu einer moderaten Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz, die nach der Rechtsprechung des BGH gerechtfertigt ist, denn dem Erwerbstätigenbonus kommt folgende Doppelfunktion zu: Für den Erwerbstätigen soll durch einen maßvoll höheren Anteil an seinem Arbeitseinkommen ein Anreiz für die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit geschaffen werden. Ferner soll mit dem Bonus dem typischerweise mit der Berufstätigkeit verbundenen erhöhten Aufwand, auch soweit er sich nicht in konkret messbaren Kosten niederschlägt, Rechnung getragen werden.9 Der BGH hat den Abzug eines pauschalen Erwerbstätigenbonus zwar grundsätzlich gebilligt,10 allerdings auch die Notwendigkeit der individuellen Kontrolle der Angemessenheit im Einzelfall betont, um eine zu starke Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz zu vermeiden. Denn sind bereits berufsbedingte Aufwendungen einkommensmindernd berücksichtigt, kann ein pauschaler Abzug eines Erwerbstätigenbonus den Unterhaltsbedürftigen unangemessen benachteiligen, weil einer der beiden Zweckbestimmungen des Erwerbstätigenbonus bereits durch den Abzug der berufsbedingten Aufwendungen Genüge getan ist.11 So führt schon der kombinierte Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe der üblichen 5 % und eines Erwerbs5 BGH, FamRZ 1980, 770; 1984, 561, 562; 1986, 244, 245. 6 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. (Grundsatzentscheidung). 7 Grundlegend BGH, FamRZ 1979, 692, 694; 1981, 442, 444; 1988, 265, 267; 1999, 372, 374 jeweils m.w.N. 8 BGH, FamRZ 1997, 806, 807 zum Abzug nach Bereinigung des Einkommens; FamRZ 1991, 304, 305; 1988, 265, 267. 9 BGH, FamRZ 1997, 806, 807. 10 FamRZ 1981, 1165, 1166; 1985, 908, 910; 1988, 265, 267. 11 BGH, FamRZ 1990, 1085, 1087; 1990, 1090, 1091.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
tätigenbonus i.H.v. 1/ 7 dazu, dass der nicht erwerbstätige Ehegatte nur noch i.H.v. 40,71 %, (100 % – 5 %) × 3/ 7, an dem Einkommen partizipiert. Bei einem kombinierten Abzug einer Pauschale von 5 % und eines Erwerbstätigenbonus von 1/ 10 ergäbe sich demgegenüber ein Anteil von 42,75 %, (100 % – 5 %) × 4,5/10). Insbesondere bei engen finanziellen Verhältnissen und in Mangelfällen ist deshalb im Einzelfall abzuwägen, ob berufsbedingte Aufwendungen nur auf Nachweis abgezogen und/oder ein Erwerbstätigenbonus entweder gekürzt oder gar nicht abgezogen wird, um eine Benachteiligung des Berechtigten zu vermeiden. Der BGH hat es in einem Mangelfall ausdrücklich gebilligt, dass der Tatrichter den Bonus nur mit 1/ 9 angesetzt hat, weil schon hohe Fahrtkosten als konkrete berufsbedingte Aufwendungen abgezogen worden sind.12 Er hat auch darauf hingewiesen, dass der Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in den Fällen fraglich ist, in denen unstreitig keine berufsbedingten Aufwendungen anfallen; denn dann wirke sich diese nur noch als Erhöhung des Anreizes zur Erwerbstätigkeit aus und könne mit der Anforderung einer nur maßvollen Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz kollidieren.13 338 Nachdem der BGH mehrfach auf die doppelte Zweckbestimmung des Erwerbstätigenbonus und das Erfordernis einer flexiblen und den individuellen Verhältnissen des Einzelfalls angepasste Handhabung durch den Tatrichter hingewiesen hat, wird in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien immer häufiger nur noch der Abzug eines Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 10 neben der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen empfohlen.14 Bei Abzug eines Bonus von 1/ 10 beträgt der Quotenunterhalt für den Berechtigten 4/ 10 , bei Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/ 7 beträgt der Quotenunterhalt 3/ 7. Bei Einkommen, das nicht aus Erwerbstätigkeit herrührt, z.B. aus Kapitalerträgen, Renten und Pensionen, gilt der Halbteilungsgrundsatz uneingeschränkt, d.h. ein Erwerbstätigenbonus wird davon nicht abgezogen. 338a " Praxishinweis: Während die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen immer von dem nur um Steuern und gesetzliche Abzüge bereinigten Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgezogen wird, wird der Erwerbstätigenbonus immer nur bezogen auf das um alle berücksichtigungswürdigen Verbindlichkeiten bereinigte Erwerbseinkommen errechnet und abgezogen. Um sicher zu sein, bei der Berechnung des Unterhalts nicht versehentlich den Erwerbstätigenbonus fehlerhaft auf Einkünfte anzuwenden, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen, wird empfohlen, generell die unter Rn. 393 vorgestellte Berechnungsmethode der Additionsmethode anzuwenden, bei der der Erwerbstätigenbonus jeweils gesondert abgezogen wird. Wendet man dagegen die Differenzmethode an, die üblicherweise mit der Quotenformel 3/ 7 oder 4/ 10 kombiniert wird, besteht die Gefahr, den Bonus auf alle Einkünfte zu erstrecken. Errechnet man den Bedarf nach der Additionsmethode, ist ferner zu beachten, dass der Erwerbstätigenbonus immer nur im Rahmen der Bedarfsberechnung vom Erwerbseinkommen abgezogen wird, nicht hingegen im Rahmen der Leistungsfähigkeit, wenn das Einkommen des Verpflichteten daraufhin überprüft wird, ob sein Eigenbedarf gewahrt ist.
12 FamRZ 1997, 806, 807. 13 FamRZ 1990, 989, 981. 14 So z.B. die SüdLL, zur Handhabung des zuständigen OLG, vgl. jeweils die Nr. 15.2 der maßgeblichen Leitlinien.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Ist der Unterhaltspflichtige neben dem getrenntlebenden Ehegatten noch einem früheren Ehegatten unterhaltspflichtig und ist der Bedarf der Unterhaltsberechtigten als Quotenunterhalt zu bemessen, beschränkt sich der Grundsatz der Halbteilung auf die Gewährung einer Gleichteilung des verteilungsfähigen Einkommens der Berechtigten und des Verpflichteten.15 Denn dem Verpflichteten soll im Verhältnis zu jedem Unterhaltsberechtigten immer ein mindestens gleich hoher Bedarf zustehen. Deshalb wird die Summe der bereinigten Einkommen der Berechtigten und des Verpflichteten gebildet und durch drei geteilt (s. dazu die Berechnungsbeispiele Rn. 397, 398). Liegt die Quote des Verpflichteten unter dem angemessenen Eigenbedarf, liegt ein Mangelfall vor und der Bedarf wird anteilig gekürzt (Rn. 416).16 Ist zunächst auf der Grundlage der bereinigten Einkünfte der Ehegatten ermittelt, wie hoch der Bedarf der Ehegatten ist, werden zur Klärung der Unterhaltsbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten von dem auf ihn entfallenden hälftigen Anteil des eheangemessenen Bedarfs seine vorhandenen eigenen Einkünfte abgezogen (Additionsmethode s. Rn. 393). Verbleibt dann ein ungedeckter Bedarf, besteht der Zahlungsanspruch in dieser Höhe, sofern der Verpflichtete leistungsfähig ist (Rn. 407 ff.). Letztlich bestimmt die Leistungsfähigkeit des Schuldners die Höhe des zu zahlenden Unterhalts. Die Leistungsfähigkeit des Schuldners findet ihre Grenze in der Höhe des ihm zustehenden angemessenen Eigenbedarfs, der beim Schuldner von Trennungsunterhalt zurzeit bei 1 000 Euro liegt.17 Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine Bedürftigkeit und die den Bedarf bestimmenden gegenwärtigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten.18 Dazu steht ihm ein Auskunftsanspruch gegenüber dem getrenntlebenden Ehegatten nach §§ 1361 Abs. 4 i.V.m. 1605 BGB zu (vgl. Rn. 560). Beruft sich der Verpflichtete auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit, obliegt ihm insoweit auch die Darlegungsund Beweislast.19 Dies git auch für die tatsächlichen Voraussetzungen von Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber nicht gemeinsamen Kindern und aus § 1615l BGB gegenüber einer nichtehelichen Mutter, die die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten mindern.20 Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit sind nach der Trennung entstandene 339 Schulden des Verpflichteten, die nicht schon einkommensmindernd beim bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen wurden, noch einmal dahingehend zu überprüfen, inwieweit sie die Leistungsfähigkeit einschränken können; denn auch der Verpflichtete hat Anspruch auf angemessenen eigenen Unterhalt, bei dessen Gefährdung nur noch ein Billigkeitsunterhalt geschuldet wird (vgl. dazu Rn. 408).21 Die für den Nacheheunterhalt maßgebende Regelung des § 1581 BGB findet auf den Trennungsunterhalt entsprechende Anwendung mit der Folge, dass immer dann, wenn der angemessene Eigenbedarf des Verpflichteten nicht gewährleistet ist, eine Billigkeitsabwägung über die Höhe des zu zahlenden Un15 16 17 18 19 20
BGH, FamRZ 2009, 1911, 1914 f.; Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 390 ff. Zur Bedarfsberechnung bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB s. Rn. 398. S. Anm. B IV der DT, Stand 1.1.2010; Nr. 21.4 der LL. BGH, FamRZ 1983, 352 ff. BGH, FamRZ 1988, 930 f. BGH, FamRZ 2010, 869 ff. m. Anm. v. Maier, zur Darlegungs-und Beweislast bei Unterhaltspflicht gegenüber neuen Ehegatten. 21 BGH, FamRZ 1990, 260, 265; 2006, 683 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
terhalts anzustellen ist.22 Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass Ehegatten, die noch miteinander verheiratet sind, in höherem Maße füreinander verantwortlich sind als geschiedene Ehegatten.23 Ob und wie viel Trennungsunterhalt verlangt werden kann, hängt auch von der Klärung der Frage ab, ob der bisher nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätige Ehegatte nach der Trennung verpflichtet ist, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Die Pflicht zur Erwerbstätigkeit richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen, der Dauer der Ehe und den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten (§ 1361 Abs. 2 BGB). Der Anspruch auf Trennungsunterhalt kann gemäß § 1361 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1579 Nr. 2- 8 BGB wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen, gekürzt oder befristet werden, s. Rn. 420, 535b ff. Keine Anwendung findet im Rahmen des Trennungsunterhalts die Beschränkung des Bedarfs oder der Leistungsdauer aus Billigkeitsgründen nach § 1578b BGB.24 340 Der Unterhaltsanspruch beginnt mit der Trennung der Ehegatten und dem Eintritt der Bedürftigkeit, der Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt erst ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Trennungsunterhaltsanspruch endet einen Tag vor Eintritt der Rechtskraft der Scheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist Die Rechtskraft der Scheidung tritt nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ein (§ 1564 Satz 2 BGB, §§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2, 58, 63 Abs. 1 FamFG). Beispiel Das Scheidungsurteil (ohne Folgesachen) wird beiden Ehegatten am 5.9.2010 zugestellt. Keine der Parteien legt ein Rechtsmittel ein, so dass die Rechtsmittelfrist am 5.10.2010 endet (§§ 113 Abs. 1, 58, 63 Abs.1 FamFG). An diesem Tag endet auch der Anspruch auf Trennungsunterhalt. Die Rechtskraft der Scheidung tritt am 6.10.2010 ein (§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2 FamFG). Von dem Tag an kommen nur noch Unterhaltsansprüche auf Nacheheunterhalt in Betracht. Besonderheiten gelten bei den Rechtsmittelfristen von Verbundurteilen (§§ 142, 145, 117 FamFG, §§ 514 ff. ZPO, s. Rn. 1078 ff.).
Ab Rechtskraft der Scheidung richten sich Unterhaltsansprüche nach den Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt gemäß §§ 1569 ff. BGB; denn Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sind nicht identisch.25 Ein erstrittenes Urteil, bzw. ein Unterhaltsbeschluss sichert deshalb den Anspruch nur bis zur Rechtskraft der Scheidung, auch wenn sich aus dem Titel nicht ausdrücklich eine Befristung ergibt.26 Dauert die Unterhaltsbedürftigkeit an, müssen Ansprüche auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt rechtzeitig geltend gemacht werden (vgl. den Praxishinweis unter Rn. 431). Dies gilt auch, wenn der Trennungsunterhalt in anderer rechtlicher Form, z.B. in einem Vergleich geregelt ist, es sei denn, aus dem Vergleich ergibt sich, dass die Ehegatten auch den nachehelichen Unterhalt regeln wollten. 22 BGH, FamRZ 1986, 556; 1990, 260; zur neueren Rechtsprechung des BGH, vgl. FamRZ 2006, 683 ff. und zum Diskussionsstand dazu Rn. 408 ff. 23 BGH, FamRZ 1986, 556. 24 OLG Bremen, FamRZ 2009, 1415; OLGR Brandenburg 2009, 417; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1539. 25 BGH, FamRZ 1981, 441. 26 BGH, FamRZ 1980, 1099.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Ausgenommen von der anspruchsbegrenzenden Funktion der Rechtskraft der 341 Scheidung ist die im selbständigen Anordnungsverfahren nach § 246 FamFG ergangene einstweilige Unterhaltsanordnung. Denn eine einstweilige Anordnungen nach §§ 246, 51 Abs. 3 FamFG, mit der der Unterhalt eines getrenntlebenden Ehegatten geregelt ist, erwächst nicht in materieller Rechtskraft und kann auch für die Zeit nach der Scheidung als Unterhaltstitel verwendet werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Gericht den Unterhalt ausdrücklich bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet hat. Der Titel tritt ferner außer Kraft bei Wirksamwerden einer anderweitigen Unterhaltsregelung bzw. einer sonstigen Erledigung eines Hauptsacheverfahrens (§ 56 FamFG; vgl. dazu Rn. 921).
" Praxishinweis: Vollstreckt der Unterhaltsgläubiger trotz des Eintritts der Rechtskraft der Scheidung wegen des laufenden Unterhalts noch aus dem Trennungsunterhaltstitel, kann der Verpflichtete, wenn der Beschluss über den Trennungsunterhalt noch nicht rechtskräftig ist, Beschwerde einlegen und ferner die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung beantragen. Ist der Beschluss bereits rechtskräftig, kann der Verpflichtete mit dem Vollstreckungsabwehrantrag (§ 120 FamFG, § 767 ZPO) gegen die Inanspruchnahme vorgehen. Ein Beschluss über den Trennungsunterhalt kann nicht nach § 238 FamFG in einen Beschluss über nachehelichen Unterhalt abgeändert werden.27 Ein Unterhaltsverfahren wegen Trennungsunterhalt, das zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung noch nicht abgeschlossen ist, erstreckt sich nicht automatisch auf den Nacheheunterhalt. Soll im Wege der Antragshäufung auch Nacheheunterhalt geltend gemacht werden, bedarf es eines gesonderten Antrags und ergänzenden Vortrags zu den anspruchsbegründenden Tatsachen.28 Um Missverständnissen über die Fortdauer eines Titels über Trennungsunterhalt vorzubeugen, sollte in der Beschlussformel der gerichtlichen Endentscheidung im Hauptsacheverfahren entweder die Unterhaltszahlung bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet oder der zu zahlende Unterhalt ausdrücklich als Trennungsunterhalt bezeichnet werden. Der Verfahrensantrag könnte deshalb lauten: „Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin eine monatliche jeweils im Voraus zahlbare Trennungsunterhaltsrente i.H.v. … zu zahlen“ bzw. „.… Unterhaltsrente i.H.v. … bis zur Rechtskraft der Scheidung zu zahlen“.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt endet auch, wenn die Ehegatten sich ver- 342 söhnen und nicht mehr getrennt leben. Ein kürzeres Zusammenleben zum Zwecke der Versöhnung unterbricht zwar noch nicht das Getrenntleben mit den sich daran anknüpfenden rechtlichen Folgen (§ 1567 Abs. 2 BGB). Bei einem längeren Zusammenleben von etwa 3 Monaten erlischt jedoch der Trennungsunterhaltsanspruch.29 An seine Stelle tritt wieder der Anspruch auf Familienunterhalt (§ 1360 BGB), der nicht wesensgleich ist mit dem Anspruch auf Trennungsunterhalt.30 Besteht ein Titel über den Trennungsunterhalt, können nach längerem Zusammenleben daraus keine Rechte mehr hergeleitet werden. Dem Verpflich27 BGH, FamRZ 1981, 242 ff.; 1981, 441 zur Nichtidentität des ehelichen und nachehelichen Unterhalts. 28 OLG Hamm, FamRZ 1998, 1512. 29 OLG Saarbrücken, NJW-Spezial 2010, 6; Palandt/Brudermüller § 1361 BGB Rn. 5; Wendl/Pauling, § 4 Rn. 13. 30 OLG Hamm, FamRZ 1999, 30; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 943.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
teten stehen für den Fall der Vollstreckung die Rechte aus § 120 FamFG, § 767 ZPO zu. Wird erneut ein Unterhaltsverfahren eingeleitet, ist ein allgemeiner Leistungsantrag nach § 113 Abs. 1 FamFG, 258 ZPO zu stellen, nicht ein Abänderungsantrag nach § 238 FamFG. Der BGH hat zu der Frage, ob ein Trennungsunterhaltstitel trotz längeren Zusammenlebens wieder aufleben kann, bisher noch nicht Stellung genommen. 1. Zur Vertiefung: „Getrenntleben“ i.S.v. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB 343 Ein Getrenntleben i.S.v. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn die Ehegatten entweder in verschiedenen Wohnungen leben oder, beide noch in der Ehewohnung lebend, keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen. In jedem Fall ist aber eine möglichst vollständige Trennung vor allem der wirtschaftlichen Haushaltsführung Voraussetzung. Beispiel Die Eheleute leben in der Ehewohnung in getrennten Zimmern, die Frau versorgt die Kinder und hält die Wohnung in Ordnung. Der Mann versorgt sich selbst, erledigt und bezahlt aber nach wie vor die Einkäufe für den gesamten Lebensbedarf der Familie.
In diesem Fall liegt noch keine völlig getrennte Haushaltsführung vor. Will die Frau Unterhalt in Form der Geldrente, muss sie auf die Dienstleistung des Mannes verzichten, die Annahme der Naturalleistung verweigern und Unterhalt in bezifferter Höhe ab einem bestimmten Zeitpunkt verlangen. Gemeinsame Aktivitäten im Interesse der Kinder stehen der Annahme des Getrenntlebens nicht entgegen. Häufig ergeben sich in der Praxis noch wirtschaftliche Verflechtungen dadurch, dass ein Ehegatte die Miete, Kreditraten oder sonstige Zahlungsverpflichtungen trägt. Diese Geldleistungen sind aber nicht gleichzusetzen mit den Dienstleistungen bei einer gemeinsamen Haushaltsführung und stehen dem Anspruch auf Trennungsunterhalt grundsätzlich nicht entgegen; wohl aber können sie bei der Berechnung der Höhe des Unterhalts berücksichtigt werden. Für den Anspruch auf Trennungsunterhalt ist nicht erforderlich, dass die Eheleute überhaupt schon zusammengelebt und eine eheliche Lebensgemeinschaft begründet haben.31 Auch steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Eheleute während des Zusammenlebens aus getrennten Kassen gewirtschaftet haben32 oder schon sehr lange voneinander getrennt leben und während der Trennungszeit zuvor nie Unterhalt geltend gemacht worden ist.33 Beispiele – Während ihres Zusammenlebens haben die Eheleute die Kosten für das Zusammenleben in der Wohnung je zur Hälfte bezahlt. Ansonsten hat jeder seinen Lebensbedarf aus seinen eigenen Einkünften bestritten. Trotz der getrennten Kassenführung steht der weniger verdienenden Ehefrau nach der Trennung ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zu.34 – Die Eheleute trennen sich nach 16-monatigem Zusammenleben. Die Frau verlangt in der darauffolgenden 10-jährigen Trennungszeit nie Unterhalt, obwohl der Mann ein deutlich höheres Einkommen hat. Erst als sie arbeitslos wird, verlangt sie Trennungsunterhalt.
31 32 33 34
BGH, FamRZ 1982, 573. BGH, FamRZ 1989, 838. BGH, FamRZ 1986, 244, 246. BGH, FamRZ 1989, 838 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen Der Ehemann muss zahlen. Er konnte sich bei bestehender Ehe nicht darauf verlassen, nicht mehr auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden.35
Wird Unterhalt erstmalig nach einer langen Trennungszeit geltend gemacht, kann die nunmehr erhobene Unterhaltsforderung jedoch aus anderen Gründen zu versagen oder herabzusetzen sein, und zwar, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig ist (vgl. zu den gesetzlich geregelten Fällen der groben Unbilligkeit § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2–8 BGB ab Rn. 535b ff.) 2. Erwerbsobliegenheit des bedürftigen Ehegatten nach der Trennung (§ 1361 Abs. 2 BGB) Mit dem Getrenntleben stellt sich für den nicht oder nur teilweise erwerbstätigen 344 Ehegatten die Frage, ob er nun für den eigenen Unterhalt durch Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit selbst sorgen muss. Der nicht erwerbstätige Ehegatte kann nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann (§ 1361 Abs. 2 BGB). Da nicht abzusehen ist, ob die Ehe geschieden wird oder die Ehepartner sich wie- 345 der versöhnen, muss der bisher nicht erwerbstätige Partner nicht unverzüglich nach der Trennung eine Arbeit aufnehmen. Dazu ist er nur dann verpflichtet, wenn die Eheleute sich einig waren, dass er wieder arbeiten sollte, oder schon die bisherigen finanziellen Verhältnisse eine Mitarbeit dringend erforderlich machten. Dem getrennt lebenden Ehegatten soll es nicht besser gehen, als wenn er noch in der ehelichen Lebensgemeinschaft leben würde. Zeichnet sich aber nach der Trennung ab, dass die Ehe endgültig gescheitert ist, werden die Anforderungen an die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben höher.36 Wann genau die Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit einsetzt, ist im Gesetz nicht in Form einer konkreten Zeitangabe geregelt. Die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit hängt im Einzelfall immer von den persönlichen Verhältnissen, also einer Vielzahl von Faktoren ab: der Anzahl und dem Alter der Kinder, der Dauer der Ehe und der Trennung, dem Alter und Gesundheitszustand des bedürftigen Ehegatten, seiner beruflichen Vorbildung, einer früher von ihm ausgeübten Tätigkeit und den wirtschaftlichen Verhältnissen. Grundsätzlich gilt, dass insbesondere während des 1. Jahres der Trennung die Anforderungen an die Pflicht zur Erwerbstätigkeit geringer sind, um den Erhalt der Ehe nicht durch eine zu tiefgreifende Veränderung der Lebensverhältnisse zusätzlich zu gefährden. In der Regel trifft deshalb einen längere Zeit nicht erwerbstätig gewesenen Ehegatten im ersten Trennungsjahr keine Erwerbsobliegenheit.37 Steht allerdings das Scheitern der Ehe endgültig fest und leben die Ehepartner schon längere Zeit getrennt, gilt zunehmend der Grundsatz der Eigenverantwortung und die Anforderungen
35 BGH, FamRZ 1986, 244, 246. 36 BGH, FamRZ 2008, 963, 966; 2001, 350, 351 (grundlegend); 1990, 283, 285 f. 37 So explizit BGH, FamRZ 2008, 963, 966; zu den Beurteilungsmaßstäben allgemein BGH, FamRZ 1981, 439. Die Leitlinien der OLG verhalten sich unterschiedlich dazu, vgl. dazu jeweils die Nr. 17.2 des zuständigen OLG.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
nähern sich immer mehr den für den Nacheheunterhalt in § 1574 Abs. 2 BGB geregelten Maßstäben an (s. Rn. 434d).38 346 Sind Kinder zu betreuen, bleibt die bisherige Betreuungssituation zunächst aufrechterhalten. Ist nach Ablauf des Trennungsjahres klar, dass die Ehe endgültig gescheitert ist, wird sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte bei längerfristiger Trennung darauf einzustellen haben, dass sich zunehmend die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit nach den Maßstäben richten, die für den nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch gelten, s. dazu die unter Rn. 439 ff. dargestellten Grundsätze zu § 1570 BGB.39 Diese stellen seit Inkrafttreten des UÄndG und des neugefassten § 1570 BGB strengere Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit eines kinderbetreuenden Ehegatten. Denn seitdem gilt, dass ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes i.d.R. eine Fremdbetreuung mit den Kindesbelangen vereinbar und eine vollschichtige Erwerbstätigkeit bei vorhandenen Fremdbetreuungsmöglichkeiten zumutbar ist. Nur wenn der Unterhaltsberechtigte darlegen und beweisen kann, dass aus kind- und/oder elternbezogenen Belangen eine volle Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt, verlängert sich der Unterhaltsanspruch (Rn. 440a ff.). Insbesondere gilt nicht mehr das bis zum 31.12.2008 von den Gerichten praktizierte Altersphasenmodell. Zum Altersphasenmodell vgl. Rn. 443a und zu den Folgen für die Darlegungs- und Beweislast Rn. 441. Allerdings verlangt das nacheheliche Unterhaltsrecht von dem betreuenden Elternteil nicht einen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollerwerbstätigkeit und ermöglicht einen gestuften Übergang. Zudem sieht § 1570 Abs. 2 BGB vor, dass der Betreuungsunterhalt zu verlängern ist, wenn es der Billigkeit entspricht, das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung zu schützen. Auch im Rahmen des Trennungsunterhalts kommt nur ein gestufter Übergang in Betracht, wobei dem Vertrauensschutz in Bezug auf die bisher praktizierte Rollenverteilung naturgemäß eine noch größere Bedeutung zukommen muss, solange die Ehe besteht. Beispiel F lebt nach 10-jähriger Ehe, in der sie sich ausschließlich um den gemeinsamen Sohn und Haushalt gekümmert hat, seit über einem Jahr von ihrem Ehemann M getrennt und verlangt Trennungsunterhalt. Der 11-jährige Sohn besucht ein Gymnasium. F arbeitet 20 Stunden in der Woche und lehnt die Ausübung einer Vollzeittätigkeit ab, insbesondere weil der Sohn aufgrund des Schulwechsels noch ihre Unterstützung benötige. Das OLG Düsseldorf hat hier eine Obliegenheit zur Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung vor allem mit Rücksicht auf die bisherige Rollenverteilung und das praktizierte Betreuungsmodell für den Sohn abgelehnt, eine gestufte Erwerbsobliegenheit für die Zukunft in den Raum gestellt und die tatsächlich ausgeübte wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als derzeit zumutbar befunden im Hinblick auf den noch notwendigen Betreuungsbedarf des 11-jährigen Kindes.40
347 Der Ehegatte, der während des Zusammenlebens wegen der Betreuung eines nicht gemeinsamen Kindes41 oder eines Pflegekindes nicht erwerbstätig war, kann nach den gleichen Voraussetzungen Trennungsunterhalt verlangen und nicht auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden. Nach der Scheidung der Ehe kann der Unterhaltsanspruch allerdings nicht auf Betreuung des Kindes gemäß 38 39 40 41
BGH, FamRZ 2008, 963, 966. BGH, FamRZ 1990, 283, 286 zum alten Recht; Borth, UÄndG, S. 65. OLG Düsseldorf, FamRB 2010, 35–36. BGH, FamRZ 1979, 51; 1981, 17.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
§ 1570 BGB gestützt werden, weil kein gemeinsames Kind betreut wird. Dann käme höchstens Billigkeitsunterhalt zum Zuge (§ 1576 BGB; vgl. dazu Rn. 476).42 War ein Ehegatte schon vor der Trennung erwerbstätig, so darf er seine Erwerbstätigkeit nicht wegen der Trennung aufgeben. Ändern sich durch das Getrenntleben aber die Betreuungsbedingungen für die Kinder, kann es erforderlich sein, dass der betreuende Elternteil teilweise oder ganz aufhört, zu arbeiten. Die Zumutbarkeitsanforderungen sind bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen strenger. Beispiele – Nach 9-jähriger Ehe trennen sich die Eheleute. Die Frau konnte bisher teilzeitbeschäftigt sein, da auch der Mann die beiden Kinder mitbetreute. Entfällt nun die Betreuung durch den Mann, kann eine weitere Erwerbstätigkeit der Frau unzumutbar werden, insbesondere wenn die Kinder wegen der Trennung der Eltern besonderer Fürsorge bedürfen. – Die Frau arbeitet aushilfsweise als Kellnerin neben der Betreuung der beiden Kinder im Alter von 11 und 14 Jahren. Nach der Trennung kann die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit zumutbar sein, wenn die Betreuung der Kinder in den Arbeitszeiten gesichert ist.43
Steht die Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme fest, ist der Ehegatte nur zur Aus- 348 übung einer angemessenen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Liegt die Erwerbstätigkeit schon länger zurück, kann die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben schwierig sein. Ob eine berufsqualifizierende Maßnahme oder die Tätigkeit in einem Bereich, der der beruflichen Vorbildung entspricht, zumutbar ist, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren wie dem Alter, der beruflichen Vorbildung, den Arbeitsmarktchancen und den wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebenszuschnitt der Eheleute ab. Da § 1361 Abs. 2 BGB nicht näher regelt, was unter einer angemessenen Erwerbstätigkeit zu verstehen ist, können die in § 1574 Abs. 2 BGB für den Nacheheunterhalt geregelten Grundsätze zur Auslegung herangezogen werden (ausführlich dazu Rn. 434d). Dabei gilt auch insoweit, dass erst mit zunehmender Verfestigung der Trennung die für den Nacheheunterhalt geltenden Maßstäbe angewendet werden können. Nach § 1574 Abs. 2 BGB soll eine angemessene Erwerbstätigkeit der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entsprechen und darf nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig sein. Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit der Erwerbstätigkeit ist – anders als bis zum 31.12.2007 geltenden Recht – nicht der Zuschnitt der ehelichen Lebensverhältnisse, sondern die frühere Erwerbstätigkeit des Bedürftigen.44 Damit haben sich seit 1.1.2008 die Anforderungen an die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess für den Nacheheunterhalt verschärft, was sich auch auf den Trennungsunterhalt auswirkt, wenn von einem Scheitern der Ehe ausgegangen werden kann.45 Hat der unterhaltsbedürftige Ehegatte z.B. ehebedingt in seiner beruflichen Entwicklung zurückgesteckt, wird er sich gleichwohl längerfristig auch auf geringer qualifizierte Erwerbstätigkeiten verweisen lassen müssen, selbst wenn der andere Ehegatte einen hochqualifizierten Beruf ausübt und die Aufnahme der früheren Tätigkeit nicht ausnahmsweise nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig ist. Wegen der strengeren Anforderungen beim Nacheheunterhalt empfiehlt sich für den Unterhaltsbedürfti42 So OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2010 – 11UF 532/09, NJW 2010, 1537–1538. 43 S. weitere Beispiele bei Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, S. 52 f. 44 Bis 31.12.2007 waren die ehelichen Lebensverhältnisse ein wesentliches Kriterium für die Angemessenheit (§ 1574 Abs. 2 BGB a.F.). 45 Reinken, FPR 2005, 502, 504.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
gen, schon in der Trennungszeit einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach den Kriterien des § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB geltend zu machen (s. Rn. 458). Dieser ist zwar nicht in § 1361 BGB geregelt, kommt aber zu seinen Gunsten in Betracht, denn der getrennt lebende Ehegatte darf nicht schlechter stehen, als er im Falle einer Scheidung stünde.46 Beispiele – Hat eine Ehefrau über 15 Jahre nicht in ihrem Beruf als Spülerin gearbeitet, ist ihr dennoch zumutbar, die Tätigkeit wieder aufzunehmen und auch als Raumpflegerin zu arbeiten, weil es Wiedereingliederungsprobleme in diesem Beruf nicht gibt und der Ehemann nur ca. 1 200 Euro als Arbeiter verdient.47 – Demgegenüber ist einer Lehrerin, die seit über 20 Jahren nicht in ihrem Beruf gearbeitet hat und keine Anstellung findet, nicht die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin zumutbar. Dies gilt jedenfalls bei günstigen wirtschaftlichen Einkommensverhältnissen des Ehemannes. – Eine seit 10 Jahren nicht mehr berufstätige technische Zeichnerin hat Anspruch auf Trennungsunterhalt zur Teilnahme an berufsqualifizierenden Maßnahmen wegen der technischen Entwicklung in ihrem Beruf. – Hat die Ehefrau wegen der Kinder ihre Ausbildung als Krankenschwester abgebrochen, steht ihr nach der Trennung ein Anspruch auf Finanzierung einer angemessenen Ausbildung zu.48
III. Die Berechnung des Unterhalts 349 Prüfungsschema für Trennungsunterhalt 1. Leben die Ehegatten getrennt (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB)? 2. Berechnung des eheangemessenen Unterhalts des Anspruchstellers (§ 1361 Abs. 1 BGB). a) Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. aa) Klärung sämtlicher eheprägender Einkünfte der Ehegatten. bb) Bereinigung des Nettoeinkommens beider Ehegatten durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen vom Erwerbseinkommen, des Kindesunterhalts, ggf. Kindesbetreuungskosten und ehebedingter Verbindlichkeiten, abschließend Abzug eines Erwerbstätigenbonus vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit. cc) Besteht nach dem Maßstab des § 1361 Abs. 2 BGB eine Erwerbspflicht, wenn ein Ehegatte bis zur Trennung nicht erwerbstätig oder nur teilzeitbeschäftigt ist? Gegebenenfalls Zurechnung eines fiktiven Einkommens, das ebenfalls zu bereinigen ist. dd) Bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit des Verpflichteten wegen Kindesbetreuung ggf. Abzug eines Betreuungsbonus (§ 242 BGB). Bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit des Berechtigten wegen Kindesbetreuung nur Einstellung des unterhaltsrelevanten, nach Billigkeit zu berücksichtigenden Teils des Einkommens (§ 1577 Abs. 2 BGB analog). ee) Ergebnis: Summe der bereinigten Einkommen ergibt den Bedarf beider Ehegatten. Davon steht dem Unterhaltsberechtigten die Hälfte zu. 46 BGH, FamRZ 2001, 350, 351. 47 BGH, FamRZ 1981, 17, 18. 48 BGH, FamRZ 2001, 350, 351.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
b) Ist der Berechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? aa) Vom Bedarf des Berechtigten sind seine bereinigten Einkünfte abzuziehen, egal ob eheprägend oder nicht. bb) Bei sonstigen Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Abzug nach Billigkeit gemäß § 1577 Abs. 2 BGB (analog). cc) Ergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. c) Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? aa) Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten, das nicht um den Erwerbstätigenbonus gemindert ist,49 sind abzuziehen: – der ungedeckte Bedarf des Berechtigten, – ggf. weitere nicht ehebedingte Verbindlichkeiten, unvermeidbarer trennungsbedingter Mehrbedarf. bb) Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten: – Dem Verpflichteten muss der eheangemessene Bedarf verbleiben, der zzt. im Regelfall 1 000 Euro (Stand 1.1.2010) beträgt. Er darf den notwendigen Selbstbehalt nicht unterschreiten.50 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt, ggf. Billigkeitsunterhalt in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 1581 BGB.
Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts wird in mehreren Arbeitsschritten berechnet, die in der nachfolgenden Darstellung im Einzelnen erläutert werden. Für die Berechnung des Unterhaltsbedarfs des Anspruchstellers muss zunächst 350 das bedarfsbestimmende Einkommen der Ehegatten, das nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Unterhalt beider Ehegatten zur Verfügung stehen müsste, geklärt werden. Den Maßstab für den Bedarf bilden die prägenden individuellen ehelichen Lebensverhältnisse, die sich i.d.R. aus dem aktuell erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen ergeben. Bei der Festlegung des bedarfsbestimmenden Einkommens ergeben sich die meisten Streitigkeiten, denn häufig verändern sich die Lebens- und damit Einkommensverhältnisse nach der Trennung, und es stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs haben. Also z.B.: Können Kreditraten für die Einrichtung einer neuen Wohnung einkommensmindernd vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen werden mit der Folge, dass sich das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Einkommen für beide Ehegatten verringert, oder muss der kreditnehmende Ehegatte die Raten aus eigener Tasche von dem auf ihn entfallenden Anteil des bedarfsbestimmenden Einkommens zahlen? Wird das Einkommen der Ehefrau, die erst nach der Trennung wieder erwerbstätig wird, dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugeschlagen oder bleibt es dort außer Ansatz und wird nur von ihrem errechneten Bedarf anspruchsmindernd abgezogen? 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse Für die Einkommensermittlung der Ehegatten gelten die nachfolgend dargestell- 351 ten Grundsätze, ergänzend wird auf die Ausführungen zur Einkommensklärung 49 S. Rn. 407, 409. 50 S. Anm. B IV der DT, sowie Nr. 21.4 der LL; s. auch Rn. 408.
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in Kap. A III 2 und 3 (Rn. 31 ff.) und Bereinigung des bedarfsbestimmenden Einkommens (Rn. 67 ff.) Bezug genommen. Zu erfassen sind sämtliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Lohnersatzzahlungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, Renten, Unfallrenten, soweit sie Lohnersatzfunktion haben,51 Arbeitslosengeld II aufseiten des Verpflichteten,52 der auf den Pflegenden entfallende Teil des Pflegegeldes, Leistungen nach dem BAföG, auch wenn sie als Darlehen gewährt werden etc. Ferner sind sämtliche Einkünfte aus Vermögen zu berücksichtigen. Sind die Einkünfte des anderen nicht bekannt, kann Auskunft verlangt werden (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1605 BGB, vgl. dazu Rn. 590 mit Musterschreiben). 352 Unberücksichtigt bleiben sozialstaatliche Leistungen, die nur gezahlt werden, weil der Bedürftige seinen Unterhaltsanspruch nicht durchsetzen kann, und die bei Zahlung des Unterhalts zurückgefordert werden, bzw. vom Sozialträger vom Unterhaltspflichtigen zurückverlangt werden können. Dies sind z.B. sozialstaatliche Leistungen aufseiten des Unterhaltsberechtigten wie das ALG II nach dem SGB II (ausgenommen sind davon die befristeten Zuschläge zum ALG II gemäß § 24 SGB II und das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II),53 Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Die Sozialleistungen des ALG II gehen seit 1.8.2006 kraft Gesetzes auf den Leistungsträger über (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II); bei der Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII ergibt sich der gesetzliche Forderungsübergang aus § 94 Abs. 1 SGB XII.54 Zur Berechnung des ALG II, zu Nebenverdienstmöglichkeiten und zum gesetzlichen Forderungsübergang vgl. Rn. 66d–f, 556e. Auch bei den Leistungen der Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII, die für Ehegatten ab Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei dauerhafter Erwerbsminderung in Betracht kommen können, handelt es sich um eine besondere Form der Sozialhilfe, die nur dann zum Zuge kommt, wenn kein Anspruch auf Ehegattenunterhalt besteht bzw. dieser nicht alsbald realisierbar ist oder soweit der Unterhaltsanspruch den Grundsicherungsbedarf unterschreitet. Dann besteht ein Anspruch auf (ergänzende) Grundsicherung. Bleibt dann immer noch ein ungedeckter Bedarf, kann darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) und ggf. für besondere Bedarfslagen (Kapitel 3–9 des SGB XII) beantragt werden. Für alle Sozialleistungen gilt, dass sie ausnahmsweise dann unterhaltsrechtlich als anrechenbares Einkommen zu behandeln sind, wenn die Nichtberücksichtigung durch den Unterhaltsberechtigten treuwidrig wäre, weil z.B. ein Rückgriff des Sozialträgers gegen den Verpflichteten aus übergeleitetem oder übergegangenem Recht nicht mehr in Betracht kommt (§ 242 BGB).55 Auch das Erziehungsgeld (Rn. 66a), das für die Betreuung bis zum 31.12.2006 geborene Kinder i.H.v. mtl. 450 Euro bis zum 12. Lebensmonat nach der Geburt und 300 Euro bis zum 24. Lebensmonat (§§ 4, 5 BErzGG) gewährt wurde, bleibt außer Ansatz; denn gemäß § 9 Satz 1 BErzGG werden Unterhaltsverpflichtungen durch die Gewährung des Erziehungsgeldes nicht berührt.56 Dies gilt selbst dann, 51 52 53 54 55 56
OLG Koblenz, FamRZ 2003, 1106–1107. Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG. Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG. Günther, FPR 2005, 416, 462. BGH, FamRZ 1999, 843; BGH, FamRZ 2001, 619. Diese Auslegung entspricht der herrschenden Rechtsprechung, die das BVerfG (FamRZ 2 000, 1149) ausdrücklich als verfassungsgemäß gebilligt hat.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
wenn der Berechtigte zusammen mit dem Unterhalt ein höheres Einkommen als der Verpflichtete hat.57 Das Elterngeld (Rn. 66b), das für seit 1.1.2007 geborene Kinder gezahlt wird, bleibt bis zu 300 Euro unberücksichtigt, wobei sich der Betrag erhöht bei Mehrlingsgeburten (§ 11 Satz 3 BEEG) oder verringert, wenn der Elterngeldbezug nach § 6 BEEG verlängert wird (§ 11 BEEG). Das Kindergeld wird weder bei der Ermittlung des Einkommens des Verpflichteten noch aufseiten des Berechtigten einkommenserhöhend berücksichtigt.58 Dies gilt auch für den Zählkindvorteil. Nur in Ausnahmefällen, wenn der Anspruch gegen den Ehegatten wegen grober Unbilligkeit gekürzt werden kann, sind das Erziehungsgeld und Elterngeld unterhaltsrechtlich wie normales Einkommen zu behandeln (§ 9 Satz 2 BErzGG und § 11 Satz 5 BEEG jeweils i.V.m. §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB, vgl. Rn. 533, 66a und b). Hingegen sind Einkünfte (Erträge) aus Schmerzensgeld zu erfassen. Diese werden zwar nicht bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt, sie können aber bei der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten oder Bedürftigkeit des Berechtigten eine Rolle spielen, wobei die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes – Ersatz immaterieller Schäden und Genugtuung – im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu beachten ist. Allerdings darf der Geschädigte das Kapital selbst in seiner Substanz erhalten oder für andere Zwecke verwenden, ohne gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zu verstoßen.59 Gleiches gilt für den Berechtigten, auch dieser ist nicht verpflichtet, das Kapital selbst zur Erleichterung der Unterhaltspflicht des anderen für seinen Bedarf zu verbrauchen.60 Die Einkommensermittlung sollte sich auf folgende Zeiträume beziehen: Bei 353 Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit ist Berechnungsgrundlage das in den letzten 12 Monaten oder im letzten Kalenderjahr erzielte Durchschnittseinkommen. Da die Ermittlung des Durchschnittseinkommens dazu dient, eine Prognose über das zukünftig zu erzielende Einkommen zu erstellen, um auf dieser Basis den zukünftigen Unterhalt zu berechnen, ist es sinnvoll, auf einen möglichst entscheidungsnahen Zeitraum zurückzugreifen. Ist aufgrund der Veränderung der Arbeitssituation mit einer nachhaltigen Änderung des erzielbaren Einkommens zu rechnen, ist auf das Einkommen abzustellen, das zukünftig erzielt wird, und nicht mehr schematisch auf einen Durchschnitt von 12 Monaten. Für rückständigen Unterhalt ist maßgebend das tatsächlich innerhalb dieser Zeiträume erzielte Einkommen.61 Vgl. zu weiteren Einzelheiten der Einkommensbestimmung bei nichtselbständiger Erwerbstätigkeit die Ausführungen unter Rn. 35–37 mit Beispielen, zum Auskunftsanspruch Rn. 567 ff. Erzielt ein Ehegatte Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit, ist das Durchschnittseinkommen der letzten 3 Jahre zugrunde zu legen. Hier ergeben sich immer wieder Schwierigkeiten bei der Bestimmung des dauerhaft erzielbaren, unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens, denn i.d.R. werden für die Bestimmung des Einkommens Belege vorgelegt, wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen, Bilanzen, die für das Finanzamt nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten aufbereitet sind oder Bescheide des Finanzamts, so dass im Hinblick auf die im Steuer- und Unterhaltsrecht geltenden 57 58 59 60 61
OLG Köln, FamRZ 1989, 1178. BGH, FamRZ 1997, 806. BGH, FamRZ 1988, 1030, 1034. BGH, FamRZ 1989, 170 ff.; 1988, 1030, 1034; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 750. BGH, FamRZ 2007, 1532, 1534.
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unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe die Auskünfte und Belege kritisch zu hinterfragen sind. Vgl. zu Einzelheiten der Bestimmung des Einkommens Selbständiger Rn. 42–49; zum Auskunftsanspruch Rn. 569 f. 353a Von dem Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit können berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden und zwar entweder als Pauschale oder in Höhe der tatsächlich entstehenden Aufwendungen, die jedoch konkret anzugeben und zu belegen sind. Die OLG gehen sehr unterschiedlich vor. Angaben zur ortsüblichen Handhabung finden sich jeweils unter Ziff. 10.2 der LL. Werden berufsbedingte Aufwendungen als Pauschale berücksichtigt, ist ein Abzug von 5 % von dem um Steuern und Sozialabgaben (nicht aber um sonstige Verbindlichkeiten) bereinigten Einkommen üblich, wobei der Mindestbetrag bei 50 Euro und der Höchstbetrag bei 150 Euro liegt. Bei geringfügiger Teilzeitarbeit kann auch weniger abgezogen werden. In einigen Leitlinien wird der Abzug von 25 Euro bei einem Einkommen von bis zu 500 Euro empfohlen,62 s. Nr. 12.2.1 der LL. In den Leitlinien der OLG der neuen Bundesländer ist meist wegen der knapperen Geldmittel ein pauschaler Abzug der berufsbedingten Aufwendungen nicht vorgesehen. Berufsbedingte Aufwendungen werden nicht abgezogen von Arbeitslosengeld,63 Krankengeld, Renteneinkünften, Einkünften aus Kapital und Vermietung und Verpachtung. Liegen die berufsbedingten Aufwendungen tatsächlich höher oder sehen die Leitlinien einen pauschalen Abzug nicht vor, sind die berufsbedingten Aufwendungen konkret von demjenigen, der den Abzug geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen. Die berufsbedingten Aufwendungen sind nur dann abzugsfähig, wenn sie sich eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen. Beispiele – M ist Lehrer und kauft einen PC, der ihm die Schreibmaschine ersetzt und den er auch für die Unterrichtsvorbereitung nutzen kann. Die Kosten sind nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil der PC heute zur privaten Lebensführung gehört. Dem steht nicht entgegen, dass M die steuerrechtliche Absetzbarkeit gegenüber dem Finanzamt geltend macht. – F verdient 600 Euro. Ihre berufsbedingten Aufwendungen (Fahrkosten und Kindesbetreuung) betragen monatlich 100 Euro, also mehr als 5 %. Will sie die Aufwendungen einkommensmindernd abziehen, muss sie die Ausgaben belegen können.
Der Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen kommt bei Selbständigen nicht in Betracht, denn der berufliche Aufwand wird bereits als Betriebsausgabe bei der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung berücksichtigt und kann deshalb nicht erneut in Ansatz gebracht werden.64 Insoweit ist für die Einkommensermittlung jedoch zu beachten, dass im Unterhaltsrecht anzuerkennende berufsbedingte Ausgaben nicht identisch sind mit steuerrechtlich anerkannten Betriebsausgaben und sich bei Selbständigen häufig bei den Betriebsausgaben private Nutzungsvorteile ergeben, die unterhaltsrechtlich einkommenserhöhend berücksichtigt werden können (s. Rn. 44). Betreuungskosten sind konkrete berufsbedingte Aufwendungen, die in den Leitlinien jeweils unter Ziff. 10.3 gesondert aufgeführt sind. Sie können i.d.R. neben 62 So z.B. in Nr. 10.2.1 der LL des OLG Braunschweig. 63 Ausgenommen Bewerbungskosten, Rn. 71. 64 BGH, FamRZ 1980, 770.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen berücksichtigt werden, um Kinder betreuende Eltern nicht zu benachteiligen. Nicht zu den Betreuungskosten gehören die Kindergartenkosten. Sie werden nach geänderter Rechtsprechung des BGH rechtlich dem Bedarf des Kindes zugeordnet (Rn. 119). Zum Abzug eines Betreuungsbonus und Kinderbetreuungskostens. Rn. 363, beim Geschiedenenunterhalt Rn. 488. Checkliste 1: Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse beider Ehegatten Ehefrau
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1. Bruttoeinkommen der letzten 12 Monate inkl. Urlaubsund Weihnachtsgeld und sonstiger Zuschläge sowie sonstiger Einkünfte, z.B. aus Vermögen, Renten.
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2. Abzüge (Steuern, Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit, Solidaritätsbeitrag etc.).
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3. = Summe: 12 Monate = mtl. Durchschnittsnettoeinkommen. Davon Abzug berufsbedingter Aufwendungen als Pauschale (i.H.v. 5 %; möglich sind nach den Leitlinien auch Höchst- und Mindestbeträge von 150 Euro und 50 Euro) oder konkret aufgelistet und beziffert (Gewerkschaftsbeitrag, Fahrgeld, PKW-Kosten etc.). 4. Auflistung von Unterhaltsverbindlichkeiten für minderjährige, volljährige Kinder (nach Abzug des Kindergeldes)65, geschiedene Ehegatten (Wegen welcher gesetzlich geregelten Bedürfnislage?). Auflistung der Verbindlichkeiten, die schon vor der Trennung bestanden, z.B.: Kredite, Höhe der mtl. Rate, Regelmäßigkeit der Tilgung, voraussichtliches Ende der Ratenzahlung, Kita- bzw. Hortkosten, Kredite für Eigenheim, Zinsen und Tilgung, nicht verbrauchsabhängige Kosten (Grundstücksteuer, Straßenreinigung etc.), sonstige Schulden, z.B. Mietrückstände, Miete Ehewohnung. Auflistung der Verbindlichkeiten, die nach der Trennung entstanden sind, z.B.: Kredite, Verwendungszweck, Höhe der mtl. Rate, voraussichtliches Ende der Ratenzahlung.
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2. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen Die aktuellen Einkommensverhältnisse können nicht schematisch für die Be- 355 rechnung der Unterhaltsquote verwendet werden. Denn nach der Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse ist für die Bestimmung des Bedarfs immer auch eine bewertende Beurteilung darüber erforderlich, in welcher Höhe das Einkommen nach Abzug welcher Verbindlichkeiten nach den ehelichen Lebensverhält65 Bei Unterhalt bis zum 31.12.2007 ohne Abzug des Kindergeldes s. Rn. 387.
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nissen für den Unterhalt der Ehegatten zur Verfügung stehen müsste. Das ist in den Fällen, in denen nach der Trennung keine Veränderungen oder nur dem Normalverlauf entsprechende Erhöhungen und Verminderungen des Einkommens eintreten, unproblematisch. Denn hier entsprechen die aktuellen Verhältnisse den maßgeblichen prägenden ehelichen Einkommensverhältnissen, und an diesen haben die Eheleute grundsätzlich bis zur Scheidung in gleicher Weise teil.66 Dem bedarfsbestimmenden Einkommen werden auch hinzugerechnet Einkünfte, die ein bisher den Haushalt führender Ehegatte nach der Trennung aus Erwerbstätigkeit erzielt, obwohl die Aufnahme der Tätigkeit nicht der Lebensplanung der Ehegatten entsprach. Gleiches gilt für Einkommen, das aus einer Beschäftigung erzielt wird, die erst nach der Trennung zur Vollzeitbeschäftigung aufgestockt wird. Denn der Gesetzgeber hat Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung in § 1360 Satz 2 BGB ausdrücklich als gleichwertige Beiträge zum Familienunterhalt gewertet und diese Gleichwertigkeit auch im Scheidungsfolgenrecht beim Versorgungsausgleich und Zugewinn verankert. Die Erwerbstätigkeit tritt deshalb in diesen Fällen an die Stelle der Haushaltstätigkeit, die ebenfalls zum wirtschaftlichen Auskommen der Familie beigetragen hat (Surrogatstheorie, Rn. 356). Diese Rechtsprechung praktizieren die Gerichte erst seit 2001, denn zuvor hatte der BGH in einer jahrzehntelangen Rechtsprechung das nach der Trennung aus Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen des bis zur Trennung haushaltsführenden Ehegatten nicht dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugerechnet, sondern es nur bedarfsmindernd im Wege der Anrechnungsmethode berücksichtigt. Der BGH gab seine Rechtsprechung zur Anrechnungsmethode mit Urteil vom 13.6.200167 auf, denn sie war zunehmend kritisiert worden, weil sie letztlich den Ehegatten, der sich während des Zusammenlebens der Familienarbeit und Betreuung der Kinder unter Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit widmete, unterhaltsrechtlich benachteiligte und verfassungswidrig war.68 Seitdem wird Familienarbeit im Unterhaltsrecht im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit als ein gleichwertiger Beitrag zum Familienunterhalt verstanden, was dogmatisch zur Konsequenz hat, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das nach der Trennung an die Stelle der Hausarbeit tritt, als wirtschaftliches Surrogat für die bisher geleistete Hausarbeit dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen ist und nach der Differenzmethode bzw. Additionsmethode (s. Rn. 393) berechnet wird. Denn kommen den Ehegatten gleiches Recht und gleiche Verantwortung bei der Ausgestaltung ihres Ehe- und Familienlebens zu, so sind auch die Leistungen, die sie jeweils im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen. Dabei ist die Gleichgewichtigkeit unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung. Auch der zeitweilige Verzicht eines Ehegatten auf Erwerbstätigkeit, um die Haushaltsführung oder die Kindererziehung zu übernehmen, prägt demnach die ehelichen Verhältnisse, genauso wie die vorher ausgeübte Berufstätigkeit und die danach wieder aufgenommene oder angestrebte Erwerbstätigkeit. 356 Die vom BGH seitdem angewendete sog. Surrogattheorie bietet den Vorteil, dass nicht zu prüfen ist, ob im Einzelfall tatsächlich Erwerbstätigkeit und Haushaltstätigkeit objektiv wirtschaftlich gleichwertig sind.69 Es fallen damit typische 66 67 68 69
BGH, FamRZ 1984, 561, 562; 1982, 244, 245. BGH, FamRZ 2001, 986 ff. So BVerfG, FamRZ 2002, 527 ff. Zur Surrogattheorie Graba, FPR 2002, 48 ff.; Übersicht zum Theorienstreit und Bewertung der Änderung der Rechtsprechung des BGH bei Bäumel, FPR 2002, 31 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Streitpunkte, die bis zum Wandel der Rechtsprechung des BGH in 2001 im Unterhaltsprozess eine Rolle spielten, weg, wie z.B. zu der Frage, warum der haushaltsführende Ehegatte während des Zusammenlebens nicht erwerbstätig war und ob die Aufnahme oder Erweiterung der Erwerbstätigkeit der gemeinsamen Lebensplanung entsprach. Schließlich ist auch unerheblich, ob der Ehegatte mit der zuvor ausgeübten Hausarbeit einverstanden war.70
" Praxishinweis: Ist der Trennungsunterhalt in einem Vergleich geregelt und
ändert sich die Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Unterhalts grundlegend, wie dies z.B. bei der Abkehr des BGH von der Anrechnungsmethode mit Urteil vom 13.6.2001 geschehen ist, kommt auch eine rückwirkende Änderung der Vereinbarung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung des BGH, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht.71 Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung für Dauerschuldverhältnisse entschieden, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Vereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Dabei ist dann im Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG i.V.m. 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO darzulegen, dass der Vertrag bei Kenntnis der Änderung so nicht geschlossen worden wäre und eine Änderung des Vertrags beiden Parteien zumutbar ist. Auch Unterhaltsurteile konnten schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH nach § 323 ZPO bei einer grundlegenden Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgeändert werden.72 Dies ergibt sich seit 1.9.2009 nun unmittelbar aus dem Gesetz: Denn nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG kann eine gerichtliche Endentscheidung, nach der laufende Unterhaltsleistungen zu erbringen sind, nicht nur wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen sondern auch rechtlichen Verhältnisse abgeändert werden, worunter nicht nur Gesetzesänderungen sondern auch die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört.73 Dazu und zu den rückwirkenden Abänderungsmöglichkeiten s. Rn. 830 ff.). Zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Abänderungsklage nach § 323 ZPO vgl. die Rn. 356, 727 ff. der Vorauflage).
Bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens sind Einkommensver- 357 änderungen nicht zu berücksichtigen, die auf eine ungewöhnliche, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung zurückzuführen sind. Beispiele – M wechselt nach der Trennung überraschend den Beruf und erzielt, nachdem er an berufsqualifizierenden Maßnahmen teilgenommen hat, ein doppelt so hohes Einkommen wie zuvor. Hier ist für die Unterhaltsberechnung das früher erzielte Einkommen unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher branchenüblicher Lohnerhöhungen maßgeblich. – M beendet in der Trennungszeit das während des Zusammenlebens begonnene Studium und verdient jetzt 3 000 Euro als angestellter Arzt. Für die Bemessung des Unterhalts ist das Einkommen als Arzt maßgeblich, da dies der nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu erwartenden beruflichen Entwicklung des M entspricht.74
70 71 72 73 74
Büttner, NJW 2001, 3244, 3245. BGH, FamRZ 2001, 1687, 1690 = FPR 2001, 426 ff. BGH, FamRZ 2003, 848 f., m. Anm. v. Hoppenz, S. 854 ff. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 70 f. BGH, FamRZ 1986, 148.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten – M und F haben während des Zusammenlebens mit getrennten Kassen gewirtschaftet und demzufolge bei unterschiedlich hohen Einkommen keinen gemeinsamen Lebensstandard gehabt. Gleichwohl ist Berechnungsgrundlage das aktuelle erzielte Einkommen beider Ehegatten.75
358 Die Bewertung, welches Einkommen für Unterhaltszwecke nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen zur Verfügung zu stehen hat, erfordert in der Praxis häufig eine Entscheidung darüber, welche Schulden einkommensmindernd bei den Ehegatten berücksichtigt werden können. Denn ein Vorabzug ist für die Höhe des Anspruchs von entscheidender Bedeutung, weil er beide Ehegatten an der Schuldentilgung beteiligt, und zwar auch den Unterhaltsberechtigten durch Kürzung seines Anspruchs. Abzugsfähig sind ehebedingte Schulden, die schon während des Zusammenlebens den Lebensstandard der Familie geprägt haben (zu den Einzelheiten s. Rn. 383 ff.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gegenwert nur einem Ehegatten zugutegekommen ist. Bei der Behandlung trennungsbedingter Schulden hat sich in der Rechtsprechung des BGH seit dem Urteil vom 15.3.200676 ein Wandel vollzogen, der zu einer großzügigeren Anerkennung trennungsbedingter Verbindlichkeiten führt77 (s. auch Rn. 380 ff.): Während nach früherer Rechtsprechung des BGH trennungsbedingte Schulden bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens i.d.R. überhaupt nicht zu berücksichtigen waren,78 können nunmehr auch nach der Trennung aufgenommene Verbindlichkeiten, soweit sie unumgänglich, bzw. nicht leichtfertig eingegangen wurden, das bedarfsbestimmende Einkommens mindern. Denn ebenso wie beim Nacheheunterhalt gilt auch für den Trennungsunterhalt im Rahmen von § 1361 BGB, der allerdings noch eine strengere Einstandspflicht für den Ehegattenunterhalt beinhaltet, dass es für den Bedürftigen keine Lebensstandardgarantie gibt und er – wie der andere Ehegatte auch – an der Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse teilhat, also das Risiko einer negativen Entwicklung der Einkünfte nach der Trennung mitträgt.79 Bei der Prüfung der Berücksichtigungswürdigkeit der eingegangenen Verbindlichkeiten ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Unterhaltsbedürftige muss nicht hinnehmen, dass sein Anspruch dadurch geschmälert wird, dass der andere zu seinen Lasten Konsumwünsche befriedigt, die seinen Lebenszuschnitt übersteigen, oder gar Vermögen bildet. Berücksichtigungswürdig sind deshalb nur solche nach der Trennung entstandenen Schulden, die notwendig infolge der Trennung entstanden sind, wie z.B. für Umzugskosten, notwendige Einrichtungsgegenstände, die nicht durch Hausratsaufteilung abgedeckt werden können, Mietkautionen, eventuell kostengünstigen PKW, der für die Arbeit benötigt wird etc.80, aber auch z.B. krankheitsbedingte Aufwendungen.
75 Vgl. dazu die Kritik in FamRZ 1989, 839. 76 BGH, FamRZ 2006, 683, siehe auch Rn. 483 m.w.N. 77 So z.B. Heiß/Born, Kap. 10, Rn. 68; Johannsen/Henrich/Büttner, § 1361 BGB Rn. 82 ff.; Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 214, 216 f. und § 1 Rn. 629 ff. 78 BGH, FamRZ 2004, 1357, 1359. 79 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 622 ff. Gerhardt, FamRZ 2007, 945, 948; zur Kritik an der geänderten Rechtsprechung des BGH, insbesondere zur Aufgabe des Stichtagsprinzips bei § 1578 BGB vgl. u.a. OLG Celle, OLGR Celle 2007, 511–514; OLG Düsseldorf, FamRB 2007, 199; Born, NJW 2007, 27 ff.; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff.; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff. 80 Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 623a.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Ebenfalls abzugsfähig sind Unterhaltsverbindlichkeiten, die schon vor der Trennung bestanden, ebenso wie für außerhalb der Ehe geborene nichteheliche Kinder, da es sich insoweit um nicht mehr abwendbare Verpflichtungen handelt, die auch in der Unterhaltsrangfolge in § 1609 BGB an erster Stelle stehen (Rn. 422).81 Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Verbindlichkeiten liegt bei dem Schuldner.82 Die geänderte Rechtsprechung zur großzügigeren Berücksichtigung von nach der 358a Trennung entstandenen Verbindlichkeiten ist insofern stimmig, als die Ehe noch besteht und es durchaus sachgerecht ist, der weiteren geänderten wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere den damit verbundenen Kosten der Trennung, auf der Bedarfsebene Rechnung zu tragen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass sich die Anerkennung von Verbindlichkeiten, die einseitig nach der Trennung aufgenommen werden, konsequent auf erforderliche und unabwendbare Aufwendungen beschränkt. Denn anderenfalls bestünde – auch im Hinblick auf den sich nach der Scheidung anschließenden nachehelichen Unterhalt – die Gefahr, dass der sowohl für den Trennungs- als auch Nacheheunterhalt in § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB festgeschriebene Maßstab des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu einem Programmsatz ohne Substanz verkümmert. Diese Gefahr ist insbesondere beim Nacheheunterhalt greifbar, denn die seit 1.1.2008 in Kraft getretene geänderte Rangfolgenregelung in § 1609 BGB und die Beschränkungsmöglichkeiten des Nacheheunterhalts aus Billigkeitsgründen nach § 1578b BGB haben zu einer erheblichen Beschränkung des nachehelichen Unterhalts geführt, die durch die geänderte Rechtsprechung des BGH, den Maßstab des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs. 1 BGB nunmehr nur noch im Sinne wandelbarer ehelicher Lebensverhältnisse auszulegen, noch verstärkt wird, s. dazu Rn. 432a, 482 ff. Sind die Schulden nicht auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens berücksichtigungswürdig, ist noch auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu prüfen, inwieweit sie die Leistungsfähigkeit einschränken.83 Insoweit wird auf die Darstellung zur Leistungsfähigkeit unter Rn. 410 verwiesen. Schuldverpflichtungen aufseiten des Berechtigten für trennungsbedingten oder 359 krankheitsbedingten Mehraufwand einschließlich eventueller Unterhaltsverbindlichkeiten werden auf der Bedarfsebene ebenfalls nur unter den engen und gleichen Voraussetzungen wie beim Verpflichteten berücksichtigt, insoweit obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast. Beispiel M verdient 2 000 Euro netto und hat berufsbedingte Aufwendungen i.H.v. 100 Euro. F betreut die Kinder und verdient 500 Euro netto mit ihrer Halbtagstätigkeit; ihre berufsbedingten Aufwendungen betragen 50 Euro. Vor der Trennung wurde gemeinsam ein Kredit aufgenommen. Die mtl. Rate beträgt 100 Euro. M nimmt nach der Trennung einen weiteren Kredit für einen PKW auf, mit dessen Kauf F schon während des Zusammenlebens nicht einverstanden war. Die mtl. Rate beträgt 150 Euro. Das bedarfsbestimmende Einkommen, 81 So schon BGH, FamRZ 1994, 87 ff.; zur generellen Berücksichtigung von vor- und gleichrangigen Unterhaltsverbindlichkeiten auf der Bedarfsebene auch beim Nacheheunterhalt BGH, FamRZ 2006, 683, 686. 82 BGH, FamRZ 1990, 283, 287. 83 BGH, FamRZ 1998, 1501.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten das den Ehegatten zusammen für den Unterhalt zur Verfügung steht, beträgt 1 538 Euro und errechnet sich wie folgt: Nettoeinkommen M: 5 % berufsbedingte Aufwendungen ehebedingter Kredit Kindesunterhalt Zwischensumme 1/ 7 Erwerbstätigenbonus (von 1 344 Euro)84
2 000 – 100 – 100 – 456 = 1 344 – 192 1 152 500 – 50 = 450 – 64 386 1 538 769 – 386 383
Nettoeinkommen F: berufsbedingte Aufwendungen Mindestbetrag Zwischensumme 1/ 7 Erwerbstätigenbonus (von 450 Euro) Summe der Einkommen: geteilt durch 2 = Bedarf abzüglich eigene Einkünfte F ungedeckter Bedarf und Anspruch F =
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
M verbleiben nach Abzug der Belastungen einschließlich des Unterhalts für F (jedoch ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus bei der Selbstbehaltskontrolle) 1 344 Euro – 383 Euro = 961 Euro, so dass sein Selbstbehalt, der nach den Leitlinien i.d.R. 1 000 Euro beträgt, nicht gewahrt ist.85 Da F wegen der Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit nicht ausweiten kann, wäre aus Billigkeitsgründen die Unterschreitung hinzunehmen (zu den Abwägungskriterien Rn. 408).86 Bei anderer Auffassung wird der Bedarf von F wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit um 39 Euro gekürzt. Die Raten für den PKW bleiben beim bedarfsbestimmenden Einkommen von M unberücksichtigt, weil sie nicht ehebedingt sind und der Kauf des PKW im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtungen nicht vertretbar war.
360 Checkliste 2: Berechnung des bedarfsbestimmenden Einkommens Ehefrau
Ehemann
Durchschnittsnettoeinkommen (vgl. Checkliste unter Rn. 354) Abzüge: – berufsbedingte Aufwendungen (pauschal oder konkret),
…
…
– ehebedingte Schuldverpflichtungen (z.B. Mietschulden, Kredite etc.),
…
…
– sonstige berücksichtigungswürdige Schuldverpflichtungen (voreheliche Schulden, nach der Trennung berechtigt aufgenommene Kredite, Schadensersatzforderungen etc.),
…
…
– Unterhalt für gemeinsame Kinder,
…
…
– Unterhalt für nicht gemeinsame Kinder, soweit die Zahlungen schon das Zusammenleben prägten,
…
…
– sonstige vorrangige Unterhaltsschulden,
…
…
– Miete für Ehewohnung, soweit mehr als der eigene Anteil gezahlt wird.
…
…
Summe des bedarfsbestimmenden Einkommens
…
…
84 Der Erwerbstätigenbonus wird immer von dem um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen berechnet. 85 Seit 1.1.2008 beträgt der angemessene Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten 1 000 Euro, soweit geregelt für Nichterwerbstätige 900/940 Euro. 86 So OLG Köln, FamRZ 2006, 1760.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
3. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung der bedarfsbestimmenden Einkünfte Obwohl nach dem Gesetz die ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich bis zur 361 Scheidung fortdauern und beide Eheleute an der Entwicklung gleichberechtigt teilhaben, werden nicht alle nach der Trennung von den Ehegatten erzielten Einkünfte beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt. a) Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Zum bedarfsbestimmenden Einkommen gehören nicht die Einkünfte, die der 362 unterhaltspflichtige Ehegatte deshalb erzielt, weil er freiwillig in bisher nicht üblicher Weise mehr arbeitet, um seine Einkünfte aufzubessern, z.B. durch Überstunden oder einen Nebenjob. Dies sind Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben. Sind die Überstunden dagegen berufsüblich, gehören diese Einkünfte mit zum bedarfsbestimmenden Einkommen. Beispiele – M ist Musiker beim staatlichen Rundfunk in B und verdient dort 2 500 Euro. Er erzielt außerdem Nebeneinkünfte aus Tantiemen für Kompositionen sowie Schallplattenaufnahmen i.H.v. 500 Euro und erhält für eine Lehrtätigkeit 200 Euro. Die Nebeneinkünfte aus Tantiemen i.H.v. 500 Euro sind zu berücksichtigen, da sie berufstypisch sind. – M arbeitet bei einer Versicherung und ist in seiner Freizeit als Trainer in einem Segelverein tätig. Mit den Einnahmen finanziert er seine jährlichen Segeltörns auf großen Yachten. M muss sich die Nebeneinnahmen nicht anrechnen lassen und dürfte die Nebentätigkeit auch jederzeit wieder aufgeben.
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, das vom Unterhaltsberechtigten erzielt und beim bedarfsbestimmenden Einkommen nicht berücksichtigt wird, kann aber noch auf den ermittelten Bedarf angerechnet werden bei der Überprüfung der Bedürftigkeit, soweit es zusammen mit dem Einkommen aus zumutbarer Arbeit und dem geschuldeten Unterhalt den vollen Unterhaltsbedarf übersteigt (entsprechende Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB). Der Umfang der Anrechnung ist nach Billigkeitsgesichtspunkten zu bemessen (Rn. 405). Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die auch schon während des Zusammenlebens erzielt wurden, können ausnahmsweise (teilweise) dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzugerechnet werden (s. dazu das Beispiel Rn. 489), wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 242 BGB). Insoweit bedarf es jedoch besonderer Gründe. Die (teilweise) Zurechnung zum bedarfsbestimmenden Einkommen ändert nichts daran, dass die Tätigkeit jederzeit ohne Rechtsnachteil aufgegeben werden kann. b) Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird Die dogmatische Behandlung von Einkünften aus einer überobligatorischen Er- 363 werbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird, unterscheidet sich zwar in der rechtlichen Begründung, je nachdem ob sie auf Seiten des Unterhaltspflichtigen oder Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen sind, nicht aber im wirtschaftlichen Ergebnis: Betreut der Unterhaltspflichtige neben seiner Erwerbstätigkeit ein gemeinsames Kind, wird sein Einkommen, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit mindestens teilweise überobligatorisch ist, dem beEhinger
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
darfsbestimmenden Einkommen hinzugerechnet. Davon abgezogen werden neben berücksichtigungswürdigen Verbindlichkeiten eventuell entstehende Kinderbetreuungskosten (soweit es sich nicht um Mehrbedarf des Kindes für Kindergartenkosten oder Kosten für vergleichbare Einrichtungen ohne Verpflegungskosten handelt,87 s. Rn. 119) und ein zu schätzender Betreuungsbonus (§ 242 BGB) zur Kompensation der Doppelbelastung.88 Der Betreuungsbonus wurde von der Rechtsprechung zunächst als Abzugsposten entwickelt, wenn die Betreuung von gemeinsamen Kindern ohne besondere Kosten aber unter besonderen Erschwernissen stattfindet.89 Da auch in den Fällen, in denen konkrete Betreuungskosten entstehen, die Doppelbelastung in der Regel mit einem nicht unerheblichen Kraftaufwand des betreuenden Elternteils verbunden ist, ist es sachgerecht, dem unterhaltspflichtigen Elternteil neben konkreten Aufwendungen wie z.B. für Hort, Kinderfrau auch einen Betreuungsbonus zuzugestehen, dessen Höhe jedoch variabel ist und der sich nur nach den individuellen Erschwernissen der Doppelbelastung bemisst.90 Die Beschränkung des Betreuungsbonus auf diese Kompensationsfunktion erscheint auch deshalb zweckmäßig, um die gebotene Gleichbehandlung einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten und des Verpflichteten umzusetzen. 364 Für die Bemessung des Betreuungsbonus ist entscheidendes Kriterium, mit welchen besonderen Erschwernissen etwa die Ausübung der Erwerbstätigkeit verbunden ist. Dabei können Aufschluss über die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kindesbetreuung die Arbeits- und Fahrzeiten geben; ferner ist zu klären, ob und in welchem Umfang ein Kindergarten oder andere Hilfen für die Betreuung in der Arbeitszeit zur Verfügung stehen.91 Auch die persönlichen Verhältnisse, wie das Alter und der Gesundheitszustand, können Aufschluss geben über Art und Ausmaß der Anstrengung der unzumutbaren Erwerbstätigkeit. Weitere Billigkeitskriterien sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen. Muss der Verpflichtete noch für den Barunterhalt der Kinder aufkommen, weil der Ehegatte nicht leistungsfähig ist, können diese Kosten neben dem Betreuungsbonus berücksichtigt werden.92 Häufig wird der Betreuungsbonus pauschal mit 100–300 Euro in Ansatz gebracht; ausschlaggebend für die Bemessung sind jedoch die Umstände des Einzelfalls,93 so dass der Bonus deutlich höher sein kann. Ergebnis der Billigkeitsprüfung gemäß § 242 BGB kann aber auch sein, dass das Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit ganz außer Ansatz bleibt.94 87 BGH, FamRZ 2009, 962 ff.; 2008, 1152, 1153 f. mit Anm. v. Born S. 1155. Zur Behandlung der Betreuungskosten s. Nr. 10.3 und 12.4 der LL und die Übersicht von Riegner zur Umsetzung der geänderten Rechtsprechung des BGH in den LL, FPR 2010, 129 ff.; s. dazu auch Rn. 119 m. w. Rechtsprechungsnachweisen. 88 BGH, FamRZ 1982, 778, 780; 2001, 350 ff. Zur Handhabung der OLG vgl. Ziff. 10.3 in den Leitlinien. 89 BGH, FamRZ 1982, 779, 780; 1983, 569, 570; 1986, 790, 791; 2001, 350 ff. 90 So auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 966; Wendl/Klinkhammer § 2 Rn. 275a; OLG Hamm, FamRZ 2002, 1708. Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. I, Rn.755. Zum Meinungsstreit vgl. auch Rn. 488. 91 BGH, FamRZ 2001, 350, 353; 2005, 442 ff. 92 KG Berlin, FamRZ 1998, 1112 ff. Das OLG Hamburg, FamRZ 1997, 357 ff. hat für jedes vom Pflichtigen betreute Kind 200 Euro von seinem Einkommen abgesetzt. 93 BGH, FamRZ 1982, 779, 780. Vgl. zur Handhabung der OLG jeweils Ziff. 10.3 der Leitlinien; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 966. 94 BGH, FamRZ 2005, 442, 444 m. Anm. von Büttner, S. 446 f.
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III. Die Berechnung des Unterhalts Beispiel F ist Lehrerin und war auch schon während des Zusammenlebens vollschichtig neben der Betreuung der 3 Kinder erwerbstätig. Nach der Trennung leben die Kinder (17, 15 und 12 Jahre) in ihrem Haushalt. Sie verdient 2 200 Euro: M arbeitet als Hausmeister und hat ein Einkommen von 1 400 Euro. Er verlangt Aufstockungsunterhalt von F. Da die Hilfe des Mannes bei der Betreuung nach der Trennung weggefallen ist, ist F überobligatorisch erwerbstätig. Von ihrem Einkommen sind Betreuungskosten und ein Betreuungsbonus von 700 Euro abzuziehen, wobei für die Bemessung zu berücksichtigen war, dass die Hilfe von M bei der Betreuung der Kinder weggefallen ist, sie höhere Kosten für die Haushaltsführung hat und ergänzend für den Barunterhaltsbedarf der Kinder aufkommen muss.95
Zum Abzug des Betreuungsbonus bei der Berechnung des Kindesunterhalts vgl. Rn. 74. Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus Erwerbstätigkeit, die er nach der Tren- 365 nung – trotz der Kindesbetreuung – aufgenommen oder erweitert hat, obwohl ihm dies nicht zumutbar ist, sind überobligatorisch. Sie werden nach Bereinigung – ebenfalls um konkrete Betreuungskosten – nur hinsichtlich ihres unterhaltsrelevanten Anteils dem bedarfsprägenden Einkommen zugerechnet und insoweit als Einkommen in die Unterhaltsberechnung nach der Additions- oder Differenzmethode mit einbezogen.96 Unterhaltsrelevant ist der Anteil des Einkommens, der dem Berechtigten aus Billigkeitsgründen nach §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB als Einkommen zuzurechnen ist. Im Übrigen bleibt das Einkommen sowohl für die Bedarfsbemessung als auch Bedürftigkeitsprüfung vollständig unberücksichtigt (vgl. Rn. 405 zur Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB). Der nach Billigkeit zu bemessende Anteil des Einkommens tritt als Surrogat an die Stelle der früheren Hausarbeit und Kindererziehung und wird deshalb sowohl auf der Bedarfs- als auch Bedürftigkeitsebene bei der Unterhaltsberechnung mitberücksichtigt. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit 366 aus Billigkeitsgründen in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2, § 242 BGB, unterhaltsrechtlich relevant und in welchem Umfang es nicht relevant sein soll, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalles und den mit der Kinderbetreuung verbundenen Erschwernissen bei der Erwerbstätigkeit zu bestimmen und entzieht sich jeder Pauschalisierung. Beispiele 1. V ist F sowie den gemeinsamen 9 und 12 Jahre alten Kindern unterhaltspflichtig. Nach Abzug des Kindesunterhalts verbleiben ihm 2 000 Euro. F hat bis zur Trennung nicht gearbeitet und die Kinder betreut. Nach der Trennung können die Kinder den Hort nur bis 15 Uhr besuchen. Nur durch die Hilfe ihrer Eltern, die sie bei der Betreuung der Kinder unterstützen, kann sie eine Vollbeschäftigung ausüben und verdient 1 500 Euro. F würde bei Ausübung einer zumutbaren Teilzeitbeschäftigung nur 1 000 Euro erzielen. Von dem aus überobligatorischer Vollzeitbeschäftigung erzielten Mehreinkommen von 500 Euro beträgt der gemäß §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB zu bestimmende, nicht unterhaltsrelevante, ihr allein verbleibende Anteil 300 Euro und der unterhaltsrelevante Anteil 200 Euro. Damit beträgt das bedarfsbestimmende Einkommen vom V und F zusammen 3 200 Euro (2 000 Euro + 1 200 Euro). Zur Berechnung des Anspruchs vgl. Rn. 406.97 2. F pflegt das schwerbehinderte 7-jährige Kind, das bis 15 Uhr werktags einen Kindergarten besucht, und übt zu Hause eine Teilzeittätigkeit am Computer aus. Sie bezieht ein Pflege95 Nachgebildet KG Berlin, FPR 2002, 301, 303. 96 BGH, NJW 2005, 2145–2149 = FamRZ 2005, 1154 ff. 97 BGH, FamRZ 1983, 146 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten geld für die Pflegestufe III gem. § 13 SGB XI i.H.v. 685 Euro und Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 400 Euro mtl. Das Pflegegeld verbleibt ihr ungeschmälert (§§ 37 Abs. 1, 13 Abs. 6 SGB XI, s. dazu Rn. 32). Die Erwerbstätigkeit ist überobligatorisch, weil das Kind die Entwicklungsstufe eines Kleinkindes hat und häufig aus Gesundheitsgründen den Kindergarten nicht besuchen kann. Von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nur ein nach Billigkeit zu bestimmender Teil unterhaltsrelevantes Einkommen.98
367 Die vom BGH gewählte Lösung,99 den aus Billigkeitsgründen unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen Teil des Einkommens des Unterhaltsberechtigten zum prägenden Einkommen hinzurechnen, führt trotz unterschiedlicher rechtlicher Konstruktionen im praktischen Ergebnis zu einer Gleichbehandlung überobligatorischer Einkünfte bei Berechtigten und Verpflichteten. Denn in beiden Fällen ist sowohl im Rahmen von § 242 BGB aufseiten des Verpflichteten als auch bei der im Rahmen von § 1577 Abs. 2 BGB anzustellenden Billigkeitsabwägung, der überobligatorische Arbeitseinsatz individuell zu bemessen und der Einkommensanteil zu bestimmen, der auf der Bedarfsebenen unberücksichtigt bleibt.100 Insoweit sind gleiche Maßstäbe anzuwenden, worauf der BGH schon mehrfach hingewiesen hat.101 Bedient sich der betreuende Elternteil bei der Betreuung des Kindes der Hilfe von Verwandten oder eines neuen Lebensgefährten, ändert diese faktische Entlastung nichts an der unterhaltsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit als überobligatorisch, weil diese Hilfe Dritter nicht bestimmt ist, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten.102 Die Grundsätze zur überobligatorischen Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung kommen vor allem zur Geltung, wenn der Trennungsunterhalt wegen Betreuung des Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs geltend gemacht wird, denn dann besteht weder beim geschiedenen noch unverheirateten – und erst recht nicht beim noch verheirateten betreuenden Elternteil – eine Erwerbsobliegenheit.103 Ab dem dritten Lebensjahr des zu betreuenden Kindes und mit zunehmender Verfestigung der Trennung verlieren die Grundsätze zur überobligatorischen Erwerbstätigkeit jedoch an Bedeutung, denn mit Inkrafttreten des UÄndG sind die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit kinderbetreuender Eltern verschärft und das bis dahin praktizierte Altersphasenmodell vom BGH verworfen worden, was sich auch auf die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit beim Trennungsunterhalt auswirkt. D. h. es gelten zunehmend für die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit die Maßstäbe des Nacheheunterhalts, so dass im Grundsatz ab Vollendung des dritten Lebensjahres eine Erwerbsobliegenheit in Betracht kommt (s. dazu Rn. 439 ff.). Dies ist vom BGH noch nicht entschieden worden, galt jedoch für die Rechtslage bis zum 31.12.2007.104 Zwar ist bei der Anwendung der Maßstäbe des § 1570 BGB im Rahmen von § 1361 Abs. 2 BGB zu beachten, dass bis zur Scheidung eine deutlich stärkere Verantwortlichkeit der Ehegatten füreinander, d.h. auch Einstandspflicht für den Unterhalt besteht und das gewachsene Vertrauen in die ursprüngliche Lebensplanung der Ehegatten zu schüt98 BGH, FamRZ 2006, 846 ff. 99 BGH, Urteil vom 13.6.2001, FamRZ 2001, 986 ff.; Fortführung der Rspr. in FamRZ 2003, 518; 2005, 1154, 1156. 100 Vgl. dazu Soyka, FuR 2003, 193 ff. 101 So z.B. in FamRZ 2001, 350, 353. 102 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1396; 2005, 1154, 1156. 103 BGH, FamRZ 2009, 1391f; 2009, 1124f; 2005, 1154. 104 BGH, FamRZ 2001, 350 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
zen ist.105 Übt der kinderbetreuende Ehegatte jedoch eine Erwerbstätigkeit aus, zeigt er damit im Regelfall, dass diese Tätigkeit mit der Pflege und Erziehung der Kinder konkret vereinbar ist und deshalb der Billigkeit entspricht, so dass insoweit eine Indizwirkung gegen eine überobligatorische Tätigkeit spricht.106 Die Anerkennung als überobligatorische Tätigkeit wird deshalb bei der Betreuung von Kindern ab dem dritten Lebensjahr nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Der Elternteil, der sich darauf beruft, überobligatorisch erwerbstätig zu sein, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die (teilweise) Unzumutbarkeit seiner Tätigkeit.107 c) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die auf einer vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen (Karrieresprung) Da die aus der Ehe resultierende unterhaltsrechtliche Verantwortung der Ehegat- 368 ten füreinander nach der Trennung noch fortbesteht, sind Einkommensveränderungen während der Trennungszeit i.d.R. noch prägend für die ehelichen Lebensverhältnisse. Dies gilt jedoch nicht für Einkommen, das die ehelichen Lebensverhältnisse zu keinem Zeitpunkt geprägt hat, weil es auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruht. Dieses Einkommen bleibt unberücksichtigt.108 Liegt eine unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung vor, ist für die Bedarfsbemessung eine fiktive Einkommensfortschreibung des früheren Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Entwicklung ist, ob im Zeitpunkt der Trennung ein beruflicher Wechsel zu erwarten war oder außerhalb jeglicher Vorstellungen in der Ehe lag. So hat der BGH109 die Einkünfte eines Arztes aus freiberuflicher Tätigkeit als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend angesehen, weil der Entschluss dazu noch während des Zusammenlebens getroffen wurde, während die Trennung der Ehegatten und die Aufnahme dieser Tätigkeit (Gründung einer Praxis) zeitlich zusammenfielen. Vom Normalverlauf abweichende Gehaltserhöhungen sind solche, die auf einem 369 Karrieresprung beruhen. Indiz für einen Karrieresprung ist, wenn das erzielte Einkommen im Vergleich zum früheren Einkommen von der allgemeinen Einkommensentwicklung und den gestiegenen Lebensverhältnissen in auffälliger Weise abweicht und angewachsen ist.110 Beispiele – Die Ehegatten heirateten 1980 und trennten sich, nachdem die Tochter volljährig wurde, im Jahr 2000. M verdiente bis zur Trennung als angestellter Dipl.-Ing. in einem Universitätsinstitut 3 000 Euro. Nach der Trennung geht er in die Wirtschaft, sammelt Auslandserfahrung und übernimmt Mitte 2002 eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH mit einem Gehalt von 5 000 Euro. F war während der Ehe als freiberufliche Dolmetscherin tätig und verdiente 1 000 Euro. Das bedarfsbestimmende Einkommen des M 105 OLG Düsseldorf, FamRB 2010, 35; Reinken, FPR 2010, 125, 128. 106 BGH, FamRZ 2009, 1391 zu § 1570 BGB; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2009 – 8 WF 155/09, FamFR 2010, 82. 107 BGH, FamRZ 2009, 1391 zu § 1570 BGB. 108 BGH, FamRZ 1982, 576, 578 (Pelzhändlerfall); 1984, 561; 1986, 783, 785; 1991, 307, 308. 109 BGH, FamRZ 1988, 927. 110 BGH, FamRZ 1987, 257, 259. Zur Entwicklung der Rechtsprechung s. Heiß, FPR 2008, 69 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten beträgt nach wie vor 3 000 Euro; denn erst nach der Trennung erwarb M durch Tätigkeiten im Ausland die notwendigen Qualifikationen für seine jetzige Tätigkeit. – M war früher Angehöriger der Nationalen Volksarmee/DDR, dann als Gebrauchtwagenverkäufer und kurz vor der Trennung als Verkaufsleiter einer Filiale mit einem Einkommen von 1 500 Euro tätig. Der Unterhalt wird nach einem Einkommen von 1 500 Euro berechnet. Zwei Jahre nach der Trennung wird er Gesamtverkaufsleiter mehrerer Filialen und Mitglied der Geschäftsleitung mit einem Einkommen von 3 000 Euro. Berechnungsgrundlage bleibt das Einkommen von 1 500 Euro.
In beiden Beispielen liegt eine Einkommenssteigerung um mehr als die Hälfte des früheren Einkommens vor, so dass eine deutliche Abweichung vom Normalverlauf gegeben ist. Sie wäre noch prägend für die ehelichen Lebensverhältnisse gewesen, wenn der berufliche Aufstieg schon vor der Trennung gelegen hätte oder absehbar gewesen wäre.111 Auch Leistungsbeförderungen im Öffentlichen Dienst sind nicht dem Normalverlauf zuzuordnen. Gleiches gilt in der Wirtschaft z.B. bei einem Aufstieg vom Vertriebsingenieur zum Geschäftsführer einer GmbH,112 vom Angestellten in gehobener Position in die Geschäftsführung.113 Bei langer Trennung muss in solchen Fällen das frühere erzielte Einkommen der allgemeinen Einkommensentwicklung durch eine fiktive Berechnung angeglichen werden.114 370 Der Unterhaltsbedürftige ist für die Tatsachen, die für die Unterhaltsbemessung maßgeblich sind, darlegungs- und beweispflichtig. Für den vom Normalverlauf abweichenden Verlauf ist der Pflichtige darlegungs- und beweispflichtig. Lässt der Verpflichtete den Unterhaltsberechtigten während der Trennungszeit an dem höheren Verdienst teilhaben, kann er sich bei der Bemessung des Nacheheunterhalts insoweit nicht mehr auf nichtprägendes Einkommen berufen. d) Arbeitsrechtliche Abfindungen 370a Abfindungen sind eheprägende Einkünfte, wenn sie zielgerichtet als Ersatz für zukünftigen Lohnausfall gezahlt werden, z.B. wegen Betriebsstilllegung oder Frühpensionierung.115 Dabei ist das meist als Einmalbetrag gezahlte, um Steuern bereinigte Geld so aufzuteilen, dass trotz des Verlustes des Arbeitsplatzes die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden können und der bisherige Bedarf sichergestellt wird. Ab wann eine Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse geboten ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles.116 Findet der Verpflichtete eine neue, geringer dotierte, vollschichtige Anstellung bevor die Abfindung verbraucht ist, ist in die Bedarfsberechnung sein geringeres Erwerbseinkommen einzustellen. Eine Aufstockung durch Umlegung der Abfindung kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Verpflichtete das Absinken des Lebensstandards nicht zu vertreten hat und
111 112 113 114 115
BGH, FamRZ 1988, 259 (z.B. zum Sparkassendirektor). BGH, FamRZ 1990, 1085. OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1439. BGH, FamRZ 1982, 576. BGH, FamRZ 2001, 278, 282 (Betriebsstilllegung); BGH, FamRZ 2004, 1352 (Vorruhestand) mit Anm. von Kogel, FamRZ 2004, 1614. Keine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Abfindung, die neben dem laufenden Einkommen gezahlt wird, OLG Frankfurt, FamRZ 2005, 36. 116 BGH, FamRZ 1987, 359.
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seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt.117 Ein dauerhaftes Absinken des Lebensstandards ist immer dann von dem Berechtigten hinzunehmen, wenn er dies auch bei weiterem Zusammenleben hätte hinnehmen müssen.
" Praxishinweis: Ist die Abfindung aufgrund ihrer Zweckbestimmung unter-
haltsrechtliches Einkommen und wird sie bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt berücksichtigt, besteht i.d.R. das Verbot der „Doppelverwertung“, so dass die Abfindung nicht noch einmal im Rahmen des Zugewinnausgleichs in das Vermögen eingestellt werden darf.118 Unabhängig von der dogmatischen Streitfrage, ob Abfindungen je nach ihrer Zweckbestimmung zwingend entweder unterhaltsrechtliches Einkommen oder als Vermögen dem Güterrecht zuzuordnen sind und inwieweit den Parteien insoweit ein vertragliches Dispositionsrecht zusteht, kann einer Doppelverwertung aber mit § 242 BGB begegnet werden.119 Für den Anwalt können sich jedoch Haftungsrisiken ergeben, z.B. wenn die Abfindung beim Unterhalt nur teilweise berücksichtigt wurde und versäumt wird, den Restbetrag in den Zugewinnausgleich einzustellen.120 Hier ergeben sich für den Anwalt schwierige Fragen und Haftungsrisiken.121
e) Fiktives Einkommen Auch nach der Trennung muss jeder Ehegatte seine Arbeitskraft entsprechend 371 der bisher üblichen Handhabung bzw. den sich aufgrund der Trennung ergebenden neuen Anforderungen einsetzen. Tut er das in vorwerfbarer Weise nicht, indem er seine Arbeit aufgibt, reduziert oder sich nach einer Kündigung nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht, muss der Unterhaltsberechtigte dies nicht gegen sich gelten lassen (§ 242 BGB). In die Bedarfsbestimmung wird deshalb bei mutwilliger Aufgabe der Tätigkeit das bisher erzielte Einkommen oder bei unzulänglichen Bemühungen um eine neue Stelle das nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten erzielbare Einkommen mit eingestellt. Denn ein Verhalten des Unterhaltspflichtigen, das gegen seine Pflicht verstößt, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, kann die ehelichen Lebensverhältnisse nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten verändern.122 Beispiel M ist verärgert über die Trennung und sieht sich jahrelangen Unterhaltszahlungen ausgesetzt. Er kündigt sein sicheres Arbeitsverhältnis. F klagt auf Unterhalt. M wird in einem Urteil/Beschluss für die Unterhaltsberechnung sein früher erzieltes Einkommen von 1 500 Euro fiktiv als Einkommen angerechnet. Hier erfolgt die Zurechnung, weil er in vorwerfbarer Weise mit der Kündigung absichtlich seine Leistungsunfähigkeit herbeiführen wollte. Dies stellt eine grob schuldhafte Verletzung seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit dar, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten.123
117 BGH, FamRZ 2003, 590. 118 BGH, FamRZ 2004, 1352; BGH, FamRZ 2003, 432,433 mit Anm. von Kogel und Schröder, FamRZ 2003, 1645. 119 BGH, FamRZ 2004, 1352; 2001, 278, 282; zum neueren Diskussionsstand vgl. die Beiträge von Maurer, FamRZ 2005, 758 und 1526; Kogel, FamRZ 2005, 1524. 120 BGH, FamRZ 1998, 362 ff. 121 Kogel, FamRZ 2005, 1524 ff. mit Rspr.-Nachweisen. 122 BGH, FamRZ 1992, 1045 ff. 123 BGH, FamRZ 2 000, 815, 816.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Ist der Unterhalt für F – wie im Beispielsfall – in einem Urteil oder Beschluss auf der Basis des bisher vom Verpflichteten erzielten Einkommens berechnet und tituliert worden, ist eine Herabsetzung für M im Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG bei mutwilliger Aufgabe des Arbeitsplatzes nur schwer zu erreichen, und zwar i.d.R. nur dann, wenn M darlegen und beweisen kann, dass er auch bei pflichtgemäßem Verhalten in der Vergangenheit seinen früheren Arbeitsplatz verloren, bzw. auch dort jetzt weniger verdienen würde.124 Nur wenn sich aufgrund der Arbeitsmarktlage abzeichnet, dass trotz ausreichender Bemühungen nur noch ein niedrigeres Einkommen von 1 200 Euro zu erzielen wäre, käme z.B. bei drohender Überschuldung des M nach einem angemessenen Zeitraum, für den er ernsthafte und ausreichende, vergebliche Bemühungen um einen Arbeitsplatz darzulegen und zu beweisen hat,125 eine Anpassung an das tatsächlich erzielbare Einkommen in Betracht (§ 242 BGB).126 372 Ist der Arbeitsplatzverlust zwar selbst verschuldet (Kündigung wegen Alkohol, Diebstahl etc.), aber nicht mutwillig herbeigeführt durch ein unterhaltsbezogenes leichtfertiges Verhalten, kann sich die Zurechnung eines fiktiven Einkommens daraus ergeben, dass sich der Pflichtige nicht oder nicht ausreichend um eine neue Arbeit bemüht. Beispiel M arbeitet seit 20 Jahren in einer Firma und verdient mtl. 2 000 Euro. Er bekommt aufgrund der Trennung Alkoholprobleme, rechnet mit Verständnis in der Firma, wird aber gekündigt. M bemüht sich nicht um einen neuen Arbeitsplatz. Hier ist nicht der alkoholbedingte Verlust des Arbeitsplatzes Anknüpfungspunkt für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens, sondern das fehlende Bemühen um einen neuen Arbeitsplatz. M hat zwar den Arbeitsplatzverlust selbst verschuldet, es fehlt aber an der unterhaltsbezogenen Mutwilligkeit.127 Ihm ist nur ein fiktives Einkommen von 1 500 Euro zuzurechnen; denn bei einem neuen Arbeitgeber würde er aufgrund seiner subjektiven Voraussetzungen nur ein Einkommen in dieser Höhe erzielen.
373 Fehlende oder unzureichende Bemühungen um eine neue Arbeit rechtfertigen immer nur die Bemessung des Einkommens nach dem für den Arbeitsuchenden erzielbaren Einkommen. Maßgebende Faktoren sind dabei das Alter, die berufliche Vorbildung, die Gesundheit etc.128 Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens kommt nicht in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass auch bei ausreichenden Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäftigungschance besteht. Derjenige, der sich auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast.129 f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner 374 Lebt der bedürftige Ehegatte nach der Trennung mit einem neuen Partner zusammen, ohne dass er damit seinen Unterhaltsanspruch verwirkt hat (zu den Verwir124 BGH, FamRZ 2008, 872, 874 m. Anm. v. Hoppenz S. 875. 125 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (Leitsatz); OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881, 882. 126 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 730, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern. 127 BGH, FamRZ 1993, 1055, 1056; 1994, 240, 241; KG, FamRZ 2 000, 1617. 128 BGH, FamRZ 2 000, 1358; 1994, 372, 373. 129 BGH, FamRZ 1986, 244; 1993, 789; 1996, 345; s. Rn. 60b m.w.N.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
kungsgründen vgl. Rn. 535b, 544 ff.), und führt er dem Partner den Haushalt, dann ist der Wert der Versorgungsleistungen zu schätzen und nach der Rechtsprechung des BGH, als bedarfsbestimmendes Einkommen in Ansatz zu bringen.130 Denn diese Tätigkeit ist als Surrogat an die Stelle der in der Ehezeit ausgeübten Hausarbeit getreten.131 Zu den Schätzkriterien vgl. Rn. 491 und Nr. 6 der LL. Diese Versorgungsleistungen werden mindestens teilweise auch dann berücksichtigt, wenn der Unterhaltsberechtigte daneben noch teilweise erwerbstätig ist,132 nicht aber, wenn der neue Partner nicht leistungsfähig ist, weil er z.B. studiert.133 Die Darlegungs- und Beweislast für die wirtschaftlichen Verhältnisse in der neuen Beziehung obliegt dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten. Ist der getrennt lebende Ehegatte voll berufstätig und führt er dem neuen Partner den Haushalt, kann für die Erbringung der Versorgungsleistungen nach Auffassung des BGH die Zurechnung eines finanziellen Vorteils nach Billigkeitsgesichtspunkten in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.134 Nach Auffassung des OLG Münchens würde der Ansatz einer Vergütung gegen das Verbot der Doppelverwertung verstoßen, so dass nur die Zurechnung ersparter Aufwendungen aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung gerechtfertigt sei.135 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, denn eventuelle finanzielle Vorteile aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens stellen keine freiwilligen Leistungen Dritter dar, so dass diese geldwerten Vorteile (Synergieeffekte)136 geschätzt und auf der Bedürftigkeitsebene ggf. berücksichtigt werden können. S. dazu Rn. 399. Beispiel F zieht nach der Trennung mit einem anderen Partner zusammen, nachdem M sie wegen einer anderen Frau verlassen hat. F betreut das gemeinsame eheliche Kind und führt dem neuen Partner den Haushalt. Ihr Anspruch ist nicht verwirkt, aber sie muss sich Einkünfte wegen der Haushaltsführung für den neuen Partner i.H.v. ca. 300 Euro als Einkommen bei der Bedarfsberechnung zurechnen lassen.
Soweit der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner zusammenlebt und ihm insoweit durch eine gemeinsame Haushaltsführung und die Teilung von Mietkosten Ersparnisse (Synergieeffekte) zugutekommen, bleiben diese ebenfalls auf der Bedarfsebene außer Betracht, denn es handelt sich nicht um eheprägende Vorteile. Zur Berücksichtigung im Rahmen der Leistungsfähigkeit s. Rn. 409.
130 BGH, FamRZ 2004, 1170, 1173; 2001, 1693 zur Bewertung von Versorgungsleistungen für den neuen Lebenspartner beim Nacheheunterhalt; Anm. dazu von Borth, FamRB 2002, 5. Anders OLG Oldenburg FamRZ 2002, 1488, das ersparte Aufwendungen nur bedarfsmindernd abziehen will; ebenso OLG München, FamRZ 2005, 713, wenn der Ehegatte voll berufstätig ist. 131 Vgl. dazu die grundlegende Entscheidung des BGH, FamRZ 2001, 986 und die Ausführungen zur Auswirkung der Rechtsprechung unter Rn. 355 und Rn. 365 ff. 132 BGH, FamRZ 1995, 343. 133 BGH, FamRZ 1987, 1011, 1014; 1989, 487; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1080 ff. 134 BGH, FamRZ 1995, 343, 344 f. 135 OLG München, FamRZ 2005, 713 f. 136 BGH, FamRZ 2008, 594.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen und Begrenzung bei Bagatellunterhalt 375 Ist das Einkommen des Verpflichteten überdurchschnittlich hoch, so bleibt der Teil des Einkommens, der bei vernünftiger Lebensführung unter Berücksichtigung des individuellen Lebenszuschnitts nicht für Unterhaltszwecke verwendet worden ist, außer Ansatz.137 Da es keine allgemein verbindliche Sättigungsgrenze für Unterhaltsansprüche gibt,138 erfahrungsgemäß bei hohen Einkommen aber ein Teil regelmäßig in die Vermögensbildung fließt, kann der Bedürftige seinen Bedarf nach dem bisher üblichen Lebensstandard unter Ausschluss der bisher üblichen Aufwendungen für die Vermögensbildung als Quotenunterhalt geltend machen oder aber auch den Bedarf konkret darlegen.139 Wird der Quotenunterhalt geltend gemacht, ist vom Einkommen des Verpflichteten ein Anteil für Vermögensbildung, entsprechend der bisher üblichen individuellen Handhabung, abzuziehen. Möglich ist insoweit auch eine Schätzung, allerdings nicht auf der Grundlage einer pauschalen Vermögensbildungsrate anhand statistischer Erhebungen, denn der Bezug zu den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen muss erhalten bleiben.140 Bei der Schätzung sind jedoch geänderte Verhältnisse mit zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B., dass dem Berechtigten ein Festhalten an einer sparsamen Lebenshaltung zugunsten einer hohen Sparquote nach dem Scheitern der Ehe nicht mehr zumutbar ist. Insoweit kann mithilfe eines objektiven Maßstabes das Ergebnis korrigiert werden.141 Der BGH hat auch die konkrete Bedarfsberechnung gebilligt.142 Von welchen Unterhaltsbeträgen an der Bedarf konkret zu berechnen ist, wird von den meisten OLG in den Leitlinien nicht betragsmäßig festgelegt. Das OLG Frankfurt a.M. empfiehlt eine konkrete Berechnung bei Unterhaltsforderungen ab 2 500 Euro, das OLG Oldenburg bei einem die höchste Einkommensgruppe der DT übersteigenden Einkommen des Verpflichteten.143 Wird der Bedarf konkret anhand der individuellen Lebensverhältnisse geltend gemacht, sind die einzelnen Bedarfspositionen nach dem bisher üblichen Lebenszuschnitt darzulegen.144 Aufzulisten sind z.B. Kosten für Kleidung, Körperpflege, kulturelle und sportliche Aktivitäten, Krankheit, Wohnen, PKW, Urlaub.145 Beispiel für eine konkrete Bedarfsberechnung Allgemeiner Lebensbedarf (Lebensmittel, Haushaltsbedarf, Gästebewirtung, incl. Rücklage für Ersatzgeräte) Wohnbedarf ca. 80 qm incl. Betriebskosten Kaltmiete + Gasheizungskosten Strom Gebühren GEZ Kabelfernsehen Telefon und Handy
700 Euro 940 50 18 30 80
Euro Euro Euro Euro Euro
137 BGH, FamRZ 1982, 151. 138 BGH, FamRZ 1982, 680; OLG Köln, FamRZ 2002, 326 m.w.N. 139 BGH, FamRZ 1989, 1160, 1161; FamRZ 1987, 36, 39; OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 1655, 1656. 140 BGH, FamRZ 1987, 36, Tz. 25 f.; 1980, 665, 669; 1980, 771. 141 BGH, FamRZ 1987, 36, Tz. 27. 142 BGH, FamRZ 1987, 36 ff.; 1990, 280. 143 S. Nr. 15.3 der LL der OLG. 144 OLG Frankfurt, FamRZ 1997, 353. 145 Vgl. dazu die Auflistungen bei OLG Hamm, FamRZ 2006, 1603 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts Haftpflichtversicherung Hausratsversicherung Zusatzversicherung, Unfallversicherung Allianz Krankenversicherung Vereinsbeiträge Konzert, Kino, Restaurant Zeitung, Bücher BVG, Taxi Friseur, Kosmetik/Fußpflege, Körperpflege Geschenke Kleidung Urlaub Zuzahlung Arzneimittel/Praxisgebühr Rücklage für außergewöhnliche Ausgaben (Brille, Zahnersatz, Hörgerät, Hausrat) Gesamtbedarf
9 20 124 67 150 80 100 150 50 100 400 50
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
200 Euro 3 318 Euro
Krankenversicherungskosten können ebenfalls geltend gemacht werden, soweit sie nicht durch eigenes Erwerbseinkommen oder die Versicherung des Verpflichteten abgedeckt werden; ebenso Altersvorsorgeaufwendungen, nachdem der Scheidungsantrag rechtshängig geworden ist (§ 1361Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei den Wohnkosten ist ein auf die Kinder entfallender Anteil herauszurechnen (ca. 20 % des Kindesunterhalts), wenn der Berechtigte Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder erhält.146 Da der Unterhalt nicht der Vermögensbildung, sondern der Deckung des angemessenen Lebensbedarfs dient, kann das Gericht die Bedarfsbeträge – ebenso wie beim Quotenunterhalt – anhand eines objektiven Maßstabes ggf. im Wege der Schätzung korrigieren, sofern sie überhöht sind und einer verdeckten Vermögensbildung dienen sollen. Haben die Ehegatten trotz überdurchschnittlicher Einkünfte sehr sparsam gelebt, kann die Fortsetzung einer sehr sparsamen Lebensführung zugunsten der Vermögensbildung nach dem Scheitern des gemeinsamen Lebensplans nicht mehr zumutbar sein,147 so dass das Gericht auch insoweit bei strittiger Höhe der Bedarfsbeträge diese anhand eines objektiven Maßstabs schätzen kann.148 Maßstab ist dann der Lebenszuschnitt, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen würden. Ist der Bedarf einmal konkret festgelegt, kann in einem späteren Abänderungsverfahren die Abänderung nicht damit begründet werden, dass sich die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten verbessert haben,149 umgekehrt berechtigt nicht zur Abänderung, wenn der Berechtigte Unterhalt zur Vermögensbildung verwendet. Es muss sich allerdings Erträge aus dem gebildeten Vermögen anrechnen lassen.150
" Praxishinweis: Die Darlegungs- und Beweislast für den konkret berech-
neten Bedarf liegt beim Unterhaltsberechtigten. D.h. aber nicht, dass im Unterhaltsverfahren über jede einzelne Position, die bestritten wird, Beweis zu erheben ist: Zunächst muss der Bedarf zwar konkret und in Anknüpfung an den in der Ehe gepflegten Lebensstil dargelegt werden, gleichzeitig sollten
146 BGH, FamRZ 2004, 601, Tz. 67; zum prozentualen Anteil von Wohnkosten beim Kindesunterhalt s. z.B. Nr. 21.5.2 der SüdL. 147 OLG Hamm, FamRZ 1993, 1089; OLG Saarbrücken, FamRZ 2008,1655. 148 BGH, FamRZ 2007, 1532–1538; 1989, 1160, 1161; 1987, 36, Tz. 27. 149 BGH, FamRZ 1990, 280 ff. 150 BGH, FamRZ 1985, 582. Tz. 12.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
aber auch die überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse schlüssig vorgetragen werden. Denn diese sind für die Gerichte zum einen Voraussetzung für die konkrete Bedarfsberechnung gegenüber der üblichen Bedarfsberechnung nach Quoten, zum anderen ergibt sich aus ihnen die schlüssige Begründung eines gehobenen Lebensstandards. Da nach der Lebenserfahrung die Lebensführung üblicherweise an die zur Verfügung stehenden Mittel angepasst wird,151 müssen die Gerichte dann nicht im Einzelnen zu jeder Position Beweis erheben, sondern können in Kenntnis der überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse eine Schätzung vornehmen (§ 287 ZPO). Diese knüpft an die konkreten Aufwendungen, mit denen die Parteien während ihres Zusammenlebens ihren allgemeinen Lebensstandard bestritten haben, an, letztlich stellt sie aber auch – objektiviert – auf den Lebenszuschnitt ab, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen.152 375a Sind die Einkommensverhältnisse der Ehegatten nahezu gleich hoch oder eher bescheiden und fällt deshalb der Anspruch entsprechend gering aus, lehnt ein Teil der Rechtsprechung eine Ausgleichspflicht des Unterhaltspflichtigen ab. Das Gesetz sieht eine Begrenzung der Unterhaltspflicht wegen Geringfügigkeit des ausgleichspflichtigen Betrags nicht vor. Das OLG Brandenburg bemisst die sog. Bagatellgrenze mit 100 DM = 51,13 Euro, jedenfalls wenn es sich im Rahmen von § 1361 BGB um Aufstockungsunterhalt i.S.v. § 1573 Abs. 2 BGB handelt.153 Das OLG Köln hingegen lehnt – mit überzeugender Begründung – eine feste Grenze beim Trennungsunterhalt ab und hat eine Ausgleichspflicht bei einem Anspruch i.H.v. von 45 mtl. Euro bestätigt. Dabei hat es in dem entschiedenen Fall berücksichtigt, dass das Einkommen des Anspruchsberechtigten auf der Zurechnung eines fiktiven Einkommens beruhte.154 Da sich aus § 1361 Abs. 1 BGB eine untere Grenze des Bedarfs nicht ableiten lässt, ist die Entscheidung über den Ausgleich im Rahmen einer abschließenden Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien zu treffen.155 Maßstab der Entscheidung ist, dass je enger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto niedriger wird der Betrag sein, der noch ausgleichspflichtig ist (Rn. 409). Zum Nacheheunterhalt vgl. Rn. 463. h) Veränderungen der Steuerklasse und begrenztes Realsplitting 376 Ändern sich durch die Trennung die Steuerklassen für die Eheleute, ist das daraufhin erzielte Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Steuerlast maßgeblich (sog. In-Prinzip).156 Da für die Berechnung des zukünftigen Unterhalts eine Prognose über das zukünftig erzielte Einkommen der Ehegatten zu erstellen ist, ist von den tatsächlich zu erwartenden Einkünften auszugehen. Vgl. dazu die Grundsätze zur Einkommensbestimmung in Kap. A, Rn. 31 ff. Bei Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit ist mit dem Wechsel in die Steuerklasse I oder II beim Unterhaltspflichtigen i.d.R. eine höhere Besteuerung und damit eine Verringerung der Nettoeinkünfte verbunden. Bei dem Unterhalts151 152 153 154 155
BGH, FamRZ 2002, 1698, 1700 ff. (zum Eigenbedarf beim Elternbedarf). BGH, FamRZ 1994, 1169, Tz. 16; 1982, 1187, 1188; 1985, 582, 583; 1990, 280, 281. OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 210; 2006, 341. OLG Köln, FamRZ 2007, 1463 f. Zur Angemessenheitskontrolle bei § 1361 BGB s. BGH, FamRZ 1998, 899–902; zum Nacheheunterhalt BGH, FamRZ 1983, 678 ff. 156 BGH, FamRZ 1990, 499; 1990, 502, 503; 1990, 981; 1991, 304, 305; 1988, 817 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
bedürftigen ist eine Erhöhung des Einkommens z.B. durch den Wechsel von der Steuerklasse V zur Steuerklasse I oder II zu berücksichtigen. Steuererstattungen und Steuernachzahlungen werden bei der Berechnung rückständigen Unterhalts einkommenserhöhend oder einkommensmindernd in dem Jahr berücksichtigt, in dem sie geflossen sind. Für die Berechnung zukünftigen Unterhalts kommt eine entsprechende Berücksichtigung von Zu- bzw. Abschlägen nur in Betracht, wenn auch in Zukunft mit Steuererstattungen und Steuernachzahlungen zu rechnen ist.157 Bei starken Schwankungen der Steuererstattungen kann für die Prognose – auch bei Nichtselbständigen – der Durchschnitt aus mehreren zurückliegenden Jahren berechnet werden. Das Gericht darf auch eine Schätzung an Hand früherer Steuererstattungen vornehmen, wenn entgegen einer gerichtlichen Auflage Steuerbescheide oder Steuerklärungen neueren Datums nicht vorgelegt werden.158 Möglich ist nach §§ 236 Abs. 1 Nr. 5, 235 Abs. 1 FamFG, dass das FamG selbst die Bescheide vom Finanzamt anfordert, wenn ein Beteiligter im Unterhaltsverfahren einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung nicht nachkommt, s. zu den Voraussetzungen Rn. 748. Ausnahmen vom sog. In-Prinzip kommen nur selten in Betracht,159 z.B.
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– wenn Steuerersparnisse auf Abschreibungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind, oder Steuerersparnisse erzielt werden für Aufwendungen, die dem Unterhaltsgläubiger nicht entgegengehalten werden können;160 – wenn bei der Besteuerung Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit mitberücksichtigt wurden, die nicht eheprägend waren;161 – wenn steuerrechtlich erreichbare Vorteile entgegen einer insoweit bestehenden unterhaltsrechtlichen Verpflichtung nicht in Anspruch genommen werden.162 Liegt einer der genannten Ausnahmefälle vor, wird eine neue fiktive Steuerberechnung vorgenommen, indem z.B. die nicht anzuerkennenden Beträge für Abschreibungen dem im Steuerbescheid errechneten zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden und für dieses Einkommen die abzuziehende Steuer ermittelt und dann abgezogen wird. Zur fiktiven Steuerberechnung vgl. Rn. 43. Die Darlegungs- und Beweislast für die unterhaltsrechtliche Berücksichtigungswürdigkeit von Abschreibungen obliegt demjenigen, der sich darauf beruft.163 Beim begrenzten Realsplitting kann der Steuerpflichtige gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 378 EStG jährlich bis zu 13 805 Euro (entspricht einer mtl. Unterhaltsbelastung von 1 150 Euro) als Sonderausgaben vom steuerpflichtigen Einkommen für gezahlten Ehegattenunterhalt in Abzug bringen mit der Folge, dass insoweit keine Steuern gezahlt werden müssen und zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet werden.164 Der Unterhaltsberechtigte ist zur Mitwirkung an der Geltendmachung dieser 157 158 159 160 161 162 163 164
BGH, FamRZ 1999, 372, 375. BGH, FamRZ 2003, 860, 863. BGH, FamRZ 1990, 503. BGH, FamRZ 1987, 36, 37 zum Bauherrenmodell und FamRZ 1987, 46, 48 zu Bewirtungskosten und Aufwendungen für PKW. BGH, FamRZ 1987, 46, 48. BGH, FamRZ 1984, 1211, 1212. BGH, FamRZ 1987, 46, 48 zur unterhaltsrechtlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen und Abschreibungen (Bewirtungskosten und PKW). Böhmel, FamRZ 1995, 270.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Vergünstigung durch den Unterhaltsschuldner in der Weise verpflichtet, dass er der Durchführung des begrenzten Realsplittings zustimmen muss (§ 242 BGB).165 Die gegenüber dem Finanzamt erklärte Zustimmung ist bis auf Widerruf wirksam. Der Widerruf ist vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, dem Finanzamt gegenüber zu erklären (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wird die Zustimmung eingeklagt, kann sie immer nur für den Veranlagungszeitraum, also ein Jahr erteilt werden. Einklagbar ist nur die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting, die mit der rechtskräftigen Verurteilung gemäß § 894 ZPO als abgegeben gilt,166 nicht aber die Unterzeichnung der Anlage U. Denn eine spezielle Pflicht, die Zustimmung durch Unterzeichnen des Vordrucks der Anlage U zu erklären, besteht nicht.167 Die Zustimmung kann von dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig nur Zug um Zug gegen die Erklärung des Unterhaltspflichtigen verlangt werden, nach der sich dieser gegenüber dem Unterhaltsberechtigten verpflichtet, ihn von der Steuerschuld freizustellen, die diesem als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen erwächst, bzw. ihm diese zu erstatten.168 Erteilt er diese Erklärung nicht, darf der Berechtigte seine Zustimmung verweigern.169 Grund für diese synallagmatische Verknüpfung der Pflichten ist, dass Folge des begrenzten Realsplittings auf Seiten des Unterhaltspflichtigen immer eine Einkommenserhöhung in Höhe der Steuerersparnis ist, auf Seiten des Berechtigten hingegen eine Einkommensschmälerung eintreten kann, weil der gezahlte Unterhalt bei ihm nunmehr als zu versteuerndes Einkommen behandelt wird. Soweit deshalb bei dem Unterhaltsberechtigten wegen der Einkünfte aus Unterhalt höhere Steuern anfallen (§ 22 Nr. 1a EStG), hat er gegenüber dem Unterhaltspflichtigen einen Erstattungsanspruch (§ 242 BGB).170 Der Nachteilsausgleich erstreckt sich auf die Einkommensteuern, den Solidaritätszuschlag, den Pflegeversicherungsbeitrag und die Kirchensteuern, soweit sie auf der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Unterhalts beruhen. Er kann sich auch auf Steuerberaterkosten erstrecken, wenn eine fachliche Beratung erforderlich ist.171 Der Unterhaltsberechtigte darf seine Zustimmung nicht davon abhängig machen, dass der andere ihn an den Steuervorteilen beteiligt.172 Nicht immer ist das begrenzte Realsplitting für den Verpflichteten mit Rücksicht auf die Ausgleichspflicht der steuerlichen Nachteile des anderen unterm Strich lohnend, insbesondere wenn der Berechtigte noch über eigene Einkünfte verfügt, so dass vor Einleitung eines Streitverfahrens eine sorgfältige Prüfung erfolgen sollte.173
" Praxishinweis: Wenn sich der unterhaltsbeziehende Ehegatte weigert, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen, liegt dies oft daran, dass er finanzielle Nachteile befürchtet. Dem kann durch folgende Antragstellung Rechnung getragen werden: „Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ihre Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings für das Jahr 2009 zu erteilen,
165 166 167 168 169 170 171 172 173
270
BGH, FamRZ 1983, 576, 577; 1984, 1211. BFH, FamRZ 1989, 738. BGH, FamRZ 1998, 953, 954. BGH, FamRZ 1984, 1211. BGH, FamRZ 1988, 820. BGH, FamRZ 2005, 1162 ff.; 84, 1211 ff. BGH, FamRZ 1988, 820, 821. BGH, FamRZ 1983, 576. Caspary, FPR 2003, 410 ff. mit Beispielen.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Zug um Zug gegen 1) Freistellung von den der Antragsgegnerin aus der Veranlagung im Jahr 2009 erwachsenden steuerlichen Nachteilen durch den Antragsteller und 2) Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller i.H.v. … für die der Antragsgegnerin entstehenden steuerlichen Nachteile aus der steuerlichen Veranlagung für das Jahr 2009.“ Gegenüber dem Anspruch auf Erstattung entstandener steuerlicher Nachteile infolge des begrenzten Realsplittings kann der Unterhaltspflichtige grundsätzlich nicht mit einer Gegenforderung aufrechnen.174 Beim Trennungsunterhalt können sich Ungerechtigkeiten dadurch ergeben, dass 379 zwar schon die durch die neuen Steuerklassen veränderten Einkünfte bei der Berechnung des Unterhalts zugrunde gelegt werden, aber Steuervergünstigungen, die sich aus der steuerrechtlichen Anerkennung von Unterhaltsleistungen als besondere Belastungen ergeben, noch nicht mitberücksichtigt werden können, weil ein Steuerbescheid für diese Zeit nicht vorliegt. In diesen Fällen besteht eine Pflicht für den Unterhaltsschuldner, im Interesse des Berechtigten einen Freibetrag für den zu zahlenden Unterhalt auf seiner Steuerkarte eintragen zu lassen (§ 39a EStG); denn mit der Eintragung des Freibetrags verringert sich die zu zahlende monatliche Lohnsteuer und das laufende Einkommen erhöht sich, so dass eine zeitnahe Berechnung des tatsächlich geschuldeten Unterhaltsanspruchs des Berechtigten möglich wird (§ 242 BGB). Der BGH geht von einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur Eintragung eines Freibetrags im zumutbaren Rahmen aus, um Steuervorteile wahrzunehmen.175 Zumutbar ist die Eintragung jedenfalls dann, wenn die Höhe des zu zahlenden Unterhalts feststeht176 oder ein bestimmter Betrag unstreitig ist.177 Verstößt der Pflichtige gegen seine Obliegenheit zur Voreintragung, kommt die Errechnung einer fiktiven Besteuerung unter Berücksichtigung der steuerrechtlich relevanten Abzüge in Betracht. Bei den Instanzgerichten stößt die fiktive Berechnung jedoch auch auf Ablehnung, dies wohl vor allem wegen der Gefahr von Folgeprozessen, wenn sich die fiktive Berechnung später als unzutreffend erweist.178 Beispiel F trennt sich und verlangt Unterhalt von M. Den Unterhalt berechnet sie nach dem vor der Trennung erzielten Einkommen des M, der nach der Steuerklasse III/2 (für 2 Kinder) besteuert wurde. M hat aber jetzt Steuerklasse I. Er hat ein deutlich niedrigeres Einkommen als vor der Trennung und ist nur bereit, 400 Euro Trennungsunterhalt anstelle der geforderten 500 Euro zu zahlen. Die Voreintragung des monatlichen Trennungsunterhalts als Steuerfreibetrag lehnt er ab, obwohl F die Anlage U für das begrenzte Realsplitting ausfüllen würde. F klagt auf Zahlung von Unterhalt. Da M absichtlich höhere Steuern zahlt, um sein Einkommen und damit die Unterhaltsschuld zu senken, der neue Steuerbescheid aber noch nicht vorliegt, kann das Gericht den Steuervorteil, bereinigt um den an den anderen zu erstattenden Steuernachteil, schätzen und das Einkommen von M um diesen Betrag für die Unterhaltsberechnung erhöhen.
174 175 176 177
BGH, FamRZ 1997, 544. BGH, FamRZ 1999, 372, 375; 1984, 1211, 1212. So BGH, FamRZ 1999, 372, 375; 1984, 1211, 1212. A. A. OLG Naumburg, ZFE 2002, 198, das eine Pflicht zur Eintragung und damit zur fiktiven Berechnung ablehnt. 178 Das OLG Hamburg (FamRZ 1991, 196 f.) befürwortet eine Eintragungspflicht, anders das OLG Bamberg, FamRZ 1988, 727.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
" Praxishinweis: Die fiktive Berechnung birgt das Risiko, dass die abschlie-
ßende Berechnung des Finanzamts ein anderes Ergebnis bringt. Der Unterhaltsgläubiger kann seine Rechte auch dadurch sichern, dass er den Unterhalt zunächst nur als Teilforderung geltend macht und später, wenn die Steuerbescheide vorliegen, seine Restforderung errechnet und den Restbetrag verlangt. Dass nicht der volle Unterhalt, sondern nur ein Teilbetrag begehrt wird, muss jedoch ausdrücklich gegenüber dem Schuldner klargestellt werden.179 Dies gilt auch im Unterhaltsverfahren; denn fehlt der ausdrückliche Vorbehalt der Nachforderung, käme eine Abänderung des Titels nur im Wege des Abänderungsverfahrens gemäß § 238 FamFG in Betracht, nach der eine nachträgliche Abänderung des Titels aus diesem Grund nicht zulässig wäre (vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 836). Wurde der Vorbehalt gemacht, kann die Nachforderung mit dem allgemeinen Leistungsantrag (in einem weiteren Unterhaltsverfahren geltend gemacht werden.
i) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten vom Einkommen 380 Für den Unterhaltsbedarf steht i.d.R. nur das um Verbindlichkeiten bereinigte Einkommen zur Verfügung. Streit entsteht in der Praxis häufig wegen der Frage, ob und welche Verbindlichkeiten einkommens- und damit bedarfsmindernd vom Einkommen abgezogen werden dürfen; denn der Unterhaltspflichtige darf sich nach der Trennung nicht zu Lasten des Berechtigten verschulden und zur Zahlung von Unterhalt leistungsunfähig machen. Gleiches gilt für den Berechtigten: Er darf nicht seinen Unterhaltsbedarf durch Verschuldung erhöhen. 381 Verbindlichkeiten, die während des Zusammenlebens im Einvernehmen mit dem anderen aufgenommen wurden, werden genau wie voreheliche Schulden i.d.R. einkommensmindernd berücksichtigt; denn dieses Geld hat den Eheleuten auch während des Zusammenlebens nicht zum Verbrauch zur Verfügung gestanden.180 Dies gilt für vermögensbildende Kreditverbindlichkeiten (Zinsen und Tilgung)181, Raten aus Konsumkrediten, für umgeschuldete Kredite und ebenso für Darlehen, die zur Tilgung von Überziehungskrediten aufgenommen wurden, in Höhe der zur Zeit der Trennung bestehenden Schuldhöhe.182 Bei Verpflichtungen aus Ratenkäufen spielt es keine Rolle, welcher Ehegatte die Sachen nach der Trennung nutzt.183 Nicht berücksichtigt werden Verbindlichkeiten, die von einem Ehegatten leichtfertig zu luxuriösen Zwecken ohne verständigen Grund eingegangen wurden.184 Beispiel Die Eheleute haben gemeinsam einen Videorecorder auf Ratenzahlung (mtl. 100 Euro) gekauft, den M nach der Trennung allein nutzt. Die Raten werden für die Unterhaltsberechnung von seinem Einkommen abgezogen. F muss zwar die sich daraus ergebende Verringe179 BGH, FamRZ 1984, 374, 376. 180 BGH, FamRZ 1986, 437, 438; 1982, 23, 24; 1984, 657. 181 Besonderheiten gelten bei Krediten für das Familieneigenheim nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bzw. bei Gütertrennung, s. Rn. 391. 182 BGH, NJW 1998, 2821, 2822. 183 OLG München, FamRZ 1995, 233. 184 BGH, FamRZ 1982, 157, 158 für den Kindesunterhalt; BGH, FamRZ 1984, 358, 360 ausdrücklich auch für Ehegattenunterhalt.
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III. Die Berechnung des Unterhalts rung ihres Unterhaltsanspruchs hinnehmen, kann aber verlangen, dass diese Einbuße z.B. bei der Aufteilung des Hausrats wieder ausgeglichen wird.
Verbindlichkeiten, die nach der Trennung aufgenommen wurden, werden bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens nur berücksichtigt, wenn sie aus unabweisbaren, nicht leichtfertigen Gründen aufgenommen werden. Während der BGH nach früherer Rechtsprechung185 davon ausging, dass es sich bei trennungsbedingten Schulden, die auf trennungsbedingtem Mehrbedarf beruhen, nicht um eheprägende Verbindlichkeiten handelt, die das für die Bedarfsberechnung maßgebende Einkommen mindern können, und diese – von Ausnahmefällen abgesehen – nur bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt hat, hat sich insoweit eine Änderung und Lockerung der Rechtsprechung ergeben. Danach sollen auch neue einseitige Verbindlichkeiten, soweit sie unumgänglich sind, bzw. nicht leichtfertig eingegangen wurden, auf der Ebene des bedarfsbestimmenden Einkommens berücksichtigt werden. Denn auch im Rahmen von § 1361 BGB, der noch eine strengere Einstandspflicht für den Ehegattenunterhalt beinhaltet, gibt es – ebenso wie beim Nacheheunterhalt – für den Bedürftigen keine Lebensstandardgarantie und er trägt – wie der andere Ehegatte auch – das Risiko einer negativen Entwicklung der Einkünfte nach der Trennung.186 Bei der Prüfung der Berücksichtigungswürdigkeit der eingegangenen Verbindlichkeiten ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Unterhaltsbedürftige muss nicht hinnehmen, dass sein Anspruch dadurch geschmälert wird, dass der andere zu seinen Lasten Konsumwünsche befriedigt, die seinen Lebenszuschnitt übersteigen, oder gar Vermögen bildet. Umgekehrt muss auch der Verpflichtete nicht, soweit der Unterhaltsbedürftige über Einkommen verfügt und die Schmälerung des Einkommens durch trennungsbedingte Verbindlichkeiten geltend macht, diese gegen sich gelten lassen, es sei denn, es war notwendig, sie einzugehen. Berücksichtigungswürdig sind deshalb nur solche Schulden, die notwendig infolge der Trennung entstehen, wie z.B. für Umzugskosten, notwendige Einrichtungsgegenstände, die nicht durch Hausratsaufteilung abgedeckt werden können, Mietkautionen, eventuell kostengünstigen PKW, der für die Arbeit benötigt wird etc.187, aber auch krankheitsbedingte Aufwendungen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Berücksichtigungswürdigkeit von Schulden liegt beim Unterhaltsschuldner oder beim Unterhaltsgläubiger, je nachdem, wer sich auf eine schuldenbedingte Minderung seiner eigenen Einkünfte beruft.188 Werden die Verbindlichkeiten nicht auf der Bedarfsebene berücksichtigt, ist beim Unterhaltsschuldner im Rahmen der Leistungsfähigkeit gesondert zu prüfen, inwieweit sie seine Leistungsfähigkeit einschränken (vgl. Rn. 410). Beiträge für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel anzuerkennen, da 382 eine angemessene Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung nach h.M. für die Zukunft nicht mehr gesichert ist. Der BGH hat deshalb zusätzliche Aufwendungen für eine angemessene Altersversorgung im Grundsatz aner185 BGH, FamRZ 1986, 437; 1990, 499, 503; 1982, 255, 257. Siehe dazu auch die Darstellung bei Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 622 ff. 186 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 622 ff. Gerhardt, FamRZ 2007, 945, 948; zur Kritik an der geänderten Rechtsprechung des BGH, insbesondere zur Aufgabe des Stichtagsprinzips bei § 1578 BGB vgl. u.a. OLGR Celle, 2007, 511–514; OLG Düsseldorf, FamRB 2007, 199; Born, NJW 2007, 27 ff.; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff.; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff. 187 Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 623a. 188 BGH, FamRZ 1990, 283, 287.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
kannt. Dabei hängt die Höhe der Aufwendungen ab vom Maß der Einstandspflicht für den Unterhalt. Im Rahmen des Ehegattenunterhalts sind 4 % des letzten Jahresbruttoeinkommens in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der Riester-Rente anzuerkennen.189 Die Altersvorsorge kann durch Aufwendungen für eine Direktversicherung, Lebensversicherung aber auch für Immobilien oder Sparkonten erfolgen. Eine Festlegung ist nicht vorgegeben. Allerdings muss es sich um eine sichere Anlage ohne Spekulationscharakter handeln. 383 Da das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Geld durch höhere Steuern und trennungsbedingte Mehrkosten knapper wird, kann bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen verlangt werden, dass ein neuer Schuldentilgungsplan erstellt wird oder der Verpflichtete sich auch um eine Rückgängigmachung der getroffenen Dispositionen – z.B. durch Verwertung nicht dringend benötigter und mit hohen Schulden belasteter Gegenstände – bemüht, um seine Leistungsfähigkeit weitestgehend wieder herzustellen.190 Hier ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hat ein Unterhaltsschuldner während des Zusammenlebens in objektiv unvertretbarer Weise die Schuldentilgung vernachlässigt, muss er gleichwohl nach der Trennung Gelegenheit erhalten, ein weiteres Anwachsen der Schulden zu vermeiden, um seine Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise wieder herzustellen.191 Beispiele – Die Eheleute haben viel Geld in ihre luxuriöse Wohnungseinrichtung gesteckt und mtl. Kreditraten i.H.v. 400 Euro vereinbart. Nach der Trennung entstehen für den unterhaltspflichtigen M Kosten für eine zweite Wohnung i.H.v. mtl. 300 Euro. Die Mietkosten sind auf der Bedarfsebene nicht abzugsfähig, denn sie sind Teil des ihm zustehenden Eigenbedarfs. Zahlt M auch die Miete für die Ehewohnung, kann er den auf F und die Kinder entfallenden Anteil vom zu zahlenden Unterhalt absetzen. Da für die Familie nur 2 000 Euro zur Verfügung stehen, wird sich M wegen der Raten für die Wohnungseinrichtung um eine Herabsetzung beim Kreditgeber zu bemühen haben; denn F ist eine Vollbeschäftigung wegen der Kinderbetreuung nicht zumutbar. Die Raten sind aber voll absetzbar, wenn M beweisen kann, dass die Bank die Herabsetzung ablehnt. – Die Eheleute (2 Kinder, 2 und 5 Jahre alt, F teilzeitbeschäftigt, Gesamteinkommen 2 000 Euro) haben einen Mercedes gekauft, für den sie mtl. Raten i.H.v. 300 Euro zahlen müssen. Nach der Trennung behält M, der nun eine eigene Wohnung bewohnt, den Wagen, den er aber nicht für berufliche Zwecke benötigt. M kann die Raten wegen der engen wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltsrechtlich nicht von seinem Einkommen absetzen. Er muss jedenfalls nach Ablauf des Trennungsjahres den Wagen verkaufen oder sehen, wie er sie aus dem ihm verbleibenden Teil des Familieneinkommens finanziert.
" Praxishinweis: Die Anerkennung von Verbindlichkeiten spielt in der Praxis
eine wichtige Rolle. In Prozessen fehlt es häufig an einem stichhaltigen und übersichtlichen Sachvortrag zum Zeitpunkt der Entstehung der Schulden, zur Verwendung des Geldes, zu der tatsächlichen Tilgung und zum Tilgungsplan. Sämtliche Belege über die Schuldverpflichtungen und Zahlungen sollten von den Parteien gesammelt und dem Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Der Verpflichtete muss sich bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen bei seinen Gläubigern um einen den geänderten Verhältnissen angepassten, angemessenen Schuldentilgungsplan bemühen. Er trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Versäumt er das, kann das Gericht die Höhe an-
189 BGH, FamRZ 2005, 1817, 1822. 190 BGH, FamRZ 1982, 678, 679; 1984, 657, 659. 191 BGH, FamRZ 1984, 657, 658.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
gemessener Raten selbst schätzen. Für die Anerkennung von Verbindlichkeiten bei Unterhalt für die Vergangenheit ist deren regelmäßige Tilgung Voraussetzung, so dass der Verpflichtete im Unterhaltsstreitverfahren auch die tatsächliche, regelmäßige Bezahlung darzulegen und unter Beweis zu stellen hat. Einstweilen frei.
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j) Kosten für die Mietwohnung Grundsätzlich werden Mietkosten nicht vom bedarfsbestimmenden Einkommen 386 abgezogen; denn es sind Kosten der allgemeinen Lebensführung, die jeder Ehegatte von dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen selbst zu bestreiten hat. Leben die Ehegatten zunächst in der Ehewohnung getrennt, hat jeder den auf ihn entfallenden Anteil an der Miete zu zahlen. Grundsätzlich entfällt auf jeden die Hälfte, es sei denn, es ergibt sich wegen der Kinder eine andere Quote. Im Kindesunterhalt ist in den Tabellenbeträgen ein Mietanteil von 20 % enthalten.192 Lebt nur noch der Unterhaltsberechtigte in der Ehewohnung und zahlt der Unterhaltspflichtige die Miete allein, kann sie als ehebedingte Verbindlichkeit von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen werden. Möglich ist aber auch – und dies wäre für den Unterhaltspflichtigen günstiger – den an den Unterhaltsberechtigten zu zahlenden Unterhalt um den auf diesen entfallenden Mietanteil zu kürzen.193 Denn Kosten für die Wohnung gehören zum allgemeinen Lebensbedarf und sind von beiden Ehegatten von dem ihnen zustehenden Einkommen bzw. Unterhalt zu bestreiten. Bleibt der unterhaltspflichtige Ehepartner in der für ihn zu großen Mietwohnung, kann er den auf den anderen Ehegatten entfallenden Teil der Miete, soweit die Gesamtmiete über dem ihm zustehenden angemessenen Einkommensanteil für Mietkosten liegt, als ehebedingte Verpflichtung von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abziehen.194 Einem für ihn günstigeren Abzug der anteiligen Kosten vom ermittelten Bedarf des Berechtigten steht entgegen, dass diese Mietkosten nicht mehr zu den Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs des anderen gehören, der nunmehr in einer anderen Wohnung wohnt, für die ebenfalls Mietkosten entstehen. Soweit beide Ehegatten Mietvertragsparteien sind, käme alternativ zugunsten des Unterhaltspflichtigen zwar ein Ausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB in Betracht, mit der Folge, dass der Unterhaltsberechtigte seinen Mietanteil von seinem Unterhalt zahlen müsste. Meist wird ein vom Unterhalt getrennter Ausgleich der Mietforderungen wirtschaftlich jedoch nicht sinnvoll sein, zumal die Durchsetzbarkeit der Forderung i.d.R. im Hinblick auf die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zweifelhaft sein dürfte. Nach Ablauf des Trennungsjahres muss i.d.R. der die Ehewohnung bewohnende Ehegatte die Mietkosten allein tragen. Beispiele – F hat gegen M einen Unterhaltsanspruch i.H.v. 500 Euro. Da M die Miete für die Ehewohnung i.H.v. 500 Euro allein zahlt und beide noch in der Wohnung leben, darf er 192 Soyka, FamRZ 2007, 1362, 1364; soweit angegeben, vgl. Nr. 21.5.2 der LL (z.B. LL der Süddeutschen Familiensenate). 193 OLG Hamburg, FamRZ 1998, 553 OLG Köln, FamRZ 2002, 98. 194 Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 310e.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten den (ohne Abzug der anteiligen Miete) errechneten Unterhalt um 250 Euro kürzen. F kann aber für die Zukunft auch den ungekürzten Unterhalt verlangen, wenn sie ihren Mietanteil an den Vermieter selbst überweisen will. Nur wenn M begründete Bedenken hat, dass F das Geld zuverlässig an den Vermieter weiterleitet, kann er selbst weiter an den Vermieter zahlen, muss F aber zumindest von Mietansprüchen des Vermieters im Innenverhältnis freistellen.195 – F bleibt nach dem Auszug von M mit den 2 Kindern in der 5-Zimmer-Wohnung wohnen. Sie zahlt die Miete i.H.v. 500 Euro von ihrem gleich hohen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. F kann von M zusätzlich zu dem Unterhalt für sich und die Kinder die Erstattung des auf M entfallenden Mietanteils nach § 426 Abs. 2 BGB verlangen.
k) Unterhaltsleistungen für gemeinschaftliche und nicht gemeinschaftliche Kinder und Umgangskosten 387 Unterhaltszahlungen für gemeinsame minderjährige Kinder werden in der Praxis einkommensmindernd vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen, allerdings nur, soweit Barunterhalt geleistet wird. Dies gilt ebenso für Unterhaltszahlungen, die entweder vom Verpflichteten oder vom Berechtigten schon während des Zusammenlebens für ein nicht gemeinschaftliches Kind gezahlt wurden.196 Aber auch der Unterhalt für ein nicht gemeinsames, nach der Trennung geborenes Kind wird vom bedarfsbestimmenden Einkommen vorweg abgezogen.197 Für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche gilt, dass ein Vorabzug des Kindesunterhalts unterbleibt, wenn dadurch ein Missverhältnis beim Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten entstünde, denn bis zu diesem Zeitpunkt sind die Ansprüche von Kindern und Ehegatten gleichrangig (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.).198 Ein Missverhältnis liegt vor, wenn nach Abzug des Kindesunterhalts nicht genügend Geld übrig bleibt für den notwendige Eigenbedarf des Ehegatten. Dann ist eine Mangelfallberechnung durchzuführen, vgl. Rn. 413, 148. Seit 1.1.2008 sind die Unterhaltsansprüche der minderjährigen und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 BGB) vorrangig gegenüber den Ansprüchen von Ehegatten (§ 1609 Nr. 1, 2, 3 BGB), so dass grundsätzlich zunächst der Unterhaltsbedarf der Kinder zu befriedigen und der geschuldete Unterhalt vor der Berechnung des Bedarfs des Ehegatten abzuziehen ist. Ist Kindesunterhalt einkommensmindernd zu berücksichtigen, geschieht dies für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche in Höhe des Tabellenunterhalts, ohne Berücksichtigung des Kindergeldanteils. Das Kindergeld soll zwar zur Existenzsicherung des Kindes beitragen, hat aber gleichzeitig die Aufgabe, Eltern ihre Kindesunterhaltspflicht zu erleichtern, so dass nach der Rechtsprechung des BGH der Kindergeldausgleich bei der Einkommensbereinigung beim Ehegattenunterhalt außer Betracht bleibt.199 Bei Unterhaltsansprüchen ab 1.1.2008 wird das (anteilige) Kindergeld entsprechend der seitdem geltenden Fassung des § 1612b Abs. 1 BGB vom Bedarf des Kindes abgezogen (vgl. Rn. 109a), so dass 195 OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 49. 196 BGH, FamRZ 1991, 1163, 1164 für Unterhaltsleistungen durch den Berechtigten; BGH, FamRZ 1990, 979; 1987, 456, 458, 459 für Leistungen des Verpflichteten. 197 BGH, FamRZ 1994, 87 ff. Beim Geschiedenenunterhalt können Unterhaltsleistungen für ein nach der Scheidung geborenes, nicht gemeinsames Kind ebenfalls einkommensmindernd berücksichtigt werden, nachdem der BGH insoweit seine Rechtsprechung geändert hat, vgl. BGH, FamRZ 2006, 683, 686 und Rn. 502. 198 BGH, FamRZ 1981, 241, 242; 1987, 456, 459; 1999, 367, 368 f. 199 BGH, FamRZ 1997, 806 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
nur der Zahlbetrag vom Einkommen des zahlungspflichtigen Elternteils abzuziehen ist.200 Voraussetzung für den Abzug des Kindesunterhalts ist die tatsächliche Zahlung des Kindesunterhalts. Bei titulierten Unterhaltsansprüchen ist ein Nachweis der Zahlung nicht geboten. Liegt der titulierte Betrag höher als der tatsächlich nach der Tabelle geschuldete Unterhalt, kann für die Zukunft nur der materiellrechtlich geschuldete Unterhalt abgezogen werden; denn der Verpflichtete hat die Möglichkeit, auf eine Abänderung des Titels hinzuwirken. Betreut ein Ehegatte ein gemeinsames Kind, wird diese Unterhaltsleistung nicht 388 – trotz der in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gesetzlich geregelten Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt – in gleicher Höhe wie der vom anderen Elternteil gezahlten Barunterhalt von seinem Einkommen abgezogen.201 Der Betreuungsleistung wird im Rahmen des Ehegattenunterhaltsrechtsverhältnisses in anderer Weise Rechnung getragen: So kann der betreuende erwerbstätige Ehegatte regelmäßige Kosten, die für die Betreuung des Kindes anfallen, einkommensmindernd geltend machen.202 Ist der betreuende Ehegatte überobligatorisch erwerbstätig, wird ihm ein Teil des Einkommens anrechnungsfrei belassen (Rn. 363 ff.).203 Dies geschieht aufseiten des Unterhaltspflichtigen durch Abzug eines Betreuungsbonus, dessen Höhe unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und Erschwernisse, die eine Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung mit sich bringt, zu schätzen ist. Vgl. zur Höhe des Bonus Rn. 364. Betreut der Unterhaltsberechtigte das Kind, bleibt ebenfalls ein Teil des Einkommens aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit außer Ansatz (Rn. 365), wobei für die Schätzung des Betrags die gleichen Grundsätze gelten, wie für den Betreuungsbonus. Vgl. zu den Schätzkriterien Rn. 365. Zahlt der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Kindesunterhalt, kann der betreuende Elternteil den von ihm erbrachten Betreuungsunterhalt in Höhe des nach seinem eigenen Einkommen geschuldeten Tabellenunterhalts einkommensmindernd abziehen.204 Unterhaltszahlungen für volljährige Kinder werden ebenfalls abgezogen, da auch 389 dieses Geld bei intakter Ehe nicht für den Bedarf der Ehegatten zur Verfügung gestanden hätte. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Unterhaltsansprüche volljähriger Schüler, die noch im Haushalt eines Elternteils leben und den minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, als auch bei volljährigen Kindern mit eigenem Haushalt. Beispiel V hat ein Einkommen von 2 000 Euro, seine Ehefrau F von 1 000 Euro. Der volljährige gemeinsame Sohn S hat einen Unterhaltsbedarf von 400 Euro. Bei einem Selbstbehalt von 1 100 Euro gegenüber volljährigen Kindern ist nur V zur Zahlung des 400 Euro Kindesunterhalt leistungsfähig. Für die Berechnung des Trennungsunterhaltsanspruchs ist bei V der 200 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1304 f., m. Anm. v. Schürmann S. 1306 f.; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778, 779. 201 Dose, FamRZ 2007, 1289, 1293. 202 Kindergartenkosten sind nach geänderter Rechtsprechung des BGH rechtlich grundsätzlich dem Bedarf des Kindes zuzuordnen, FamRZ 2008, 1152, 1153 f. mit Anm. v. Born, S. 1155, s. auch Rn. 118. 203 Grundlegend dazu BGH, FamRZ 1982, 778, 780; aus jüngster Zeit BGH, FamRZ 2001, 350, 352 m.w.N. 204 Zur Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils gem. § 1606 Abs. 3 BGB, s. Rn. 8, 25; vgl. dazu BGH, FamRZ 1991, 182, Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 193.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Kindesunterhalt einkommensmindernd abzuziehen, da es sich um eine eheprägende Verbindlichkeit handelt.
Führt der Vorwegabzug des Unterhalts eines volljährigen Kindes vom Einkommen des Verpflichteten dazu, dass der Anspruch des Ehegatten so geschmälert wird, dass ein Missverhältnis entsteht und sein eigener angemessener Unterhaltsbedarf nicht ausreichend gewahrt ist, ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen, je nachdem, ob es sich um Unterhalt für ein nach § 1603 Abs. 2 BGB privilegiertes Kind handelt oder nicht. Bei einem nicht privilegierten Volljährigen entfällt der Vorabzug und das Kind geht leer aus bzw. muss sich mit dem begnügen, was nach Befriedigung des Bedarfs des Ehegatten übrig bleibt, denn der Ehegatte ist vorrangig unterhaltsberechtigt.205 Dies gilt nach altem und neuem Recht gleichermaßen (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.; § 1609 Nr. 2, 3, 4 BGB). Handelt es sich um den Unterhalt für ein privilegiertes volljähriges Kind, gilt der Vorabzug des Kindesunterhalts wegen Unterhalts ab 1.1.2008 uneingeschränkt wegen der Vorrangigkeit des Kindesunterhalts. Zum Rechtszustand bis zum 31.12.2007 vgl. Rn. 387. 389a Kosten, die bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, z.B. für Lebensmittel, Kinokarten etc. gehören in der Regel zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten und sind als solche nicht abzugsfähig. Entstehen hingegen besondere Kosten aufgrund des Umgangs, wie z.B. hohe Fahrtkosten kommt ein Abzug dann in Betracht, wenn dem umgangsberechtigten Elternteil nach Abzug des Unterhalts keine über den Selbstbehalt liegende Mittel verbleiben würden, um die Umgangskosten zu finanzieren und die Durchführung des Umgangs deshalb scheitern müsste.206 Ist für die Unterhaltsberechnung das bis zum 31.12.2007 geltende Recht anwendbar, ist noch zunächst jeweils zu prüfen, ob der Umgangsberechtigte die Kosten nicht auch schon aus dem auf ihn entfallenden Kindergeldanteil bestreiten kann, der bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts unberücksichtigt bleibt, weil der Kindesunterhalt ohne Kindergeldabzug einkommensmindernd berücksichtigt wird (Rn. 387). Nur wenn das Kindergeld dafür nicht reicht, kommt ein Abzug vom Einkommen in Betracht, wenn anderenfalls der Selbstbehalt nicht gewahrt wäre.207 Anderes gilt bei Unterhalt für die Zeit ab 1.1.2008: Da der Kindesunterhalt seitdem bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts in der tatsächlich gezahlten Höhe, d.h. nach Abzug des anteiligen Kindergeldes vom Bedarf des Kindes berücksichtigt wird (Rn. 387)208 und damit der finanzielle Vorteil des Kindergeldes in die Ehegattenunterhaltsberechnung einfließt, sind Umgangskosten, die diesen sich beim Ehegattenunterhalt ergebenden finanziellen Vorteil überschreiten, abzugsfähig. Der finanzielle Vorteil beträgt pro Kind bei einem Erwerbstätigenbonus von 10 %, wenn das Kindergeld 164 Euro beträgt 45,10 Euro (164 / 2 × 55 % = 45,10 Euro), und bei einem Kindergeld von 184 Euro seit 1.1.2010 50,60 Euro (184 / 2 × 55 % = 50,60 Euro). Die diesen Betrag übersteigenden Umgangskosten können als besondere Aufwendungen einkommensmindernd abgezogen oder den angemessenen Eigenbedarf erhöhend berücksichtigt werden.209 205 BGH, FamRZ 2003, 860; FamRZ 1991, 1163; FamRZ 1986, 553, 555. 206 BGH, FamRZ 2007, 193–196; 2005, 706, 708; BVerfG, FamRZ 2002, 809. Zur früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1995, 215m. krit. Anm. von Weychardt, S. 539 f. 207 BGH, FamRZ 2007, 193, 194. 208 FamRZ 2009, 1300, 1306; m. Anm. v. Schürmann, S. 1306. 209 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1396, Tz. 41.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Vgl. dazu die Ausführungen zum Abzug von Umgangskosten beim Einkommen des kindesunterhaltspflichtigen Elternteils unter Rn. 86. l) Wohnvorteil beim Wohnen im eigenen Heim Wohnt einer der Ehegatten während der Trennungszeit allein oder mit den Kin- 390 dern in dem Eigenheim der Familie, so muss er sich das freie Wohnen als geldwerten Vorteil und damit als Einkommen anrechnen lassen. Maßgeblich ist der Wert, den ein Eigentümer einer Immobilie gegenüber dem Mieter einer Wohnung erspart. Dabei ist unterhaltsrechtlich zu unterscheiden zwischen dem angemessenen und dem vollen Mietwert. Der volle Mietwert orientiert sich an der ortsüblichen Marktmiete, die im Falle der Vermietung für das Objekt erzielbar wäre. Der angemessene Mietwert ist unter Berücksichtigung des geänderten Wohnbedarfs nach den individuellen Verhältnissen zu bestimmen, d.h. welchen Mietzins der das Eigenheim bewohnende Ehegatte aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste. Von diesem Wohnwert sind nach der mit Urteil vom 27.5.2009210 geänderten Rechtsprechung des BGH nur noch solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm zurechenbaren Miete abzugsfähig, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Wasser, Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind umlagefähig und damit nicht mehr absetzbar, denn auch ein Mieter wird an ihnen beteiligt. Damit kommt es nicht mehr – wie bisher vom BGH vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist. Abzugsfähig sind bei gemeinsamem Eigentum der Ehegatten außerdem die anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen von Kreditraten für Kredite und Finanzierungskosten.211 Sind die Kreditraten gestundet, können die geschuldeten Beträge – auch wenn sie nicht gezahlt werden – gleichwohl abgezogen werden. Erfolgt eine Umschuldung, sind die geänderten Ratenbeträge abzugsfähig.212 Instandhaltungsrücklagen können nur vom Wohnvorteil abgezogen werden, wenn sie für unaufschiebbare Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind, was konkret darzulegen und ggf. zu beweisen ist.213 Verbleibt dann noch eine Differenz zwischen dem Nutzungswert des Eigentums und dem Aufwand, ist dies der zurechenbare Wohnwertvorteil. Dem Ehegatten wird i.d.R. während des Getrenntlebens nicht zugemutet, die Ehewohnung, die er allein bewohnt, zur Steigerung seiner Einkünfte z.B. durch Vermietung zu verwerten und in eine kleinere Wohnung zu ziehen.214 210 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1303; dazu Anm. v. Ehinger, FPR 2009, 413, 418; zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48, 49; 1998, 87, 88. 211 BGH, FamRZ 2007, 879, 881; Grundsatzentscheidungen BGH, FamRZ 1995, 870; 1998, 899, 901 (für den Trennungsunterhalt). 212 BGH, FamRZ 2007, 779, 880 f. 213 BGH, FamRZ 2 000, 351, 353. 214 BGH, FamRZ 2007, 879, 881; 2003, 351, 353; 1998, 899, 901; 1989, 1160, 1162 f.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
391 Gehört das als Ehewohnung genutzte Eigenheim nur einem der Ehegatten, so gelten i.d.R. die gleichen Grundsätze. Dies gilt auch für die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils von Kreditraten, selbst wenn dieser den von der Rechtsprechung zugestandenen Betrag einer Vermögensbildung zum Zwecke der zusätzlichen Altersvorsorge in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens übersteigt, denn maßgeblich ist beim Trennungsunterhalt die volle Höhe der Belastung, wie sie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Zum einen soll kein Zwang für den verschuldeten Ehegatten zur Verwertung des Eigentums entstehen, um eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erschweren; zum anderen profitiert der andere Ehegatte während der Trennungszeit auch noch von der Tilgung, denn die Verringerung der Schulden des Alleineigentümers erhöhen dessen Zugewinn.215 Beispiel M ist Alleinverdiener der Familie, hat ein bereinigtes Einkommen von 2 000 Euro und bleibt nach der Trennung im Eigenheim wohnen. Die ortsübliche Miete würde 1 000 Euro betragen. M hätte für eine seinen Bedürfnissen entsprechende kleinere Wohnung 600 Euro zu zahlen. M muss sich einen Wohnvorteil von 600 Euro zurechnen lassen. Sein bedarfsbestimmendes Einkommen beträgt 2 600 Euro. Müsste M für das Haus mtl. für Instandhaltungskosten, Zinsen und Darlehenstilgung i.H.v. insgesamt 300 Euro zahlen, würde sein anrechenbares Einkommen nur 2 300 Euro betragen.
Die Tilgungsleistungen sind jedoch nach der geänderten Rechtsprechung des BGH dann nicht mehr abzugsfähig,216 wenn der Scheidungsantrag bereits rechtshängig geworden ist oder sich die Ehegatten hinsichtlich des Eigentums bereits auseinandergesetzt haben, indem z.B. ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen erworben hat und Gütertrennung vereinbart worden ist. Denn bei einer solchen Sachlage würde die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils der Kreditraten zu einer einseitigen Belastung des Unterhaltsberechtigten führen, denn der Unterhaltspflichtige würde insoweit weiter Vermögen bilden, ohne dass der Unterhaltsberechtigte wegen des Endstichtags der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1376 Abs. 2, 1384 BGB oder bei Vereinbarung der Gütertrennung noch an diesem zukünftigen Vermögenszuwachs beteiligt wäre.217 m) Trennungsbedingter Mehrbedarf 391a Der Bedarf der getrenntlebenden Ehegatten erhöht sich meist durch trennungsbedingte Mehrkosten, die sich aus der doppelten Haushaltsführung der Ehegatten ergeben, z.B. durch zusätzliche Miet- und Mietnebenkosten, Telefon, Versicherungen etc. Die insoweit entstandenen Verbindlichkeiten finden aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BGH jetzt bei der Einkommensbereinigung auf der Bedarfsebene Berücksichtigung, soweit sie unumgänglich und nicht leichtfertig eingegangen wurden (s. Rn. 358, 381), hingegen spielt der trennungsbedingte Mehrbedarf als selbständiges rechtliches Kriterium des Bedarfs in der Praxis für die Klärung des angemessenen Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1361 Abs. 1 i.V.m. § 1578 Abs. 1 BGB praktisch keine Rolle mehr. Dies deshalb nicht, weil zur Befriedigung des Mehrbedarfs seit der 215 BGH, FamRZ 2007, 879, 881 f. 216 BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963, 965 f. m. krit. Anm. v. Büttner, S. 967, in Abgrenzung zu BGH, FamRZ 2007, 879. 217 BGH, FamRZ 2008, 963.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Aufgabe der Anrechnungsmethode auf Einkommen, das nach der Trennung an die Stelle von Familienarbeit getreten ist (Rn. 355), meist keine Mittel zur Verteilung für einen Mehrbedarf zur Verfügung stehen (s. Rn. 335 ff.).218 Denn üblicherweise bestimmt sich der eheliche Bedarf im Wesentlichen aus Einkünften aus Erwerbstätigkeit, das nach dem Halbteilungsgrundsatz unter den Ehegatten aufgeteilt wird. Hinzu kommt, dass der BGH in geänderter Rechtsprechung den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nunmehr so interpretiert, dass auch nach der Trennung eingegangene Verbindlichkeiten für trennungsbedingten Mehrbedarf – soweit sie unumgänglich entstanden sind – einkommensmindernd berücksichtigt werden können (Rn. 358). Soweit deshalb Verbindlichkeiten für trennungsbedingten Mehrbedarf nicht im Rahmen des eheprägenden Bedarfs berücksichtigt werden, können sie nur noch von Bedeutung sein, wenn nicht das ganze vorhandene Einkommen aufgeteilt wird, weil z.B. bei höheren Einkommen ein Teil des Einkommens in die Vermögensbildung geflossen oder nicht prägendes Einkommen vorhanden ist.219 Ansonsten spielen auf der Bedarfsebene unberücksichtigt gebliebene Verbindlichkeiten jeweils nur noch eine Rolle bei der Prüfung der Bedürftigkeit bzw. Leistungsfähigkeit der Ehegatten. Derjenige, der trennungsbedingten Mehrbedarf geltend macht, muss dann sämtliche Mehrkosten detailliert und unter Beweisantritt darlegen; denn der BGH hat es abgelehnt, trennungsbedingte Mehrkosten in Form einer Pauschale zu unterstellen.220 4. Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten (Quotenunterhalt) mit Beispielen Von dem ermittelten bedarfsbestimmenden Einkommen steht jedem Ehegatten 392 die Hälfte zu. Da nach der Rechtsprechung des BGH von dem Halbteilungsgrundsatz maßvoll abgewichen werden kann (Rn. 337), ist zu beachten, dass das Einkommen aus Erwerbstätigkeit – soweit vorhanden bei beiden Ehegatten – noch jeweils um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen ist. Üblich ist der Abzug von 1/ 7, zunehmend auch von 1/ 10 , so dass nur jeweils 6/ 7 bzw. 9/ 10 des Einkommens aus Erwerbstätigkeit in die Berechnung mit einfließen. Dem Erwerbstätigen soll ein maßvoll die Hälfte übersteigender Betrag seines Arbeitseinkommens als Anreiz für die Erwerbstätigkeit zustehen.221 Dieser sog. Erwerbstätigenbonus wird immer aus dem bereits um Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen berechnet und davon abgezogen.222 Rechtlich unbedenklich ist auch eine abweichende, z.B. geringere Bemessung des Bonus oder ihn gar nicht abzuziehen, wenn berufsbedingte Aufwendungen bereits konkret berechnet berücksichtigt wurden und die wirtschaftlichen Verhältnisse eng sind.223 Im Einzelfall bleibt die Bemessung des Bonus jedoch eine Ermessensentscheidung des Tatrichters unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse.224 Der Nr. 10.2 der Leitlinien des zuständigen OLG kann die örtlich übliche Handhabung entnommen werden.
218 BGH, FamRZ 2004, 1357, 1359; 1984, 149 ff.; 1982, 892 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 944. 219 Zur Zuordnung trennungsbedingten Mehrbedarfs zum vollen Unterhaltsbedarf vgl. BGH, FamRZ 1982, 255, 257. 220 BGH, FamRZ 2004, 1357, 1359; 1995, 346. 221 Vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 337 und BGH, FamRZ 1989, 842 ff. 222 BGH, FamRZ 1997, 806, 807. 223 BGH, FamRZ 1990, 1090, 1091. 224 BGH, FamRZ 1997, 806, 807.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Bei allen anderen Einkünften, z.B. aus Kapital, aber auch Pensionen und Renten gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. Ein Erwerbstätigenbonus wird nicht abgezogen.
" Praxishinweis: Der Erwerbstätigenbonus wird nur bei der Bedarfsberech-
nung vom Erwerbseinkommen abgezogen, nicht hingegen bei der nachfolgenden Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, bei der zu klären ist, ob dem Verpflichteten bei Erfüllung seiner Leistungspflicht der ihm zustehende Eigenbedarf gewahrt ist (Eigenbedarfskontrolle, s. Beispiel Rn. 395). Denn bei dem Bonus handelt sich nicht um eine abzugsfähige Verbindlichkeit, sondern er stellt lediglich eine Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes, d.h. der Quotenunterhaltsberechnung für die Ermittlung des Bedarfs dar. Deshalb ist bei der Eigenbedarfskontrolle der errechnete Unterhalt immer nur von dem um berufsbedingte Aufwendungen und Verbindlichkeiten bereinigten Einkommen des Verpflichteten – ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus – abziehen.
Ist der Verpflichtete neben dem getrenntlebenden Ehegatten noch einem früheren Ehegatten zum Unterhalt verpflichtet, dessen Bedarf ebenfalls nach dem Grundsatz der Halbteilung zu berechnen ist, ist der Bedarf nach der Rechtsprechung des BGH durch Dreiteilung der addierten Einkünfte der Berechtigten und des Verpflichteten zu ermitteln. Der Grundsatz der Halbteilung beschränkt sich nach dem BGH in dem Fall durch die Erhöhung der Anzahl der Berechtigten auf eine Gleichteilung, denn dem Verpflichteten soll im Verhältnis zu jedem Berechtigten ein jeweils gleich hoher Bedarf verbleiben.225 Ihm selbst steht jedoch mindestens ein eigener angemessener Eigenbedarf von 1 000 Euro zu (s. zur Leistungsfähigkeit Rn. 408 ff.). Die Einführung des Grundsatzes der Gleichteilung für die Bedarfsberechnung mehrerer konkurrierender Unterhaltsansprüche ist ein Lösungsansatz, der im Zusammenhang zu sehen ist mit der seit 1.1.2008 neu geregelten Rangfolge von Unterhaltsansprüchen in § 1609 Nr. 2 und 3 BGB und der Änderung der Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen, die den Trennungsunterhalt und den nachehelichen Unterhalt betrifft. Aufgrund der geänderten Rangfolge sind Unterhaltsansprüche einer ersten, zweiten oder auch weiteren Ehe insoweit gleichgestellt, als das Prioritätsprinzip der Erstehe in § 1582 BGB a.F. durch die Neuregelung in § 1582 BGB aufgegeben worden ist. Allerdings gehen Unterhaltsansprüche wegen Betreuung eines ehelichen oder nichtehelichen Kindes im Rang dem eines Ehegatten vor, sofern dessen Ehe nicht von langer Dauer ist oder war (§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB). Dieser vom Gesetzgeber gewollten Gleichbehandlung von Alt- und Neuehen sowie der Betreuungsunterhaltsansprüche von Eltern ehelicher und nichtehelicher Kinder versucht der BGH für die Bedarfsberechnung Rechnung zu tragen, indem schon bei der Berechnung des eheangemessenen Bedarfs nach § 1361 Abs. 1 BGB und § 1578 Abs. 1 BGB die Unterhaltsansprüche aus einer vorangegangenen Ehe oder bei bestehender Ehe nach § 1615l Abs. 2 BGB hinzugetretender Ansprüche mitberücksichtigt werden und nicht – wie nach bis zum 31.12.2007 geltender Rechtsprechung – erst bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit.226 225 BGH, FamRZ 2009, 1911,1914; zur Kritik daran s. Rn. 358a, 483a, u.a. Born, NJW 2010, 641, 646 f.; Born, NJW 2009, 588 m. Anm. v. Born; Graba, FamRZ 2008, 1217, 1222; Graba, FamFR 2010, 53, 54; Maurer, FamRZ 2008, 1985, 1988; Schürmann, FamRZ 2009, 585, 586. 226 Graba kritisiert diesen Lösungsansatz als unvereinbar mit der Gesetzessystematik, FamRZ 2010, 1131 ff., 1135 f.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
a) Berechnung mit der Additions- und Differenzmethode Die Berechnung des Bedarfs durch Teilung des addierten prägenden Einkommens 393 und Anrechnung der Eigeneinkünfte des Bedürftigen aus prägenden und nichtprägenden Einkünften auf diesen Bedarf wird als Additionsmethode bezeichnet. Die Berechnung erfolgt bei Halbteilung in 2 Schritten: 1. Bedarf = Summe des eheprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/ 10 und sonstigen eheprägenden Einkünften beider Ehegatten geteilt durch 2. 2. Ungedeckter Bedarf des Bedürftigen = Bedarf abzüglich sämtlicher Einkünfte des Bedürftigen (des eheprägenden und nichtprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/ 10 und sonstigen prägenden und nichtprägenden bereinigten Einkünften). Die Additionsmethode, die sich mit zunehmender Differenzierung des Unterhaltsrechts in der Rechtsprechung durchgesetzt hat und vom BGH gebilligt worden ist,227 bietet gegenüber der früher vorherrschenden sog. Differenzmethode, die später mit der sog. Anrechnungsmethode kombiniert wurde, den Vorteil, dass sich vor allem bei Mischeinkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften sowie prägenden und nichtprägenden Einkünften durch den Aufbau der Berechnung Fehler leichter vermeiden lassen (s. dazu das Beispiel Rn. 396). Die Differenzmethode kommt jedoch in Kombination mit der Anrechnungsmethode zu gleichen Ergebnissen. Der Bedarf wird danach in folgenden zwei Arbeitsschritten berechnet: 1. Bedarf = Summe von 3/ 7 der Differenz zwischen dem prägenden Erwerbseinkommen und 1/ 2 der sonstigen eheprägenden Einkünfte (Differenzmethode). 2. Ungedeckter Bedarf = Bedarf abzüglich nichtprägende Einkünfte des Anspruchstellers (Anrechnungsmethode). b) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Halbteilung mit einem unterhaltsberechtigten Ehegatten In den nachfolgenden Beispielen unter Rn. 394–396 wird der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen anhand der Additions- und Differenzmethode errechnet. Soweit Einkommen als eheprägend auf der Bedarfsebene berücksichtigt worden ist, wird es bedarfsmindernd vom errechneten eheprägenden Bedarf abgezogen (zur Berücksichtigung nichtprägenden Einkommens bei der Bedürftigkeit s. Rn. 400 ff.). Ebenfalls berücksichtigt ist in den Beispielen die Eigenbedarfskontrolle, denn der Unterhalt ist in der Höhe immer durch die Leistungsfähigkeit des Schuldners begrenzt. Diese liegt beim Trennungsunterhalt bei 1 000 Euro (Stand der LL 1.1.2010). aa) Beispiel Alleinverdienerehe Einkommen M aus Erwerbstätigkeit abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich Kindesunterhalt
2 200 Euro 110 Euro 241 Euro
227 BGH, FamRZ 1997, 806. Grundlegend zur Additionsmethode und Abgrenzung anderer Berechnungsmethoden Mayer, FamRZ 1992, 138.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten bereinigtes Einkommen abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus ergibt ein bedarfsbestimmendes Einkommen von Der Bedarf der F beträgt die Hälfte. F ist in dieser Höhe auch bedürftig, da sie keine eigenen anrechenbaren Einkünfte hat
1 849 264 1 585 793
Euro Euro Euro Euro
Eigenbedarfskontrolle: Die Leistungsfähigkeit des M ist nicht eingeschränkt, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs der F sein Eigenbedarf von 1 000 Euro : 1 849 Euro – 793 Euro = 1 065 Euro228 Berechnung nach der Differenzmethode: Bereinigtes Einkommen des M 1 849 Euro × 3/ 7 = aufgerundet 793 Euro. Eigenbedarfskontrolle: 1 849 Euro – 793 Euro = 1 065 Euro. Der Eigenbedarf des M ist nicht berührt.
bb) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit 395 Einkommen M aus Erwerbstätigkeit
abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich Kreditrate abzüglich Kindesunterhalt bereinigtes Einkommen abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus bedarfsbestimmendes Einkommen des M Einkommen F aus Erwerbstätigkeit abzüglich Fahrkosten konkret berechnet abzüglich Kreditrate abzüglich Betreuungskosten bereinigtes Einkommen F abzüglich 1/ 7 Erwerbstätigenbonus bedarfsbestimmendes Einkommen der F Bedarfsberechnung bedarfsbestimmendes Einkommen M bedarfsbestimmendes Einkommen F bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen der Ehegatten
1 800 90 150 228 1 332 190 1 142
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
800 50 180 50 520 74 446
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
1 142 Euro 446 Euro 1 587 Euro
Bedarf der F i.H. der Hälfte abzüglich eigene Einkünfte von F der ungedeckte Bedarf der F beträgt
794 Euro 446 Euro 348 Euro
Der Anspruch wird wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit des M begrenzt auf
332 Euro
Eigenbedarfskontrolle: Die Leistungsfähigkeit des M ist eingeschränkt, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs der F nicht sein Eigenbedarf von 1 000 Euro : 1 332 Euro – 348 Euro = 984 Euro Der Unterhalt ist um 16 Euro auf 332 Euro zu kürzen, damit M den ihm zustehende Eigenbedarf behält (s. Rn. 408). Berechnung nach der Differenzmethode: Anrechenbares Einkommen M 1 332 Euro – anrechenbares Einkommen F 520 Euro = 812 Euro × 3/ 7 = 348 Euro (Differenzmethode). Beschränkung auf 332 Euro, da M ein Eigenbedarf von 1 000 Euro zusteht.
228 Zur Leistungsfähigkeit s. Rn. 408.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
cc) Beispiel Doppelverdienerehe mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit und sonstigen Einkünften In die nachfolgenden Berechnung wird das Einkommen aus Erwerbstätigkeit um den Erwerbstätigenbonus i. H. eines 1/ 7 gekürzt in die Rechnung eingestellt; die Einkünfte aus Vermögen dagegen in voller Höhe: Einkommen des M aus Erwerbstätigkeit nach Abzug von berufsbedingten Aufwendungen abzüglich Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 zuzüglich Einkünfte aus Vermögen bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen M Einkommen der F aus Erwerbstätigkeit nach Abzug von berufsbedingten Aufwendungen abzüglich Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/ 7 bedarfsbestimmendes Einkommen F bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen der Ehegatten Bedarf der F i.H. der Hälfte abzüglich eigene Einkünfte von F Ungedeckter Bedarf der F
2 500 357 2 143 200 2 343 600
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
86 514 2 857 1 429 514 915
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
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Eigenbedarfskontrolle: Die Leistungsfähigkeit des M ist nicht eingeschränkt, denn ihm verbleibt nach Abzug des ungedeckten Bedarfs von F sein Eigenbedarf von 1 000 Euro : 2 700 Euro – 915 Euro = 1 785 Euro (s. Rn. 408) Berechnung nach der Differenzmethode: Anrechenbares Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 2 500 Euro – anrechenbares Einkommen F aus Erwerbstätigkeit 600 Euro = 1 900 Euro × 3/ 7 = aufgerundet 815 Euro. Einkommen M aus Vermögen 200 Euro : 2 = 100 Euro. Gesamtanspruch F aufgerundet 815 Euro + 100 Euro = 915 Euro (Differenzmethode).
c) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Dreiteilung des Gesamteinkommens wegen eines weiteren Unterhaltsanspruchs eines früheren Ehegatten Ist der Unterhaltspflichtige neben seinem getrennt lebenden Ehegatten noch ei- 397 nem geschiedenen Ehegatten unterhaltspflichtig, so ist der Bedarf jedes Berechtigten nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Verpflichteten und beider Unterhaltsberechtigten zu berechnen.229 Dabei wird bei mehreren Unterhaltsberechtigten das Gesamteinkommen des Verpflichteten und der Berechtigten zwischen ihnen gleichmäßig aufgeteilt, denn der Unterhaltsbedarf eines Unterhaltsberechtigten darf nicht den Betrag überschreiten, der dem Unterhaltspflichtigen verbleibt. Dem Verpflichteten muss aber immer der ihm im Rahmen des Ehegattenunterhaltsrechts zustehende angemessene Eigenbedarf von zzt. 1 000 Euro verbleiben. Wäre dies bei Erfüllung der errechneten Bedarfsbeträge nicht der Fall, ist – sofern der Anspruch des früheren Ehegatten vorrangig gegenüber dem Trennungsunterhaltsanspruch ist – dieser zunächst in voller Höhe zu befriedigen und der jetzige Ehegatte muss sich mit dem verbleibenden Rest begnügen. Sind beide Ansprüche gleichrangig nach § 1609 BGB, ist die Verteilungsmasse hälftig auf die Unterhaltsberechtigten zu verteilen, wenn sie keine eigenen Einkünfte haben. Erhöht sich durch Einkommen von Berechtigten der Bedarf, den der Verpflichtete mit dem von ihm zur Verfügung zu stellenden Einkommen nicht decken kann, ist von einem Mangelfall auszugehen und eine anteilige Kürzung der Ansprüche vorzunehmen, s. dazu die Rechenbeispiele unter Rn. 416 ff. 229 BGH, FamRZ 2008, 1911, 1914 f.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Für die Bedarfsermittlung ist das aktuelle, ggf. durch den Splittingvorteil der bestehenden Ehe oder einen Karrieresprung erhöhte Einkommen des Verpflichteten in die Berechnung einzustellen, ebenso Einkommen des früheren und jetzigen Ehegatten, jeweils bereinigt um berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten und Erwerbstätigenbonus.230 Soweit sich dadurch für die frühere Ehefrau ein höherer Bedarf ergibt, als er ihr zustünde ohne das nachträglich hinzugekommene Einkommen eines weiteren Berechtigten, ist eine Kontrollberechnung durchzuführen. Mit dieser wird ihr Anspruch berechnet durch Halbteilung der Gesamtsumme ihres Einkommens und des Einkommens des Verpflichteten ohne die Einkommensvorteile, die durch die neue Ehe entstanden sind. Der so berechnete Bedarf stellt die Obergrenze ihres Anspruchs dar. aa) Beispiel: Dreiteilung bei Alleinverdienerehe bereinigtes Einkommen M aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 6/ 7 Einkommen der getrennt lebenden Ehefrau F1 Einkommen der früheren Ehefrau F2 Summe der Einkommen geteilt durch 3 Bedarf von F1 i.H.v. Bedarf von F2 i.H.v. Bedarf von M
3 000 0 0 3 000 1 000 1 000 1 000 1 000
Kontrollrechung bezogen auf den Anspruch der früheren Ehefrau: Einkommen des M ohne durch die 2. Ehe bedingte finanzielle Erhöhungen (6/ 7) Anspruch der F2 in Höhe der Hälfte
2 500 Euro 1 250 Euro
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Eine Kürzung ihres Anspruchs kommt nicht in Betracht, da der Anspruch bei Halbteilung höher liegt. Eigenbedarfskontrolle: M ist leistungsfähig, denn sein Eigenbedarf in Höhe von 1 000 Euro ist bei Erfüllung beider Ansprüche gewahrt.
bb) Beispiel: Dreiteilung Doppelverdienerehe bereinigtes Einkommen M bereinigtes Einkommen der getrennt lebenden Ehefrau F1 frühere Ehefrau F2 Summe der Einkommen geteilt durch 3 Bedarf der getrenntlebenden F1 i.H.v. abzüglich Einkünfte F1 ungedeckter Bedarf der F1
3 000 500 0 3 500 1 167 1 167 500 667
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Kontrollrechnung bezogen auf den Anspruch der früheren Ehefrau F2: Einkommen des M ohne Karrieresprung nach der Scheidung der Erstehe (6/ 7): Anspruch der F2 i.H. der Hälfte Der Anspruch der F2 ist zu kürzen auf 1 000 Euro.
2 000 Euro 1 000 Euro
Der freiwerdende Betrag von 167 Euro erhöht das im Verhältnis zur getrenntlebenden Ehefrau F1 verteilungsfähige Einkommen des M und ist zwischen ihm und F1 hälftig aufzuteilen. Der Bedarf der F1 erhöht sich deshalb zuzüglich Hälfte des freigewordenen Betrags 167 / 2 ungedeckter Bedarf der F1
667 Euro 83,50 Euro 751 Euro
230 BGH, FamRZ 2008, 1911, 1914 f.; 2009, 579 ff. (Karrieresprung, Splittingvorteil).
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III. Die Berechnung des Unterhalts Eigenbedarfskontrolle: M ist leistungsfähig, denn sein Eigenbedarf in Höhe von 1 000 Euro ist bei Erfüllung der Ansprüche gewahrt.
d) Beispiele zur Berechnung des Bedarfs bei Hinzutreten eines Anspruchs nach § 1615l BGB Eine Beschränkung des Trennungsunterhaltsanspruchs ergibt sich nach der 398 Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen auch dann, wenn der Ehegatte noch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l Abs. 2 BGB zum Unterhalt verpflichtet ist. Der Bedarf der Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB richtet sich zwar nach ihrer eigenen Lebensstellung, die sie vor der Geburt des Kindes hatte und nicht, selbst wenn sie mit dem getrenntlebenden Ehemann in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsplanung lebt, nach dem Lebensstandard dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft.231 Gleichwohl ist hier nach der Feststellung des Bedarfs der nichtehelichen Mutter nach ihrer eigenen Lebensstellung zunächst eine Berechnung des Bedarfs aller gleichrangig Unterhaltsberechtigten und des Verpflichteten durch Dreiteilung vorzunehmen. Denn da der Unterhaltsbedarf eines Unterhaltsberechtigten nicht den Betrag überschreiten darf, der dem Unterhaltspflichtigen verbleibt und dieser mehrere Ansprüche zu bedienen hat, kann durch die Bedarfsberechnung mit der Gleichteilung geklärt werden, in welcher Höhe der Anspruch nach § 1615l BGB zu begrenzen ist und in welcher Höhe Mittel für den Bedarf des getrenntlebenden Ehegatten freibleiben, wenn der Bedarf nach § 1615l BGB geringer ist als bei Gleichteilung des Einkommens. Beispiele 1. M hat ein bereinigtes Einkommen von 3 000 Euro, seine getrenntlebende Ehefrau F1 von 1 200 Euro. Die nichteheliche Mutter F2 hat nach ihrer Lebensstellung vor der Geburt einen Bedarf von 1 600 Euro und kein Einkommen. Bei Dreiteilung ergeben sich folgende Bedarfsbeträge: bereinigtes Einkommen M (6/ 7) getrenntlebende Ehefrau F1 (6/ 7) Mutter des nichtehelichen Kindes F2 bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen geteilt durch 3 Bedarf der F1 abzüglich eigenes Einkommen ungedeckter Bedarf der F1
3 000 1 200 0 4 200 1 400 1 400 1 200 200
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Da F2 nach ihrer Lebensstellung einen höheren Bedarf hat, als nach der Gleichteilung des Gesamteinkommens zu ihren Gunsten in Betracht käme, bleibt ihr Anspruch auf 1 400 Euro begrenzt.232 Es bleibt bei einem Trennungsunterhaltsanspruch der F1 von 200 Euro. 2. Einkommen wie unter 1. Es besteht bei Dreiteilung ein Bedarf von 1 400 Euro. Die nichteheliche Mutter F2 hat nach ihrer Lebensstellung vor der Geburt nur einen Bedarf von 900 Euro, der unter der Drittelquote von 1 400 Euro liegt, so dass ihr Anspruch auch auf diesen Betrag beschränkt bleibt. Dies wirkt sich auf die Höhe des Trennungsunterhaltsanspruchs von F1 aus, denn da M weniger Unterhalt an F2 als bei Gleichteilung der Einkommen zahlen muss, bleibt mehr Verteilungsmasse für die Bedarfsberechnung: 231 BGH, FamRZ 2010, 357, 359, Bestätigung von BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742. 232 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1742, bestätigt in FamRZ 2010, 357, 359: keine Bedarfsprägung bei nichtehelichem Zusammenleben der Mutter mit dem getrenntlebenden Ehemann durch das gemeinsame Einkommen.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Einkommen M (3 000 Euro – 900 Euro =) Einkommen F1 bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen davon die Hälfte abzügl. Einkommen der F1 ungedeckter Bedarf der F1
2 100 1 200 3 300 1 650 1 200 450
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
5. Zur Vertiefung: Abzugsfähige Einkünfte des Unterhaltsberechtigten bei der Prüfung der Bedürftigkeit 399 Von dem Unterhaltsberechtigten wird erwartet, dass er seine sämtlichen Einkünfte, ob sie nun die ehelichen Verhältnisse geprägt haben oder nicht, zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs verwendet (§ 1577 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung). Deshalb sind seine gesamten Einkünfte von dem errechneten eheangemessenen Bedarf abzuziehen; denn anspruchsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, seinen Unterhalt aus eigenen Einkünften aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, sonstigen geldwerten Zuwendungen oder aus dem Vermögen zu bestreiten. 400 Zu den anrechenbaren Einkünften des Berechtigten, die seine Bedürftigkeit in Bezug auf den errechneten eheprägenden Bedarf mindern, gehören alle in zumutbarer Weise erzielten prägenden und nichtprägenden Einkünfte sowie zumutbar erzielbaren (fiktiven) Einkünfte. Dazu gehören, – Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit, Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, Renten und Pensionen. – Einkünfte aus vor oder nach der Trennung erworbenem Vermögen, auch aus Erbschaft. Dazu gehören z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge wie Zinsen sowie geldwerte Gebrauchsvorteile von Vermögen wie Wohnvorteile für das Bewohnen eines Eigenheims. – Einkünfte aus sozialstaatlichen Leistungen wie zum Beispiel Wohngeld, BAföG-Leistungen, Pflegegeld. – Fiktive Einkünfte bei unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Nichtausübung zumutbarer Erwerbstätigkeit, unterlassener Nutzung von Vermögen (Rn. 371 ff.). – Einkünfte bei Versorgungsleistungen für einen neuen Partner (Rn. 374) bzw. geldwerte Vorteile aufgrund gemeinsamen Wirtschaftens. – Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben Kindesbetreuung ausgeübt wird, soweit sie nach Billigkeit unterhaltsrelevant ist, s. Rn. 406. – Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit nach Billigkeit (§ 1577 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung) s. Rn. 405. a) Einkünfte aus Vermögen 401 Der Bedürftige muss auch sein Vermögen für seine Bedarfsdeckung verwenden. Dies gilt uneingeschränkt für die Einkünfte aus Vermögen. Das Vermögen ist zinsbringend anzulegen. Wird dies versäumt, werden dem bedürftigen Ehegatten erzielbare Zinssätze als Einkünfte unterstellt. Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte während des Getrenntlebens jedoch nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter 288
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III. Die Berechnung des Unterhalts
Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen unbillig wäre (§ 1577 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung). Die für den Nacheheunterhalt maßgebliche Regelung in § 1577 Abs. 3 BGB findet hier entsprechend Anwendung, wobei bei der Rechtsanwendung zu beachten ist, dass die Anforderungen an die Verwertung noch wesentlich durch die stärkere Einstandspflicht der Ehegatten füreinander während der Trennungszeit bestimmt sein müssen und deshalb im Allgemeinen nicht so weit gehen wie bei geschiedenen Ehegatten.233 Beispiel Die seit 21 Jahren verheirateten Eheleute sind Miteigentümer eines schuldenfreien Grundstücks. Nach der Trennung lebt die nicht erwerbstätige F mit der Tochter im Haus. F hat ein Sparguthaben von 15 000 Euro als Notgroschen für die Familie angespart. M verdient mtl. 2 000 Euro und hat keine eigenen Ersparnisse. F braucht ihren Unterhaltsbedarf nicht aus den Ersparnissen zu befriedigen und kann Trennungsunterhalt verlangen. Eine Verwertung würde der Familie wirtschaftliche Sicherheit nehmen. Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen wachsen die Anforderungen an die Pflicht zur Verwertung des Vermögens.234
b) Nichtprägende Einkünfte Auch Einkünfte, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben, wer- 402 den bedarfsmindernd abgezogen, sind zuvor jedoch – wie die prägenden Einkünfte – zu bereinigen. Dabei können dann auch. Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die auf der Bedarfsebene wegen des Maßstabs der ehelichen Lebensverhältnisse nicht abgezogen werden durften. Das können z.B. nach der Trennung aufgenommene Kredite sein, die nicht zwingend erforderlich waren. Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist abschließend um einen Erwerbstätigenbonus zu kürzen. Soweit dem Unterhaltsberechtigten geldwerte Vorteile aufgrund des Zusammenlebens mit einem neuen Partner zufließen, kann es der Billigkeit entsprechen, diese bedarfsmindernd zu berücksichtigen (Rn. 374). Einkommen des Anspruchstellers, das beim bedarfsbestimmenden Einkommen nicht berücksichtigt wurde und nun auf den Bedarf angerechnet wird, kann den Unterhaltsanspruch drastisch verringern. Solche nichtprägenden Einkünfte können sein: c) Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem Normalverlauf entspricht Wechselt der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Trennung in eine Tätig- 403 keit, die nicht seiner normalen beruflichen Entwicklung entspricht, bleibt auch eine damit verbundene Einkommenserhöhung für das bedarfsbestimmende Einkommen außer Betracht. In die Bedarfsberechnung wird zunächst als bedarfsbestimmendes Einkommen der frühere Verdienst eingesetzt, auf den errechneten Bedarf wird jedoch das nunmehr erzielte höhere Einkommen nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus angerechnet. Beispiel F arbeitete während des Zusammenlebens als Verkäuferin und erzielte ein Einkommen von 1 000 Euro. Nach der Trennung hatte sie zunächst einen Unterhaltsanspruch gegen M i.H.v. 500 Euro. Ein Jahr nach der Trennung macht sie eine Umschulung und verdient nun mtl. 233 BGH, FamRZ 1985, 360. 234 Fall nach BGH, FamRZ 1985, 360.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten 1 700 Euro als Geschäftsführerin eines Fitnessstudios. Der Mehrverdienst ist i.H.v. 600 Euro (6/ 7 von 700 Euro) anzurechnen, so dass kein Anspruch mehr besteht.
d) Sonstige geldwerte Zuwendungen 404 Geldwerte Zuwendungen, mit denen bei normalem Verlauf der Ehe nicht konkret gerechnet werden konnte, muss sich der Bedürftige anrechnen lassen. Beispiel F hat einen Unterhaltsbedarf i.H.v. 600 Euro. Sie erbt von ihren Eltern nach der Trennung 50 000 Euro und erzielt jährliche Zinsen i.H.v. ca. 2 400 Euro. Sie muss sich ein monatliches Einkommen i.H.v. 200 Euro anrechnen lassen, so dass nur noch ein ungedeckter Bedarf i.H.v. 400 Euro besteht.
e) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit 405 Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht zum bedarfsbestimmenden Einkommen gehören, weil der bedürftige Ehegatte eine Arbeitsleistung erbringt, zu der er nicht verpflichtet ist, die er jederzeit wieder aufgeben kann (§ 1361 Abs. 2 BGB) und die auch nicht an die Stelle einer bisher ausgeübten Haushaltsführung getreten ist, werden nur unter bestimmten Voraussetzungen auf den Bedarf angerechnet. Maßgeblich sind die im Geschiedenenunterhalt zu § 1577 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze, die entsprechend anzuwenden sind, soweit darin auf § 1578 BGB Bezug genommen wird.235 Danach werden Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nicht bedarfsmindernd angerechnet, wenn sie zusammen mit dem Einkommen des Berechtigten aus zumutbarer Arbeit und dem geschuldeten Unterhalt den vollen Unterhalt nicht übersteigen (§ 1577 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1578 BGB). Der volle Unterhalt ist der Gesamtbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen ggf. zuzüglich des trennungsbedingten Mehrbedarfs.236 Übersteigt das gesamte Eigeneinkommen mit dem geschuldeten Unterhalt den vollen Unterhalt, ist der Mehrbetrag nach Billigkeit auf den Bedarf anzurechnen (§ 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB). Bei der Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Anspruchsteller mit seiner Arbeit ein Sonderopfer an Freizeit, Kraft und Gesundheit erbringt, mit dem Ziel, seinen Lebensstandard zu verbessern, nicht aber um die Zahlungsschuld des Unterhaltspflichtigen zu erleichtern. Je nach den individuellen Verhältnissen der Familie kann die Anrechnung aus Billigkeitsgründen in vollem Umfang erforderlich sein oder aber auch ganz unterbleiben.237 Beispiel Nach der Trennung der hochverschuldeten Eheleute geht F neben ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachts als Barfrau jobben. Das bereinigte Einkommen von F aus der Vollbeschäftigung beträgt 1 000 Euro, das von M 1 500 Euro, so dass F nach dem bedarfsbestimmenden Einkommen einen ungedeckten Bedarf von mtl. 250 Euro hat (2 500 Euro : 2 = 1 250 Euro – 1 000 Euro eigenes Einkommen = 250 Euro). M ist jedoch wegen trennungsbedingter Schulden nur i.H.v. 200 Euro leistungsfähig. F verdient aus ihrer Nebentätigkeit mtl. 300 Euro und muss für trennungsbedingten Mehrbedarf eine mtl. Kreditrate von 235 BGH, FamRZ 1983, 146. 236 BGH, FamRZ 1982, 255, 257; Wendl/Gutdeutsch, § 4 Rn. 535; Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Rn. 465. 237 BGH, FamRZ 1983, 146, 150; FamGB/Griesche, § 1577 Rn. 60 ff.
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III. Die Berechnung des Unterhalts 200 Euro aufbringen. Der volle Unterhaltsbedarf beträgt für F einschließlich des trennungsbedingten Mehrbedarfs 1 450 Euro, von dem 250 Euro ungedeckt bleiben (1 450 Euro – 1 000 Euro eigenes Einkommen – 200 Euro Unterhalt von M), so dass das Einkommen aus der Nebentätigkeit in Höhe von 250 Euro anrechnungsfrei bleibt (§ 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der verbleibende Betrag von 50 Euro steht F aus Billigkeitsgründen ungeschmälert zu (§ 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB).
f) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung Die Behandlung von Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die ne- 406 ben der Kindesbetreuung ausgeübt wird und an die Stelle einer bisher ausgeübten Haushaltsführung getreten ist, war über Jahrzehnte umstritten und ist nun nach einem grundlegenden Wandel der Rechtsprechung des BGH allseits akzeptiert.238 Diese Einkünfte werden nur noch insoweit auf den Bedarf angerechnet, als sie auch auf der Bedarfsebene dem eheprägenden bedarfsbestimmenden Einkommen zugeordnet wurden (Rn. 365). Der BGH hat in den Urteilen vom 22.1.2003239 und 13.4.2005240, in denen der Wandel vollzogen wurde, ausdrücklich klargestellt, dass das Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit nicht dem eheprägenden Einkommen hinzuzurechnen ist. Davon auszunehmen ist jedoch der Teil, der unterhaltsrechtlich relevant und nach § 1577 Abs. 2, § 242 BGB dem Berechtigten als Einkommen zuzurechnen ist. Da dieser Teil Surrogat für früher geleistete Hausarbeit und Kinderziehung ist, ist er Teil des bedarfsprägenden ehelichen Einkommens. Der unterhaltsrechtlich nicht relevante Teil des Einkommens bleibt vollkommen unberücksichtigt. Damit wird bei Einkünften aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wegen Kindesbetreuung entsprechend der bisher üblichen Handhabung dem überobligatorischen Einsatz des Berechtigten unterhaltsrechtlich nach den Grundsätzen des § 1577 Abs. 2 BGB Rechnung getragen, allerdings mit der Besonderheit, dass das anrechenbare Einkommen wegen seines Surrogatcharakters auch schon auf der Bedarfsebene einzustellen ist. Insoweit wird auch auf die Ausführungen unter Rn. 365 Bezug genommen. Bei der anzustellenden Billigkeitsprüfung sind für die Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten und nicht relevanten Teils des Einkommens neben den konkreten Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien auch die besonderen Erschwernisse zu beachten, die bei der Ausübung der unzumutbaren Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung entstehen können. Bedeutsam ist deshalb, wie die Kindesbetreuung mit der Arbeit unter Berücksichtigung der Arbeitsund Fahrzeiten zu vereinbaren ist, ob und in welchem Umfang ein Kindergarten oder andere Hilfe für die Betreuung in der Arbeitszeit zur Verfügung steht, wie hoch die Verschuldung der Familie ist etc.241 238 Vgl. zur Bedeutung der Surrogatfunktion der Erwerbstätigkeit bei früherer Haushaltstätigkeit beim bedarfsbestimmenden Einkommen Rn. 355 und OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 946 ff. 239 BGH, Urt. v. 22.1.2004 – ZR 186/01, FamRZ 2003, 518 ff.; vgl. dazu die Ausführungen zum bedarfsbestimmenden Einkommen unter Rn. 365. 240 BGH, FamRZ 2005, 1154–1158 = NJW 2005, 2145, 2148. 241 BGH, FamRZ 1983, 146 ff. und 1995, 475 zu den Bemessungskriterien gemäß § 1577 Abs. 2 BGB; BGH, FamRZ 2001, 350, 352 zu den Bemessungskriterien beim Betreuungsbonus des Verpflichteten.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten Beispiel M und F leben getrennt. M verdient bereinigt, auch um den Kindesunterhalt, 1 600 Euro. F arbeitet seit der Trennung vollschichtig und verdient bereinigt 900 Euro. Sie betreut die 5-jährige Tochter und den 7-jährigen Sohn allein. Für die nachfolgenden Berechnungen ist der Abzug des Erwerbstätigenbonus vernachlässigt worden. Einkommen M bereinigt Einkommen F abzüglich Betreuungskosten Einkommen F bereinigt
1 600 900 –200 = 700
Euro Euro Euro Euro
Von dem bereinigten Einkommen der F sind aus Billigkeitsgründen nur 500 Euro unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen, 200 Euro sollen ausschließlich ihr verbleiben, denn ihr ist nur eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar. Bedarf der Ehegatten 1 600 Euro + 500 Euro Bedarf F (1/ 2)
= 2 100 Euro 1 050 Euro
F sind auf ihren Bedarf 500 Euro anzurechnen, so dass ein ungedeckter Bedarf von 550 Euro besteht. M bleiben nach Zahlung von 550 Euro an F 1 050 Euro. F hat unter Einbeziehung des nicht zu berücksichtigenden Anteils des Einkommens insgesamt 1 250 Euro (500 + 550 Euro + 200 Euro).
Obwohl in Leitlinien aus Vereinfachungsgründen häufig empfohlen wird, die Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit pauschal nur zu 1/ 2 bis zu 3/4 in Ansatz zu bringen, ist die Überprüfung der Billigkeit des Ergebnisses anhand der Besonderheiten des Einzelfalls nicht entbehrlich. 6. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners 407 In welcher Höhe Unterhalt letztlich zu zahlen ist, hängt davon ab, ob und in welcher Höhe der Verpflichtete zur Leistung des ungedeckten Bedarfs überhaupt leistungsfähig ist. Verbleibt dem Verpflichteten von seinem Einkommen nach Abzug aller Verbindlichkeiten (nicht des Erwerbstätigenbonus s. Rn. 519) und des ungedeckten Bedarfs des Anspruchstellers nicht mehr der eigene angemessene Unterhalt, braucht er nur so viel Unterhalt zu zahlen, wie es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Dieser für den nachehelichen Unterhalt geltende Grundsatz des § 1581 BGB findet entsprechende Anwendung.242 Bei Gefährdung des eheangemessenen Unterhalts ist der Einstieg in eine Billigkeitsprüfung begründet.243 Das bedeutet, dass alle für die Anspruchsbegründung und Bemessung der Höhe des Bedarfs maßgeblichen Faktoren daraufhin zu überprüfen sind, ob aufgrund der Mangellage strengere Anforderungen an die Leistungsbereitschaft des Verpflichteten zu stellen sind244 mit der Folge, dass es bei dem errechneten Bedarf bleibt oder aber eine Einschränkung bzw. ein Wegfall der Unterhaltspflicht in Betracht kommt. Ist der Verpflichtete leistungsfähig, steht dem Berechtigten der errechnete ungedeckte Unterhaltsbedarf zu. Ist die Leistungsfähigkeit eingeschränkt, verringert sich der Anspruch oder entfällt ganz je nach Ergebnis der Billigkeitsprüfung.
242 BGH, FamRZ 1985, 782 ff. 243 BGH, FamRZ 1990, 260 ff. grundlegend zur Auslegung von § 1581 BGB. 244 FamGB/Griesche, § 1581 BGB Rn. 2 m.w.N.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag für die Leistungsfähigkeit Die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt, wenn dem Verpflichteten nicht der 408 ihm ebenfalls zustehende angemessene Unterhalt verbleibt (§ 1581 BGB in entsprechender Anwendung). Da das Gesetz die Höhe des eheangemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten nicht konkret beziffert, hat die Rechtsprechung Richtwerte für den angemessenen Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen (Selbstbehalt) entwickelt, die in den Leitlinien der OLG veröffentlicht sind; denn in der Praxis besteht ein starkes Bedürfnis nach klaren Vorgaben für die Unterhaltsberechnung, nicht zuletzt um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.245 Danach beträgt Selbstbehalt des Verpflichteten beim Trennungsunterhalt bundesweit im Regelfall: 1 000 Euro unabhängig davon, ob der Verpflichtete erwerbstätig ist oder nicht.246 Möglich ist aber eine angemessene Absenkung im Einzelfall (Nr. 21.5 der LL). Zur Vereinheitlichung der Werte hat das Urteil des BGH vom 15.3.2006 beigetra- 408a gen, in dem sowohl für den nachehelichen Unterhalt als auch für den Trennungsunterhalt klargestellt ist,247 dass sich regelmäßig zwar die Bedarfsermittlung nach den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen richte, es indessen aber angezeigt sei – wie beim Verwandtenunterhalt – für den Regelfall einen festen Betrag als angemessenen Eigenbedarf anzugeben, der nicht unterschritten werden sollte. Dabei bemisst der BGH den Selbstbehalt beim Ehegattenunterhalt, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zum Wesen des Anspruchs und seiner Rangfolge im Verhältnis zu anderen Unterhaltsansprüchen, mit einem Betrag, der zwischen dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) und dem angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB) liegt. Da der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern bei 900 Euro und der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern bei 1 100 Euro liegt, haben die OLG den Selbstbehalt auf 1 000 Euro festgesetzt.248 Dieses Maß gilt auch für den Selbstbehalt gegenüber Ansprüchen nach § 1615l BGB.249 Die Bemessung des angemessenen Selbstbehalts beim Trennungsunterhalt von zzt. 1 000 Euro für den Regelfall heißt jedoch nicht, dass nicht Abweichungen bis zum notwendigen Selbstbehalt ausnahmsweise möglich sind, z.B. wenn der Berechtigte ähnlich hilflos und bedürftig ist wie ein minderjähriges Kind.250 Ob eine abweichende Handhabung gerechtfertigt ist, hängt maßgeblich von den individuellen Verhältnissen im Einzelfall ab und bedarf in jedem Fall der Begründung, da die Rechtsprechung Ausnahmen sehr restriktiv handhabt und der 245 FamRZ 1990, 260, 263 ff. 246 Die Selbstbehaltssätze betrugen zum Stand 1.7.2007 in den alten Bundesländern und Berlin 1 000 Euro, in den neuen Bundesländern 915 Euro bei Erwerbstätigen, 805 Euro bei Nichterwerbstätigen. Zur Höhe der Selbstbehaltssätze vgl. jew. Nr. 21.4 der LL. 247 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. mit zustimmender Anm. von Büttner, S. 765–766; s. auch Büttner, FPR 2008, 83. In FamRZ 2009, 404, 405 hat der BGH die entsprechende Anwendung von § 1581 BGB explizit bestätigt. 248 Soyka, FamRZ 2007, 1361, 1363. 249 BGH, FamRZ 2006, 683, 684; 2005, 354, 355. 250 So Nr. 24.1 der LL der OLG Rostock, Süddeutschen Familiensenate, OLG Köln, FamRZ 2006, 1760, 1762.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
BGH sehr hohe Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Eigenbedarfs stellt.251 So hat BGH zwar mit Urteil vom 17.12.2008252 bestätigt, dass dem Verpflichteten beim Trennungsunterhalt für den Regelfall aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in entsprechender Anwendung von § 1581 BGB ein gleich hoher angemessener Eigenbedarf zuzubilligen sei wie einem geschiedenen Ehegatten, gleichwohl können sich beim Trennungsunterhalt häufiger besondere Gründe für eine Abweichung ergeben. Denn gerade in der Anfangsphase der Trennung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse meist besonders eng, weil z.B. Neuanschaffungen für einen weiteren Haushalt anfallen oder weil die Anforderungen an die Erwerbstätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten während des Trennungsjahres noch nicht so streng sind. Insbesondere wird eine Beschränkung auf den notwendigen Selbstbehalt dann geboten sein, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder nicht erwerbstätig sein kann und die Mittel besonders knapp sind.253 Bei der Prüfung, ob ausnahmsweise beim Trennungsunterhalt eine Herabsetzung des angemessenen Eigenbedarfs in Betracht kommt, ist – soweit der Mindestunterhalt von Kindern nicht in Frage steht – dem Grundsatz der ehelichen Solidarität ein besonderes Gewicht beizumessen, der auch eine stärker differenzierende Handhabung im Verhältnis zum Nacheheunterhalt nahelegt. Beispiel Das um Kindesunterhalt bereinigte Einkommen des M beträgt 1 300 Euro. F versorgt die Kinder im Alter von 1 und 3 Jahren, hat keine Fremdbetreuungsmöglichkeiten und kein eigenes Einkommen. Der Bedarf der F beträgt (bei einem Erwerbstätigenbonus des M von 1/ 10 ) 585 Euro (1 300 Euro × 9/ 10 / 2). Da M nach Abzug von 585 Euro nur 715 Euro verblieben (1 300 Euro – 585 Euro = 715 Euro), käme für F bei Anwendung des kleinen Selbstbehalts von 900 Euro ein Anspruch auf 400 Euro, bei Anwendung des großen Selbstbehalts von 1 000 Euro ein Anspruch von 300 Euro in Betracht. Hier ist F ähnlich hilfebedürftig wie ihre minderjährigen Kinder, so dass ein Anspruch von F i.H.v. 400 Euro begründet ist. Für die Prozessführung ist zu bedenken, dass ein entsprechender Sachvortrag erforderlich ist, warum F hier ähnlich hilfebedürftig ist wie ihre Kinder, wenn eine Ausnahme vom Regelfall des angemessenen Eigenbedarfs des Verpflichteten geltend gemacht werden soll.
409 Eine Unterschreitung des notwendigen Eigenbedarfs wird aber keinesfalls gerechtfertigt sein, denn schon aus verfassungsrechtlichen Gründen darf der Unterhaltspflichtige nicht wegen der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht selbst sozialhilfebedürftig werden.254In die Kontrollrechnung sind aufseiten des Verpflichteten sämtliche Einkünfte, ob prägend oder nichtprägend, auch fiktive Einkünfte und sämtliche Verbindlichkeiten, ob ehebedingt oder nicht, mit einzubeziehen. Dabei ist der Erwerbstätigenbonus nicht vom bereinigten Erwerbseinkommen abzuziehen, denn er spielt nur eine Rolle bei der Bedarfsberechnung als Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes (Rn. 337). Den Ansprüchen Unterhaltsberechtigter kommt kein allgemeiner Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten 251 BGH, FamRZ 2009, 307, 310 m. Anm. von Günther, S. 310 f.; FamRZ 2009, 404, 405. 252 BGH, FamRZ 2009, 404, 405. 253 So u.a. OLG Köln, FamRZ 2006, 1760, 1762 zu § 1361 BGB; ebenso Nr. 21.4 der LL des OLG Rostock; Büttner, FPR 2008, 83, 85; Maurer, FamRZ 2008, 1985 ff. Der BGH legt auch im Falle der Kinderbetreuung durch den Unterhaltsberechtigten einen strengen Maßstab an jede Abweichung an, vgl. BGH FamRZ 2009, 307, 310 m. Anm. von Günther, S. 310 f. 254 BGH, FamRZ 2006, 683, 684; 1990, 849, 850; 1996, 1272, 1273.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
des Unterhaltspflichtigen zu.255 Verbleibt dem Verpflichteten danach nicht sein eheangemessener Selbstbehalt, schlägt der Anspruch des Anspruchstellers in einen Billigkeitsanspruch um,256 und die zur Verfügung stehenden Mittel sind unter Berücksichtigung und Abwägung der beiderseits zu befriedigenden Bedürfnisse nach Billigkeitsgesichtspunkten zu verteilen (§ 1581 BGB in entsprechender Anwendung). Dabei können Ersparnisse, die der Verpflichtete aufgrund des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens mit einem neuen Partner hat,257 z.B. durch Kürzung des Eigenbedarfs berücksichtigt werden. Bewegt sich der ermittelte Anspruch im Bereich des Bagatellunterhalts, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien abzuwägen, ob noch eine Ausgleichspflicht besteht (zur Höhe der Grenze vgl. Rn. 375a). Verfügt der Verpflichtete über Vermögen, sind nur die Erträge daraus einzusetzen, den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1581 Satz 2 BGB). Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie für den Unterhaltsberechtigten (§ 1577 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung Rn. 399). Für Schulden aus der Zeit nach der Trennung, die nicht schon beim bedarfs- 410 bestimmenden Einkommen berücksichtigt wurden (s. Rn. 358 f., 383), gelten für die Billigkeitsabwägung folgende Grundsätze: Dienen die nach der Trennung dem Verpflichteten entstandenen Schulden einer eher luxuriösen Lebensführung, bleiben sie gegenüber den wichtigeren Bedürfnissen des Berechtigten unberücksichtigt. Anzuerkennen sind i.d.R. die Verbindlichkeiten, die für die Finanzierung einer getrennten Lebensführung unbedingt erforderlich werden. Schulden, die wegen der Möblierung einer neuen Wohnung entstanden sind, sind dann nicht anzuerkennen, wenn der Bedarf aus dem vorhandenen Hausrat gedeckt werden kann (§ 1361a BGB). Leichtfertige, trotz Kenntnis der Unterhaltsschuld aufgenommene Kredite muss der Berechtigte nicht hinnehmen. Letztlich hat dieser Prüfungsschritt im Rahmen der Leistungsfähigkeit seine Bedeutung dadurch verloren, dass nach der geänderten Rechtsprechung des BGH auch schon auf der Bedarfsebene während der Trennung entstandene Schulden einkommensmindernd berücksichtigt werden, soweit sie nicht leichtfertig eingegangen wurden (Rn. 358). Prozesskosten, die den ehelichen Lebensbedarf nicht geprägt haben, sind aber 411 i.d.R. bei der Leistungsfähigkeit abzugsfähig.258 Für Verfahrenskosten in Familienverfahren ergibt sich dies für den Verpflichteten auch unter dem Gesichtspunkt, dass er – anders als der Berechtigte – gegen den unterhaltsbedürftigen Ehegatten keinen Anspruch gemäß § 1360a Abs. 4 BGB auf Verfahrenskostenvorschuss hat.259 Auch Verfahrenskostenhilferaten sind anzuerkennen. Sind die Verfahrenskosten aufgrund mutwilligen oder leichtfertigen Prozessierens entstanden, kann sich der Verpflichtete nach Treu und Glauben nicht auf eine Minderung seiner Leistungsfähigkeit berufen. Bei Verfahrenskostenhilferaten spricht
255 BGH, FamRZ 1984, 657, 658. 256 BGH, FamRZ 1990, 260 ff. 257 S. Rn. 374; BGH, FamRZ 2008, 594 ff. zu den Synergieeffekten im Rahmen des Leistungsfähigkeit beim Minderjährigenunterhalt. 258 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 1060; BGH, FamRZ 1990, 280, 282; 1985, 902. 259 OLG München, FamRZ 1994, 898.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gegen die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO).260 411a Ob die teilweise oder völlige Leistungsunfähigkeit des Verpflichteten verschuldet ist, findet ebenfalls im Rahmen der Billigkeitsabwägung Berücksichtigung. Beispiel F hat nach den eheprägenden Lebensverhältnissen einen Anspruch gegen M i.H.v. 410 Euro. Die auf der Bedarfsebene beim Einkommen des M nicht berücksichtigte mtl. Rate von 75 Euro für eine nach der Trennung gekaufte Stereoanlage schmälert auch nicht seine Leistungsfähigkeit. Denn hier ergibt die Billigkeitsprüfung, dass eine Herabsetzung des an F zu zahlenden Unterhalts nicht gerechtfertigt wäre, da M seine Unterhaltspflicht kannte, als er die Anlage kaufte. Er muss den errechneten Unterhalt zahlen und kann sich nicht auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit berufen.
7. Die Mangelfallberechnung bei gleichrangigen konkurrierenden Unterhaltsansprüchen 412 Reichen die für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel des Unterhaltsverpflichteten nicht aus, um mehrere Unterhaltsberechtigte gleichmäßig zu befriedigen, ist zunächst die gesetzliche Rangfolge zu klären. Danach werden vorrangige Ansprüche vorab befriedigt, bei gleichrangigen Ansprüchen muss das über dem Selbstbehalt liegende Geld des Verpflichteten anteilig auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten verteilt werden (sog. Mangelfall). Die Voraussetzungen für die Mangelfallberechnung haben sich seit der Unterhaltsrechtsreform mit Wirkung ab 1.1.2008 wesentlich aufgrund der seitdem geltenden neuen Rangfolgenregelung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche in § 1609 BGB geändert. a) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 413 Ist Ehegattenunterhalt für Zeiträume bis zum 31.12.2007 zu berechnen, sind i.d.R. die vorhandenen Mittel gleichmäßig zwischen minderjährigen Kindern, ihnen gleichgestellten volljährigen Schülern und Ehegatten zu verteilen, denn ihre Ansprüche waren bis zu diesem Zeitpunkt gleichrangig (§ 1609 BGB a.F., s. Rn. 422). Wie die Ansprüche im Mangelfall berechnet werden, wenn dem Verpflichteten gegenüber Kindern und Ehegatten ein unterschiedlich hoher Selbstbehalt, und zwar gegenüber den Kindern der notwendige Selbstbehalt, gegenüber den Ehegatten der angemessene Selbstbehalt zusteht, ist anhand einer zweistufigen Mangelfallberechnung im Berechnungsbeispiel unter Rn. 148 erklärt. b) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit ab 1.1.2008 414 Ist Ehegattenunterhalt für die Zeit nach dem 1.1.2008 zu berechnen und ist der Unterhaltspflichtige unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Selbstbehalts außer Stande, allen Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren, so gilt für die Befriedigung der Ansprüche seit 1.1.2008 die Rangfolge des § 1609 BGB (n.F.). Danach stehen die Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern und privile260 OLG München, FamRZ 1994, 898; BGH, FamRZ 1985, 168, 160; Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Rn. 1020, wollen Kosten für den Unterhaltsprozess nicht anerkennen, da anderenfalls der Bedürftige über den Unterhalt den gegen ihn gerichteten Prozess mitfinanzieren müsste.
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III. Die Berechnung des Unterhalts
gierten volljährigen Kindern im 1. Rang, so dass sie immer zuerst zu befriedigen sind. Von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist deshalb zunächst immer der Kindesunterhalt in Höhe des tatsächlichen Zahlbetrags abzuziehen, d.h. der Tabellenunterhalt abzüglich das (anteilige) Kindergeld.261 Für die Bemessung der Höhe des Kindesunterhalts ist bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Verpflichteten für den Unterhalt sämtlicher (auch nachrangiger) Berechtigter der Kindesunterhalt nur in Höhe des Existenzminimums, d.h. in Höhe des Bedarfs nach der 1. Einkommensgruppe der DT einzustellen, denn bei der Bedarfsbestimmung sind auch die weiteren Unterhaltspflichten – unabhängig von ihrem Rang – zu berücksichtigen, so dass i.d.R. im Mangelfall der angemessene Bedarf nach § 1610 BGB der Mindestunterhalt sein wird.262 Verbleibt nach Abzug des Kindesunterhalts noch Verteilungsmasse für den Bedarf der weiteren Berechtigten und reicht diese nicht zur Befriedigung des gesamten Bedarfs, ist zunächst zu klären, ob der Trennungsunterhaltsanspruch gleichrangig mit weiteren Ansprüchen konkurriert oder ihm andere im Rang vorgehen. Denn eine Mangelfallberechnung kommt nur in Betracht bei gleichrangigen Unterhaltsansprüchen (absoluter oder echter Mangelfall), vorrangige Ansprüche hingegen sind immer vorab zu befriedigen, der im Rang nachfolgende Ehegatte hat sich mit dem verbleibenden Rest zu begnügen (einfacher Mangelfall). Da der Trennungsunterhalt sowohl mit nachehelichen Unterhaltsansprüchen als auch mit Ansprüchen wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes im 2. als auch im 3. Rang konkurrieren kann, je nachdem, worauf er beruht, ist deshalb zunächst – bevor eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden kann – sein Rangverhältnis zu den weiteren Unterhaltsansprüchen zu klären. Die Rangfolgenregelung in § 1609 Nr. 2 und 3 BGB sieht wie folgt aus: Im 2. Rang stehen folgende Ansprüche: Der Anspruch auf Trennungsunterhalt, der auf Kindesbetreuung oder dauerhafter (auch teilweiser) Haushaltsführung bei langer Ehedauer beruht, Ansprüche wegen Kindesbetreuung nach § 1615l BGB und § 1570 BGB oder Ansprüche nach §§ 1571 ff. BGB bei Ehen von langer Dauer. Bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile i.S.v. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigen (§ 1609 Nr. 2 BGB). Im 3. Rang sind folgende Ansprüche gleichrangig zu berücksichtigen: Der Anspruch auf Trennungsunterhalt und alle nachehelichen Unterhaltsansprüche, die nicht unter § 1609 Nr. 2 BGB fallen (§ 1609 Nr. 3 BGB). Ergibt die Prüfung eine Vorrangigkeit des Anspruchs des getrenntlebenden oder 415 des geschiedenen Ehegatten, ist immer zunächst der vorrangig Berechtigte in voller Höhe seines Bedarfs zu befriedigen, der nachrangig Berechtigte ist aus dem verbleibenden Überschuss zu befriedigen (einfacher Mangelfall). Ist z.B. eine getrenntlebende, wegen Krankheit bedürftige Ehefrau dem Rang 3 zuzuordnen und die geschiedene Ehefrau ihres Mannes wegen Betreuung eines Kindes nach 261 BGH, FamRZ 2009, 1300; 1304 f.; 2009, 1477 ff.; vgl. Nr. 23.1 der LL, ebenso u.a. Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2027; Borth, FamRZ 2006, 813, 820; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1292 f.; Ehinger, FamRB 2006, 338, 342 f. Seit 1.1.2008 gilt das Kindergeld nach § 1612b BGB als bedarfsdeckende Leistung für das Kind, vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 30; Rn. 103, 109a. Zum Abzug von Kindesunterhalt nach Abzug des Kindergeldes bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens vgl. Rn. 387. 262 BGH, FamRZ 2008, 2189; Tz. 17 ff., 22; mit zust. Anm. Graba, S. 2192.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Rang 2 berechtigt, muss sich der getrenntlebende Ehegatte mit dem gekürzten Unterhalt begnügen. Beispiel: bereinigtes Einkommen M nach Abzug des Kindesunterhalts Selbstbehalt Unterhaltsanspruch des vorrangigen geschiedenen Ehegatten F1 (2 400 E/3 = 800 E) Unterhaltsanspruch des nachrangigen getrenntlebenden Ehegatten F2 (2 400 E – 800 E – 1 000 E = 600 E)
2 400 Euro 1 000 Euro 800 Euro 600 Euro
Umgekehrt müsste eine wegen Krankheit unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau eine Kürzung ihres Unterhaltsanspruchs hinnehmen, wenn ihre Ehe nicht von langer Dauer war, das heißt weniger als 15 Jahre gedauert hat (Rang 3), und die getrenntlebende Ehefrau ein Kind betreut und deshalb Unterhalt wegen Kindesbetreuung beanspruchen kann (Rang 2). aa) Berechnungsmodelle für den absoluten oder echten Mangelfall 416 Wie das nach Abzug des Kindesunterhalts verbleibende Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter den gleichrangig Berechtigten im zweiten Rang aufzuteilen ist, ist bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt. Dabei unterscheiden sich die von der Rechtsprechung praktizierten und in den Leitlinien vorgeschlagenen Berechnungsmodelle maßgeblich darin, dass zwar der Bedarf individuell durch Gleichteilung (im Beispiel Dreiteilung) errechnet wird, die anteilige Kürzung bei der Mangelfallberechnung jedoch entweder bezogen auf die individuell errechneten Bedarfsbeträge (so OLG Hamm, OLG Jena, OLG Oldenburg, Schleswig, Koblenz, jew. zu Nr. 23.2)263 oder auf pauschale Einsatzbeträge erfolgt. So ist in den Leitlinien der Süddeutschen OLG, des OLG Braunschweig ein Einsatzbetrag von je 1 000 Euro für den geschiedenen/getrenntlebenden Ehegatten vorgesehen, das OLG Köln rechnet mit 990 Euro bei dem erwerbstätigen und mit 770 Euro bei dem nicht erwerbstätigen Berechtigten (jew. Nr. 23.2 der LL). Für den im nachfolgenden Beispiel vorgestellten Fall werden die 2 praktizierten Berechnungsvarianten vorgestellt: Zunächst wird der individuelle Bedarf durch Dreiteilung des Gesamteinkommens errechnet (s. Rn. 416a), der dann in der Variante 1 auch als Einsatzbetrag für die Berechnung der anteiligen Kürzung verwendet wird (Rn. 417). In der Variante 2 werden anstelle der individuellen Bedarfsbeträge für die Berechnung der Kürzung als Einsatzbeträge pauschale Bedarfsbeträge – entsprechend der Empfehlung der Süddeutschen LL – in Höhe von je 1 000 Euro verwendet. (Rn. 418). Beispiel M hat ein um berufsbedingte Aufwendungen, Kindesunterhalt und Erwerbstätigenbonus bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 2 000 Euro, seine geschiedene Ehefrau F1 erzielt aus Teilzeitarbeit bereinigt 400 Euro und betreut das gemeinsame 9-jährige Kind K1; seine von ihm getrennt lebende Ehefrau F2 hat keine Einkünfte und betreut das gemeinsame 2-jährige Kind K2. Sie ist aus aufgrund des Alters des Kindes auch nicht zur Erwerbstätigkeit verpflichtet. Der Kindesunterhalt kann für die Bedarfsberechnung nach der geänderten Rechtsprechung des BGH im Verhältnis zu beiden Frauen bei M einkommensmindernd abgezogen werden (Rn. 387), überdies sind die Kinder vorrangig berechtigt 263 S. dazu die Übersicht bei Riegner, FPR 2010, 129 ff.; 2009, 76, 80.
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III. Die Berechnung des Unterhalts (§ 1609 Nr. 1 BGB).264 F1 und F2 sind wegen der Kindesbetreuung (§ 1609 Nr. 2 BGB) gleichrangig zu befriedigen. Es ergeben sich für F1 und F2 folgende Bedarfsbeträge:
416a
Bedarf der Ehefrauen: Einkommen M F1 hat eigenes Einkommen i.H.v. 400 Euro F2 hat kein Einkommen bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen Bedarf bei Dreiteilung individueller Bedarf F1 abzügl. eigenes Einkommen von 400 Euro individueller Bedarf F2 Summe des Bedarfs von F1 und F2 Für M verbleiben nach Abzug des Bedarfs von F1 und F2 2 000 – 1 200 Da M als angemessener Eigenbedarf 1 000 Euro zustehen, beträgt die für den Unterhalt von F1 und F2 zur Verfügung stehende Verteilungsmasse
2 000 400 0 2 400 800 400 800 1 200 = 800
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
1 000 Euro
Variante 1: Die Einsatzbeträge entsprechen den errechneten individuellen Bedarfsbeträgen, die anteilig entsprechend dem Verhältnis der Verteilungssumme zum Gesamtbedarf gekürzt werden nach der Formel:
417
Individueller Bedarf × Verteilungsmasse/Summe des Gesamtbedarfs F1 400 × 1 000 / 1 200 = F2 800 × 1 000 / 1 200 = Summe
333 Euro 667 Euro 1 000 Euro
Variante 2: Zur Klärung der anteiligen Kürzung werden in der nachfolgenden Berechnung pauschale Bedarfsbeträge für F1 und F2 in Höhe von je 1 000 Euro eingesetzt.265 Da F1 über Erwerbseinkommen verfügt, ist dieses bereinigt und abzüglich eines Erwerbstätigenbonus von dem pauschalen Bedarf abzuziehen. Die anteilige Kürzung erfolgt dann nach der Formel: Einsatzbetrag × Verteilungsmasse / Summe der Einsatzbeträge F1 1 000 – 400 = F2 1 000 Summe der Einsatzbeträge
600 Euro 1 000 Euro 1 600 Euro
Anteilige Kürzung: F1 600 × 1 000 / 1 600 = F2 1 000 × 1 000 / 1 600 = Summe
375 Euro 625 Euro 1 000 Euro
Vergleich der Ergebnisse: Anspruch F1 Anspruch F2
Variante 1 333 Euro 667 Euro 1 000 Euro
Variante 2 375 Euro 625 Euro 1 000 Euro
264 Nach der neueren Rechtsprechung des BGH sind Unterhaltspflichten für nachehelich geborene Kinder vom bedarfsprägenden Einkommen des Verpflichteten abzugsfähig, BGH, FamRZ 2006, 683 ff. Dies ist in der Rechtsprechung auf Kritik gestoßen, vgl. Rn. 502. 265 S. Nr. 23.2 der Süddeutschen LL. Von anderen OLG werden abweichende Einsatzbeträge vorgeschlagen, bei denen stärker differenziert wird zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Ehegatten, so z.B. OLG Köln.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
419 Vergleicht man die Ergebnisse miteinander, so sind die Unterschiede eher marginal. Es lässt sich aber feststellen, dass sich die Berechnung mit den pauschalen Einsatzbeträgen für den Unterhaltsberechtigten dann als günstiger erweist, wenn er über eigenes Einkommen verfügt und der andere nicht, oder wenn er mehr verdient als der andere Unterhaltsberechtigte.
IV. Ausschluss, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB 420 Der Trennungsunterhalt kann in Ausnahmefällen unter Wahrung der Belange gemeinsamer Kinder versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wenn die Unterhaltsbelastung insbesondere wegen eines Fehlverhaltens des Berechtigten grob unbillig wäre. Die sog. Härteklausel (§ 1579 Nr. 2–8 BGB) findet auch auf den Trennungsunterhalt entsprechende Anwendung (§ 1361 Abs. 3 BGB). Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen unter Rn. 536 ff. verwiesen. Keine Anwendung auf den Trennungsunterhalt findet der Härtegrund Nr. 1 der Klausel, wonach der Ausschluss wegen der kurzen Dauer der Ehe erfolgen kann. Ebenfalls keine Anwendung findet § 1578b BGB, der die Herabsetzung und Befristung nur beim Nacheheunterhalt aus Billigkeitsgründen regelt.266
V. Kranken- und Vorsorgeunterhalt 421 Kosten für die Kranken- und Altersversicherung gehören mit zum Unterhaltsanspruch, müssen als Bedarf aber immer ausdrücklich geltend gemacht werden. In der Praxis spielt der Krankenvorsorgeunterhalt praktisch keine Rolle, weil der nicht erwerbstätige Ehegatte i.d.R. bis zur Scheidung bei dem anderen mitversichert oder im Falle der Erwerbstätigkeit üblicherweise selbst pflichtversichert ist. Beim Altersvorsorgeunterhalt ist zu beachten, dass ein Anspruch erst entstehen kann, wenn der Scheidungsantrag zugestellt worden ist (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn im Fall der Scheidung der Ehe werden nur die bis zum Ende des der Zustellung des Scheidungsantrags vorangehenden Monats erworbenen Rentenanwartschaften der Ehegatten aufgeteilt (Versorgungsausgleich). Ein Ausgleich danach erworbener Rentenanwartschaften findet nicht mehr statt. Deshalb gehören auch die Vorsorgeaufwendungen für das Alter sowie die Berufsund Erwerbsunfähigkeit erst ab Zustellung des Scheidungsantrags zum Unterhaltsbedarf des anspruchsstellenden Ehegatten. Wie der Vorsorgeunterhalt berechnet wird, ist unter Rn. 521 ff. erläutert. Soweit Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags geltend gemacht werden soll, ist dies möglich von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei bedarf es keines gesonderten Hinweises in dem Auskunftsverlangen, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, denn der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs (§ 1578 Abs. 3 BGB).267 Ist die Aus266 OLG Bremen, FamRZ 2009, 1415; OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2009, 417; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1539. 267 BGH, FamRZ 2007, 193,196 mit Anm. vom Borth, S. 196–197, zur Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts.
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VI. Rangverhältnisse
kunft erteilt, muss der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt gesondert beziffern und, soweit die prozessuale Durchsetzung erforderlich ist, auch im Unterhaltsstreitverfahren einen bezifferten Antrag zum Vorsorgeunterhalt stellen.268
VI. Rangverhältnisse Für alle ab 1.1.2008 fälligen Ansprüche gilt in Mangelfällen, wenn das Einkom- 422 men des barunterhaltspflichtigen Ehegatten nicht zur Befriedigung der Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten reicht, die mit dem UÄndG eingeführte in § 1609 BGB geregelte neue Rangfolge: Danach sind minderjährige unverheiratete Kinder und ihnen gleichgestellte unverheiratete volljährige Schüler bis zum 21. Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB), allen anderen Berechtigten gegenüber vorrangig unterhaltsberechtigt und aus den vorhandenen Mitteln zuerst zu befriedigen (§ 1609 Nr. 1 BGB). Bleibt noch Geld übrig, folgen im zweiten Rang Elternteile, die wegen Kinderbetreuung unterhaltsberechtigt sind, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Für die Klärung, ob eine Ehe von langer Dauer ist oder war, ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur auf die Anzahl der Ehejahre abzustellen, vielmehr soll bei der Bewertung mitberücksichtigt werden, ob die Unterhaltsbedürftigkeit auf ehebedingten Nachteilen beruht. Denn ein besonderer Vertrauensschutz soll nach neuem Recht dem Ehegatten zukommen, der sich unter Verzicht auf die eigene berufliche Entwicklung in der Ehe überwiegend der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Führung des Haushalts dauerhaft gewidmet hat und deshalb nicht oder nur eingeschränkt selbst für seine Unterhalt sorgen kann.269 Beispiele – M war mit F1 12 Jahre verheiratet und hat aus dieser Ehe 2 Kinder im Alter von 12 und 17 Jahren, die von F1 betreut werden. F1 ist teilzeitbeschäftigt und unterhaltsbedürftig. M ist in zweiter Ehe mit F2 verheiratet, die das zweijährige Kind betreut, nicht erwerbstätig ist und von M getrennt lebt. Zunächst ist vom Einkommen des M der Unterhalt für die drei Kinder abzuziehen. Der verbleibende Betrag, von dem noch der M zustehende Selbstbehalt abzuziehen ist, steht F1 und F2 anteilig zu, denn beide sind wegen der Kindesbetreuung im 2. Rang. – M ist mit F1 seit 20 Jahren verheiratet und lebt von ihr getrennt. Die Ehe ist kinderlos geblieben. F1, die den Haushalt versorgt und immer nur eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hat, findet keine Vollzeitstelle und verlangt Trennungsunterhalt. F2, die Freundin von M, betreut ein gemeinsames Kind und macht Kindes- und Betreuungsunterhalt geltend. Das nach Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts verbleibende Geld ist nach Abzug des M zustehenden Eigenbedarfs zwischen F1 und F2 aufzuteilen, da sie beide im zweiten Rang unterhaltsberechtigt sind: F1, weil ihre Ehe von langer Dauer ist und F2, weil sie ein gemeinsames minderjähriges Kind betreut (s. Rn. 397 zur Bedarfsberechnung bei mehreren gleichrangig Berechtigten).
Erfüllt ein getrennt lebender Ehegatte nicht die in § 1609 Nr. 2 genannten Voraussetzungen, stehen seine Ansprüche mit denen geschiedener Ehegatten, die ebenfalls nicht unter Nr. 2 fallen, im dritten Rang der Ansprüche (§ 1609 Nr. 3 268 Borth, FamRZ 2007, 196, 197. 269 BT-Drucks. 16/6980, S. 21. Zur Diskussion im Gesetzgebungsverfahren und mit Beispielen zur „Ehe von langer Dauer“ s. Menne/Grundmann, S. 82 ff.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
BGB). Volljährige Kinder, Enkel, Eltern und weitere Verwandte gehen den Ehegatten immer im Rang nach (§ 1609 Nr. 4 bis 7 BGB). Nach der neuen Rangfolge geht der wegen Krankheit unterhaltsberechtigte Ehegatte, dessen Ehe nicht von langer Dauer ist, aber noch besteht, im Mangelfall leer aus, wenn der Unterhaltspflichtige Kind und neue Lebenspartnerin vorrangig zu unterhalten hat. Für bis zum 31.12.2007 fälligen Ansprüche gilt die in § 1609 BGB a.F. geregelte Rangfolge: Danach sind Ehegatten – gleichgültig, ob die Ehe noch besteht oder nicht – gleichrangig neben den minderjährigen unverheirateten Kindern und ihnen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) unterhaltsberechtigt. Ihre Ansprüche sind neben denen der vorgenannten Kinder vor den Ansprüchen aller anderen Unterhaltsgläubiger zu berücksichtigen (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.). Die Gleichrangigkeit zwischen verheiratetem und geschiedenem Ehegatten im Verhältnis zu den minderjährigen Kindern sowie privilegierten volljährigen Kindern gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So geht der geschiedene Ehegatte dem neuen Ehegatten im Mangelfall gem. § 1582 BGB a.F. vor, es sei denn, der neue Ehegatte wäre bei entsprechender Anwendung der §§ 1569–1574, § 1576 und § 1577 Abs. 1 BGB unterhaltsberechtigt. Aber selbst wenn der neue Ehegatte einen solchen Anspruch hätte, ist der geschiedene Ehegatte gleichwohl vorrangig berechtigt, wenn er selbst nach § 1570 BGB oder § 1576 BGB unterhaltsberechtigt ist oder seine Ehe mit dem geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war. Der langen Ehedauer steht die Zeit gleich, in der ein Ehegatte wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unterhaltsberechtigt war. Dabei muss der Anspruch bestehen. Nicht erforderlich ist, dass er von dem geschiedenen Ehegatten auch geltend gemacht wird (s. auch Rn. 552a).270
VII. Unterhaltsverträge 422a Die Ehegatten können sich über die Zahlung von Trennungsunterhalt außergerichtlich oder auch im Unterhaltsprozess einigen, dies mit vollstreckungsfähigem Inhalt oder auch nicht – je nach Interessenlage (vgl. dazu Rn. 603 ff., 611). Dies gilt sowohl für den rückständigen als auch laufenden Unterhalt. Unterhaltsvereinbarungen bieten den Vorteil, dass den individuellen Bedürfnissen differenzierter und umfassender Rechnung getragen werden kann, denn in die Vereinbarungen können z.B. Regelungen über zukünftige Verpflichtungen betreffend den Krankenversicherungsschutz, zur ergänzenden Altersvorsorge und zu steuerrechtlichen Folgen wie das begrenzte Realsplitting und den Nachteilsausgleich miteinbezogen werden.271 Anders als beim nachehelichen Unterhalt ist ein Unterhaltsverzicht – auch ein teilweiser – für die Zukunft beim Trennungsunterhalt nicht möglich (§ 1361 Abs. 4 i.V.m. § 1360a Abs. 3, § 1614 BGB). Einigen sich die Parteien auf einen geringeren Unterhalt als geschuldet, ist die Vereinbarung noch wirksam, wenn der vereinbarte Unterhalt sich im Rahmen des angemessenen Unterhalts bewegt (§ 1361 Abs. 1 BGB). Eine Unterschreitung um ein Drittel dürfte i.d.R. nicht mehr mit § 1614 Abs. 1 BGB vereinbar sein. Maßgeblich für die Beurteilung sind jedoch letztlich die individuellen Verhältnisse.272 Eine Vereinbarung mit einer zeitlichen Begrenzung des Anspruchs und Verzicht für die 270 BGH, NJW 2005, 21455 ff. 271 Vgl. dazu ausführlich Schwackenberg, FPR 2001, 107 ff. 272 BGH, FamRZ 1984, 999 (bezogen auf Kindesunterhalt); Schwackenberg, FPR 2001, 107; Wendl/Pauling, § 6 Rn. 604 für eine Begrenzung auf 20 %.
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VIII. Unterhalt für die Vergangenheit
nachfolgende Zeit ist unwirksam. Wird der Unterhalt während der Trennungszeit zunächst nicht geltend gemacht, beinhaltet dies keinen Verzicht.273
VIII. Unterhalt für die Vergangenheit Für die Vergangenheit kann Unterhalt nur ab Inverzugsetzung, ab Eintritt der 423 Rechtshängigkeit und ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§ 1613 Abs. 1 i.V.m. § 1361 Abs. 4 und § 1360a Abs. 3 BGB), verlangt werden. Der gemäß § 1613 Abs. 1 BGB geltend gemachte Unterhalt für die Vergangenheit wird geschuldet ab dem Ersten des Monats (Fälligkeit), in den eines der drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB).
" Praxishinweis: Der bedürftige Ehegatte sollte – sofern ihm das Einkommen
des Verpflichteten bekannt ist – unverzüglich den anderen schriftlich zur Zahlung des konkret bezifferten mtl. Unterhaltsbetrags auffordern; denn Unterhalt dient immer nur der Befriedigung des laufenden Unterhaltsbedarfs und kann für die Vergangenheit nur ab Zugang der Mahnung oder ab Eintritt der Rechtshängigkeit der Unterhaltsklage verlangt werden (vgl. die Ausführungen und das Musterschreiben unter Rn. 590). Ist das Einkommen des Verpflichteten nicht bekannt und liegen keine Belege vor, sollte von dem anderen Auskunft über seine Einkünfte zum Zwecke der Unterhaltsberechnung verlangt werden. Denn muss der Unterhalt eingeklagt werden, weil der andere nicht zahlt, ist der klagende Ehegatte darlegungs- und beweispflichtig für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also sowohl für die eigene Bedürftigkeit als auch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, die den Bedarf mitbestimmen. Eine vorläufige Bezifferung zur Sicherung der Ansprüche ist gemäß § 1613 Abs. 1 BGB entbehrlich; denn Unterhalt kann ab dem 1. des Monats verlangt werden, in dem das Auskunftsverlangen zugegangen ist. Dies gilt jetzt neuerdings auch beim Nacheheunterhalt, vgl. Rn. 550. Zur prozessualen Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs vgl. Rn. 613 ff. Wichtig ist, nach Mahnung oder Auskunftsersuchen den Anspruch alsbald durchzusetzen, anderenfalls droht dessen Verwirkung, vgl. dazu Rn. 425a.
Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuld- 424 ner mit der Zahlung in Verzug befindet. Gemäß § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet, durch die Mahnung ab Zugang in Verzug. Die Zahlungsaufforderung entspricht der Mahnung.274 Klageerhebung und Zustellung des Mahnbescheids stehen der Mahnung gleich (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Auskunftsverlangen ist ebenfalls einer Mahnung gleichzustellen, wenn es mit einer unbezifferten Zahlungsaufforderung (zur Stufenmahnung vgl. Rn. 597) verbunden wird.275 Steht die Leistungszeit z.B. aufgrund eines Vertrags fest, ist eine Mahnung entbehrlich. Der in § 286 Abs. 3 BGB geregelte automatische Verzugseintritt – 30-Tage-Regel – bezieht sich nur auf Entgeltforderungen, nicht auf Unterhaltsforderungen. 273 BGH, FamRZ 1986, 244, 246; vgl. auch Rn. 343. 274 Palandt/Grüneberg, § 286 BGB Rn. 17. 275 BGH, FamRZ 1990, 283, 285.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
Ab Verzugseintritt können Verzugszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank verlangt werden (§ 288 Abs. 1 i.V.m. § 247 BGB); zur Zinshöhe vgl. Rn. 160. Bleibt der Ehegatte, nachdem er den anderen zur Zahlung von Unterhalt oder zur Auskunftserteilung zum Zweck der Berechnung des Unterhalts aufgefordert hat, hinsichtlich der Durchsetzung seiner Ansprüche längere Zeit untätig, kann die rückwirkende Geltendmachung von Unterhalt verwirkt sein (vgl. Rn. 241).
IX. Verjährung 425 Die Verjährungsfrist für Trennungsunterhaltsansprüche beträgt 3 Jahre (§ 197 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt grundsätzlich bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) Zur Verjährungsfrist titulierten Unterhalts s. Rn. 551. Für Trennungsunterhaltsansprüche gilt die Besonderheit, dass die Verjährung gehemmt ist, solange die Ehe besteht (§ 207 BGB). Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Verjährung wird ebenfalls gehemmt z.B. während – schwebender Verhandlungen über den Anspruch (§ 203 BGB), – des Unterhaltsverfahrens (auch bei Stufenanträgen), – des Verfahrenskostenhilfeverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 und 14 BGB), – und der Zustellung eines Antrags auf einstweilige Anordnung (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Die Hemmung gilt nicht im Falle der Abtretung des Anspruchs auf einen Dritten oder bei gesetzlichem Forderungsübergang.276
X. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB 425a Eine Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment).277 Zeit- und Umstandsmoment können bereits erfüllt sein, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr nicht die Durchsetzung seiner Ansprüche in Angriff nimmt. Vgl. zu weiteren Einzelheiten Rn. 241 ff. Ebenso kann titulierter Unterhalt schon vor Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 197 Abs. 2, § 201 BGB) verwirkt sein, wenn Zeit- und Umstandsmoment erfüllt sind. Auch hier kommt nach der Rechtsprechung des BGH schon eine Verwirkung der Forderungen in Betracht, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr keine Anstalten gemacht hat von seinem Recht auf Vollstreckung Gebrauch zu machen. Denn die zeitnahe Verwirklichung der Ansprüche dient dem
276 Palandt/Ellbenberger, § 207 BGB Rn. 1; BGH, NJW 2006, 3561, Tz. 14. 277 BGH, FamRZ 2002, 1698 f.
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XI. Verfahrenskostenvorschuss
Schuldnerschutz, um ein Anwachsen der Schulden zu vermeiden, so dass es egal ist, ob die Ansprüche tituliert sind oder nicht.278
XI. Verfahrenskostenvorschuss Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der 426 eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1361 Abs. 4, § 1360a Abs. 4 BGB). Verlangt werden kann i.d.R. für den beauftragten Anwalt der anwaltliche Gebührenvorschuss (§ 9 RVG) einschließlich Nebenkosten (2,5-Anwaltsgebühren gemäß Vergütungsverzeichnis VV 3100, 3104 zzgl. Auslagenpauschale von 20 % der Gebühren und Umsatzsteuer).279 Solange die Ehe noch besteht, hat der wirtschaftlich schwächere Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses für Rechtsstreitigkeiten, die eine persönliche Angelegenheit betreffen. Darunter fallen z.B. die Verfahrenskosten für das Scheidungsverfahren, Sorgerechtsverfahren und die Unterhaltsstreitigkeiten. Der Anspruch besteht allerdings nur, wenn die Einkommensverhältnisse so stark differieren, dass von dem anderen die Vorschusszahlung billigerweise auch erwartet werden kann. Beispiel F verdient mtl. 1 000 Euro und hat ca. 2 500 Euro gespart. M verdient mtl. 2 500 Euro und hat Ersparnisse i.H.v. 10 000 Euro. F hat einen Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses.
Hat der Verpflichtete selbst Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung nach § 114 ff. ZPO, entfällt ein Anspruch.280 Er kann jedoch zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses verpflichtet sein, wenn er Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung hätte und er den Verfahrenskostenvorschuss in Raten zahlen könnte. Der BGH hat entschieden, dass auch der Unterhaltspflichtige zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses leistungsfähig ist, der selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung hätte, sofern ihm mindestens der nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zustehende angemessene Selbstbehalt verbleibt.281 Im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen getrennt lebenden Ehegatten beträgt der angemessene Eigenbedarf zzt. i.d.R. 1 000 Euro.282 Da es sich bei dem Anspruch auf Vorschusszahlung um einen vermögenswerten Anspruch handelt,283 muss der Ehegatte, dessen Mittel nicht ausreichen, um den Gerichtskosten- und Anwaltskostenvorschuss selbst zu zahlen, immer zunächst prüfen, ob er einen Anspruch auf Vorschusszahlung gegen seinen Ehegatten hat,
278 BGH, Urt. v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, FamRZ 2004, 531, 532; OLG München, OLGR München 2002, 68. 279 S. zu den entstehende Kosten im Unterhaltsstreitverfahren Rn. 662 ff. 280 BGH, FamRZ 2004, 1633, 1634 f. 281 BGH, FamRZ 2004, 1633, 1634 f. zum Kostenvorschussanspruch des volljährigen Kindes gegenüber den Eltern. 282 DT, Anm. B IV. 283 BGH, FamRZ 2004, 1633, 1635.
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F. Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten
bevor er Verfahrenskostenhilfe bei Gericht beantragt.284 Denn das Familiengericht wird Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit versagen, wenn der Ehegatte von seinem leistungsfähigen Ehepartner einen Kostenvorschuss beanspruchen kann. Ist der Verpflichtete nur zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in Raten leistungsfähig, kann allerdings die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung in Höhe der Verfahrenskostenvorschussraten für das Hauptverfahren zugunsten des bedürftigen Ehegatten in Betracht kommen. Im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens sollten deshalb grundsätzlich Angaben dazu gemacht werden, ob und ggf. in welchem Umfang der unterhaltspflichtige Ehegatte zur Zahlung eines Kostenvorschusses in der Lage ist.
" Praxishinweis: Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann den Anspruch auf
Verfahrenskostenvorschuss, wenn der Verpflichtete nicht freiwillig zahlt, im Wege der einstweiligen Anordnung in einem selbständigen Verfahren geltend machen (§ 246 Abs. 1 FamFG, s. Rn. 886 ff.) und für dieses einstweilige Anordnungsverfahren auch Verfahrenskostenhilfe beantragen. Die Entscheidung des Familiengerichts über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses ist unanfechtbar (§ 57 Abs. 1 FamFG). Befindet sich das Unterhaltsstreitverfahren in der Rechtsmittelinstanz, ist das OLG für die Entscheidung über den Antrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses zuständig (§ 50 Abs. 1 FamFG. Vgl. zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten der Geltendmachung eines Verfahrenskostenvorschusses Rn. 886 ff.
Hat der Verpflichtete den Vorschuss zu zahlen, kann er ihn bei der Berechnung des Unterhalts als einkommensmindernde Belastung geltend machen. Auch kann er den Vorschuss später zurückverlangen, wenn sich die finanziellen Verhältnisse des Anspruchstellers wesentlich gebessert haben, ferner, wenn die Rückzahlung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.285 427 Ob die Vorschussgewährung der Billigkeit entspricht, hängt nicht nur von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien sondern auch davon ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben wird. Prüfungsmaßstab für die Erfolgsaussicht ist § 114 ZPO, wobei die dazu von der Rechtsprechung für die Prozesskostenhilfegewährung entwickelten Grundsätze herangezogen werden können. In diesem Sinne hat der BGH286 die lange streitige Frage nach dem Prüfungsmaßstab für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei der Billigkeitsprüfung entschieden; denn dem Unterhaltspflichtigen soll genauso wenig wie dem Staat bei der Prozesskostenhilfegewährung zugemutet werden, finanzielle Mittel für einen Prozess zur Verfügung zu stellen, wenn nicht wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Damit obliegt dem Anspruchsteller, die Erfolgsaussicht gegenüber dem Verpflichteten darzulegen und glaubhaft zu machen.287
284 Herrschende Meinung: vgl. u.a. Zöller/Geimer, 28. Aufl., § 115 ZPO Rn. 67 und Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rn. 309 ff. jeweils m.w.N. 285 BGH, FamRZ 1990, 491 in Anwendung des den §§ 1360 ff. BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens. 286 BGH, NJW 2001, 1646, 1647. 287 FamGB/Griesche, § 1361 BGB Rn. 46.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten I. Einleitung 1. Anwendungsbereich Ob und wie viel Unterhalt zu zahlen ist, richtet sich nach der Scheidung bei Ehen, 428 die seit dem 1.7.1977 in den alten Bundesländern und seit dem 3.10.1990 in den neuen Bundesländern geschieden werden, nach den §§ 1569 ff. BGB. Für Ehen, die bis zum 30.6.1977 in den alten Bundesländern geschieden wurden, gilt noch heute das bis zum 30.6.1977 in Kraft gewesene Unterhaltsrecht der §§ 58 ff. Ehegesetz. Wurde die Ehe in den neuen Bundesländern bis zum 2.10.1990 nach DDR-Recht geschieden, richtet sich der Unterhaltsanspruch gemäß Art. 234 § 5 EGBGB nach „bisherigem Recht“. Als bisheriges Recht finden nach innerdeutschem Kollisionsrecht die §§ 29 ff. FGB i.d.F. des 1. Familienrechtsänderungsgesetzes der DDR vom 20.7.1990 Anwendung, wenn beide Ehegatten bis zum Beitritt in der DDR lebten. Die §§ 1569 ff. BGB finden demgegenüber dann Anwendung, wenn mindestens der Unterhaltspflichtige schon vor dem Beitritt seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegt hatte (Art. 18 Abs. 5 EGBGB in entsprechender Anwendung1). Die nachfolgende Darstellung befasst sich nur mit den Unterhaltsansprüchen geschiedener Ehegatten nach den §§ 1569 ff. BGB und berücksichtigt die aktuelle Rechtslage nach Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes (UÄndG) vom 21.12.2007 mit Wirkung ab 1.1.2008.2 Die teilweise neugefassten und hinzugekommenen unterhaltsrechtlichen Bestimmungen (§§ 1569, 1570 Abs. 1 und 2, 1574 Abs. 1 und 2, 1577 Abs. 2 Satz 1, 1578, 1578b, 1579 Nr. 1 und 2, 1582, 1585b Abs. 2, 1585c, 1586a, 1609), finden auf alle Unterhaltsansprüche Anwendung, die ab Inkrafttreten der Neuregelung entstehen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Ehe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Unterhaltsabänderungsgesetzes bereits bestanden hat oder nicht.3 Da das seit 1.1.2008 geltende Unterhaltsrecht keine Anwendung findet auf Unterhaltsleistungen, die vor dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes fällig geworden sind (§ 36 Nr. 7 EGZPO), ist jeweils im Anschluss an die Ausführungen zur aktuellen Rechtslage noch der bis zum 31.12.2007 maßgebliche Rechtszustand dargestellt. Die bis dahin geltenden Normen sind mit der Abkürzung a.F. gekennzeichnet. Soweit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des UÄndG bereits titulierte Unterhaltsverpflichtungen und Unterhaltsvereinbarungen bestanden haben, sind für deren Abänderbarkeit in § 36 Nr. 1 und Nr. 2 EGZPO eigene Übergangsbestimmungen vorgesehen, die Kap. L unter Rn. 972 ff. behandelt werden. 2. Grundsätze Das geltende Unterhaltsrecht des BGB regelt die Unterhaltspflichten unter ge- 429 schiedenen Ehepartnern unabhängig von deren Verschulden an der Trennung 1 BGH, FamRZ 1994, 160 ff., 824 ff. und 1582 ff. 2 BGBl. I 2007, S. 3189 ff. 3 Zur Kritik an der Übergangsregelung im RegE vgl. Schwab, FamRZ 2005, 1417, 1424; Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss, www.bundestag.de/ausschuesse/a0/ anhoerungen/index.html, S. 3 und 18 f.; Weber, FPR 2005, 511; Borth, FamRZ 2006, 813, 820; Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 78 f.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
und dem Scheitern der Ehe. Mit der Scheidung endet die Teilhabe an der wirtschaftlichen Fortentwicklung des ehelichen Lebensstandards. Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung, d.h., jeder Ehegatte sorgt wieder für sich und seinen eigenen Unterhalt selbst (§ 1569 BGB). Ist er dazu außerstande, hat er einen Unterhaltsanspruch nur, wenn eine der in den §§ 1570–1576 BGB geregelten Bedürfnislagen vorliegt. Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist in diesen im Gesetz abschließend geregelten Fällen durchbrochen. Es wird – insbesondere auch wegen des notwendigen Ausgleichs ehebedingter Nachteile – erwartet, dass trotz Scheidung der Ehe noch eine wirtschaftliche Verantwortlichkeit zwischen den Ehegatten bestehen bleiben soll und Unterhalt zu zahlen ist, wenn 430 – wegen der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur eingeschränkt erwartet werden kann (§ 1570 BGB); – wegen Alters in den im Gesetz bezeichneten Einsatzzeitpunkten eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann (§ 1571 BGB); – wegen Krankheit oder Gebrechens zu bestimmten im Gesetz bezeichneten Einsatzzeitpunkten eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann (§ 1572 BGB); – Arbeitslosigkeit besteht und kein Anspruch gemäß §§ 1570–1572 BGB gegeben ist (§ 1573 Abs. 1 BGB); – Einkünfte aus Erwerbstätigkeit nicht zum vollen Unterhalt ausreichen und kein Anspruch gemäß §§ 1570–1572 BGB gegeben ist – sog. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB); – wegen einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, die wegen der Ehe nicht aufgenommen oder abgebrochen wurde, eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1575 BGB); – aus schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre und ein Anspruch gemäß §§ 1570–1575 BGB nicht gegeben ist (Unterhalt aus Billigkeitsgründen – § 1576 BGB). 431 Der nacheheliche Unterhaltsanspruch sichert dem Bedürftigen nach der Scheidung nur noch die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten ehelichen Lebensstandard einschließlich danach eintretender normaler Lohn- und Gehaltsentwicklungen, nicht aber an darüber hinausgehenden, vom Normalverlauf abweichenden Einkommensentwicklungen. Verschlechtert sich das Einkommen der geschiedenen Ehegatten, ist auch dies hinzunehmen, es sei denn, die Verschlechterung beruht auf einem vorwerfbaren Verhalten des geschiedenen Ehegatten.4
" Praxishinweis: Das Gericht entscheidet bei der Scheidung nicht von Amts
wegen über den nachehelichen Unterhalt, sondern nur, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. Existiert ein Beschluss, Urteil oder sonstiger Unterhaltstitel über den Trennungsunterhalt, sichert dieser nicht den nachehelichen Unterhalt, denn materiell-rechtlich endet die Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt gem. § 1361 BGB mit der Rechtskraft der Scheidung, weil der Geschiedenenunterhalt sich nach anderen Rechtsvorschriften
4 Vgl. dazu Rn. 483 ff.; BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; 2003, 590, 592; 2006, 387 ff.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
richtet und nicht identisch ist mit dem Trennungsunterhalt.5 Vollstreckt der Unterhaltsgläubiger wegen Unterhalts aus der Zeit nach der Scheidung aus dem Titel über Trennungsunterhalt, kann der Verpflichtete dagegen mit dem Antrag nach § 767 ZPO (Vollstreckungsabwehrverfahren, s. Rn. 875 ff.) vorgehen. Lediglich die einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG, die den Trennungsunterhalt regelt, verliert ihre Wirkung i.d.R. nicht mit der Rechtskraft der Scheidung, es sei denn, sie ist von vornherein bis zur Rechtskraft der Scheidung befristet Da dieser Titel aber nicht in Rechtskraft erwächst, bildet er keine dauerhaft sichere Grundlage für eine Unterhaltsregelung, denn er kann jederzeit mit der negativen Feststellungsklage – auch rückwirkend – beseitigt werden, vgl. dazu Rn. 927 ff., zur Rückforderung überzahlten Unterhalts s. Rn. 556 f. Zur Sicherung der Ansprüche auf Nacheheunterhalt gilt deshalb: Der nacheheliche Unterhalt sollte im Verbund mit der Scheidung geltend gemacht werden, dann knüpft der Nacheheunterhalt nahtlos an den Trennungsunterhalt an und es entsteht keine Versorgungslücke (vgl. zu den Besonderheiten der Geltendmachung von Unterhalt im Verbundverfahren, die i.Ü. auch Kostenvorteile bietet Rn. 753 ff., 756). Wird der Nacheheunterhalt nicht als Scheidungsfolgesache, sondern im isolierten Unterhaltsverfahren beantragt, empfiehlt sich zur Vermeidung einer Versorgungslücke rechtzeitig eine aktuelle Auskunft über das Einkommen des Verpflichteten zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts zu verlangen, damit der Unterhalt auch rückwirkend ab Rechtskraft der Scheidung verlangt werden kann. Vgl. Rn. 550 zur Neufassung von § 1585b Abs. 2 BGB, nach der § 1613 Abs. 1 BGB seit 1.1.2008 auch auf rückständigen Nacheheunterhalt anwendbar ist. Der Verpflichtete ist selbst dann zur Auskunftserteilung verpflichtet, wenn er zur Berechnung des Trennungsunterhalts bereits Auskunft erteilt hat und die Sperrfrist von zwei Jahren für eine erneute Auskunftserteilung noch nicht verstrichen ist, vgl. Rn. 580.
II. Anspruchsvoraussetzungen Ob und in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige tatsächlich Unterhalt zu zahlen 432 hat, hängt zunächst einmal davon ab, ob der geschiedene Ehegatte wegen einer der 7 in §§ 1570–1573, 1575, 1576 BGB geregelten Gründe unterhaltsbedürftig ist. Ein Anspruch besteht nur, wenn der Bedürftige aus den in den Ausnahmetatbeständen genannten Gründen nicht oder nicht ausreichend durch eigene Erwerbstätigkeit selbst für seinen Unterhaltsbedarf sorgen kann und der Verpflichtete leistungsfähig ist. Ist der Verpflichtete nur eingeschränkt leistungsfähig, ist nur Unterhalt nach Billigkeit geschuldet (§ 1581 BGB).6 1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Anspruchs Als Anspruchsgrundlagen können einzelne, aber auch mehrere Unterhaltstat- 433 bestände nebeneinander (Einheitlichkeit des Anspruchs) in Betracht kommen; denn die Bedürftigkeit kann mehrere Ursachen, z.B. Krankheit und Alter, Kindesbetreuung, Arbeitslosigkeit etc., haben. Die Einheitlichkeit des Anspruchs hat prozessual zur Folge, dass ein Beschluss über den nachehelichen Unterhalt immer den nachehelichen Unterhalt insgesamt erfasst, das heißt ohne Rücksicht 5 BGH, FamRZ 1981, 242; 1999, 1497. 6 BGH, FamRZ 1984, 353; FamRZ 1981, 242.
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darauf, welcher der Tatbestände der §§ 1570 ff. BGB erfüllt ist.7 Die sorgfältige Klärung der Anspruchsgrundlagen empfiehlt sich trotz der Einheitlichkeit des Anspruchs gleichwohl, denn die Rechtsfolgen der einzelnen Vorschriften sind nicht immer gleich.8 So wirken sich die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen auf die Höhe und Dauer des Anspruchs aus, was für spätere Abänderungen des Unterhaltstitels von Bedeutung ist. Auch für die Frage der Herabsetzung des Lebensbedarfs und Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB spielt die genaue Bestimmung der Anspruchsgrundlage eine erhebliche Rolle (vgl. dazu Rn. 525 ff.). Die Unterhaltsansprüche können auch zeitlich aneinander anknüpfen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen zu verschiedenen, im Gesetz näher bezeichneten Zeitpunkten (Einsatzzeitpunkten) vorliegen. Auf den Stammunterhalt folgt dann der Anschlussunterhalt. Beispiel F betreut nach der Scheidung die 3 gemeinsamen Kinder, ist nicht erwerbstätig und erhält Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, mit dem sie den vollen ehelichen Unterhaltsbedarf beanspruchen kann (Stammunterhalt). Nach Beendigung der Betreuung ist sie 57 Jahre alt und findet keine Arbeit. Ihr steht als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 BGB sowie ein Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu; denn ihr ehebedingter Bedarf liegt höher als der durch den Arbeitslosenunterhalt abgedeckte Bedarf, der nur den Bedarf in Höhe eines erzielbaren Einkommens ersetzen soll. Hat F keine Chancen mehr, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, kommt als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Alters gemäß § 1571 Nr. 2 BGB in Betracht, der hier wiederum auf den vollen ehelichen Bedarf gerichtet wäre.
434 Folgt der Anschlussunterhalt auf einen weggefallenen Stammunterhalt, der nur einen Teil des Bedarfs abgedeckt hat, so entsteht auch der Anspruch auf Anschlussunterhalt nur als solcher auf Teilunterhalt.9 Denn der Verpflichtete soll möglichst bald nach der Scheidung für seine eigene Lebensplanung wissen, auf welche Unterhaltslasten er sich längerfristig einzustellen hat.10 Beispiel F betreut nach der Scheidung ein gemeinsames Kind und übt eine Teilzeitbeschäftigung aus. Sie erhält insgesamt 500 Euro als Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, der nur ihren Bedarf bis zur Höhe eines bei Ausübung einer Vollbeschäftigung erzielbaren Einkommens abdeckt,11 und Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB (Stammunterhalt). Nach Beendigung der Betreuung ist F 57 Jahre alt, wird arbeitslos und findet keine Arbeit. Ihr steht als Anschlussunterhalt zum Betreuungsunterhalt neben dem fortbestehenden Aufstockungsunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 und 3 BGB bzw. – wenn sie keine Chancen mehr hat, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden – ein Anspruch wegen Alters gemäß § 1571 Nr. 2 BGB zu. Es bleibt bei einem Bedarf von 500 Euro; denn die Teilzeitarbeit war vor Eintritt der Arbeitslosigkeit schon nachhaltig 7 BGH, FamRZ 1984, 353, 354. 8 BGH, FamRZ 1988, 265, 266; 1990, 492, 493; 2001, 1687, 1691; Griesche, Familiengerichtsbarkeit, § 1569 Rn. 6 ff.; dies gilt auch nach der Unterhaltsrechtsreform wegen Unterhalts ab 1.1.2008, BGH, FamRZ 2010, 869 ff. m. Anm. v. Maier. 9 BGH, FamRZ 2001, 1291, 1294; 2010, 869, 870f; Wendl/Pauling, § 4 Rn. 48–52. 10 OLG Stuttgart, FamRZ 1983, 501. 11 Der BGH hat bei Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung für den Betreuungsunterhalt diese Differenzierung ausdrücklich mit Rücksicht auf die durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986, BGBl. I, S. 301 geschaffene Möglichkeit der Begrenzung des ergänzenden Aufstockungsunterhalts eingeführt (vgl. FamRZ 1990, 492, 494).
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II. Anspruchsvoraussetzungen gesichert. Für das Risiko des Arbeitsplatzverlustes hat der Verpflichtete nicht mehr einzustehen.
Für den Anschlussunterhalt reicht aus, dass zuvor die tatsächlichen Voraussetzungen für den Stammunterhalt vorgelegen haben; nicht erforderlich ist, dass auch tatsächlich Unterhalt verlangt und gezahlt worden ist.
" Praxishinweis: Trotz der Anforderung des BGH, die Unterhaltstatbestände
möglichst genau zu bestimmen, ist die Ermittlung sämtlicher Anspruchsgrundlagen nicht immer prozessökonomisch. So wird das Gericht z.B. von einer Beweisaufnahme absehen, wenn der Unterhaltsberechtigte Unterhalt wegen Kindesbetreuung und Krankheit geltend macht und der Unterhaltsanspruch schon in voller Höhe aufgrund der Kindesbetreuung begründet ist. Denn Unterhalt wegen Krankheit kann auch als Anschlussunterhalt bei Wegfall des Betreuungsunterhalts nach § 1572 Nr. 2 BGB verlangt werden. Hat der Unterhaltsberechtigte einen Titel über den Betreuungsunterhalt erstritten und erhebt der Unterhaltsverpflichtete nach Auslaufen des Betreuungsunterhalts die Abänderungsklage mit dem Ziel des Wegfalls der Unterhaltspflicht, kann sich der Unterhaltsberechtigte wegen der Einheitlichkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf den Fortbestand des Titels berufen, wenn zu seinen Gunsten ein Anschlussunterhalt in Betracht kommt. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für seine nunmehr aus anderen Gründen fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit.12 Zur Vermeidung eines erneuten Streitverfahrens und damit verbundenen Kostenrisikos, sollte der Verpflichtete den Unterhaltsberechtigten rechtzeitig unter Fristsetzung zum Verzicht auf seine Rechte aus dem Titel und für den Fall fortdauernder Unterhaltsbedürftigkeit zur Angabe der Gründe und Vorlage entsprechender Belege (ärztliches Attest, Bewerbungsschreiben etc.) auffordern.
2. Bedarfsbemessung und Halbteilung Nach der Klärung der Anspruchsgrundlagen für den Unterhaltsanspruch wird der 434a Unterhaltsbedarf nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung unter Berücksichtigung danach eingetretener normaler Lohn- und Gehaltsentwicklungen ermittelt (§ 1578 Abs. 1 BGB).13 Der Anspruch umfasst den gesamten Lebensbedarf, insoweit kann auf die Ausführungen zum Trennungsunterhalt unter Rn. 335 Bezug genommen werden. Dazu gehören auch Aufwendungen für die Kranken- und Altersversorgung (§ 1578 Abs. 3 BGB) sowie die Kosten einer Umschulung, Schul- oder Berufsausbildung (§ 1578 Abs. 2 BGB). Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Zu den ehelichen Lebensverhältnissen gehören die wirtschaftlichen Verhältnisse, die den Lebenszuschnitt der Ehegatten nachhaltig bestimmt und nicht nur vorübergehend für die Bedarfsdeckung zur Verfügung gestanden haben. Dies sind i.d.R. Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Vermögen. Insoweit ist der Maßstab mit dem des Trennungsunterhalts deckungsgleich, vgl. dazu Rn. 336.14 Dabei sind normale Entwicklungen bis zur Scheidung mitzuberücksichtigen, denn erst die Rechtskraft der Scheidung ist ein maßgeblicher Anhaltspunkt für die Bestimmung des Bedarfs nach den ehe12 BGH, FamRZ 1990, 496, 497. 13 BGH, FamRZ 1999, 372. 14 BGH, FamRZ 1980, 876; 1984, 356, 357.
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lichen Lebensverhältnissen.15 Dieser Stichtag bedeutet jedoch nicht, dass der Bedarf ab dem Zeitpunkt im Sinne einer statischen Größe fortdauernd festgeschrieben ist und insoweit eine Lebensstandardgarantie besteht. Vielmehr sind nach der seit 2006 geänderten und zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des BGH16 die ehelichen Lebensverhältnisse nach der Scheidung wandelbar, d.h. eintretende normale Einkommenssteigerungen oder Einkommenseinbußen, sowie hinzutretende Verbindlichkeiten, die nicht leichtfertig eingegangen wurden oder unvermeidlich entstanden sind, ebenso wie neu entstandene Unterhaltspflichten sind zu berücksichtigen und beeinflussen den Bedarf. Der unterhaltsbedürftige Ehegatte soll nicht durch das Unterhaltsrecht besser gestellt werden, als er ohne Scheidung der Ehe stünde. Damit hat das zuvor recht strikt gehandhabte Stichtagsprinzip, für die Bedarfsbestimmung nur zum Zeitpunkt der Scheidung erzieltes Einkommen und bestehende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, zwar seine zentrale Bedeutung verloren. Gleichwohl bleiben die Lebensverhältnisse zum Stichtag für die Bedarfsklärung von Bedeutung und bilden einen Beurteilungsmaßstab dafür, welche Einkommensentwicklungen nach dem prägenden ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigungswürdig sind oder nicht z.B. aufgrund eines Karrieresprungs (Rn. 484).17 Zur Entwicklung der Rechtsprechung zu § 1578 BGB vgl. Rn. 483a. Jeder Ehegatte hat Anspruch auf die Hälfte des nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse für die Unterhaltsbedarfsdeckung zur Verfügung stehenden Einkommens (Grundsatz der Halbteilung- sog. Quotenunterhalt, zur Berechnung vgl. Rn. 479 ff.). Der Grundsatz der Halbteilung folgt nach der Rechtsprechung des BGH aus dem Gedanken der Gleichbehandlung beider Ehegatten, was auch beinhaltet, dass dem Unterhaltspflichtigen wie dem Unterhaltsberechtigten von seinem eigenen, anrechenbaren Erwerbseinkommen ein maßvoll die Hälfte übersteigender Betrag zu belassen ist.18 Dabei hat sich weitgehend durchgesetzt, dass für die Bedarfsberechnung bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit nach Abzug der berücksichtigungswürdigen Belastungen noch ein Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen19 abgezogen wird, um dem Erwerbstätigen einen höheren Anteil von seinem Arbeitseinkommen als Anreiz für die Erwerbstätigkeit zu belassen. In der Praxis ist ein Abzug i.H.v. 1/ 10 bis zu 1/ 7 üblich. Problematisch kann bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen eine zu starke Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz sein, wenn neben dem Bonus noch pauschal berufsbedingte Aufwendungen in Ansatz gebracht werden (zum Diskussionsstand s. Rn. 337). Legen besondere Umstände des Einzelfalls es nahe, kann der
15 BGH, FamRZ 1999, 372 ff.; 1982, 360, 361. 16 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. 17 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; zur Diskussion, ob das Stichtagsprinzip vom BGH aufgegeben wurde, Schürmann, NJW 2006, 2301 ff.; Gerhardt, FamRB 2006, 210 ff.; Born, NJW 2007, 26 ff.; Borth, FamRZ 2006, 852, 853; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff.; s. dazu Rn. 483 ff. Zur Kritik in der Rechtsprechung u.a. OLG Celle, FF 2007, 262 ff. 18 BGH, FamRZ 2006, 683, 686, 1991, 304, 305; zur eingeschränkten Anwendung beim Anspruch der nicht verheirateten Mutter nach § 1615l BGB vgl. BGH, FamRZ 2005, 442, 443. 19 BGH, FamRZ 1997, 806 ff.; 1991, 304, 305; 1988, 265, 267; der 3. Senat des OLG Brandenburg zieht den Bonus vom Einkommen ab vor Bereinigung um den Kindesunterhalt und anderen Verbindlichkeiten (Ziff. 15.2 der LL).
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II. Anspruchsvoraussetzungen
Tatrichter auch eine andere Quote für den Erwerbstätigenbonus festlegen oder vom Abzug insgesamt absehen.20 Ansonsten gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. Bei überdurchschnittlich günstigen Verhältnissen kann der Bedarf auch konkret, also nicht nach einer Quote berechnet werden (vgl. Rn. 493). 3. Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit Nach der Klärung des Bedarfs muss geprüft werden, ob und in welcher Höhe der 434b Anspruchsteller diesen Bedarf aus eigenen Einkünften decken kann, also in welchem Umfang er tatsächlich unterhaltsbedürftig ist (§ 1577 BGB, vgl. Rn. 512 ff.). Dabei sind auch Einkünfte bedarfsmindernd zu berücksichtigen, die nicht den ehelichen Lebensbedarf geprägt haben. Eine abschließende Kontrollrechnung ergibt, ob und in welchem Umfang der Anspruchsgegner zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs in der Lage, d.h. leistungsfähig ist (Rn. 517 ff.). Denn verbleibt dem Verpflichteten nunmehr – auch unter Berücksichtigung nichtprägender Einkünfte und auf der Bedarfsebene nicht berücksichtigter Verbindlichkeiten – nach Abzug des ungedeckten Bedarfs nicht mehr der eigene angemessene Unterhalt,21 braucht er nur insoweit Unterhalt zu zahlen, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten nach einer umfassenden Abwägung der Interessen beider Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 1581 BGB). Wegen der Höhe des angemessenen Eigenbedarfs vgl. Rn. 518. Bei teilweiser Leistungsunfähigkeit verringert sich der zu zahlende Unterhalt, bei völliger Leistungsunfähigkeit entfällt er ganz. 4. Die Darlegungs- und Beweislast Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine Bedürf- 434c tigkeit, d.h. für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer der in Betracht kommenden Unterhaltstatbestände sowie für die den Bedarf bestimmenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung.22 Damit obliegt ihm auch die Darlegungs- und Beweislast für das Einkommen des Verpflichteten. Bei den Einkommensverhältnissen des Verpflichteten handelt es sich um sog. doppelrelevante Tatsachen, die eine Rolle spielen für die Bedarfsbestimmung, für die der Unterhaltsberechtigte darlegungsund beweispflichtig ist, und für die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, für die dieser darlegungs- und beweispflichtig ist. Dem Unterhaltsberechtigten steht zur Erleichterung seiner Darlegungslast ein Auskunftsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten über seine Einkommensverhältnisse zu (Rn. 560). Will sich der Verpflichtete auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit berufen, obliegt ihm insoweit die Darlegungs- und Beweislast.23 Dies gilt auch für die Umstände, die die Unterhaltsbedürftigkeit eines neuen Ehegatten des Verpflichteten begründen, weil es sich insoweit um eine sein Einkommen mindernde Verbindlichkeit handelt.24 20 BGH, FamRZ 1997, 806, 807 und dazu die Ausführungen zur Entwicklung der Rechtsprechung unter Rn. 337. 21 BGH, FamRZ 2006, 683 ff. 22 BGH, FamRZ 1984, 149. 23 BGH, FamRZ 1988, 930 f.; zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsrecht Liceni-Kierstein, FPR, 2010,140, 143 f. 24 BGH, FamRZ 2010, 869, 872.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
5. Die Erwerbsobliegenheit zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse und Bedürftigkeit 434d Die Erwerbsobliegenheit geschiedener Ehegatten spielt bei der Prüfung eines Unterhaltsanspruchs unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten eine Rolle: Auf der Ebene der Tatbestandsklärung einer der gesetzlich geregelten Bedürfnislagen nach §§ 1570–1576 BGB, wenn von dem Bedürftigen eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur eingeschränkt erwartet werden kann. Ferner bei der Frage der Zurechnung fiktiver Einkünfte, wenn entweder der Unterhaltsberechtigte oder der Verpflichtete (Rn. 485) gegen seine Erwerbsobliegenheit verstößt. Klärungsbedürftig ist dann jeweils, welche Erwerbstätigkeit von dem geschiedenen Ehegatten zu erwarten ist. Nach § 1574 Abs. 1 BGB braucht der bedürftige geschiedene Ehegatte nur eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Was angemessen ist, ist seit 1.1.2008 mit einer stärkeren Gewichtung der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB), in § 1574 Abs. 2 BGB definiert. Danach ist eine Erwerbstätigkeit angemessen, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht und eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen. Als Messlatte für die Angemessenheit ist im Gesetz das Tatbestandsmerkmal der früheren Erwerbstätigkeit des bedürftigen Ehegatten an die Stelle des Tatbestandsmerkmals der ehelichen Lebensverhältnisse getreten. Diese Änderung beruht auf der Überzeugung des Gesetzgebers, dass die Erwerbstätigkeit in einem früher ausgeübten Beruf in der Regel immer angemessen ist.25 Obwohl nach der Neufassung von § 1574 Abs. 2 BGB eine früher ausgeübte Erwerbstätigkeit in der Regel angemessen ist, handelt es sich jedoch nur um eines der beispielhaft aufgezählten Tatbestandsmerkmale, das bei der anzustellenden Prüfung der Angemessenheit unter Berücksichtigung der anderen Tatbestandsmerkmale auch bedeutungslos werden kann. Denn nach Auflösung der Ehe kann von dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten immer nur die Aufnahme einer Tätigkeit erwartet werden, die im Zeitpunkt der Scheidung oder den anderen Einsatzzeiten für den Unterhalt der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter und Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht. Von dieser Bewertung kann abgewichen werden, wenn die aufgrund früherer Tätigkeit in Betracht kommende Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die gemeinsame Ehegestaltung unbillig geworden ist, weil sie z.B. mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wäre. In dem Fall muss sich der geschiedene Ehegatte nicht auf die nach seinem beruflichen Werdegang in Betracht kommende Tätigkeit verweisen lassen, sondern kann sich auf die Unbilligkeit dieser Tätigkeit berufen. Bei dem Einwand der Unbilligkeit handelt es sich um eine Einwendung, für die der Bedürftige darlegungs- und beweispflichtig ist. Folge dieser Gesetzesänderung ist, dass der Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse seine zentrale Bedeutung für die Angemessenheitsprüfung, die er nach der Rechtslage bis zum 31.12.2007 hatte, verloren hat. Er spielt jetzt nur noch eine Rolle im Rahmen ei25 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 27; so auch die bisherige Rechtsprechung allerdings im Kontext der anderen Gewichtung des § 1574 Abs. 2 BGB a.F., BGH, FamRZ 2005, 23, 24; 1991, 170, 171.
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II. Anspruchsvoraussetzungen
ner zweiten Stufe der Tatbestandsprüfung, wenn sich der Bedürftige auf die Unbilligkeit der in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse beruft.26 Kann der Bedürftige eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht ausüben, weil er nicht genügend ausgebildet oder durch die Familienarbeit fachlich in seinem Beruf nicht mehr auf dem Laufenden ist, besteht eine Pflicht sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist (§ 1574 Abs. 3 BGB). Die Ausbildungsobliegenheit entsteht spätestens mit der Scheidung, kann aber auch schon während der Trennungszeit entstehen, wenn mit einer Versöhnung der Ehegatten nicht mehr zu rechnen ist.27 Welche Tätigkeit nach Art und Umfang angemessen ist und aus welchen Gründen sie nicht oder nur teilweise von dem Unterhaltsbedürftigen ausgeübt werden kann bzw. warum die Tätigkeit unbillig ist, kann in einer zweistufigen Prüfung anhand folgender Kriterien geklärt werden: Angemessenheit der Erwerbstätigkeit (1. Stufe) – Beruflicher Werdegang (Ausbildung, Tätigkeiten vor und während der Ehe einschließlich der Trennungszeit) – Aktuelle Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung des Alters, der Gesundheit und sonstiger Fähigkeiten – Arbeitsmarktlage – Verdienstmöglichkeiten – Bemühungen um eine Arbeitsstelle – Ggf. Umschulungs-, Fortbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten unter Angabe eines Zeitplanes, bestehender Förderungsmöglichkeiten nach dem Arbeitsförderungsgesetz (SGB III) und späterer Erwerbsmöglichkeiten. Unbilligkeit einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen (2. Stufe) – Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen – Ehebedingte Nachteile in der beruflichen Entwicklung (Dauer der Ehe, Dauer der Kinderbetreuung, Erwerbstätigkeiten während der Ehe, Dauer der Nichterwerbstätigkeit) – Erzielbare Einkünfte im Vergleich zum bisherigen Lebensstandard – Fehlen von Aus- oder Fortbildungsmöglichkeiten nach § 1574 Abs. 3 BGB um ehebedingte berufliche Nachteile abzuwenden – Sonstige Gründe der Unzumutbarkeit der Ausübung einer nach den Fähigkeiten des Bedürftigen angemessenen Tätigkeit im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse können z.B. sein, der Verzicht auf eigene Karriere und die Förderung der Karriere des anderen. Die in § 1574 Abs. 2 BGB definierten Maßstäbe für die Angemessenheit der Erwerbstätigkeit eines geschiedenen Ehegatten beziehen sich nach der Gesetzes-
26 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 27; Reinken, FPR 2005, 502, 504, Dose, FamRZ 2007, 1289, 1297. 27 BGH, FamRZ 1985, 782.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
systematik auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten, gelten aber entsprechend für den Verpflichteten. 6. Herabsetzung, Befristung und Ausschluss 435 Alle in Betracht kommenden Unterhaltsansprüche können in der Höhe vom eheangemessenen auf den angemessenen Bedarf des Bedürftigen herabgesetzt und/ oder zeitlich befristet werden, wenn ein unbeschränkter oder nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener Unterhaltsanspruch unbillig wäre (§ 1578b BGB). Bei der vorzunehmenden Billigkeitsabwägung sind die Belange eines vom Berechtigten betreuten gemeinschaftlichen Kindes zu wahren (sog. Kinderschutzklausel). Darüber hinaus ist maßgebliches Kriterium, inwieweit für den Unterhaltsbedürftigen fortdauernde ehebedingte Nachteile bestehen, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe, sowie der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 BGB). Vgl. dazu die Beispiele unter Rn. 525 ff. Beide Rechtsfolgen können miteinander verbunden werden, so dass der Anspruch zum Beispiel zunächst nach einer befristeten Zahlung des vollen, eheangemessenen Unterhalts auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten herabgesetzt und dann befristet, aber auch nur befristet oder nur herabgesetzt werden kann (§ 1578b Abs. 3 BGB). Sowohl über die Herabsetzung als auch die Befristung ist bereits bei der erstmaligen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, also ab Scheidung der Ehe im Unterhaltsprozess von Amts wegen zu entscheiden, wenn ausreichende Gründe dafür vorliegen.28 Dabei steht dem Berechtigten zunächst jedoch der volle Unterhalt zu, denn beide Beschränkungsmöglichkeiten stellen Ausnahmeregelungen dar, die nur dann greifen, wenn dem Berechtigten nach Einräumung einer Übergangsfrist eine Absenkung des Lebensstandards aus Billigkeitsgründen zumutbar ist.29 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Herabsetzung und/oder Befristung liegt beim Unterhaltsverpflichteten. Dieser hat die Gründe für die Anwendung von § 1578b BGB, die zu seinen Gunsten für eine Herabsetzung oder Befristung sprechen, darzulegen und ggf. zu beweisen. Will der Unterhaltsberechtigte eine Herabsetzung oder Befristung abwehren, hat er substantiiert die Gründe darzulegen, die dagegen sprechen (sog. subjektive Darlegungslast).30 Will er z.B. eine längere Schonfrist zur Anpassung seines Lebensstandards an seinen eigenen angemessenen Bedarf haben, obliegt ihm ebenfalls die Darlegungslast für die Gründe.31 Zu den Einzelheiten vgl. Rn. 525 ff., zu den Anforderungen an den anwaltlichen Vortrag zu § 1578b BGB und Haftungsrisiken den Praxishinweis Rn. 527. Die Unterhaltsansprüche können in Ausnahmefällen auch wegen grober Unbilligkeit nach der Härteklausel gemäß § 1579 BGB ausgeschlossen, herabgesetzt 28 BGH, FamRZ 1986, 886, 888. Zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten bei § 1578b BGB und Haftungsrisiken vgl. den Hinweis Rn. 527. Zur Reduzierung des Ermessens des Tatrichters, Dose, FamRZ 2007, 1289, 1295. 29 A.A. z.B. Borth, UÄndG, S. 119; Dose, FamRZ 2007, 1289, 1295. Kritisch zur Tendenz des BGH, die Ausnahmeregelung zum Regelfall zu machen, Graba, FamRZ 2010, 1131, 1136 f. 30 BGH, FamRZ 2010, 875, Tz. 20 ff. m. Anm. v. Finke S. 878 f. 31 BT-Drucks. 16/1830, S. 20 = RegE, S. 32.
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oder zeitlich befristet werden. Vgl. dazu Rn. 532 ff. Nur in diesen Fällen ist ausnahmsweise ein Ausschluss des Unterhalts ab Scheidung der Ehe möglich. 7. Beginn und Ende des Anspruchs Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt beginnt mit dem Tag der Rechtskraft 436 der Scheidung32 und endet, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs entfallen. Die Rechtskraft der Scheidung tritt nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ein (§ 1564 Satz 2 BGB, §§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2, 58, 63 Abs. 1 FamFG).33 Endet die Rechtsmittelfrist beispielsweise am 3.8.2009, wird das Urteil am 4.8.2009 rechtskräftig und der nacheheliche Unterhaltsanspruch kann ab 4.8.2009 geltend gemacht werden. Die Rechtskraft tritt ein, wenn weder der Scheidungsausspruch noch eine Entscheidung über eine Folgesache innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat ab Zustellung des Beschlusses angefochten wird. Wird ein Rechtsmittel gegen eine Folgesachenentscheidung eingelegt, wird die Scheidung erst rechtskräftig, wenn bis zu einem Monat nach Zustellung der Rechtsmittelbegründung in der Folgesache die Scheidung nicht angefochten wird (§ 145 Abs. 1 FamFG). Entsprechende Fristen gelten, soweit das Rechtsmittel in einer weiteren Folgesache eingelegt wird (§ 145 Abs. 2 FamFG). Der Anspruch endet, wenn die Voraussetzungen für einen Anschlussunterhalt zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben sind oder wenn der Berechtigte wieder heiratet, auf Unterhalt verzichtet, den Anspruch verwirkt hat oder mit einer Abfindung für den Unterhalt einverstanden ist. Entfällt die Bedürftigkeit nur zeitweilig, kann der Anspruch wieder aufleben. So erneuert sich z.B. ein durch Wiederverheiratung erloschener Unterhaltsanspruch wieder, wenn die neue Ehe aufgelöst wird und ein Kind aus der alten Ehe noch betreuungsbedürftig ist (§ 1586a BGB). Seit 1.1.2008 kann jedoch nur noch der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB wieder aufleben, daran anknüpfende Anschlussunterhaltsansprüche gegen den geschiedenen Ehegatten sind durch Aufhebung von § 1586a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ersatzlos gestrichen worden.34 Mit dem Tod des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über (§ 1586b BGB). Der Erbe haftet jedoch nicht über den Betrag hinaus, der dem Pflichtteil entspricht, der dem Berechtigten zugestanden hätte, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre. In die Haftungsgrenze sind fiktive Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben einzubeziehen.35 8. Herabsetzung und Befristung des Unterhaltes nach §§ 1578 Abs. 1 und 1573 Abs. 5 BGB a.F. bis zum 31.12.2007 Auch für bis zum 31.12.2007 fällige Unterhaltsansprüche besteht nach § 1578 436a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. die Möglichkeit, die in der Höhe nach den ehelichen 32 BGH, FamRZ 1981, 242. 33 Für die Berechnung des Eintritts der Rechtskraft der Scheidung sind, wenn im Urteil auch über Folgesachen entschieden wurde, die Besonderheiten des Verbundverfahrens und der entsprechenden Rechtsmittelfristen in §§ 142, 145, 117 FamFG, §§ 514 ff. ZPO zu beachten, vgl. Rn. 1078 ff. 34 BT-Drucks. 16/1830, S. 22. 35 BGH, FamRZ 2001, 282 ff.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Lebensverhältnissen bemessenen Ansprüche vom eheangemessenen auf den angemessenen Bedarf des Unterhaltsbedürftigen herabzusetzen. Die Herabsetzung kommt dann in Betracht, wenn die zeitlich unbegrenzte Bemessung nach dem eheangemessenen Bedarf unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, unbillig wäre (s. Rn. 528a). Dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. Die Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. besteht daneben nur für Ansprüche auf Aufstockungsunterhalt und Unterhalt bei Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1, 2 und 5 BGB a.F. (s. Rn. 528b, 529 ff.). Sie ist nur möglich, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.).36 Für die Auslegung kann auf die Ausführungen zu § 1578b BGB Bezug genommen werden, allerdings ist – insbesondere wenn Alttitel zur Abänderung gestellt werden – wichtig, folgende Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zur Auslegung von § 1573 Abs. 5 BGB a.F. zu gegenwärtigen: Nach früherer Rechtsprechung des BGH kam bei Vorliegen einer langen Ehedauer, was bei einer Ehedauer von 15 Jahren anzunehmen ist,37 i.d.R. eine zeitliche Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nicht mehr in Betracht. Dabei kam es nicht darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hatte, die ihn daran hinderten, eigenverantwortlich für seinen angemessenen Unterhaltsbedarf selbst aufzukommen. Maßgeblich für den Ausschluss einer Befristung war allein die lange Dauer der Ehe. Diese Rechtsprechung änderte der BGH mit Urteil vom 12.4.200638 grundlegend, was auch die Unterhaltsrechtsreform, insbesondere die Regelung in § 1578b BGB beeinflusste. Danach ist – wie nach dem jetzt geltenden § 1578b BGB auch – im Grundsatz davon auszugehen, dass der Nacheheunterhalt keine Lebensstandardgarantie bietet und allein die Tatsache, dass die Ehe von langer Dauer war, nicht genügt, den Anspruch unbefristet zuzusprechen.39 Vielmehr soll der Unterhaltspflichtige vor einer lebenslangen Unterhaltspflicht bewahrt werden, die ihre innere Rechtfertigung nicht mehr in dem Ausgleich ehebedingter Nachteile hat. Deshalb ist bei der Begrenzung des Unterhalts in jedem Einzelfall unter Würdigung sämtlicher Umstände, insbesondere auch der Dauer der Ehe, zu überprüfen, ob der geschiedene Ehegatte ehebedingte Nachteile gehabt hat, die sich z.B. aus der Mehrfachbelastung mit Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ergeben. Eine lange Dauer der Ehe ist dabei zunächst nur ein Hinweis auf eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit des Unterhaltsberechtigten; denn i.d.R. ist davon auszugehen, dass sich mit zunehmender Ehedauer die wirtschaftliche Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten verfestigt hat, insbesondere wenn Kinder zu betreuen sind oder waren. Je stärker die wirtschaftlichen Abhängigkeiten, desto weniger kommt eine zeit36 § 1573 Abs. 5 BGB wurde durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 eingeführt und ist seit 1.4.1986 in Kraft. 37 BGH, FamRZ 1986, 886, 888; vgl. auch die Ausführungen zu § 1579 Nr. 1 BGB unter Rn. 535. 38 FamRZ 2006, 1106 ff. 39 Ständige Rechtsprechung des BGH, s. auch FamRZ 2007, 200, 203 m.w.N. und Anm. von Büttner, S. 204; BGH, FamRZ 2007, 1006 ff.; 2007, 2049 ff.; 2007, 2052 ff. (Befristung, 7 Jahre, bei kinderloser 20-jähriger Ehe); 1990, 857, 859.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
liche Begrenzung in Betracht.40 Beruht die Einkommensdifferenz bei den Ehegatten nicht auf ehebedingten Nachteilen, kann sich bei einer Ehe von langer Dauer eine Befristung gleichwohl verbieten, wenn es dem Berechtigten z.B. aufgrund seines Alters oder Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Scheidung nicht mehr zumutbar ist, sich auf einen niedrigeren Lebensstandard, bemessen nach seiner eigenen beruflichen Stellung, einzustellen.41 Umgekehrt können ehebedingte Nachteile bei einer Ehe, die nicht von langer Dauer war, gegen eine Befristung sprechen.
" Praxishinweis: Die Tatsache, dass sich die Rechtsprechung des BGH zur Be-
fristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs am 21.4.2006, also schon vor Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008, geändert hat, ist für die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 238 FamFG i.V.m. § 36 Nr. 1 EGZPO zu beachten. Beantragt der Unterhaltspflichtige, der vor dem 1.4.2006 wegen der langen Ehedauer unbefristet zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt verurteilt worden ist, die Befristung wegen fehlender ehebedingter Nachteile, ist der Antrag zulässig und die Zumutbarkeit einer Befristung des Unterhalts zu prüfen.42 Handelt es sich dagegen um einen erst später errichteten Titel, ist der Unterhaltspflichtige mit dem Einwand der Unterhaltsbefristung präkludiert.43 S. zu den Abänderungsvoraussetzungen von Alttiteln Rn. 972 ff.
Möglich ist für den Arbeitslosen- und Aufstockungsunterhalt auch eine Kombination der Herabsetzung nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und § 1573 Abs. 5 BGB a.F.44 Weder eine Begrenzung noch eine Befristung kommen in Betracht, wenn der Berechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut und insoweit Nachteile in seinem Erwerbsmöglichkeiten erlitten hat oder eingeschränkt ist. Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Herabsetzung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Zeit der Kindesbetreuung steht der Ehedauer gleich. Erleidet der Ehegatte keine beruflichen Nachteile durch die Kindesbetreuung, ist auch in diesen Fällen eine Begrenzung möglich, wobei für die Bemessung der Übergangsfrist die in Kauf genommene Doppelbelastung berücksichtigt werden kann.45 Zum Übergangsrecht und zur Abänderbarkeit bestehender Unterhaltsregelungen s. Rn. 972 ff.46
III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB 1. Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) Nach § 1570 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der 437 Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange 40 41 42 43
BGH, FamRZ 1990, 857 m.w.N. BGH, FamRZ 2007, 1006 ff. OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1162; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2010, 721. BGH FamRZ 2010, 111 ff.; OLG München, FamRZ 2009, 1154, 1155; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 788; OLG Saarbrücken, FamRZ 2009, 783; OLG Bremen, NJW 2008, 3074. 44 BT-Drucks. 10/2888, S. 19. 45 BGH, FamRZ 1990, 492, 494; BGH, FamRZ 2007, 1006 ff. m. Anm. von Born, S. 1008. 46 Zur Kritik an der Übergangsregelung vgl. Weber, FPR 2005, 511 ff.; Schwab, FamRZ 2005, 1417, 1424; Borth, FamRZ 2006, 813, 820; Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 78.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 BGB). Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB). Sinn und Zweck des nachehelichen Betreuungsunterhalts ist, dass nach der Scheidung die Betreuung des Kindes durch wenigstens einen Elternteil gesichert werden soll, indem der Elternteil, der wegen der Betreuung nicht oder nur teilweise erwerbstätig sein kann und deshalb unterhaltsbedürftig ist, einen Unterhaltsanspruch erhält. a) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Reformierung von § 1570 BGB durch das UÄndG 437a Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1.1.2008 den nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruch neu gefasst und entsprechend den Vorgaben des BVerfG47 dem Unterhaltsanspruch zwischen Eltern eines nichtehelichen Kindes in § 1615l Abs. 2 Satz 2–5 BGB angeglichen: Seitdem hat der ein eheliches Kind betreuende, geschiedene Elternteil gemäß § 1570 Abs. 1 BGB – genau wie der ein nichteheliches Kind betreuende Elternteil – einen Unterhaltsanspruch von mindestens drei Jahren einschließlich einer Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen. Die Angleichung der Unterhaltsansprüche ist erforderlich geworden, nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 28.2.200748 den Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. wegen der ungleichen Dauer des Anspruchs im Verhältnis zum Betreuungsunterhaltsanspruch der geschiedenen Mutter für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG erklärt hatte. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der Gerichtspraxis ausschließlich das Alter des Kindes Maßstab für die Gewährung des jeweiligen Betreuungsunterhaltsanspruchs bilde, werde dem nichtehelichen Kind die Möglichkeit genommen, „ebenso lange wie ein eheliches Kind im Mittelpunkt elterliche Sorge zu stehen“. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in derselben Entscheidung deutlich gemacht, dass es dem Gesetzgeber unbenommen bleibe, einen geschiedenen Elternteil wegen des Schutzes, den die eheliche Verbindung durch Art. 6 Abs. 1 GG erfährt, (…) unterhaltsrechtlich besser zu stellen als einen unverheirateten Elternteil, was sich mittelbar auch auf die Lebenssituation der mit diesen Elternteilen zusammenlebenden Kindern auswirken“49 könne. Dem hat der Gesetzgeber beim ehelichen Betreuungsunterhalt in § 1570 Abs. 2 BGB Rechnung getragen und eine besondere Verlängerungsmöglichkeit geschaffen hat, die auf dem Gedanken der nachehelichen Solidarität beruht. Im Rahmen der Verlängerungsmöglichkeit nach Abs. 2 können deshalb Gründe Berücksichtigung finden, die sich aus der praktizierten Rollenverteilung und Gestaltung der Kinderbetreuung in der Ehe ergeben.50 47 BVerfG, FamRZ 2007, 965 ff. 48 BVerfG, FamRZ 2007, 965 m. Anm. von Borth. Zur Lage der Unterhaltsrechtsreform nach der Entscheidung des BVerfG Schwab, FamRZ 2007, 1053 ff. 49 BVerfG, FamRZ 2007, 965, 971. 50 BT-Drucks. 16/6980, S. 17 der Beschlussempfehlung zur BT-Drucks. 16/1830.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
" Praxishinweis: Sind noch Unterhaltsansprüche im Streit, für die Zeiträume
bis zu 31.12.2007, ist insoweit § 1570 BGB a.F. anwendbar und das bis zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Altersphasenmodell s. Rn. 443a.
b) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen Unterhaltsberechtigt nach § 1570 BGB können Vater oder Mutter sein, je nach- 438 dem, wer das Kind betreut. Nicht wichtig ist, dass der betreuende Elternteil auch das alleinige Sorgerecht hat; denn für den Anspruch nach § 1570 BGB ist nicht die rechtliche Zuordnung des Kindes maßgeblich, sondern es kommt nur auf die tatsächliche und berechtigte Betreuung an. Das heißt, auch in den Fällen des gemeinsamen Sorgerechts kann derjenige Elternteil Unterhalt verlangen, der das Kind tatsächlich betreut.
" Praxishinweis: Im Falle des gemeinsamen Sorgerechts nach der Scheidung
sollten klare Vereinbarungen darüber getroffen werden, bei welchem Elternteil das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll und in welcher Höhe Kindes- und Betreuungsunterhalt von dem nicht betreuenden Elternteil zu zahlen ist.
Der Unterhaltsanspruch setzt voraus, dass ein gemeinschaftliches Kind betreut wird. Als gemeinschaftliches Kind gilt – das während der Ehe bis zu dessen rechtskräftiger Scheidung geborene Kind (§ 1593 i.V.m. § 1592 Nr. 1 BGB; Ausnahme bei Anerkennung durch Dritten nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags mit Zustimmung des Ehemannes, § 1599 Abs. 2 i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB); – das adoptierte Kind (§ 1754 Abs. 1 BGB); – das Kind, dessen Vaterschaft anerkannt worden ist (§ 1592 Nr. 2 BGB); – das Kind, dessen Vaterschaft festgestellt worden ist (§ 1592 Nr. 3 BGB); – das Kind, das während einer früheren durch Tod des Ehemannes aufgelösten Ehe gezeugt wurde und in der neu geschlossenen und später geschiedenen Ehe geboren wurde (§ 1593 Satz 3 BGB). Der Unterhaltsanspruch bezieht sich nur auf Kinder, die den Status der Ehelichkeit haben.51 Kein Betreuungsunterhalt kann deshalb für die Pflege und Erziehung von Pflegekindern und Stiefkindern sowie vor- und außerehelichen Kindern nur eines Ehegatten verlangt werden. Hier käme lediglich hilfsweise ein Anspruch gemäß § 1576 BGB aus Billigkeitsgründen zum Zuge. Betreut die Mutter ein gemeinsames nichteheliches, von ihrem früheren Ehemann stammendes Kind, richtet sich ihr Unterhaltsanspruch weder nach § 1570 BGB noch nach § 1576 BGB, sondern nach § 1615l BGB, der insoweit eine abschließende Regelung enthält.52 Minderjährige Kinder sind betreuungsbedürftig, wobei die Betreuungsbedürftigkeit mit zunehmenden Alter abnimmt. Die Betreuung eines Kindes beinhaltet die Pflege, d.h. die körperliche und gesundheitliche Versorgung des Kindes sowie seine Erziehung, d.h. die Förderung der geistigen und seelischen Entwicklung des Kindes zu einem selbständigen und verantwortungsbewussten Handeln.
51 BGH, FamRZ 1998, 426. 52 BGH, FamRZ 1997, 671, 673; OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2010 – 11 UF 532/09.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
439 Nach § 1570 Abs. 1 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch mindestens für die ersten drei Lebensjahre des Kindes, wenn der bedürftige Ehegatte das gemeinsame Kind pflegt und erzieht. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes ist der betreuende Elternteil nicht verpflichtet, erwerbstätig zu sein, denn in dem Lebensalter entwickelt das Kind seine Bindungsfähigkeit und ist besonders betreuungsbedürftig. Für diesen begrenzten Zeitraum hat sich der Gesetzgeber für einen Vorrang der elterlichen Betreuung entschieden.53 Die Dreijahresfrist entspricht im Regelfall dem Kindeswohl und ist deshalb Maßstab des Gesetzgebers, der auch für andere sozialstaatliche Leistungen eine Rolle spielt. So besteht während der ersten drei Lebensjahre des Kindes ein Anspruch auf Elternzeit (§ 15 BEEG) und Gewährung von Kindererziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung (§§ 3, 55, 56 SGB VI), dem betreuenden Elternteil, der ALG II bezieht, wird nicht zugemutet, erwerbstätig zu sein (§ 10 Abs. 3 SGB II) und ein Anspruch auf einen Kindergartenplatz besteht erst ab dem dritten Lebensjahr (§ 24 Abs. 1 SGB VIII). Der betreuende Elternteil kann sich während der ersten drei Jahre des Kindes frei entscheiden, ob er einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich ausschließlich der Betreuung seines Kindes widmet. Dies gilt selbst dann, wenn er vor der Trennung/Scheidung neben der Kindesbetreuung noch (teilweise) erwerbstätig war. Er kann die Tätigkeit jederzeit ohne unterhaltsrechtliche Nachteile aufgeben, denn während dieses Zeitraums besteht keine Erwerbsobliegenheit. Setzt der Ehegatte eine ausgeübte Erwerbstätigkeit fort oder beginnt bzw. erweitert er sie innerhalb der Dreijahresfrist, so handelt es sich um eine überobligatorische Erwerbstätigkeit, da er sie jederzeit ohne Rechtsnachteil aufgeben darf. Rechtsfolge einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist, dass Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit nur hinsichtlich eines nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrelevanten Teils als bedarfsprägende Einkünfte berücksichtigt werden (§ 1577 Abs. 2 BGB, vgl. Rn. 488).54 Ist der Unterhaltsverpflichtete der Auffassung, dass der kinderbetreuende Elternteil gleichwohl zur Erwerbstätigkeit verpflichtet ist, müssen besondere Gründe dafür vorliegen, dass ihn eine Erwerbsobliegenheit trifft. Ein solcher Grund kann z.B. sein eine besonders hohe Verschuldung der Eltern, die eingegangen wurde unter der Voraussetzung einer Doppelverdienerehe, so dass die Belange des Verpflichteten von besonderem Gewicht sind. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit bei dem Verpflichteten. 440 Für die Zeit ab Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes55 entfällt der Vorrang elterlicher Betreuung gegenüber anderweitigen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten und der Anspruch verlängert sich nur, soweit dies der Billigkeit entspricht. Billigkeitsgründe sind: – Kindbezogene Gründe, die sich aus Belangen des Kindes ergeben und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB).
53 BT-Drucks. 16/1830, S. 17; BT-Drucks. 16/6980, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, S. 17. BGH, FamRZ 200, 770, 2, Tz. 19 ff. 54 BGH, FamRZ 2009, 770, Tz. 21; 2009, 1391, 1395, Tz. 33; 2009, 1124, 1126, Tz. 25. 55 BGH, FamRZ 1997, 671, 673.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
– Ehe- und elternbezogene Gründe, die sich unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe ergeben (§ 1570 Abs. 2 BGB). Sowohl kind- als auch ehe- und elternbezogene Billigkeitsgründe sind Tatbestandsmerkmale eines einheitlichen Betreuungsunterhaltsanspruchs. Liegen kindbezogene Billigkeitsgründe vor, die immer an erster Stelle zu prüfen sind,56 verlängert sich der Anspruch, gleichermaßen können ehebezogene Billigkeitsgründe vorliegen, die ebenfalls ohne Weiteres den Anspruch verlängern (sog. Annexanspruch).57 Anders als die übrigen nachehelichen Unterhaltsansprüche muss der Anspruch nicht zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt bestehen. Denn während der Zeit der Minderjährigkeit kann – auch wenn über längere Zeit keine Unterhaltsbedürftigkeit bestand – jederzeit wieder ein Betreuungsbedarf z.B. durch Erkrankung des Kindes entstehen, der dann abzudecken ist. Rechtsfolge der Zumutbarkeit einer (teilweisen) Erwerbstätigkeit ab Vollendung des 3. Lebensjahres ist, dass Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in voller Höhe in die Unterhaltsberechnung eingestellt werden und keine Kürzung mehr wegen Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit gemäß § 1577 Abs. 2 BGB erfolgt. Dem Umfang der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit kommt eine Indizwirkung für deren Zumutbarkeit zu.58 Soweit eine (teilweise) Erwerbstätigkeit dadurch ermöglicht wird, dass Verwandte, z.B. die Eltern des betreuenden Elternteils, sich an der Betreuung des Kindes beteiligen, handelt es sich um freiwillige Leistungen, die nicht erbracht werden, um den Unterhaltspflichtigen zu entlasten.59 Die durch diese freiwillige Leistungen ermöglichten Einkünfte werden als Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit behandelt s. Rn. 367. Der Anspruch besteht, wenn keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, in Höhe des vollen Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB, Rn. 434a). Daneben besteht dann kein Aufstockungsunterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB. Anderes gilt, wenn der Berechtigte eine Teilzeitbeschäftigung ausübt. Dann ist der Anspruch nach § 1570 BGB in der Höhe begrenzt durch die Höhe des Arbeitsentgelts, das der Berechtigte bei Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit erzielen würde, abzüglich der erzielten Einkünfte, und erhöht sich auf den eheangemessenen Bedarf nach § 1573 Abs. 2 BGB.60 Entfällt der Betreuungsanspruch wegen Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes, verbleibt als Anschlussunterhalt der Aufstockungsunterhalt in der bisherigen Höhe, soweit nicht eine Beschränkung nach § 1578b BGB greift. Kann der Berechtigte nach Ausübung einer Teilerwerbstätigkeit wegen Erkrankung nicht mehr arbeiten, ergibt sich ein Anschlussunterhalt wegen Krankheit und Aufstockung nach §§ 1572 Nr. 2, 1573 Abs. 2 BGB, der in der Höhe jedoch begrenzt ist unter Berücksichtigung des bisher erzielten Einkommens aus Teilzeitbeschäftigung, wenn diese bereits nachhaltig gesichert war (Rn. 460). Anderenfalls besteht der Anspruch in Höhe des vollen Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB (s. auch Rn. 433, 434).
56 57 58 59 60
BGH, FamRZ 2009, 1391, 1393. BT-Drucks. 16/6980, S. 19. BGH, FamRZ 2009, 1391; OLG Düsseldorf, FamFR 2010, 82. BGH, FamRZ 2009, 1391, 1395. Der Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB besteht auch neben dem reformierten § 1570 BGB, s. BGH, FamRZ 2009, 406, 407.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
c) Verlängerung aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 BGB 440a Maßstab für die Fortdauer des Unterhaltsanspruchs nach § 1570 Abs. 1 BGB aus Billigkeitsgründen sind in erster Linie kindbezogene Gründe, die das stärkste Gewicht haben und und vorrangig zu prüfen sind.61 Kinder sind auch nach Vollendung des 3. Lebensjahres bis zum Beginn des Schulbesuchs noch vollumfänglich betreuungsbedürftig, mit zunehmendem Alter und Verselbständigung reduziert sich der Betreuungsbedarf. Der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, dass schon nach Ablauf der Dreijahresfrist eine ganztägige Betreuung durch einen Elternteil unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nicht mehr zwingend geboten ist und die Belange des Kindes i.d.R. auch gewahrt sind, wenn seine Pflege und Erziehung in anderer Weise als durch elterliche Betreuung sichergestellt werden kann, da sich eine Fremdbetreuung ab dem Alter nicht nachteilig auswirke.62 Aufgrund der Aufgabe des Vorrangs der elterlichen Betreuung ab dem 3. Lebensjahr sind für die Verlängerung des Anspruchs und zur Klärung der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit vorhandene Fremdbetreuungsmöglichkeiten vom betreuenden Elternteil zu klären und ggf. in dem Umfang wahrzunehmen, in dem sie mit den Belangen des Kindes und den Anforderungen der in Betracht kommenden beruflichen Tätigkeit vereinbar sind. § 1570 Abs. 1 BGB verlangt jedoch keinen abrupten, übergangslosen Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit, vielmehr ist ein gestufter Übergang möglich.63 Dieser soll sich jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht – wie nach dem bis zum 31.12.2007 angewandten Altersphasenmodell – allein an dem Alter des Kindes, sondern an den Kriterien des § 1570 Abs. 1 BGB orientieren,64 d.h. er soll individuell bestimmt werden unter Berücksichtigung der individuell vorhandenen Möglichkeiten der Fremdbetreuung sowie sonstiger kindbezogener Gründe, die die Zumutbarkeit einer ganztägigen Erwerbstätigkeit einschränken und für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen.65 In der Regel wird ein dreijähriges Kind den halb- oder ganztätigen Besuch des Kindergartens nach einer Eingewöhnungsphase akzeptieren, so dass – je nach Vereinbarkeit der örtlichen und zeitlichen Bedingungen der Fremdbetreuung mit denen der Arbeitssituation des betreuenden Elternteils – eine Erwerbstätigkeit in Betracht kommen wird. aa) Möglichkeiten der Fremdbetreuung Der betreuende Elternteil hat die Möglichkeiten der Fremdbetreuungsmöglichkeiten zu klären, wobei auf folgende Kriterien abzustellen ist: – Welche konkreten Fremdbetreuungsmöglichkeiten bestehen zu welchen Bedingungen? – Entsprechen sie den Bedürfnissen und Belangen des Kindes?
61 BGH, FamRZ 2009, 1124, 1126, Tz. 28; 2009, 770, 772, Tz. 24; 2009, 1191, 1193, Tz. 21. 62 BT-Drucks. 16/1830, S. 31 zur Begründung der Befristung von § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB. 63 BT-Drucks. 16/6980 (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur BT-Drucks. 16/1830), S. 18, 19; BGH, FamRZ 2009, 1391, 1393 f., Tz. 19, FamRZ 2009, 1124, 1126f. 64 Zur Anwendung des Altersphasenmodells im Rahmen von § 1570 BGB a.F. Rn. 443a; BGH, FamRZ 2009, 770, 773; 2009, 1124, 1127. 65 BGH, FamRZ 2009, 1124 ff.; 2008, 1739, 1748.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
– Sind sie zumutbar, verlässlich und mit der in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit vereinbar? Die Fremdbetreuungsmöglichkeit muss zumutbar sein, d.h. von ihrem Leistungsangebot her geeignet und in der Lage sein, das Kind nicht nur zu verwahren, sondern als Äquivalent elterlicher Betreuung auch zu fördern und zu erziehen. So sollte eine nachschulische Betreuung schulische Kompetenzen fördern durch Hilfestellung bei der Verarbeitung des Lernstoffes und Bearbeitung der Hausaufgaben und sich nicht nur auf eine Beaufsichtigung der Kinder im Sinne einer Verwahrung beschränken.66 In der Regel ist bei öffentlichen Betreuungsreinrichtungen davon auszugehen, dass sie eine kindgerechte Betreuung anbieten.67 Genügen die vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten diesen Anforderungen nicht, besteht auch keine Obliegenheit, das Kind fremdbetreuen zu lassen.68 Macht der betreuende Elternteil die unzureichende Qualität geltend, ist ein substantiierter Sachvortrag erforderlich, nicht ausreichend sind pauschale Einschätzungen. Die Zumutbarkeit bezieht sich auch auf wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie die örtliche und zeitliche Vereinbarkeit von Betreuungseinrichtung und Arbeitsstelle. Die Betreuungseinrichtung, sei es Kindergarten oder Hort, muss vor allem im Hinblick auf die in Betracht kommende Erwerbstätigkeit verlässlich sein. Zur Verlässlichkeit gehört, dass die Betreuung durchgängig gewährleistet sein muss, also auch in den Schulferienzeiten. Es müssen auch Betreuungsmöglichkeiten für den Fall der Erkrankung des Kindes bestehen, insbesondere im Kindergartenalter besteht eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit. Fehlt eine Möglichkeit der Kinderbetreuung durch Dritte oder sind die örtlichen und/oder zeitlichen Bedingungen der Fremdbetreuung für die in Betracht kommende Erwerbstätigkeit so ungünstig sind, dass keine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, hat der betreuende Elternteil auch nach Vollendung des 3. Lebensjahres einen ungeschmälerten Unterhaltsanspruch.69 Besteht die Möglichkeit einer halbtägigen verlässlichen Betreuung und lässt sich die für den betreuenden Elternteil in Betracht kommende Erwerbstätigkeit zeitlich und räumlich mit den Betreuungszeiten vereinbaren, verlängert sich der Anspruch ebenfalls, der dann in der Höhe geringer ausfallen wird, weil der betreuende Elternteil einen Teil seines Bedarfs durch eigene Einkünfte decken kann. Beispiel F betreut ihre 2-jährige Tochter und verlangt von M unbefristeten Betreuungsunterhalt. Sie will ihre Tochter ab dem 3. Geburtstag drei Mal in der Woche von 9–13 Uhr zur Betreuung in einen nahe gelegenen Miniclub geben, da die Entfernung zum Kindergarten, der nur eine Halbtagsbetreuung anbietet, für sie zu aufwendig wäre. Sie würde für die Fahrt zum Kindergarten eine Dreiviertelstunde und eine weitere Dreiviertelstunde zu ihrem Arbeitsplatz benötigen. Da die Tochter ab dem 5. Lebensjahr eine nahe gelegene Ganztagsschule mit Vorschule und Ganztagsbetreuung besuchen kann, will sie erst von dem Zeitpunkt an wieder erwerbstätig sein. F hat Anspruch auf Unterhalt über das 3. Lebensjahr hinaus.
Der Anspruch besteht ebenfalls fort, wenn das Kind ab Beginn der Schulpflicht nicht ganztägig bzw. halbtags mit ergänzender Betreuung im Hort betreut werden 66 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1394 Tz. 23; OLG Hamm, FamRZ 2009, 2092,2093 m. Anm. von Borth; KG, KGR Berlin 2009, 248–250 = FPR 2009, 254. 67 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1394, Tz. 22. 68 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1394, Tz. 22. 69 BGH, FamRZ 2009, 1049f, zu den Anforderungen an die Aufsichtspflicht von Eltern bei § 832 BGB.
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kann. Denn mindestens bis zum 15./16. Lebensjahr bedarf ein Kind, wenn es nicht ganztags die Schule besucht, noch in der schulfreien Zeit der Fürsorge durch Pflege und Erziehung. Der Umfang der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten hängt deshalb auch für diesen Lebensabschnitt des Kindes jeweils von den konkreten Fremdbetreuungsmöglichkeiten ab. So ist einer Flugbegleiterin, die zwei 11- und 14-jährige Kinder betreut, nur eine halbschichtige Erwerbstätigkeit zumutbar, da wegen anfallender Nachtschichten keine umfänglichere Fremdbetreuung möglich wäre.70 bb) Belange des Kindes Die Belange des Kindes geben auch Anlass für eine Verlängerung, wenn es in besonderem Maße betreuungsbedürftig ist und dem im Rahmen einer Fremdbetreuung nicht oder jedenfalls nicht durch eine ganztägige Betreuung Rechnung getragen werden kann. Eine besondere Betreuungsbedürftigkeit kann sich ergeben z.B. wegen besonderer Entwicklungsschwierigkeiten, die eine Betreuung im Kindergarten nicht oder nur beschränkt zulassen, wegen Erkrankungen (Häufung von Arztterminen), Verhaltensauffälligkeiten aufgrund einer konflikthaften Trennung der Eltern oder fortdauernder Streitigkeiten wegen des Umgangs. Besondere Begabungen können ebenfalls einen besonderen organisatorischen Betreuungsaufwand erfordern, der nicht im Rahmen einer ganztägigen Betreuung in einer Einrichtung geleistet werden kann, wie z.B. das Holen und Bringen zum Musik-, Sport- oder Ballettunterricht. Bei der Auslegung der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 1570 Abs. 1 BGB ist auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 6 Abs. 5 GG im Verhältnis zu § 16151 Abs. 2 Satz 3 BGB zu achten. d) Verlängerung aus ehe- und elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB 440b Nach § 1570 Abs. 2 BGB verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht. Mit dieser Verlängerungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass sich eine gesetzlich verordnete Fremdbetreuung von Kindern ab dem vierten Lebensjahr dann nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lässt, wenn eine Verlängerung der Betreuung durch einen Elternteil allein aus der Ehe gerechtfertigt sein kann.71 Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Der BGH bezeichnet diese Gründe als eltern- und nicht als ehebezogene Gründe, was zwar einen Gleichklang zur Auslegung von § 1615l Abs. 2 BGB herstellt, aber nicht die besondere Bedeutung der in § 1570 Abs. 2 BGB genannten Gründe, für die sich der Gesetzgeber ausdrücklich auf die nacheheliche Solidarität bezogen hat, hervorhebt. Da die ehebezogenen Gründe in § 1570 Abs. 2 BGB gegenüber den im Rahmen von § 1615l BGB beachtenswerten elternbezogenen Gründen eine eigenständige Bedeutung haben, werden hier beide Begriffe verwendet.
70 OLG Hamm, FamRZ 2009, 2093–2097. 71 BT-Drucks. 16/6980, S. 19.
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aa) Ehebezogene Gründe Da Ehegatten meist Kinder als besondere Erfüllung ihres Ehelebens verstehen, 440c kann die gemeinsame und im Vertrauen auf den Bestand der Ehe getroffene Entscheidung, dass sich ein Elternteil überwiegend der Kindesbetreuung widmen soll, im Falle der Scheidung nicht folgenlos bleiben. Im Rahmen von § 1570 Abs. 2 BGB können vor allem die Belange des betreuenden Ehegatten berücksichtigt werden, soweit im Vertrauen auf den Bestand der Ehe der Kinderwunsch verwirklicht wurde und er seine eigene berufliche Entwicklung auf die familiäre Situation eingestellt hat. So ist immer dann nacheheliche Solidarität gefordert, wenn ein Ehegatte im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft ganz oder teilweise aufgegeben oder zurückgestellt hat, was meist bei mehreren Kindern der Fall ist. Für die Billigkeitsabwägung im Rahmen von § 1570 Abs. 2 BGB ist deshalb von Bedeutung, wie die Betreuung nach der bisherigen Lebensplanung organisiert wurde und gegebenenfalls mit welchen längerfristigen Folgen für die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils dieser Plan bereits umgesetzt wurde oder umgesetzt werden sollte. Zwar wird der Unterhaltspflichtige aufgrund des Scheiterns der Ehe nicht auf Dauer daran festgehalten werden können, wenn z.B. bei nur einem gemeinsamen Kind geplant war, dass die Ehefrau neben der Kindesbetreuung keine Erwerbstätigkeit ausübt. Bei mehreren Kindern hingegen und bei einer längeren Dauer der Ehe wird dies eher der Fall sein. Insoweit kann ein stufenweiser Übergang die Möglichkeit zu einem angemessenen Interessenausgleich bieten, der das Interesse des betreuenden Elternteils an einer fairen Chance der Wiedereingliederung in den Beruf, unter Berücksichtigung der Belastung durch die Kindesbetreuung, und dem Interesse des Verpflichteten an einer finanziellen Entlastung Rechnung trägt. Die Frage der Zumutbarkeit stellt sich auch unter dem Gesichtspunkt, welche gemeinsamen Vorstellungen für die Erziehung des Kindes maßgeblich waren und welcher Stellenwert ihnen nach der Scheidung der Ehe noch zukommt. Denn was Eltern einmal gemeinsam für die Entwicklung ihres Kindes für richtig befunden haben, verliert nicht ohne Weiteres seine Gültigkeit mit der Scheidung der Ehe.72 Haben Eltern eine private Grundschule für ihre Kinder gewählt, die eine aktive Mitarbeit der Eltern verlangt und hat sich z.B. die Mutter für einen bestimmten Zeitraum dafür beurlauben lassen, würde es nicht der Billigkeit entsprechen, die Mutter auf eine Erwerbstätigkeit zu verweisen, es sei denn, die finanziellen Verhältnisse verlangen es. Auch die Planung, ein Kind mit hohem elterlichen Einsatz zu fördern, kann einer teilweisen oder vollen Erwerbstätigkeit entgegenstehen, wenn die Mutter z.B. Pianistin ist und das Kind unterrichtet, wobei in den beiden letztgenannten Fällen auch Belange des Kindes für eine Verlängerung sprechen würden. Bei der Billigkeitsabwägung ist die Dauer der Ehe ebenfalls von Bedeutung. Je länger die Ehe gedauert hat, desto stärker wird das schützenswerte Vertrauen in den Bestand und die Erhaltung der gewählten Betreuungssituation sein. So ist einem Ehegatten, der im Interesse der Kinderbetreuung auf eine eigene berufliche Entwicklung verzichtet oder diese zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch einzuräumen als einem Ehegatten, der alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte.73 72 A.A. Borth, UÄndG, S. 58. 73 BT-Drucks. 16/6980, S. 19 (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu BTDrucks. 16/1830).
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Ebenso spielen die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rolle. Bei großzügigen Verhältnissen lässt sich das Vertrauen in die Fortsetzung der bisher gehandhabten Kinderbetreuung eher schützen, als bei finanziell engen Verhältnissen, wenn hohe, gemeinsam eingegangene Verbindlichkeiten bestehen. 440d Schließlich ist für die Verlängerung des Anspruchs von Bedeutung, welche Anforderung an die Erwerbsobliegenheit zu stellen ist, damit die Betreuung und Erziehung des Kindes in Verbindung mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht zu einer unzumutbaren Belastung für den betreuenden Elternteil führt.74 Dabei ist bei der Bewertung mitzuberücksichtigen, dass nach dem Scheitern der Ehe die Lasten einer gemeinsam begründeten Verantwortung für ein Kind angemessen und fair zwischen den geschiedenen Ehegatten zu verteilen sind. Dazu gehört, dass der die Pflichten der Betreuung des Kindes übernehmende Ehegatte neben der Erwerbstätigkeit, der Bewältigung entsprechender Fahrtwege zum Abholen und Bringen des Kindes in die Einrichtung und zum Arbeitsplatz, der Haushaltsführung noch Kraft und Zeit haben muss, den Bedürfnissen des Kindes und eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden.75 Beispiel M und F haben zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren. Beide Kinder besuchen in der Zeit von 9–13 Uhr den Kindergarten. M ist ganztags berufstätig, F halbtags. Bis zur Trennung hat M die Kinder morgens in den Kindergarten gebracht und F sie am Mittag abgeholt. Nach der Trennung hört F auf zu arbeiten und verlangt nach der Scheidung unbefristeten, vollen Unterhalt. M verlangt die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit. F muss nachvollziehbar darlegen, warum sie aufgehört hat zu arbeiten. Verlängerungsgründe können hier sein, dass die Kinder wegen der Trennung einer stärkeren Fürsorge bedürfen; dass die Ausübung der Tätigkeit nur möglich wäre durch unzumutbare, nicht den Erziehungsvorstellungen der Ehegatten entsprechende Ausweitung der Betreuung im Kindergarten, weil F die Kinder jetzt selbst morgens in den Kindergarten bringen muss; dass F gesundheitlich überfordert wäre, weil die Anforderungen an die Haushaltsführung bei zwei Kindern für einen alleinerziehenden Elternteil zeitaufwendiger sind.
Im Grundsatz gilt für die anzustellenden Billigkeitsabwägung in allen Fällen, dass neben den Belangen des Kindes, seiner Abhängigkeit von elterlicher Betreuung und der Gestaltung der Betreuung während der Ehe, auch jeweils mit zu bedenken ist, in welchem Maße und auf welche Weise Fremdbetreuung möglich und zumutbar ist, damit das Kindeswohl gewahrt, die Lasten einer gemeinsam begründeten Verantwortung nicht einseitig dem Betreuenden auferlegt werden und beide Ehegatten langfristig wirtschaftlich voneinander unabhängig werden können. bb) Beispiele aus der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit 440e Die Instanzgerichte halten – wohl überwiegend – eine Ganztagstätigkeit etwa bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht für zumutbar, selbst wenn das Kind ganztägig betreut werden kann, weil dies für den betreuenden Elternteil mit einer 74 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1748 f. (zu § 1615l BGB); 2009, 1124, 1127; 2009, 770, 773; 2009, 1391, 2395; Borth ordnet diesen Grund den kindbezogenenen Belangen nach § 1570 Abs. 1 S. 3 BGB zu, FamRZ 20009, 960, 961 (Anm. zu BGH FamRZ 2009, 770 ff.) und FamRZ 2009, 1129, Anm. zu BGH, 2009, 1124 ff. 75 OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522, 523.
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nicht zumutbaren Belastung verbunden wäre.76 Denn er müsste nach einer ganztägigen Arbeit sowohl den Belangen des Kindes gerecht werden als auch Einkäufe erledigen, den Haushalt besorgen und Mahlzeiten bereiten, ohne dass ihm darüber hinaus noch Zeit zur Verfügung stünde, eigenen Bedürfnissen nachzugehen.77 Ausgehend vom Grundsatz der Obliegenheit zur Ganztagsbeschäftigung ab Vollendung des 3. Lebensjahres befassen sich die Entscheidungsgründe ausführlich mit den Gründen, die für und gegen eine Verlängerung sprechen. Dabei wird i.d.R. auf die konkreten Besonderheiten des Falles eingegangen, die Begründungen beruhen aber gleichermaßen auf Erfahrungswerten über die typischen Bedürfnisse von Kindern in bestimmten Altersphasen und setzen sich damit auseinander, inwieweit es dem Unterhaltsberechtigten zumutbar ist, nach Ausübung einer Ganztagsbeschäftigung die nach der Fremdbetreuung noch anfallende Pflege und Erziehung des Kindes neben der ebenfalls anfallenden Hausarbeit, den Einkäufen und der Zubereitung von Mahlzeiten zu bewältigen. Dabei ergibt sich die Ablehnung einer Ganztagsbeschäftigung aus der Einschätzung, dass der betreuende Elternteil – will er die kindlichen Bedürfnisse angemessen befriedigen – überfordert wäre und die Lasten einer gemeinsam eingegangenen Verantwortung fair zu verteilen sind. Betreuung von Kindern im Alter von 3–6 Jahren (Kindergartenalter) – Ist nur ein Kind im Kindergartenalter zu betreuen, ist eine Ganztagsbeschäftigung nicht zumutbar. Eine Teilzeitarbeit hingegen kann erwartet werden. – OLG Köln FamRZ 2009, 2011: 1 Kind 6 Jahre, Ganztagskindergartenbetreuung möglich. – OLG Brandenburg, FPR 2009, 247: 30 Stunden pro Woche, Kind 3 Jahre alt, zu § 1361 BGB. Betreuung von schulpflichtigen Kindern – KG, FPR 2009, 254: keine Obliegenheit ein Kind, 8 Jahre, ganztags fremdbetreuen zu lassen zwecks vollschichtiger Erwerbstätigkeit im Hinblick auf eheliche Handhabung und notwendige elterliche Betreuung nach der Schule wegen fehlender qualitätsvoller nachschulischer Betreuung. – OLG Köln, FamRZ 2009, 2011, 2012: keine Ganztagsbeschäftigung zumutbar trotz Fremdbetreuung des 6-jährigen Kindes bis 16.00 Uhr, da die Arbeit früher beendet werden muss, um das Kind abholen zu können, im Übrigen aus elternbezogenen Gründen. – KG, FamRZ 2009, 336: 2 Kinder 7 und 11 Jahre alt, mehr als eine Teilzeitbeschäftigung ist auch bei Ganztagsbetreuung der Kinder nicht zumutbar. – OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522: keine Obliegenheit zur Ganztagsarbeit trotz Ganztagsbetreuung des 11-jährigen Kindes, das gerade auf das Gymnasium gewechselt hat.78 – OLG Düsseldorf, FPR 2009, 594:79 Neben der Betreuung von zwei 11 Jahre und 14 Jahre alten Schulkindern ist der Betreuungselternteil aus elternbezogenen 76 Ebenso die Einschätzung von Reinken, FPR 2010, 125 ff. 77 OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 522, 523. 78 Die Entscheidung setzt sich mit dem Bedürfnis nach Pauschalierung auseinander unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2008, 1739. 79 Kritisch dazu Griesche, FamFR 2010, 46, der im Hinblick auf die Rspr. des BGH Auseinandersetzung mit konkretem Sachverhalt vermisst.
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Gründen auch dann noch nicht zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn die Kinder nach der Schule ganztägig in einer geeigneten Tagespflegestelle betreut werden könnten. – OLG Braunschweig, FamRZ 2009, 977, 979: Nur Halbtagstätigkeit zumutbar bei Betreuung eines 13- und 15-jährigen Kindes, das an ADS leidet und aus ehebezogenen Gründen. – OLG Hamm, FamRZ 2009, 976: Keine Obliegenheit zur Ganztagsbeschäftigung bei Betreuung eines 17-jährigen Jungen, der massive Verhaltensauffälligkeiten zeigt. In den Leitlinien geben einige OLG unter Nr. 17.1 konkrete Hinweise auf Kriterien für die Billigkeitsentscheidung. Dazu gehören u.a. Umfang und Belastung durch die neben der Erwerbstätigkeit für den betreuenden Elternteil anfallende Kinderbetreuung, wofür Alter und Anzahl der Kinder von Bedeutung sind.80 Das OLG Hamm geht davon aus, dass bei einem Kind vom 3. bis 10. Lebensjahr bei vorhandenen verlässlichen Fremdbetreuungsmöglichkeiten eine teilschichtige Erwerbstätigkeit in Betracht kommt, deren konkreter Umfang davon abhängt, wie sich die möglichen Arbeitszeiten einschließlich der Fahrtzeiten mit der Fremdbetreuung vereinbaren lassen (Nr. 17.1.1 der LL). e) Darlegungs- und Beweislast 441 Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1570 BGB trägt der betreuende Elternteil.81 Während der ersten drei Lebensjahre besteht wegen des Vorrangs der Elternbetreuung innerhalb dieser Zeitspanne keine Erwerbspflicht und damit auch keine Notwendigkeit auf vorhandene Betreuungsmöglichkeiten einzugehen. Bei einem zu betreuenden Kind im Alter vom 3. bis 15./16. Lebensjahr sind hingegen die Gründe, die für eine Verlängerung aus Billigkeitsgründen sprechen, näher darzulegen, denn der Vorrang elterlicher Betreuung ist zugunsten der Fremdbetreuung aufgegeben und es besteht für den betreuenden Elternteil eine Obliegenheit ganztags erwerbstätig zu sein. Die Verlängerung des Anspruchs über das 3. Lebensjahr hinaus bedarf deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Begründung.82 Bestreitet der Unterhaltspflichtige die Erforderlichkeit einer Verlängerung des Anspruchs über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus, muss der Anspruchsteller beweisen, aus welchen Gründen es der Billigkeit entspricht, dass er nicht oder nur teilweise wegen der Betreuung des Kindes erwerbstätig ist. Soweit gesundheitliche Gründe bezogen auf das Kind zur Begründung vorgetragen werden, genügt ein einfaches Bestreiten des Unterhaltspflichtigen, der die elterliche Sorge mit ausübt, nicht aus.83 Der Sachvortrag des Unterhaltsberechtigten sollte sich sowohl zu den kind- als auch ehe- und elternbezogenen Gründen äußern, weshalb wegen der Pflege und 80 So OLG Hamm, Nr. 17.1 Stand 1.1.2010. Hinweise enthalten auch die LL der OLG Köln, Braunschweig, Schleswig, s. dazu die Übersicht von Riegner zu den LL in FPR 2010, 129 ff. 81 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1748, Tz. 97; 2009, 1391, 1393; 2010, 444, Tz. 27; 2010, 357, Tz. 49. 82 BGH, FamRZ 2009, 1391,1393; 2010, 444 Tz. 27; 2010, 357, Tz. 49. 83 BGH, FamRZ 2009, 1391, Tz. 29.
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Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht und nur in einem beschränkten Umfang erwartet werden kann: Dazu gehören folgende Gesichtspunkte: – Alter und Anzahl de(s)r gemeinsamen Kinde(s)r – bisherige Betreuungssituation (Beteiligung der Ehegatten an der Betreuung des Kindes und Erwerbstätigkeit) – bestehende Betreuungsmöglichkeiten (Kindergarten, Schule, Hort jeweils mit konkreten Angaben zum Standort und zu den Öffnungs- und Schließzeiten usw.) – Anforderungen an adäquate Betreuung für das Kind (Behinderung, Begabung, Gesundheitszustand) – Erwerbsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der konkreten Betreuungsangebote – Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit im Hinblick auf eine frühere Lebensplanung der Eltern, das Kindeswohl (Entwicklungsstand des Kindes, Notwendigkeit von Förderungsmaßnahmen, Reaktionen des Kindes auf Trennung und Scheidung usw.), die Gesundheit des Anspruchstellers, die Anforderung der Erwerbstätigkeit bezogen auf Zeitaufwand für Anfahrtswege, Anforderung an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit Nicht mehr anwendbar sind nach der Rechtsprechung des BGH die zu § 1570 BGB a.F. entwickelten Grundsätze zur Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit in Abhängigkeit von Alter und Anzahl der Kinder (sog. Altersphasenmodell, vgl. Rn. 443a).84 Der BGH lehnt darüber hinausgehend auch die Anwendung eines Altersphasenmodells in modifizierter Form ab, nach dem z.B. eine Teilzeitarbeit ab dem Kindergartenalter bei einem Kind zumutbar ist, und begründet dies mit einem entsprechenden Willen des Gesetzgebers.85 Tatsächlich lässt sich jedoch der Gesetzesbegründung eine generelle Ablehnung eines Altersphasenmodells nicht entnehmen, denn darin heißt es: „Bei der Auslegung von § 1570 BGB … wird dies etwa dazu führen, dass das bisherige von der Rechtsprechung entwickelte ‚Altersphasenmodell‘, ab welchem Alter des Kindes dem betreuenden Elternteil einer Erwerbstätigkeit zumutbar ist, neu zu überdenken und zu korrigieren ist. Künftig wird verstärkt darauf abgestellt werden müssen, inwieweit aufgrund des konkreten Einzelfalls und der Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine (Teil-)Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung erwartet werden kann.“86 Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem reformierten Unterhaltsrecht spricht hingegen viel für die Bildung pauschalierender Fallgruppen zur Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit kinderbetreuender Eltern, zumal die Statistiken belegen, dass sich die Mehrzahl kinderbetreuender Eltern – dies gilt auch für Alleinerziehende – für eine Teilzeitbeschäftigung entscheidet, solange die Kinder den Kindergarten und die Grundschule besuchen.87 Auch liegt auf der 84 BT-Drucks. 16/1830, S. 17; ständige Rechtsprechung, s. u.a. BGH, FamRZ 2009, 1124, 1127, Tz. 33; 2009, 770, 773, Tz. 28; Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050, Tz. 25. 85 BGH, FamRZ 2009, 770, 773 mit Anm. von Borth, S. 961; BGH, FamRZ 2009, 1124, 1127, Tz. 37 mit kritischer Anm. v. Borth, S. 1129. 86 BT-Drucks. 16/1830, S. 16. 87 Krone/Stöbe-Blossey, FPR 2010, 137 ff.: Die Quote der Teilzeitbeschäftigung der Mütter liegt bis zum Alter von 3–10 Jahren in den alten Bundesländern bei 81 % und in den neuen Bundesländern bei 46 %.
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Hand, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung neben der Betreuung von Kindern, die noch auf Nähe und Beaufsichtigung bzw. werteorientierte Erziehung angewiesen sind, der betreuende Elternteil gegenüber dem nichtbetreuenden Elternteil unzumutbar belastet wird. Denn er soll nach Beendigung seiner Vollzeitbeschäftigung, dem Abholen und Bringen des Kindes in eine Einrichtung oder zu sportlichen/ musischen Aktivitäten noch den Haushalt und Einkäufe erledigen, gleichzeitig aber auch den Belangen des Kindes gerecht werden.88 Allerdings lehnt der BGH auch insoweit jede Pauschalierung ab und geht von der Notwendigkeit eines konkreten und substantiierten Vortrags zur Überlastung aus.89
" Praxishinweis: Wird der Anspruch unbefristet zugesprochen (Rn. 441a),
kann der Unterhaltspflichtige mit dem Abänderungsverfahren (Rn. 842 ff.) aufgrund veränderter Umstände (Veränderung der Betreuungsbedürftigkeit – umfänglichere Erwerbsobliegenheit) die Herabsetzung bzw. den Wegfall der Unterhaltspflicht beantragen. Es ist dann Sache des Berechtigten, die Voraussetzungen für die Fortdauer der Unterhaltsberechtigung darzulegen und zu beweisen. Der Verpflichtete ist mit seinem Vorbringen nicht präkludiert,90 weil die Änderung des Betreuungsbedarfs zum Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses des Erstverfahrens noch nicht eingetreten war und eine gesicherte Voraussehbarkeit gerade nicht gegeben war. Der Abänderungsantragsteller trägt die Behauptungslast, der aus dem Titel Berechtigte die Beweislast für die Tatsachen, die die Fortdauer des Unterhaltsanspruchs begründen.91
f) Befristung, Herabsetzung und Beendigung des Betreuungsunterhaltsanspruchs 441a Der Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 BGB ist im Regelfall nicht zu befristen.92 Eine Pflicht zur zeitlichen Begrenzung des Anspruchs ergibt sich weder aus dem Gesetz selbst, noch aus § 1578b BGB. Zwar legt die Aufspaltung des Anspruchs in einen Basisunterhalt von 3 Jahren und verlängerten Unterhalt aus kind- und ehebezogenen Billigkeitsgründen nahe, jeweils in Anknüpfung an den Verlängerungsgrund eine Befristung auszusprechen, soweit absehbar ist, dass der Verlängerungsgrund wegfallen wird. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch nicht explizit aus dem Gesetz und sie ist auch weder durch das Interesse des Unterhaltspflichtigen an einer Klarheit seiner unterhaltsrechtlichen Verantwortlichkeit, noch aus sonstigen Gründen geboten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Betreuungsunterhalt während der ersten drei Jahre und einem sich daran anschließenden weiteren Unterhalt um einen einheitlichen An88 Lenze kritisiert zutreffend, dass damit die überobligatorische Leistung – volle Erwerbsarbeit und Kindererziehung – nach neuem Recht zur Pflicht wird, FamRZ 2009, 1724, 1729. 89 BGH, Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050, Tz. 36. 90 So die Befürchtung von Schramm, NJW-Spezial 2007, 596, 597; anders Borth, UÄndG, S. 73 unter Hinweis auf BGH, FamRZ 1990, 496, MünchKomm. ZPO/Gottwald, § 323 ZPO Rn. 80. 91 Dose, JAmt 2009,1; Liceni-Kierstein, FPR 2010, 140, 155; Zöller/Vollkommer, 27. Aufl., § 323, Rn. 32. 92 BGH, FamRZ 2009, 770, 774; Borth, FamRZ 2008, 2, 10; Borth, UÄndG, Rn. 81 ff.; Menne/Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, S. 54; Menne, FamRB, 2008, 210; PeschelGutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, Rn. 57 (zu § 1570 Abs. 2 BGB); z.B. Schramm, NJWSpezial 2007, 596, 597; Hauß, FamRB 2007, 367, 370.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
spruch handelt, der nur zu begrenzen ist, wenn schon im Zeitpunkt der Entscheidung eindeutig erkennbar ist, dass weder kind- noch eltern- und ehebezogene Gründe für eine Verlängerung vorliegen.93 Es entspräche im Übrigen auch nicht dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität, auf den die Verlängerung nach § 1570 Abs. 2 BGB maßgeblich abstellt, den Unterhaltsanspruch zu befristen94 und dem betreuenden Elternteil einseitig das Risiko einer prozessualen Durchsetzung aufzubürden für den Fall, dass er – anders als prognostiziert – z.B. nicht erwerbstätig sein könnte, weil das Kind keinen Platz in einer Ganztagsschule bekommt oder Entwicklungsverzögerungen einen besonderen Betreuungsbedarf begründen. Denn zur nachehelichen Solidarität einer gemeinsam begründeten Verantwortung für das Kind gehört auch, dass die wirtschaftlichen Grundlagen der Betreuungssituation so zu sichern sind, dass der betreuende Elternteil seine eigene Elternverantwortung zuverlässig wahrnehmen und dem Kind für seine Entwicklung eine stabile Betreuungs- und Lebenssituation bieten kann.95 Ebenso wenig kommt eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs aus § 1578b BGB in Betracht. Da schon im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 1570 BGB über die Verlängerung des Unterhalts alle kind-, eltern- und ehebezogenen Gründe bereits geprüft werden, ist für eine erneute Billigkeitsprüfung nach § 1578b BGB kein Raum, denn sie kann nicht zu einem anderen Ergebnis als nach § 1570 BGB führen.96 Die Herabsetzung vom eheangemessenen Bedarf auf den angemessenen Bedarf des Unterhaltsberechtigten ist grundsätzlich aus Billigkeitsgründen nach § 1578b Abs. 1 BGB möglich. Dies setzt einerseits voraus, dass die notwendige Erziehung gemeinsamer Kinder trotz des abgesenkten Bedarfs weiter sichergestellt und das Kindeswohl nicht beeinträchtigt ist, andererseits eine fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an dem eheangemessenen Bedarf unbillig ist.97 Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt erlischt mit der Beendigung der Pflege 442 und Erziehung des Kindes. Dies ist spätestens mit dem Ende der Minderjährigkeit der Fall. In der Regel geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Kind ab dem 15. bzw. 16. Lebensjahr so selbständig ist, dass der betreuende Elternteil einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Entfällt dann der Betreuungsunterhaltsanspruch, kann bei fortdauernder Bedürftigkeit Anschlussunterhalt in Betracht kommen, s. Rn. 438.
" Praxishinweis: Wird Unterhalt vor dem 3. Lebensjahr des Kindes geltend ge-
macht und ist absehbar, dass über das 3. Lebensjahr hinaus fortdauernder Unterhaltsbedarf besteht, sollten sämtliche kind- und ehebezogenen Gründe für eine Verlängerung (Rn. 441) rechtzeitig mitgeteilt, ggf. im Prozess substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen werden. Denn ob die Gerichte den Unterhaltsanspruch von vornherein unbefristet zusprechen werden, ist ungewiss. Wird der Unterhalt unbefristet tituliert, und klagt der Unterhaltsverpflichtete gegen das Weiterbestehen der Zahlungsverpflichtung, ist der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass nach wie
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BGH, FamRZ 2008, 770, 774, Tz. 41. Ebenso Borth, FamRZ 2008, 2, 10; a.A. Hauß, FamRB 2007, 367 ff. BVerfG, FamRZ 2007, 965, 970 m.w.N.; BVerfGE 66, 84, 94. BGH, FamRZ 2009, 770, 774. BGH, FamRZ 2009, 1391, 1397, Tz. 50; 2009, 770, 774, Tz. 44; OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 301.
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vor die Voraussetzungen eines verlängerten Anspruchs wegen Kindesbetreuung oder die Voraussetzungen eines Anschlussunterhalts bestehen. Sollte ihm dies nicht möglich sein, ist es zur Vermeidung eines Rechtsstreits ratsam, gegenüber dem Verpflichteten auf seine Rechte aus dem Titel zu verzichten und diesen herauszugeben. 443 Es muss auch kein Unterhalt mehr gezahlt werden, wenn der unterhaltsbedürftige geschiedene Ehegatte, der ein gemeinsames Kind betreut, eine neue Ehe eingeht. Wird die neue Ehe geschieden, lebt der Anspruch wieder auf, sofern das Kind aus der früheren Ehe noch betreuungsbedürftig ist (§ 1586a Abs. 1 BGB). Endet die Pflege und Erziehung des Kindes, kommt ein Anschlussunterhalt gemäß §§ 1571 bis 1573 und 1575 BGB seit 1.1.2008 nicht mehr in Betracht. § 1586a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ist ersatzlos gestrichen worden. Ist aus der neuen Ehe ebenfalls ein Kind hervorgegangen, das der Unterhaltsberechtigte betreut, haftet der Ehegatte aus der später aufgelösten Ehe vor dem Ehegatten aus der früheren Ehe (§ 1586a Abs. 2 BGB). g) Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach altem Recht (§ 1570 BGB a.F.) 443a Wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 ist § 1570 BGB a.F. anwendbar. Danach besteht Anspruch auf Betreuungsunterhalt, solange und soweit von ihm wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit sind letztlich maßgeblich die individuellen Umstände des Einzelfalles. Allerdings kann insoweit auf das vom BGH und den Oberlandesgerichten zur Vereinfachung der Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit entwickelte sog. Altersphasenmodell zur Orientierungshilfe zurückgegriffen werden. Maßgebend sind für die Bestimmung der Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit jedoch immer die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls. Grundsätze zur Erwerbsobliegenheit hinsichtlich des Alters und der Anzahl der Kinder nach dem Altersphasenmodell – Stand 1.7.200798 Umfang der Erwerbsobliegenheit bei einem Kind – Mindestens bis zum Abschluss des 2. Grundschuljahres, d.h. i.d.R. bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes, besteht eine völlige Freistellung von der Erwerbsobliegenheit.99 – Ob eine Erwerbsobliegenheit bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres (bis zur Vollendung des 4. Schuljahres) besteht, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.100 – Zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr ist i.d.R. eine Teilzeitarbeit, die nicht den Umfang einer Halbtagsbeschäftigung haben muss, zumutbar.101 – Ab dem 16. Lebensjahr ist i.d.R. eine volle Erwerbstätigkeit zumutbar.102 98 Vgl. dazu die Leitlinien der OLG Nr. 17, Stand 1.7.2007. 99 So BGH, FamRZ 1983, 456, 458; 1987, 787, 788; 1992, 1403; 1995, 291 und überwiegend die Richtlinien der OLG. 100 BGH, FamRZ 1989, 487. 101 BGH, FamRZ 1982, 148; 1984, 769. 102 Vgl. BGH, FamRZ 1984, 149 f.; 1985, 50, 51 sowie einige Richtlinien der OLG.
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Umfang der Erwerbsobliegenheit bei 2 schulpflichtigen Kindern Eine Teilzeitbeschäftigung kommt nicht vor Vollendung des 14. oder 15. Lebensjahres eines der beiden Kinder in Betracht.103 Umfang der Erwerbsobliegenheit bei 3 und mehr Kindern Je nach dem Alter der betreuungsbedürftigen Kinder, insbesondere des jüngsten Kindes, kann eine Erwerbstätigkeit völlig ausgeschlossen sein. Umfang der Erwerbsobliegenheit bei volljährigen Kindern Bei volljährigen Kindern besteht kein Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt, es sei denn, es besteht wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung eines Kindes eine besondere Pflegebedürftigkeit. Der Vorteil des Altersphasenmodells besteht darin, dass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Beweisführungslast für die Phasen, in denen das Modell das Maß der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes festlegt, umkehrt. So muss der Unterhaltsberechtigte, der ein sechsjähriges Kind betreut, nicht darlegen, aus welchen Gründen er nicht erwerbstätig ist. Beruft sich der Verpflichtete auf eine Erwerbsobliegenheit des anderen Elternteils, ist es an ihm, substanziiert darzulegen und zu beweisen, aus welchen Gründen ausnahmsweise einer Erwerbsobliegenheit trotz der Betreuung eines sechsjährigen Kindes besteht. 2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit 444 von ihm zum Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder 3. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1572 und 1573 wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann (§ 1571 BGB). a) Anspruchsvoraussetzungen Der Anspruch setzt eine altersbedingte Unterhaltsbedürftigkeit voraus, d.h. dass wegen des Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann, und die Unterhaltsbedürftigkeit zu einem der genannten Einsatzzeitpunkte vorliegt. Im Gesetz ist keine feste Altersgrenze angegeben, von der an eine Erwerbstätig- 445 keit nicht mehr erwartet werden kann. Richtlinien zur Bestimmung der Altersgrenze sind von den Gerichten nicht entwickelt worden. Die Rechtsprechung geht regelmäßig davon aus, dass ab der in der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenversorgung maßgeblichen Regelaltersgrenze von 65 Jahren eine Erwerbsobliegenheit nicht mehr besteht.104 Die Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre wirkt sich erst auf die nach dem 31.12.1946 geborenen Versorgungs103 BGH, FamRZ 1997, 875; 1996, 1067. 104 BGH, FamRZ 1993, 43.
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berechtigten aus und dies auch nur in einer schrittweisen Anhebung der Altersgrenze beginnend ab dem 1.1.2012 (§ 235 Abs. 2 SGB VI). Für selbständig Erwerbstätige, für die keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht besteht, gibt es an sich keine Altersgrenze, insoweit kann die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch als Maßstab dienen. Allerdings ist bei Freiberuflern und Unternehmern eine über die Altersgrenze hinausgehende Tätigkeit verbreitet, so dass die Entscheidung, ob eine Erwerbstätigkeit dem Selbständigen zumutbar ist, letztlich vom Einzelfall und insbesondere von der Gesundheit und der wirtschaftlichen Notwendigkeit abhängt. Sie wird zu bejahen sein, wenn z.B. nur eine unzureichende Altersversorgung besteht. Ist eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar und wird sie gleichwohl ausgeübt, richtet sich die Berücksichtigung der Einkünfte für die Bedarfsberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen über Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, s. Rn. 489, 515. Ruhestandsregelungen, bei denen die Versorgungsträger aus sozialpolitischen Gründen die Altersgrenzen bei bestimmten Sachlagen vorgezogen haben (z.B. 60 Jahre für Frauen gemäß § 237a SGB VI oder gemäß § 237 SGB VI für Männer und Frauen wegen Arbeitslosigkeit), sind nicht verbindlich für die Anwendung von § 1571 BGB.105 Sie spielen aber eine Rolle für die Frage, ob in der Berufssparte, in der der Unterhaltsberechtigte seine angemessene Tätigkeit ausgeübt hat, typischerweise von einem bestimmten Alter an eine angemessene Arbeit nicht mehr gefunden werden kann. Unterhaltsrechtlich ebenfalls nicht zwingend sind vorgezogene Altersgrenzen, wie sie im öffentliche Dienst für bestimmte Aufgabenbereiche geregelt sind, wie z.B. für Feuerwehrleute und Polizisten. Maßgeblich ist unterhaltsrechtlich, ob im Einzelfall vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Gesundheitszustand und Arbeitsmarktlage noch eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit besteht. 446 Ist die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 Jahren noch nicht erreicht und macht der Unterhaltsbedürftige Unterhalt wegen Alters geltend, stellt sich deshalb immer die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. Zumutbar ist nur die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit, denn gemäß § 1574 Abs. 1 BGB braucht der geschiedene Ehegatte nur eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen (§ 1574 Abs. 2 BGB, s. Rn. 434e). Der Unterhaltsberechtigte muss gegenüber dem Verpflichteten im Einzelnen darlegen, aus welchen Gründen er eine in Betracht kommende Erwerbstätigkeit wegen seines Alters nicht mehr ausüben kann oder welche Gründe einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen. Soweit die Ausübung einer früheren Tätigkeit im Hinblick auf sein Alter zwar objektiv möglich, aber nach den ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre, ist es Sache des Berechtigten, dies anhand der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse unter den verschiedensten Aspekten, wie Dauer der Ehe, Anzahl der Kinder, berufliche Entwick-
105 BGH, FamRZ 1999, 708, 710.
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lung der Ehegatten, wirtschaftliche Verhältnisse, Lebensplanung etc. nachvollziehbar darzustellen.106 Nur wenn der geschiedene und noch nicht 65-jährige Ehegatte keine angemessene Arbeit mehr findet oder die Ausübung einer solchen im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre und es wegen seines Alters auch nicht mehr sinnvoll ist, ihn zunächst auf seine Verpflichtung zu verweisen, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen (§ 1574 Abs. 3 BGB), kann Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB in Betracht kommen. Ein Anspruch nach § 1571 BGB besteht auch, wenn der Ehegatte altersbedingt nur noch eine Teilzeitarbeit ausüben kann. Keinen Anspruch nach § 1571 BGB hat, wer aus Altersgründen seine Arbeit reduziert und z.B. Altersteilzeit in Anspruch nimmt ohne anerkennenswerten Grund. Anerkennenswerte Gründe können sein z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, die wirtschaftlichen Verhältnisse107 und die frühere Lebensplanung der Ehegatten. Das Alter von z.B. 63 Jahren reicht für sich genommen für die Reduzierung einer angemessenen Arbeit nicht aus.108 Beispiele – Die 50-jährige F, eine gelernte Schneiderin, war während der 20-jährigen Ehe nicht berufstätig. Da M als Tierarzt über ein mtl. Nettoeinkommen von über 10 000 DM verfügte, hat das OLG München (nach § 1574 Abs. 2 BGB a.F.) F einen Anspruch gemäß § 1571 Nr. 1 BGB zugestanden, weil eine Tätigkeit als Schneiderin nicht den ehelichen Lebensverhältnissen entspräche und ansonsten keine Erwerbschancen bestünden.109 Nach dem seit 1.1.2008 geltenden Recht käme ein Anspruch nach § 1571 Nr. 1 BGB im Hinblick auf die strengeren Anforderungen nach § 1574 Abs. 2 BGB (vgl. Rn. 434d) nicht mehr in Betracht, denn F könnte wieder als Schneiderin arbeiten, es sei denn, der Arbeitsmarkt böte ihr keine reelle Erwerbschance mehr, wofür sie darlegungs- und beweispflichtig wäre. Dass die Tätigkeit als Schneiderin im Hinblick auf die ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre, wird man unter Berücksichtigung einer geänderten gesellschaftlichen Wertschätzung von Arbeit110 nicht annehmen können, maßgeblich sind insoweit jedoch die individuellen Verhältnisse des Einzelfalles. In Betracht kämen jedoch Ansprüche nach § 1573 Abs. 1 und 2 BGB. – Die 60-jährige F findet nach 5-jähriger Ehe, in der sie nicht gearbeitet hat, in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin nur noch eine Teilzeitarbeit mit einem Nettoeinkommen von 600 Euro. Bei einer Vollbeschäftigung wären 1 200 Euro erzielbar. Nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat sie einen Bedarf i.H.v. 1 500 Euro. Sie hat wegen ihres eigenen Einkommens Anspruch auf ergänzenden Unterhalt i.H.v. 900 Euro, der sich zusammensetzt aus einem Altersunterhalt (§ 1571 BGB) i.H.v. 600 Euro und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) i.H.v. 300 Euro. Beide Ansprüche können nach § 1578b BGB herabgesetzt und zeitlich befristet werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bedarfsbemessung oder ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre, vgl. Rn. 525 ff. zu § 1578b BGB.
106 BGH, FamRZ 1983, 144, 145. 107 OLG Koblenz, FamRZ 2000, 610 f. 108 Dies hat der BGH nach der bis 30.6.2007 geltenden Rechtslage für die „eheangemessene“ Erwerbstätigkeit bestimmt (BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; FamRZ 1999, 708, 709). Dieser Grundsatz kann in gleicher Weise für die angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB n.F. angewendet werden. 109 OLG München, FamRZ 1983, 925. 110 Vgl. Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 46, 47.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten – Die 63-jährige F hat während der Ehe immer ca. 30 Stunden in der Woche gearbeitet und reduziert diese Tätigkeit auf 20 Stunden, obwohl sie mehr arbeiten könnte. Ein Anspruch auf Altersunterhalt besteht nicht.111
Der Unterhaltsanspruch ist nicht davon abhängig, dass der Berechtigte während der Ehe alt geworden sein muss. Auch der Ehegatte, der schon zum Zeitpunkt der Eheschließung aus Altersgründen an einer Erwerbstätigkeit gehindert war, hat einen Anspruch (sog. Altersehe). Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen liegen beim Unterhaltsberechtigten. b) Einsatzzeitpunkte und Anschlussunterhalt 447 Die Unterhaltsbedürftigkeit wegen Alters muss zu den in § 1571 Nr. 1–3 BGB benannten Einsatzzeitpunkten vorliegen, nämlich entweder zum Zeitpunkt der Scheidung (Nr. 1), bei der Beendigung der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder (Nr. 2) oder wenn die Voraussetzungen für Unterhalt nach § 1572 BGB (wegen Krankheit/Gebrechens) oder § 1573 BGB (bis zur Erlangung einer angemessenen Arbeit) entfallen (Nr. 3). Beispiel F betreute zzt. der Scheidung noch das jüngste von drei Kindern und erhielt Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 2 BGB. Nach der Beendigung der Betreuung ist sie im Alter von 55 Jahre in ihrem erlernten Beruf als Schriftsetzerin nicht mehr vermittelbar. Sie war seit über 25 Jahren nicht erwerbstätig. Ihr geschiedener Mann M ist Betriebsleiter mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen. Sie hat zunächst einen Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB, an den sich ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1571 Nr. 2 BGB anschließt.
Der Anschlussunterhalt zu den Einsatzzeitpunkten 2. und 3. knüpft zeitlich unmittelbar an den vorangegangenen Unterhalt an. Dabei ist allerdings nicht erforderlich, dass auch tatsächlich Unterhalt aus dem vorangegangenen Rechtsgrund verlangt oder gezahlt wurde. Kann der Unterhaltsberechtigte altersbedingt nur noch eine Teilzeitarbeit ausüben, ist sein Anspruch nach § 1571 BGB – so wie bei einer durch Krankheit oder Kindesbetreuung bedingten Teilerwerbstätigkeit – in der Höhe begrenzt durch das fiktive Einkommen, das er bei einer Vollerwerbstätigkeit erzielen könnte. Erreicht sein Eigenverdienst aus Teilzeitbeschäftigung zusammen mit dem Teilanspruch nach § 1571 BGB nicht den vollen Unterhaltsbedarf nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB), kann er ergänzend Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB verlangen.112 c) Herabsetzung und Befristung 447a Eine Herabsetzung oder Befristung des Altersunterhalts kommt bei einer langen Ehe in der Regel nicht mehr in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund ehebedingter Nachteile nicht für den eigenen Unterhalt sorgen kann (Rn. 525 ff.).113 Zwar stellt das Alter für sich genommen als Grund für die Bedürf111 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; BGH, FamRZ 1999, 708, 709. 112 BGH, FamRZ 1999, 708 unter Bezugnahme auf die zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätze in FamRZ 1990, 492, 494; 1993, 189, 791. Vgl. dazu auch das Beispiel unter Rn. 434. 113 OLG Zweibrücken, FuR 2009, 60 = BeckRS 2009, 03306.
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nislage keinen ehebedingten Nachteil dar. Es können aber ehebedingte Nachteile noch fortwirken, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der in der Ehe gewählten Rollenverteilung nicht ausreichend für den Fall des Alters Vorsorge treffen konnte und die Einkünfte aus seiner Versorgung einschließlich der Versorgungsausgleichsbeträge geringer sind, als sie ohne Ehe gewesen wären.114 Obwohl aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs die Interessen des Berechtigten, der in der Ehe geringere Anwartschaften erworben hat, durch gleichmäßige Verteilung der von beiden Ehegatten in der Ehe erworbenen Anwartschaften in der Regel gewahrt sind, können gleichwohl die sich aus der in der Ehe gewählten Rollenverteilung ergebenden Nachteile noch bis zum Alter fortwirken. Dies wird dann der Fall sein, wenn sich Altersunterhalt an Ansprüche gem. §§ 1570, 1572, 1573 BGB anschließt und nach der Scheidung keine ausreichenden Chancen mehr bestanden haben, Versorgungsanwartschaften in dem Umfang zu erwerben, wie dies ohne die Ehe möglich gewesen wäre. Im Übrigen besteht der Anspruch nach § 1571 BGB aber auch ganz unabhängig von einer Rollenverteilung in der Ehe und sich daraus ergebender Nachteile, denn er ist auch Ausdruck fortwirkender nachehelicher Solidarität. Deshalb kommt der langen Ehedauer schon für sich genommen ein besonderes Gewicht für die Billigkeitsabwägung zu. Denn meist wird es bei langen Ehen zu einer so starken Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen sein, dass das in deren Bestand gesetzte Vertrauen zu schützen ist.115 Der Ehedauer kommt eine Indizwirkung für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse zu.116 Bezieht der Unterhaltsberechtigte bereits Altersrente, ist im Übrigen nicht mehr zu erwarten, dass er in der Lage sein wird, sein Einkommen aus eigener Kraft zu erhöhen.117 War die Ehe nicht von langer Dauer und ist es noch nicht zu einem schützenswerten Vertrauen in den Bestand der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen, dann wird es dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig zumutbar sein, sich wieder auf einen niedrigeren Lebensstandard einzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der eheliche Lebensstandard nicht das Ergebnis einer gemeinsamen Lebensleistung ist. Beispiel Eine 63-jährige Rentnerin heiratet einen 70-jährigen Rentner. 8 Jahre später, nach der Scheidung, steht ihr ein Anspruch auf Altersunterhalt zu, wenn die Rente des Mannes höher ist. Hier wird eine Beschränkung des Anspruchs wegen Unbilligkeit in Betracht kommen (§ 1578b BGB), da ehebedingte Nachteile nicht vorliegen, weil beide Ehegatten ihre Rentenanwartschaften bereits vor der Ehe erwirtschaftet haben. Möglich ist – je nach Umständen des Einzelfalls – die Herabsetzung auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf der Frau nach einer Übergangszeit, der dann, wenn ihre Rente unter dem Existenzminimum liegt, mindestens 770 Euro beträgt.118 Möglich ist aber auch eine zeitliche Begrenzung des Anspruch nach § 1578b Abs. 2 BGB, denn der eheliche Lebensstandard ist nicht das Ergebnis einer gemeinsamen Lebensleistung.
Unabhängig von der Dauer der Ehe können ehebedingte Nachteile, die gegen eine Beschränkung sprechen, nicht auf eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und 114 115 116 117 118
BGH, FamRZ 2009, 406, Tz. 34; 2009, 1207, Tz. 36. Ebenso Peschel-Gutzeit, Aktuelles Unterhaltsrecht, Rn.115. BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff. Tz. 36. OLG Naumburg, FamRZ 2008, 2120 L = BeckRS 2008, 08358. So BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff. Tz. 36., der 1 100 Euro als untere Grenze des angemessenen Bedarfs, wie er gegenüber volljährigen Kindern gilt, ablehnt (in dem Sinne OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526). S. auch Rn. 526a.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
einen dadurch bedingten geringeren Erwerb von Rentenanwartschaften während der Ehe gestützt werden, wenn dieser Nachteil bereits durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen wurde.119 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Voraussetzungen der Beschränkungen nach § 1578b BGB liegen beim Verpflichteten (Rn. 527). 3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB) 448 Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, 3. der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder 4. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1572 BGB). a) Anspruchsvoraussetzungen 449 Unterhalt kann verlangen, wer durch körperliche oder seelische Erkrankung erwerbsunfähig ist. Da der Begriff der Krankheit im Gesetz nicht näher definiert ist, ist die im Sozialversicherungsrecht von der Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung anwendbar, nach der Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand ist, der ärztliche Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.120 Bezieht der Berechtigte eine Erwerbsminderungsrente (§ 43 SGB VI), ist dies mindestens ein Indiz dafür, dass auch eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende, (teilweise) Erwerbsminderung vorliegt; denn die Beurteilungskriterien sind gleich. Nach dem Sozialversicherungsrecht liegt eine volle Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte außerstande ist, täglich mindestens drei Stunden zu arbeiten und eine teilweise Erwerbsminderung, wenn er nicht mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann. Da bei beiden Varianten die Möglichkeit besteht, im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzuzuverdienen (§ 313 SGB VI),121 kann je nach Zumutbarkeit und Krankheitsbild unterhaltsrechtlich noch eine eingeschränkte Erwerbspflicht in Betracht kommen.122 Für den Anspruch wegen Krankheit ist nicht Voraussetzung, dass die Krankheit ehebedingt ist, d.h., es muss kein Zusammenhang zwischen Ehe und Krankheit in dem Sinne bestehen, dass die Krankheit erst in der Ehe entstanden sein darf. Auch wenn die Krankheit schon vor der Eheschließung bestand, egal ob erkannt oder nicht, steht dies der Anwendung von § 1572 BGB nicht entgegen.123 Einen 119 BGH, FPR 2008, 379 m. Anm. Schwolow = NJW 2008, 2581 m. Anm. Born = FamRZ 2008, 1325 (1328 f.) m. Anm. Borth. 120 BSG, NJW 1972, 1157, 1158 m.w.N. 121 Wiechmann, FPR 1999, 72, 75. 122 OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1477 zur Erwerbspflicht bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente beim Minderjährigenunterhalt. 123 BGH, FamRZ 1994, 566 m.w.N.
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Anspruch begründen können nach dem Wortlaut des Gesetzes auch vorübergehende Erkrankungen eines erwerbstätigen geschiedenen Ehegatten.124 War der Ehegatte aber bis zur Erkrankung erwerbstätig, wird es i.d.R. wegen der Lohnfortzahlung und dem anschließenden Bezug von Krankengeld an der Bedürftigkeit fehlen.125 Psychische Erkrankungen berechtigen ebenso wie körperliche Krankheiten zum 450 Unterhalt. Sie spielen als Reaktion auf die gescheiterte Ehe in der Praxis häufig eine Rolle. Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen der Berechtigte auch nach Jahren den Verlust des Partners noch nicht verkraftet hat und von der Angst beherrscht wird, in der Arbeitswelt zu versagen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sich die Sicherung des Unterhalts durch regelmäßige Zahlungen als Hemmschuh für die Gesundung erweist, indem ein Antrieb für die Selbstbehauptung genommen wird. Laufende Zahlungen sollen aber nicht zur Verfestigung eines Zustands beitragen, der letztlich der körperlichen und seelischen Gesundung hinderlich ist. Ob in diesen Fällen eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, lässt sich – wenn überhaupt – nur durch ein Sachverständigengutachten klären. Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine seelische Störung so übermächtig ist, dass sie auch im Fall der Aberkennung des Unterhaltsanspruchs nicht überwunden werden kann und er arbeitsunfähig bleiben wird.126 Ergebnis einer angeordneten Begutachtung kann durchaus sein, dass die Berufsunfähigkeit aus neurotischen Gründen bejaht, aber die Erwerbsunfähigkeit verneint wird und Umschulungsmaßnahmen in Betracht kommen.127 Hat das Gericht Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erkrankung, weist es den Antrag zurück. Alkoholabhängigkeit wird als Krankheit beurteilt,128 ohne dass es für die Feststel- 451 lung des Tatbestands auf ein Verschulden an der Erkrankung ankommt. Das Verschulden spielt jedoch insoweit eine Rolle, als eine unterhaltsrechtliche Pflicht besteht, alles Erforderliche zu tun, um wieder gesund zu werden und seine Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, z.B. sich einer Entziehungskur zu unterziehen.129 Verfügt der Erkrankte über die erforderliche Einsichtsfähigkeit und verstößt er gegen diese Pflicht, kann der Ausschluss, die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Anspruchs nach der Härteklausel wegen mutwilliger Herbeiführung seiner Bedürftigkeit in Betracht kommen130 (§ 1579 Nr. 4 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 539 verwiesen. Auch wenn ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit verwirkt ist, weil die Alkoholerkrankung vorwerfbar unzureichend von dem Berechtigten bekämpft wird, kann noch ein Anspruch wegen zeitweiser Kindesbetreuung in Betracht kommen, wenn die Betreuung noch mit Hilfe von Verwandten möglich ist.131 Die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit berechtigt ebenfalls zum Unterhalts- 452 anspruch. Dabei erfasst der Anspruch nach § 1572 BGB dann nur die Differenz 124 125 126 127 128 129 130
Griesche, FPR 1999, 64, 65. Zu sozialrechtlichen Ansprüchen bei Krankheit vgl. Körber, FPR 1999, 76 ff. BGH, FamRZ 1984, 660, 661. Köpp/Studt, Die sog. Rentenneurose, FPR 1999, 81, 84. BAG, NJW 1987, 2956. BGH, FamRZ 1987, 359, 361; 1981, 1042; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262. BGH, FamRZ 1981, 1042, 1044 ff.; 1987, 359, 361; 1989, 1054; Finke, FPR 1998, 9 ff.; Rechtsprechungsübersicht, FPR 1998, 36 ff. 131 OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262.
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zu dem Einkommen, das aus der Vollbeschäftigung zu erzielen wäre. Daneben kann ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht kommen, wenn das Einkommen aus der Teilzeitbeschäftigung und dem Teilunterhalt nicht den vollen eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB abdeckt.132 Ist die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt, muss ferner immer geprüft werden, ob wegen der vorliegenden Erkrankung nur noch die Ausübung einer Teilzeitarbeit oder aber eine Vollbeschäftigung in einem anderen Beruf, eventuell nach einer Umschulung oder Fortbildung, zumutbar ist. Ist eine Umschulung oder Fortbildung sinnvoll, besteht eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung, diese ohne schuldhaftes Zögern durchzuführen. Für die Zeit der Ausbildung besteht dann ein Anspruch auf Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. 1574 Abs. 3 BGB (vgl. Rn. 459 ff.) oder nach § 1575 BGB, wenn der geschiedene Ehegatte ehebedingte berufliche Ausbildungsnachteile erlitten hat (vgl. Kap. G. III. 6a) und b), Rn. 465 ff.). Beispiel Die 48-jährige F ist Verkäuferin und leidet an Krampfadern. Ihre Erkrankung hindert sie zwar an der Ausübung ihres erlernten Berufs als Verkäuferin, nicht aber an der Ausübung einer anderen Berufstätigkeit, in der sie nicht mehr stehend arbeiten muss, z.B. als Kassiererin. Für die Zeit bis zur Erlangung einer angemessenen Tätigkeit, die z.B. durch Teilnahme an einer Umschulung erreicht werden kann, können Unterhaltsansprüche nach §§ 1573 Abs. 1, 1574 Abs. 3 BGB in Betracht kommen.
b) Einsatzzeitpunkt und Anschlussunterhalt 453 Der Anspruch auf Unterhalt ist nur begründet, wenn die Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit zu bestimmten Einsatzzeitpunkten, und zwar entweder – im Zeitpunkt der Scheidung, – bei Beendigung der Pflege und Erziehung eines Kindes, – bei Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder – beim Wegfall der Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 1573 BGB besteht. Diese Einschränkung der Unterhaltspflicht dient dem Schutz des Unterhaltsverpflichteten, der möglichst bald nach der Scheidung überblicken können soll, auf welche Unterhaltszahlungen er sich wirtschaftlich einzustellen hat. Die Krankheit muss deshalb wenigstens zu den Einsatzzeitpunkten bereits bestehen, ohne dass sie schon zur vollen Erwerbsunfähigkeit geführt haben muss. Liegt zum Einsatzzeitpunkt eine volle Erwerbsunfähigkeit vor, besteht ein Anspruch auf den vollen eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB. Liegt zunächst eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit vor mit der Folge, dass nur Teilunterhalt zu zahlen ist, muss auch dann der volle Unterhalt gezahlt werden, wenn die völlige Erwerbsunfähigkeit erst einige Zeit später, aber noch in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Einsatzzeitpunkt eintritt; denn bei schon bestehender Erkrankung muss i.d.R. mit Verschlechterung gerechnet werden. Anderes gilt, wenn das Risiko der Inanspruchnahme für den vollen Unterhaltsbedarf für den Pflichtigen nicht voraussehbar war: War der Berechtigte zum Einsatzzeitpunkt krankheitsbedingt nur teilweise erwerbstätig, ohne dass mit einer Verschlechterung gerechnet werden konnte, besteht der Anspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB nur als Teilun132 BGH, FamRZ 2010, 869; 2009, 406 ff.; 1993, 789.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
terhalt bis zur Höhe eines Einkommens aus einer vollen Erwerbstätigkeit, soweit der Bedarf nicht durch eigene Einkünfte gedeckt ist. Daneben kann noch ein Anspruch auf Aufstockung nach § 1573 Abs. 2 BGB bis zur Höhe des eheangemessenen Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. Wird der Unterhaltsberechtigte später z.B. aufgrund einer anderen Krankheit voll erwerbsunfähig, bleibt der Anspruch wegen Krankheit in der Höhe begrenzt als Teilunterhalt, der sich zuvor nach §§ 1572 Nr. 1, 1573 Abs. 2 BGB ergeben hat und umfasst nicht den vollen Bedarf. Beispiele – F litt schon zum Zeitpunkt der Scheidung im Sommer 2008 an Abnutzungserscheinungen der Hüftgelenke, der Wirbelsäule, des Kniegelenks und hatte allergische Bronchitis, Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, so dass sie nur zur Ausübung einer Halbtagstätigkeit verpflichtet war und gemäß § 1572 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf ergänzenden Teilunterhalt hatte. Die ab dem Sommer 2010 festgestellte völlige Erwerbsunfähigkeit wegen der Verschlimmerung der bestehenden Leiden ist noch dem Einsatzzeitpunkt Scheidung zuzurechnen mit der Folge, dass nicht nur ein Anspruch auf ergänzenden Teilunterhalt, sondern auf den vollen eheangemessenen Unterhalt bestand.133 – F stand zum Zeitpunkt der Scheidung im November 2005 ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt i.H.v. 200 Euro zu, da ihre Einkünfte aus einer Vollbeschäftigung nicht den eheangemessenen vollen Bedarf abdeckten. Ihr Unterhalt war durch die Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert (§ 1573 Abs. 4 BGB). 2008 wird sie erwerbsunfähig. Da F vom Zeitpunkt der Scheidung bis zur Erkrankung voll erwerbstätig war, kommt nur ein Anspruch auf Teilunterhalt i.H.v. 200 Euro ggf. zuzüglich entsprechender Einkommenssteigerungen in Betracht.134
Das Nebeneinander verschiedener Anspruchsgrundlagen macht regelmäßig deren genaue Differenzierung erforderlich, was insbesondere im Hinblick auf spätere Abänderungsverfahren von Bedeutung ist (vgl. Rn. 433, 434). c) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1572 453a BGB trägt der erkrankte Ehegatte, denn er ist verpflichtet, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt zu sorgen, es sei denn, er ist wegen seiner Erkrankung daran gehindert.135
" Praxishinweis: In Unterhaltsprozessen wird der Sachverhalt von Anwälten
oft unzureichend vorgetragen. So kommt es immer wieder vor, dass zur Begründung der Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit nur auf ärztliche Atteste oder Krankschreibungen verwiesen wird. Dies reicht nicht aus, es sei denn, es handelt sich um eine evident die Erwerbsfähigkeit einschränkende oder ausschließende Erkrankung, z.B. eine akute Krebserkrankung. Da die Erkrankung meist bestritten wird, muss das Gericht entscheiden, ob Anlass für eine Beweisaufnahme besteht. Das ist nur der Fall, wenn hinreichend substantiiert dargelegt worden ist, aufgrund welcher Fakten davon auszugehen ist, dass die behauptete Erkrankung den Berechtigten an der Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit hindert. Erforderlich sind deshalb zum einen konkrete Ausführungen zum Krankheitsverlauf, zu den bisher angewendeten Therapien und deren Ergebnissen, den zumutbaren zukünftigen
133 Vgl. BGH, FamRZ 1987, 684, 685. 134 Vgl. BGH, FamRZ 2001, 1291, 1294. 135 BGH, FamRZ 2005, 1450 ff.; 1993, 789, 791.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit und dem zu erwartenden Zeitrahmen für die Behandlung. Zum anderen muss die Kausalität zwischen Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit schlüssig dargelegt werden; denn nicht jede Krankheit geht mit einer Einschränkung oder einem Ausschluss der Erwerbsfähigkeit in allen zumutbaren Arbeitsbereichen einher. Ein Bandscheibenleiden wird den Berechtigten zwar an der Ausübung seiner Tätigkeit als Maurer hindern, nicht zwangsläufig aber an der Arbeit als Pförtner. Deshalb ist der häufig zum Beweis der Minderung oder des Ausschlusses eingereichte Bescheid über die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) kein geeignetes Beweismittel für die Erwerbsunfähigkeit; denn er trifft nur eine Aussage über die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen und erlaubt i.d.R. keinen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben. d) Herabsetzung und Befristung 453b Der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit kann nach § 1578b BGB aus Billigkeitsgründen herabgesetzt und/oder auch zeitlich befristet werden (zu den Einzelheiten der Voraussetzungen, s. Rn. 525 ff.). Eine Befristung des Unterhalts wegen Krankheit kommt nicht in Betracht, wenn ein Ehegatte wegen einer ehebedingten Erkrankung nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein kann. So hat das OLG Braunschweig136 sowohl eine Befristung als auch Herabsetzung des Unterhalts abgelehnt, weil die Erkrankung anlässlich der Geburt gemeinsamer Kinder erstmals aufgetreten ist. Liegt keine ehebedingte Erkrankung vor, was die Regel ist, spielt für die Befristung wegen Unbilligkeit eine vorrangige Rolle, ob das Einkommensgefälle auf ehebedingte Nachteile zurückzuführen ist. Das ist z.B. der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der in der Ehe gewählten Rollenverteilung nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung Vorsorge treffen konnte und die Einkünfte aus seiner Versorgung einschließlich der Versorgungsausgleichsbeträge geringer sind, als sie ohne Ehe gewesen wären.137 Zwar sind aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs die Interessen des Berechtigten in der Regel gewahrt, soweit er ehebedingt geringere Rentenanwartschaften erwirtschaftet hat. Denn im Rahmen des Versorgungsausgleichs haben beide Ehegatten insoweit entstandene Nachteile in gleichem Umfang zu tragen. Die ehebedingten Nachteile aufgrund der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung können jedoch trotz eines durchgeführten Versorgungsausgleichs noch fortwirken, wenn nach der Scheidung keine ausreichenden Chancen mehr bestanden haben, Versorgungsanwartschaften in dem Umfang zu erwerben, wie dies ohne die Ehe möglich gewesen wäre. Das wird meist der Fall sein, wenn sich Krankheitsunterhalt an Ansprüche gem. § 1570, 1573 BGB anschließt. § 1572 BGB beschränkt sich aber nicht nur auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern ist auch Ausdruck der nachwirkenden ehelichen Solidarität, was in die Abwägung angemessen einfließen muss.138. Deshalb kommt einer langen Ehedauer schon für sich genommen ein besonderes Gewicht für die Billigkeitsabwägung zu. Denn meist wird es bei langen Ehen zu einer so starken Verflech136 FamRZ 2008, 999. 137 BGH, FamRZ 2009, 406, Tz. 34; 2009, 1207, Tz. 36. 138 BGH, FamRZ 2009, 1207, 1210, Tz. 37 ff.; FamRZ 2009, 406, 409, Tz. 37.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
tung der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen sein, dass das in deren Bestand gesetzte Vertrauen zu schützen ist.139 Der Ehedauer kommt eine Indizwirkung für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse zu.140 Der BGH hat die zeitliche Begrenzung eines Anspruchs der Ehefrau wegen schwerer Krebserkrankung im Hinblick auf eine über 20-jährige Ehedauer abgelehnt, aber eine Herabsetzung des Bedarfs gebilligt (zur Bemessung des angemessenen Bedarfs nach § 1578b Abs. 1 BGB s. Rn. 526a).141 Der Unterhaltsanspruch kann dann nach einer Übergangszeit bis auf die Differenz zwischen dem angemessenen Unterhaltsbedarf und dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen herabgesetzt werden. Bei kürzerer Ehedauer macht die Rechtsprechung hingegen von der Befristung des Anspruchs Gebrauch, auch dann, wenn der Anspruch an einen Betreuungsunterhaltsanspruch anschließt. So hat der BGH wegen Fehlens ehebedingter Nachteile eine Herabsetzung und Befristung bei 11-jähriger Ehe gebilligt, zumal es in der Ehe nicht zu einer wirtschaftlichen Verflechtung gekommen war und die Ehegatten nur 5 Jahre zusammengelebt hatten.142 Einzelfälle aus der Rechtsprechung: Keine Befristung bei langer Ehedauer: – OLG Zweibrücken, OLGR 2008, 884 (34 Jahre); OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 1256; OLG Köln, FamRZ 2009, 429; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526 (23 Jahre) OLG Hamm, FamFR 2010, 151: (26 Jahre). Herabsetzung ist möglich. Bei kürzerer Dauer der Ehe: – Das OLG Celle143 hat der erwerbsunfähigen Ehefrau, deren Ehe 1996 geschieden wurde und die noch den 17-jährige Sohn betreut, einen auf drei Jahre befristeten Anschlussunterhalt zugesprochen wegen einer fünf Jahre nach der Scheidung der Ehe aufgetretenen Bandscheibenerkrankung, die eine Vollbeschäftigung ausschließt. Sie hatte ihren erlernten Beruf als Möbelverkäuferin wegen der Kinderbetreuung zugunsten von wenig qualifizierten Teilzeittätigkeiten nicht mehr ausgeübt. – Das OLG Bremen144 hat bei einer Ehedauer von acht Jahren und neun Monaten, der erwerbsunfähigen Ehefrau, die noch ein gemeinsames 12-jähriges Kind betreut, den Betreuungsunterhalt wegen fehlenden Vortrags zu den Verlängerungsgründen versagt und den Krankheitsunterhalt auf drei Jahre befristetet. – Das OLG Frankfurt a.M.145 hat bei einer Ehedauer von acht Jahren der erwerbsunfähigen Frau, die ein 15-jähriges Kind betreut, einen auf drei Jahre befristeten Anspruch nach § 1572 Nr. 2 BGB zugesprochen.
139 Ebenso Peschel-Gutzeit, Aktuelles Unterhaltsrecht, Rn. 115. 140 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff., Tz. 36; 2009, 406, 408, Tz. 35. 141 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08 = FamRZ 2010, 629 ff., Tz. 36; ebenso nach 26 Jahren Ehedauer bei einer Hausfrauenehe BGH, FamRZ 2009, 1207, 1210. 142 BGH, FamRZ 2009, 406 ff. 143 OLG Celle, FamRZ 2008, 1449 ff.; NJW 2008, 3575 m. Anm. v. Triebs. 144 OLG Bremen, FamRZ 2009, 449 ff. 145 OLG Frankfurt a.M., NJW 2008, 3440.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
– Das OLG Koblenz146 hat in einem Abänderungsverfahren den Krankheitsanspruch der 19 Jahre älteren erwerbsunfähigen Frau, nach einer kinderlosen 6-jährigen Ehe, auf insgesamt fünf Jahre nach der Scheidung befristet. – Das OLG München147 hat den Krankenunterhalt nach achtjähriger kinderloser Ehe, in der die Ehegatten aber nur drei Jahre zusammengelebt haben, auf drei Jahre befristet. Der Unterhaltspflichtige ist bereits wiederverheiratet und hat ein Kind aus dieser Ehe. 4. Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB sowie Ausbildung nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB 454 Soweit ein Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1572 BGB (wegen Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit) hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag (§ 1573 Abs. 1 BGB). Der Anspruch besteht auch, wenn Ansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegfallen. a) Anspruchsvoraussetzungen Der Anspruch setzt voraus, dass der Unterhaltsbegehrende zur Zeit der Scheidung nicht oder nicht voll erwerbstätig ist, für ihn kein Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit besteht, so dass eine Erwerbsobliegenheit besteht, und er trotz ernsthafter Bemühungen keine angemessene Arbeit zu finden vermag. Da nach der Scheidung wieder jeder Ehegatte selbst für seinen Unterhalt aufkommen soll, wird von dem Anspruchsteller erwartet, dass er sich unter Einsatz aller ihm zumutbaren und möglichen Mittel um eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit bemüht. Keine Rolle spielt, wie lange er schon arbeitslos ist und aus welchen Gründen. Er darf sich allerdings nicht absichtlich unterhaltsbedürftig machen, indem er z.B. aus Enttäuschung und Ärger über das Scheitern der Beziehung sein Arbeitsverhältnis kündigt, um von dem anderen Unterhalt verlangen zu können. Der Ehegatte, der während der Ehe nicht erwerbstätig war und nach der Scheidung vergeblich eine Arbeit sucht, hat genauso einen Anspruch wie derjenige, der immer erwerbstätig war und kurz vor oder nach der Scheidung die Kündigung erhält und sich nun erfolglos um eine Stelle bemüht. Der Unterhaltsberechtigte braucht gem. § 1574 Abs. 2 BGB nur eine angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen (s. Rn. 434d). Danach ist eine Erwerbstätigkeit angemessen, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht und eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen. Beispiele – Von einer Lehrerin, die wegen der Kinderbetreuung 20 Jahre nicht im Beruf tätig war und jetzt keine Anstellung findet, kann bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin erwartet werden, da diese Tätigkeit nicht ihrem Ausbildungsstand und ihren Fähigkeiten entspricht. 146 OLG Koblenz, FamRZ 2009, 427 ff. 147 OLG München, FamRZ 2008, 1959, 1960.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB – Für die 50-jährige F, die in ihrem gelernten Beruf als Erzieherin über 20 Jahre nicht tätig war, ist nach 23-jähriger Ehe, die durch die berufliche Stellung des M als Dipl.-Ing. mit einem Einkommen von zuletzt 10 000 DM geprägt war, die Ausübung einer Tätigkeit als Verkäuferin in einem gehobenen Einrichtungshaus zumutbar.148
Den Berechtigten trifft eine unterhaltsrechtliche Pflicht, sich ernsthaft, intensiv 455 und regelmäßig um eine angemessene Tätigkeit zu bemühen. Deshalb wird von ihm erwartet, dass er sich bei seiner Agentur für Arbeit bzw. Job-Center,149 meldet, dort aktiv Angebote zur Beratung, Vermittlung und sonstige Arbeitsförderungsmaßnahmen wahrnimmt, eigene Stellenanzeigen aufgibt und sich auf Anzeigen bewirbt.150 Nicht ausreichend ist die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit.151 Dies gilt im Übrigen gleichermaßen im Verhältnis zu den Agenturen für Arbeit, denn diese haben nicht nur den gesetzlichen Auftrag des Förderns durch Beratung und Vermittlung erwerbsfähiger Arbeitsloser, sondern es gilt ebenso der Grundsatz des Forderns, so dass Leistungen nach dem SGB II gestrichen werden können bei einem mangelnden Einsatz des Arbeitslosen (§§ 31, 32 SGB II). Bewerbungsschreiben müssen sorgfältig verfasst sein, auf die Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle eingehen und das ernsthafte Interesse an der Stelle erkennen lassen.152 Wie intensiv die Bemühungen sein müssen, hängt auch von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab. Aufschluss über die subjektive Arbeitsbereitschaft des Berechtigten und die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen um eine Arbeit kann die Darstellung der bisherigen Arbeitsbiographie geben.153 Darüber hinaus sollten die Ergebnisse der Beratung bei der Agentur für Arbeit und deren konkrete Unterstützungsmaßnahmen mitgeteilt sowie ggf. die Eingliederungsvereinbarung gemäß § 35 SGB III eingereicht werden.154
" Praxishinweis: Im Unterhaltsverfahren wird sowohl zu den subjektiven Vo-
raussetzungen zur Bestimmung der Angemessenheit einer Erwerbstätigkeit als auch zu den Bemühungen oft sehr unzureichend vorgetragen. Der Unterhaltsberechtigte muss immer konkrete Angaben zu den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und seinen persönlichen Eigenschaften (Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand) machen155 sowie seine Bemühungen um eine Arbeit genau beschreiben und unter Beweis stellen. Deshalb sollte nachprüfbar und präzise angegeben werden, welche Schritte im
148 BGH, FamRZ 1991, 416 ff. 149 In den meisten Städten und Gemeinden arbeiten Arbeitsagentur und Gemeinden zusammen und erbringen die Leistungen des SGB II gemeinsam. Sie bilden Arbeitsgemeinschaften, kurz ARGE oder Jobcenter genannt. Da verschiedene Institutionen die Leistungen des SGB II anbieten, verwenden die Kommunen sowohl die Bezeichnung Arbeitsagentur als auch Jobcenter. Aufgrund des Urteils des BVerfG v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 ist bis zum 31.12.2010 mit einer Neustrukturierung der Aufgabenzuordnung oder Änderung des GG zu rechnen. 150 BGH, FamRZ 1994, 372, 374. 151 BGH, FamRZ 1993, 789, 791. 152 OLG Hamm, FamRZ 1992, 63. 153 BGH, FamRZ 1986, 246. 154 Vgl. den Überblick über die Angebote der Agenturen für Arbeit für die Arbeitslosen, Sammer, FPR 2004, 543 ff. 155 BGH, FamRZ 1986, 244, 246; 1987, 144; vgl. auch FPR 2000, 1 ff. mit mehreren Beiträgen zum Schwerpunktthema „Der Verlust des Arbeitsplatzes im Unterhaltsrecht“.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Einzelnen unternommen worden sind, um eine zumutbare Arbeit zu finden. Dazu gehören Angaben, wann sich der Berechtigte bei welchem Arbeitgeber mit welchem Ergebnis beworben hat und welche Zeitungen für die Suche von Stellenangeboten regelmäßig genutzt werden. Beizufügen sind Bewerbungs- und Antwortschreiben, eigene Inserate, Bestätigungen der Arbeitsagentur über Meldung und Besuche. Es kann auch das Einverständnis zur Einsichtnahme in die Akte der Agentur für Arbeit unter Angabe des Geschäftszeichens erteilt werden. Das Gericht kann dann die Akte beiziehen. Schwierig wird die Beweisführung, wenn telefonische Bewerbungen branchenüblich sind. Auch hier ist die exakte Auflistung unter Angabe des Datums, der Telefonnummer, des Namens der Firma und möglichst des Gesprächspartners wichtig. Bei mündlichen Bewerbungsgesprächen sollte der Arbeitgeber um eine Bescheinigung über die Bewerbung gebeten werden. Ist die Arbeitslosenquote für die Branche des Klägers besonders hoch, sollte diese Tatsache in den Prozess eingeführt werden. Ferner empfiehlt es sich, die Einholung einer Auskunft der zuständigen Agentur für Arbeit über die Arbeitsmarktchancen in der Branche des bedürftigen geschiedenen Ehegatten zu beantragen. 456 Besteht auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäftigungschance für den bedürftigen Ehegatten, ist es an ihm, dies vorzutragen und zu beweisen.156 Selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz erforderlich und vom Berechtigten nachprüfbar vorzutragen, dies folgt aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Scheidung.157 Besteht für den Fall sachgerechter Bemühungen eine nicht ganz von der Hand zu weisende Beschäftigungschance, geht dieser Zweifel zu Lasten des Unterhaltsgläubigers, und ihm ist ein fiktives Einkommen aus einer zumutbaren Arbeit wegen nicht ausreichender Bemühungen für die Unterhaltsberechnung zuzurechnen. Zur Bemessung fiktiver Einkünfte, s. Rn. 485, 57. Anderes gilt nur, wenn feststeht, dass er wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt und wegen seiner persönlichen Verhältnisse keine realistische Beschäftigungschance hat. 457 Erhält der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt zugesprochen, bleibt der Grundsatz der Eigenverantwortung dennoch bestehen, mit der Folge, dass er sich auch weiterhin um eine Arbeit bemühen muss.
" Praxishinweis: Gibt der Unterhaltsberechtigte seine Bemühungen auf,
wenn er den Unterhalt erhält, obwohl sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für ihn verbessert, hat der Unterhaltspflichtige die Möglichkeit, im Wege des Abänderungsverfahrens den Wegfall der Unterhaltszahlung zu beantragen. In diesem Unterhaltsstreitverfahren obliegt dann allerdings dem Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich die Arbeitsmarktlage zugunsten des geschiedenen Ehegatten verändert hat. Kann der Berechtigte nicht darlegen und beweisen, dass er sich erneut vergeblich beworben hat, wird der Abänderungsantrag Erfolg haben.
156 BGH, FamRZ 1986, 885 ff.; 1987, 144; BGH, NJW-RR 1993, 898 = FamRZ 1993, 789 ff. 157 BGH, FamRZ 1986, 885, 886; 1986, 244; 1987, 912; BGH, NJW-RR 1993, 898 = FamRZ 1993, 789 ff.; OLG Köln, FamRZ 1997, 1104 f.; Pauling, FPR 2000, 11–14 m.w.N.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
b) Pflicht zur Aus-, Fortbildung und Umschulung Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, 458 obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, (§ 1574 Abs. 3 BGB).158 Dem geschiedenen Ehegatten steht dann für die Dauer einer Aus- und Fortbildung sowie Umschulung ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 i.V.m. § 1574 Abs. 3 BGB zu. Welche Erwerbstätigkeit angemessen ist, regelt § 1574 Abs. 2 BGB, vgl. dazu Rn. 434d. Denn nach Auflösung der Ehe kann von dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten immer nur die Aufnahme einer Tätigkeit erwartet werden, die im Zeitpunkt der Scheidung oder zu den anderen im Gesetz genannten Einsatzzeitpunkten angemessen ist. Ob eine Obliegenheit zur Ausbildung besteht, hängt davon ab, ob aufgrund des Alters, des Gesundheitszustandes und der Arbeitsmarktlage mit einem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zu rechnen und die Chance auf einen Arbeitsplatz gegeben sein wird.159 Kann von dem Berechtigten die Aufnahme einer Ausbildung erwartet werden, muss er mit der Qualifizierungsmaßnahme in angemessenem zeitlichen Abstand zur Scheidung beginnen. Zwar steht ihm ein Zeitraum zum Überlegen zu, dessen Dauer muss aber auch das Interesse des Unterhaltspflichtigen an einer baldigen Klärung seiner finanziellen Belastungen nach der Scheidung berücksichtigen. Sinnvoll ist die Befristung des Anspruchs, wenn nach Abschluss der Ausbildung gute Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt bestehen.160 Beispiele – F heiratete ohne Berufsausbildung einen Dipl.-Mathematiker und erlangte während der Ehe ihre Fachschulreife mit dem Ziel, einen qualifizierten Beruf zu erlernen. Ihr steht nach der Scheidung ein Anspruch auf Finanzierung des Studiums der Sozialpädagogik zu. Denn sie hat mit der Fachschulreife die Voraussetzungen für eine qualifizierte Berufsausbildung geschaffen, die ihr später die Ausübung einer dem in der Ehe gepflegten Bildungsstreben und Niveau entsprechenden angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht (§ 1574 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1573 Abs. 1 BGB).161 – Die 40-jährige gelernte Stenokontoristin war während der 16-jährigen Ehe wegen der Kindesbetreuung auf Wunsch des M, der als Dipl.-Ingenieur ein gutes Einkommen hat, nicht berufstätig. Nach der Scheidung ist sie berechtigt und verpflichtet, sich für eine qualifizierte Bürotätigkeit schulen zu lassen; denn auf bloße Hilfstätigkeiten muss sie sich nicht verweisen lassen.
Kommt der geschiedene Ehegatte seiner Fortbildungsobliegenheit nicht nach, kann er auf die Aufnahme einer nicht angemessenen Erwerbstätigkeit verwiesen werden, aus der ihm ggf. fiktive Einkünfte zugerechnet werden können.162 Hat der Unterhaltsberechtigte in der Vergangenheit versäumt, eine erforderliche Ausbildung zu absolvieren, kann auch eine Kürzung des Unterhalts gemäß § 1579 Nr. 4 BGB wegen mutwilliger Herbeiführung der Bedürftigkeit in Betracht kommen (Rn. 539).163 158 159 160 161 162 163
BGH, FamRZ 1986, 1085 ff.; 1984, 561, 562. BGH, FamRZ 1986, 553. BGH, FamRZ 1986, 553. OLG Hamm, FamRZ 1993, 970 ff. OLG Hamburg, FamRZ 1991, 445; 1985, 1260; BGH, FamRZ 1986, 553, 554. BGH, FamRZ 1986, 553.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Beispiel Die 53-jährige F ist ohne Berufsausbildung und hat nach 20-jähriger Ehe gegen den gut verdienenden geschiedenen M einen Anspruch wegen Arbeitslosigkeit. M will den Anspruch kürzen, weil er F schon nach der Trennung, als sie 45 Jahre alt war, vergeblich aufgefordert hatte, sich noch ausbilden zu lassen. Hier kommt eine Kürzung gemäß § 1579 Nr. 4 BGB in Betracht, weil sich F in der Vergangenheit einer als notwendig erkannten, Erfolg versprechenden Ausbildungsmaßnahme i.S.v. § 1574 Abs. 3 BGB mutwillig verschlossen hat.164 Kommt der Berechtigte seiner Ausbildungspflicht nach und findet er nach Beendigung der Ausbildung keine Arbeit, schließt sich der Anspruch wegen Arbeitslosigkeit an und beruht nur auf § 1573 Abs. 1 BGB.
c) Einsatzzeitpunkte 459 Die Bemühungen um eine angemessene Tätigkeit müssen mit der Scheidung einsetzen, mindestens aber noch in einem zeitlichen Zusammenhang zur Scheidung stehen.165 Bei lang andauernder Trennung kann erwartet werden, dass die Bemühungen schon vor der Scheidung einsetzen. Klagt der Unterhaltsberechtigte allerdings nach der Scheidung zunächst auf Unterhalt wegen Krankheit und ergibt sich erst im Verlauf des Unterhaltsverfahrens, dass er wieder arbeitsfähig ist, reicht es aus, wenn er dann mit der Arbeitssuche beginnt. Neben der Scheidung sind weitere Einsatzzeitpunkte für den Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit gegeben, wenn Unterhaltsansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit sowie Ausbildung wegfallen (§ 1573 Abs. 3 BGB). Beispiel F betreut zur Zeit der Scheidung die 9-jährige T und arbeitet 5 Stunden täglich. Als T 15 Jahre alt wird, verliert F die Teilzeitbeschäftigung. Sie hat einen Anspruch auf Teilanschlussunterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB i.V.m. einem Aufstockungsanspruch (§ 1573 Abs. 2 BGB). Findet F eine Vollbeschäftigung, kann sie noch einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB haben.
d) Nachhaltige Sicherung der Erwerbstätigkeit 460 Ist der Ehegatte zu einem der Einsatzzeitpunkte erwerbstätig und verliert er seine Arbeit zeitnah zum Einsatzzeitpunkt, bevor diese Arbeit seinen Unterhalt dauerhaft gesichert hat (§ 1573 Abs. 4 Satz 1 BGB),166 leben die Ansprüche wieder auf.167 Beispiel Nach 8 Jahren wird die kinderlose Ehe im Juli 2007 geschieden. Am 14.8.2007 wird F als Realschullehrerin zur Anstellung eingestellt, erkrankt 2 Tage später ernsthaft und wird zum 31.12.2007 wegen Dienstunfähigkeit entlassen. Da die Erkrankung bereits 2 Tage nach der Einstellung bekannt wurde, konnte der Unterhaltspflichtige nicht von einer dauerhaften Sicherung des Unterhalts der F durch diese Arbeit ausgehen, so dass er weiter Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 und Abs. 4 BGB zahlen muss.168
164 165 166 167 168
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BGH, FamRZ 1991, 445. Zum Einsatzzeitpunkt vgl. BGH, FamRZ 1987, 684, 687. OLG Bamberg, FamRZ 1997, 819 ff. m.w.N. BGH, FamRZ 1985, 791, 792. Nachgebildet BGH, FamRZ 1985, 791 ff.; vgl. auch BGH, FamRZ 1985, 1234.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
Gelingt nur die teilweise Sicherung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, hat der Berechtigte einen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem gesicherten und dem vollen Unterhalt (§ 1573 Abs. 4 Satz 2 BGB). Für die Beurteilung, ob ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert erscheint, ist maßgebend, ob die Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden kann oder ob befürchtet werden muss, dass der Bedürftige sie durch außerhalb seiner Entschließungsfreiheit liegende Umstände in absehbarer Zeit wieder verliert. Dabei sind vom Standpunkt eines optimalen Betrachters solche Umstände in die Beurteilung einzubeziehen, die zwar schon zu diesem Zeitpunkt bestehen, aber erst später zutage treten.169 Auch zugerechnete fiktive Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit können zu einer nachhaltigen Sicherung des Einkommens führen, denn anderenfalls würde der Unterhaltsberechtigte, der seine Erwerbsobliegenheit verletzt, bessergestellt.170 e) Konkurrenzen Findet der geschiedene Ehegatte keine angemessene Arbeit, hat er Anspruch auf 461 den vollen eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB. Findet er eine angemessene Arbeit, die seinen Unterhaltsbedarf vollständig deckt, erlöschen die Ansprüche nach § 1573 BGB. Decken die Einkünfte nicht den eheangemessenen vollen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB, kann der Differenzbetrag zwischen eigenem Einkommen und dem Unterhaltsbedarf als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB verlangt werden.171 Findet der Unterhaltsberechtigte nur eine Teilzeitbeschäftigung, besteht ein ergänzender Anspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB auf den Differenzbetrag zum Einkommen aus einer Vollbeschäftigung und ggf. ein Aufstockungsunterhaltsanspruch in Höhe des vollen eheangemessenen Bedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB, soweit ein Einkommen aus Volltagsbeschäftigung diesen nicht abdeckt. f) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt dem 461a Unterhaltsgläubiger. Dies gilt auch dafür, dass sein eigenes Auskommen noch nicht nachhaltig gesichert werden konnte. Soweit die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Betracht kommt, muss er darlegen und beweisen, warum auch bei ausreichenden Bemühungen um eine Arbeit eine nachhaltige Sicherung nicht erreichbar gewesen wäre.172 Der Nachhaltigkeit können insbesondere das Alter oder eine bisherige Aushilfstätigkeit entgegenstehen.173 g) Befristung und Herabsetzung Der Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit ist – wie alle anderen Unterhaltsansprüche 461b auch – beschränkbar, d.h. er kann gem. § 1578b BGB in der Höhe herabgesetzt 169 170 171 172 173
BGH, FamRZ 1985, 791, 1234; 1988, 701. BGH, FamRZ 2003, 1734, 1736. BGH, FamRZ 1985, 908. BGH, FamRZ 2003, 1734, 1736. Büttner, Anmerkung zu BGH, FamRZ 2003, 1734 ff. in FamRZ 2003, 1831.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
und/oder zeitlich befristet werden, vgl. insoweit Rn. 525 ff. Wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 sind die § 1578 Abs. 1, § 1573 Abs. 5 BGB a.F. anwendbar, vgl. dazu Rn. 528 ff.). 5. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) 462 Ist ein geschiedener Ehegatte nach der Scheidung erwerbstätig und reichen seine Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1572 BGB (wegen Kindesbetreuung, Alters oder Krankheit) hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen (§ 1573 Abs. 2 BGB). Der Anspruch besteht auch, wenn Ansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegfallen. a) Anspruchsvoraussetzungen und Konkurrenzen 462a Auch nach der Scheidung soll der geschiedene Ehegatte noch an dem früheren gemeinsamen Lebensstandard teilhaben, der als gemeinsame Leistung gesehen wird. Der Anspruch beinhaltet jedoch keine Lebensstandardgarantie, denn es gilt beim Nacheheunterhalt der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB). Danach obliegt dem geschiedenen Ehegatten, nach der Scheidung eine ihm angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 1574 BGB, s. Rn. 434d) und selbst für seinen Unterhalt aufzukommen. Mit dem Aufstockungsunterhalt soll ein zwischen den Einkommen der Ehegatten bestehendes Gefälle ausgeglichen werden, bis der unterhaltsbedürftige Ehegatte in der Lage ist, selbst für seinen angemessenen Unterhalt aufzukommen. Voraussetzung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt ist, dass der Bedürftige bereits eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht den eheangemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB abdecken und die Unterhaltsbedürftigkeit zu den maßgeblichen Einsatzzeitpunkten vorliegt. Kann der unterhaltsbedürftige Ehegatte überhaupt nicht erwerbstätig sein wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit, Ausbildung oder Arbeitslosigkeit, besteht kein Anspruch auf Aufstockung, denn dann richtet sich sein Anspruch je nach Bedürfnislage nur nach den §§ 1570–1572, 1575, 1573 Abs. 1 BGB, über die der volle eheangemessene Bedarf nach § 1578 Abs.1 BGB verlangt werden kann. 463 Übt der unterhaltsbedürftige Ehegatte nur eine Teilzeiterwerbstätigkeit aus und liegen ansonsten die Anspruchsvoraussetzungen auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit, Ausbildung oder Arbeitslosigkeit vor, kann mit den Ansprüchen gemäß §§ 1570–1572, 1575, 1573 Abs. 1 BGB nur die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem möglichen Einkommen aus einer Vollerwerbstätigkeit verlangt werden.174 Reicht dieser Betrag nicht zur Deckung des eheangemessenen Bedarfs (§ 1578 Abs. 1 BGB), besteht insoweit ein ergänzender Anspruch auf Aufstockung nach § 1573 Abs. 2 BGB (s. Beispiel Rn. 525d). Der Anspruch besteht auch, wenn der geschiedene Ehegatte nicht erwerbstätig ist, obwohl er dazu verpflichtet wäre und ihm für die Berechnung des Aufstockungsunterhalts fiktiv Einkünfte aus der zumutbaren Arbeit unterstellt werden. Zur Berechnung der Höhe des fiktiven Einkommens s. Rn. 485. 174 BGH, FamRZ 1990, 492; für den Altersunterhalt bei teilweiser Erwerbstätigkeit vgl. BGH, FamRZ 1999, 708.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB Beispiel Für die arbeitslose, nach 15-jähriger Ehe geschiedene F wäre bei ernsthaftem Bemühen ein Einkommen aus zumutbarer Arbeit i.H.v. 1 000 Euro erzielbar. Sie kann von M, der 2 000 Euro verdient, Aufstockungsunterhalt, allerdings nur i.H.v. 429 Euro verlangen; denn ihr werden für die Unterhaltsberechnung fiktive Einkünfte i.H.v. 1 000 Euro unterstellt, die sie bei Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit verdienen könnte (429 Euro entspricht 3/ 7 von 1 000 Euro, der Differenz zwischen dem Einkommen des M und dem fiktiven Einkommen der F). Zur Berechnung des Unterhalts vgl. Rn. 510 ff. und zu den Voraussetzungen der Zurechnung eines fiktiven Einkommens Rn. 485.
Im Gesetz ist nicht geregelt, ob Einkommensdifferenzen eine Mindesthöhe haben müssen, damit eine Ausgleichspflicht besteht. Einige OLG lehnen generell eine Ausgleichspflicht bei einem Anspruch bis zu ca. 50 Euro ab, da eine Ausgleichspflicht so geringer Einkommensunterschiede durch Sinn und Zweck von § 1573 Abs. 2 BGB, durch den der eheliche Lebensstandard gesichert werden soll, nicht mehr gedeckt sei.175 Dem ist beizupflichten, allerdings sollten bei niedrigen Einkommen der geschiedenen Eheleute auch geringe Einkommensunterschiede ausgleichspflichtig sein, insbesondere wenn die Voraussetzungen nach § 1578b BGB nicht vorliegen.176 Die Entscheidung über die Ausgleichspflicht erfolgt nach Prüfung der Leistungsfähigkeit im Rahmen einer abschließenden Angemessenheitskontrolle des zu zahlenden Unterhalts, vgl. Rn. 519. b) Einsatzzeitpunkte Die Voraussetzungen des Aufstockungsunterhalts müssen zum Zeitpunkt der 464 Scheidung vorliegen (Einsatzpunkt). Der Aufstockungsunterhalt kann aber auch als Anschlussunterhalt geltend gemacht werden, wenn zunächst Unterhaltsansprüche nach §§ 1570–1572 und § 1575 BGB wegen Kindesbetreuung, Alters, Krankheit oder Ausbildung bestanden und die Voraussetzungen dieser Vorschriften später weggefallen sind. Einsatzzeitpunkt ist dann jeweils der Wegfall der Voraussetzungen des anderen Unterhaltsanspruchs, § 1573 Abs. 3 BGB. c) Befristung und Herabsetzung Der Aufstockungsunterhalt ist – wie alle anderen Unterhaltsansprüche auch – be- 464a schränkbar, d.h. er kann gem. § 1578b BGB in der Höhe herabgesetzt und/oder zeitlich befristet werden, vgl. zu den Voraussetzungen Rn. 525 ff. Die zeitliche Befristung kommt i.d.R. nicht in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat und diese nicht mehr ausgeglichen werden können.177 Insoweit spielt die Dauer der Ehe keine Rolle. Möglich ist hingegen – je nach Billigkeit – eine Herabsetzung vom eheangemessenen Bedarf auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten. Ist der Unterhaltsberechtigte nicht aufgrund ehebedingter Nachteile in seinen Erwerbsmöglichkeiten beeinträchtigt, kann der Aufstockungsunterhalt auch befristet werden, wenn die Ehe von langer Dauer war.. Nach der seit 2006 geänderten Rechtsprechung des BGH zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F., an die die Rechtsprechung zu § 1578b BGB anknüpft, rechtfertigt eine lange Dauer der Ehe für sich 175 So z.B. OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 341; OLG München, FamRZ 1997, 425; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947. 176 So OLG Köln zu § 1361 BGB, FamRZ 2007, 1463, 1464. 177 BGH, FamRZ 2006, 1106 ff., m. Anm. v. Born, S. 1008 f.
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genommen nicht, eine Befristung auszuschließen, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte keine ehebedingten Nachteile in seinen Erwerbsmöglichkeiten erlitten hat, denn § 1573 Abs. 2 BGB gewährt keine Lebensstandardgarantie.178 Deshalb kann der Unterhalt auch bei einer Ehe von langer Dauer befristet werden, wenn die Einkommensdifferenz auf schon vorehelich bestehenden unterschiedlichen Berufsausbildungen der Ehegatten beruht, die zu einem unterschiedlichen Lebensstandard führen.179 Der Dauer der Ehe kommt aber gleichwohl eine gewichtige Bedeutung für die Billigkeitsprüfung und Entscheidung über die Herabsetzung des Bedarfs und/oder Befristung des Anspruchs zu (Rn. 525 f.). 464b Bestehen ehebedingte Nachteile, die sich meist aus der Kindesbetreuung sowie Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben, hängt die Befristbarkeit davon ab, ob der Berechtigte Möglichkeiten hat, die Nachteile zu überwinden und ggf. innerhalb welchen Zeitrahmens (Rn. 525d). Möglich ist auch, den Anspruch in der Höhe auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten herabzusetzen, wenn eine fortdauernde, an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung unbillig wäre (§ 1578b Abs. 1 BGB, s. Rn. 526a). Allerdings muss abschätzbar sein, wann der Berechtigte die Nachteile überwunden haben wird. Häufig werden die Gerichte hier, wenn eine Prognose nicht möglich ist, von einer Herabsetzung absehen. Beispiel Der Facharzt E hat ein bereinigtes mtl. Einkommen von 5 000 Euro. In der 16-jährigen Ehe hat F (45 Jahre), eine Physiotherapeutin, die Kinder betreut und daneben in der Privatpraxis ihres Mannes gearbeitet. Nach der Scheidung macht sie sich als Physiotherapeutin selbständig, da sie nur befristete Teilzeitbeschäftigungen angeboten bekam. Sie erzielt ein Einkommen von 1 000 Euro. Ihr steht ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zu. Unter Berücksichtigung ihres Alters mit einer noch möglichen Berufstätigkeit von 20 Jahren kommt trotz der langen Dauer der Ehe nach einer Übergangszeit von ca. 6 Jahren die Herabsetzung des Bedarfs auf ihren eigenen angemessenen Lebensbedarf in Betracht (§ 1578b Abs. 1 BGB), denn sie übt eine zumutbare angemessene Tätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB aus und hätte auch ohne Heirat in ihrem Beruf gearbeitet. Eine zeitliche Befristung des herabgesetzten Anspruchs nach § 1578b Abs. 2 BGB scheidet jedoch aus Billigkeitsgründen aus. Denn F hat in der Ausübung ihres erlernten Berufs aufgrund langjähriger Unterbrechung der Tätigkeit wegen der Kinderbetreuung und des Aufbaus der Arztpraxis ihres Mannes ehebedingte Nachteile erlitten. Für sie wäre bei einer ohne Rücksicht auf familiäre Belange fortdauernd ausgeübten Tätigkeit als selbständige Physiotherapeutin ein Einkommen von ca. 2 300 Euro erzielbar gewesen (§ 287 ZPO). Ihr steht deshalb für 6 Jahre ein ungeschmälerter Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB in Höhe des vollen Unterhaltsbedarfs von 1 715 Euro ([5 000 Euro – 1 000] × 3/ 7 = 1 714,29 Euro) zu und für die Zeit danach ein unbefristeter Anspruch auf Nachteilsausgleich bezogen auf das Einkommensniveau in ihrem Beruf i.H.v. 1 300 Euro (2 300 Euro – 1 000 Euro = 1 300 Euro). Verbessern sich ihre Einkünfte, kann E mit der Abänderungsklage die Herabsetzung verlangen. Weitere Beispiele zur Befristung und Herabsetzung des Anspruchs nach § 1578b BGB s. Rn. 525d.
464c Fehlen ehebedingte Nachteile, fallen die Übergangsfristen nach § 1578b Abs. 2 BGB in der Rechtsprechung trotz langer Ehedauer relativ kurz aus: So hat das OLG Celle180 der Ehefrau nach 15-jähriger Ehe bei einer Einkommensdifferenz von 357 Euro eine Übergangsfrist von fünf Jahren zugestanden, das OLG Stutt178 So der BGH in ständiger Rspr. zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F., der schon vor dem 1.1.2008 befristbar war, in FamRZ 2006, 1106 ff.; FamRZ 2007, 2049 und 2052, m. Anm. v. Hoppenz; 2008, 134 (Rn. 528b). 179 BGH, FamRZ 2009, 406, 408; 2008, 1508, 1509 Tz. 12, m. Anm. Borth, S. 1511. 180 OLG Celle, FamRZ 2008, 1448.
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
gart181 einer Ehefrau nach 21 Jahren Ehe eine Übergangsfrist von 6 1/ 2 Jahre, da der wiederverheiratete Unterhaltspflichtige über einen längeren Zeitraum gemeinsame Schulden zu tilgen hatte. Sind die Ehen nicht von langer Dauer und liegen keine ehebedingten Nachteile vor, ergeben sich noch kürzere Übergangsfristen. Dabei wird mitberücksichtigt, wie lange schon Unterhalt von der Trennung bis zur Scheidung gezahlt wurde. Der BGH182 hat den Anspruch einer Ehefrau nach einer kinderlosen Ehe von 13 Jahren, in der die Ehefrau in der gesamten Ehezeit vollschichtig als Küchenhilfe erwerbstätig war, auf vier Jahre ab Rechtskraft der Scheidung befristet. Das OLG München183 hat den Anspruch der 53-jährigen Ehefrau nach einer kinderlos gebliebenen 9-jährigen Ehe befristet auf drei Jahre ab Zustellung des Scheidungsantrags. Das OLG Bremen184 hat den Anspruch nach kinderloser 8-jähriger Ehe auf ein Jahr ab Rechtskraft der Scheidung befristet, weil bereits zweieinhalb Jahre Trennungsunterhalt gezahlt worden war. Die Ehefrau, eine gelernte Friseuse, hatte während des ehelichen Zusammenlebens als geringfügig Beschäftigte gearbeitet. Das Einkommen des Ehemanns betrug 2 100 Euro, das der Ehefrau 1 100 Euro. Das OLG Celle185 hat den Anspruch nach 9 1/ 2-jähriger Ehedauer auf 2 1/ 2 Jahre befristet, weil trotz Kinderbetreuung keine ehebedingten Nachteile vorlagen. Die Befristung kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil anderenfalls z.B. der Einsatzzeitpunkt für einen späteren Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1573 Nr. 3 BGB entfallen würde.186 Wegen Unterhalts bis zum 31.12.2007 sind die § 1578 Abs. 1, § 1573 Abs. 5 BGB a.F. anwendbar, vgl. dazu Rn. 436a, 525a Praxishinweis). 6. Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 BGB) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung oder während der Ehe eine Schul- 465 oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist (§ 1575 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind (§ 1575 Abs. 2 BGB). Hat der geschiedene Ehegatte ehebedingte berufliche Ausbildungsnachteile erlitten, kann er Unterhalt geltend machen, wenn er unterhaltsbedürftig wird, weil er eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nachholt. Der Anspruch besteht für die Dauer der Bildungsmaßnahme.
181 182 183 184 185 186
OLG-Report 2008, 742 (745) = BeckRS 2008, 19457. BGH, FPR 2008, 449 m. Anm. Weil = NJW 2008, 2644 = FamRZ 2008, 1508. OLG München, NJW 2008, 2447, 2448 = FamRZ 2009, 52. OLG Bremen, NJW 2009, 373 = OLGR 2008, 942. OLG Celle, FamRZ 2008, 1949. BGH, FamRZ 2008, 1508.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Beispiel Nach 10-jähriger Ehe will die geschiedene F ihre nach der Heirat abgebrochene Lehre als technische Zeichnerin wieder aufnehmen. Sie muss nicht die während der Ehe ausgeübte Tätigkeit als ungelernte Verkäuferin fortsetzen.
a) Unterhalt wegen Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung (§ 1575 Abs. 1 BGB) 466 Unterhaltsberechtigt ist, wer die Ausbildung in Erwartung oder während der Ehe abgebrochen hat. Erfolgt der Abbruch vor der Ehe, muss der Ehegatte darlegen und beweisen, dass er die Berufsausbildung „in Erwartung“, also wegen der Ehe abgebrochen hat. Dabei können daneben allerdings noch andere Gründe eine Rolle spielen. Voraussetzung ist nicht, dass die Ausbildung zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Beispiel Brach die geschiedene F ihre Ausbildung vor der Eheschließung ab wegen Ärgers mit dem Ausbilder, aber gleichfalls, um schneller Geld für die Einrichtung der gemeinsamen Ehewohnung verdienen zu können, weil sie ein gemeinsames Kind erwartete, so darf sie die Ausbildung nach der Scheidung fortsetzen.
467 Wird die Ausbildung während der Ehe abgebrochen, kommt es auf die Gründe für den Abbruch nicht an. Hier reicht der bloße zeitliche Bezug zur Ehe aus. Ein Unterhaltsanspruch besteht, egal ob der Ehegatte die Ausbildung in Erwartung oder während der Ehe nicht begonnen hat. Hier obliegt es dem Ehegatten allerdings darzulegen und zu beweisen, dass er schon konkrete Pläne für eine bestimmte Ausbildung hatte und diese wegen der Ehe nicht begonnen hat. Zwar ist nicht erforderlich, dass schon bestimmte vorbereitende Maßnahmen wie die Anmeldung oder Ähnliches getroffen wurden. Gab es aber schon solche, erleichtert dies die Beweisführung im Prozess. Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, wird von dem Unterhaltsberechtigten erwartet, dass er so bald wie möglich die berufliche Qualifizierung beginnt bzw. fortsetzt. Dem Unterhaltsberechtigten steht zwar ein angemessener Zeitraum zum Überlegen und Entscheiden zu. Dabei ist aber das Interesse des Unterhaltsverpflichteten zu beachten, möglichst bald zu wissen, mit welchen finanziellen Belastungen er nach der Scheidung zu rechnen hat. Ist der Unterhaltsberechtigte wegen Krankheit (§ 1572 BGB) oder der Betreuung der gemeinsamen Kinder (§ 1570 BGB) an der Aufnahme der Ausbildung gehindert, behält er den Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB, wenn er nach Wegfall dieser Hinderungsgründe ohne schuldhaftes Zögern mit der Ausbildung beginnt. Der Anspruch bleibt bestehen, wenn sich der Ausbildungsbeginn aus besonderen Gründen verzögert, z.B. wegen der Pflege der erkrankten Mutter oder weil die Ausbildung immer nur zu ganz bestimmten Zeiten beginnt. Ist dem Unterhaltsberechtigten während der Verzögerung die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit möglich, so ist er zur finanziellen Entlastung des Unterhaltspflichtigen dazu auch verpflichtet. Die insoweit erzielbaren Einkünfte werden auf den Ausbildungsunterhalt angerechnet. Gibt es für die Verzögerung keinen vernünftigen Grund, erlischt der Anspruch und lebt auch nicht mehr auf. 468 Von dem Unterhaltsberechtigten wird erwartet, dass er die abgebrochene bzw. nicht begonnene oder eine diesen entsprechende Ausbildung aufnimmt. Wählt er eine neue Ausbildung, muss diese zwar nicht in einem fachlichen Zusammen356
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
hang zum vorherigen Ausbildungsgang stehen, aber Umfang und Leistungsanforderungen müssen sich entsprechen. Es besteht kein Anspruch auf eine teurere oder längere Ausbildung. Wählt der Unterhaltsberechtigte demgegenüber eine weniger qualifizierte Ausbildung, die zu einer Verkürzung der Unterhaltsleistungszeit führt, bleibt es bei dem Anspruch nach § 1575 BGB. Beispiele – F, die vor der Ehe ihr 3-semestriges Biologiestudium abgebrochen hat, darf nach der Scheidung ein Informatikstudium beginnen. – M, der während der Ehe seine Lehre als Maschinenschlosser abgebrochen hat, erhält über § 1575 Abs. 1 BGB nach der Scheidung eine Lehre als Elektroinstallateur finanziert, nicht aber ein Studium der Elektrotechnik. – F, mit abgebrochenem Medizinstudium, hat nach der Scheidung eine Ausbildung als Medizinisch Technischer Assistent begonnen und einen Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB.
Hat der unterhaltsbegehrende Ehepartner schon eine Ausbildung, die ihm die 469 Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit ermöglicht, hat er keinen Anspruch auf Finanzierung einer Zweitausbildung. Die Verpflichtung zur Finanzierung einer Zweitausbildung ginge über das zumutbare Maß ehelicher Solidarität hinaus. Beispiel F qualifizierte sich während der Ehe zur Operationsschwester und plante noch vor der Trennung, das Abitur nachzuholen und ein Medizinstudium zu beginnen. Die Trennung erfolgte, nachdem sie bereits ihren Arbeitsplatz gekündigt und sich für den Abiturlehrgang angemeldet hatte. Ihr steht kein Anspruch nach § 1575 BGB zu.187
Für die nach der Scheidung begonnene Ausbildung muss ein erfolgreicher Ab- 470 schluss erwartet werden und die Aussicht auf Arbeitsaufnahme bestehen, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Zweck der Finanzierung der weiteren Ausbildung des geschiedenen Ehegatten ist es, diesem eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen und ihn von weiteren Unterhaltszahlungen unabhängig zu machen. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, dass der Unterhaltsverpflichtete natürlich nicht z.B. das nur zum Vergnügen betriebene Studium oder eine ohne den notwendigen Leistungswillen betriebene Ausbildung bezahlen muss. Es ist Sache des Unterhaltsberechtigten darzulegen, dass er Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss und eine nachfolgende Berufstätigkeit hat. Dabei hängt die Prognose von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, die er beachten muss, z.B. von seinem Gesundheitszustand, der Dauer der Ausbildung, der Arbeitsmarktlage, seinem Alter, seiner schulische Vorbildung, seiner Leistungen während der Ausbildung etc. Der Berechtigte muss zwar während der Ausbildung von sich aus keine Leistungsnachweise vorlegen; erbringt er aber bestimmte übliche Leistungen nicht und kommt es zu Verzögerungen, so erlischt sein Anspruch. Beispiele – F hatte wegen der Kinder ihr Studium aufgegeben und beginnt nach der Scheidung der Ehe mit 46 Jahren ein Studium der Wirtschaftswissenschaft. Ihr steht Ausbildungsunterhalt zu, wenn eine andere angemessene Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt.188 187 BGH, FamRZ 1985, 784 ff. 188 OLG Hamm, FamRZ 1983, 181 ff.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Schafft F allerdings im 9. Semester nicht das Vordiplom, das üblicherweise nach 4 Semestern erreicht wird, erlischt ihr Ausbildungsunterhaltsanspruch und ihr steht nur noch Aufstockungsunterhalt zu.189 – Beginnt M im Alter von 48 Jahren ein Pädagogikstudium, steht ihm für dieses Studium kein Anspruch nach § 1575 BGB zu, wenn er nach Abschluss des Studiums keine Chance hat, als Lehrer im Öffentlichen Dienst tätig zu sein, und auch auf dem übrigen Arbeitsmarkt keine Chancen bestehen.
471 Ausbildungsunterhalt muss nur für die übliche Ausbildungszeit und bei einem Studium für die statistische Durchschnittsdauer gezahlt werden. Der Anspruch erlischt bei Verzögerungen, die z.B. durch einen Fachwechsel oder persönliches Versagen des Berechtigten verursacht worden sind. Bei ehebedingten Verzögerungen, z.B. Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes durch Krankheit oder eine Erkrankung des Berechtigten, die schon zu den Einsatzzeitpunkten des § 1572 BGB vorhanden waren, bleibt der Unterhaltsanspruch wegen der Einheitlichkeit des Anspruchs erhalten. Erkrankt der Ehegatte während der Ausbildung und verzögert sich diese dadurch, ist der Pflichtige nach überwiegender Meinung zur Finanzierung der Verzögerung über § 1575 BGB verpflichtet. Ob der Anspruch sich dann auch auf § 1572 BGB – Unterhalt wegen Krankheit – stützen lässt, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage ebenfalls vorliegen.
" Praxishinweis: Der Unterhaltstitel wird i.d.R. entsprechend der Dauer der
Ausbildung zeitlich begrenzt. Fehlt die zeitliche Begrenzung, muss der Unterhaltsberechtigte den Verpflichteten über das Ende der Ausbildung informieren. Ist er aus anderen Gründen fortdauernd unterhaltsbedürftig, behält er die Rechte aus dem Titel, ihm obliegt jedoch die Darlegungs- und Beweislast für seine fortdauernde Unterhaltsbedürftigkeit. Vgl. zur Einheitlichkeit des Unterhaltsanspruchs und den prozessualen Folgen Rn. 433, 434.190
472 Bezieht der geschiedene Ehegatte während der Ausbildung öffentliche Fördermittel z.B. nach dem BAföG oder dem Arbeitsförderungsrecht, so werden diese Gelder bedarfsmindernd in Abzug gebracht. Die Altersgrenzen der öffentlichen Ausbildungsförderung gelten nicht im Unterhaltsrecht. Beispiel Die 33-jährige geschiedene F setzt nach der Scheidung ihre Ausbildung als Sozialarbeiterin fort. Sie erhält 600 Euro Unterhalt. Nach der Bewilligung von BAföG verringert sich ihr Unterhaltsanspruch um den BAföG-Betrag. Nach Wegfall der BAföG-Zahlung wegen Erreichens der Altersgrenze, die i.d.R. bei 30 Jahren liegt (§ 10 BAföG), stehen ihr wieder 600 Euro Unterhalt zu.191
b) Unterhalt wegen Fortbildung oder Umschulung (§ 1575 Abs. 2 BGB) 473 Unterhaltsberechtigt ist der Ehegatte, der sich zum Ausgleich ehebedingter beruflicher Nachteile fortbilden oder umschulen lässt (§ 1575 Abs. 2 BGB). Hat ein Ehegatte mit Rücksicht auf die Familie – in der Praxis überwiegend wegen der Kindesbetreuung – seine Fähigkeiten im Beruf nicht entfalten können, 189 OLG Hamm, FamRZ 1988, 1280 f. 190 OLG Koblenz, FamRZ 1987, 481. 191 Die Altersgrenze gilt z.B. nicht bei Verhinderung (bis zu 10 Jahren) wegen Kinderbetreuung (§ 10 Abs. 3 Nr. 3 BAföG).
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III. Die Unterhaltstatbestände der §§ 1570–1576 BGB
soll er nicht auf eine ihm mögliche angemessene Erwerbstätigkeit verwiesen werden, sondern zunächst Gelegenheit haben, zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen im Beruf nachzuholen, um sich noch im Beruf angemessen entfalten zu können. Ob ein ehebedingter Nachteil vorliegt, lässt sich z.B. anhand eines Vergleichs zur möglichen beruflichen Entwicklung ohne Eheschließung feststellen. Beispiel F, eine russische Dozentin für Sprachen, erhält wegen fehlender Promotion in Deutschland keine unbefristete Anstellung an der Universität. Sie hat keinen Anspruch gemäß § 1575 Abs. 2 BGB auf Aufnahme eines Studiums und einer Promotion, weil ihr auch ohne weitere Fortbildung angemessene berufliche Tätigkeiten, z.B. als Dolmetscherin, offen stehen, die ihr eine ausreichende berufliche Entfaltung bieten. Damit steht sie beruflich nicht schlechter als ohne Eheschließung in ihrer Heimat.192
Es wird erwartet, dass der Ehegatte die qualifizierenden Maßnahmen so bald wie 474 möglich aufnimmt, ein erfolgreicher Abschluss möglich ist und dass die Maßnahmen geeignet sind, eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Insoweit gelten die Ausführungen unter Rn. 470 entsprechend. Das Gesetz gibt keinen besonderen Einsatzzeitpunkt an, so dass die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Scheidung vorliegen müssen. Ist der Unterhaltsberechtigte wegen Krankheit oder der Betreuung der gemeinsamen Kinder an der Aufnahme der Ausbildung gehindert, so behält er den Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB, wenn er nach Wegfall dieser Hinderungsgründe ohne schuldhaftes Zögern mit der Ausbildung beginnt. 7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit 475 und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre (§ 1576 BGB). Mit dieser Vorschrift sollen die Fälle aufgefangen werden, in denen ein Unterhaltsanspruch nach den Vorschriften der §§ 1570–1575 BGB nicht vorliegt, aber gleichwohl aufgrund besonderer Umstände die Versagung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsgefühl in unerträglicher Weise widersprechen würde. Es handelt sich hier um eine Ausnahmebestimmung, die immer erst dann zum Zuge kommt, wenn ein anderer Unterhaltsanspruch sicher nicht gegeben ist, der geschiedene Ehegatte aus schwerwiegenden Gründen nicht arbeiten kann, auf Unterhalt angewiesen ist und dem anderen Ehegatten die Unterhaltsgewährung zugemutet werden kann.193 Ein schwerwiegender Grund, der den geschiedenen Partner an der Erwerbstätig- 476 keit hindern kann, ist z.B. die Pflege und Erziehung eines gemeinsam aufgenommenen Pflegekindes. Da ein Anspruch wegen Kindesbetreuung nach § 1570 BGB daran scheitert, dass kein gemeinsames Kind zu betreuen ist, kommt § 1576 BGB zum Zuge.
192 BGH, FamRZ 1984, 988 ff. 193 Der BGH hat die h.M. zur Subsidiarität des Anspruchs gegenüber anderen Unterhaltstatbeständen bestätigt in FamRZ 2003, 1734, 1735, mit Anm. von Büttner, S. 1830.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Beispiel Die Eheleute nehmen ein 2-jähriges Kind mit dem Ziel der Adoption in Pflege. F, die immer ein gleich hohes Einkommen wie M hatte, hört auf zu arbeiten. Noch vor Abschluss des Adoptionsverfahrens trennen sich die Eheleute. F steht nach der Scheidung ein Anspruch gemäß § 1576 BGB zu.
Beruht die Inpflegenahme des Kindes nicht auf einem gemeinsamen Plan der Eheleute, sondern vor allem auf der Entscheidung nur eines Ehegatten, der eine sinnvolle Beschäftigung sucht, kann die Inanspruchnahme des anderen unbillig sein. Beispiel F, eine gelernte Kinderschwester, nimmt im August ein behindertes Pflegekind zunächst zur vorübergehenden Betreuung auf, erhält im Oktober die Pflegeerlaubnis für eine dauerhafte Betreuung und stellt im Dezember desselben Jahres den Scheidungsantrag. Obwohl M zugestimmt hatte, kommt hier ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1576 BGB nicht zum Zuge, da F die Pflege eher als ihre eigene „berufliche“ Aufgabe verstanden hat und für M wegen der zeitlichen Nähe zwischen Pflegeerlaubnis und Scheidungsantrag die langfristige Unterhaltsverpflichtung unbillig wäre.194
Auch die Betreuung eigener Kinder des geschiedenen Ehegatten aus einer vorangegangenen Beziehung kann ausnahmsweise den Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB auslösen. Da das Gesetz grundsätzlich nur den Betreuungsunterhalt für gemeinsame Kinder vorsieht, kommt in diesen Fällen ein Anspruch nach § 1576 BGB nur in Betracht, wenn ganz besondere Umstände für einen Billigkeitsunterhalt sprechen, z.B. aufgrund einer schweren Erkrankung des Kindes ein besonderer Betreuungsbedarf entsteht, Unterhalt vom leiblichen Elternteil nicht verlangt werden kann und der Unterhaltsberechtigte seinerseits während der Ehe besondere Opfer erbracht hat durch die Pflege eines nahen Angehörigen des Pflichtigen.195 Weitere schwerwiegende Gründe können z.B. sein: eine schwere Erkrankung des geschiedenen Ehegatten, dem ein Anspruch nach § 1572 BGB nicht zusteht, weil die Krankheit nicht zum Einsatzzeitpunkt aufgetreten ist und die Ehe von langer Dauer war. Wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift ist generell davon auszugehen, dass dem bedürftigen Ehegatten eine gesteigerte Erwerbspflicht – wie wir sie aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis minderjähriges Kind/Eltern kennen – obliegt und der Unterhalt nur für eine Übergangszeit gewährt wird. 477 Kein schwerwiegender Grund liegt vor, wenn zugunsten der Mutter eines nichtehelichen Kindes, das nach Rechtskraft der Scheidung zur Welt gekommen ist, kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB besteht; denn zu ihren Gunsten kommt § 1615l BGB in Betracht, der eine abschließende Regelung darstellt.196 Auch das Verpassen der Einsatzzeitpunkte in den Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 ff. BGB rechtfertigt für sich nicht die Anwendbarkeit von § 1576 BGB.197 194 BGH, FamRZ 1984, 769; so auch OLG Hamm, FamRZ 1996, 1417, 1418. 195 BGH, FamRZ 1983, 800, Tz. 16. 196 BGH, FamRZ 1998, 426, 427. Das OLG Düsseldorf (FamRZ 1999, 1274) hat einem Anspruch gemäß § 1576 BGB stattgegeben in einem Fall, in dem das gemeinsame Kind als eheliches Kind des 1. Ehemannes galt, die Mutter den leiblichen Vater in 2. Ehe heiratete, mit ihm das Kind betreute und nach Scheidung der 2. Ehe Betreuungsunterhalt verlangte. 197 OLG Hamm, FamRZ 1999, 230, 232.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Ob die Versagung von Unterhalt grob unbillig ist, d.h. dem Gerechtigkeitsgefühl 478 in unerträglicher Weise widerspricht, ergibt eine Abwägung der Belange beider Ehegatten. In die Abwägung mit einzubeziehen sind Alter, Dauer der Ehe, Gesundheitszustand, Entwicklungen in der Ehe, aufopferungsvolle Pflege naher Verwandter, Belange betroffener Kinder sowie eheliches Fehlverhalten. Allerdings reicht eheliches Fehlverhalten allein nicht zur Versagung eines Unterhaltsanspruchs aus; denn das Unterhaltsrecht beruht nicht mehr auf dem Verschuldensgedanken. Ob dem geschiedenen Ehegatten noch die Zahlung von Unterhalt zugemutet werden kann, hängt u.a. davon ab, ob er noch mit einer Inanspruchnahme rechnen musste und welche neuen Verpflichtungen bestehen, wenn die Scheidung schon länger zurückliegt. Je länger er nicht mit Unterhaltsansprüchen belastet wurde, desto weniger muss er mit einer Inanspruchnahme rechnen.198
" Praxishinweis: Darlegungs- und beweispflichtig für den Unterhaltsanspruch
ist der Ehegatte, der Unterhalt verlangt. Da der Anspruch nach § 1576 BGB subsidiär ist, d.h. wie ein „Lückenfüller“ immer erst zum Zuge kommt, wenn ein anderer Anspruch nicht besteht, muss ein Unterhaltsanspruch, der z.B. zum Teil auf § 1570 BGB und zum Teil auf § 1576 BGB beruht, hinsichtlich der Teilansprüche genau beziffert werden.
Beispiel F braucht wegen der Betreuung der gemeinsamen Kinder nur eine Teilzeitbeschäftigung und wegen des Pflegekindes gar keine Erwerbstätigkeit auszuüben. Ihr Unterhaltsanspruch beruht auf §§ 1570 und 1576 BGB mit der Folge, dass die Teilansprüche für jede Anspruchsnorm exakt beziffert werden sollten. Der Anspruch kann insgesamt mit 1 000 Euro beziffert werden, wobei sie 600 Euro wegen § 1570 BGB und 400 Euro wegen § 1576 BGB verlangt.199
IV. Die Berechnung des Unterhalts Prüfungsschema für Nacheheunterhalt
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1. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer der Anspruchsgrundlagen der §§ 1570–1573, 1575, 1576 BGB vor? 2. Berechnung des eheangemessenen Unterhalts des Anspruchstellers (§ 1578 Abs. 1 BGB). a) Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB). – Klärung sämtlicher eheprägender Einkünfte beider geschiedener Ehegatten unter Berücksichtigung normaler Einkommensentwicklungen seit der Scheidung. – Bereinigung des Einkommens durch Abzug berufsbedingter Aufwendungen, des Kindesunterhalts und ehebedingter Verbindlichkeiten, abschließend Abzug eines Erwerbstätigenbonus vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit. – Besteht eine erweiterte Erwerbspflicht, wenn ein Ehegatte nicht erwerbstätig oder nur teilzeitbeschäftigt ist? Gegebenenfalls Zurechnung eines fiktiven Einkommens, das ebenfalls zu bereinigen ist. – Bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit des Verpflichteten wegen Kindesbetreuung ggf. Abzug eines Betreuungsbonus (§ 242 BGB). 198 BGH, FamRZ 2003, 1743, 1737. 199 BGH, FamRZ 1984, 361 (Zahlen geändert).
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
– Bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit des Berechtigten wegen Kindesbetreuung nur Einstellung des unterhaltsrelevanten, nach Billigkeit zu berücksichtigenden Teils des Einkommens (§ 1577 Abs. 2 BGB). – Ergebnis: Summe der bereinigten Einkommen ergibt den Bedarf beider Ehegatten. Davon steht dem Unterhaltsberechtigten die Hälfte zu. b) Ist der Berechtigte in Höhe des errechneten Bedarfs bedürftig? – Vom Bedarf des Berechtigten sind abzuziehen seine sämtlichen bereinigten Einkünfte, egal ob eheprägend oder nicht. – Bei sonstigen Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Abzug gemäß § 1577 Abs. 2 BGB. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird, Abzug des unterhaltsrelevanten Teils des Einkommens und kein Abzug des nicht unterhaltsrelevanten Teils. – Ergebnis: ungedeckter Bedarf des Berechtigten. c) Ist der Verpflichtete zur Zahlung des ungedeckten Bedarfs leistungsfähig? – Von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten, das nicht um den Erwerbsfähigenbonus gemindert ist,200 sind abzuziehen – der ungedeckte Bedarf des Berechtigten, – ggf. weitere nicht ehebedingte Verbindlichkeiten. – Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts des Verpflichteten: – Dem Verpflichteten muss der eheangemessene Selbstbehalt verbleiben. Er entspricht einem Betrag in der Mitte zwischen dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) und dem angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB),201 das sind zurzeit 1 000 Euro202 (Rn. 518); bei Nichterwerbstätigen teilweise 935 Euro. – Der eheangemessene Selbstbehalt darf den notwendigen Selbstbehalt nicht unterschreiten. 3. Ergebnis: zu zahlender Unterhalt, ggf. Billigkeitsunterhalt gemäß § 1581 BGB.
480 Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Unterhaltsanspruch ist auf eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente gerichtet und umfasst den gesamten Lebensbedarf als Summe der individuellen Einzelbedürfnisse. Die individuellen ehelichen Lebensverhältnisse bestimmen die obere Grenze des Bedarfs. Neben dem sich aus § 1578 Abs. 1 BG ergebenden Anspruch auf Elementarunterhalt für die Kosten der allgemeinen Lebensführung gehören zum Unterhaltsbedarf auch die Kosten für die Krankenversicherung, für Schul- oder Berufsausbildung, Fortbildung oder Umschulung (§ 1578 Abs. 2 BGB) sowie eine angemessene Versicherung für das Alter und den Fall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB). Der über den Elementarunterhalt hinausgehende Bedarf muss ausdrücklich geltend gemacht werden.
200 S. Rn. 519. 201 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; s. Rn. 518 zur Leistungsfähigkeit. 202 DT, Anm. B IV, Stand 1.1.2010; Nr. 21.4 der LL.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Es gibt beim Ehegattenunterhalt keinen Mindestbedarf203 und keine Bedarfsbestimmung nach Tabellen, sondern der Bedarf bestimmt sich nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB). Der Bedarf ist nach dem Gesetz keine absolute Größe, sondern abhängig von dem individuellen Lebensstandard der Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung, so dass er durchaus auch unter dem Sozialhilfesatz liegen kann. Der Bedarf wird i.d.R. durch die Einkommen der geschiedenen Ehegatten abzüglich der bestehenden Verbindlichkeiten bestimmt. Da der Anspruch nur noch die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten ehelichen Lebensstandard einschließlich der üblichen und normalen Einkommensentwicklungen sichert, sollten für die Bedarfsbestimmung die aktuellen Einkommensverhältnisse und, wenn die Unterhaltsberechnung nicht zeitgleich mit der Scheidung erfolgt, auch die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung bekannt sein. Denn das bedarfsbestimmende Einkommen ist immer das Ergebnis einer Bewertung, welche Teile des aktuellen Einkommens der geschiedenen Ehegatten unter Berücksichtigung welcher Verbindlichkeiten, gemessen an den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung und zwischenzeitlich eingetretener Änderungen, für ihren Unterhaltsbedarf zur Verfügung stehen. Hier ergeben sich nach Trennung und Scheidung meist wirtschaftliche Veränderungen, die für die Betroffenen immer wieder die Frage aufwerfen, welche nach der Scheidung neu hinzugetretenen Verbindlichkeiten sind einkommensmindernd zu berücksichtigen und welche nicht (s. Rn. 483a). 1. Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse Für die Ermittlung des Einkommens der geschiedenen Ehegatten gelten die nach- 481 folgend dargestellten Grundsätze, ergänzend wird auf die Ausführungen unter Kap. A II zur Einkommensklärung (Rn. 31 ff.) und Bereinigung des bedarfsbestimmenden Einkommens (Rn. 67 ff.) Bezug genommen. Typische Probleme bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens beim Nacheheunterhalt sind nachfolgend unter Rn. 484 ff. behandelt. Die Einkommensermittlung sollte sich auf folgende Zeiträume beziehen: Da für die Berechnung des zukünftigen (laufenden) Unterhalts eine Prognoseentscheidung darüber erforderlich ist, welche Einkünfte die Ehegatten voraussichtlich erzielen werden, ist Grundlage für die Prognoseentscheidung bei nichtselbständigen Erwerbstätigen i.d.R. das in den letzten 12 Monaten erzielte Einkommen, bei Selbständigen i.d.R. das in den letzten drei Jahren erzielte Einkommen. Sind Unterhaltsrückstände zu berechnen, ist Berechnungsgrundlage das in diesen in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen tatsächlich erzielte Einkommen, wobei jeweils auf den Jahresdurchschnitt abgestellt werden kann.204 Zu erfassen sind zunächst sämtliche Einkünfte der geschiedenen Ehegatten aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit, Lohnersatzzahlungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld und Unfallrenten,205 ALG II beim Verpflichteten,206 Renten, der auf den Pflegenden entfallende Teil des Pflegegeldes, Leistun203 BGH, FamRZ 1997, 806 ff. Gerhardt sieht insoweit die Notwendigkeit zu einer Korrektur der Rspr. aufgrund der geänderten Rangfolge der Unterhaltsansprüche, FamRZ 2009, 1114 ff. 204 BGH, FamRZ 2007, 1532, 1534. 205 OLG Koblenz, FamRZ 2003, 1106, 1107. 206 Vgl. Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gen nach dem BAföG, auch wenn sie als Darlehen gewährt werden, sonstige geldwerte Zuwendungen und Einkünfte aus Vermögen. Nicht berücksichtigt werden sozialstaatliche Leistungen aufseiten des Unterhaltsberechtigten wie ALG II nach dem SGB II (ausgenommen sind davon die befristeten Zuschläge zum ALG II gemäß § 24 SGB II und das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II),207 Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Diese Leistungen sind in der Regel subsidiär, so dass der Unterhaltsbedürftige zunächst seinen Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten geltend machen muss. Zur Berechnung des ALG II, zu Nebenverdienstmöglichkeiten und zum gesetzlichen Forderungsübergang vgl. Rn. 66b und 556d. Auch bei den Leistungen der Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII, die für Ehegatten ab Vollendung des 65. Lebensjahres und bei dauerhafter Erwerbsminderung in Betracht kommen können, handelt es sich um eine besondere Form der Sozialhilfe, auf die nur ein Anspruch besteht, wenn und soweit der Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten den Grundsicherungsbedarf unterschreitet. Bleibt dann immer noch ein ungedeckter Bedarf, kann darüber hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) und ggf. für besondere Bedarfslagen (5.–8. Kapitel des SGB XII), beantragt werden. Für alle Sozialleistungen gilt, dass sie ausnahmsweise unterhaltsrechtlich als anrechenbares Einkommen zu behandeln sind, wenn die Nichtberücksichtigung durch den Unterhaltsberechtigten treuwidrig wäre, weil z.B. ein Rückgriff des Sozialträgers gegen den Verpflichteten aus übergeleitetem oder übergegangenem Recht nicht mehr in Betracht kommt (§ 242 BGB).208 Das Elterngeld wird bei Unterhaltsverpflichtungen nur berücksichtigt, soweit es 300 Euro übersteigt (§ 11 BEEG). Dies gilt selbst dann, wenn der Berechtigte zusammen mit dem Unterhalt ein höheres Einkommen als der Verpflichtete hat (Rn. 66).209 Zu erfassen sind hingegen Einkünfte aus Schmerzensgeld, denn sie können für den Unterhalt bei der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten oder Bedürftigkeit des Berechtigten eine Rolle spielen, wobei jedoch die Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes – Ersatz immaterieller Schäden und Genugtuung – im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu beachten ist. Aufgrund der Zweckbestimmung darf der Geschädigte das Kapital selbst in seiner Substanz erhalten oder für andere Zwecke verwenden, ohne gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zu verstoßen.210 Der Berechtigte muss es nicht zur Erleichterung der Unterhaltspflicht des anderen für seinen Bedarf verbrauchen.211 Ebenfalls zu erfassen sind sämtliche Abzüge wie Steuern, Solidaritätszuschlag, Vorsorgeaufwendungen für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, Altersvorsorge (Rn. 497), berufsbedingte Aufwendungen (Rn. 353a), Kinderbetreuungskosten (Rn. 488) und sonstige Verbindlichkeiten (Rn. 497). Vgl. zur Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse die Checkliste unter Rn. 354, die beim nachehelichen Unterhalt ebenfalls verwendet werden kann.
207 208 209 210 211
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Nr. 2.2 der Leitlinien des zuständigen OLG. BGH, FamRZ 1999, 843; BGH, FamRZ 2001, 619. Röhl, NJW 2010, 1418. BGH, FamRZ 1988, 1030, 1034. BGH, FamRZ 1989, 170 ff.; 1988, 1030, 1034; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 750.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
2. Klärung der prägenden Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung Wenn die Unterhaltsberechnung nicht zeitgleich mit der Scheidung, sondern erst 482 später zu einem späteren Einsatzzeitpunkt erfolgt, empfiehlt es sich neben den aktuellen Einkommensverhältnissen noch die prägenden ehelichen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung zu klären; denn der Bedarf bleibt in der Höhe beschränkt auf die weitere Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Scheidung erreichten Lebensstandard, unter Berücksichtigung nachfolgender normaler Einkommensentwicklungen. D. h. der Bedarf ist nicht dauerhaft in einer bestimmten Höhe festgeschrieben ist im Sinne einer fortdauernden Lebensstandardgarantie, denn nach der Scheidung eintretende normale Einkommenssteigerungen aber auch Einkommenseinbußen bei beiden geschiedenen Ehegatten wirken sich auf die Höhe des Bedarfs aus (Rn. 484 ff.). Um beurteilen zu können, ob Einkommenssteigerungen oder -verringerungen beim bedarfsbestimmenden Einkommen zu berücksichtigen sind, oder die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht kommt, ferner, ob Verbindlichkeiten vom bedarfsbestimmenden Einkommen abzuziehen sind, sollten folgende Fragen geklärt werden: Wie hoch war das Durchschnittseinkommen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung? Welche Einkommensentwicklungen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar und konnten die Ehegatten ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise darauf einstellen? Welche Verbindlichkeiten bestanden? Wie sah die Lebensplanung im Hinblick auf die Betreuung der Kinder aus? Vor der Trennung eingetretene Einkommensänderungen sind stets prägend.212 3. Feststellung des bedarfsbestimmenden Einkommens nach dem Maßstab der prägenden ehelichen Lebensverhältnisse Sind die aktuellen und die zum Zeitpunkt der Scheidung prägenden Einkom- 483 mens- und Lebensverhältnisse bekannt, kann bestimmt werden, in welcher Höhe das Einkommen unter Berücksichtigung welcher Verbindlichkeiten nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Unterhalt der geschiedenen Ehegatten zur Verfügung stehen sollte. Sofern Veränderungen eingetreten sind, ist immer eine Bewertung notwendig, welchen Einfluss diese Veränderungen auf das bedarfsbestimmende Einkommen haben. Die Bewertung, welches Einkommen für Unterhaltszwecke nach den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen zur Verfügung zu stehen hat, ist für die Höhe des Anspruchs von entscheidender Bedeutung. Beispiel Einkommensverhältnisse zur Zeit der Scheidung Unbereinigtes Gesamtdurchschnittsnettoeinkommen Davon entfallen auf die Ehefrau abzüglich berufsbedingte Aufwendungen213 abzüglich ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen den Ehemann
3 000 Euro 500 25 25 450 2 500
Euro Euro Euro Euro Euro
212 BGH, FamRZ 1988, 259, 262. 213 Zur Höhe der Bemessung der berufsbedingen Aufwendungen bei einer Teilzeitbeschäftigung s. Rn. 353a.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzüglich ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen prägendes Gesamteinkommen Einkommensverhältnisse nach der Scheidung Unbereinigtes Gesamtdurchschnittsnettoeinkommen Davon entfallen auf die Ehefrau abzügl. berufsbedingte Aufwendungen abzügl. ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen Ehemann abzügl. 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzügl. ehebedingte Schulden um ehebedingte Schulden bereinigtes Einkommen abzüglich Unterhalt für ein nicht gemeinsames Kind bereinigtes eheprägendes Einkommen Aufwendungen für eine nicht selbst genutzte Eigentumswohnung bereinigtes Einkommen Das bedarfsbestimmende eheprägende Gesamteinkommen beträgt (545 + 2 253)
125 125 2 250 2 700
Euro Euro Euro Euro
3 400 Euro 600 30 25 545 2 800 140 125 2 535 282 2 253 400 1 853
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
2 798 Euro
Das bedarfsbestimmende eheprägende Gesamteinkommen beträgt im vorstehenden Beispiel 2 798 Euro, denn die Erhöhung der Einkommen der geschiedenen Ehegatten entspricht der normalen Entwicklung. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt durch den Abzug der Kreditraten i.H.v. insgesamt 150 Euro. Der Unterhalt für das nach der Scheidung geborene, nicht gemeinsame Kind ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH ebenfalls vom bedarfsbestimmenden Einkommen des Ehemannes abzugsfähig, denn es handelt sich um eine Verbindlichkeit, die zwar nicht den ehelichen Bedarf zum Zeitpunkt der Scheidung geprägt hat, deren Erfüllung der andere Ehegatte aber hinzunehmen hat. Hinzu kommt, dass Unterhaltsansprüche minderjähriger und volljähriger privilegierter Kindern seit 1.1.2008 unterhaltsrechtlichen Vorrang vor den Ansprüchen anderer Unterhaltsberechtigter genießen (§ 1609 Nr. 1 BGB)214. Nicht abzugsfähig sind die nach der Scheidung entstandenen Verbindlichkeiten für die Immobilie. Denn der Verpflichtete darf nicht zu Lasten des Untehatsberechtigen Vermögen bilden.
483a Bei der Behandlung nachehelich entstandener Verbindlichkeiten hat der BGH seine Rechtsprechung geändert,215 die in Rechtsprechung und Literatur unter den Stichworten der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ und „Aufgabe des Stichtagsprinzips“ kritisch diskutiert wird. Danach gilt wegen der grundsätzlichen Wandelbarkeit der Lebensverhältnisse nach der Scheidung für die Einkommensbestimmung nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs.1 BGB Folgendes: Für die Berücksichtigung nachehelicher Änderungen des Einkommens ist nicht mehr auf den Stichtag der Rechtskraft des Scheidungsurteils abzustellen. Denn § 1578 Abs. 1 BGB begründet keine die früheren prägenden ehelichen Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende Lebensstandardgarantie. Auch sieht das Gesetz eine Fixierung auf einen solchen Stichtag nicht vor. Dies hat zur Folge, dass spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen sind und zwar unabhängig davon, ob es sich um Verschlechterungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 214 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; zur Abzugsfähigkeit von Unterhaltsverbindlichkeiten vgl. Rn. 502; a.A. OLG Celle, FuR 2007, 383–385, s. Rn. 483a und 502 zum Meinungsstreit. 215 BGH, Urt. v. 15.3.2006, FamR 2006, 683 ff.; seitdem in ständiger Rspr. u.a. FamRZ 2009, 23, Tz. 22 ff., m. Anm. v. Maurer, FamRZ 2009, 411 mit Anm. v. Borth; BGH, FamRZ 2009, 579 m. Anm. v. Schürmann; FamRZ 2010, 111 m. Anm. v. Herrler.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
BGB vorgegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden Solidarität andererseits begrenzen.216 Ausgehend von diesen dogmatischen Vorgaben, geht der BGH davon aus, dass der Unterhaltsberechtigte nur an normalen Steigerungen des Einkommens teilhat, soweit diese in der Ehe angelegt waren. Hinzunehmen sind vom Unterhaltsberechtigten auch nachehelich eingetretene Einkommensminderungen, sofern sie nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit beruhen oder durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Vermögensdispositionen bedingt sind und durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können. Dies gilt ebenso für sonstige, dauerhaft wirksame Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse, die das verfügbare bedarfsbestimmende Einkommen mindern und für den Schuldner trotz Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit nicht abwendbar sind. Dazu gehören z.B. nach der Scheidung hinzutretende vorrangige oder gleichrangige weitere Unterhaltsberechtigte, die sich auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten auswirken.217 Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass der bedürftige Ehegatte bei Fortbestehen der Ehe ebenfalls die negative Einkommensentwicklung des anderen Ehegatten wirtschaftlich hätte mittragen müssen, und das Unterhaltsrecht ihn nicht besser stellen wolle, als er ohne die Scheidung stünde. Die Änderung der Rechtsprechung des BGH, mit der der Stichtag Scheidung für die Bestimmung des ehelichen Lebensbedarfs seine zentrale Bedeutung verloren hat, stößt aus mehreren Gründen auf Kritik: Insbesondere die Berücksichtigung neu hinzugetretener Unterhaltspflichten schon auf der Ebene der Bedarfsbestimmung führen zu einer deutlichen Entwertung des nachehelichen Unterhalts, indem die mit dem UÄndG eingeführten Beschränkungen des nachehelichen Unterhalts (Änderung der Rangordnung, verstärkte Erwerbsobliegenheit, Herabsetzung und Befristung aller nachehelichen Ansprüche) noch verstärkt werden.218 Auch wird die Gesetzessystematik in ihrem Zusammenspiel von Bedarfsbestimmung nach dem Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse in § 1578 Abs. 1 BGB und der Anspruchsbegrenzung aus Billigkeitsgründen nach § 1581 BGB aufgegeben, zugunsten eines Billigkeitsunterhalts schon auf der Bedarfsebene. Dazu trägt bei, dass – wie insbesondere von Gerhardt vertreten – alle Veränderungen im Ausgabenbereich nach der Scheidung nunmehr bereits bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens auf ihre Berücksichtigungswürdigkeit zu prüfen seien, was die Unterhaltsberechnung erheblich vereinfachen soll.219 Diese Begründung, dass sich die Prüfung der Berücksichtigungswürdigkeit vereinfache, wenn sie nur auf der Bedarfsebene erfolge, überzeugt nicht. Um letztlich sachgerecht entscheiden zu können, ob Verbindlichkeiten leichtfertig eingegangen und dadurch in vorwerfbarer Weise das Einkommen verringert wurde, bleibt der Vergleich zu den Lebensverhältnissen zum Stichtag Scheidung durchaus von Bedeutung für die notwendige Einschätzung. Die Abkehr vom Stichtagsprinzip wird im Übrigen selbst vom BGH nicht konsequent gehandhabt, denn der Stichtag Schei216 BGH, FamRZ 2009, 411, Tz. 16 ff., mit Anm. v. Borth; 2009, 1207 ff. m. Anm. v. Hoppenz. 217 BGH, FamR 2006, 683 f. FamRZ 2009, 23, Tz. 22 ff. m. Anm. v. Maurer; BGH, FamRZ 2009, 411 mit Anm. v. Borth; FamRZ 2009,579 m. Anm. v. Schürmann; FamRZ 2010, 111 m. Anm. v. Herrler. 218 Born, NJW 2010, 641f; Griesche, FamRB 2008, 63, 67; Maurer, FamRZ 2008, 1985, 1990; Graba, FF 2008, 427, 445; Graba, FamRZ 2010, 1131, 1135 m.w.N. 219 Gerhardt, FamRB 2006, 210 ff.; FamRZ 2007, 945, 948.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
dung ist nach wie vor maßgebend für die Beurteilung, ob eine Einkommensentwicklung noch den eheprägenden Lebensverhältnissen zuzurechnen ist oder auf einem Karrieresprung beruht.220 Schließlich ist kritikwürdig, dass – je nach Argumentationsbedarf – das Stichtagsprinzip gleichwohl angewendet wird, z.B. zum Ausschluss von Einkommensverbesserungen, so dass sich der Eindruck von Beliebigkeit einstellt.221 Zum Abzug von Kindesunterhalt und zur Kritik an der Rechtsprechung s. Rn. 502; zur Mangelfallberechnung Rn. 520b–e. 4. Zur Vertiefung: Typische Probleme bei der Feststellung des prägenden bedarfsbestimmenden Einkommens a) Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen nach der Scheidung (§ 1578 Abs. 1 BGB) 484 Vom Zeitpunkt der Scheidung an beschränkt sich die Teilhabe an der Einkommensentwicklung des anderen nur noch auf die normale Weiterentwicklung der in der Ehe angelegten beruflichen Entwicklung, d.h. an den üblichen Gehaltsund sonstigen Einkommenssteigerungen. Waren Einkommensverbesserungen zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, ist der Bedarf für einen späteren, nach der Scheidung liegenden Zeitraum nach den dann maßgeblichen Einkommen zu berechnen.222 Weichen Einkommenserhöhungen wesentlich vom zu erwartenden Normalverlauf ab, werden sie nicht mehr beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt, es sei denn, ihnen liegt eine Entwicklung zugrunde, die schon in der Ehe angelegt war und deren Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.223 Indiz für eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende berufliche Entwicklung ist eine überdurchschnittliche Gehaltssteigerung, die allein auf dem Einsatz und den Leistungen des Mannes oder der Frau beruht (sog. Karrieresprung), also nicht auf einem normalen beruflichen Werdegang.224 Es ist dann für die Bedarfsbemessung eine fiktive Einkommensfortschreibung des früheren Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen vorzunehmen. Das aufgrund des Karrieresprungs erzielte Einkommen kann ausnahmsweise dann für die Bedarfsberechnung herangezogen werden, wenn zugleich nach der Scheidung aufseiten des Verpflichteten weitere Unterhaltspflichten hinzugekommen sind, z.B. aufgrund einer neuen Ehe, und diese den Bedarf mindern (Rn. 503b mit Rechenbeispiel unter Rn. 397).225 Beispiele – Zum Zeitpunkt der Scheidung ist M noch Student und steht wenige Monate vor dem Abschluss seiner Ausbildung als Mediziner. Für die Berechnung des Betreuungsunterhalts 220 BGH, FamRZ 2007, 793. Zur Überinterpretation der Entscheidung vgl. Born, NJW 2007, 26, 27 und Münch, ZFE 2007, 364 ff.; Griesche, FPR 2008, 63. 221 Kritisch zur Aufgabe des Stichtagsprinzips u.a. Born, FF 2007, 267, NJW 2007, 26, 27, NJW 2010, 641 ff.; Borth, FamRZ 2006, 852, 853 Anm. zu BGH, FamRZ 2006, 683; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1919. 222 BGH, FamRZ 1987, 459 m.w.N.; FamRZ 2006, 387, 390. 223 BGH, FamRZ 1987, 459. 224 BGH, FamRZ 2007, 793, 795; 2007, 1232, 1233; 1990, 1085; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1439; Born, Der Karrieresprung im Unterhaltsrecht, MDR 1999, 1101 ff.; Th. Heiß, Karrieresprung und eheliche Lebensverhältnisse, FPR 2008, 69. 225 BGH, FamRZ 2009, 579, 583; FamRZ 2008, 1911, 1914 ff. m. Anm. v. Maurer.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts der F wird aber sein Einkommen aus der 8 Monate später aufgenommenen Tätigkeit als Assistenzarzt zugrunde gelegt, da diese Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.226 – M hatte vor der Trennung seine erste Facharztausbildung begonnen, diese während der Trennung abgeschlossen, noch vor der Scheidung seine zweite Facharztausbildung im Krankenhaus begonnen und war zzt. der Scheidung Assistenzarzt.. Der BGH hat die Entscheidung des OLG gebilligt, hier keinen Karrieresprung anzuehmen, weil sich die Ernennung zum Oberarzt als Fortsetzung der in der Ehe angelegten beruflichen Entwicklung darstelle und es während der Ehezeit „nicht unwahrscheinlich“ gewesen sei, dass er eine entsprechende Stelle 2 Jahre nach der Scheidung erhalten würde.227 – Zum Zeitpunkt der Scheidung war M Dipl.-Mathematiker und wissenschaftlicher Angestellter an der Universität. Ungewiss war zu diesem Zeitpunkt, welche Laufbahn er einschlagen würde. 21/ 2 Jahre später bezieht er ein deutlich höheres Einkommen in einer Computerfirma. Bei der Neuberechnung des Unterhalts der F wird weiter das Einkommen als wissenschaftlicher Assistent unter Berücksichtigung zwischenzeitlich eingetretener üblicher Gehaltserhöhungen zugrunde gelegt.228 Das tatsächlich erzielte Einkommen wäre nach der neuen Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, wenn für M nach der Scheidung weitere Unterhaltspflichten für Kinder und/oder einen neuen Ehegatten entstanden wären.229
Einkünfte aus einer Erbschaft, die erst nach der Trennung/Scheidung anfallen, 484a können nur dann das eheprägende Einkommen nachträglich erhöhen, wenn die Ehegatten mit dieser Einkommensentwicklung noch vor der Trennung rechnen und ihren Lebenszuschnitt vernünftigerweise schon darauf einstellen konnten. Dabei sind nachträglich anfallende Einkünfte nur in dem Umfang als eheprägend zu berücksichtigen, in dem die Ehegatten ihre Lebensführung bereits darauf zugeschnitten haben.230 Beispiel M ist selbständig erwerbstätig und weiß, dass er nach dem Tod seiner Mutter Alleinerbe ihres nicht unbeträchtlichen Vermögens sein wird. Im Hinblick darauf unterlässt er es, für eine eigene angemessene Altersversorgung zu sorgen. Die Erbschaft fällt nach der Scheidung seiner Ehe an. Dem eheprägenden Einkommen sind nicht die gesamten Einkünfte aus dem Vermögen (Zinsen, Dividenden etc) hinzuzurechnen, sondern nur Einkünfte in Höhe der ersparten Aufwendungen für eine eigene angemessene Altersversorgung in Höhe von 24 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres.231
So wie in der Ehe angelegte Einkommenssteigerungen den nachehelichen Bedarf 484b verändern und prägen können, sind auch Einkommensverschlechterungen zu berücksichtigen und von den geschiedenen Ehegatten hinzunehmen,232 wenn der Einkommensrückgang nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten beruht und nicht abgewendet oder durch zumutbare Vorsorgemaßnahmen aufgefangen werden konnte. Hat ein Ehegatte seine Arbeit verloren und verdient er im Rahmen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses deutlich weniger, ohne dass der Einkom226 BGH, FamRZ 1986, 148 ff. So auch OLG Celle, FamRZ 2006, 704, wenn die berufliche Tätigkeit auf einem in der Ehe absolvierten Fachhochschulstudium beruht, auch wenn das Einkommen dreimal so hoch ist als zum Zeitpunkt der Scheidung. 227 BGH, FamRZ 2009, 579, 584, Tz. 46. 228 BGH, FamRZ 1985, 791 ff. 229 BGH, FamRZ 2009, 579, 583; 2009, 411 Tz. 32 ff. m. Anm. v. Borth, S. 416 f. 230 BGH, FamRZ 2006, 387, 390; FamRZ 1987, 459, 461. 231 Vgl. dazu BGH, FamRZ 2006, 387, 390. 232 BGH, FamRZ 2009, 411, 414f; 2008, 968 ff.; FamRZ 2006, 683 ff.; FamRZ 2003, 590, 592.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
mensrückgang auf einem ihm vorwerfbaren Verhalten beruht, ist die Schmälerung des Lebensstandards von dem geschiedenen Ehegatten hinzunehmen. Denn auch bei Fortbestand der Ehe hätten sich die Ehegatten auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse einstellen müssen. Eine Korrektur des Bedarfs „nach unten hin“ ist bei negativen Einkommensentwicklungen im Rahmen von § 1578 Abs. 1 BGB immer dann geboten, wenn der Einkommensrückgang nicht abwendbar ist, denn der geschiedene Ehegatte kann nicht besser stehen, als wenn er noch verheiratet wäre.233 484c Abfindungen, die ein Ehegatte wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes erhält, sind in der Regel bis zur Erlangung einer neuen Arbeit umzulegen bis zur Höhe des zuvor erzielten monatlichen Nettoeinkommens. Von der Umlage der Abfindung ist jedoch dann abzusehen, wenn der Ehegatte eine neue Arbeit findet. Dies gilt selbst dann, wenn die neue Arbeit schlechter bezahlt ist und der Einkommensrückgang nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten des Ehegatten beruht.234 Erträge aus dem verbleibenden Kapital bleiben für die Bedarfsbestimmung unberücksichtigt, denn sie haben nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Beispiel M verdiente mtl. 7 320 DM, wurde während der Trennungszeit arbeitslos und findet erst nach der Scheidung eine geringer bezahlte Tätigkeit mit mtl. 5 594 DM. Erhält er von seinem früheren Arbeitgeber erst nach der Scheidung eine Abfindung, bleibt diese für die Berechnung des Bedarfs außer Betracht, denn Maßstab für den eheprägenden Bedarf waren nur die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit.235
484d Zu einem ebenfalls hinzunehmenden Einkommensrückgang kommt es regelmäßig dann, wenn einer der Ehegatten oder beide in den Ruhestand treten. An die Stelle der Erwerbseinkünfte treten die Renten und bestimmen den Bedarf. Dabei prägen neben den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auch die vorehelich, nachehelich und durch den Versorgungsausgleich erworbenen Rentenanwartschaften den Bedarf.236 D. h. die Rente des früher haushaltsführenden Ehegatten prägt die ehelichen Lebensverhältnisse sowohl hinsichtlich des Teils, der auf einer vor und während der Ehe ausgeübten Erwerbstätigkeit beruht als auch des Teils, der ihm als Surrogat für die geleistete Hausarbeit durch den Versorgungsausgleich zugeflossen ist.237 Anderes soll nach der Rechtsprechung des BGH für den Teil der Altersversorgung gelten, der mit den Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben wurde. Dieser Versorgungsteil soll bei der Bedarfsbestimmung außer Betracht bleiben und nur bedarfsmindernd im Wege der Anrechnungsmethode auf den errechneten Bedarf anzurechnen sein, weil Sinn und Zweck der Unterhaltszahlung, der Ausgleich ehebedingter beruflicher Nachteile sein sollte, so dass bei einer den Bedarf erhöhenden Berücksichtigung der Versorgung der Unterhaltspflichtige wirtschaftlich doppelt belastet wäre.238 Nach anderer Auffassung, die mehr überzeugt, ist diese 233 BGH, FamRZ 2003, 590. 234 BGH, FamRZ 2003, 590 f. 235 BGH, FamRZ 2003, 590 f. Ebenso BGH, Urt. v. 2.6.2010 – XII ZR 138/08, bei nach Ehescheidung gezahlter Abfindung und gleich hohem Einkommen. 236 BGH; FamRZ 2003, 848, 851. 237 BGH, FamRZ 2002, 88, 91; BGH, FamRZ 2003, 848, 852. 238 BGH, FamRZ 2003, 848, 852 f.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Differenzierung nicht gerechtfertigt, denn die Einbeziehung dieses Teils der Rente auf der Bedarfsebene führt ebenfalls zur Entlastung des Pflichtigen, weil er einerseits in Höhe der Hälfte den Bedarf des Berechtigten erhöht, andererseits aber in voller Höhe von seinem Bedarf mindernd abgezogen wird.239 Im Ergebnis kommt sie zwar nicht in voller Höhe dem Unterhaltspflichtigen zugute, dazu besteht aber auch kein zwingender Grund. Denn der für den Erwerb der Versorgung gezahlte Vorsorgeunterhalt beruhte auf dem Gedanken des Nachteilsausgleichs, der geradezu konterkariert würde, wenn die durch Vorsorgeunterhalt erworbene Rente im Rentenalter nicht in gleicher Weise auf der Bedarfsebene berücksichtigt wird, wie eine durch eigene Erwerbstätigkeit erworbene Rente, die sie ja substituieren soll. Beispiel E hat eine Rente von 2 000 Euro, F eine Rente von 1 000 Euro zuzüglich 500 Euro mtl. aus einer Leibrente, die sie aus Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben hat. Sie hat keinen Unterhaltsanspruch mehr, wenn man die Leibrente nur bedarfsmindernd anrechnet: 2 000 Euro + 1 000 Euro = 3 000 Euro : 2 = 1 500 Euro Bedarf. F kann diesen Bedarf mit ihren Renten i.H.v. insgesamt 1 500 Euro abdecken. Rechnet man hingegen die Leibrente zum Bedarf hinzu, ergibt sich zugunsten der F noch ein Anspruch von 250 Euro: 2 000 Euro + 1 500 Euro = 3 500 Euro : 2 = 1 750 Euro – 1 500 Euro = 250 Euro ungedeckter Bedarf.
Erzielt der in den Ruhestand getretene Ehegatte noch Einkünfte aus einer Nebentätigkeit, also aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, bleiben diese Einkünfte als nicht eheprägend außer Betracht, es sei denn, besondere Gründe erfordern nach Treu und Glauben eine bedarfserhöhende teilweise Berücksichtigung der Einkünfte.240 Beruht die Einkommensverringerung auf der Entscheidung eines Ehegatten, aus 484e Altersgründen weniger zu arbeiten und z.B. Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen, ist der Einkommensrückgang nur hinzunehmen, wenn es anerkennenswerte Gründe für diese Entscheidung gibt und kein leichtfertiges, die Belange des Anderen missachtendes Verhalten vorliegt.241 Anerkennenswerte Gründe können sein z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, gute wirtschaftliche Verhältnisse242 und die frühere Lebensplanung der Ehegatten. Das Alter von z.B. 63 Jahren reicht für sich genommen für eine Einschränkung einer eheprägenden Arbeit nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, denn es besteht regelmäßig eine Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Rentenalter von 65 Jahren, so dass – wenn auch im Übrigen anerkennenswerte Gründe für die Altersteilzeit fehlen – das zuvor erzielte Einkommen fiktiv als eheprägendes Einkommen in die Unterhaltsberechnung einzustellen ist.243
239 So Hoppenz, FamRZ 2003, 854 f.; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 442; Empfehlungen des 15. DFGT FamRZ 2003, 1906. 240 BGH, FamRZ 2003, 848, 851; 2006, 683 f., s. dazu das Beispiel Rn. 489. 241 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; 2008, 968; BGH, FamRZ 1999, 708, 709; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1079; OLG Hamm, FamRZ 2005, 1177. 242 OLG Koblenz, FamRZ 2000, 610 f. 243 BGH, FamRZ 2006, 683 ff.; BGH, FamRZ 1999, 708, 709.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
b) Fiktives Einkommen bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit 485 Verstößt einer der Ehegatten gegen seine Erwerbsobliegenheit, kommt als Sanktion die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht (§ 242 BGB), das dem bedarfsbestimmenden Einkommen zuzurechnen ist.244 Dies gilt im Grundsatz für vorwerfbares Verhalten des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltspflichtigen gleichermaßen, denn die ehelichen Lebensverhältnisse können nicht einseitig durch ein vorsätzliches oder unterhaltsbezogenes, leichtfertiges Verhalten eines Ehegatten zum Nachteil des anderen verändert werden.245 Besteht das vorwerfbare Verhalten darin, dass einer der Ehegatten seine bisherige Arbeitsstelle leichtfertig aufgegeben hat, kann das bisher mit dieser Arbeit erzielte Einkommen fiktiv dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzugerechnet werden. Die Auffassungen darüber, wie lange dem Ehegatten bei leichtfertiger Aufgabe der bisherigen Arbeitsstelle das zuvor erzielte Einkommen fiktiv zuzurechnen ist, wenn es nach der Arbeitsmarktlage nicht mehr erzielbar ist, sind nicht einheitlich. Kriterien für die Bemessung sind, dass der Schuldner durch die fortdauernden, einkommensinadäquaten Unterhaltsbelastungen nicht in eine Überschuldung getrieben werden sollte, er andererseits aber auch nicht zu einem missbräuchlichen Verhalten zu Lasten des anderen Ehegatten ermutigt werden darf (§ 242 BGB).246 Entscheidend sind letztlich die Umstände des Einzelfalls. Voraussetzung für die Neuberechnung des Unterhalts unter Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens ist in jedem Fall, dass der Schuldner ernsthafte und ausreichende, vergebliche Bemühungen um eine adäquate Arbeit darzulegen und zu beweisen hat.247 Häufiger sind in der Praxis die Fälle, dass ein Ehegatte seine Arbeit ohne eigenes vorwerfbares Zutun verliert und sich nicht mehr ausreichend bemüht, eine neue Arbeit zu finden. Auch dann ist ihm ein fiktives Einkommen in Höhe des für ihn nach seinen Fähigkeiten und individuellen Möglichkeiten erzielbaren Einkommens für die Unterhaltsberechnung zu unterstellen (vgl. dazu ausführlich Rn. 371 ff.). Für die Bemessung der Höhe des fiktiven Einkommens248 ist eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Grundlage der Schätzung wird in der Regel das früher erzielte Einkommen des Verpflichteten sein. Liegen derartige Erkenntnisse nicht vor oder haben sich Änderungen aufgrund einer veränderten Arbeitsmarktlage ergeben, kann die Schätzung unter Berücksichtigung der aktuellen Fähigkeiten des Betroffenen auf der Grundlage branchenüblicher Löhne, Tariflöhne durch Heranziehung von Tarifverträgen bzw. Mindestlöhne bei geringqualifizierten Tätigkeiten249 vorgenommen werden.250 Von dem so zu schätzenden fiktiven Einkommen sind berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. 244 BGH, FamRZ 2006, 683, 684. 245 Für den Verpflichteten BGH, FamRZ 1993, 1304, 1306; für den Unterhaltsberechtigten (Hausfrauenehe) BGH, FamRZ 2003, 434. 246 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 636, schlagen eine 2- bis 3-Jahres-Frist vor, um ein Unterlaufen der Fiktion zu verhindern; vgl. dazu auch die Ausführungen unter Rn. 371, 57 ff. 247 OLG Hamm, FamRZ 1999, 1013 zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Schuldners (Leitsatz); OLG Hamm, FamRZ 1995, 1217 für eine zügige Anpassung; strenger OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881, 882. 248 Vgl. dazu auch Reinken, FPR 2006, 319, 321, 322. 249 BVerfG, FamRZ 2010, 183, 184. 250 Eine Übersicht zu den Tariflöhnen findet sich im Internet z.B. bei der Hans-BöcklerStiftung unter der Internetadresse www.boeckler.de.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Dies gilt auch für die Zurechnung einer Teilzeit- oder geringfügigen Beschäftigung. Das Gericht hat die Beteiligten über die Berechnungsgrundlagen für das fiktive Einkommen zu informieren und diese – auch soweit verfahrensabschließend darüber zu entscheiden ist – so aufgeschlüsselt darzustellen, dass nachprüfbar ist, von welchem Umfang und Stundensatz das Gericht bei der fiktiv unterstellten und für zumutbar befundenen Tätigkeit ausgegangen ist.251 Kommt es zu einer Verschlechterung der Einkommensverhältnisse im Rahmen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses, ohne dass dies auf dem vorwerfbaren Verhalten eines Ehegatten beruht, ist die Schmälerung des Lebensstandards von den geschiedenen Ehegatten hinzunehmen und die Anrechnung eines fiktiven höheren Einkommens unterbleibt. Denn auch bei Fortbestand der Ehe hätten sich die Ehegatten auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse einstellen müssen. Eine Korrektur des Bedarfs „nach unten hin“ ist in dem Fall im Rahmen von § 1578 Abs. 1 BGB geboten, denn der geschiedene Ehegatte kann nicht besser stehen, als wenn er noch verheiratet wäre.252 c) Fiktives Einkommen bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder (sog. Hausmannsrechtsprechung) (1) Anwendung auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007
486
Nach der Rechtsprechung des BGH bleibt ein unterhaltspflichtiger Ehegatte seiner früheren Familie auch nach Eingehung einer neuen Ehe unterhaltspflichtig und hat, wenn er seine Berufstätigkeit zugunsten der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder aus der neuen Ehe aufgibt, Rücksicht auf die Belange der von ihm abhängigen Unterhaltsberechtigten zu nehmen. Dies ergibt sich aus dem Gleichrang der Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder und von Ehegatten sowie den Vorrang des geschiedenen kinderbetreuenden Ehegatten gegenüber dem späteren Ehegatten.253 Daraus folgt, dass er zwar grundsätzlich berechtigt ist, in seiner neuen Familie die Kindesbetreuung ganz oder teilweise zu übernehmen und die Erwerbstätigkeit seinem neuen Ehegatten zu überlassen. Da die Haushaltsführung als Unterhaltsleistung aber nicht auch den minderjährigen Kindern aus der früheren Ehe zugutekommt, diese jedoch den Mitgliedern der neuen Familie unterhaltsrechtlich nicht nachstehen dürfen, hat der Unterhaltspflichtige für die Mitglieder der alten und der neuen Familie gleichmäßig zu sorgen. Verbessert sich die wirtschaftliche Lage der Familie durch den Rollentausch nicht wesentlich, bleibt der Verpflichtete zur Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Ihm ist ein fiktives Einkommen in Höhe des früher erzielten Einkommens zu unterstellen. Ist der Rollentausch hinzunehmen, weil sich dadurch die Einkommenssituation 487 in der neuen Familie wesentlich günstiger gestaltet, entfällt zwar die Verpflichtung zur vollen Erwerbstätigkeit, zumutbar bleibt aber die Ausübung einer verhältnismäßig geringen Nebentätigkeit, aus deren Einkünften der Unterhalt zu bestreiten ist.254 Das Arbeitsentgelt kann dann ausschließlich für den Unterhalt des 251 252 253 254
BGH, FamRZ 2009, 314, 317. BGH, FamRZ 2003, 590; 2006, 683, 685. BGH, FamRZ 1987, 252: gleichrangiger Unterhaltsanspruch § 1570 BGB. BGH, FamRZ 1987, 472 ff. zum Kindesunterhalt. Eine volle Erwerbsobliegenheit im Verhältnis zu unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern wird in der Rechtsprechung teilweise in Anlehnung an § 1615l BGB schon ab 3 Jahre angenommen (OLG
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
bedürftigen Kindes und geschiedenen Ehegatten verwendet werden, sofern der eigene Unterhaltsbedarf des Verpflichteten durch den von seinem Ehepartner zu leistenden Familienunterhalt abgedeckt wird, für den er den Haushalt führt. Beim Geschiedenenunterhalt gilt diese Obliegenheit zur Nebentätigkeit jedenfalls immer dann, wenn die Unterhaltsberechtigung auf der Betreuung eines gemeinsamen Kindes beruht. Denn dies verlangt eine besondere Rücksichtnahme von dem Verpflichteten.255 Sind in der neuen Ehe keine Kinder zu versorgen, kann sich der geschiedene Ehegatte allein wegen der Haushaltsführung nicht auf den Wegfall eigenen Einkommens berufen.256 Bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist immer auch zu prüfen, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige nach seinem Gesundheitszustand arbeiten kann und ob er auf dem Arbeitsmarkt eine Arbeit finden würde.257 487a (2) Anwendung auf Unterhaltsansprüche ab 1.1.2008 Zwar hat der Unterhaltspflichtige auch gegenüber Unterhaltsansprüchen, die ab 1.1.2008 fällig werden, bei seinen Entscheidungen über seine Erwerbstätigkeit auf die Belange des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten Rücksicht zu nehmen, allerdings ist insoweit der nunmehr geänderte Vorrang des Minderjährigenunterhalts und Unterhalts für privilegierte volljährige Kinder beachtlich (§ 1609 Nr. 1 BGB, s. Rn. 552). Entscheidet sich der Verpflichtete zur Betreuung nicht gemeinsamer Kinder und gibt er seine Erwerbstätigkeit auf, wird der geschiedene Ehegatte diese Entscheidung wegen des Vorrangs des Kindesunterhalts hinzunehmen haben. Im Verhältnis zu seinen minderjährigen oder privilegierten volljährigen Kindern aus einer früheren Ehe, die gleichrangig neben seinen Kindern aus der neuen Ehe berechtigt sind, gelten für den Verpflichteten hingegen nach wie vor die strengeren Anforderungen nach den Grundsätzen der Hausmannrechtsprechung (vgl. dazu Rn. 62 ff.). d) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreuung ausgeübt wird 488 Betreut ein Ehegatte neben seiner Erwerbstätigkeit ein gemeinsames Kind, kann diese Erwerbstätigkeit überobligatorisch sein, was für die Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens von Bedeutung ist. Ob eine Erwerbstätigkeit überobligatorisch ist, hängt von ihrer Zumutbarkeit neben der Kinderbetreuung ab. Die unter Rn. 439 ff. dargestellten Kriterien für die Beurteilung der Zumutbarkeit gelten für den kinderbetreuenden Unterhaltspflichtigen genauso wie für den Unterhaltsberechtigten. Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit wird jedoch beim Berechtigten und Verpflichteten bei der Klärung des bedarfsbestimmenden Einkommens rechtlich unterschiedlich behandelt: Betreut der Unterhaltspflichtige neben seiner Erwerbstätigkeit ein gemeinsames Kind, wird sein Einkommen, selbst wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit Brandenburg, FamRZ 2005, 233 L), nach dem OLG Bremen, FamRZ 2005, 647, jedenfalls dann, wenn das vom Pflichtigen betreute Kind zwölf Jahre alt ist; die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit soll ggf. durch Fremdbetreuung geschaffen werden, OLG Brandenburg, a.a.O. 255 BVerfG, FamRZ 1996, 343, 344. 256 BGH, FamRZ 2001, 1065, 1066. 257 Vgl. die Anmerkung von Büttner zu BGH, FamRZ 2001, 1065 f. auf S. 1068.
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mindestens teilweise überobligatorisch ist, dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzugerechnet. Das Einkommen ist vorab um berufsbedingte Aufwendungen, berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten und Betreuungskosten, soweit diese nicht Mehrbedarf des Kindes sind, zu bereinigen.258 Zum Mehrbedarf des Kindes zählen die Betreuungskosten in einer kindgerechten Einrichtung wie z.B. Kindergarten, Hort etc., s. Rn. 119), die anteilig von den Eltern zu tragen sind.259 Da die Ausübung einer Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung i.d.R. mit einer besonderen Belastung verbunden ist, ist dem Verpflichteten ein Betreuungsbonus zuzubilligen Besondere Erschwernisse sind bei der Bemessung der Höhe mit zu berücksichtigen,260 s. dazu Rn. 363. Zu den Schätzkriterien des Betreuungsbonus vgl. Rn. 364. Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit werden entsprechend bereinigt, ebenfalls um Kinderbetreuungskosten, soweit sie nicht Mehrbedarf des Kindes darstellen. Im Übrigen wird nur der unterhaltsrelevante Teil des Einkommens dem bedarfsprägenden Einkommen zugerechnet und in die Unterhaltsberechnung mit einbezogen.261 Unterhaltsrelevant ist nur der Anteil des Einkommens, der dem Berechtigten aus Billigkeitsgründen nach § 1577 Abs. 2, § 242 BGB als Einkommen zuzurechnen ist. Im Übrigen bleibt das Einkommen sowohl für die Bedarfsbemessung als auch Bedürftigkeitsprüfung vollständig unberücksichtigt (vgl. Rn. 405 zur Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB). Der nach Billigkeit zu bemessende unterhaltsrelevante Anteil des Einkommens tritt als Surrogat an die Stelle der früheren Hausarbeit und Kindererziehung und wird deshalb sowohl auf der Bedarfs- als auch Bedürftigkeitsebene bei der Unterhaltsberechnung mitberücksichtigt. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit aus Billigkeitsgründen nach § 1577 Abs. 2 und § 242 BGB unterhaltsrechtlich relevant und in welchem Umfang es nicht relevant sein soll, richtet sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die auch für die Bemessung des Betreuungsbonus aufseiten des Verpflichteten gelten. Danach ist abzustellen auf die Umstände des Einzelfalles und die mit der Kinderbetreuung verbundenen Erschwernisse bei der Erwerbstätigkeit (Rn. 405). Beispiel M und F sind geschieden. M hat nach Abzug des Kindesunterhalts für die 2-jährige Tochter K, ein bereinigtes Einkommen von 1 600 Euro. F arbeitet seit der Scheidung vollschichtig und verdient bereinigt 1 000 Euro. Sie betreut die 2-jährige Tochter allein, die ganztägig von einer Kinderfrau betreut wird, hat Betreuungskosten von 200 Euro und eine tägliche Fahrzeit von einer Stunde. Das bedarfsbestimmende Einkommen der geschiedenen Eheleute errechnet sich – zur Vereinfachung ohne Erwerbstätigenbonus – wie folgt: Einkommen M bereinigt Einkommen F bereinigt auch um Betreuungskosten262
1 600 Euro 800 Euro
Von dem bereinigten Einkommen der F i.H.v. 800 Euro sind aus Billigkeitsgründen wegen der Ausübung einer Vollbeschäftigung nur 600 Euro unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen; 200 Euro sollen ausschließlich ihr verbleiben. 258 S. dazu Nr. 10.3 der LL. 259 BGH, FamRZ 2009, 962–965. 260 So Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 966; zustimmend Wendl/Dose, § 1 Rn. 606b, wenn besondere Erschwernisse vorliegen. 261 BGH, FamRZ 2005, 1154–1158. 262 Hier dient die private Fremdbetreuung ausschließlich der Ermöglichung der Erwerbstätigkeit und stellt keinen Mehrbedarf des Kindes dar.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten Bedarf der Ehegatten mit dem anrechenbaren Teil des Einkommens der F: 1 600 Euro + 600 Euro = 2 200 Euro. Davon stehen F 500 Euro als Unterhalt zu (2 200 / 2 = 1 100 – 600 unterhaltsrelevantes Einkommen = 500 Euro ungedeckter Bedarf). F hat im Ergebnis 1 300 Euro zur Verfügung, M 1 100 Euro.
Vgl. zu weiteren Einzelheiten und zum Diskussionsstand zur unterhaltsrechtlichen Behandlung von überobligatorischen Einkünften aus Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung die Ausführungen unter Rn. 365, 366. e) Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit 489 Zum bedarfsbestimmenden Einkommen gehören nicht die Einkünfte, die ein Ehegatte deshalb erzielt, weil er freiwillig in bisher nicht üblicher Weise mehr arbeitet, um seine Einkünfte nach der Scheidung aufzubessern, z.B. durch Überstunden oder einen Nebenjob. Insoweit handelt es sich um Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben. Sie können aber bei knappen Geldmitteln aus Billigkeitsgründen nach § 242 BGB noch (teilweise) Berücksichtigung finden – wenn es Einkünfte des Anspruchstellers sind – im Rahmen der Überprüfung seiner Bedürftigkeit (Rn. 512, 515) und – wenn es Einkünfte des Anspruchsgegners sind – bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit (Rn. 519). Sind die Überstunden dagegen berufsüblich, gehören die Einkünfte mit zum bedarfsbestimmenden Einkommen.263 Anders zu behandeln ist Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, wenn es den Bedarf schon während der Ehe geprägt hat. Zwar kann auch dann die Tätigkeit ohne Rechtsnachteil wieder aufgegeben werden. Wird sie aber beibehalten und sprechen Billigkeitsgründe für eine – wenigstens teilweise – Berücksichtigung auf der Bedarfsebene, wird es wie anderes bedarfsprägendes Einkommen behandelt.264 Beispiel: Der 68-jährige V erzielt neben seiner Rente von 1 100 Euro noch ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit i.H.v. 1 000 Euro. Seine nach 25-jähriger Ehe geschiedene Frau hat nur eine Rente von 600 Euro. V muss sich einen Teil seines überobligatorisch erzielten Einkommens als bedarfsprägendes Einkommen anrechnen lassen, denn F verfügt noch nicht einmal über den notwendigen Eigenbedarf.
f) Fiktive Einkünfte beim Zusammenleben mit einem neuen Partner 490 Lebt der bedürftige Ehegatte nach der Scheidung mit einem neuen Partner zusammen und führt er dem Partner den Haushalt, dann ist nach der Rechtsprechung des BGH der Wert der Versorgungsleistungen zu schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO) und der Wert als Surrogat265 für die in der Ehe erbrachte Hausarbeit als bedarfsbestim-
263 Vgl. dazu die Beispiele unter Rn. 362. 264 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 749. 265 BGH, FamRZ 2001, 986 und die Ausführungen zur Auswirkung der Rechtsprechung unter Rn. 355; BGH, FamRZ 2004, 1170 und 1173 mit Anm. von Born, S. 1175; Anm. von Gerhardt, S. 1545.
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mendes Einkommen in Ansatz zu bringen266. Diese Versorgungsleistungen werden auch berücksichtigt, wenn der Berechtigte krankheitshalber nur eingeschränkt erwerbsfähig ist; denn im Zweifel ist davon auszugehen, dass er diese häuslichen Tätigkeiten zusätzlich ausüben kann.267 Nimmt der Unterhaltsberechtigte den neuen Partner mit in seine Wohnung auf, kann eine fiktive Mietbeteiligung das Einkommen erhöhen. Ob eine Zurechnung des Werts der Versorgungsleistungen auch in Betracht kommt, wenn der Berechtigte außerdem vollschichtig erwerbstätig ist, hat der BGH nach seiner Änderung der Rechtsprechung zur Bewertung der Erwerbstätigkeit als Surrogat für die bisher geleistete Familienarbeit noch nicht entschieden.268 Das OLG München hält mit überzeugenden Argumenten den Ansatz einer Vergütung für den Fall der vollen Berufstätigkeit nicht mehr für gangbar und rechnet dem berufstätigen Ehegatten lediglich einen finanziellen Vorteil in Höhe ersparter Aufwendungen aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung bedarfsmindernd an. Denn der Ansatz einer Vergütung verstoße gegen das Verbot der Doppelverwertung, weil das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit bereits Surrogat für die Haushaltsführung darstelle und beim bedarfsbestimmenden Einkommen berücksichtigt sei.269 Die Anrechnung einer Vergütung dürfte i.Ü. schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Berufstätige ausschließlich einseitige Versorgungsleistungen für den Partner erbringt. Die Schätzwerte der Gerichte für die Versorgungsleistungen liegen bei ca. 491 200–550 Euro s. dazu das Beispiel unter Rn. 374.270 Eine mögliche Berechnung ist: tägliche Arbeitszeit 2 Stunden zu 5 Euro netto pro Stunde = 10 Euro × 30 Tage = 300 Euro. Da es sich nicht um fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit handelt, ist es nicht um einen Erwerbstätigenbonus zu bereinigen.271 Die Darlegungs- und Beweislast für die wirtschaftlichen Verhältnisse in der neuen Beziehung obliegt dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten. Beispiel F, die einen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit gegen M hat, lebt nach der Scheidung seit 6 Monaten mit ihrem neuen Partner zusammen, der ein Einkommen von mtl. 1 000 Euro abzüglich 300 Euro Unterhaltszahlungen an Frau und Kind aus 1. Ehe hat. F muss sich keine geldwerten Zuwendungen unterstellen lassen, weil ihr Partner nicht leistungsfähig ist.272 Die Erwerbsunfähigkeit würde einer Zurechnung in angemessener Höhe nicht entgegenstehen.273
266 BGH, FamRZ 2001, 1693 zur Bewertung von Versorgungsleistungen für den neuen Lebenspartner beim Nacheheunterhalt; Anm. dazu von Borth, FamRB 2002, 5. 267 BGH, FamRZ 2001, 1693, 1694; 1987, 1011, 1013. 268 Büttner bezweifelt, ob sich dies mit dem Surrogatsgedanken vereinbaren ließe (FamRZ 2001, 1694). 269 OLG München, FamRZ 2005, 713 f. 270 So z.B. Nr. 6 der Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland und des KG. 271 So OLG Hamm, FamRZ 2001, 228. 272 Vgl. dazu BGH, FamRZ 1989, 1279 in einem ähnlichen Fall. 273 BGH, FamRZ 2001, 1693, 1694.
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492 Voraussetzung für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für Versorgungsleistungen ist die Leistungsfähigkeit des Partners. Sie ist nicht möglich, wenn der neue Partner nicht leistungsfähig ist, weil er z.B. studiert.274 Bei der Klärung der Leistungsfähigkeit ist dem Partner als Eigenbedarf mindestens ein angemessener Selbstbehalt zuzugestehen. Zur Klärung, wie die Versorgungsleistungen zu bewerten sind und von welchem Eigenbedarf des Partners auszugehen ist, können die Leitlinien bzw. einschlägige Rechtsprechung des zuständigen OLG herangezogen werden (Nr. 6. und 21.5 der LL).
" Praxishinweis: Besteht unstreitig ein eheähnliches Verhältnis und lebt der Berechtigte mit dem neuen Partner zusammen, spricht ein Anscheinsbeweis für das Bestehen einer neuen Versorgungsgemeinschaft, was die Zurechnung eines fiktiven Einkommens für die erbrachte Versorgung oder Wohnungsgewährung rechtfertigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zwischen den neuen Partnern ausdrückliche Vereinbarungen über Zuwendungen getroffen wurden. Die Zurechnung erfolgt selbst dann, wenn der Ehegatte tatsächlich keine Vergütungen erhält. In solchen Fällen wird unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 850h Abs. 2 ZPO, nach dem für Dienstleistungen des Schuldners an den Gläubiger eine angemessene Vergütung als vereinbart gilt, grundsätzlich eine Vergütung angerechnet.275 Es ist deshalb Sache des Berechtigten, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass entweder keine Versorgungsleistungen erbracht werden oder der Partner nicht leistungsfähig ist. Bei verbleibenden Zweifeln gehen diese zu Lasten des Bedürftigen.276 Besteht die Lebensgemeinschaft etwa 2–3 Jahre, ist die Verwirkung des Anspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB zu prüfen (Rn. 535b).
g) Überdurchschnittlich hohes Einkommen – konkrete Bedarfsberechnung 493 Bei besonders hohen Einkommen fließen Teile des Einkommens während des Zusammenlebens i.d.R. in die Vermögensbildung. Diese Teile des Einkommens bleiben auch nach der Scheidung für die Bedarfsbestimmung außer Betracht. War die Vermögensbildung jedoch nach der Lebensplanung der Ehegatten mit einem Konsumverzicht verbunden, braucht sich der Anspruchsteller nach dem Scheitern des gemeinsamen Lebensplans nicht auf eine sparsame Lebensführung verweisen zu lassen. Es wird dann der Teil dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugerechnet, der bei vernünftiger Lebensführung für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehen sollte.277 Hier kann ein Abzug für Vermögensbildung vom Einkommen geschätzt werden. Möglich ist bei überdurchschnittlich hohen Einkünften des Verpflichteten oder unstreitig hohem Lebensstandard bei unübersichtlichen Einkommensverhältnissen auch eine konkrete Bedarfsberechnung. Der Unterhaltsberechtigte hat in dem Fall seinen Lebensbedarf konkret darzulegen und zu beweisen, der sich nach dem in der Ehe gepflegten Lebensstandard bemisst. Zum allgemeinen Lebensbedarf gehören die Lebenshaltungskosten für Haushaltsgeld (Nahrung, Putz- und Körperpflegemittel), Wohnen mit Nebenkosten, Kleidung, evtl. Putzhilfe, Reisen, kulturelle Bedürfnisse und sportliche Ak274 275 276 277
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BGH, FamRZ 1987, 1011, 1014; 1989, 487; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1080 ff. BGH, FamRZ 1983, 150 ff. BGH, FamRZ 1991, 670 ff. BGH, FamRZ 1982, 151.
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tivitäten.278 Was eine konkrete Bedarfsberechnung beinhalten kann, wird anhand eines Beispiels unter Rn. 375 erläutert mit Hinweisen zum Sachvortrag und zur Rechtsprechung. Folge einer konkreten Berechnung ist, dass eine spätere Einkommensverbesserung des Verpflichteten den Bedarf unberührt lässt und nicht zur Abänderung eines Unterhaltstitels berechtigt,279 umgekehrt ist eine spätere Einkommensverschlechterung im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.280 Die Anpassung an allgemein gestiegene Lebenshaltungskosten ist für den Berechtigten nicht ausgeschlossen. Die Gerichte geben den Parteien teilweise die konkrete Bedarfsberechnung auf, wenn die Unterhaltsforderung einen bestimmten Betrag übersteigt. So kann z.B. nach den Leitlinien des OLG Frankfurt ein Bedarf bis zu 2 500 Euro als Quotenunterhalt geltend gemacht werden. Ein darüber hinausgehender Bedarf muss konkret dargelegt werden.281 h) Mietersparnis beim Wohnen im eigenen Heim Bewohnt ein Ehegatte das frühere Familienheim nach Rechtskraft der Scheidung 494 allein, ist ihm der Mietwert des Wohnens in der eigenen Eigentumswohnung oder dem eigenen Haus, fiktiv aufgrund des geldwerten Gebrauchsvorteils als unterhaltspflichtiges Einkommen zuzurechnen. Dabei kommt die Zurechnung nur in Betracht, soweit der Wohnvorteil die Belastungen übersteigt, der Ehegatte als Eigentümer also billiger wohnt als wenn er Mieter wäre.282 Da nach der Scheidung die unterhaltsrechtliche Obliegenheit besteht, vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich anzulegen oder zu nutzen, um die Bedürftigkeit zu mindern bzw. die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, ist Maßstab für die Bemessung der günstigsten Nutzung des Eigentums in der Regel der objektive Mietwert, nämlich die erzielbare Marktmiete für das Objekt.283 Es können sich aber unterhaltsrechtlich folgende Differenzierungen für die Bewertung des Wohnvorteils und die Anforderungen an die bestmögliche wirtschaftliche Nutzung des Vermögens ergeben: Besteht ein besonderer Grund, dass der geschiedene Ehegatte noch das Familienheim bewohnt, bemisst sich der Wohnvorteil nur nach der unterhaltsrechtlich angemessenen Miete,284 die nicht der objektiven Marktmiete für das gesamte Objekt entsprechen muss. Bemessungskriterium ist, welchen Mietzins der Ehegatte aufzuwenden hätte, wenn er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine kleinere, seinen jetzigen Bedürfnissen angepasste, jedoch dem ehelichen Lebensstandard entsprechende Wohnung mieten müsste. Entspricht das Familienheim seinem unterhaltsrechtlich angemessenen Wohnbedarf, ist die objektiv erzielbare Miete anzusetzen. Liegt der Wohnvorteil niedriger als der objektive Wohnwert, z.B. weil das Haus für den Ehegatten zu groß ist, ist er unterhaltsrechtlich verpflichtet, das zu große Haus wirtschaftlich angemessen zu nutzen.285 Denn ab Rechtskraft der Scheidung ist vorhandenes Vermögen so ertragreich wie möglich zu nutzen. Zu 278 279 280 281 282 283 284 285
BGH, FamRZ 1990, 280, 281. BGH, FamRZ 1990, 280, 281. BGH, FamRZ 2003, 848, 850. Nr. 15.3. der LL des OLG Frankfurt a.M. (Stand 1.7.2010). BGH, FamRZ 1985, 354, 356. BGH, FamRZ 2008, 963 ff., s. auch Rn. 53. BGH, FamRZ 1998, 899, 901; FamRZ 2000, 950 mit Anm. von Graba, S. 952. BGH, FamRZ 2000, 950 ff. mit Anm. von Graba, 952, 953.
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diesem Zweck kann er gehalten sein, einzelne Räume zu vermieten. Insoweit erzielte Einkünfte erhöhen sein Einkommen. Verstößt er gegen diese Obliegenheit, sind ihm fiktive Einkünfte in der erzielbaren Höhe zu unterstellen.286 Ist eine Teilvermietung nicht möglich, kann auch eine Vermietung des gesamten Objekts oder eine Veräußerung in Betracht kommen, um die überschüssigen Einnahmen für Unterhaltszwecke einzusetzen. Bei Verletzung der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verwertung des Eigenheims und Zurechnung fiktiver Einkünfte ist immer nur der tatsächlich auf dem Markt erzielbare Preis für die Vermietung eines oder mehrerer Zimmer bzw. der Wohnung anzusetzen. Bei einer Pflicht zur Veräußerung können auch fiktive Einkünfte aus Zinserträgen für den erzielbaren Kaufpreis als Einkommen in Ansatz gebracht werden.287 Ist eine Verwertung nicht möglich oder aus bestimmten, anzuerkennenden Gründen nicht zumutbar, z.B. weil der dort verbliebene Ehegatte auf eine behindertengerechte Wohnung angewiesen ist,288 bleibt es bei der Zurechnung des Wohnvorteils in Höhe einer angemessenen Miete, die für eine kleinere Wohnung zu zahlen wäre, bis das Hindernis entfällt. Der Wohnvorteil ist nur in Ansatz zu bringen, wenn der Nutzungswert den zu tragenden Aufwand übersteigt. Von diesem Wohnwert sind nach der mit Urteil vom 27.5.2009289 geänderten Rechtsprechung des BGH nur solche Aufwendungen des Eigentümers von der ihm zurechenbaren Miete abzugsfähig, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. Dies sind nach § 1 Abs. 2 BetrKV die Kosten für die Hausverwaltung und des Geldverkehrs sowie die Instandhaltungsund Instandsetzungskosten. Alle übrigen Betriebskosten wie z.B. die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Wasser sowie die Kosten für Schornsteinfeger, Stadtreinigung, Aufzug, Hausreinigung, Gartenpflege, Beleuchtung, Antennenanlage, Hauswart etc. einschließlich Grundsteuer und Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung sind umlagefähig und damit nicht mehr absetzbar, denn auch ein Mieter wird an ihnen beteiligt. Damit kommt es nicht mehr – wie bisher vom BGH vertreten – auf die Unterscheidung nach der Verbrauchsabhängigkeit der Kosten an, die in Rechtsprechung und Literatur immer wieder auf Kritik gestoßen ist. Bei der Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten für das Eigenheim ist zu differenzieren: Zinsbelastungen sind abzugsfähig, Tilgungsleistungen finden keine Berücksichtigung, wenn das Eigenheim im Alleineigentum desjenigen steht, der darin wohnt; denn es gehört nicht zu den Zwecken des Ehegattenunterhalts, dem Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten die Bildung von Vermögen zu Lasten des anderen zu ermöglichen.290 Allerdings kann aufgrund der neueren Rechtsprechung des BGH eine Anerkennung der Tilgungsraten unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Altersvorsorge i.H.v. bis zu 4 % des Brutto286 BGH, FamRZ 1995, 869, 871; FamRZ 1990, 269, 271. 287 Graba, FamRZ 1990, 952, 953; Anm. zu BGH, FamRZ 2000, 950 ff. 288 Das OLG Hamm, NJW-FER 2000, 273, hat dem behinderten Ehegatten befristet nur einen angemessenen Wohnvorteil für eine kleinere Wohnung zugerechnet, um ihm Gelegenheit zugeben, eine neue, seinen finanziellen Verhältnissen angepasste Wohnung zu finden, und für die Zeit danach den objektiven Mietwert. 289 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1303; dazu Anmerkung v. Ehinger, FPR 2009, 413, 418; zu den Grundsätzen der früheren Rspr. vgl. BGH, FamRZ 1986, 48, 49; 1998, 87, 88. 290 BGH, FamRZ 2009, 23; FamRZ 2008, 963, 964 ff.; FamRZ 2007, 779, 881 m.w.N.; Grundsatzentscheidungen dazu: BGH, FamRZ 1998, 87, 88; FamRZ 2000, 950, 952. Kein Abzug von Tilgungsleistungen beim Wohnvorteil des Unterhaltsberechtigten, vgl. BGH, FamRZ 1992, 423, 424. Gleiches gilt für den Verpflichteten, vgl. BGH, FamRZ 2000, 950, 952.
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einkommens in Betracht kommen (Rn. 497)291 Zahlungen für Zinsen und Tilgung sind, wenn sie den Wohnwert übersteigen, nur dann anzuerkennen, wenn die geschiedenen Ehegatten noch Miteigentümer sind, der das Haus bewohnende Ehegatte mietfrei wohnt und die Verbindlichkeiten allein trägt. In dem Fall liegt die Fortzahlung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen im Interesse beider Ehegatten.292 Zahlt der Pflichtige die Verbindlichkeiten und wohnt der Unterhaltsberechtigte mietfrei in der Wohnung, ist aufseiten des Berechtigten der Wohnwert ungekürzt durch Verbindlichkeiten als geldwerter Vorteil beim Einkommen in Ansatz zu bringen, beim Verpflichteten werden die Verbindlichkeiten vom Einkommen vor der Bedarfsberechnung abgezogen. Handelt es sich in beiden Fällen um gemeinsame Schuldverpflichtungen, hat deren unterhaltsrechtliche Berücksichtigung zur Folge, dass hinsichtlich dieser Gesamtschulden nicht noch ein Ausgleich gemäß § 426 BGB in Betracht kommt, da insoweit eine anderweitige Regelung vorliegt.293 Es steht den Ehegatten aber frei, ihre Ansprüche bezogen auf das Familienheim außerhalb des Unterhaltsrechts im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2 BGB zu verfolgen. Wird das im Miteigentum der Ehegatten stehende Haus an einen Dritten veräußert, sind die Zinserträge aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile dem Einkommen der Ehegatten hinzuzurechnen, denn diese stellen das Surrogat für den eheprägenden Wohnvorteil des mietfreien Wohnens dar.294 Grundsätzlich gilt: Entfallen die Nutzungsvorteile des früher gemeinsam genutzten Hauses im Zusammenhang mit der Scheidung, treten an deren Stelle die Vorteile, die die Ehegatten aus dem Erlös ihrer Miteigentumsteile ziehen oder ziehen könnten. Das können entweder Zinseinkünfte sein oder wiederum ein Wohnvorteil, wenn mit dem Erlös ein neues Eigenheim finanziert worden ist.295 Die Bemessung des Wohnvorteils orientiert sich an den ersparten Kosten der objektiven Marktmiete nach Abzug von Zinsen (ohne Tilgung) und den nicht auf Mieter umlegbaren Kosten296 nach den oben dargestellten Grundsätzen. Übersteigen die Belastungen die ersparten Mietaufwendungen, bleibt ein Wohnwertvorteil außer Ansatz.297 Der die ersparten Mietaufwendungen übersteigende Betrag der Verbindlichkeiten mindert nicht das Einkommen; denn weder der Berechtigte noch der Verpflichtete darf zu Lasten des anderen Vermögen bilden.298 Dies kann zu einer Ungleichbehandlung der geschiedenen Ehegatten führen, wenn einer das Geld verzinslich anlegt und sich dadurch sein anrechenbares Einkommen erhöht, der andere hingegen ein neues Eigenheim mit so hohen Belastungen erwirbt, dass ihm kein geldwerter Wohnvorteil mehr zugerechnet werden kann. Ob dies von dem Ehegatten hinzunehmen ist, dem Zinserträge zugerechnet werden, hängt nach der Rechtsprechung des BGH davon ab, ob dem anderen eine Obliegenheitsverletzung zur Vermögensumschichtung vorwerfbar ist. Nur bei vorwerfbarem Handeln kann der Ehegatte, der das Eigenheim erworben hat, auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden, die 291 292 293 294 295
BGH, FamRZ 2007, 799, 881 zum Nacheheunterhalt. BGH, FamRZ 1995, 869, 871. BGH, FamRZ 1988, 264; 1986, 881; Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 347. BGH, FamRZ 1998, 87, 88; BGH, FamRZ 2006, 387, 391. BGH, FamRZ 2001, 1140, 1143; BGH, FamRZ 2001, 986, 991; BGH, FamRZ 2006, 387, 391. 296 BGH, FamRZ 2009, 1300, 1303. 297 BGH, FamRZ 1998, 88. 298 BGH, FamRZ 2001, 1140, 1143.
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ihm dann fiktiv als Einkommen zuzurechnen sind.299 Für die Klärung der Obliegenheitsverletzung, ob also eine Vermögensumschichtung zumutbar war oder ist, stellt der BGH auf folgende Kriterien ab: Wie dringend braucht der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt? Wie hart trifft den Unterhaltspflichtigen die Unterhaltslast? Ist die Vermögensanlage eindeutig unwirtschaftlich? Erwirbt ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen, tritt aufseiten des Veräußernden der Erlös als Surrogat an die Stelle der Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils, bei dem anderen ist dagegen der volle Wohnvorteil anzusetzen, gemindert um die schon bestehenden Kosten und Lasten sowie um die Zinsbelastungen, die durch den Erwerb anfallen.300 Tilgungsleistungen, die der Rückführung des Darlehens dienen, das zum Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten aufgenommen wurde, sind nicht abzugsfähig. Die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinsbelastungen ist nicht begrenzt durch die Zinsvorteile, die der andere Ehegatte durch Veräußerung seines Miteigentumsanteils erlangt.301 Beispiel F überträgt ihren Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Haus nach der Scheidung auf M, der gemeinsam mit seiner neuen Partnerin eher in der Lage ist, die mtl. Kreditbelastungen von 300 Euro zu finanzieren. F verlangt Unterhalt. M kann die Belastungen für das Haus nicht einkommensmindernd von seinem bedarfsbestimmenden Einkommen abziehen. Da er aber Mietkosten i.H.v. 300 Euro spart und für die Vermietung von 2 Zimmern 200 Euro erzielen könnte, die Kreditzinsen und verbrauchsunabhängigen Kosten zusammen 400 Euro betragen, ist seinem Einkommen ein Wohnwertvorteil von 100 Euro zuzurechnen.
Übersteigen die Verbindlichkeiten für ein im Miteigentum der Ehegatten stehendes Haus einen zu erwartenden Verkaufserlös und übernimmt ein Ehegatte das Alleineigentum, kann er Zinsverbindlichkeiten für das Haus, die den Wohnwert übersteigen, nur in dem Umfang einkommensmindernd geltend machen werden, in dem beide Ehegatten im Falle des Verkaufs an einen Dritten noch mit Schulden belastet geblieben wären. Vgl. im Übrigen die Ausführungen und Rechtsprechungshinweise unter Rn. 390 zum Trennungsunterhalt und unter Rn. 51 ff. zum Kindesunterhalt. i) Einkünfte aus Vermögen 495 Die ehelichen Lebensverhältnisse werden nicht nur durch Erwerbseinkünfte geprägt, sondern ebenso durch Kapital- und andere Vermögenserträge sowie sonstige wirtschaftliche Nutzungen, soweit diese den Eheleuten zur Verfügung standen.302 Dies gilt ebenso für Erträge aus einem durch Erbfall erworbenen Vermögen eines Ehegatten.303 Zu den prägenden Einkünften gehören auch die Erträge (Zinsen), die nach der Scheidung aus dem Verkaufserlös für ein Eigenheim oder der Anlage aus dem durch Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögen erzielt werden.304 Wird das Familienheim veräußert, tritt an die Stelle des Wohnvorteils, der die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, der Zinsertrag aus dem
299 300 301 302 303 304
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BGH, FamRZ 2009, 23, 24. BGH, FamRZ 2005, 1159, 1161. BGH, FamRZ 2005, 1159, 1161. Vgl. etwa BGH, FamRZ 1995, 869, 870. BGH, FamRZ 1988, 1145, 1146; 1982, 996, 997 zu Einkünften aus einem Pflichtteil. BGH, FamRZ 2001, 986, 991.
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Verkaufserlös, nachdem dieser um Schulden und ggf. Zugewinnausgleichszahlungen bereinigt worden ist. Kauft sich einer der geschiedenen Ehegatten mit den aus Zugewinn oder Verkauf 496 eines Eigenheims erlangten Mitteln ein neues Haus oder eine Eigentumswohnung zu eigenen Wohnzwecken, muss er sich ersparte Mietkosten als Wohnvorteil nach Abzug von Zinsen und verbrauchsunabhängigen Kosten nach den oben (Rn. 494) dargestellten Grundsätzen als Einkommen anrechnen lassen. Übersteigen die Belastungen die ersparten Mietaufwendungen, mindern sie nicht das Einkommen; denn weder der Berechtigte noch der Verpflichtete darf zu Lasten des anderen Vermögen bilden. Ein Wohnwertvorteil bleibt dann aber außer Ansatz.305 Die Neuverschuldung für ein neues Heim muss in einem hinnehmbaren Verhältnis zu den Erträgen stehen, die bei einer zinsbringenden Anlage des eingesetzten Kapitals aus dem Verkaufserlös erzielt werden könnten.306 Ist dies nicht der Fall, kommt die Zurechnung eines fiktiven Zinsertrags in Betracht, wenn eine Umschichtung des Vermögens zumutbar wäre, was unter Würdigung der wirtschaftlichen Belange beider Ehegatten beurteilt werden muss. Dabei muss sich die gewählte Anlage des Vermögens als eindeutig unwirtschaftlich erweisen, ehe der Unterhaltsberechtigte auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden kann.307 Zinsen aus Vermögen aufgrund einer nach der Scheidung angefallenen Erbschaft sind i.d.R. nicht prägend. j) Abzug von Kreditraten und sonstigen Verbindlichkeiten Sämtliche vor der Ehe oder während des Zusammenlebens mit Billigung des an- 497 deren entstandene Schuldverpflichtungen sowie während der Trennung einvernehmlich eingegangene Verbindlichkeiten werden vom Einkommen abgezogen; denn diese Mittel haben den Eheleuten auch zum Zeitpunkt der Scheidung der Ehe nicht zum Verbrauch zur Verfügung gestanden. Sonstige durch die getrennte Haushaltsführung entstandene Kreditbelastungen werden nach der geänderten Rechtsprechung des BGH vom bedarfsbestimmenden Einkommen nur abgezogen, soweit sie unvermeidbar und nicht auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten entstanden sind.308 Gleiches gilt für Verbindlichkeiten, die nach der Scheidung von den geschiedenen Ehegatten aufgenommen werden (Rn. 483a). Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung sind in der Regel in Höhe von 4 % des letzten Jahresbruttoeinkommens in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der Riester-Rente anzuerkennen, da eine angemessene Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung für die Zukunft nicht mehr gesichert erscheint.309 Vgl. dazu auch Rn. 381 und Rn. 85. Ist eine ergänzende Altersvorsorge unter Berücksichtigung vorhandener Vermögenswerte angemessen, kann dies in unterschiedlicher Weise geschehen, da eine bestimmte Form nicht vorgegeben ist. Anzuerkennen sind Aufwendungen z.B. für Lebensversicherungen, Immobilien oder Sparbeiträge (Rn. 381). Dabei kommt es nicht darauf an, 305 BGH, FamRZ 1998, 88. 306 BGH, FamRZ 1998, 89. 307 BGH, FamRZ 2001, 1140, 1143; 2009, 23, Tz. 16 ff. mit Anm. v. Norpoth, S. 26 f.; s. Rn. 494. 308 BGH, FamRZ 2006, 683, 685 f. 309 BGH, FamRZ 2005, 1817, 1822; 2007, 779, 881 zur Anerkennung von Tilgungsraten für ein früheres Familienheim.
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ob schon während der Ehe entsprechende Beträge gezahlt wurden.310 Kosten für eine Altersversorgung sind ausnahmsweise dann nicht anzuerkennen, wenn der Ehegatte während der Ehe entsprechende Aufwendungen nicht getätigt hat im Hinblick auf ein bevorstehendes Erbe und nach Eintritt des Erbfalls eine ausreichende Altersvorsorge besteht.311 Nicht möglich ist die Berücksichtigung eines fiktiven Altersvorsorgeaufwands.312 498 Verfahrenskosten, die im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung entstanden sind, sind vom bedarfsbestimmenden Einkommen nicht abzuziehen; denn es handelt sich nicht um eheprägende Schulden. Derartige Kosten begründen auch keinen unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf.313 Grundsätzlich gilt, dass die Unterhaltspflicht nicht die Verpflichtung umfasst, Schulden des anderen zu tilgen.314 Deshalb sind sie von jedem Ehegatten aus dem allgemeinen Lebensbedarf zu bestreiten.315 Für laufende Verfahren gilt nichts anderes, zumal zwischen geschiedenen Ehegatten kein Anspruch mehr auf einen Verfahrenskostenvorschuss besteht. Bei Bedürftigkeit kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Verfahrenskostenhilferaten sind aus denselben Gründen nicht absetzbar. Im Rahmen der Leistungsfähigkeit können diese Verpflichtungen jedoch, soweit sie nicht auf einer leichtfertigen Prozessführung beruhen, wenn nur Billigkeitsunterhalt gezahlt werden kann, nach Abwägung der Belange beider Ehegatten Berücksichtigung finden. 499 Kreditraten, die zur Finanzierung des Zugewinnausgleichs entstanden sind, werden ebenfalls nicht berücksichtigt, weil sonst der Berechtigte seinen Ausgleichsanspruch über den dadurch verringerten Unterhalt mitfinanzieren würde.316 500 Der Ehegatte, der ein Kind betreut und erwerbstätig ist, kann Betreuungskosten, die aufgrund seiner berufsbedingten Abwesenheit entstehen, nach der geänderten Rechtsprechung des BGH nur noch einkommensmindernd geltend machen, soweit es sich nicht um Mehrbedarf des Kindes handelt,317 (s. Rn. 119). Der nicht betreuende Ehegatte kann Umgangskosten in der Regel nur einkommensmindernd von seinem Einkommen abziehen, soweit sie die Ersparnis, die sich durch die bedarfsmindernde Berücksichtigung des anteiligen Kindergeldes bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts ergibt, übersteigt (Rn. 389).318 501 Verbindlichkeiten, die der Vermögensbildung des Verpflichteten dienen, bleiben i.d.R. außer Betracht, denn der Unterhaltspflichtige darf nicht auf Kosten des Unterhaltsbedürftigen Vermögen bilden. So kann der Ehegatte, der nach der Scheidung Geld in Immobilien investiert, die Belastungen nicht in Abzug bringen. Allerdings sind dann auch Steuervorteile, die für die Investitionen gewährt werden, herauszurechnen (Rn. 509). Dient die Immobilie eigenen Wohnzwecken, gelten für die Abzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten Besonderheiten wegen der Zurech310 311 312 313 314 315
BGH, FamRZ 2009, 1207, Tz. 31; 2009, 411, 413 f. BGH, FamRZ 2006, 387, 390. BGH, FamRZ 2007, 793 ff. BGH, FamRZ 1985, 902; 1990, 280. BGH, FamRZ 1985, 902. Wendl/Gerhardt, § 1 Rn. 635a; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 578; OLG München, FamRZ 1994, 898. 316 BGH, FamRZ 1986, 437, 439; 2000, 950, 952; OLG Hamm, FamRZ 1985, 483. 317 BGH, FamRZ 2009, 962, m. Anm. v. Born. 318 BGH, FamRZ 2009, 1391, 1396, Tz. 41.
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nung eines Wohnvorteils (Rn. 496, 494). Die Verbindlichkeiten sind hingegen trotz Vermögensbildung zugunsten nur eines Ehegatten ausnahmsweise anzuerkennen, wenn sie nach einem objektiven Maßstab wegen der Höhe des Einkommens angemessen sind (Rn. 493)319 oder wenn sie einer ergänzende Altersvorsorge dient (Rn. 497).
" Praxishinweis: 1. Verbindlichkeiten, die zu Lasten des Unterhaltsberechtigten bereits bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden sind, können nicht noch einmal beim Zugewinn in Ansatz gebracht werden. Vgl. dazu die Rechtsprechung des BGH zum Verbot der doppelten Teilhabe am aktiven Vermögen des Pflichtigen,320 aus der spiegelbildlich das Verbot der doppelten Benachteiligung des Berechtigten folgt durch Berücksichtigung von Verbindlichkeiten im Unterhalt und Zugewinn.321 2. Die Anerkennung von Verbindlichkeiten spielt in der Praxis eine wichtige Rolle. In Prozessen fehlt es häufig an einem stichhaltigen und übersichtlichen Sachvortrag zur Entstehung der Schulden, zur Verwendung des Geldes, zur tatsächlichen Tilgung und zum Tilgungsplan. Sämtliche Belege über die Schuldverpflichtungen und Zahlungen sollten von den Parteien gesammelt und dem Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Der Verpflichtete muss sich bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen bei seinen Gläubigern um einen den geänderten Verhältnissen angepassten angemessenen Schuldentilgungsplan bemühen. Er trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Versäumt er das, kann das Gericht die Höhe angemessener Raten selbst schätzen. Da Raten nicht abgezogen werden, wenn die fälligen Raten nicht bezahlt werden, sollte der Berechtigte immer auch den Nachweis der Tilgung durch Vorlage der Zahlungsbelege verlangen, d.h. im Unterhaltsstreitverfahren die Tilgung bestreiten und damit den Verpflichteten beweispflichtig machen. k) Unterhalt für Kinder und Eltern Auch der von dem barunterhaltspflichtigen Ehegatten für gemeinsame Kinder zu 502 zahlende Unterhalt wird einkommensmindernd berücksichtigt. Sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, können beide den zu zahlenden Unterhalt abziehen. Ebenfalls einkommensmindernd zu berücksichtigen sind fortdauernde Unterhaltsleistungen für Kinder aus früheren Beziehungen, die schon während des Zusammenlebens der Eheleute die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.322 Gleiches gilt für nach der Trennung und – nach geänderter Rechtsprechung des BGH – auch für nach der Scheidung geborene, nicht gemeinsame Kinder.323 319 BGH, FamRZ 2000, 950; FamRZ 1995, 869. 320 zum Verbot der Doppelverwertung von Vermögenswerten im Zugewinn und Unterhalt BGH, FamRZ 2004, 1352, 1353 (Abfindung); BGH, FamRZ 2003, 1396 (Erträge aus Gesellschafterbeteiligung). 321 So Büttner/Niepmann, NJW 2005, 2359, 2352. 322 BGH, FamRZ 1991, 1163, 1164; BGH, FamRZ 1999, 367 ff. 323 Gefestigte Rechtsprechung seit BGH, FamRZ 2006, 683, 686; FamRZ 2008, 1911 ff.; 2009, 579 ff., Tz. 43 f.; 2009, 23 ff., Tz. 21, 28. Kritisch zur Aufgabe des Stichtagsprinzips u.a. Born, FF 2007, 267, NJW 2007, 26, 27, NJW 2010, 641 ff.; Borth, FamRZ 2006, 852, 853 Anm. zu BGH, FamRZ 2006, 683; Griesche, FPR 2008, 63 ff.; Maurer, FamRZ 2008, 1919; Graba, FamRZ 2010, 1131 ff.
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Denn es handelt sich insoweit um Verbindlichkeiten, die längerfristig das Einkommen nachhaltig belasten und deren Erfüllung der Unterhaltsberechtigte, nicht zuletzt aufgrund der bevorzugten unterhaltsrechtlichen Rangstellung minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder, hinzunehmen hat (§ 1609 Nr. 1 und 2 BGB). Kinder gehören i.d.R. zum Lebensentwurf eines Menschen und daraus resultierende Unterhaltslasten hätten bei Fortbestand der Ehe ebenfalls getragen werden müssen. Bei bis zum 31.12.2007 fälligen Ehegattenunterhalt wird vom Einkommen des Verpflichteten immer der geschuldete Tabellenunterhalt ohne Berücksichtigung des Kindergeldausgleichs zwischen den Eltern, also nicht der Zahlbetrag, abgezogen. Denn bis zum Inkrafttreten des UÄndG galt, dass das Kindergeld den Eltern zur Erleichterung ihrer Kindesunterhaltspflicht zusteht und beim Ehegattenunterhalt außer Betracht zu bleiben hat (zum Kindergeldausgleich bis zum 30.6.2007 vgl. Rn. 110 ff.).324 Bei Unterhaltsansprüchen ab 1.1.2008 wird hingegen nur noch der tatsächliche Zahlbetrag des Kindesunterhalts und nicht der Tabellenunterhalt abgezogen, denn der betreuende Elternteil hat gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 BGB das anteilige Kindergeld zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden325 (zum Kindergeldausgleich ab 1.1.2008 vgl. Rn. 109a). Auch Unterhalt für volljährige, nicht privilegierte Kinder wird vom bedarfsbestimmenden Einkommen abgezogen, soweit diese Unterhaltsverbindlichkeiten den ehelichen Bedarf geprägt haben. Dies gilt allerdings nur, soweit der unterhaltspflichtige Ehegatte nach Vorabzug des Kindesunterhalts noch den angemessenen Bedarf leisten kann. Ist dies nicht der Fall, unterbleibt der Vorabzug im Hinblick auf den unterhaltsrechtlichen Vorrang des Ehegatten (§ 1609 Nr. 2, 4, 5 BGB, s. das Beispiel Rn. 243). Betreut ein Ehegatte ein gemeinsames Kind, wird seine Betreuungsleistung trotz der in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gesetzlich geregelten Gleichwertigkeit von Barund Betreuungsunterhalt nicht monetarisiert und in gleicher Höhe wie der vom anderen Elternteil gezahlten Barunterhalt von seinem Einkommen abgezogen. Er kann aber stattdessen konkrete Betreuungsaufwendungen auch z.B. als berufsbedingte Aufwendungen326 abziehen, soweit sie nicht als Mehrbedarf des Kindes zu behandeln sind (Rn. 488). Darüber hinaus kann der Unterhaltspflichtige, der neben der Betreuung überobligatorisch erwerbstätig ist, einen nach den individuellen Verhältnissen unter Berücksichtigung besonderer Erschwernisse gemäß § 242 BGB zu schätzenden Betreuungsbonus, von seinem Einkommen abziehen (s. Rn. 488).327 Ist der Unterhaltsberechtigte neben der Betreuung erwerbstätig, erfolgt eine Kürzung seines Einkommens nach Billigkeit gemäß § 1577 Abs. 2 BGB um den Betrag, den er für sich behalten kann, bevor der verbleibende unterhaltsrelevante Teil in die Bedarfsberechnung eingestellt wird (Rn. 488, 516).328 Zum Diskussionsstand der Zuordnung von Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung vgl. die Ausführungen unter Rn. 363 ff. 324 BGH, FamRZ 1997, 806. 325 Dose, FamRZ 2007, 1289, 1282; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778, 779; BTDrucks. 16/1830 v. 15.6.2006, S. 29. 326 BGH, FamRZ 1982, 779 ff. 327 BGH, FamRZ 1982, 778, 779. 328 BGH, FamRZ 2005, 1154–1158.
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Zahlt der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Kindesunterhalt, kann der andere Elternteil, der das Kind versorgt, Kindesbarunterhalt in Höhe des nach seinem eigenen Einkommen geschuldeten Tabellenunterhalts einkommensmindernd abziehen.329 Fallen Unterhaltspflichten für gemeinsame Kinder nach der Scheidung weg, so 503 erhöht sich das bedarfsbestimmende Einkommen um diesen Betrag, es sei denn, dass die freiwerdenden Mittel nach den jetzt maßgeblichen Verhältnissen der Vermögensbildung oder anderen nicht dem Lebensbedarf zuzurechnenden Zwecken dienen würden.330 Auch Unterhaltsleistungen für die Eltern eines Ehegatten, die an sich nachrangig 503a berechtigt sind gegenüber dem Ehegatten, können die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Allerdings darf der Vorwegabzug nicht zu einem Missverhältnis des Bedarfs der Beteiligten führen.331 l) Unterhalt für neuen Ehepartner des Verpflichteten Nach der geänderten Rechtsprechung des BGH zum Maß des Unterhaltsbedarfs 503b im Sinne „wandelbarer“ ehelicher Lebensverhältnisse gem. § 1578 Abs. 1 BGB wirken sich auch nach der Scheidung hinzugekommene Unterhaltspflichten gegenüber neuen Ehegatten des Verpflichteten auf den ehelichen Bedarf aus. Denn die Berücksichtigung nachehelicher Veränderungen soll danach erst dort ihre Grenze finden, wo sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht, was nicht angenommen werden könne, wenn der Unterhaltspflichtige nach der Scheidung wieder heiratet und neue Unterhaltspflichten entstehen.332 Dies hat zur Folge, dass bei Hinzutreten eines neuen Ehegatten, der Bedarf im Wege der Dreiteilung bemessen wird. D. h. es wird zunächst die Summe der bereinigten Einkünfte des Verpflichteten, der geschiedenen Frau und der neuen Ehefrau gebildet und dann durch 3 geteilt. Zu beachten ist dabei, dass sich aufgrund der Einsetzung eines Einkommens der Unterhaltsberechtigten nicht der Bedarf der neuen Ehefrau erhöhen darf und ggf. auf den Betrag gedeckelt werden muss, der ihr ohne Berücksichtigung der geschiedenen Ehefrau zustünde.333 Aufseiten der geschiedenen Ehefrau bildet die Obergrenze der Betrag, der sich für sie ohne die neue Ehe und den sich daraus ergebenden Splittingsteuervorteil als Unterhalt im Wege der Halbteilung ergeben würde.334 S. dazu die Rechenbeispiele unter Rn. 397, 520c. Die Darlegungs- und Beweislast für das tatsächlich erzielte oder erzielbare Einkommen des neuen Ehegatten trägt der Unterhaltspflichtige. Zwar trifft an sich den Unterhaltsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast 329 BGH, FamRZ 1991, 182. 330 BGH, FamRZ 1990, 1085 ff. Seine frühere Rechtsprechung, nach der der Wegfall des Kindesunterhalts im Fall einer Neubemessung des nachehelichen Unterhalts nur dann Bedeutung haben sollte, wenn diese Änderung der Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Scheidung schon konkret voraussehbar war und die Ehegatten diesem Umstand noch während des Bestehens der Ehe einen prägenden Einfluss auf ihre Lebensverhältnisse eingeräumt haben, hat der BGH aufgegeben (FamRZ 1988, 701 ff.). 331 BGH, FamRZ 2003, 860. 332 BGH, FamRZ 2009, 579, 582f; Anm. von Schürmann, S. 585 f. Zur Kritik s. Rn. 483a m.w.N. 333 BGH, FamRZ 2009, 411, 415 m. Anm. v. Borth, S. 417 f. 334 BGH, FamRZ 2009, 411, 415, S. 583; ebenso BGH, FamRZ 2009, 411, m. Anm. v. Borth S. 417 f.; 2008, 1911, 1914 ff.
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für die Höhe seines Bedarfs und seine Bedürftigkeit. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Bedarf durch Dreiteilung zu ermitteln ist, weil es sich bei dem mit zu berücksichtigenden Unterhaltsanspruch der Ehefrau um eine das Einkommen des Verpflichteten mindernde Verbindlichkeit handelt. Für die tatsächlichen Voraussetzungen einer die Leistungsfähigkeit mindernden Verbindlichkeit ist der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig (§ 1581 BGB), dazu gehören auch die Erwerbsfähigkeit und das Einkommen der neuen Ehefrau.335 m) Miete für die Ehewohnung 504 Bleibt einer der Ehegatten nach der Scheidung in der gemieteten Ehewohnung, die für ihn zu groß und zu teuer ist, ist das ein Luxus, den er sich selbst finanzieren muss. Anders als beim Trennungsunterhalt kann der geschiedene Ehegatte jedenfalls keine Kosten mehr einkommensmindernd in Abzug bringen. n) Berücksichtigung von Steuervorteilen 505 Der Unterhaltspflichtige hat die Möglichkeit Steuervorteile in Anspruch zu nehmen aufgrund der von ihm erbrachten Unterhaltsleistungen. Ihm stehen dazu alternativ das begrenzte Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder der Abzug des Unterhalts als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG336 zur Verfügung. Die aus diesen steuerrechtlichen Entlastungen resultierenden Einkommensvorteile sind dem eheprägenden Einkommen hinzuzurechnen. Beim begrenzten Realsplitting kann der Unterhaltspflichtige Unterhaltsleistungen i.H.v. bis zu 13 805 Euro jährlich steuerrechtlich einkommensmindernd in Ansatz bringen. Dabei ist er auf die Zustimmung des Unterhaltsberechtigten angewiesen, die durch Unterzeichnung der Anlage U möglich ist.337 Weitere Folge ist, dass der Unterhaltsberechtigte seine Unterhaltsleistungen versteuern muss. Insoweit steht ihm ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten zu. Dieser Nachteilsausgleich ist von der durch das begrenzte Realsplitting bewirkten Steuerersparnis abzuziehen. Weitere Einzelheiten der Voraussetzungen der Inanspruchnahme sind unter Rn. 378 erläutert. Alternativ zum begrenzten Realsplittings können Leistungen auch als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG geltend gemacht werden i.H.v. bis zu 8 004 Euro pro Jahr, bis 31.12.2009 i.H.v. bis zu 7 680 Euro pro Jahr.338 Die Inanspruchnahme dieser steuerrechtlichen Entlastungsmöglichkeit setzt keine Zustimmung des Unterhaltsberechtigten voraus; der Unterhaltsberechtigte muss auch nicht die an ihn geflossenen Unterhaltsleistungen versteuern. Als Unterhaltsleistungen können in Ansatz gebracht werden laufende Unterhaltszahlungen, aber ebenso Sonderbedarf sowie untypische Aufwendungen für Krankheitskosten, Scheidungskosten usw. Nicht möglich ist, Unterhaltsleistungen, die beim begrenzten Realsplitting nicht berücksichtigt wurden, weil sie den 335 BGH, FamRZ 2010, 869 ff. m. Anm. v. Maier, der das Ergebnis zwar als pragmatisch billigt, aber einen Widerspruch zu der Auslegung des BGH zu § 1578 BGB sieht, nach der Unterhaltspflichten bedarfsbestimmende Umstände sind, die der Berechtigte dazulegen hat. Insoweit stünde ihm auch ein Auskunftanspruch gegenüber dem Verpflichteten zu. 336 Borth, FamRZ 2010, 416 ff.; Caspary, FPR 2003, 410. 337 BGH, FamRZ 1998, 953. 338 Borth, FamRZ 2010, 416 ff.
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Grenzbetrag von 13 805 Euro übersteigen, als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG geltend zu machen. Der Unterhaltspflichtige muss sich für eine Entlastungsform entscheiden. Neben den Unterhaltszahlungen können sowohl im Rahmen des begrenzten Realsplittings als auch bei den außergewöhnlichen Belastungen über die jeweilige Höchstgrenze hinaus für den Unterhaltsberechtigten bezahlte Krankenkassenbeiträge und Beiträge zur Pflegeversicherung mitberücksichtigt werden. Die steuerliche Absetzbarkeit dieser Vorsorgeaufwendungen ist begrenzt auf die Höhe von Beträgen, die notwendig sind für die Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 3, 33a Abs. 1 Satz 2 EstG). Zahlt ein Unterhaltspflichtiger z.B. Unterhalt i.H.v. jährlich 12 000 Euro und Krankenund Pflegeversicherungsbeiträge von jährlich 3 000 Euro, ist der gesamte Betrag von 15 000 Euro absetzbar, bei den außergewöhnlichen Belastungen i.H.v. 11 004 Euro.339 Der Verpflichtete ist unterhaltsrechtlich gehalten, die für ihn aufgrund der Unterhaltszahlungen in Betracht kommenden Steuervorteile in Anspruch zu nehmen, wenn er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig feststeht oder er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt.340 Tut er dies vorwerfbar nicht, ist eine fiktive Steuerberechnung zu erstellen. Die fiktive Steuerberechnung zur Ermittlung des Steuervorteils beim begrenzten Realsplitting ist auf der Grundlage des festgestellten Jahresdurchschnittseinkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit oder eines Dreijahresdurchschnittseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu berechnen. Von dem ermittelten Steuervorteil sind eventuelle Steuernachteile des Unterhaltsberechtigten abzuziehen (Rn. 378), da dieser insoweit einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen hat. Der sich daraus ergebende Betrag ist dem bedarfsbestimmenden Einkommen des Verpflichteten hinzuzurechnen. Hat der Verpflichtete nach Wiederheirat Steuervorteile durch die gemeinsame 506 Veranlagung mit dem neuen Ehegatten (Splittingvorteil nach § 32a EStG), gehört sein darauf beruhendes Mehreinkommen nicht zum bedarfsbestimmenden Einkommen,341 denn in verfassungskonformer Auslegung von Art. 6 Abs. 1 GG steht der Steuervorteil, der auf der neuen Eheschließung beruht, auch nur den zusammenlebenden Ehegatten zu. Folge ist, dass bei der Einkommensermittlung nicht die reale Steuer vom Einkommen des wiederverheirateten Ehegatten abzuziehen ist, sondern eine fiktive Steuerberechnung nach der Grundtabelle vorzunehmen und der so ermittelte Betrag von dem Bruttoeinkommen des Verpflichteten abzuziehen ist.342 Dies wird in der Praxis jedoch dann nicht notwendig sein, wenn die Ehegatten der neuen Ehe Doppelverdiener mit einem annähernd gleich hohen Einkommen sind, denn dann fällt der Ehegattensplittingvorteil kaum ins Gewicht. Bei stark auseinanderfallenden Einkommen oder wenn der neue Ehegatte keine Einkünfte hat, wird er jedoch unterhaltsrechtlich
339 Vgl. dazu Borth, FamRZ 2010, 416, 417 mit Beispielen zu den Höchstgrenzen bei der Berücksichtigung von Unterhalt und Vorsorgebeiträgen. 340 BGH, FamRZ 2007, 793. 341 BGH, FamRZ 2005, 1817, 1819 in Abänderung der früheren Rechtsprechung in FamRZ 1985, 911 ff.; FamRZ 1988, 486 ff. 342 Wendl/Kemper, § 1 Rn. 585a mit Muster für fiktive Steuerberechnung;; zu den möglichen Komplikationen bei der Einkommensbestimmung vgl. Viefhues, FPR 2008, 74.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
bedeutsam.343 Bei Unterhaltsansprüchen für die Zeit ab 1.1.2008 ist zu beachten, dass der Splittingvorteil immer dann gleichwohl bei dem bedarfsbestimmenden Einkommen des Verpflichteten mit zu berücksichtigen ist, wenn der Unterhaltspflichtige nicht nur dem geschiedenen Ehegatten, sondern auch seinem neuen Ehegatten unterhaltspflichtig ist, denn dessen Unterhaltsbedarf ist dann auf der Bedarfsebene durch Dreiteilung des Bedarfs mitzuberücksichtigen.344 S. dazu Rn. 503b, 520. Hat sich das Einkommen des Verpflichteten aufgrund eines Karrieresprungs nach der Scheidung deutlich erhöht, so dass es teilweise nicht mehr dem eheprägenden Einkommen zuzurechnen ist (Rn. 484), ist zu beachten, dass die fiktive Steuerberechnung nur bezogen auf das eheprägende Einkommen vorzunehmen ist. Dies setzt voraus, dass zunächst fiktiv das eheprägende Einkommen des Verpflichteten bestimmt wird ohne Berücksichtigung der Einkommenssteigerungen, die auf dem Karrieresprung beruhen.345 Ist dieses „Karussell der Fiktionen“346 erst einmal in Schwung gebracht, ergeben sich noch Folgewirkungen für den einkommensmindernden Abzug des Kindesunterhalts: Der Kindesunterhalt wird in dem Fall zwar nach dem tatsächlich erzielten Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen – auch unter Berücksichtigung des Splittingvorteils –, für die Berechnung des Ehegattenunterhalts hingegen wird der Kindesunterhalt nur in der Höhe vom Einkommen des Verpflichteten abgezogen, in der er nach dem fiktiv errechneten Einkommen des Verpflichteten geschuldet wäre. Anderenfalls würden sich karrierebedingte Einkommenssteigerungen zu Lasten des geschiedenen Ehegatten auswirken.347 Ist auch der neue Ehegatte unterhaltsbedürftig, ist für die Berechnung des Nacheheunterhalts hingegen auf das tatsächlich erzielte Einkommen inklusive der auf die neue Ehe bezogenen Vergünstigungen abzustellen, wobei der Bedarf durch Dreiteilung ermittelt wird. Dabei wird der Bedarf der neuen Ehefrau des Verpflichteten so ermittelt, als stünde ihr ebenfalls ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zu (Rn. 520). Dabei ist der Ehefrau, wenn sie nicht erwerbstätig ist, ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu unterstellen und eine fiktive Steuerberechnung für das Einkommen des Verpflichteten und seiner Frau unter Berücksichtigung des Splittingvorteils zu berechnen.348 507 Wählt der wieder verheiratete Unterhaltspflichtige die Steuerklasse V, die zu einer hohen steuerlichen Belastung führt, kann ein zu schätzender Abschlag oder eine fiktive Besteuerung, bemessen nach der Grundtabelle oder – wenn nur Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erzielt werden – vereinfachend nach der Steuerklasse I erfolgen.349 Ehegatten sind zwar steuerrechtlich frei, die Kombination der Steuerklassen III und V zu wählen mit der Folge, dass der nach Steu343 Vgl. dazu Schürmann, FamRZ 2003, 1825 f.; Tischler, Übersicht zu den Problemen bei einer fiktiven Einkommensberechnung in FPR 2007, 79, mit Berechnungsbeispielen. 344 BGH, FamRZ 2009, 579, 583 f.; FamRZ 411, 415, m. Anm. v. Borth. S. 417 f. 345 BGH, FamRZ 2007, 1232 ff. mit Anm. dazu von Maurer, FamRZ 2007, 1236 f.; Ehinger, NJW 2007, 2632 f.; Soyka, FuR 2007, 367; Schürmann, jurisPR-FamR 2007, 71–1. 346 So die Formulierung von Born, NJW 2010, 641 ff. in kritischer Auseinandersetzung mit BGH, FamRZ 2009, 579 ff. 347 BGH, FamRZ 2007, 1232, 1235. 348 So OLG Celle, Urt. v. 11.3.2010 – 17 UF 154/09, Tz. 32 ff. mit Berechnung; kritisch zu den Berechnungen auf der Basis mehrerer Fiktionen Born, NJW 2010, 641 ff. 349 Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 925.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
erklasse III besteuerte Ehegatte eine niedrige und der nach Steuerklasse V besteuerte Ehegatte eine sehr hohe vorläufige Besteuerung erhält. Unterhaltsrechtlich maßgeblich ist aber die tatsächliche Steuerschuld ohne Berücksichtigung des zugunsten der neuen Ehe bestehenden Splittingvorteils. Der Familienzuschlag des unverheirateten unterhaltspflichtigen Beamten nach 508 §§ 39, 40 BBesG bleibt eheprägendes Einkommen, denn er entspricht dem bei Bestehen der Ehe gewährten Zuschlag, hat nunmehr aber die Aufgabe, die Unterhaltslasten des Beamten aus einer geschiedenen Ehe abzumildern (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG).350 Der Familienzuschlag des wiederverheirateten unterhaltspflichtigen Beamten ist ebenfalls noch eheprägendes Einkommen, er ist jedoch nur in Höhe der Hälfte zu berücksichtigen, denn der Familienzuschlag hat generell die Zweckbestimmung, unterschiedlichen Belastungen des Familienstandes Rechnung zu tragen, so dass auch zusätzliche Belastungen, die mit einer neuen Familiengründung entstehen, damit abgemildert werden sollen.351 Ist die neue Ehefrau ebenfalls unterhaltsbedürftig, findet der Familienzuschlag in voller Höhe Anwendung. Nicht alle Steuervorteile, die der Verpflichtete in Anspruch nehmen kann, 509 fließen in die Einkommensberechnung mit ein. Hat der geschiedene Ehegatte Steuervorteile dadurch, dass er z.B. eine nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung erworben hat (Bauherrenmodell), dann sind die daraus resultierenden Verbindlichkeiten nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen; denn er darf nicht zu Lasten des Berechtigten Vermögen bilden. Die aufgrund dieses Eigentumserwerbs ihm zufließenden Steuervorteile stehen dann allerdings auch nur ihm zu, so dass ggf. insoweit eine fiktive Besteuerung zu berechnen ist.352 Anderes gilt für Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 45 ff. verwiesen. 5. Berechnung des Anteils des Anspruchstellers am bedarfsbestimmenden Einkommen (Quotierung) mit Rechenbeispielen Dem Anspruchsteller steht nach Abzug der berufsbedingten Aufwendungen und 510 Verbindlichkeiten sowie eines Erwerbstätigenbonus von dem bedarfsbestimmenden Einkommen die Hälfte zu (Grundsatz der Halbteilung). Der Erwerbstätigenbonus, der i.H.v. 1/ 10 bis 1/ 7 üblich ist,353 wird aufgrund seiner Zweckbestimmung immer nur vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgezogen, und zwar erst nach Abzug der berücksichtigungswürdigen Verbindlichkeiten sowie der berufsbedingten Aufwendungen vom bereinigten Nettoeinkommen.354 Bei engen wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Bonus im Einzelfall auch geringer bemessen werden.
350 351 352 353
OLG Celle, FamRZ 2005, 716, 717; BGH, FamRZ 2007, 793, 799. BGH, FamRZ 2007, 793, 798. BGH, FamRZ 1987, 36 ff. Vgl. dazu die Leitlinien der zuständigen OLG; ferner eine ausführliche Darstellung der BGH-Rechtsprechung zur Zweckbestimmung des Erwerbstätigenbonus und deren Bedeutung für die Bemessung der Höhe unter Rn. 336. 354 BGH, FamRZ 1997, 806; zu den berufsbedingten Aufwendungen vgl. Rn. 353a, 68 ff.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Bei allen anderen Einkünften, z.B. aus Kapital, aber auch Pensionen und Renten, gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. Die in den nachfolgenden Beispielen dargestellte Berechnung des Bedarfs durch Halbteilung des addierten beiderseitigen prägenden Einkommens und die Anrechnung der Eigeneinkünfte des Bedürftigen aus prägenden und nichtprägenden Einkünften auf diesen Bedarf wird als Additionsmethode bezeichnet. Die Berechnung erfolgt in 2 Schritten: – Bedarf = Summe des eheprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/ 10 und sonstigen eheprägenden Einkünften beider Ehegatten geteilt durch 2. – Ungedeckter Bedarf = Bedarf abzüglich sämtlicher Einkünfte des Anspruchstellers (des eheprägenden und nichtprägenden bereinigten Einkommens aus Erwerbseinkommen i.H.v. 6/ 7 bzw. 9/ 10 und sonstige prägende und nichtprägende bereinigte Einkünfte). Insoweit ist der Anspruchsteller bedürftig. Zu den anderen üblichen Berechnungsmethoden, die alle zu gleichen Ergebnissen führen, vgl. Rn. 393. 511 Rechenbeispiele für die Bedarfsermittlung nach der Additionsmethode Bei den nachfolgenden Beispielen wird zunächst die Berechnung des Bedarfs nach dem Grundsatz der Halbteilung vorgestellt, die Bedürftigkeit durch Anrechnung eigenen Einkommens des Berechtigten berechnet und die Leistungsfähigkeit kontrolliert. (1) Beispiel Alleinverdienerehe Bei einem Erwerbstätigenbonus von 1/ 10 ergibt sich folgende Berechnung Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzügl. Kreditrate abzügl. Kindesunterhalt Zwischenbetrag abzüglich 1/ 10 Erwerbstätigenbonus (1 699 × 9/ 10 ) ergibt ein bereinigtes Einkommen von davon steht F die Hälfte zu
2 200 110 2 090 150 241 1 699
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
1 529 Euro 765 Euro
Hat F keine weiteren nichteheprägenden Einkünfte ist sie i.H.v. 765 Euro bedürftig. Eigenbedarfskontrolle: Bereinigtes Einkommen M (ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus) abzüglich ungedeckter Bedarf der F M verbleiben Da M 1 000 Euro verbleiben müssen, F hat nur einen Anspruch auf
1 699 765 904 699
Euro Euro Euro Euro
Erzielt F noch nicht prägende Einkünfte, z.B. Zinsen aus einer Erbschaft i.H.v. 200 Euro, beträgt ihr ungedeckter Bedarf 565 Euro (765 Euro – 200 Euro), den M ohne Einschränkung zahlen kann. (2) Beispiel Doppelverdienerehe Bei einem Erwerbstätigenbonus von 1/ 10 ergibt sich folgende Berechnung Einkommen M aus Erwerbstätigkeit 5 % berufsbedingte Aufwendungen abzügl. Kreditrate
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2 000 110 2 090 150
Euro Euro Euro Euro
IV. Die Berechnung des Unterhalts abzügl. Kindesunterhalt Zwischenbetrag abzüglich 1/ 10 Erwerbstätigenbonus ergibt ein bereinigtes Einkommen von Einkommen F aus Erwerbstätigkeit Fahrkosten konkret berechnet Ehestandsdarlehen Zwischenbetrag abzüglich 1/ 10 Erwerbstätigenbonus ergibt ein bereinigtes Einkommen von Bedarfsberechnung bereinigtes Einkommen M bereinigtes Einkommen F Gesamtbedarf Bedarf F die Hälfte abzügl. eigenes Einkommen der F F ist bedürftig i.H.v. Eigenbedarfskontrolle: M ist leistungsfähig, da ihm mehr als 1 000 Euro für den Eigenbedarf verbleiben: 1 699 – 463 =
241 Euro 1 699 Euro 1 529 Euro 800 100 30 670
Euro Euro Euro Euro
603 Euro 1 529 603 2 132 1 066 603 463
Euro Euro Euro Euro Euro Euro
1 236 Euro
Hat F noch nicht prägende Einkünfte aus Vermögen i.H.v. 200 Euro, verringert sich ihr Bedarf auf 263 Euro.
6. Bedürftigkeit Von dem Anspruchsteller wird erwartet, dass er seine sämtlichen Einkünfte, ob 512 sie nun die ehelichen Verhältnisse geprägt haben oder nicht, zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs verwendet. Denn anspruchsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, seinen Unterhalt aus eigenen Einkünften aus Erwerbstätigkeit, sonstigen geldwerten Zuwendungen oder aus dem Vermögen zu bestreiten (§ 1577 Abs. 1 BGB). Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1577 Abs. 3 BGB). Für Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gelten allerdings Besonderheiten (vgl. Rn. 515). a) Beispiele für abzugspflichtiges Einkommen, das nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat Wenn Einkommen, das nicht zum bedarfsbestimmenden Einkommen gerechnet 513 wird, weil es die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat, nunmehr bedarfsmindernd abgezogen wird, kann sich der Unterhaltsanspruch drastisch verringern. Solche nichtprägenden Einkünfte können nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sein: – Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit (Karrieresprung), die nicht der Lebensplanung der Ehegatten sowie der normalen Entwicklung entsprechen und mit denen zum Zeitpunkt der Trennung auch nicht zu rechnen war (s. dazu unter Rn. 484); – nicht eheprägende Erträge aus Vermögen, Gebrauchsvorteile und Verwertung des Vermögens. Vermögen ist zinsbringend anzulegen. Wird dies versäumt, werden dem bedürftigen Ehegatten erzielbare Zinssätze als Einkünfte unterstellt. Vermögen, das keine Erträge bringt, ist wirtschaftlich zu nutzen, sei es durch Vermietung eines Hauses oder leer stehender Zimmer, Verkauf von Ehinger
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Goldbarren und zinsgünstige Anlage des Geldes. Allerdings muss die Zumutbarkeit der Nutzung beachtet werden (§ 1577 Abs. 1 BGB). – Einkünfte aus Renten, soweit diese aus Mitteln des vom Verpflichteten gezahlten Vorsorgeunterhalts erworben wurden.355 Renten, die auf dem Versorgungsausgleich oder vor der Ehe geleistete Erwerbstätigkeit beruhen, sind als eheprägend schon auf der Bedarfsebene mitzuberücksichtigen.356 Beispiele – F bewohnt mit ihren Kindern ein in ihrem Eigentum stehendes luxuriöses Eigenheim, das sie nach der Scheidung von ihren Eltern geschenkt bekommen hat. Abhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der geschiedenen Ehepartner, kann für F entweder die Vermietung des Hauses und der Umzug in eine weniger kostspielige Wohnung oder eine Teilvermietung zumutbar sein. Jedenfalls muss sie sich mindestens, solange sie in dem Haus lebt, ersparte Mietkosten in angemessener Höhe bedarfsmindernd anrechnen lassen. – F hat einen nachehelichen Unterhaltsanspruch i.H.v. 500 Euro. M hat eine gesicherte Stellung und außerdem Einkünfte aus einem nach der Scheidung geerbten Mietshaus. F bekommt von ihren Eltern im Alter von 55 Jahren nach der Scheidung 50 000 Euro geschenkt. Je nach erzielbarem Zinssatz muss sie sich entsprechende Einkünfte von zzt. etwa 250 Euro monatlich bedarfsmindernd anrechnen lassen. Ein Verbrauch des Barvermögens ist nicht zumutbar, da sie nur mit einer Rente in Höhe des kleinen Selbstbehalts rechnen kann.
514 Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat grundsätzlich den Stamm des Vermögens für seinen Unterhalt zu verwerten (§ 1578 Abs. 1 BGB), es sei denn, dies wäre unwirtschaftlich oder würde unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit widersprechen (§ 1577 Abs. 3 BGB). Unwirtschaftlich kann der Verkauf eines Hauses sein, wenn eine erhebliche Wertsteigerung zu erwarten ist oder eine Mietwohnung auf Dauer teurer wäre als die Nutzung des Hauses. Die Verwertung von Barvermögen muss nicht unwirtschaftlich, kann aber unbillig sein.357 So hat der Berechtigte einen Anspruch auf einen Notgroschen. Für dessen Bemessung ist nicht abzustellen auf den Maßstab des Sozialhilferechts, sondern auf die individuellen Verhältnisse und Bedürfnisse. Grundsätzlich gilt für die im Rahmen von § 1577 Abs. 3 BGB anzustellende Billigkeitsprüfung, dass eine umfassende Würdigung aller maßgeblichen Umstände vorzunehmen ist. Dazu können gehören die Belange naher Angehöriger (Eltern, Kinder), die Höhe der voraussichtlichen Altersversorgung, sonstige Vermögenswerte, Dauer des Unterhaltsanspruchs, Vermögenssituation des Verpflichteten, Situation beider Ehegatten nach Veräußerung des Familienheims, welche dauerhaften Ertragsmöglichkeiten ein Vermögenswert bietet358 etc. b) Besonderheiten bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit 515 Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, die nicht dem bedarfsbestimmenden Einkommen zugeordnet worden sind, weil sie nicht die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, sind nicht auf den Bedarf anzurechnen, soweit der Ver355 356 357 358
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BGH, FamRZ 2003, 848 ff. Zur Kritik an der Rechtsprechung s. Rn. 484d. BGH, FamRZ 2002, 88, 91 und 2003, 848, 851. BGH, FamRZ 1985, 360. BGH, FamRZ 1985, 354, 356: Grundsätze zur Verwertungspflicht beim Nacheheunterhalt; Grundsätze zur Verwertungspflicht beim Trennungsunterhalt: BGH, FamRZ 1985, 360.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
pflichtete nicht den vollen Unterhalt (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) leistet (§ 1577 Abs. 2 BGB). Der volle Unterhalt ist der Quotenunterhalt, ggf. zuzüglich eines Mehrbedarfs, bemessen nach § 1578 BGB oder nach dem aus Billigkeitsgründen gekürzten Bedarf nach § 1578b BGB. Muss der Verpflichtete nur einen Billigkeitsunterhalt leisten (§ 1581 BGB), der hinter dem vollen Unterhalt zurückbleibt, verbleiben dem Berechtigten seine Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit in Höhe der Differenz zum vollen Unterhalt ungeschmälert.359 Die diese Differenz übersteigenden Einkünfte des Berechtigten werden nach Abzug des errechneten Quotenunterhalts angerechnet. In welcher Höhe sie angerechnet werden, hängt von Billigkeitsgesichtspunkten ab (§ 242 BGB); denn der Berechtigte erbringt mit seiner Arbeit ein Sonderopfer an Freizeit, Kraft und Gesundheit mit dem Ziel, seinen Lebensstandard zu verbessern, und nicht, um dem Unterhaltspflichtigen seine Zahlungspflicht zu erleichtern. Je nach den individuellen Verhältnissen kann die Anrechnung nach der Ermittlung des eheprägenden Bedarfs aus Billigkeitsgründen in vollem Umfang erforderlich sein, aber auch ganz unterbleiben. In jedem Fall bedarf eine Anrechnung einer besonderen Begründung, z.B. eine übermäßige wirtschaftliche Belastung des Pflichtigen, ein mangelnder angemessener Selbstbehalt für ihn oder die Entstehung eines drastischen Ungleichgewichts zwischen den geschiedenen Eheleuten. Einkünfte aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit, die neben der Kindesbetreu- 516 ung ausgeübt wird, werden nur hinsichtlich ihres unterhaltsrelevanten Teils, der nach § 1577 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist, sowohl auf der Bedarfsebene als bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt. Der Teil, der dem Unterhaltsberechtigten wegen seines überobligatorischen Einsatzes ungeschmälert verbleiben soll, bleibt unterhaltsrechtlich völlig unberücksichtigt360 (vgl. dazu Rn. 488 und 365, und zur Berechnung des ungedeckten Bedarfs auch Rn. 406). In der Praxis wird Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit häufig pauschal nur zu 1/ 2 bis zu 3/4 in Ansatz gebracht.361 Nach den Auslegungsmaßstäben, die der BGH zu § 1577 Abs. 2 BGB entwickelt hat, sind für die Bemessung des unterhaltsrelevanten Teils und des dem Berechtigten allein verbleibenden Teils des Einkommens jedoch jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien maßgebend.362 Dabei spielen eine Rolle besondere Erschwernisse bei der Ausübung der unzumutbaren Erwerbstätigkeit, also wie etwa die Kindesbetreuung mit der Arbeit unter Berücksichtigung der Arbeits- und Fahrzeiten zu vereinbaren ist, ob und in welchem Umfang ein Kindergarten oder andere Hilfe für die Betreuung in der Arbeitszeit zur Verfügung steht, wie hoch die Verschuldung der Familie ist etc. Ferner ist bei der Bemessung zu beachten, dass sich der überobligatorisch erwerbstätige Unterhaltsberechtigte nicht schlechter steht, als wenn er pflichtgemäß erwerbstätig wäre und auch gleiche Maßstäbe angewendet 359 Grundlegend BGH, FamRZ 1983, 146. 360 BGH, FamRZ 2005, 1154–1158 und FamRZ 2003, 518 ff. 361 Vgl. z.B. OLG Oldenburg, FamRZ 1997, 885; OLG Hamm, FamRZ 1997, 886. Auch soweit die Kürzung vor der Einstellung in das bedarfsbestimmende Einkommen erfolgt, wird häufig pauschal gekürzt; vgl. z.B. OLG Hamm, FamRZ 2002, 1708 ff. m.w.N. 362 BGH, FamRZ 1995, 475 zu den Bemessungskriterien gemäß § 1577 Abs. 2 BGB; BGH, FamRZ 2001, 350, 352 zu den Bemessungskriterien beim Betreuungsbonus des Verpflichteten.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
werden, wie sie für die Berechnung des Betreuungsbonus beim Verpflichteten gelten (vgl. dazu Rn. 366, 406). 7. Leistungsfähigkeit des Anspruchsgegners 517 Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 1581 BGB). Unterhalt kann von dem geschiedenen Ehegatten nur verlangt werden, wenn dieser leistungsfähig ist. Bei teilweiser Leistungsunfähigkeit verringert sich der zu zahlende Unterhalt, bei völliger Leistungsunfähigkeit entfällt er ganz. Verfügt der Verpflichtete über Vermögen, muss er nur die Erträge daraus einsetzen, den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (§ 1581 Satz 2 BGB). Insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie für den Unterhaltsberechtigten (§ 1577 Abs. 3 BGB, Rn. 512). a) Eigenbedarf (Selbstbehalt) als Kontrollbetrag der Leistungsfähigkeit 518 Die Grenze für die Leistungsfähigkeit ist der Eigenbedarf, der dem Verpflichteten zum Bestreiten seines eigenen angemessenen Unterhaltsbedarfs zur Verfügung stehen muss. Der eigene angemessene Unterhalt i.S.v. § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, ist der eheangemessene Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 BGB.363 Der BGH hatte in seiner grundlegenden Entscheidung zu § 1581 BGB klargestellt, dass die Gleichsetzung des angemessenen Bedarfs in § 1581 BGB mit dem eheangemessenen Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 BGB am ehesten dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe der Ehegatten an dem gemeinsamen bedarfsbestimmenden Einkommen entspreche und dass der dem Verpflichteten zu belassende Teil nicht generell für alle Fälle gleich hoch sein kann. Gleichzeitig hatte er jedoch auch die Praxis der Obergerichte gebilligt,364 die Selbstbehaltsgrenzen durch Pauschalbeträge zur Vereinfachung festzulegen. Nachdem sich gezeigt hat, dass die Selbstbehaltsgrenze von den OLG in den Leitlinien in der Höhe sehr unterschiedlich bestimmt wurde, entweder durch feste Selbstbehaltssätze in unterschiedlicher Höhe oder abstrakt definiert wurde, hat der BGH mit Urteil v. 15.3.2006365 in Anlehnung an den Verwandtenunterhalt entschieden, dass eine Bestimmung des angemessenen Eigenbedarfs für den Regelfall durch Angabe eines bestimmten Betrages angezeigt sei und dazu die Maßstäbe vorgegeben (vgl. dazu auch Rn. 408).366 Der angemessene Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen soll danach im Regelfall nach § 1581 BGB mit einem etwa in der Mitte zwischen dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen 363 364 365 366
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Vgl. die Grundsatzentscheidung des BGH zu § 1581 BGB, FamRZ 1990, 260 ff. BGH, FamRZ 1990, 265. BGH, FamRZ 2006, 683 ff. BGH, FamRZ 2006, 683 ff. mit Anm. von Büttner, S. 765–766.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) und dem angemessenen Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 1 BGB liegen. Nach den Leitlinien liegt der angemessene Selbstbehalt beim Nacheheunterhalt seit 1.1.2008 nach dem Stand 1.1.2010 bundeseinheitlich im Regelfall bei 1 000 Euro.367 Diese Festlegung für den Regelfall heißt nicht, dass nicht Abweichungen bis zum notwendigen Selbstbehalt unter besonderen Voraussetzungen möglich sind, z.B. wenn der Berechtigte ähnlich hilflos und bedürftig ist wie ein minderjähriges Kind.368 Dazu bedarf es jedoch eines gezielten und substanziierten Sachvortrags. Maßgebend sind die individuellen Verhältnisse im Einzelfall, die im Rahmen der nachfolgend dargestellten Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB zu berücksichtigen sind. Da die Zahlungspflicht nur im Umfang der Leistungsfähigkeit besteht (§ 1581 519 BGB), ist immer eine Kontrollrechnung durchzuführen, ob dem Verpflichteten der eheangemessene Eigenbedarf verbleibt. Bei dieser Kontrollrechnung sind nun sämtliche, auch die nicht prägenden Einkünfte des Verpflichteten um alle Verbindlichkeiten einschließlich des ungedeckten Bedarfs des Berechtigten zu bereinigen. Der Abzug der Verbindlichkeiten erfolgt immer von dem bereinigten Einkommen des Verpflichteten, von dem nicht der Erwerbstätigenbonus abgezogen worden ist; denn der Erwerbstätigenbonus spielt nur eine Rolle für die Bedarfsbestimmung als Modifizierung des Halbteilungsgrundsatzes. Ergibt die Kontrollrechnung, dass dem Verpflichteten nicht sein Selbstbehalt verbleibt, handelt es sich um einen Mangelfall, und der Anspruch wandelt sich in einen Billigkeitsanspruch um, d.h., die Höhe des zu zahlenden Unterhalts muss nun nach einer umfassenden Billigkeitsabwägung bestimmt werden (§ 1581 BGB).369 Bei der Bemessung des Unterhalts nach Billigkeit sind die Bedürfnisse beider Eheleute nach individuellen Gesichtspunkten abzuwägen, wobei beim nachehelichen Unterhalt allerdings – anders als bei bestehender Ehe – dem Grundsatz der Eigenverantwortung eine größere Bedeutung zukommt. Ist der Verpflichtete nicht leistungsfähig, weil er nach der Scheidung leichtfertig Schulden gemacht hat oder weil er nicht arbeitet, obwohl er könnte, wird dies bei der Billigkeitsprüfung berücksichtigt mit dem Ergebnis, dass er zur Zahlung des errechneten ungedeckten Bedarfs verpflichtet bleibt. Denn eine absichtlich herbeigeführte Leistungsunfähigkeit muss der Berechtigte nicht hinnehmen. In den Fällen, in denen der Verpflichtete unverschuldet teilweise oder völlig leistungsunfähig ist, verringert sich der zu zahlende Unterhalt entsprechend, ggf. auf 0 Euro. Liegt der auszugleichende Bedarf des Unterhaltsberechtigten unter der sog. Bagatellgrenze von ca. 50 Euro, ist unter Berücksichtigung des Anspruchsgrundes und der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien zu prüfen, inwieweit eine Ausgleichspflicht noch angemessen ist.370 Vgl. dazu Rn. 463. 367 Zum aktuellen Stand s. jeweils Nr. 21.4 der LL. 368 So OLG Köln, FamRZ 2006, 1760; OLG Saarbrücken, FamRZ 2007, 1329; OLG Koblenz FamRZ 2007, 1330; ebenso Nr. 21.4 der LL des OLG Rostock und der Süddeutschen OLG. 369 BGH, FamRZ 1990, 260 ff. 370 OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 341 (100 DM = 51,13 Euro); OLG München, FamRZ 1997, 425; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
b) Mangelfallberechnung bei gleichberechtigten Unterhaltsansprüchen 520 Ergibt sich, dass der Verpflichtete mit seinem für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Geld nicht die Ansprüche aller Unterhaltsberechtigten erfüllen kann, liegt ein Mangelfall vor. Im Mangelfall sind die Rangverhältnisse unter den Unterhaltsverpflichtungen zu beachten (vgl. dazu Rn. 552); denn nur gleichrangige Ansprüche müssen gleichmäßig befriedigt werden (absoluter Mangelfall). Ist ein konkurrierender Anspruch vorrangig, ist er auch vorrangig zu befriedigen (einfacher Mangelfall). Da sich die Rangfolge der gesetzlichen Unterhaltsansprüche aufgrund der Unterhaltsrechtsreform mit Wirkung ab 1.1.2008 wesentlich geändert hat und dies auch die Mangelfallberechnung maßgeblich beeinflusst, ist bei einer notwendig werdenden Mangelfallberechnung danach zu differenzieren, ob sich die Berechnung auf Zeiträume bis zum 31.12.2007 und/oder ab 1.1.2008 bezieht: aa) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zum 31.12.2007 520a Ist nachehelicher Unterhalt für Zeiträume bis zum 31.12.2007 zu berechnen, sind i.d.R. die vorhandenen Mittel gleichmäßig zwischen minderjährigen Kindern, ihnen gleichgestellten volljährigen Schülern und Ehegatten zu verteilen, denn ihre Ansprüche waren bis zu diesem Zeitpunkt gleichrangig (§ 1609 BGB a.F., s. Rn. 422). Wie die Ansprüche im Mangelfall berechnet werden, wenn dem Verpflichteten gegenüber Kindern und geschiedenen Ehegatten ein unterschiedlich hoher Selbstbehalt zusteht, ist anhand einer zweistufigen Mangelfallberechnung im Berechnungsbeispiel unter Rn. 148 erklärt. bb) Mangelfallberechnung wegen Unterhalts ab 1.1.2008 520b Sind gleichrangige Ansprüche für die Zeit ab 1.1.2008 zu befriedigen ist eine Mangelfallberechnung unter Berücksichtigung des neuen Rechts vorzunehmen. Die Berechnung wird an Hand von Rechenbeispielen unter Rn. 414 ff. im Rahmen des Trennungsunterhalts erläutert. Dort ist behandelt, wie zu rechnen ist, wenn die Ansprüche eines geschiedenen Ehegatten und eines getrenntlebenden Ehegatten gleichrangig sind und nicht in voller Höhe befriedigt werden können (Rn. 416–418). Besonderheiten ergeben sich für die Mangelfallberechnung, wenn der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte wieder verheiratet ist und mit einem Ehegatten zusammenlebt, der ebenfalls unterhaltsbedürftig ist. Der Unterhaltsbedarf der Berechtigen wird auch in dem Fall durch Dreiteilung ermittelt, denn nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH sind nachehelich erstmals aufgrund Wiederverheiratung oder Geburt eines Kindes entstandene Unterhaltspflichten, schon auf der Bedarfsebene einkommensmindernd zu berücksichtigen (s. dazu Rn. 502, 503b). Im Mangelfall ist der Kindesunterhalt vorab in Höhe des Mindestunterhalts vom Einkommen des Verpflichteten wegen des Vorrangs abzuziehen371 und anschließend der Bedarf durch Dreiteilung des gesamten zur Verfügung stehenden Einkommens zu berechnen. Ist der mit dem Verpflichteten zusammenlebende Ehegatte nicht erwerbstätig und erzielt keine Einkünfte, ist er für die Bedarfsberechnung aus Gründen der Gleichbehandlung der geschiedenen und der bestehenden Ehe jedoch so zu behandeln, als stünde ihm, genau wie dem geschiedenen Ehegatten, ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zu. Dies hat zur 371 BGH, FamRZ 2008, 2189, Tz. 29; BGH, Urt. v. 2.6.2010 – XII ZR 160/08, Tz. 20.
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IV. Die Berechnung des Unterhalts
Folge, dass ihm ein fiktives erzielbares Einkommen zuzurechnen ist, wenn von ihm gem. §§ 1570 ff. BGB eine Erwerbstätigkeit zu erwarten wäre.372 Reichen die Einkünfte des Verpflichteten nicht aus, um den so ermittelten Bedarf zu befriedigen, sind die vorhandenen Mittel anteilig auf die Berechtigten unter Wahrung des Eigenbedarfs des Verpflichteten zu verteilen. Bisher ist vom BGH noch nicht entschieden, wie die Anteile an den vorhandenen Mitteln für die gleichrangig berechtigten alten und neuen Ehegatten zu berechnen sind. Im nachfolgenden Beispiel werden die 2 praktizierten Berechnungsvarianten vorgestellt: Zunächst wird der individuelle Bedarf durch Dreiteilung des Gesamteinkommens errechnet (s. Rn. 520c), der dann in der Variante 1 auch als Einsatzbetrag für die Berechnung der anteiligen Kürzung verwendet wird (Rn. 520d). In der Variante 2 werden anstelle der individuellen Bedarfsbeträge für die Berechnung der Kürzung als Einsatzbeträge pauschale Bedarfsbeträge – hier entsprechend der Empfehlung der Nr. 23.2 Süddeutschen LL373 – in Höhe von 1 000 Euro für den geschiedenen Ehegatten und 800 Euro für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten verwendet. (Rn. 520e). 520c
Beispiel M hat ein um berufsbedingte Aufwendungen, Kindesunterhalt und Erwerbstätigenbonus bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 2 000 Euro, seine nach 25 jähriger Ehe geschiedene Ehefrau F1 erzielt wegen Krankheit kein Einkommen und verlangt Unterhalt; seine mit ihm zusammenlebende Ehefrau F2 hat keine Einkünfte und betreut das gemeinsame 6-jährige Kind. Die Bedarfsberechnung erfolgt durch Dreiteilung, wobei aufseiten der F2 ein fiktives Einkommen von 400 Euro aus Teilzeitbeschäftigung einzustellen ist, da sie insoweit erwerbstätig sein könnte. F1 und F2 sind (§ 1609 Nr. 2 BGB) gleichrangig zu befriedigen. Es ergeben sich für F1 und F2 folgende Bedarfsbeträge: Einkommen M zuzüglich F1 kein eigenes Einkommen zuzüglich F2 fiktives Einkommen bedarfsbestimmendes Gesamteinkommen individueller Bedarf bei Dreiteilung Bedarf F1 Bedarf F2 abzügl. fiktives Einkommen Summe des Bedarfs von F1 und F2 Da M 1 000 Euro zustehen, beträgt die Verteilungsmasse für F1 und F2
2 000 0 400 2 400 800 800 400 1 200 1 000
Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro Euro
Variante 1: Die Einsatzbeträge entsprechen den errechneten individuellen Bedarfsbeträgen, die anteilig entsprechend dem Verhältnis der Verteilungssumme zum Gesamtbedarf nach der Formel gekürzt werden:
520d
Individueller Bedarf × Verteilungsmasse / Summe des Gesamtbedarfs F1 800 × 1 000 / 1 200 = F2 400 × 1 000 / 1 200 = Summe
667 Euro 333 Euro 1 000 Euro
520e
Variante 2: Zur Klärung der anteiligen Kürzung werden in der nachfolgenden Berechnung am Beispiel der Empfehlungen der Nr. 23.2 der Süddeutschen Leitlinien pauschale Bedarfsbeträge für F1 372 BGH, FamRZ 2010, 111, 115 Anm. von Herrler, S. 117; kritisch dazu Born, NJW 2010, 641 ff.; Graba, FamFR 2010, 53 ff. 373 Nr. 23.2 der LL, Stand 1.1.2010 = FPR 2010, 54.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten in Höhe von 1 000 Euro und für F2 in Höhe von 800 Euro eingesetzt.374 Da F2 im Haushalt mit M lebt, ist ihr Bedarf wegen der Kostenersparnis der gemeinsamen Haushaltsführung mit M nur mit 800 Euro angesetzt. Da sie fiktiv über Erwerbseinkommen verfügt, ist dieses bereinigt und abzüglich eines Erwerbstätigenbonus von dem pauschalen Bedarf abzuziehen. Die anteilige Kürzung erfolgt dann nach der Formel: Einsatzbetrag × Verteilungsmasse / Summe der Einsatzbeträge Pauschale F1 1 000 Pauschale F2 800 abzügl fiktives Einkommen 400 = Summe der Einsatzbeträge Einsatzbetrag × Verteilungsmasse / Summe der Einsatzbeträge F1 1 000 × 1 000 / 1 400 = F2 400 × 1 000 / 1 400 = Summe
1 000 Euro 400 Euro 1 400 Euro 714 Euro 286 Euro 1 000 Euro
V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB) 521 Liegt kein Mangelfall vor und hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach §§ 1570–1573 oder § 1576 BGB, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§ 1578 Abs. 3 BGB). Der Ehegatte, der ehebedingt an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, kann die ihm dadurch bei seiner Altersversorgung entstehenden Nachteile durch die freiwillige Einzahlung von Versicherungsbeiträgen bei privaten oder gesetzlichen Rentenversicherungsträgern ausgleichen und für diesen Zweck Unterhalt verlangen. Da die Gerichte im Unterhaltsprozess nicht von Amts wegen über den Vorsorgeunterhalt entscheiden, muss der Berechtigte selbst wissen, ob er Vorsorgeunterhalt beanspruchen will, und diesen immer ausdrücklich unter Angabe des Betrags beantragen.375 Der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und wird, wenn der Verpflichtete zur Zahlung des errechneten Elementarunterhalts leistungsfähig ist, zusätzlich geschuldet. Der Anspruch kann erstmals mit dem Trennungsunterhalt ab Beginn des Monats, in dem der Scheidungsantrag rechtshängig wird, bis zur Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht werden. Beim nachehelichen Unterhalt ist der Vorsorgeunterhalt – ausgenommen beim Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 i.V.m. § 1578 Abs. 3 BGB – immer unselbständiger Teil eines einheitlichen Lebensbedarfs und kann für die Zeit nach der Scheidung bzw. den unterschiedlichen Einsatzzeitpunkten der Anspruchsnorm entsprechend bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte über eigene Einkünfte verfügt und nur ergänzenden Unterhalt z.B. in der Form des Aufstockungsunterhalts geltend macht,376 denn sollten Einzahlungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich sein, kann die Alterssicherung in anderer Form erfolgen.377 Die Wahl trifft der Unterhaltsberechtigte. Verwendet er den Vorsorgeunterhalt in vorwerfbarer Weise nicht bestimmungsgemäß, kann der Verpflichtete verlangen, dass er die ihm obliegende 374 S. Nr. 23.2 der Süddeutschen LL. Von anderen OLG werden abweichende Einsatzbeträge vorgeschlagen, bei denen stärker differenzeit wird zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Ehegatten, so z.B. das OLG Köln. 375 BGH, FamRZ 1985, 690; 1983, 152, 154; 1983, 886, 887 ff. 376 BGH, FamRZ 1982, 255 ff. bei Einkünften aus Teilzeitbeschäftigung. 377 BGH FamRZ 1988, 145, 151.
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V. Vorsorgeunterhalt für den Fall des Alters, der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit
Leistung direkt an den Versicherungsträger erbringen kann. Die Darlegungs- und Beweislast für eine pflichtwidrige Verwendung des Geldes trifft den Verpflichteten. Bezieht der Berechtigte vor der Altersgrenze eine Erwerbsunfähigkeitsrente, kann er ebenfalls Altersvorsorgeunterhalt geltend machen.378 Einkünfte des Berechtigten, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen und ihrer Art nach selbst als Altersvorsorge geeignet sind (z.B. ein Wohnvorteil beim Wohnen im Eigenheim), sind bedarfsdeckend bei der Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts zu berücksichtigen.379 Einkünfte aus einer sozialversicherungsfreien Tätigkeit hingegen werden nicht bedarfsdeckend bei der Berechnung des Vorsorgeunterhalts in Ansatz gebracht, um auch für diese Beträge eine Versorgung zu errechnen.380 Tritt der Rentenfall ein und hat der Berechtigte den Vorsorgeunterhalt nicht oder nur teilweise zweckbestimmt angelegt, wird ihm nur bei vorwerfbarer pflichtwidriger Verwendung fiktiv eine Rente bedarfsmindernd anzurechnen sein.381 Die Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit der Verwendung sind streng, denn der Berechtigte darf zum Einen über Art und Weise der Vorsorge selbst entscheiden und zum Anderen ist der Elementarunterhalt gegenüber dem Vorsorgeunterhalt vorrangig zu befriedigen. Aus der Vorrangigkeit des Elementarunterhalts folgt, dass dem Berechtigten bei sich verschlechternden Einkommensverhältnissen zuzugestehen ist, dass er aus den vorhandenen Mitteln einschließlich dem an sich zweckgebundenen Vorsorgeunterhalt zunächst seinen Mindestbedarf bestreitet. Nach Auffassung des BGH ist bei verschuldeter Bedürftigkeit eine Kürzung des Unterhalts deshalb nur nach den strengeren Maßstäben des § 1579 Nr. 4 BGB möglich, weil sich ein Rückgriff auf allgemeine Grundsätze der Zurechnung fiktiver Einkünfte nach § 242 BGB dann verbiete, wenn das Gesetz – wie hier – eine spezielle Regelung vorsieht.382 Bei Anwendung dieses strengeren Maßstabs kommt eine Kürzung des Unterhaltsanspruchs nur bei unterhaltsbezogenem mutwilligem Verhalten in Betracht (Rn. 539).383 Die nachfolgende Darstellung der Berechnung des Vorsorgeunterhalts folgt der 522 BGH-Rechtsprechung384: Ausgangswert für die Berechnung des Vorsorgeunterhalts ist der Elementar- bzw. Quotenunterhalt. Dieser wird wie unter Rn. 510 dargestellt errechnet. Immer wenn Vorsorgeunterhalt verlangt werden soll, handelt es sich beim Elementarunterhalt nur um einen vorläufigen Wert, der nach Ermittlung des Vorsorgeunterhalts noch einmal berechnet werden muss. Dieser vorläufige Elementarunterhalt wird mithilfe der Bremer Tabelle385 zu einem fiktiven Bruttoeinkommen hochgerechnet, für das dann der Beitrag für die Rentenversicherung fest378 BGH, FamRZ 2000, 351, 354. 379 BGH, FamRZ 2000, 351, 355 zur Berücksichtigung des Wohnvorteils beim Vorsorgeunterhalt. 380 BGH, FamRZ 1999, 372, 374. 381 Renten, die mit Mitteln des Vorsorgeunterhalts erworben wurden, werden bei der Unterhaltsberechnung nur mit der Anrechnungsmethode auf der Bedürftigkeitsebene berücksichtigt, so BGH, FamRZ 2003, 848, 852. Zur Begründung vgl. Rn. 484. 382 BGH, FamRZ 1987, 684, 686 zu § 1579 Nr. 3 BGB a.F., der § 1579 Nr. 4 BGB entspricht. 383 BGH, FamRZ 1987, 684; a.A. Weychardt, FamRZ 1987, 1130 m.w.N.; Graba in Johannsen/Henrich, § 1578 Rn. 45. 384 BGH, FamRZ 1999, 372; 1981, 442, 444, 445; 1983, 888 ff.; 1985, 471 ff. 385 Bremer Tabelle, Stand 1.1.2006 in FamRZ 2006, 167; Stand 1.1.2007 in FamRZ 2007, 255; Stand 1.1.2008 in FamRZ 2008, 328; Stand 1.1.2009 in FamRZ 2009, 283; Stand 1.1.2010 in FamRZ 2010, 260.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gestellt werden kann. Die Bremer Tabelle, die wegen häufiger Veränderungen der Steuersätze und Sozialabgaben ständig aktualisiert wird, gibt für Elementarunterhaltsbeträge, die zzt. bis 12 635 Euro386 gestaffelt sind, die prozentualen Zuschläge an, die zur Bestimmung des fiktiven Bruttoeinkommens erforderlich sind. Das so ermittelte fiktive Bruttoeinkommen ist dann Bemessungsgrundlage für den geschuldeten Rentenversicherungsbeitrag, den Vorsorgeunterhalt. Der Beitragssatz für die Rentenversicherung betrug vom 1.1.2003–31.12.2006 19,5 %, seit 1.1.2007 liegt er bei 19,9 %. Da der Vorsorgeunterhalt für den Verpflichteten eine weitere finanzielle Belastung ist, die er dem Berechtigten einkommensmindernd entgegenhalten kann, wird der Elementarunterhalt nach Abzug des Vorsorgeunterhalts vom Nettoeinkommen des Verpflichteten noch einmal abschließend berechnet. Bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen ist die zweistufige Berechnung nicht erforderlich.387 Beispiel Berechnung des vorläufigen Elementarunterhalts Bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten V 2 000 Euro. Der Berechtigte hat kein Einkommen. 6/ 7 davon = 1 714 Euro : 2 (oder 3/ 7 von 2 000 Euro) = 857 Euro vorläufiger Elementarbedarf des Berechtigten.
Hochgerechnetes Bruttoeinkommen 857 Euro + 120 Euro (14 % von 857 Euro) = 977 Euro. Davon 19,9 % Beitragssatz für die Rentenversicherung Vorsorgeunterhalt = gerundet 194 Euro. Berechnung des endgültigen Elementarunterhalts Bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten 2 000 Euro – 194 Euro Vorsorgeunterhalt = 1 806 Euro. Davon 6/ 7 = 1 548 Euro : 2 = 774 Euro endgültiger Elementarunterhalt. Der Selbstbehalt des Verpflichteten, der mit 1 000 Euro angesetzt wird, ist gewahrt: 2 000 Euro – 194 Euro – 774 Euro = 1 032 Euro. Ist der Selbstbehalt nicht gewahrt, hat der Elementarunterhalt Vorrang vor dem Vorsorgeunterhalt.388 Bereinigtes Einkommen des Verpflichteten 1 500 Euro. Zugunsten des Berechtigten besteht ein Elementarunterhaltsbedarf von 643 Euro (1 500 Euro × 3/ 7). Da V diesen nicht befriedigen kann, weil sonst sein Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, besteht kein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt. Der Verpflichtete muss nur einen gekürzten Elementarunterhalt i.H.v. 500 Euro zahlen (1 500 Euro – 1 000 Euro).
523 Hilfreich und vereinfachend für diesen Rechenvorgang ist die tabellarische Übersicht auf der Grundlage der Bremer Tabelle von Gutdeutsch,389 die dem Benutzer mehrere Rechenoperationen abnimmt: Ist der Differenzbetrag zwischen den Einkommen der Ehegatten bekannt, lässt sich aus der Tabelle der vorläufige Quotenunterhalt, der Vorsorgeunterhalt und der endgültige Quotenunterhalt ablesen.
" Praxishinweis: Da der Vorsorgeunterhalt Teil eines einheitlichen Unter-
haltsanspruchs ist, muss vor der Einleitung eines Unterhaltsstreitverfahren immer mit geprüft werden, ob auch Vorsorgeunterhalt verlangt werden soll. Denn wird im Verfahren der volle Unterhalt beantragt und vergessen, den
386 387 388 389
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Stand 1.1.2010 in FamRZ 2010, 260. BGH, FamRZ 1988, 1145, 1148. BGH, FamRZ 1981, 442, 445; 1990, 1095, 1097. Gutdeutsch, FamRZ 2010, 260 und in Anhang O. III. in diesem Band.
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VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit
Vorsorgeunterhalt mit geltend zu machen, kann er später nicht im Wege der Abänderungsklage ergänzend verlangt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn die Voraussetzungen für eine Abänderung des Titels aus einem anderen Grund vorliegen.390 Soweit Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit ab Rechtskraft der Scheidung für die Zeit ab 1.1.2008 verlangt wird, ist dies möglich von dem Zeitpunkt an, zu dem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (§ 1613 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1585b Abs. 2 BGB). Dabei bedarf es keines gesonderten Hinweises in dem Auskunftsverlangen, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, denn der Vorsorgeunterhalt ist Teil des allgemeinen Lebensbedarfs (so explizit geregelt in § 1578 Abs. 2 und 3 BGB).391 Die Voraussetzungen zur Geltendmachung rückständigen Unterhalts nach § 1613 Abs. 1 BGB finden seit Inkrafttreten des UÄndG seit 1.1.2008 gemäß § 1585b Abs. 2 BGB auch beim nachehelichen Unterhalt entsprechender Anwendung. Allerdings muss der Unterhaltsberechtigte, nachdem die Auskunft erteilt wurde, den Vorsorgeunterhalt gesondert beziffern und im Unterhaltsverfahren ausdrücklich geltend machen.392 Zu beachten ist bei der rückwirkenden Geltendmachung die Zeitschranke des § 1585b Abs. 3 BGB, d.h. für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Vorsorgeunterhalt nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat, vgl. Rn. 550. Vorsorgeunterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 Soweit rückständiger Vorsorgeunterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen des § 1585b Abs. 2 BGB a.F. zu beachten: Danach kann Unterhalt für die Vergangenheit nur verlangt werden ab Inverzugsetzung und ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs, dies jeweils nur vom Tag des Zugangs der Mahnung beziehungsweise der Zustellung der Klageschrift an, s. Rn. 550b. Für die Geltendmachung von Vorsorgeunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts gilt diese Einschränkung nicht (Rn. 421).
VI. Vorsorgeunterhalt wegen Krankheit (§ 1578 Abs. 2 BGB) Mit Rechtskraft der Scheidung erlischt i.d.R. der Familienversicherungsschutz. 524 Geht der Unterhaltsberechtigte keiner Erwerbstätigkeit nach, muss er sich selbst versichern.393 War er während der Ehe in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichert, ist er nach der Scheidung zum Beitritt berechtigt. Der Beitritt ist innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten ab Eintritt der Rechtskraft der Scheidung zu beantragen (§ 9 Abs. 2 SGB V). War der Berechtigte mit einem Beamten verheiratet, entfällt mit Rechtskraft der Scheidung die Beihilfeberechtigung. Bei einer be390 BGH, FamRZ 1985, 690. 391 BGH, FamRZ 2007, 193,196 mit Anm. von Borth, S. 196–197, zur Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt im Rahmen des Trennungsunterhalts. 392 BGH, FamRZ 1983, 152, 154; FamRZ 1983, 886, 887 ff. S. dazu auch Borth, FPR 2008, 86. 393 Zur Beratungspflicht des Anwalts über die sozialrechtlichen Auswirkungen von Trennung und Scheidung Conradis, FPR 2009, 4355 ff.; Zu den Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf den Kranken-und Pflegeversicherungsschutz Theurer, FPR 2009, 438 ff.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
stehenden privaten Vollversicherung ändert die Scheidung i.d.R. nichts. Die Beiträge erhöhen sich jedoch für den geschiedenen Ehegatten wegen Wegfalls der Beihilfe. Der Wechsel in die günstigere gesetzliche Krankenkasse setzt eine versicherungspflichtige Tätigkeit voraus. Besteht kein Anspruch auf Beitritt in die gesetzliche Krankenkasse, muss die höhere private Versicherung in Kauf genommen werden. Besteht eine Wahlmöglichkeit muss immer die kostengünstigste Version gewählt werden, der Berechtigte hat aber Anspruch auf einen Versicherungsschutz, der dem zum Zeitpunkt der Ehe bestehenden gleichwertig ist.394 Der Krankenvorsorgeunterhalt wird ermittelt durch Anwendung des Beitragssatzes der jeweiligen Krankenkasse auf den Elementarunterhalt. Da die Beitragssätze schwanken, müssen sie bei den Krankenkassen abgefragt werden. Genau wie beim Altersvorsorgeunterhalt verringert sich der Elementarunterhalt, wenn Krankenkassenbeiträge als Bedarf geltend gemacht werden; denn der Verpflichtete kann diese Beiträge, die er dem Berechtigten zahlen muss, vor der endgültigen Berechnung des Elementarunterhalts zunächst von seinem eigenen Einkommen abziehen.395 Es besteht jedoch kein Vorrang des laufenden Unterhalts, weil die Versicherung gegen Krankheit ein wichtiger Teil des gegenwärtigen Lebensbedarfs ist.396 Beispiel Das bereinigte Einkommen des Verpflichteten beträgt 2 000 Euro. Der Berechtigte hat kein Einkommen. Elementarunterhalt 2 000 Euro × 6/ 7 : 2 (oder × 3/ 7) = 857 Euro. Beitragssatz Krankenversicherung 14,9 % = 128 Euro. Endgültiger Anspruch 2 000 Euro – 128 Euro = 1 872 Euro × 6/ 7 = 1 605 Euro : 2 = 802 Euro. Der Berechtigte erhält 802 Euro Elementarunterhalt und 128 Euro Krankenkassenbeitrag. Anders als beim Altersvorsorgeunterhalt gibt es im Mangelfall keinen Vorrang für den Elementarunterhalt, weil die Krankenvorsorge mit der allgemeinen Bedarfsdeckung gleichwertig ist.
Krankenvorsorgeunterhalt kann für die Vergangenheit ab 1.1.2008 unter den gleichen Voraussetzungen wie der Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht werden (§ 1613 Abs. 1 i.V.m. § 1585b Abs. 2 BGB, vergleiche dazu Rn. 523. Auch hier gilt, dass die Zeitschranke des § 1585b Abs. 3 BGB zu beachten ist, d.h., für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Vorsorgeunterhalt nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat (Rn. 550). Krankenvorsorgeunterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 Soweit rückständiger Krankenvorsorgeunterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen des § 1585b Abs. 2 BGB a.F. zu beachten: Danach kann Unterhalt für die Vergangenheit nur verlangt werden ab Inverzugsetzung und ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs, dies jeweils nur vom Tag des Zugangs der Mahnung beziehungsweise der Zustellung der Klageschrift an, vgl. insoweit die Ausführungen unter Rn. 550b. 394 BGH, FamRZ 1989, 483, 484. 395 Vgl. dazu in FamRZ 1989, 483, 484 mit einem vom BGH gebilligten Rechenbeispiel für Altersvorsorgeunterhalt, in dem auch der Krankenvorsorgeunterhalt vorab abgezogen wird. 396 BGH, FamRZ 1989, 483, 485.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (§ 1578b BGB) Alle nachehelichen Unterhaltsansprüche können vom eheangemessenen Le- 525 bensbedarf auf den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten herabgesetzt und/oder zeitlich begrenzt werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre (§ 1578b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB). Voraussetzung der Anwendbarkeit beider Rechtsfolgevarianten, die auch miteinander kombiniert werden können (§ 1578b Abs. 3 BGB) ist, dass eine lebenslange, unbeschränkte Unterhaltsgewährung den Verpflichteten unter Berücksichtigung der ihm verbleibenden Mittel in seiner Lebensführung so stark beeinträchtigen würde, dass dies unter Wahrung der Belange des Unterhaltsberechtigten unbillig wäre. Im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsprüfung ist deshalb über das „ob und wie“ der Unterhaltsbeschränkung zu entscheiden. Das Gesetz hebt als Prüfungskriterium der Belange des Berechtigten hervor, „inwieweit (für ihn) durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB). 1. Rechtspolitisches Ziel des seit 1.1.2008 geltenden § 1578b BGB § 1578b BGB ist mit dem UÄndG zum 1.1.2008 in Kraft getreten und erweitert 525a die schon vor der Reform nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bestehende Möglichkeit, nacheheliche Unterhaltsansprüche aus Billigkeitsgründen zu beschränken. Bis zum 31.12.2007 konnten zwar alle nachehelichen Unterhaltsansprüche nach § 1578 Abs. 1 S.2 BGB a.F. vom eheangemessenen Bedarf auf den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten herabgesetzt werden, eine zeitliche Begrenzung der Ansprüche selbst war jedoch nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nur für die Ansprüche auf Aufstockung und bei Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1–4 BGB möglich. Dies ist durch § 1578b BGB geändert, nunmehr besteht die Möglichkeit, alle nachehelichen Unterhaltsansprüche auch zeitlich zu befristen. Diese Neuregelung ist neben den verschärften Anforderungen an die Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2 BGB) und der geänderten Rangfolge der Unterhaltsansprüche (§ 1609 BGB) ein weiterer Baustein in dem Gesamtkonzept des UÄndG vom 21.12.2007397, das darauf abzielt, den Grundsatz der nachehelichen Solidarität stärker einzuschränken und die Anforderungen an den Unterhaltsberechtigten, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt zu sorgen, zu verschärfen, um dem Trend zur Ehe auf Zeit Rechnung zu tragen und die Rechte der Zweitfamilien gegenüber der Erstfamilie zu stärken.398
397 BGBl. I 2007, S. 3189 ff. 398 BT-Drucks. 16/1830, S.12. Vgl. aus der rechtspolitischen Diskussion zum RegE des UÄndG u.a. Schwab, FamRZ 2005, 1417 ff.; Reinken, FPR 2005, 502 ff.; Borth, FamRZ 2006, 814; Viefhues/Mleczko, S. 57–59; Ehinger/Rasch, FamRB 2007, 46 ff.; 2007, 78 ff.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Die Ausweitung der zeitlichen Befristung auf alle nachehelichen Unterhaltsansprüche soll jedoch die fortwirkende nacheheliche Solidarität des Unterhaltspflichtigen für die Nachteile, die der geschiedene Ehegatte aufgrund der in der Ehe praktizierten Arbeitsteilung (Berufstätigkeit, Haushaltsarbeit, Kindererziehung) erlitten hat, im Grundsatz nicht in Frage stellen. Denn für die Prüfung der ehebedingten Nachteile gilt wie schon bisher: Je stärker die Nachteile sind, die der geschiedene Ehegatte in seiner Erwerbsfähigkeit durch die ehebedingte Aufgabenteilung erlitten hat, desto weniger ist die nachwirkende Verantwortung des Unterhaltspflichtigen einschränkbar. Je geringer diese Nachteile sind, desto höher werden die Anforderungen an den Unterhaltsberechtigten, eigenverantwortlich für seinen eigenen Unterhalt aufzukommen beziehungsweise alles ihm Mögliche zu tun, um in seiner Erwerbsfähigkeit von Unterhaltsleistungen unabhängig zu werden.399 Die Neuregelung wirkt sich besonders gravierend auf Unterhaltsansprüche aus, bei denen der Grund für die Bedürftigkeit nicht ehebedingt ist, wie dies z.B. bei den Ansprüchen wegen Alters (§ 1571 BGB), Krankheit (§ 1572 BGB) oder Arbeitslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB). Denn diese Ansprüche sind nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt, sondern auch Ausdruck der nachwirkenden ehelichen Solidarität. Es hat auch der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, der die Ehe erst im Rentenalter geschlossen hat (§ 1571 BGB, vgl. das Beispiel Rn. 446), der schon vor der Eheschließung erkrankt war (§ 1572 BGB, vgl. Rn. 448, 449) oder erst nach der Scheidung arbeitslos geworden ist (§ 1573 Abs. 1 BGB, vgl. Rn. 457). Bei diesen Ansprüchen stellt sich die Frage der Unbilligkeit einer lebenslangen Unterhaltspflicht mit besonderem Nachdruck, denn der Unterhaltspflichtige soll nicht mit einer lebenslangen Unterhaltspflicht belastet werden, die ihre innere Rechtfertigung nicht mehr in dem Ausgleich ehebedingter Nachteile hat. Mit der zeitlichen Befristung kann verhindert werden, dass der Unterhaltspflichtige z.B. das allein konjunkturell bedingte Arbeitsplatzrisiko des geschiedenen Ehepartners mittragen oder dessen lebenslange Teilhabe am ehelichen Lebensstandard mitfinanzieren muss, wenn ihn für die Bedürftigkeit keine Mitverantwortung trifft. In diesen Fällen kommt der Dauer der Ehe ein besonderes Gewicht zu.
" Praxishinweis: Sind nacheheliche Unterhaltsansprüche im Streit, die sich
auch auf die Zeit vor dem 1.1.2008 beziehen, sind die unterschiedlichen Beschränkungsmöglichkeiten nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage zu beachten (Rn. 436a). Soll die zeitliche Befristung von tituliertem Aufstockungsunterhalt (Alttitel) wegen Fehlens ehebedingter Nachteile im Hinblick auf die seit 1.1.2008 geänderte Rechtslage in einem Abänderungsverfahren beantragt werden, ist im Hinblick auf die Übergangsregelung zur Abänderbarkeit von Alttiteln in § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO darauf zu achten, wann genau der Titel geschaffen wurde. Denn die Befristung von Aufstockungsunterhalt wegen fehlender ehebedingter Nachteile war auch bei Ehen von langer Dauer schon seit der Entscheidung des BGH vom 12.4.2006400 möglich. S. zu den Voraussetzungen der Abänderung von Alttiteln Rn. 972 ff., 977).
399 BT-Drucks. 16/1830, S. 17 = RegE, S. 30. Vgl. die Grundsätze zur Einschränkbarkeit des § 1573 Abs. 5 BGB in BGH, FamRZ 1986, 886, 888 nach altem Recht, die nunmehr auf alle nachehelichen Unterhaltstatbestände anwendbar sind. 400 BGH, FamRZ 2006, 1106 ff.; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 38 = FamRZ 2010, 629, Tz. 38.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
2. Grundsätze der Billigkeitsprüfung Ob ein Unterhaltsanspruch wegen Unbilligkeit vom eheangemessenen auf den 525b angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und/oder zeitlich zu begrenzen ist, ist auf der Grundlage einer umfassenden Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, der Abwägung der Interessen beider Parteien und eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes (Kinderschutzklausel) zu entscheiden. Unbilligkeit liegt vor, wenn die andauernden Unterhaltszahlungen den Verpflichteten unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und der ihm verbleibenden Mittel besonders belasten und in seiner Lebensführung so stark einschränken würden, dass diese Belastung auch unter Berücksichtigung des Anspruchsgrundes und der Belange des Berechtigten an der Aufrechterhaltung seines nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Lebensstandards nicht mehr angemessen ist.401 Ein besonderes Gewicht für die Billigkeitsabwägung hat der Gesichtspunkt, ob der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat, die ihn daran hindern, eigenverantwortlich für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Denn je mehr die Bedürftigkeit des Berechtigten auf ehebedingten Nachteilen beruht, desto weniger kommt eine Beschränkung in Betracht.402 Ebenso gilt im Umkehrschluss, je geringer die ehebedingten Nachteile sind, desto eher kommt eine Beschränkung des Anspruchs in Betracht403 und ist eine Begrenzung der fortwirkenden nachehelichen Solidarität des Verpflichteten geboten. Dabei ergeben sich ehebedingte Nachteile für die Erwerbsfähigkeit des Berechtigten nach § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB typischer Weise – aufgrund der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, – aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, – sowie aus der Dauer der Ehe. Es können aber auch andere Gründe ursächlich sein, denn die Aufzählung im Gesetz ist nur beispielhaft. Sind ehebedingte Nachteile für den Berechtigten nicht kompensierbar, stellen sie regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des Unterhalts dar, eine Befristung kommt dann nicht in Betracht.404 Sind ehebedingte Nachteile nicht feststellbar oder aber kompensierbar, sind für die Entscheidung über die Herabsetzung oder Bemessung der Befristung insbesondere folgende Kriterien für die Billigkeitsabwägung maßgeblich: – das Alter; – die Gesundheit (jeweils auch im Verhältnis zur Dauer der Ehe); – die individuelle Erwerbsfähigkeit; – Dauer der Berufsunterbrechung; 401 Vgl. zur Definition der Unbilligkeit auch Palandt/Brudermüller, § 1578b BGB Rn. 4. 402 BGH, FamRZ 2006, 1006 f. und § 1573 Abs. 5 BGB a.F. m. Anm. von Born, S. 1008; BGH, FamRZ 1986, 886, 888 zu § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. 403 BGH, FamRZ 2007, 793; Brudermüller, FamRZ 1998, 649, 659; BT-Drucks. 16/1830, S. 18, 19 = RegE, S. 18. 404 BGH, FamRZ 2009, 1990, 1991, Tz. 13; Borth, UÄndG, S. 116; BGH, FamRZ 2006, 1006, 1007 zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. mit Anm. von Born, S. 1008.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
– Klärung der Zeiträume, die der Berechtigte benötigt, um ehebedingten Nachteile auszugleichen (z.B. durch Aus- und Fortbildung; Arbeitsmarktchancen); – Möglichkeiten des Berechtigten, die Reduzierung oder den Verlust des Unterhalts auszugleichen; – die durch die Ehe erlangten Vorteile des Unterhaltspflichtigen; – die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien. Ein weiterer Gesichtspunkt ist bei der Abwägung zu beachten, nämlich der Stellenwert der Anspruchsgrundlage im System der Unterhaltsansprüche.405 Dabei kommt den Ansprüchen wegen Kindesbetreuung, Krankheit und Alters (§§ 1570–1572 BGB) eine besonders wichtige Schutzfunktion für die Absicherung des Unterhaltsberechtigten zu.406 Keine Rolle spielen für die Billigkeitsprüfung i.d.R. Eheverfehlungen oder sonstige Gründe, die Anlass für die Scheidung der Ehe waren. Diese können zwar ebenfalls zu einer Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts führen, jedoch nur unter den engen Voraussetzungen der spezielleren Regelung des § 1579 BGB, die nur bei grober Unbilligkeit unterhaltsrechtliche Sanktionen vorsieht (vgl. dazu Rn. 532 ff.).407 525c Bei jeder Entscheidung über eine Kürzung oder Befristung des Unterhalts sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung grundsätzlich auch die Belange eines vom Unterhaltsberechtigten betreuten gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen (sog. Kinderschutzklausel). Eine Herabsetzung des Nacheheunterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten oder eine Befristung darf nicht dazu führen, dass das Niveau des Unterhalts für den betreuenden Elternteil und des Kindes unverhältnismäßig auseinanderfällt.408 Bei der Bemessung der Dauer des Betreuungsunterhaltsanspruchs sind vorrangig die in § 1570 BGB geregelten Maßstäbe und dort vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeiten zu beachten (Rn. 439 ff.).409 Einer gesonderten Entscheidung nach § 1578b BGB bedarf es deshalb insoweit nicht.410 3. Klärung ehebedingter Nachteile a) Ehebedingte Nachteile wegen Zeiten der Kindesbetreuung, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit 525d Die Klärung der ehebedingten Nachteile spielt vor allem eine Rolle für den Anschlussunterhalt411 nach Beendigung der Kindesbetreuung, also wenn Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alters oder als Aufstockungsunterhalt verlangt wird. Ob die Zeiten der Kindesbetreuung ursächlich sind für das Einkommensgefälle der geschiedenen Ehegatten, lässt sich nur anhand der Erwerbsbiografie des Unterhaltsberechtigten und seiner Beschäftigungschancen auf dem Ar405 BT-Drucks. 16/1830, S. 33. 406 BGH, FamRZ 2004, 601 ff., s. Rn. 549 zu den Kriterien der Wirksamkeitskontrolle von Unterhaltsverträgen. 407 BGH, FamRZ 1987, 572, 575; 1986, 886, 888; BT-Drucks. 16/1830, S. 19, 20. 408 BT-Drucks. 16/1830 S. 19 = RegE. S. 31. 409 Schwab, FamRZ 2005, 1415, 1419; Borth, UÄndG, S. 119. 410 BGH, FamRZ 2009, 770, 774; Triebs, FPR 2008, 31, 34. 411 Zur Bedeutung des Stamm- und Anschlussunterhalts vgl. Rn. 433 ff.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
beitsmarkt unter Berücksichtigung seines Alters, seiner beruflichen Vorbildung und Gesundheitszustandes klären. Beispiele – F hat während der Ehe als Lehrerin halbtags gearbeitet und das Kind betreut. Nach Scheidung der 5-jährigen Ehe steht ihr Unterhalt wegen Kindesbetreuung sowie Aufstockungsunterhalt zu. Entfällt später der Anspruch wegen Kindesbetreuung, kann der Aufstockungsunterhalt nach einer Übergangszeit entfallen, denn F kann problemlos ihre Arbeitszeit erweitern und hat auch sonst keine fortwirkenden beruflichen Nachteile wegen der Kindesbetreuung im Beruf erlitten.412 – F betreut nach der Scheidung 3 gemeinsame Kinder, ist in Teilzeit erwerbstätig und erhält Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt gemäß §§ 1570, 1573 Abs. 2 BGB. Nach Beendigung der Betreuung ist sie 55 Jahre alt und findet keine Ganztagsbeschäftigung, die ihr zumutbar wäre. Ihr steht als Anschlussunterhalt ein Anspruch wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 1573 Abs. 1 BGB sowie ein Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu. Eine Befristung der Ansprüche entspräche nicht der Billigkeit im Hinblick auf die lange Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen der Kinderbetreuung und den eingeschränkten Möglichkeiten, in ihrem Alter wieder vollschichtig erwerbstätig zu sein. Eine Herabsetzung auf ihren angemessenen Lebensbedarf hängt davon ab, ob sie in ihrem erlernten Beruf tätig sein kann und in der beruflichen Entwicklung durch die eheliche Rollenverteilung keine Nachteile hat. Ohne Nachteile käme eine Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf i.H. eines aus einer Vollzeitbeschäftigung erzielbaren Einkommens in Betracht. – F ist ausgebildete Gymnasiallehrerin, arbeitete bei der Heirat als Cheftexterin erfolgreich und folgte ihrem Mann nach Brüssel, wo er neben seiner beruflichen Tätigkeit noch studierte und Karriere machte. Sie betreute das gemeinsame Kind und übte in der Zeit eine untergeordnete Tätigkeit im Büro aus. Nach 11 Jahren erfolgte die Trennung, nach 14 Jahren die Scheidung. F erzielt in Deutschland als Lehrerin ein deutlich niedrigeres Einkommen als vor dem Wechsel nach Brüssel als Cheftexterin. Sie hat zunächst einen auf 4 Jahre befristeten Aufstockungsunterhaltsanspruch nach dem eheangemessenen Bedarf, der anschließend unbefristet auf den angemessenen Bedarf nach dem Einkommen einer Cheftexterin herabgesetzt wird.413
Ehebedingte Nachteile können beim Krankheits- oder Altersunterhalt auch darin bestehen, dass durch die Rollenverteilung in der Ehe keine ausreichende Versorgung für den Fall der Krankheit oder des Alters besteht und die Erwerbsminderungs- bzw. Altersrente auch unter Einbeziehung der Versorgungausgleichsbeträge infolge der Ehe- und Kindererziehung geringer ist, als sie ohne Ehe gewesen wäre.414 Ehebedingte Nachteile können sich aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehezeit ergeben, ohne dass der Unterhaltsberechtigte gemeinsame Kinder zu betreuen hatte. So steht der Ehefrau, die auf eine eigene Karriere verzichtet hat, um ihrem beruflich erfolgreichen Ehemann „den Rücken freizuhalten“ gleichermaßen ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zu wie der Ehefrau, die auf eine Beförderung verzichtet hat, um ihre Schwiegereltern zu pflegen. Gleiches gilt, wenn eine Erwerbstätigkeit aufgrund eines berufsbedingten Auslandsaufenthaltes des Ehepartners oder wegen der Betreuung nicht gemeinsamer Kinder aufgegeben wird oder eigene berufliche Entwicklungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden, um dem anderen eine qualifizierte Berufsausbildung zu finanzieren. 412 BGH, FamRZ 1990, 492 ff. 413 BGH, FamRZ 2009, 1900 ff. mit Anm. v. Viefhues, S. 1993. 414 BGH, FamRZ 2009, 1207, 1210, Tz. 36; s. Rn. 453b zu § 1572 BGB, Rn. 447a zu § 1571 BGB.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Kein ehebedingter Nachteil liegt vor, wenn das Einkommensgefälle zwischen den Einkommen der Ehegatten auf das unterschiedliche Qualifikationsniveau ihrer erlernten Berufe zurückzuführen ist und der Unterhaltsberechtigte in der Ehe nicht gehindert war, sich in seinem Beruf weiter zu qualifizieren.415 Dies gilt selbst dann, wenn die Ehe von langer Dauer war.416 Beispiel F war während der Ehe und ist nach der Scheidung der 10-jährigen Ehe in ihrem erlernten Beruf als Friseuse tätig. Ihr steht aufgrund des höheren Einkommens des M als Ingenieur ein Aufstockungsunterhaltsanspruch (§ 1573 Abs. 2 BGB) zu. Dieser ist befristbar, weil das niedrigere Einkommen der F nicht auf einen ehebedingten Nachteil, sondern auf ihren geringer qualifizierten Beruf zurückzuführen ist.
b) Ehebedingte Nachteile wegen der Dauer der Ehe 525e Die Anforderungen an die nacheheliche Solidarität wachsen mit zunehmender Dauer der Ehe und sind besonders hoch, wenn die Ehe von langer Dauer war. Denn in der Regel ist davon auszugehen, dass sich mit zunehmender Ehedauer die wirtschaftliche Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten verfestigt hat.417 Insoweit kommt der Ehedauer aber nur eine Indizwirkung zu.418Je stärker die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind und je geringer die Chancen des Berechtigten sind, eigenverantwortlich für einen angemessenen Unterhalt zu sorgen, desto mehr fällt seine Interessenlage bei der Billigkeitsabwägung ins Gewicht, wobei immer auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten zu beachten sind. Umgekehrt wird bei einer Ehe, die nicht lang war, der Anspruch regelmäßig zu befristen sein ggf. mit einer vorgezogenen Herabsetzung des Bedarfs, es sei denn fortwirkende ehebedingte Nachteile in den Erwerbsmöglichkeiten sprechen dagegen.419 In einem solchen Fall kommt noch nicht einmal bei einer Ehedauer von nur 2 Jahren eine Beschränkung nach der Härteklausel des § 1579 Nr. 1 BGB in Betracht (vgl. Rn. 535a mit Beispiel). Für die Berechnung der Dauer der Ehe ist abzustellen auf die Zeit zwischen Eheschließung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.420 Eine klare Bestimmung dafür, wann aufgrund der Dauer der Ehe eine Befristung/Herabsetzung ausgeschlossen ist, hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Eine solche Regelung ist auch nicht erforderlich, denn selbst eine Ehe von langer Dauer, was bei ca. 15 Jahren der Fall ist, führt nicht zwingend zu einer Benachteiligung des Berechtigten, so dass dem Tatbestandsmerkmal „Dauer der Ehe“ lediglich eine Indizwirkung für eine Benachteiligung beizumessen ist.421 415 BGH, FamRZ 2006, 1006 f. mit Anm. von Born, S. 1008–1010; KG, FamRZ 1992, 948 zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. 416 So schon BGH, FamRZ 2006, 1006 ff. zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. m. Anm. von Born, S. 1008; BGH, FamRZ 2007, 200, 203; 2007, 793, 799; 2007, 1232, 1236. 417 BGH, FamRZ 1990, 857 m.w.N.; 1986, 886, 888. 418 BHG, FamRZ 2009, 406, 408, Tz. 35; FamRZ 2008, 1325, 1328. 419 BGH, FamRZ 1982, 894, 895 zum Begriff der kurzen Dauer der Ehe. Borth, UÄndG, S. 116. 420 BGH, FamRZ 1986, 886, 888; vgl. auch die Ausführungen zu § 1579 Nr. 1 BGB unter Rn. 535. 421 BGH, FamRZ 2007, 200, 203 m. Anm. von Büttner, S. 204; BGH, FamRZ, 2007, 793, 800 m. Anm. von Büttner, S. 800 f. (13 Jahre Ehe, 2 Kinder); FamRZ 2007, 1006 m. Anm. von Born, S. 1008 f. (keine Kinder, 16 Jahre Ehe); FamRZ 2007, 1232, 1236 m. Anm. von Maurer, S. 1236 f. (20 Jahre Ehe, 2 Kinder, Krankheit).
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
4. Beschränkung des Unterhalts aus anderen Billigkeitsgründen Beruht die Unterhaltsbedürftigkeit darauf, dass der Ehegatte – ohne ehebedingte 525f Nachteile erlitten zu haben – aus Altersgründen (§ 1571 BGB), wegen Krankheit (§ 1572 BGB), Arbeitslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) oder wegen eines geringeren Einkommens (§ 1573 Abs. 2 BGB), nicht oder nur eingeschränkt für seinen den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechenden angemessenen Unterhaltsbedarf selbst aufkommen kann, ist auch in diesen Fällen unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob Maß und Dauer des Unterhalts der Billigkeit entsprechen. Kriterien der Billigkeitsprüfung sind dann u.a. Dauer der Ehe, Alter, Berufschancen, Gesundheit und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten. Eine fortdauernde Verantwortung für den geschiedenen Ehegatten wird in diesen Fällen in besonderem Maße von der Dauer der Ehe und dem daraus erwachsenen Vertrauen in den Bestand der wirtschaftlichen Situation abhängen.422 Auch spielt eine Rolle, ob der Berechtigte noch in absehbarer Zeit aus eigener Kraft für seinen Unterhalt wird sorgen können und ob es ihm aufgrund seiner Gesundheit und seines Alters noch zumutbar ist, sich auf einen niedrigeren Lebensstandard einzustellen. Beispiel – F (25 Jahre) leidet an multipler Sklerose und heiratet M (30 Jahre) im Jahr 2000. Sie wird in 2003 erwerbsunfähig. Die Trennung erfolgt in 2005, die Ehe wird 2007 geschieden. Der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit nach § 1572 Nr. 1 BGB könnte bei einer Ehedauer von knapp 7 Jahren je nach Umständen des Einzelfalls zunächst z.B. nach 3 Jahren auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt (§ 1578b Abs. 1 BGB) und die Zahldauer insgesamt auf 5 Jahre befristet werden (§ 1578b Abs. 2 BGB). Letztlich sind für die Bemessung der Frist die individuellen Verhältnisse ausschlaggebend. – F (53 Jahre) heiratete mit 16 Jahren. Sie betreute in der Ehe 4 gemeinsame Kinder. Die Ehe wurde nach 26 Jahren geschieden. F ist krebskrank und hat ein bereinigtes Einkommen aus Erwerbsunfähigkeitsrente und geringen Hinzuverdient von 1 050 Euro, M verdient 2 600 Euro. F hat einen unbefristeten und auch nicht herabsetzbaren Anspruch wegen Krankheit, der im Hinblick auf die Dauer der Ehe, ihren Einsatz für die Betreuung und Erziehung der Kinder während der Ehe unter Verzicht auf eine Berufsausbildung nicht nach § 1578b BGB zu beschränken ist.423
5. Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts als Rechtsfolgen Beide Maßnahmen setzen nach ihrem Sinn und Zweck voraus, dass zunächst der 526 volle, eheangemessene Unterhalt gezahlt wird, denn sie stellen eine Ausnahmeregelung zum gesetzlich geschuldeten Unterhalt dar.424 Wird der Anspruch zeitlich befristet, erlischt er nach Ablauf der Frist. Anschlussunterhaltsansprüche ergeben sich danach nicht mehr. Nach § 1578b Abs. 3 BGB können die Herabsetzung und Befristung miteinander verbunden werden, so dass der Anspruch auf Zahlung des vollen Unterhalts nach einer Übergangsfrist z.B. auf den angemessenen Bedarf des Berechtigten befristet oder unbefristet herabgesetzt werden kann. S. dazu das Beispiel unter Rn. 464b.
422 BGH, FamRZ 2009, 406, 409, Tz. 37. 423 BGH, FamRZ 2009, 1207, 1210, Tz. 39 ff. 424 Wie hier Palandt/Brudermüller, § 1578b BGB Rn. 15; a.A. Schwab, FamRZ 2005, 1417, 1419 und Büttner, FamRZ 2007, 773, 774, die von einer Herabsetzbarkeit ab Rechtskraft der Scheidung ausgehen.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
a) Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 BGB 526a Die Herabsetzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf hat zur Folge, dass der Unterhaltsbedarf nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1578 Abs. 1 BGB zu bemessen ist, sondern nach dem angemessenen Lebenszuschnitt des Unterhaltsberechtigten, den dieser vor der Eheschließung hatte und den er jetzt ohne die Ehe und Kindererziehung hätte. D.h., seine vorehelichen Lebensverhältnisse werden als Bemessungsmaßstab unter Berücksichtigung zu schätzender, zwischenzeitlich eingetretener Gehaltssteigerungen und Entwicklungen bei normalem Verlauf fortgeschrieben.425 Dabei differenziert der BGH für die Bestimmung des angemessenen Lebensbedarfs wie folgt:426 – Der Unterhaltsberechtigte ist erwerbsfähig: Maßgebend für die Bemessung des angemessenen Lebensbedarfs des Unterhaltsberechtigten ist das Einkommen, das er ohne die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Ehe oder die Kindererziehung erzielen könnte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handelt, der das Existenzminimum wenigstens erreicht.427 – Der Unterhaltsberechtigte ist Rentner: Der angemessene Lebensbedarf wird bestimmt durch das Renteneinkommen aus einer solchen Erwerbstätigkeit, die er ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Ehe oder die Kindererziehung hätte erzielen können, soweit diese über die tatsächliche Rente nach durchgeführtem Versorgungsausgleich hinausgeht.428 – Beim Krankheitsunterhalt ist abzustellen auf das Einkommen, das der kranke Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte. Denn wenn er ohne die Ehe zu keiner Erwerbstätigkeit in der Lage wäre, kann nicht auf ein fiktives Einkommen abgestellt werden, das ein gesunder Unterhaltsberechtigter erzielen könnte. Aus dem Begriff des „angemessenen“ Bedarfs nach § 1578b Abs. 1 BGB folgt zugleich, dass der herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten, das dem eines nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen von zzt. 770 Euro entspricht, erreichen muss.429 – Ist die Krankheit nicht ehebedingt, ergibt sich der angemessene Lebensbedarf bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit aus der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei auch hier von der tatsächlichen Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs auszugehen ist. Nur wenn diese Einkünfte darunter liegen, bildet das Existenzminimum die unterste Grenze des angemessenen Lebensbedarfs.430 425 BGH, FamRZ 1986, 886 ff.; OLG München, FamRZ 2003, 1110 zu § 1578 Abs. 1 BGB a.F. 426 BGH, FamRZ 2009,1990,1991, Tz. 14; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 629 ff. und BGH, Urt. v. 14.4.2010 – XII ZR 89/08, FamRZ 2010, 869 ff. 427 BGH, FamRZ 2009, 1990, 1991, Tz. 14 ff. m. Anm. v. Viefhus, S. 1993 f. 428 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 29, FamRZ 2010, 629, 632, Tz. 29; 2009, 1207, Tz. 36, 41. 429 BGH, FamRZ 2010, 869, Tz. 46; 2010, 629, Tz. 31 ff. 430 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 32 ff., FamRZ 2010, 629, 632, Tz. 32.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
Ist der Unterhaltsberechtigte noch teilweise erwerbsfähig ist, kann daneben auf Einbußen als ehebedingten Nachteil abgestellt werden. Aus dem Begriff der Angemessenheit in § 1578b Abs. 1 BGB folgt zugleich, dass der herabgesetzte Bedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss.431 Dabei darf das zu wahrende Existenzminimum mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen, wie er in den Leitlinien unter Nr.21.2 geregelt ist, pauschaliert werden.432 Das entspricht zzt. bei einem erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten einem Betrag von 900 Euro, bei einem nichterwerbstätigen Unterhaltsberechtigten 770 Euro. Der Anwendung des notwendigen Selbstbehaltssatzes als unterste Grenze des angemessenen Bedarfs des geschiedenen Ehegatten steht nach Auffassung des BGH nicht entgegen, dass der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nach den Leitlinien höher liegt. Denn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten dürfe nicht mit dem entsprechenden Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen gleichgesetzt werden.433 Eine Anpassung der Nr. 15.7 der Leitlinien an diese Rechtsprechung ist zu erwarten. Die Herabsetzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf kommt erst nach Ablauf einer Übergangsfrist in Betracht, in der der Berechtigte Gelegenheit hat, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen.434 Können ehebedingte Nachteile, z.B. in der beruflichen Qualifizierung, nicht in einer absehbaren Frist von dem Berechtigten ausgeglichen werden, kommt eine Herabsetzung i.d.R. nicht in Betracht. Sind sie ausgleichbar, ist die Frist für den Berechtigten unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten zu schätzen. Hat der Ehegatte keinen ehebedingten Nachteil, z.B. in seiner beruflichen Qualifizierung, erlitten und sich sein Lebensstandard nur durch die Eheschließung verbessert, wird es i.d.R. angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit wieder einen Lebensstandard zuzumuten, den er aufgrund seiner eigenen beruflichen Tätigkeit erreichen kann (s. dazu das Beispiel unter Rn. 462).435 Die Dauer der Übergangsfristen ist im Gesetz nicht geregelt. Häufig wird die Dauer der Ehe ein Anhaltspunkt für die Bemessung der Übergangsfrist sein. Maßgeblich ist jedoch keine schematische Orientierung an der Dauer der Ehe.436 Darauf abzustellen ist, innerhalb welchen Zeitraums von dem Berechtigten die Umstellung auf die neue Lebenssituation zu erwarten ist und ab wann ehebedingte berufliche Nachteile kompensiert werden können. Je älter der Unterhaltsbedürftige ist, desto weniger zumutbar wird die Umstellung auf den niedrigeren Lebensstandard sein.437 Wird auch Vorsorgeunterhalt gezahlt, kann nach Ablauf der Übergangsfrist die Be431 FamRZ 2009, 1990, 1991, Tz. 14. 432 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08 Tz. 32 ff., FamRZ 2010, 629. Anders noch vor der Entscheidung des BGH und für einen angemessenen Eigenbedarf v. 1 100 Euro: OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526, 527; OLG Koblenz, FamRZ 2009, 1750, 1751 (Az. der Revision XII ZR 7/09). 433 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, Tz. 32 ff., FamRZ 2010, 629, Tz. 32 ff. unter Hinweis auf die Senatsurteile v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08, FamRZ 2010, 357 ff. (zu § 1615l BGB), und Urt. v. 17.12.2008 – XII ZR 9/07, FamRZ 2009, 411, Tz. 30 f. (Dreiteilung). 434 BGH, FamRZ 1986, 886, 889 zu § 1578 BGB a.F. mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zur BT-Drucks. 10/2888, S. 18, 19. 435 BGH, FamRZ 2007, 200, 203. 436 BGH, FamRZ 2008, 1508, 1511, m. Anm. v. Borth, S. 1511. 437 BGH, FamRZ 2006, 1006, 1008.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
schränkung auf eine weniger teure Krankenversicherung oder der Wegfall des Altersvorsorgeunterhalts gerechtfertigt sein, wenn dies den Verhältnissen vor der Eheschließung entspricht.438 b) Zeitliche Begrenzung des Anspruchs 526b Das Gesetz gibt für die zeitliche Begrenzung des Unterhalts keinen konkreten Maßstab vor, insbesondere ist keine schematische Begrenzung entsprechend der Anzahl der Ehejahre vorgesehen.439 Obwohl dies in der Praxis häufig zur Vereinfachung so gehandhabt wird, muss nach dem Gesetz letztlich die individuelle Billigkeitsabwägung für die Bemessung der Frist ausschlaggebend sein, bei der die konkreten Interessen des Unterhaltsberechtigten und des Verpflichteten gegeneinander abzuwägen sind.440 Es ist deshalb in jedem Einzelfall eine Prognose darüber erforderlich, ob ehebedingte Nachteile überhaupt für den Berechtigten kompensierbar sind und wenn ja, innerhalb welchen Zeitraums es dem Berechtigten unter Berücksichtigung seines Alters, seiner Qualifikation und der Arbeitsmarktlage möglich sein wird, wieder eigenverantwortlich für seinen Unterhalt aufzukommen. Anhaltspunkte können dafür z.B. sein, wann der Berechtigte nach einer beruflichen Ausbildung oder Qualifizierung wieder im Beruf Fuß gefasst haben wird oder sich sein neu gegründetes Unternehmen konsolidiert haben kann. Für die Fristbemessung ist die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten mit zu berücksichtigen, insbesondere, in welchem Maße der zu zahlende Unterhalt oder sonstige Schulden ihn in seiner Lebensgestaltung einschränken.441 Im Übrigen spielen für die Einschätzung, von welchem Zeitpunkt an es für den Berechtigten zumutbar ist, ohne Alimentierung des eheangemessenen bzw. des eigenen angemessenen Lebensbedarfs zurechtzukommen, sein Alter, seine Gesundheit, die Dauer der Ehe und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten eine Rolle. Beispiel M war 7 Jahre mit der 55-jährigen F, die während der Ehe nicht und vor der Eheschließung als Aushilfsverkäuferin und Putzfrau mit einem Verdienst von 800 Euro tätig war, verheiratet. F steht ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit zu. Für ca. 3 Jahre muss M Unterhalt zahlen, bemessen nach den ehelichen Lebensverhältnissen, d.h. bei seinem Einkommen i.H.v. 2 500 Euro ein Unterhalt i.H.v. 1 072 Euro (3/ 7-Quote). Danach steht ihr bei fortdauernder, nicht ehebedingter Krankheit nicht ein Bedarf i.H. ihres früher erzielten Einkommens zu, sondern das Einkommen, das sie im Falle einer Erkrankung ohne die Ehe zur Verfügung hätte.442 Das entspricht vorliegend dem notwendigen Eigenbedarf für Nichterwerbstätige. Der Unterhalt könnte insgesamt auf höchstens bis zu 5 Jahre befristet werden.
6. Darlegungs- und Beweislast 527 Die Darlegungs- und Beweislast für die Anordnung einer Herabsetzung/Befristung liegt grundsätzlich beim Unterhaltsverpflichteten, der die für ihn günstige Ausnahmeregelung der Beschränkung des Unterhalts gem. § 1578b BGB geltend 438 BGH, FamRZ 1989, 483. 439 BGH, FamRZ 2008, 1509, 1511. 440 BGH, FamRZ 2008, 1509, 1511; 2009, 206, 408; 1986, 886, 888; 1996, 1272; so auch die h.M. in der Literatur, vgl. z.B. Wendl/Pauling, § 4 Rn. 581, 591 ff.; Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Rn. 1073b. 441 BGH, FamRZ 2007,200, 204 mit Anm. von Büttner. 442 BGH, FamRZ 2010, 629, Tz. 29.
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VII. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit
machen will. Er hat deshalb die Gründe für die Anwendung von § 1578b BGB, die zu seinen Gunsten für eine Herabsetzung und/oder Befristung sprechen, darzulegen und diese im Falle des Bestreitens durch den Gegner zu beweisen. Zu der Darlegungslast des Verpflichteten ergeben sich allerdings nach der Rechtsprechung des BGH Besonderheiten, wenn er eine Beschränkung des Unterhalts erreichen will, weil der Berechtigte keine ehebedingten Nachteile erlitten hat.443 Da er insoweit für das Vorliegen negativer Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist, die den persönlichen Bereich des Gegners betreffen, geht der BGH zwar davon aus, dass der Unterhaltspflichtige zunächst konkret darzulegen hat, aus welchen Gründen keine ehebedingten Nachteile vorliegen. Der Berechtigte darf sich dann jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, vielmehr geht die subjektive Darlegungslast (oder auch subjektive Behauptungslast) auf ihn über und er muss seinerseits – will er die Beschränkung abwehren – substantiiert bestreiten, d.h. vortragen, aus welchen Gründen ehebedingte Nachteile vorliegen. Tut er dies nicht, gilt der Vortrag des Verpflichteten als zugestanden.444 Mit der Verlagerung der subjektiven Darlegungslast auf die nicht beweisbelastete Partei geht nicht gleichzeitig auch die Beweislast auf sie über, vielmehr bleibt es bei der sich aus dem materiellen Recht ergebenden Beweislastverteilung.445 Hat also der Verpflichtete konkrete Gründe dargelegt, wie z.B. die Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des Bedürftigen in seinem erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf, bei dem es sich i.d.R. um eine angemessene Erwerbstätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB handelt, dann spricht dies nach der Rechtsprechung des BGH gegen das Vorliegen ehebedingter Nachteile.446 Will sich der Unterhaltsberechtigte dagegen verteidigen, obliegt es nunmehr ihm, substantiiert darzulegen, dass er ehebedingte Nachteile in seiner beruflichen Entwicklung gehabt hat und diese fortwirken. Gelingt ihm insoweit ein schlüssiger Vortrag, ist es wiederum Sache des Verpflichteten, diesen zu widerlegen und ggf. den Beweis dafür zu erbringen. Die Darlegungslast bleibt jedoch von vornherein beim Verpflichteten, wenn die tatsächlich erzielten oder erzielbaren Einkünfte des Berechtigten hinter dem Einkommen aus der früher ausgeübten Erwerbstätigkeit zurückbleiben.447 Obwohl die objektive Beweislastverteilung durch die Rechtsprechung des BGH nicht verändert ist, führt schon die Verlagerung der subjektiven Darlegungslast zu einer Verlagerung des Verfahrensrisikos zuungunsten des Berechtigten.448 Denn nunmehr ist es an ihm, dem Gericht eine fiktive berufliche Entwicklung plausibel darzulegen, die er ohne Rücksicht auf familiäre Belange und ohne Einkommensnachteile genommen hätte, obwohl meist beide Ehegatten in der Ver443 BGH, FamRZ 2010, 875 Tz. 20 ff., mit Anm. v. Finke S. 878 f.; Wendl/Dose, § 6 Rn. 721 ff. 444 Zöller/Greger, § 138 ZPO, Rn. 8b; § 284 ZPO, Rn. 34 ff. m.w.N; BGH, NJW 2005, 2395, 2396 f; NJW 2008, 982, Tz. 16. 445 Der BGH hatte zunächst in den Urteilen vom 14.11.2007 – XII ZR 16/07 = FamRZ 2008, 134; v. 16.4.2008 – XII ZR 107/06 = FamRZ 2008, 1325; v. 14.10.2009 – XII ZR 146/08 = FamRZ 2009, 1990 die Auffassung vertreten, dass auch die Beweislast auf den Berechtigten übergeht. Dies hat er in FamRZ 2010, 875 Tz. 20 ff. (mit Anm. v. Finke, FamRZ 2010, 878 f.) korrigiert. 446 BGH, FamRZ 2008, 1325, Tz. 41 f. 447 BGH, FamRZ 2009, 1990, Tz. 18. 448 Graba, FamRZ 2010, 1131, 1132 f.; FamFR 2010, 219, 220 f., verwendet für die Verlagerung der subjektiven Darlegungslast auch den Begriff der Verlagerung der subjektiven Beweislast.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gangenheit während des Zusammenlebens an den Entscheidungen beteiligt gewesen sein dürften. Oft dürften letztlich aber auch beide Ehegatten nach einer längeren Ehe Schwierigkeiten haben, Einzelheiten zu früheren, ehebedingt nicht wahrgenommenen beruflichen Entwicklungen vorzutragen, es sei denn, sie hätten früher in noch intakter Ehe darüber Buch geführt und Beweise gesammelt, was in guten Ehezeiten keiner tut. Unter Berücksichtigung dieser objektiven Schwierigkeiten wird bei den Anforderungen an die Plausibilität des Vortrags des Berechtigten zu bedenken sein, dass nur ein zumutbares substantiiertes Bestreiten erwartet werden kann.449 Finke empfiehlt deshalb, bei Zweifeln aufgrund der Beweislast des Pflichtigen zugunsten des Berechtigten zu entscheiden.450 Dafür spricht auch, dass nach der Gesetzessystematik der Nacheheunterhalt unbefristet besteht, die Beschränkung nach § 1578b BGB als Ausnahme geregelt ist.451
" Praxishinweis: Obwohl das Gericht von Amts wegen über die Rechtsfolgen
des § 1578b BGB zu entscheiden hat, wenn der Sachverhalt dies hergibt, kann sich der Anwalt nicht darauf verlassen, dass das Gericht von sich aus sämtliche relevanten Aspekte aus dem Parteienvortrag herausfiltert, insbesondere Kenntnisse aus Parallelverfahren verwertet, um über eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs zu befinden. Denn es gilt auch insoweit der Beibringungsgrundsatz, d.h., die Partei trägt die Verantwortung für den im Unterhaltsstreitverfahren vorgetragenen Sachverhalt; eine Amtsermittlung findet nicht statt. Wichtig ist deshalb, dass der für die Billigkeitsprüfung maßgebliche Sachverhalt mit dem Mandanten geklärt und dem Gericht vorgetragen wird. Bei Versäumnissen besteht im Hinblick auf die Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG (§ 323 Abs. 2 ZPO a.F.) ein erhebliches Haftungsrisiko: Da das Gericht schon im Ausgangsverfahren über die Befristung aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts von Amts wegen entscheiden muss, dürfen in einem späteren Abänderungsverfahren Tatsachen, die bereits im Ausgangsverfahren eine Befristung gerechtfertigt hätten und schon eingetreten oder zuverlässig vorauszusehen waren,452 nicht mehr mit Erfolg zur Begründung der Befristung geltend gemacht werden.453
Dass das Gericht die Voraussetzungen einer Befristung geprüft hat, muss sich – auch wenn keine Befristung ausgesprochen wird – aus den Beschlussgründen ergeben; denn für die Parteien ist dies wegen der Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG von erheblicher Bedeutung. Ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass eine Befristung „jedenfalls zzt. nicht“ für angemessen gehalten wurde454 oder eine Beurteilung wegen einer ungewissen Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse nicht möglich war, wird im Fall eines späteren Abänderungsverfahrens die Begründung einer Befristung wesentlich einfacher sein. Fehlt eine Begründung im Unterhaltsbeschluss, dürfen nur neue, nach der letzten mündlichen Verhandlung eingetretene Umstände in einem späteren Abänderungsverfahren berücksichtigt werden, was für den Verpflichteten eine umfassende Überprüfung alter und neuer Tatsachen zur Folge haben kann; denn er darf nur detailliert unter 449 Zöller/Greger, § 138 ZPO Rn. 8b. 450 Finke, FamRZ 2010, 878, 879 (Anm. zu BGH, FamRZ 2010, 875 ff.). 451 S. dazu Graba mit deutlicher Kritik an der Rechtsprechung des BGH, das Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten des Berechtigten umzukehren, FamRZ 2010, 1131, 1132 f. 452 BGH, FamRZ 2000, 1499 ff. m.w.N.; grundlegend FamRZ 1986, 886, 888. 453 Zur Präklusion s. Rn. 847 ff.; zum Haftungsrisiko und Risiken der Präkludierung Viefhues/Mleczko, S. 174 ff.; Borth, UÄndG, S. 176 ff. 454 OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 1416; Wendl/Pauling, § 4 Rn. 595b.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Beweisantritt die neuen Umstände vortragen, um eine Neubeurteilung zu erreichen (vgl. dazu die Ausführungen zum Abänderungsverfahren unter Rn. 833 ff., 847). Einstweilen frei.
528–531
VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 BGB) Der Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu befristen, 532 soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten – auch unter Wahrung der Belange eines gemeinschaftlichen Kindes – grob unbillig wäre (§ 1579 BGB). Durch die sog. Härteklausel ist in 8 gesetzlich geregelten Ausnahmefällen eine Korrektur des Unterhaltsanspruchs möglich, wenn insbesondere infolge eines vorwerfbaren Verhaltens des Berechtigten eine Unterhaltspflicht ihm gegenüber grob unbillig wäre, d.h. dem Gerechtigkeitsgefühl in unerträglicher Weise widerspräche. Die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen kann grob unbillig sein, weil 1. die Ehe von kurzer Dauer war, dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen konnte; 2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt;455 3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat; 4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat; 5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat; 6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat; 7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder 8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nr. 1–7 aufgeführten Gründe. Der Härtegrund der verfestigten Lebensgemeinschaft in Nr. 2 ist mit Inkrafttreten des UÄndG mit Wirkung ab 1.1.2008 als selbständiger Härtegrund neu eingeführt worden.456 Liegt einer der 8 Härtegründe vor, muss noch in zwei weiteren Schritten geprüft werden,
455 Der Härtegrund Nr. 2, der bis zum 31.12.2007 im Rahmen der Auffangklausel von § 1579 Nr. 7 BGB a.F. Berücksichtigung gefunden hat, ist mit Inkrafttreten des UÄndG mit Wirkung ab 1.1.2008 als selbständiger Härtegrund eingeführt worden. Dadurch ergibt sich eine Änderung der Nummerierung gegenüber der bis zum 31.12.2007 gültigen Gesetzesfassung. 456 S. zur bis zum 31.12.2007 geltenden Numerierung Rn. 548a.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
– ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wahrung der Belange eines gemeinschaftlichen Kindes, grob unbillig ist. Und wenn ja, – welche der Rechtsfolgen – Ausschluss, Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung – den unerträglichen Widerspruch zum Gerechtigkeitsempfinden beseitigt. Dabei können die Rechtsfolgen auch miteinander kombiniert werden. Ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf Zahlung von Unterhalt grob unbillig ist und die Grenze des Zumutbaren für ihn überschreitet, ist im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles zu klären. Bei der Abwägung sind u.a. zu berücksichtigen: – die wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Eheleute, – die Leistungen des Berechtigten für den anderen und für die Kinder während des Zusammenlebens, – eigenes Fehlverhalten des Verpflichteten, – die Dauer der Ehe und – die Schwere des Härtegrundes. Der Verpflichtete kann sich auf den Härtegrund nicht mehr berufen, wenn er dem Berechtigten ausdrücklich oder konkludent durch sein Verhalten zu verstehen gegeben hat, dass er ihm das Fehlverhalten verziehen hat.457 Dies setzt jedoch voraus, dass ihm das Vorliegen des Härtegrundes bekannt gewesen ist. So kann die Fortzahlung des Unterhalts zwar für ein Verzeihen sprechen, dies gilt aber dann nicht mehr, wenn die Fortzahlung aus anderen Gründen erfolgte, zum Beispiel, um sich einen finanziellen Vorteil zu erhalten.458 Beruft sich der Berechtigte auf Verzeihung, handelt es sich insoweit um eine einen selbständigen Gegeneinwand, der die anspruchshindernde Einwendung der Härteklausel zu Fall bringt.459 Für den rechtserhaltenden Gegeneinwand ist der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig. 533 Liegt ein Härtegrund vor und ist die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig, kann der Unterhalt versagt, herabgesetzt oder gekürzt werden. Für die Entscheidung über die anzuwendenden Rechtsfolgen, die miteinander kombiniert werden können, ist wiederum eine umfassende Abwägung der Interessen der geschiedenen Ehegatten vorzunehmen, nunmehr vor allem unter besonderer Berücksichtigung der Erwerbsfähigkeit des Berechtigten, seiner Gesundheit und seines Alters jeweils im Verhältnis zur Dauer der Ehe sowie der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten. Soweit noch auf die Belange eines betreuungsbedürftigen Kindes Rücksicht zu nehmen ist, kommt ein Ausschluss für die Dauer der Betreuungsbedürftigkeit nur ausnahmsweise, eher hingegen eine Herabsetzung des Bedarfs auf den Mindestbedarf in Höhe des kleinen Selbst457 Zur Verzeihung, vgl. u.a. OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1159; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1485; Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. I, Rn. 1174 m.w.N. 458 BGH, FamRZ 2004, 614 ff. kein Verzicht auf § 1579 Nr. 7 BGB a.F. bei Fortzahlung von Unterhalt an den in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Unterhaltsberechtigten, um eine Kürzung der Rente nach § 5 VAHRG zu vermeiden. 459 So auch Johannsen/Heinrich/Büttner, EheR, 5. Aufl., § 1579 Rn. 55, a.A. Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. I, Rn. 1171 ff.; der die Verzeihung bei der Abwägung über die Rechtsfolgen berücksichtigt; MünchKomm.BGB/Maurer, 5. Aufl., § 1579, Rn. 64. geht davon aus, dass durch die Verzeihung die grobe Unbilligkeit entfällt.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
behalts oder eine Befristung in Betracht, denn die Versorgung und Betreuung des Kindes hat Vorrang.460 Bezieht der Unterhaltsberechtigte Erziehungsgeld oder Elterngeld, kann dieses bei der Bedarfsbemessung ausnahmsweise als eigenes Einkommen mitberücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BErzGG, § 11 BEEG).461
" Praxishinweis: Im Prozess hat der Richter zwar von Amts wegen zu berück-
sichtigen, ob aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts ein Härtefall vorliegt, gleichwohl gilt der Beibringungsgrundsatz. Die Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen der rechtsvernichtenden Einwendung, aus denen sich die grobe Unbilligkeit ergibt, obliegt dem Verpflichteten.462 Will sich der Berechtigte dagegen verteidigen, ist es an ihm, die Behauptungen des Verpflichteten zu bestreiten. Er hat substantiiert zu bestreiten, soweit es sich um Tatsachen handelt, die zu seiner Privatsphäre gehören, denn insoweit obliegt ihm eine sekundäre Darlegungslast (nicht Beweislast, s. Rn. 527 m.w.N.). An das Vorliegen eines Anscheinsbeweises, der für den Vortrag des Verpflichteten spricht und den der Berechtigte durch Gegenbeweis widerlegen muss, sind strenge Anforderungen zu stellen.463 Es sollte immer der für die Billigkeitsabwägung erforderliche Sachverhalt betreffend die persönlichen Verhältnisse (wie Leistungen während des Zusammenlebens, wirtschaftliche Verhältnisse, ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit) vorgetragen werden, um dem Gericht eine fundierte Abwägung auch im Hinblick auf die Wahl der zur Verfügung stehenden Rechtsfolgen – Ausschluss, Herabsetzung, zeitliche Begrenzung – zu ermöglichen. Auch insoweit klärt das Gericht den Sachverhalt nicht von Amts wegen auf.
1. Kurze Ehedauer (Nr. 1) Der Härtegrund Nr. 1 liegt vor, wenn die Ehe von kurzer Dauer war und die In- 534 anspruchnahme des Verpflichteten infolge der kurzen Ehedauer grob unbillig ist. Die Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Härtegrundes vorliegen, erfolgt in zwei Stufen, nämlich erstens, ob die Ehe von kurzer Dauer war und zweitens, ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, denn aus der Kürze der Ehedauer folgt nicht zwingend die grobe Unbilligkeit der Unterhaltspflicht.464 Da im Gesetz nicht näher bestimmt ist, wann eine Ehe von kurzer Dauer ist, hat 535 sich in der Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass eine Ehedauer von bis zu zwei Jahren i.d.R. als kurz, eine Ehedauer von mehr als 3 Jahren nicht mehr als kurz zu beurteilen ist. Dabei bemisst sich die Ehedauer nicht nach der Dauer des Zusammenlebens der Ehegatten, sondern nach der Dauer des rechtlichen Ehebandes von der Zeit der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.465 So ist z.B. eine Ehe dann nicht mehr von kurzer Dauer, wenn sich die Ehegatten bereits fünf Monate nach der Heirat getrennt haben, der Schei460 BGH FamRZ 1989, 1279; 1987, 1238; 1997, 483. 461 OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 674; zur Nichtanrechenbarkeit des Erziehungsgeldes vgl. Rn. 481. 462 BGH, FamRZ 1982, 463; 1983, 670, 671 (zur Darlegungs- und Beweislast der Einseitigkeit des Fehlverhaltens); Zöller/Greger, vor § 284 ZPO Rn. 24 f. 463 BGH, FamRZ 1985, 267; zum Anscheinsbeweis: Zöller/Greger, vor § 284 ZPO Rn. 28 ff. 464 BGH, FamRZ 1982, 582; 1989, 483, 486. 465 BGH, FamRZ 1986, 886, 888; 1990, 492; 1995, 1405.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
dungsantrag aber erst vier Jahre nach der Heirat rechtshängig geworden ist. Unerheblich für die Bestimmung der Ehedauer ist ebenfalls, ob bereits in der Vergangenheit ein Scheidungsantrag gestellt oder später zurückgenommen wurde.466 Zeiten, „in denen der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann“ (§ 1579 Nr. 1, 2. Halbs. BGB), werden nicht bei der Klärung der Ehedauer, sondern erst bei der sich anschließenden Prüfung, ob und inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten wegen der kurzen Ehedauer grob unbillig ist, mit berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1.1.2008 durch Neufassung des zweiten Halbsatzes in § 1579 Nr. 1 BGB klargestellt, dass die Zeit der Kindesbetreuung nicht der Dauer der Ehe hinzuzurechnen ist. Mit dieser Gesetzeskorrektur wurde der Auffassung des BVerfG Rechnung getragen,467 nach der es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit möglich sein muss, auch den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, bei kurzer Ehedauer auszuschließen oder herabzusetzen. Die bisherige Gesetzesfassung hatte in der Vergangenheit bei der Auslegung Anlass zu Missverständnissen gegeben, indem die Zeit der Kinderbetreuung bei der Bestimmung der Ehedauer mitberücksichtigt wurde, so dass eine grobe Unbilligkeit im Fall der Kinderbetreuung schon deshalb i.d.R. nicht in Betracht kam. 535a Zweifelsfragen darüber, ob eine Ehedauer als kurz zu beurteilen ist, können sich ergeben, wenn die Ehedauer zwischen zwei und drei Jahren liegt oder sonstige Gründe eine Beurteilung als „kurz“ rechtfertigen. Insoweit kann als Beurteilungskriterium darauf abgestellt werden, ob die Ehegatten ihre Lebensführung bereits aufeinander eingestellt und in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel ausgerichtet haben.468 Denn es soll entsprechend der Zielsetzung des nachehelichen Unterhalts dann ein Ehegatte wirtschaftliche Mitverantwortung für den anderen Ehegatten nach der Scheidung übernehmen, wenn die Ursache für die wirtschaftliche Abhängigkeit des Bedürftigen in der gemeinsamen Lebensplanung der Ehegatten liegt. Nur wenn das Zusammenleben noch nicht zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit geführt hat, soll der Nacheheunterhalt – jedenfalls wenn keine gemeinsamen Kinder daraus hervorgegangen sind – beschränkt oder ausgeschlossen werden können, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. Beispiel F gab ihre Wohnung und Arbeit auf, traf folgenreiche vermögensrechtliche Dispositionen, um mit ihren Kindern aus früherer Ehe zum Wohnort ihres zukünftigen Mannes M zu ziehen. Zwischen Heirat mit M und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags liegen 2 Jahre und 11 Monate. Hier entfällt der Unterhaltsanspruch nicht wegen kurzer Dauer der Ehe, weil F ihre Lebenssituation im Hinblick auf die Heirat einschneidend geändert hatte.469
Letztlich hat die Streitfrage, ob eine Ehe, die länger als zwei Jahre gedauert hat, noch als „kurz“ im Sinne des Gesetzes zu beurteilen ist, an Bedeutung verloren, seitdem seit 1.1.2008 nach § 1578b BGB generell alle nachehelichen Unterhaltsansprüche wegen Unbilligkeit herabgesetzt und/oder befristet werden können. 466 BGH, FamRZ 1986, 886, 887. 467 Vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 20 = RegE S. 34; BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 537/87, MDR 1989, 1073; BVerfGE 80, 286 = FamRZ 1989, 941 = NJW 1989, 2807 f. 468 BGH, FamRZ 1982, 582; 1986, 886, 887. 469 So BGH, FamRZ 1986, 886, 888.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Ist die Ehe von kurzer Dauer und ein gemeinsames, betreuungsbedürftiges Kind vorhanden, ist zu überprüfen, ob auch unter Wahrung der Belange des Kindes eine Zahlungspflicht grob unbillig wäre.470 Der Ausschluss von Betreuungsunterhalt wird nur ausnahmsweise gerechtfertigt sein, denn die Belange des Kindes sind vorrangig und seine Betreuung muss gewährleistet sein. Hingegen kann die Haftung für weitergehenden Anschlussunterhalt wegen Krankheit oder Aufstockungsunterhalt, wenn es nie zu einer gemeinsamen Lebensplanung gekommen ist, grob unbillig sein. Ob eine Kürzung vom eheangemessenen auf den angemessenen Lebensbedarf des Berechtigten oder seinen notwendigen Eigenbedarf bzw. eine Befristung des Betreuungsunterhalts und/oder Ausschluss von Anschlussunterhalt gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Liegt ein Härtegrund nach § 1579 BGB vor, ist die Anwendung von § 1578b BGB ausgeschlossen. Liegt kein Härtegrund vor, kann gleichwohl eine Herabsetzung oder Begrenzung nach § 1578, § 1578b Abs. 2 und 3 BGB in Betracht kommen, vgl. dazu Rn. 525 ff. Beide Vorschriften sind jedoch nicht zusammen anwendbar. Beispiel F gibt mit der Heirat ihren gut dotierten Job auf, um in dem Geschäft ihres Mannes mitzuarbeiten. Die Ehe wird nach 2 Jahren geschieden. F hat Schwierigkeiten, eine neue, gleich gut dotierte Anstellung zu finden wie vor der Eheschließung. Hier liegt kein Härtegrund nach § 1579 Nr. 1 BGB vor, denn es ist nicht grob unbillig, dass M Unterhalt zu zahlen hat, weil F im Hinblick auf die Eheschließung ihre Arbeit aufgegeben hat. Ihr Anspruch kann aber nach einer Übergangszeit herabgesetzt und die Dauer der Zahlungspflicht nach § 1578b Abs. 1 und 2 BGB befristet werden.
Der Härtegrund Nr. 1 findet keine Anwendung auf den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB. 2. Verfestigte Lebensgemeinschaft (Nr. 2) Die verfestigte Lebensgemeinschaft ist seit 1.1.2008 ein selbständiger Härte- 535b grund. Er erfasst die Fallgruppe der verfestigten sozialen, eheähnlichen Verbindung, die von der Rechtsprechung zuvor zur Auffangklausel des § 1579 Nr. 7 BGB a.F. (entspricht § 1579 Nr. 8 BGB) entwickelt471 und vom Gesetzgeber aufgrund der Häufigkeit der Fälle zum selbständigen Härtegrund aufgewertet wurde. Aufgrund der Einfügung dieses neuen Härtegrundes unter § 1579 Nr. 2 BGB ergibt sich gegenüber dem bis zu 31.12.2007 geltenden § 1579 BGB a.F. eine Verschiebung der Reihenfolge der Härtegründe, so dass die bisherigen Härtegründe Nr. 2–7 jetzt mit Nr. 3–8 BGB in § 1579 BGB beziffert sind. Wann eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. Maßgeblich ist nach der Gesetzesbegründung, die auf die bisherige Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. verweist, dass aufgrund objektiver, nach außen tretender Umstände feststellbar sein muss, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft besteht. Auf ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten kommt es nicht an, denn die geschiedenen Partner sind sich nicht mehr zur Treue verpflichtet. Kriterien, die für eine verfestigte Lebensgemeinschaft sprechen, sind z.B. ein über 535c einen längeren Zeitraum geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild 470 BGH, FamRZ 1990, 492 ff. 471 BGH, FamRZ 2002, 810, 811; 1984, 986, 987; 1989, 487, 490 f.; 1991, 670, 672; 1995, 540, 542 f.; 1997, 671, 672; 2002, 23, 25.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
in der Öffentlichkeit, Leben wie eine normale Familie mit den Kindern aus vorangegangenen Beziehungen, gemeinsames Verbringen der Freizeit, größere gemeinsame Investitionen wie z.B. der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder aber die Dauer der Verbindung selbst. Für die Entscheidung, ab wann eine Beziehung sich verfestigt hat, kann auf die Rechtsprechung des BGH zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. zur „festen sozialen Verbindung“, zurückgegriffen werden. Danach kann sich eine Beziehung verfestigt haben etwa bei einer Mindestdauer des Zusammenlebens von 2–3 Jahren.472 Je eindeutiger der Wille zum gemeinsamen dauerhaften Zusammenleben zutage tritt, zum Beispiel durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes oder den Erwerb eines gemeinsamen Familienheims, desto eher ist von einer Verfestigung auszugehen. Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ist nicht zwingend, dass die Partner räumlich zusammenleben, wenn mindestens anhand anderer Tatsachen feststellbar ist, dass die Gemeinschaft nach ihrer Intensität gleichwohl einem ehelichen Zusammenleben entspricht und gleichsam an die Stelle der Ehe tritt.473 Anhaltspunkte dafür können sein, Wohnungen in demselben Haus oder in der Nähe, gemeinsames Verbringen von Freizeit und Urlaub oder eng verflochtene wirtschaftliche Verhältnisse.474 Keine Rolle spielt, ob intime Beziehungen in der Partnerschaft gepflegt werden oder ob die Partner der neuen Lebensgemeinschaft eine Ehe bzw. eine Lebenspartnerschaft eingehen könnten, denn der neue Härtegrund bezweckt nicht eine Kontrolle der Lebensführung des geschiedenen Ehegatten.475 Die Härteklausel Nr. 2 findet keine Anwendung, wenn der geschiedenen Ehegatten bei Verwandten oder im Haushalt der Eltern lebt, denn insoweit von Dritten erbrachte Leistungen sind nicht dazu bestimmt, den Ehegatten von seiner Unterhaltspflicht zu entlasten.476 Hingegen fallen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften darunter, soweit es sich nicht nur um bloße Wohngemeinschaften handelt. Kein maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft ist, ob der neue Lebenspartner leistungsfähig ist, den Unterhaltsberechtigten mit zu unterhalten. Denn nach der Gesetzesbegründung ist entscheidendes Kriterium für den Ausschluss oder die Beschränkung des Unterhalts, dass der geschiedene Ehegatte eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, die sich so verfestigt hat, dass er sich damit endgültig aus der nachehelichen Solidarität herausgelöst und „zu erkennen gegeben hat, dass er diese nicht mehr benötigt“.477 Schwab kritisiert an dieser Begründung zu Recht478, dass man dem Zusammenleben mit einem leistungsunfähigen Partner nicht den Erklärungswert des Berechtigten beimessen könne, er benötige keinen Unterhalt mehr. Die Begründung ist insoweit auch missverständlich, als spielte das wirtschaftliche Auskommen des Berechtigten keine Rolle mehr. Zwar ist die Leistungsfähigkeit des neuen Partners für die Feststellung des Tatbestandsmerkmals der verfestigten Lebensgemeinschaft nicht von Bedeutung, gleichwohl aber in der sich anschließenden 472 BGH, FamRZ 1989, 487, 491; OLG Hamm, FamRZ 2000, 1375; OLG Celle, FamRZ 2000, 1374, 1375; vgl. dazu auch Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. 1 Rn. 1221. 473 BGH, FamRZ 2002, 23. Kritisch gegenüber dem Verzicht auf die gemeinsame Haushaltsführung Büttner in FamRZ 1996, 140; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, Rn. 1117e. 474 Eschenbruch/Klinkhammer, Kap. 1 Rn. 1221; OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1373. 475 BT-Drucks. 16/1830, S. 21 = RegE, S. 35–36. 476 Schwab, FamR Z 2005, 1417, 1420. 477 BT-Drucks. 16/1830, S. 21 = RegE, S. 35–36. 478 FamRZ 2005, 11417, 1420.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
umfassenden Billigkeitsabwägung. Denn nach der Klärung, ob eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, ist in der zweiten Stufe zu klären, ob und inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten zur Zahlung von Unterhalt tatsächlich grob unbillig ist und nur im Falle der groben Unbilligkeit ist der Anspruch zu versagen, herabzusetzen oder zu begrenzen. In der zweiten Prüfungsstufe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten und damit mittelbar auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Partners von Bedeutung. Beispiel F erleidet während der Ehe einen durch M schuldhaft verursachten Verkehrsunfall, wird danach ärztlich fehlerhaft behandelt, so dass sie nur noch teilweise erwerbstätig sein kann. Nach der Scheidung der Ehe lebt sie seit 3 Jahren mit einem neuen Partner zusammen, der nicht leistungsfähig ist, sie zu unterhalten. Über einen von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen Verdienstausfalls gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist bisher noch nicht rechtskräftig entschieden. Sie verlangt von M Unterhalt. Auch wenn hier von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist, bei der es auf die Leistungsfähigkeit des neuen Partners nicht ankommt, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Dauer und Ausgang des Schadensersatzprozesses im Rahmen der anzuordnen Rechtsfolgen in die Billigkeitsabwägung miteinbezogen werden.
Ist aus der Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen ein gemeinsames Kind hervorgegangen, ist bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen der Rechtsfolgen auf die Belange des Kindes Rücksicht zu nehmen. Beispiel F trennt sich von M, weil die Ehe gescheitert ist, und betreut das gemeinsame Kind. Später lebt sie in getrennten Wohnungen innerhalb eines Hauses in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit ihrem neuen Lebenspartner. F arbeitet nicht, betreut die 9-jährige Tochter und verlangt nach der Scheidung, nachdem sie schon über 2 Jahre mit ihrem neuen Partner zusammenlebt, Unterhalt von M. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Partners und der Belange des betreuungsbedürftigen Kindes ist noch Unterhalt, allerdings herabgesetzt und zeitlich begrenzt zu zahlen.479
Auch der Trennungsunterhaltsanspruch kann wegen grober Unbilligkeit der In- 535d anspruchnahme verwirkt werden, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner lebt (§ 1361 Abs. 3 BGB).480 Häufig spielt beim Trennungsunterhalt der Verwirkungsgrund Nr. 7 eine Rolle, wenn der Vorwurf des einseitigen Fehlverhaltens wegen Ausbruchs aus einer intakten Ehe erhoben wird (Rn. 542 ff.). Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB verwirkter Betreuungsunterhaltsanspuch lebt bei Auflösung der Lebensgemeinschaft wieder auf, wenn ansonsten die Tatbestandsvoraussetzungen noch gegeben sind.481 3. Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen (Nr. 3) Die Härteklausel Nr. 3 ist anwendbar, wenn sich der Berechtigte eines Verbre- 536 chens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens (§ 12 StGB) gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat. 479 OLG Celle, FamRZ 2000, 1374 ff. Wegen der Grundsätze vgl. BGH, FamRZ 1989, 487 ff. 480 BGH, FamRZ 2002, 810. 481 BGH, FamRZ 2008, 1739, 1743.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Als Straftaten kommen Mord, Totschlag, Körperverletzung, Misshandlung von Kindern, Unterhaltspflichtverletzungen, Eigentumsdelikte wie Diebstahl, Betrug (auch Betrug im Unterhaltsprozess) zum Nachteil des Verpflichteten, schwere Beleidigungen oder Anschuldigungen etc. in Betracht. Entscheidend ist, dass der Verpflichtete sich durch die Straftat so schwer getroffen sieht, dass ihm die Erfüllung einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten unerträglich sein muss. Der Begriff des Angehörigen ist im Familienrecht nicht wie in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB definiert, wird aber in Rechtsprechung und Literatur weit ausgelegt.482 Nicht der Grad der Verwandtschaft oder Verschwägerung entscheidet, sondern die persönliche Nähe zum Verpflichteten. Pflegekinder und -eltern sind deshalb auch Angehörige im Sinne des Gesetzes. 537 Die Straftat muss schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig verübt worden sein. Bei Vergehen setzt die Anwendung der Härteklausel die vorsätzliche Begehung der Straftat voraus, d.h., die fahrlässige Tötung eines Angehörigen rechtfertigt nicht die Verweigerung von Unterhalt. Aber auch versuchte, d.h., nicht vollendete Straftaten können zum Unterhaltsausschluss führen oder Straftaten, an denen der Berechtigte nur beteiligt war. Häufig wird die Einwendung wegen versuchten Prozessbetrugs erhoben: Die Härteklausel Nr. 3 findet Anwendung, wenn der Berechtigte im Unterhaltsprozess bewusst falsche Angaben gemacht hat zu seinem Einkommen,483 zum Zusammenleben mit einem neuen Partner484 oder Einkommen verschweigt trotz Offenbarungspflicht.485 Macht eine Partei einen Unterhaltsanspruch im Prozess geltend, obliegt ihr die Pflicht, alle anspruchsbegründenden und -erhaltenden Tatsachen wahrheitsgetreu vorzutragen (§ 138 Abs. 1 ZPO). Auch wenn eine Partei meint, bestimmte Einkünfte dürften ihren Anspruch nicht schmälern, sind diese Einkünfte anzugeben, denn die Entscheidung darüber, ob z.B. Einkünfte aus einer ausgezahlten Versicherungssumme oder einer Erbschaft unterhaltsrelevant sind oder nicht, hat das Gericht zu entscheiden und nicht die Partei.486 Endet der Prozess mit einem Vergleich, sind später auftretende Einkommensverbesserungen, die die Bedürftigkeit in Frage stellen können, aufgrund vertraglicher Treuepflichten offenbarungspflichtig, ohne dass es einer Aufforderung durch den Verpflichteten bedarf. Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, macht er sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig.487 Weniger streng sind die Anforderungen an die Erteilung ungefragter Informationen zu Einkommensverbesserungen, wenn der Unterhalt im Urteil tituliert ist.488 Insoweit steht beiden Parteien ein Anspruch auf Auskunft im Abstand von zwei Jahren zu (§§ 1580, 1605 BGB). War mit Veränderungen zu rechnen, hätte der Verpflichtete von seinem Recht auf Auskunft Gebrauch machen können.489 Beispiele – F schreibt nach der Trennung wütende Briefe an die Kollegen und Freunde von M, in denen sie ihn als kleptomanisch, sexuell gespalten, gewalttätig beschreibt und behauptet, 482 483 484 485 486 487 488 489
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FamGB/Griesche, § 1579 BGB Rn. 9; Palandt/Brudermüller, § 1579 BGB Rn. 17. BGH, FamRZ 2000, 153. OLG Hamm, FamRZ 1996, 1079; 1993, 566, 567; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 605. BGH, FamRZ 1997, 483. BGH, FamRZ 2000, 153. BGH, FamRZ 1997, 483; 2000, 153; Wendl/Dose, § 1 Rn. 696. Wendl/Gerhardt, § 4 Rn. 675a. Wendl/Dose, § 1 Rn. 698.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit er habe gestohlen und sie geschlagen. Sie erstattet gegen ihn Strafanzeige wegen versuchten Mordes, ohne Beweise erbringen zu können. Hier kommt wegen fortdauernder Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und falscher Verdächtigung der Ausschluss des Unterhaltsanspruchs in Betracht.490 – Die geschiedene F hat im Unterhaltsprozess angegeben, keine Arbeit gefunden zu haben, obwohl sie einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte. Sie erhielt deshalb einen höheren Unterhalt zugesprochen, als ihr aufgrund ihrer tatsächlichen Einkommensverhältnisse zugestanden hätte. Nachdem ihr Prozessbetrug entdeckt wurde, wurde ihr Unterhaltsanspruch in der 2. Instanz auf den notwendigen Bedarf herabgesetzt.491 – F lebt von M getrennt und versorgt die gemeinsamen Kinder. Im Unterhaltsprozess bestreitet sie, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Eine spätere Beweisaufnahme ergibt, dass ihr neuer Partner sich ständig in ihrer Wohnung aufhält, dort kocht, die Kinder mit betreut, sie zur Schule bringt und auch seine Maklertätigkeit zu einem wesentlichen Teil von ihrer Wohnung aus betreibt. Das Gericht hat den Unterhalt der F um etwa die Hälfte gekürzt, da sie wegen der Leugnung des Zusammenlebens einen versuchten Prozessbetrug (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) begangen habe; denn M hatte den Ausschluss oder die Herabsetzung des Unterhalts wegen des Zusammenlebens mit einem neuen Partner wie in einer Ehe gemäß § 1579 Nr. 2 und 8 BGB geltend gemacht.492
Welche Rechtsfolge in Betracht kommt, wenn der Tatbestand erfüllt ist, hängt von einer Abwägung der Belange beider Unterhaltsparteien ab. Bei einem Anspruch wegen Krankheit nach 20 Jahren wird die Tatbestandsverwirklichung z.B. wegen falscher Angaben im Unterhaltsprozess zum Zusammenleben mit einem neuen wirtschaftlich schlecht gestellten Partner nur zu einer Kürzung493 führen, bei einem Aufstockungsunterhaltsanspruch nach 10 Jahren Ehe kann ein völliger Wegfall des Anspruchs gerechtfertigt sein. Die unterhaltsrechtlichen Folgen der Straftat wirken erst ab dem Tatzeitpunkt. Sind bis dahin Unterhaltsrückstände entstanden, stehen diese i.d.R. dem Berechtigten noch zu, denn der rechtstreue Schuldner soll nicht schlechter stehen als der säumige Schuldner, der von einer Straftat betroffen ist. Nur in gravierenden Ausnahmefällen können Unterhaltsrückstände verwirkt sein, wenn die Erfüllung der Leistungspflicht für den Schuldner wegen der Schwere der Tat unerträglich wäre.494 Die Härteklausel ist auch anwendbar auf Taten, die längere Zeit nach der Scheidung verübt wurden; denn eine Zeitgrenze enthält das Gesetz nicht. Die strafrechtliche Verurteilung ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für die An- 538 wendung der Nr. 3 der Härteklausel. Liegt eine Verurteilung vor, ist der Zivilrichter nicht an die Beurteilung durch das Strafgericht gebunden. Daraus folgt allerdings nicht, dass die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung für den Zivilprozess rechtlich unbeachtlich ist. Der Unterhaltsschuldner kann sich zur Begründung der Verwirkung auf das Strafurteil beziehen, die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht schuldhafte Begehung der Tat liegt dann beim Unterhaltsberechtigten. Das Gericht kann Protokolle über die Aussagen von Zeugen aus dem Strafprozess bei entsprechender Beantragung durch eine Partei im Wege des Urkundenbeweises im Zivilprozess verwerten, soweit nicht die Vernehmung des Zeugen beantragt wird oder die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen 490 491 492 493 494
Vgl. zu diesem Fall BGH, NJW 1982, 100 ff. Vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044. OLG Koblenz, FamRZ 2000, 605 ff. OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 1374. BGH, FamRZ 2004, 612, 613 m. Anm. von Büttner, S. 614.
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eine unmittelbare Vernehmung erfordert. In jedem Fall sind die auf Antrag beigezogenen Straftaten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen und nur die darin enthaltenen Beweismittel verwertbar, auf die sich eine Partei bezieht.495 Beispiel F bezichtigte M des sexuellen Missbrauchs an den gemeinsamen Kindern und erstattete Strafanzeige. Später stellte sich die Unrichtigkeit der erhobenen Vorwürfe heraus. Obwohl der Tatbestand der vorsätzlichen Verleumdung gemäß § 187 StGB erfüllt war, konnte F im Unterhaltsprozess durch ein ärztliches Gutachten beweisen, in der Tatzeit an einer Psychose gelitten zu haben, die ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit erheblich gemindert hatte (§ 21 StGB). Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine Verwirkung nicht als gegeben an.496
Wurde die Straftat während der Ehe begangen und hat der Verpflichtete die eheliche Lebensgemeinschaft nach der Entdeckung der Tat fortgesetzt, kann er sich nicht mehr später nach der Trennung oder Scheidung auf die Härteklausel berufen, da er zu erkennen gegeben hat, dass die Tat für ihn nicht so schwer wog.497 4. Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit (Nr. 4) 539 Hat der Berechtigte durch ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten mutwillig, also in leichtfertiger Weise seine Unterhaltsbedürftigkeit herbeigeführt, ist die Härteklausel anwendbar. Erforderlich ist ein unterhaltsbezogenes mutwilliges Verhalten, d.h., die Vorstellungen und Antriebe, die dem Verhalten zugrunde liegen, müssen sich auch auf die Bedürftigkeit als Folge des Verhaltens beziehen.498 Dabei muss er sich unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Unterhaltspflichtigen über die erkennbaren Folgen für seine Bedürftigkeit hinweggesetzt haben.499 In der Praxis wird in den Fällen der Erwerbsunfähigkeit wegen Alkohol- oder Drogenabhängigkeit häufig die mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit behauptet und der Ausschluss beantragt. Grundsätzlich gilt zwar, dass z.B. die Alkoholsucht eine Krankheit ist, so dass ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1572 BGB in Betracht kommt. Gleichwohl findet die Härteklausel Nr. 4 dann Anwendung, wenn der Unterhaltsberechtigte von Ärzten auf die dringende Notwendigkeit einer Entziehungskur hingewiesen wurde und das Angebot nicht nutzte, obwohl er zu einsichtsfähigem Handeln noch in der Lage war und seine Unterhaltsbedürftigkeit voraussehen konnte.500 Ob er über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügte, ist Tatfrage und muss ggf. mithilfe eines Sachverständigen geklärt werden.
495 496 497 498
BGH, FamRZ 2004, 612–613. OLG Hamm, FamRZ 1995, 808. OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 896. BGH, FamRZ 1988, 378; 2000, 815 ff.; 2001, 541 ff.: kein Härtegrund, wenn Ehefrau Betreuungsunterhalt verlangt, obwohl Ehemann Zustimmung zur homologen In-VitroFertilisation zurückgezogen hat. 499 BGH, FamRZ 1984, 362, 367; FamRZ 2000, 815, 817. 500 BGH, FamRZ 1981, 1042, 1044; Finke, FPR 1998, 10 f.; Rechtsprechungsübersicht, FPR 1998, 38 f.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit Beispiele – Nach der Heirat und Geburt einer Tochter bekommt F Alkoholprobleme. Nach einer Versöhnung der Eheleute bleibt F für 3 Jahre trocken. Als sie wieder zu trinken beginnt und Hilfsangebote des Jugend- und Gesundheitsamts nicht annimmt, scheitert die Ehe und wird geschieden. F hat ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt, da sie ihrer Verpflichtung, eine Entziehungskur zu machen, nicht nachgekommen ist.501 – F, die chronisch tabletten- und alkoholabhängig ist, hat mehrfach Entziehungsversuche unternommen und kann in nüchternen Phasen die Notwendigkeit eines Entzugs verstehen. Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur, die als „Ich-schwach“ und mit wenig Durchhaltevermögen charakterisiert wird, ist ihr aber kein leichtfertiges Verhalten vorwerfbar, so dass ihr Unterhalt nach § 1572 BGB zusteht.502
Die Bedürftigkeit ist auch dann mutwillig herbeigeführt, wenn der Berechtigte z.B. seinen sicheren Arbeitsplatz aufgibt, um in einen anderen Ort zu ziehen, in dem er nicht vermittelbar ist; wenn ihm selbstverschuldet gekündigt wird oder er Vermögen verschwendet oder unwirtschaftlich anlegt. Hat ein Ehegatte Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 2 BGB bezogen und diesen zweckwidrig verwendet, so dass er bei Eintritt in das Rentenalter geringere Einkünfte hat, als dies bei zweckbestimmter Verwendung des Unterhalts der Fall gewesen wäre, ist die Bedürftigkeit ebenfalls mutwillig herbeigeführt worden.503 Er ist in dem Fall so zu behandeln, als hätte er den Altersvorsorgeunterhalt zum Aufbau der Altersvorsorge verwendet, d.h. der entsprechende Betrag ist ihm als fiktives Einkommen zuzurechnen. Die Mutwilligkeit fehlt aber, wenn der Altersvorsorgeunterhalt wegen einer Notlage für den Elementarunterhalt verbraucht werden musste, denn der Unterhaltsberechtigte darf vorrangig seinen Elementarbedarf befriedigen (Rn. 521).504 Gleiches gilt, wenn er nachweisen kann, dass er aus einer besonderen Notlage heraus das Geld verbraucht hat. 5. Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen (Nr. 5) Setzt sich der Unterhaltsberechtigte mutwillig über schwerwiegende Ver- 540 mögensinteressen des Verpflichteten hinweg, so kann ihn das seinen Unterhaltsanspruch kosten. Der Berechtigte hat nämlich alles zu unterlassen, was dem Verpflichteten die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erschwert. Die Voraussetzungen der Klausel sind schon erfüllt, wenn es nur zu einer Vermögensgefährdung kommt. Es ist nicht erforderlich, dass der Vermögensschaden eingetreten ist. Auch muss der Berechtigte nicht vorsätzlich handeln; ein leichtfertiges Handeln, das nicht unterhaltsbezogen sein muss, reicht aus. In der Praxis findet diese Vorschrift häufig Anwendung, wenn ein Ehegatte den anderen bei seinem Arbeitgeber „anschwärzt“. Beispiele – Die betrogene F will das Verhältnis von M zu seiner Freundin, die im gleichen Haus wie die Eheleute wohnt, unterbinden und ruft deshalb in seiner Firma an, um seinen Kollegen darüber zu informieren, dass M sich schon ab mittags, noch während der Arbeitszeit, bei seiner Freundin aufhalte. Falls er nichts dagegen unternehme, werde sie sich an sei501 OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1262 ff. 502 BGH, FamRZ 1988, 375 ff. 503 OLG Koblenz, FamRB 2002, 35–36; BGH, FamRZ 1987, 684; OLGR Schleswig 2001, 41–42. 504 BGH, FamRZ 1987, 684.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nen Vorgesetzten wenden. Bei der Überprüfung der Spesenabrechnung von M werden Unregelmäßigkeiten gefunden, so dass ihm gekündigt wird. Trotz 23-jähriger Ehe wird der Unterhaltsanspruch insgesamt versagt.505 – Um sich wegen erlittener Demütigungen zu rächen, rief F in der Firma von M an und äußerte gegenüber einem Kollegen in verantwortlicher Stellung den Verdacht des Diebstahls und sexueller Übergriffe auf Auszubildende. Außerdem erstattete F Anzeige wegen unerlaubten Waffenbesitzes, die zur Verurteilung zu einer 8-monatigen Freiheitsstrafe führte. Der Unterhaltsanspruch wurde trotz der Betreuungsbedürftigkeit eines 11-jährigen Kindes wegen Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen völlig ausgeschlossen. F sei auch im Hinblick auf ihre bisherige Erwerbstätigkeit zuzumuten, für ihren eigenen eheneutralen angemessenen Bedarf zu sorgen.506
Weitere Beispielsfälle aus der Rechtsprechung für die Verletzung oder Gefährdung schwerwiegender Vermögensinteressen sind: Verschleuderung des Zugewinns zwischen Scheidungs- und Zugewinnausgleichsklage,507 leichtfertige Strafanzeigen,508 Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung,509 Diebstahl von Vermögenswerten des Verpflichteten.510 540a Es sind Überschneidungen mit der Härteregelung Nr. 3 (Straftat) möglich z.B. bei Verschweigen des Abbruchs eines Studiums bei Bezug von Ausbildungsunterhalt511 oder beim Verschweigen eigener Einkünfte im Unterhaltsprozess.512 Verletzt ein Ehegatte nach Abschluss eines Unterhaltsvergleichs seine Pflicht zur gegenseitigen Information über Einkommensverbesserungen und wird dadurch ein höherer Unterhalt als materiellrechtlich geschuldet weiter gezahlt, gefährdet er die Vermögensinteressen des Unterhaltspflichtigen schwerwiegend, wenn dieser den zu viel gezahlten Unterhalt später nicht zurückfordern kann.513 Der Verwirkungsgrund ist erfüllt, wenn dem Unterhaltsberechtigten mindestens ein leichtfertiges Handeln vorwerfbar ist, der Vermögensschaden muss nicht eingetreten sein. 6. Unterhaltspflichtverletzung (Nr. 6) 541 Diese Härteklausel erfüllt, wer vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt. Wer selbst in vorwerfbarer Weise dauerhaft weder durch Haushaltsführung noch sonstige Arbeit zum Familienunterhalt beigetragen hat, soll nicht nach der Trennung oder Scheidung Unterhalt verlangen können. Vernachlässigt z.B. die haushaltsführende Ehefrau über längere Zeit den Haushalt und die Kinder, so dass die Kinder auffällig werden und in der Schule häufig unentschuldigt fehlen, kann ihr der Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Gleiches gilt für den Unterhaltsanspruch des Ehemannes, der über Jahre sein Einkommen aus 505 506 507 508 509 510 511 512 513
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OLG Hamm, FamRZ 1987, 946 ff. OLG Zweibrücken, FamRZ 1989, 63 ff. OLG Hamm, NJW 2007, 1144. OLG München, FamRZ 1982, 270; OLG Celle, FamRZ 1987, 69; OLG Köln, FamRZ 1991, 1312. BGH, FamRZ 1984, 1165, 1170; OLGR Koblenz 2002, 243. OLG Hamm, FamRZ 1994, 168. BGH, FamRZ 1990, 1095. BGH, FamRZ 2007, 1532; 1990, 1095; 2008, 1325, 1327, Tz. 27 ff.; OLG Frankfurt, FamRZ 1992, 327. BGH, FamRZ 2008, 1324, 1327, Tz. 27 ff.; FamRZ 1998, 951 ff. Zur Pflicht zur ungefragten Information Rn. 582.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
Erwerbstätigkeit nur für sich und seine Hobbys verbraucht und nach der Trennung unterhaltsbedürftig wird. Von einer längeren Zeit der Unterhaltsverletzung wird man ab 1 Jahr ausgehen können.514 In der Praxis hat diese Vorschrift wenig Bedeutung. 7. Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten (Nr. 7) Ein Härtegrund liegt vor, wenn dem Unterhaltsberechtigten ein offensichtlich 542 schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt. In der Praxis spielt dieser Härtegrund vor allem eine Rolle bei Verstößen gegen die eheliche Treuepflicht im Rahmen von Ansprüchen auf Trennungsunterhalt; denn die eheliche Treuepflicht endet mit der Scheidung. Allerdings zieht der Verlust des Trennungsunterhalts aus diesem Grund auch den Verlust des nachehelichen Unterhalts nach sich. Das Fehlverhalten besteht darin, dass sich der den Unterhalt begehrende Ehegatte gegen den Willen des anderen von der Ehe abkehrt und einem anderen Partner zuwendet, dem er die seinem Ehegatten geschuldete Hilfe und Betreuung zuteilwerden lässt.515 Das Unterhaltsverlangen ist aber immer nur dann grob unbillig, wenn die Zuwendung zu einem anderen Partner als offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten zu bewerten ist. Dabei kommt der Klärung der Frage, ob sich die Trennung und Zuwendung an den neuen Partner als Ausbruch aus einer intakten Ehe darstellt, im Unterhaltsverfahren entscheidende Bedeutung zu.516 Hat der Verpflichtete sich schon seinerseits vorher von ehelichen Bindungen losgesagt und selbst ehewidrige Beziehungen unterhalten oder war die Ehe aus sonstigen Gründen schon vorher nicht mehr intakt, so dass dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert wurde,517 kommt dieser Härtegrund nicht zum Zuge. Ein Fehlverhalten des Berechtigten ist nur dann nicht mehr als einseitig zu beurteilen, wenn dem anderen Ehegatten Verfehlungen von einigem Gewicht vorwerfbar sind, die dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert haben und sein eigenes Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen.518 Nach Auffassung des BGH genügen dazu nicht ständige Streitigkeiten aus geringem Anlass und beleidigende Vorwürfe.519 Dies wird man anders zu beurteilen haben, wenn fortdauernde Streitigkeiten mit verbalen Beleidigungen und Demütigungen des Unterhaltsberechtigten einhergehen, denn sie sind meist ein Indiz für gravierende Partnerschaftskonflikte und sprechen gegen eine intakte Ehe. Auch erlittene Misshandlungen und häusliche Gewalt nehmen dem Fehlverhalten des Berechtigten die Einseitigkeit. Das Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten kann in der Aufnahme einer eheähnlichen Beziehung, aber auch nur einer auf Dauer angelegten intimen Beziehung oder der Aufnahme von intimen Beziehungen zu mehreren Partnern bestehen.520 Entscheidend für die Anwendung des Härtegrundes Nr. 7 ist die Nachhaltigkeit des Fehlverhaltens, so dass ein einmaliger Ehebruch, selbst wenn ein Kind 514 515 516 517 518 519 520
Palandt/Brudermüller, § 1579 BGB Rn. 27. BGH, FamRZ 1981, 753; FamRZ 2008, 1414, 1416, Tz. 26 f. BGH, FamRZ 2008, 1414, 1416, Tz. 26 ff., 30. BGH, FamRZ 1985, 267. BGH, FamRZ 1982, 463, 464; BGH, NJW 1986, 722–724. BGH, NJW 1986, 722–724. BGH, FamRZ 1983, 670.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gezeugt wurde, nicht ausreicht. Unerheblich ist, ob es sich bei der neuen intimen Beziehung um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt.521 Beispiele – F nimmt, nachdem die Eheleute seit 3 Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr hatten, intime Beziehungen zu einem anderen Mann auf und empfängt in der Folgezeit 2 Kinder von ihm. Nach der Geburt des 1. Kindes kommt es zu einer Versöhnung der Eheleute. Nach 2 Jahren trennen sich F und M. F bekommt das 2. Kind und lebt kurzfristig mit dem Vater der Kinder zusammen. Ihr Unterhaltsanspruch ist verwirkt, wenn sie nicht beweisen kann, dass M ein ähnlich gewichtiges Fehlverhalten vorwerfbar ist.522 – Die Eheleute trennen sich nach 30-jähriger Ehe, aus der 4 Kinder hervorgegangen sind, nachdem M erfährt, dass F in den letzten Jahren der Ehe intime Beziehungen zu 4 anderen Männern unterhielt. Der Unterhaltsanspruch von F wurde unter Berücksichtigung der langen Dauer der Ehe und ihrer Leistungen für die Familie um 1/ 3 gekürzt.523 – F lernt bei der Fortbildung einen anderen Mann kennen, zu dem sie eine tiefe Zuneigung empfindet, aber keine intime Beziehung unterhält. Sie erklärt M, dass sie ihren Freund lieber habe als ihn. Sie verlässt M wegen des anderen Mannes und verlangt Unterhalt. F steht kein Aufstockungsunterhalt zu, da sie wegen eines anderen Mannes ihre intakte eheliche Beziehung aufgegeben hat.524 – M entdeckt, dass F ihn betrügt. Da die Ehe schon vorher wegen des Alkoholismus von M belastet war und F sich wegen der Eheprobleme in psychiatrische Behandlung begeben musste, hat sie ihren Unterhaltsanspruch durch den Ehebruch nicht verwirkt.
543 Sonstige Fälle eines schwerwiegenden Fehlverhaltens können z.B. sein das Unterschieben eines nicht von dem Ehemann stammenden Kindes als gemeinschaftliches Kind oder die Weigerung eines Ehegatten, einen gemeinsamen Wohnsitz an dem von dem anderen gewünschten Ort zu begründen, ohne dafür sachliche Gründe zu haben.525
" Praxishinweis: Der Pflichtige muss nicht nur das Fehlverhalten des anderen
im Einzelnen darlegen und beweisen, sondern auch die Einseitigkeit dieses Fehlverhaltens.526 Reagiert also der Berechtigte mit Gegenvorwürfen, muss der Pflichtige diese ausräumen, d.h., der Berechtigte muss konkrete Tatsachen vortragen, auf die der andere reagieren kann. Hier wird in der Praxis häufig die Substantiierung, d.h. der konkrete Sachvortrag durch bewertende Schlagwörter ersetzt. Formulierungen wie „übermäßiger Alkoholgenuss, liebloses Verhalten, Handgreiflichkeiten“ sind keine ausreichenden Grundlagen für eine selbständige Beurteilung des Richters. Die konkrete Schilderung von Fakten ist nötig, damit eine Bewertung möglich ist, also gehört für einen Sachvortrag zum „übermäßigen Alkoholgenuss“ die konkrete Angabe des täglich üblichen Alkoholkonsums, bei Handgreiflichkeiten die Angabe des Datums, Ortes und die Beschreibung des Anlasses und der Verletzungen, bei früheren Eheschwierigkeiten z.B. die Angabe, wann und bei wem schon früher eine Eheberatung in Anspruch genommen wurde.
521 522 523 524 525
BGH, FamRZ 2008, 1414, 1417, Tz. 27. BGH, FamRZ 1981, 752. BGH, FamRZ 1983, 670. KG, FamRZ 1989, 868. Vgl. dazu weitere Beispiele mit Rechtsprechungsnachweisen bei Oelkers, FamRZ 1996, 253 f. 526 BGH, FamRZ 1983, 670; FamRZ 1982, 463, 464.
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VIII. Beschränkung und Versagung von Unterhalt wegen grober Unbilligkeit
8. Anderer ebenso schwerwiegender Grund (Nr. 8) Liegt ein anderer Grund vor, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nr. 1–7 auf- 544 geführten Gründe, kann der Unterhalt ebenfalls wegen grober Unbilligkeit versagt oder beschränkt werden. Diese Härteklausel stellt als Auffangtatbestand die Rechtsgrundlage für eine Korrektur des Unterhaltsrechts insbesondere für die Fälle dar, in denen die Unterhaltspflicht nicht wegen eines subjektiven Fehlverhaltens des Berechtigten, sondern aufgrund objektiver Gegebenheiten oder Veränderungen der Lebensverhältnisse unzumutbar wird. Die Auffangklausel greift nicht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines anderen Härtegrades in Betracht kommen, aber tatsächlich nicht vorliegen.527 Das Zusammenleben mit einem neuen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft 545 spielte bis zum Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008 für die Anwendung der Auffangklausel in der Praxis eine große Rolle. Die Rechtsprechung hat dazu verschiedene Fallgruppen gebildet:528 – Bestehen einer verfestigten, sozialen eheähnlichen Beziehung – Fortsetzung einer ehezerstörenden Partnerschaft nach der Scheidung – Zusammenleben mit einem neuen Partner unter anstößigen Bedingungen – Bestehen einer Unterhaltsgemeinschaft. Fallgruppe: Bestehen einer verfestigten, sozialen eheähnlichen Beziehung
545a
Diese Fallgruppe ist aufgrund Häufigkeit seit 1.1.2008 als selbständiger Härtegrund in § 1579 Nr. 2 BGB geregelt, insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 535b–d Bezug genommen. Fallgruppe: Fortsetzung einer ehezerstörenden Partnerschaft nach der Scheidung Lebt der geschiedene Ehegatte mit einem neuen Partner zusammen, dem er sich schon während der bestehenden Ehe zugewandt hatte und war ihm deshalb ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten im Sinne der Härteklausel Nr. 7 vorwerfbar, kann die Fortsetzung des Verhältnisses, ohne dass es auf eine Verfestigung der Lebensgemeinschaft ankommt, selbst wenn die Ehegatten nach der Scheidung nicht mehr zur ehelichen Treue verpflichtet sind, zu einer Verwirkung nach dem Härtegrund Nr. 8 führen.529 Fallgruppe: Zusammenleben mit einem neuen Partner unter anstößigen Bedingungen Auch das Zusammenleben mit einem Partner unter anstößigen Bedingungen, die für den Verpflichteten kränkend sind, ihn in der Öffentlichkeit herabsetzen oder sein Ansehen schädigen, kann ein sonstiger „schwerer Grund“ im Sinne von § 1579 Nr. 8 BGB sein.530 Fallgruppe: Bestehen einer Unterhaltsgemeinschaft Besteht zwischen dem geschiedenen Ehegatten und seinem neuen Partner eine Unterhaltsgemeinschaft, in der er sein Auskommen hat, kann die Inanspruchnahme auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt ebenfalls unzumutbar sein.531 527 528 529 530 531
BGH, FamRZ 1995, 1405; 99, 710, 712. Zu den Grundsätzen vgl. BGH, FamRZ 1989, 487 ff. BGH, FamRZ 1989, 487, 489; 1983, 676; 1984, 154, 155. BGH, FamRZ 1989, 487, 490. BGH, FamRZ 1983, 59, 571.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Das Bestehen einer Unterhaltsgemeinschaft setzt voraus, dass gemeinsam gewirtschaftet wird, so dass ein Zusammenwohnen, nur um Wohnkosten zu sparen, wie z.B. bei Wohngemeinschaften, nicht ausreicht.532 Auf die Dauer des Zusammenlebens kommt es – anders als beim Härtegrund Nr. 2 – nicht an. Voraussetzung ist bei dieser Fallkonstellation ferner, dass der neue Lebenspartner leistungsfähig ist. Ist er nur eingeschränkt leistungsfähig, muss sich der Berechtigte nicht auf einen geringeren Lebensstandard, bemessen nach dem Einkommen des neuen Partners, verweisen lassen.533Auch das Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft mit einem gleichgeschlechtlichen Partner kann den Tatbestand erfüllen,534 soweit es sich nicht um eine Wohngemeinschaft handelt, die nur zu dem Zweck besteht, geringere Wohnkosten zu haben. 546 Sonstige Gründe für die Anwendung von Nr. 8 können sein, wenn z.B. die Ehedauer zwar nicht kurz ist, aber dennoch eine Unterhaltspflicht grob unbillig wäre, weil die Eheleute tatsächlich nur so kurz zusammengelebt haben, dass sie ihre Lebensgestaltung noch nicht voneinander abhängig gemacht haben, und die Unterhaltsbedürftigkeit durch Erwerbsunfähigkeit schon bei der Heirat vorhanden war.535 547 Nr. 8 kommt auch in Betracht, wenn die Erwerbsunfähigkeit durch Medikamentenmissbrauch verursacht worden ist und die Anwendung der Härteklausel Nr. 3 (mutwillige Herbeiführung) scheitert.536 547a Eine fortgesetzte massive und schuldhafte Vereitelung des Umgangsrechts kann ebenfalls zu einem Ausschluss oder einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils führen. Allerdings muss das Fehlverhalten schwerwiegend sein, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen.537 Deshalb ist ein substanziierter Sachvortrag erforderlich und der umgangsberechtigte Unterhaltspflichtige muss seinerseits alles getan haben, um Widerstände des Kindes zu überwinden. Nicht ausreichend ist, stattdessen nur die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beantragen. 548 Der Unterhaltsausschluss aus sonstigen objektiven Gründen muss nicht endgültig sein. Bei einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ist eine neue Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Belange beider geschiedener Ehegatten erforderlich. Dabei sind die Dauer der Ehe und die Unzumutbarkeit der Zahlungsverpflichtung besonders zu beachten. Je länger der Verpflichtete nicht zu zahlen brauchte, desto härter kann ihn die wieder auflebende Zahlungspflicht treffen, was dann wiederum bei der Billigkeitsprüfung mit zu berücksichtigen ist. Beispiel F lebt nach Scheidung der 10-jährigen Ehe mit ihrem 5-jährigen Kind und einem neuen Partner 3 Jahre zusammen. M lehnt die Zahlung von Unterhalt wegen § 1579 Nr. 7 BGB ab. Nach der Trennung von dem neuen Partner ist F wegen der andauernden Betreuungsbedürftigkeit des Kindes unterhaltsbedürftig. Ihr Unterhaltsanspruch gegen M, der nach wie vor unverheiratet und leistungsfähig ist, lebt wieder auf. 532 533 534 535 536 537
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Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 1117. BGH, FamRZ 1989, 487, 490. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rn. 1117. Vgl. BGH, FamRZ 1988, 930 ff. BGH, FamRZ 1988, 927 ff. BGH, FamRZ 2007, 882, Tz. 64, 65; 1987, 356, 358; OLG München, FamRZ 1998, 750.
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IX. Unterhaltsverträge
9. Anwendung von § 1579 BGB a.F. auf Unterhaltszeiträume bis zum 31.12.2007 Materiell-rechtlich weist § 1579 BGB gegenüber dem bis zum 31.12.2007 gelten- 548a den 1579 BGB a.F. bis auf den neu eingefügten Härtgrund Nr.2 keine Änderung auf, so dass auch für die Bearbeitung von Unterhaltsansprüchen für den Zeitraum bis zum 31.12.2007 die vorstehende Kommentierung zu § 1579 BGB verwendet werden kann unter Beachtung der geänderten Nummerierung gegenüber der bis zum 31.12.2007 gültigen Gesetzesfassung. § 1579 BGB a.F.
§ 1579 BGB
Rn.
Nr. 1 Kurze Ehedauer
Nr. 1 Kurze Ehedauer
534–535a
Nr. 2 Verfestigte Lebensgemeinschaft
535b-535d
Nr. 2 Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen
Nr. 3 Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen
536–538
Nr. 3 Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit
Nr. 4 Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit
539
Nr. 4 Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen
Nr. 5 Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen
540
Nr. 5 Unterhaltspflichtverletzung
Nr. 6 Unterhaltspflichtverletzung
541
Nr. 6 Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten
Nr. 7 Offensichtlich schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten
542–543
Nr. 7 Anderer ebenso schwerwiegender Grund (mit verfestigte Lebensgemeinschaft jetzt § 1579 Nr. 2 BGB)
Nr. 8 Anderer ebenso schwerwiegender Grund
544–548
IX. Unterhaltsverträge Die Ehegatten können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung 549 Verträge schließen (§ 1585c BGB). Anders als beim Trennungsunterhalt538 ist ein Verzicht auf Nacheheunterhalt möglich. Bei dem Unterhaltsverzicht handelt sich um einen Erlassvertrag (§ 397 BGB), zu dessen Wirksamkeit eine eindeutige Verzichtserklärung des Berechtigten und die Annahmeerklärung des Verpflichteten (§ 151 BGB) erforderlich sind. Für alle ab 1.1.2008 geschlossenen Vereinbarungen über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen werden, gilt, dass sie notariell beurkundet werden müssen (§ 1585c Satz 2 BGB). Damit sollen die Betroffenen vor übereilten Entscheidungen geschützt werden und sich dank fachkundiger Beratung über die rechtliche Tragweite der Vereinbarung klar sein. Der Formzwang ist auf Vereinbarungen, die vor der Rechtskraft der 538 Vgl. Rn. 422a.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
Scheidung getroffen werden, beschränkt worden, da das Schutzbedürfnis in aller Regel im Zeitraum bis zur Rechtskraft der Scheidung besonders hoch ist. Für alle bereits bis zum 31.12.2007 von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt gilt noch § 1585c BGB a.F., nach dem kein Formzwang bestand, d.h. bis zu diesem Zeitpunkt geschlossene, privatschriftliche und sogar mündliche Vereinbarungen sind gültig. Unterhaltsregelungen für die Zeit ab Scheidung der Ehe können schon vor der Eheschließung oder in der Ehezeit vereinbart werden, was meist in Eheverträgen, die auch güterrechtliche Vereinbarungen enthalten (§ 1408 BGB), geschieht. Trotz der für Ehegatten bestehenden Vertragsfreiheit, unterliegen Eheverträge einer Wirksamkeitskontrolle, die in zwei Stufen in der Form der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB und der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB erfolgt:539 In der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Vertrag schon zur Zeit des Vertragsschlusses sittenwidrig war (§ 138 BGB). Sittenwidrig kann ein Vertrag dann sein, wenn dessen Inhalt eine der Vertragsparteien unzumutbar einseitig vertraglich benachteiligt und sich die Benachteiligung erkennbar aus der Ausnutzung einer Zwangslage ergibt.540 Deshalb sind Inhalt, Beweggründe und Zweck der Vereinbarung in einer Gesamtschau zu würdigen. Ein Indiz für eine Zwangslage kann eine Schwangerschaft vor der Eheschließung,541 aber auch z.B. eine Alkoholerkrankung zur Zeit des Vertragsschlusses sein.542 Ist ein Teil des Vertrages sittenwidrig und damit nichtig, richtet sich die Beurteilung darüber, ob der gesamte Vertrag nichtig ist, nach § 139 BGB.543 Enthält der Vertrag einen Unterhaltsverzicht zu Lasten der Ehefrau, die zwei Tage vor der Heirat bei bestehender Schwangerschaft mit dem sie einseitig belastenden Vertragsinhalt konfrontiert wurde, wird von der Nichtigkeit des gesamten Vertrags auszugehen sein.544 Diese Grundsätze der Inhaltskontrolle gelten nicht nur zugunsten des Unterhaltsberechtigten, sondern auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen. Denn auch auf dessen Seite kann eine erhebliche Unterlegenheitsposition vorliegen, die zu einer offensichtlich einseitigen Aufbürdung vertraglicher Lasten führt. Deshalb ist eine Unterhaltsvereinbarung, mit der bewirkt wird, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund der Zahlung des vereinbarten Unterhalts, der über den gesetzlich geschuldeten hinausgeht, sozialhilfebedürftig wird, ebenfalls sittenwidrig.545 Ist der Vertrag insgesamt nicht sittenwidrig, ist in der zweiten Stufe zu prüfen, ob sich der durch den Vertrag Begünstigte auf die vertragliche Regelung berufen kann, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln (§ 242 BGB). Dabei ist zu beurteilen, ob sich durch eine grundlegende Veränderung der Lebensumstände seit Vertragsschluss eine unzumutbare einseitige Belastung für einen Ehegatten ergibt, die nicht hingenommen werden kann. Ist dies der Fall, müssen die Parteien selbst freiwillig eine neue angemessene Regelung treffen. Gelingt ihnen dies nicht, 539 540 541 542 543
Dazu grundlegend BGH, FamRZ 2004, 601 ff. BGH, FamRZ 2004, 601; NJW 2005, 2386; NJW 2005, 2313. BGH, NJW 2005, 2386. AG Rheine, FamRZ 2005, 451. Brambring, Führt die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit bei Eheverträgen?, FPR 2005, 130 ff. 544 OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1445. Zur Frage der Bedeutung einer Schwangerschaft für die Wirksamkeit und zu § 139 BGB sowie der salvatorischen Klausel vgl. Gageik, FPR 2005, 122, 124 m.w. Rechtsprechungsnachweisen; Brudermüller, NJW 2005, 3187, 3189. 545 BGH, FamRZ 2009, 198, Tz.36 f., m. Anm. v. Bergschneider, S. 202 f.
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IX. Unterhaltsverträge
muss der Tatrichter den Vertrag an die geänderten Verhältnisse nach dem „Geist des Vertrags“ und dem mutmaßlichen Willen der Parteien anpassen.546 Für beide Prüfungsstufen sind unterhaltsrechtliche Regelungen in dem Vertrag daraufhin zu überprüfen, ob sie einen Ehegatten unzumutbar einseitig benachteiligen, weil sie in den Kernbereich gesetzlicher Unterhaltsansprüche eingreifen und dies nicht durch angemessene Gegenleistungen kompensiert wird. Von dem gesetzlich geregelten Scheidungsfolgenrecht können die Ehegatten zwar auch die nachehelichen Unterhaltsansprüche abweichend regeln, die sie ersetzenden Regelungen müssen aber deren Bedeutung und Schutzfunktion, die auf der nachehelichen Solidarität beruht, Rechnung tragen. Daraus ergibt sich eine Rangfolge für die Bedeutung der gesetzlich geregelten Absicherung, der auch der Ehevertrag Rechnung zu tragen hat: Zu dem Kernbereich der besonders schutzwürdigen Unterhaltstatbestände gehören der Betreuungs-, Krankheitsund Altersunterhalt (§§ 1570–1572 BGB).547 Dabei teilt der Altersvorsorgeunterhalt in seiner Bedeutung die Rangfolge des Elementarunterhalts.548 Der Verzicht auf Kinderbetreuungsunterhalt führt regelmäßig zur Nichtigkeit der Unterhaltsregelung.549 Sehr viel verbreiteter sind Unterhaltsvereinbarungen, die anlässlich der Scheidung im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen getroffen werden. Sie sind unter den Voraussetzungen der §§ 119, 121, 123, 124 BGB anfechtbar, unterliegen ebenfalls einer Wirksamkeitskontrolle und sind – soweit ihre Abänderbarkeit nicht ausgeschlossen ist – nach § 313 BGB abänderbar (§ 239 FamFG). So kann ein Unterhaltsverzicht gemäß § 138 BGB sittenwidrig und unwirksam sein, z.B. wenn der Unterhaltsberechtigte dadurch auf Sozialhilfe angewiesen ist und die Vereinbarung zu Lasten der Allgemeinheit geht. Dies gilt selbst dann, wenn die Vereinbarung einer auf das Verhältnis der Ehegatten zueinander bezogenen Inhaltskontrolle standhält, gleichwohl aber zur sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit führt.550 Aber auch wenn der Vertrag einer Überprüfung gemäß § 138 BGB standhält, kann es einer Vertragspartei gemäß § 242 BGB zu versagen sein, sich auf eine vertraglich vereinbarte Regelung, wie z.B. einen Verzicht, zu berufen, wenn die Rechtsausübung im Hinblick auf die Regelung weiterer Scheidungsfolgen missbräuchlich ist (Ausübungskontrolle).551 Hauptanwendungsfall von Unterhaltsvereinbarungen ist allerdings die Vertragsanpassung nach § 313 BGB. Denn anders als bei Eheverträgen haben die Vertragsparteien i.d.R., nachdem die Ehe bereits gescheitert ist, genauere Vorstellungen von künftigen Entwicklungen und machen diese zur Geschäftsgrundlage ihrer Vereinbarung, so dass bei Abweichungen § 313 BG greift. Der Unterhalt kann auf Verlangen durch eine Kapitalabfindung abgegolten werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird (§ 1585 Abs. 2 BGB). Bei Gefährdung der Unterhaltsleistung 546 547 548 549 550
Gageik, FPR 2005, 122, 126 m.w.N. BGH, FamRZ 2004, 601, 605. So jetzt korrigierend BGH, NJW 2005, 2391. BGH, FamRZ 2006, 1359 m. Anm. von Bergschneider, S. 1437. BGH, FamRZ 2009, 198, Tz. 36; FamRZ 2007, 197, 198 f.; FamRZ 1983, 137; FamRZ 1985, 788, 790. 551 Die Anwendung der Ausübungskontrolle auf Scheidungsfolgenvereinbarungen bejahen u.a. OLG Naumburg, FamRZ 2007, 473 ff. m. Anm. v. Bergschneider S. 476; OLG Celle, FamRZ 2004, 1969 m. Anm. v. Bergschneider, S. 1970; Herrler, FPR 2009, 506, 511, a.A. Palandt/Brudermüller, § 1585c BGB Rn. 17.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
ist es möglich, eine Sicherheit für einen Jahresbetrag des Unterhalts zu verlangen (§ 1585a BGB). Möglich ist auch anstelle der Kapitalabfindung die Übertragung von Wertpapieren, Immobilien oder Geschäftsanteilen.552
X. Unterhalt für die Vergangenheit 550 Der Gesetzgeber hat § 1585b Abs. 2 BGB mit Wirkung ab 1.1.2008 neu gefasst, so dass bei der Geltendmachung von Unterhaltsrückständen unterschiedliche Voraussetzungen zu beachten sind, je nachdem ob Unterhalt aus der Zeit bis zum 31.12.2007 beansprucht wird oder ab dem 1.1.2008: (1) Rückständiger Unterhalt für die Zeit ab 1.1.2008 Für die Vergangenheit kann Unterhalt für den Zeitraum ab 1.1. 2008 rückwirkend gemäß § 1585b Abs. 2 BGB nach den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden, d.h. ab dem Zeitpunkt der Inverzugsetzung, ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs und von dem Zeitpunkt an, zu dem der Verpflichtete zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen (zum Auskunftsverlangen s. Rn. 591, 592). Die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs tritt mit förmlicher Zustellung der Antragsschrift ein (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO), bei laufendem Unterhaltsstreitverfahren durch Zustellung des antragserweiternden Schriftsatzes beziehungsweise Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung. Die Übersendung des Verfahrenskostenhilfegesuchs bewirkt keine Rechtshängigkeit, sie steht aber einer Mahnung gleich.553 Die Inverzugsetzung nach § 286 Abs. 1 BGB erfordert eine Mahnung auf Zahlung eines bezifferten Betrages nach Fälligkeit der Unterhaltsforderung unter Angabe des Zahlungsdatums (s. Rn. 596). Steht die Zahlungspflicht nach dem Kalender fest und ist dies dem Verpflichteten bekannt, tritt der Verzug ohne Mahnung ein (§ 286 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt, wenn der Verpflichtete eindeutig und endgültig die Zahlung verweigert (§ 286 Abs. 3 BGB). Der Unterhalt wird jeweils geschuldet ab dem Ersten des Monats (Fälligkeit), in den eines der drei bezeichneten Ereignisse fällt (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB).
" Praxishinweis: Die Anwendbarkeit von § 1613 Abs. 1 BGB auf den nachehe-
lichen Unterhalt seit 1.1.2008 hat auch verfahrensrechtliche Folgen, denn seitdem darf der Unterhaltsberechtigte rückwirkend wegen Unterhalts die Abänderung eines Unterhaltsurteils/Beschlusses schon ab dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorgelegen haben. Im Gegensatz zu früher also schon jeweils ab dem 1. des Monats, in den eines der in § 1613 Abs. 1 BGB genannten Ereignisse fällt (§ 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F.). Dies gilt auch nach neuem Verfahrensrecht seit 1.9.2009 gemäß § 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG, s. Rn. 854. Wurde die Änderung wegen Unterhalts für die Zeit vor dem 1.1.2008 verlangt, war eine Änderung vor Rechtshängigkeit der Klage nur taggenau ab dem Tag der Inverzugsetzung möglich (§ 1585b Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. § 323 Abs. 3 ZPO). Für den Unterhaltsverpflichteten ist die rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts im
552 Herrler, FPR 2009, 506, 509 f., zur Gestaltung v. Unterhaltsvereinbarungen nach der Unterhaltsrechtsreform. 553 BGH, FamRZ 1990, 283, 285; 1992, 920.
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X. Unterhalt für die Vergangenheit
Urteil/Beschluss erst seit der Reform des Verfahrensrechts gemäß § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG möglich, und zwar für die Zeit ab dem 1. des auf ein Auskunfts- oder Verzichtsverlangen folgenden Monats bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit der Antragsschrift, s. dazu Rn. 855. Unverändert gilt für die rückwirkende Geltendmachung nachehelichen Unter- 550a halts, dass Unterhalt für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit nur verlangt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat (§ 1585b Abs. 3 BGB). Für die Absicht, sich der Leistung zu entziehen, spricht ein zweckgerichtetes Handeln des Verpflichteten, das dem Berechtigten die Durchsetzung seines Anspruchs erschwert. Anhaltspunkte für ein zweckgerichtetes Handeln können z.B. sein, ein Wohnsitzwechsel des Verpflichteten, ohne dies dem Berechtigten mitzuteilen oder das Verschweigen von Einkommensänderungen, obwohl er sich dazu vertraglich verpflichtet hat.554 Der Unterhaltsberechtigte ist für sämtliche Voraussetzungen des Verzugs, der Rechtshängigkeit oder des Auskunftsersuchens und die Absicht des Verpflichteten, sich zu entziehen, darlegungs- und beweispflichtig. Zur schlüssigen Darlegung des Sich-Entziehens reicht es allerdings, die Umstände darzutun, die nach der Lebenserfahrung den Schluss darauf zulassen.555 Es ist dann Sache des Schuldners diese tatsächliche Vermutung zu entkräften. Wird rückständiger Unterhalt für mehr als ein Jahr geltend gemacht, kann die Frage von Bedeutung sein, ob für die Berechnung des rückständigen Unterhalts wegen der Zeitschranke nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Antragsschrift, sondern schon auf deren Eingang abgestellt werden kann, wenn gleichzeitig Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt wird. Dazu werden unterschiedliche Standpunkte vertreten: Nach einer Auffassung ist auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, also die Rechtshängigkeit, abzustellen,556 nach anderer Meinung soll entsprechend dem Rechtsgedanken des § 167 ZPO auf den Eingang der Antragsschrift mit einem VKH-Antrag abgestellt werden, denn Verzögerungen durch das VKH-Verfahren, die nicht auf ein nachlässiges Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sind, sollen ihm nicht zum Nachteil gereichen.557 Dabei wird an den Regelungszweck des § 167 ZPO angeknüpft, nach dem sichergestellt werden soll, dass eine Frist, etwa bei Klageerhebung, auch dann gewahrt wird, wenn die Zustellung nicht unmittelbar nach Einreichung der Klageschrift bei Gericht erfolgt, denn der Kläger soll nicht durch Verzögerungen benachteiligt werden, die auf gerichtsinterne Vorgänge zurückzuführen sind, auf die er keinen Einfluss hat.558 Da die Beschränkung der rückwirkenden Geltendmachung von Unterhalt nach § 1585b Abs. 3 BGB dem Schuldnerschutz dient und eine Konkretisierung des Verwirkungsgedankens darstellt, sollte als Berechnungszeitpunkt für den rückständigen Unterhalt auf den Eingang der Antragsschrift mit dem VKH-Antrag abgestellt werden, denn der Unterhaltsschuldner erlangt im Rahmen des VKH-Verfahrens Kenntnis von der Geltendmachung 554 555 556 557
Gerhardt/Wendl, § 6 Rn. 111. BGH, NJW 1989, 526, 528. OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1039; OLG Frankfurt, EzFamR aktuell 2002, 101. OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 327; OLG Schleswig, FamRZ 2002, 1635 zu § 1585b BGB; zu dem Rechtsgedanken des § 167 ZPO allgemein: Zöller/Greger, § 167 ZPO Rn. 15; BGH, NJW 1978, 938; 1991, 1745; BVerfG, NJW 1994, 1853. 558 BVerfG, NJW 1994, 1853.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
des Unterhalts und kann sich ab dem Zeitpunkt in seiner Lebensführung auf in Betracht kommende Unterhaltsforderungen einstellen. Beispiel F wird am 1.2.2009 rechtskräftig geschieden und fordert M auf, monatlich 300 Euro Unterhalt ab 5.2.2009 zu zahlen. M zahlt nicht. F mahnt ihn mehrfach vergeblich. Ihr VKH-Antrag geht mit der Zahlungsantragsschrift am 1.4.2010 bei Gericht ein, sie verlangt rückständigen und laufenden Unterhalt für die Zeit ab 5.2.2009 und meint, dass sich M absichtlich der Leistung entzogen habe. Das Gericht entscheidet am 15.10.2010 und bewilligt VKH für den rückständigen Unterhalt jedoch nur für die Zeit bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit der Antragsschrift. Die Antragsschrift wird am 1.11.2010 rechtshängig. Bei Anwendung des Rechtsgedankens des § 167 ZPO wäre nicht nur die Geltendmachung von Unterhalt ab 1.11.2009, sondern schon ab 1.4.2009 (Eingang des PKH Antrags am 1.4.2010) schlüssig. Keinen Erfolg hat der Antrag für die Zeit vom 5.2.–31.3.2009, denn dass M den Unterhalt nicht zahlt, erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Entziehens“.
550b (2) Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 Soweit rückständiger Unterhalt für die Zeit bis zum 31.12.2007 geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen des § 1585b Abs. 2 BGB a.F. zu beachten: Danach kann Unterhalt für die Vergangenheit nur verlangt werden ab Inverzugsetzung und ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs, dies jeweils nur vom Tag des Zugangs der Mahnung (auch Stufenmahnung559) beziehungsweise der Zustellung der Klageschrift an. Eine wirksame Mahnung setzt die Rechtskraft der Scheidung voraus.560 Bis zum 31.12.2007 konnte vor Eintritt der Rechtskraft Scheidung deshalb keine wirksame Mahnung ausgesprochen werden, so dass sich das Problem einer Versorgungslücke für den unterhaltsbedürftigen Ehegatten bis zu diesem Zeitpunkt dann stellt, wenn nicht unverzüglich nach der Rechtskraft der Scheidung erneut eine Mahnung unter Angabe der Zahlbetrags und des Datums des Zahlungsbeginns ausgesprochen wurde. Eine für den Trennungsunterhalt ausgesprochene Mahnung wirkt nicht für den nachehelichen Unterhalt fort. Im Übrigen gilt auch für Unterhalt im Zeitraum bis zum 31.12.2007, dass Unterhalt für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit nur verlangt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat (§ 1585b Abs. 3 BGB). Insoweit wird auf die obenstehenden Ausführungen Bezug genommen. Verzugszinsen für Unterhalt können nur verlangt werden, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Insoweit gelten beim Nacheheunterhalt keine Besonderheiten, so dass wegen der Voraussetzungen und Höhe auf Rn. 159 ff. verwiesen wird.
XI. Verwirkung rückständigen Unterhalts nach § 242 BGB 550c Die Frage der Verwirkung des Rechts auf Geltendmachung rückständigen Unterhalts spielt im Hinblick darauf, dass beim nachehelichen Unterhalt in der Regel der Unterhalt nur für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rechtshängigkeit verlangt werden kann (§ 1585b Abs. 3 BGB), praktisch keine Rolle (vgl. die vorstehenden Ausführungen unter Rn. 550a).
559 BGH, FamRZ 1990, 283, 285. 560 BGH, FamRZ 1990, 920, 921.
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XIII. Rangverhältnisse
Soweit der Unterhalt bereits tituliert ist, gelten die allgemeinen Grundsätze, d.h. Unterhaltsansprüche können auch schon vor Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 195 BGB) verwirkt sein, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Auch hier reicht es nach der Rechtsprechung des BGH schon, wenn der Berechtigte länger als ein Jahr keine Anstalten gemacht hat von seinem Recht auf Vollstreckung Gebrauch zu machen. Denn die zeitnahe Verwirklichung der Ansprüche dient dem Schuldnerschutz, um ein Anwachsen der Schulden zu vermeiden, so dass es egal ist, ob die Ansprüche tituliert sind oder nicht.561 Der Gesetzgeber hat dem Schuldnerschutz auch im Rahmen der Verjährungsfristen einen Vorrang eingeräumt, indem er für titulierte Unterhaltsansprüche (s. Rn. 551) – abweichend von anderen titulierten Ansprüchen – hinsichtlich des laufenden Unterhalts keine längere Verjährungsfrist als 3 Jahre vorgesehen hat (§§ 197 Abs. 2, 195 BGB, s. Rn. 551). Ob das Umstandsmoment der Verwirkung ebenfalls erfüllt ist, hängt von den individuellen Verhältnissen ab, u.a. davon, ob sich der Verpflichtete schon in seiner Lebensführung auf die Nichtinanspruchnahme eingestellt hat.562
XII. Verjährung Die Verjährungsfrist für Nacheheunterhalt beträgt 3 Jahre (§ 197 Abs. 2, Abs. 1 551 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 195 BGB). Sie beginnt grundsätzlich bei Unterhaltsansprüchen erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Für die Vollstreckung titulierten Unterhalts ist bei der Prüfung der Verjährung zu differenzieren: Nacheheunterhalt, der für die Zeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung bzw. bis zur Errichtung der Urkunde oder des Abschlusses des Vergleichs tituliert ist, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 201 BGB), Unterhaltsansprüche für die Zeit ab den genannten Zeitpunkten unterliegen im Interesse des Schuldnerschutzes der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist, denn mit der Titulierung des laufenden Unterhalts soll der aktuelle Unterhaltsbedarf des Unterhaltsgläubigers gedeckt werden, so dass die Durchsetzung seiner Rechte innerhalb dieses Zeitraums zu erwarten ist. Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen kann aus den verschiedensten Gründen gehemmt werden, vgl. dazu §§ 203 ff. BGB und die Ausführungen unter Rn. 425.
XIII. Rangverhältnisse (1) Die Regelung der Rangverhältnisse ab 1.1.2008
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Reicht das Geld des Verpflichteten nicht aus, um den Bedarf aller Unterhaltsberechtigten gleichmäßig zu befriedigen, sind die minderjährigen und ihnen 561 BGH, FamRZ 2004, 531–532; OLGR München 2002, 68. 562 Der BGH (FamRZ 2004, 531–532) hat keine Verwirkung der Vollstreckungsbefugnis titulierter, noch nicht verjährter Unterhaltsrückstände angenommen, weil der Schuldner sich aufgrund seines überdurchschnittlichen Verdienstes nicht in seiner Lebensführung auf die Nichtgeltendmachung habe einstellen müssen.
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G. Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
gleichgestellten privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 BGB) seit Inkrafttreten des UÄndG vorrangig vor den geschiedenen Ehegatten zu befriedigen. Sie stehen im ersten Rang (§ 1609 Nr. 1 BGB). Bleibt nach der Befriedigung der erstrangig berechtigten Kinder noch Geld übrig, folgen im zweiten Rang kinderbetreuende Elternteile, egal, ob sie mit dem Verpflichteten verheiratet sind oder waren, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile i.S.v. § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu berücksichtigen (s. Rn. 525). Als Ehedauer gilt die Zeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Nach Ablauf von 15 Jahren liegt eine den Unterhaltsvorrang sichernde Ehedauer vor.563 Für die Klärung, ob eine Ehe von langer Dauer ist oder war, ist nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht nur auf die Anzahl der Ehejahre abzustellen, vielmehr soll bei der Bewertung mitberücksichtigt werden, ob die Unterhaltsbedürftigkeit auf ehebedingten Nachteilen beruht. Denn ein besonderer Vertrauensschutz soll nach neuem Recht dem Ehegatten zukommen, der sich unter Verzicht auf die eigene berufliche Entwicklung in der Ehe überwiegend der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder und der Führung des Haushalts dauerhaft gewidmet hat und deshalb nicht oder nur eingeschränkt selbst für seine Unterhalt sorgen kann.564 Im 3. Rang folgen Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen (§ 1609 Nr. 3 BGB). Beispiele – M war mit F 1 12 Jahre verheiratet und hat mit ihr 2 Kinder im Alter von 16 und 19 Jahren, beide Schüler, die im Haushalt von F 1 leben. F 1 war in der Ehe immer teilzeitbeschäftigt und findet keine Vollbeschäftigung. M ist in zweiter Ehe mit F 2 verheiratet, die das zweijährige Kind betreut und nicht erwerbstätig ist. Zunächst ist vom Einkommen des M der Unterhalt für die drei Kinder abzuziehen. Der verbleibende Betrag, von dem der M zustehende Selbstbehalt abzuziehen ist, steht F 1 und F 2 anteilig zu, denn beide sind im 2. Rang berechtigt: F 1 wegen der langen Dauer der Ehe im Hinblick auf fortwirkenden ehebedingten Nachteilen bei ihren Erwerbsmöglichkeiten, F 2 wegen der Kindesbetreuung. Vgl. auch die Beispiele unter Rn. 422. – F 1 hat nach achtjähriger, geschiedener Ehe einen Anspruch gegen M wegen Krankheit gem. § 1572 Abs. 1 BGB. M ist wieder verheiratet und hat mit F 2 zwei gemeinsame Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren. F 2 ist nicht erwerbstätig und betreut die Kinder. Nach Abzug des Kindesunterhalts ist F 2 vorrangig vor F 1 unterhaltsberechtigt wegen der Kindesbetreuung. F 1 ist an dritter Rangstelle berechtigt.
Volljährige Kinder, Enkel, Eltern und weitere Verwandte sind immer nach den Ehegatten unterhaltsberechtigt (§ 1609 Nr. 4 bis 7 BGB). 552a (2) Die Regelung der Rangverhältnisse bis 31.12.2007 Nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Regelung sind geschiedene Ehegatten neben minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern gleichrangig zum Unterhalt berechtigt und gehen anderen Kindern und Verwandten vor (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.). Hat der Verpflichtete wieder geheiratet, steht der geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatte dem neuen Ehegatten im Rang gleich, wenn der neue Ehegatte bei entsprechender Anwendung der nachehelichen Unterhaltsansprüche Unterhalt nach §§ 1569–1574, 1576 und § 1577 Abs. 1 BGB beanspruchen könnte. Der frühere Ehegatte ist immer bevorrechtigt unterhaltsberechtigt, wenn er einen nachehelichen Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung 563 BGH, FamRZ 1983, 886. 564 BT-Drucks. 16/6980, S. 20, 21.
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XIV. Verfahrenskostenvorschuss
(§ 1570 BGB) oder aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB) hat oder die Ehe mit dem geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war. War die Ehe von langer Dauer, ist der Anspruch des geschiedenen Ehegatten stets vorrangig. Für die Bemessung der Ehedauer ist abzustellen auf die Zeit von der Heirat bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.565 Nach Ablauf von 15 Jahren ist eine lange Dauer der Ehe nicht zweifelhaft.566 Keine lange Dauer sind 8 Jahre.567 Steht die Ehedauer danach fest, sind dann Zeiten, in denen der Ehegatte wegen der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder nach § 1570 BGB a.F. unterhaltsberechtigt war, hinzuzurechnen (§ 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB).568 Liegen die Voraussetzungen für eine vorrangige Berechtigung des geschiedenen Ehegatten vor, ist nur er neben den minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern im Rang gleich. Der neue Ehegatte tritt bei dieser Konstellation ausnahmsweise gegenüber den Kindern zurück, obwohl er nach dem Gesetzeswortlaut des § 1609 Abs. 2 BGB a.F. grundsätzlich deren Rang teilt.569 Diese Auslegungskorrektur ist geboten, um den in § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Vorrang des geschiedenen Ehegatten zu sichern. Sie gilt aber immer nur, wenn Unterhaltsansprüche zweier (geschiedener) Ehefrauen tatsächlich nebeneinander bestehen und deren Rangverhältnis im Verhältnis zu den minderjährigen und privilegieren volljährige Kindern zu klären ist, daraus folgt hingegen kein genereller Nachrang neuer Ehegatten gegenüber den Kindern.570
XIV. Verfahrenskostenvorschuss Dem geschiedenen Ehegatten steht ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss 553 gegen den Unterhaltspflichtigen nicht zu. Das Gesetz sieht einen solchen Anspruch nicht vor. § 1360a Abs. 4 BGB, der die Vorschusspflicht für Ehegatten bei bestehender Ehe regelt, findet keine entsprechende Anwendung, da aus der Konzipierung des Gesetzes geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Vorschusspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten abgesehen hat.571 Denn für nicht getrennt lebende Ehegatten wurde für den Vorschuss eine spezielle Anspruchsnorm neben dem Anspruch auf Familienunterhalt in § 1360a Abs. 1 BGB geschaffen, der auch im Verhältnis getrennt lebender Ehegatten Geltung haben soll (§ 1361 Abs. 4 i.V.m. § 1360a Abs. 4 BGB). Für geschiedene Ehegatten fehlt ein Verweis auf § 1360a Abs. 4 BGB. Dass dem geschiedenen Ehegatten auch tatsächlich kein Anspruch zustehen soll, ergibt sich auch aus der Ausgestaltung des Nacheheunterhaltsrechts, wonach jeder grundsätzlich allein für seinen Unterhalt nach der Scheidung zu sorgen hat und eine nacheheliche Unterhaltspflicht nur in den gesetzlich enumerativ geregelten Bedürfnislagen eingreift.
565 566 567 568 569 570 571
BGH, FamRZ 1983, 886, 887; 1985, 362. BGH, FamRZ 1985, 362; 1986, 790, 792 jeweils m.w.N. BGH, FamRZ 1983, 678, 680. Vgl. Rn. 534 zu § 1579 Nr. 1 und BVerfG, FamRZ 1989, 941. BGH, FamRZ 1988, 705, 707, BGH, NJW 2005, 2145, 2146 = FamRZ 2005, 1154, 1155. BGH, NJW 2005, 2145, 2146 = FamRZ 2005, 1154, 1155. BGH, FamRZ 1984, 148 ff.
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H. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft Am 1.8.2001 ist das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleich- 554 geschlechtlicher Gemeinschaften1 in Kraft getreten. Der wichtigste Bestandteil dieses Gesetzes ist das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz), in welchem das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft definiert, die Voraussetzungen für seine Begründung und Beendigung aufgestellt und seine wesentlichen familienrechtlichen Rechtsfolgen normiert werden. Die Wirkungen der zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern geschlossenen Lebenspartnerschaft sind denen einer Ehe nachempfunden. Das gilt auch für die in diesem Gesetz normierten Unterhaltsansprüche zwischen den Lebenspartnern. Der Systematik im Eherecht folgend, hat der Gesetzgeber einen Unterhaltstatbestand für die Zeit der bestehenden Lebenspartnerschaft bei bestehender Lebensgemeinschaft (§ 5 LPartG), bei Getrenntleben (§ 12 LPartG) und für die Zeit nach dem Ende der Lebenspartnerschaft (§ 16 LPartG) geschaffen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz hat in seiner ursprünglichen Fassung der – berechtigten – Erwartung Rechnung getragen, dass in einer Lebenspartnerschaft i.d.R. beide Partner erwerbstätig sind.2 Mit den am 1.1.2005 in Kraft getretenen Änderungen des LPartG durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts3 hat der Gesetzgeber die Rechtsbeziehungen der Lebenspartner den für Eheleute geltenden Vorschriften weiter angenähert.4 Die ausdrückliche Betonung des Grundsatzes der Eigenverantwortung geschiedener Ehepartner im Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3189) ermöglicht es, die Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern nunmehr denjenigen von Ehegatten gleichzustellen. Mit den Änderungen von §§ 5, 12 und 16 LPartG wird auch die unterhaltsrechtliche Rangfolge nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz an die für den Ehegattenunterhalt geltende Rangfolge nach dem neuen Unterhaltsrecht angeglichen. In der Praxis sind Prozesse zwischen Lebenspartnern um Unterhalt selten. Soweit ersichtlich sind seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes nur zwei obergerichtliche Entscheidungen – beide zu Unterhaltsansprüchen zwischen getrennt lebenden Lebenspartnern gemäß § 12 LPartG in der bis zum 31.12.2004 gültigen Gesetzesfassung – veröffentlicht worden.5 Aus diesem Grund und wegen der weitgehenden rechtlichen Angleichung der Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern an die Unterhaltsansprüche zwischen Ehepartnern werden die einzelnen Unterhaltsbestimmungen im Lebenspartnerschaftsgesetz nicht im Einzelnen kommentiert. Nach § 5 LPartG sind die Lebenspartner bei bestehender Lebensgemeinschaft ei- 555 nander zum angemessenen Unterhalt verpflichtet, wobei § 1360 Satz 2 BGB (un1 2 3 4
BGBl. I 2001, S. 266. BT-Drucks. 14/3751, S. 42; vgl. auch Roller, FamRZ 2003, 1424. BGBl. I 2004, S. 3396. Vgl. Grziwotz, FPR 2010, 191, der von einer Überreglementierung ohne praktische Relevanz spricht. 5 OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 335; OLG Bremen, FamRZ 2003, 1280.
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H. Unterhaltsansprüche zwischen Lebenspartnern
terhaltsrechtliche Bewertung der Haushaltsführung) und die §§ 1360a BGB (Umfang der Unterhaltspflicht) und 1360b BGB (i.d.R. kein Ersatz zuviel geleisteten Unterhalts) entsprechend gelten. Der Unterhaltsanspruch für die Zeit des Getrenntlebens ist § 1361 BGB nachgebildet, der den Unterhaltsanspruch zwischen getrennt lebenden Eheleuten regelt. Nach § 12 Satz 1 LPartG kann ein Lebenspartner von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Lebenspartner angemessenen Unterhalt verlangen. Nach § 12 Satz 2 LPartG gilt § 1361 BGB entsprechend. Der getrennt lebende und unterhaltsbedürftige Partner kann daher im Regelfall Trennungsunterhalt beanspruchen und nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 1361 Abs. 3 BGB darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Der nachpartnerschaftliche Unterhaltsanspruch nach § 16 LPartG formuliert – nunmehr ebenso wie § 1569 BGB für den Geschiedenenunterhalt – zunächst den Grundsatz der Eigenverantwortung als Generalklausel. Nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft obliegt es jedem Lebenspartner, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 16 Satz 1 LPartG). Ist er hierzu außerstande, hat er gegen den anderen Lebenspartner einen Anspruch auf Unterhalt nur entsprechend den §§ 1570 bis 1585b BGB. 556 Der in § 16 Abs. 2 LPartG a.F. bislang geregelte Nachrang partnerschaftlicher Unterhaltsansprüche gegenüber den Unterhaltsansprüchen von Ehegatten ist beseitigt. Für Lebenspartner gilt jetzt das eheliche Unterhaltsrecht auch bezüglich der Rangfolge von Unterhaltsansprüchen. Auf § 1609 BGB wird für den Lebenspartnerschaftsunterhalt (§ 5 LPartG) und für den Unterhalt bei Getrenntleben (§ 12 LPartG) verwiesen. Für den nachpartnerschaftlichen Unterhalt gelten die Rangbestimmungen in §§ 1582, 1609 BGB entsprechend. Unterhaltsansprüche von Lebenspartnern fallen danach entsprechend den individuellen Lebensverhältnissen entweder unter § 1609 Nr. 2 BGB oder Nr. 3 BGB.6
6 BT-Drucks. 16/1830, S. 32; zur Rangfolge s. Rn. 422, 552.
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I. Spezialprobleme I. Unterhaltsvorschuss und Rückgriff des Leistungsträgers 1. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss Unterhaltsvorschuss ist eine öffentliche Sozialleistung für minderjährige Kinder, 556a die mit einem alleinerziehenden Elternteil in einem Haushalt zusammenleben. Der Anspruch steht dem Kind zu. Der Antrag auf Vorschuss ist schriftlich bei der für den Wohnsitz des alleinerziehenden Elternteils zuständigen örtlichen Behörde (i.d.R. das Jugendamt) zu stellen (§ 9 Abs. 1 UVG). Alleinerziehend ist ein Elternteil, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten – und seit 1.1.2008 auch von seinem Lebenspartner – dauernd getrennt lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG).1 Ein Elternteil gilt als dauernd getrennt lebend, wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben i.S. des § 1567 BGB vorliegt oder wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner wegen Krankheit oder Behinderung oder aufgrund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. (§ 1 Abs. 2 UVG). Leben die Eltern zusammen, entfällt der Anspruch, denn Ziel des UVG ist es, die prekäre Lage alleinerziehender Eltern zu mildern.2 Der Unterhaltsvorschuss wird seit 1.1.2008 in Höhe des Mindestunterhalts i.S. 556b von § 1612a Abs. 1 BGB bundeseinheitlich für Kinder im Alter von bis zu 12 Jahren für die Dauer von insgesamt 6 Jahren (72 Monate) gewährt, wenn der betreuende Elternteil keinen oder nur unregelmäßig Unterhalt für das Kind erhält (§§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG). Regelmäßig sind Zahlungen, die jeweils monatlich im Voraus erfolgen (§ 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB). Geringfügige Verzögerungen begründen noch keinen Anspruch. Wird nur ein Teil des Unterhalts gezahlt und liegt der Betrag unter der Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalts abzüglich das Kindergeld besteht ein Anspruch auf Aufstockung durch Unterhaltsvorschuss.3 Ab Vollendung des 12. Lebensjahres besteht für das Kind kein Anspruch mehr auf Unterhaltsvorschuss. Bei Bedürftigkeit kann dann ein Anspruch auf Sozialgeld in Betracht kommen (§ 28 Abs. 2 SGB II, s. Rn. 66d). Die Höhe des Unterhaltsvorschusses seit 1.1.2008 ergibt sich aus der nachfolgenden Aufstellung: Vorschuss in 2008 1. Altersstufe 0– 5 Jahre 2. Altersstufe 6–11 Jahre
Kindergeld 154 Euro 279 – 154 = 125 Euro 322 – 154 = 168 Euro
Vorschuss in 2009 1. Altersstufe 0– 5 Jahre 2. Altersstufe 6–11 Jahre
Kindergeld 164 Euro 281 – 164 = 117 Euro 322 – 164 = 158 Euro
Vorschuss ab 2010 1. Altersstufe 0– 5 Jahre 2. Altersstufe 6–11 Jahre
Kindergeld 184 Euro 317 – 184 = 133 Euro 364 – 184 = 180 Euro
1 1. Gesetz zur Änderung des UVG v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3194. 2 Grube, § 1 UVG Rn. 92. 3 Helmbrecht, UVG, § 1 UVG Rn. 16; Grube, § 1 UVG Rn. 58.
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I. Spezialprobleme
Für die Zeit bis zum 31.12.2007 bestand der Anspruch in Höhe des jeweils maßgeblichen Regelbetrags nach der RegelbetragVO abzüglich das hälftige Kindergeld, wobei für die alten und neuen Bundesländer unterschiedlich hohe Regelbeträge galten. Nach dem Stand 1.7.2007 ergab sich für Kinder, die in den alten Bundesländern lebten, in der 1. und 2. Altersstufe ein Anspruch i.H.v. 125 Euro (202 Euro – 77 Euro), bzw. 168 Euro (245 Euro – 77 Euro) und in den neuen Bundesländern i.H.v. 109 Euro (186 Euro – 77 Euro), bzw. 149 Euro (226 Euro – 77 Euro). Ein Anspruch auf Unterhaltsleistung besteht nicht für Monate, für die der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten durch Vorausleistung erfüllt hat (§ 1 Abs. 4 UVG). Dabei können Vorausleistungen durch den Unterhaltspflichtigen mit befreiender Wirkung nur für die Dauer von drei Monaten erbracht werden, § 1614 Abs. 2 BGB i.V.m. § 760 Abs. 1 BGB. Für diesen Zeitraum hat das Kind keinen Anspruch. Längere Vorausleistungen muss das Kind nicht gegen sich gelten lassen, das heißt, wenn der Unterhaltspflichtige die Zahlung verweigert, besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss mit der Folge des gesetzlichen Übergangs des Unterhaltsanspruchs auf den Leistungsträger. Soweit der Bedarf eines Kindes durch Leistungen nach dem SGB VIII (Kinderund Jugendhilfegesetz) gedeckt ist, z.B. aufgrund stationärer Leistungen der Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder, besteht für den Leistungsträger seit 1.1.2008 kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UVG). Dieser kann aufgrund des gesetzlich geregelten Wegfalls des Anspruchsübergangs keine Erstattung mehr von den Eltern verlangen. Dies gilt auch im Falle der gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kind oder des Kindes in einer Pflegestelle. Dies schließt eine Beteiligung der Eltern an den Kosten nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen nicht aus, s. Rn. 102. Nicht freizügigkeitsberechtigte ausländische oder staatenlose Kinder haben nur dann einen Anspruch, wenn sie in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt auf der Grundlage einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis haben, bzw. der alleinerziehende Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis hat. Freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU) oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben einen Anspruch, sofern sie sie die übrigen Voraussetzungen des § 1 UVG erfüllen (§ 1 Abs. 2a UVG). 2. Rückgriff des Leistungsträgers (§ 7 UVG) 556c Für die Zeit, für die der Vorschuss gewährt wird, geht ein bestehender Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil in Höhe der gewährten Vorschussleistung kraft Gesetzes gem. § 7 Abs. 1 UVG zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf das Land über. Der Forderungsübergang ist möglich, weil es sich bei dem gewährten Unterhaltsvorschuss um eine subsidiäre Leistung des Staates handelt, die nicht den Bedarf des Kindes deckt und dessen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltpflichtigen unberührt lässt. Der Anspruchsübergang erfolgt nach dem Gesetzeswortlaut auch nur gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil, bei dem es nicht lebt, nicht hingegen gegenüber nachrangig haftenden Unterhaltsschuldner wie zum Beispiel den Großeltern.4 4 Grube, § 7 UVG Rn. 2; DIJuF-Gutachten, JAmt 2007, 85; nimmt das Kind die Großeltern auf Unterhalt in Anspruch, muss es sich die Vorschussleistungen bedarfsdeckend anrechnen lassen. OLG Dresden, FamRZ 2006, 569.
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I. Unterhaltsvorschuss und Rückgriff des Leistungsträgers
Der Anspruchsübergang erfolgt ab dem Zeitpunkt, zu dem die öffentlich-rechtliche Leistung tatsächlich bewirkt wird und unabhängig davon, ob bereits ein Titel über die Leistung besteht oder nicht. Durch landesrechtliche Regelung ist festgelegt, welche Behörde mit der Durchsetzung der Rückgriffsansprüche im Namen des Landes beauftragt ist.5 Dies sind meist die Jugendämter, so dass im Folgenden als Rückgriffsbehörde das Jugendamt bezeichnet wird. Von den eingezogenen Beträgen führt das Land? an den Bund ab, der auch in Höhe eines Drittels für den Unterhaltsvorschuss aufkommt (§ 8 UVG). Das Jugendamt hat den Unterhaltspflichtigen darüber zu informieren, dass er für den geleisteten Unterhalt in Anspruch genommen werden kann (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG). Ab dem Zugang dieser Rechtswahrungsanzeige kann der Schuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an das Kind leisten. Zur Sicherung des Beweises der Kenntnisnahme wird dem Unterhaltsschuldner die Rechtswahrungsanzeige zugestellt. Bei zügigem Handeln kann die Behörde auf diesem Wege vermeiden, dass sie den geleisteten Vorschuss von dem betreuenden Elternteil nach § 5 UVG zurückfordern muss. Der übergegangene Anspruch muss vom Jugendamt zeitnah – unter Beachtung des Haushaltsrechts – gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden (§ 7 Abs. 3 UVG).6 Damit wird nicht zuletzt aber auch eine Verwirkung des Anspruchs nach § 242 BGB vermieden (Rn. 160a). Ein Rückgriff sollte in der Regel innerhalb eines Jahres ab Zugang der Rechtswahrungsanzeige geltend gemacht werden. Ansonsten ist der Schuldnerschutz nicht gewahrt. Besteht noch kein Titel über den geschuldeten Kindesunterhalt und wurde der barunterhaltspflichtige Elternteil bisher nicht in Verzug gesetzt oder aufgefordert, Auskunft über sein Einkommen und Vermögen zur Berechnung des geschuldeten Unterhalts (§ 1613 BGB) zu erteilen, wird das Jugendamt i.d.R. die Rechtswahrungsanzeige entweder mit einer bezifferten Zahlungsaufforderung oder mit einem Auskunftsersuchen über Einkommen und Vermögen verbinden und den Schuldner auf die Möglichkeit der Errichtung einer Jugendamtsurkunde hinweisen. Die Verbindung mit einem Mahnschreiben bzw. einem Auskunftsersuchen ist im Hinblick auf ein späteres Unterhaltsstreitverfahren zur Sicherung der Rechte geboten (vgl. hierzu Rn. 590 ff.). Im Unterhaltsstreitverfahren kann im Wege des Stufenantrags oder mit dem einfachen Leistungsantrag vorgegangen werden. Der einfache Leistungsantrag empfiehlt sich wegen des Kostenrisikos aber nur, wenn der Verpflichtete zuvor vergebens um Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen ersucht worden ist, denn dann kann das Gericht nach billigem Ermessen dem Schuldner die Kosten auferlegen (§ 243 Nr. 2 FamFG, zu den Kosten und zum Kostenrisiko im Unterhaltsstreitverfahren s. Rn. 684 ff. und den Praxishinweis unter Rn. 14). Das Jugendamt kann das Verfahren im Namen des Landes gegen den Schuldner selbst führen, die gesetzlich übergegangenen Ansprüche aber auch auf das Kind treuhänderisch zurückübertragen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 UVG). Führt es das Verfahren selbst, genießt es Gerichtskostenfreiheit (§ 2 Abs. 1 FamGKG). Von dem seit 1.9.2009 für alle Instanzen geltenden Anwaltszwang ist das Jugendamt als Behörde in der ersten und zweiten Instanz befreit (§ 114 Abs. 1–3 FamFG). 5 Siehe dazu die Aufstellung bei Grube, § 8 UVG Rn. 5, zu den landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen. 6 § 7 Abs. 3 UVG verweist auf das Haushaltsrecht, in dem die Maßstäbe für Durchsetzung, Stundung, Erlass oder Niederschlagung von Unterhaltsansprüchen geregelt sind, vgl. z.B. § 31 HGrG; Helmbrecht, UVG, 5. Aufl., § 7 Rn. 1 ff.
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I. Spezialprobleme
Die treuhänderische Rückübertragung auf das Kind ist immer dann sinnvoll, wenn zugunsten des Kindes ein höherer Anspruch in Betracht kommt, als es als Vorschuss erhalten hat. Führt das Kind das Verfahren, muss es beim Bezug von Unterhaltsvorschuss seine Aktivlegitimation hinsichtlich des kraft Gesetzes übergegangenen Anspruchs darlegen. Dies geschieht i.d.R. durch Vorlage einer Erklärung über die treuhänderische Rückübertragung der Ansprüche durch das Land. Hinsichtlich eines darüber hinausgehenden Anspruchs ist es – ungeachtet der Gewährung des Unterhaltsvorschusses – uneingeschränkt aktivlegitimiert. Die Verfahrenskosten, die dem Kind dadurch entstehen, dass es den rückabgetretenen Anspruch im Unterhaltsverfahren verfolgt hat, trägt das Land, soweit sie auf der Geltendmachung in Höhe des gewährten Vorschusses beruhen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 UVG).
" Praxishinweis: Soweit das Kind im Unterhaltsstreitverfahren Verfahrens-
kostenhilfe für die Geltendmachung der rückübertragene Forderung beantragt, muss mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BGH,7 der in Fällen treuhänderischer Rückübertragung gesetzlich übergegangener Forderungen wegen des Kostenerstattungsanpruchs des Kindes gegenüber dem Leistungsträger die Bedürftigkeit verneint, mit der Zurückweisung gerechnet werden. Dies gilt nicht für Ansprüche auf laufenden Unterhalt ab Rechtshängigkeit.8
Besteht ein Titel über den geschuldeten Unterhalt, so kann das Land, vertreten durch die damit beauftragte Behörde, daraus vollstrecken, nachdem es den Titel in Höhe der übergegangenen Forderungen auf sich hat umschreiben lassen (§ 727 ZPO).
II. ALG II/Sozialgeld und der Rückgriff des Leistungsträgers 1. Anspruchsvoraussetzungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und des Sozialgeldes für Kinder 556d Zu den Voraussetzungen, nach denen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II) und Sozialgeld für Kinder besteht, wird auf die Ausführungen unter Rn. 66a verwiesen. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.20109 ist mit gesetzlichen Änderungen zur Ermittlung des Anspruchsumfangs des sozialrechtlichen Existenzminimums und des Leistungsangebots nach dem SGB II ab 1.1.2011 zu rechnen (Rn. 66d). Diese berühren jedoch nicht die nachfolgend dargestellten Grundsätze für den Rückgriff des Leistungsträgers, der den Unterhaltspflichtigen auf Erstattung subsidiär erbrachter Sozialleistungen an den Unterhaltsberechtigten in Anspruch nimmt. 2. Rückgriff des Leistungsträgers nach § 33 SGB II 556e Der Leistungsträger kann wegen erbrachter Sozialleistungen bei dem Unterhaltspflichtigen Rückgriff nehmen, soweit die Unterhaltsforderung des Unterhaltberechtigten in Höhe der erbrachten Sozialleistung auf ihn übergegangen ist, der Übergang dem Verpflichteten schriftlich durch Rechtswahrungsanzeige mitgeteilt wurde und der Verpflichtete leistungsfähig ist (§ 33 SGB II). Leistungsträ7 BGH, FamRZ 2008, 1159 ff. m. Anm. v. Günther, S. 1162. 8 Kritisch dazu das DIJuF-Gutachten im JAmt 2008, 487. 9 BVerfG, FamRZ 2010, 429 ff. m. Anm. v. Schürmann, S. 441 f.
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II. ALG II/Sozialgeld und der Rückgriff des Leistungsträgers
ger sind im Regelfall die Agenturen für Arbeit (ARGE) (§§ 44b, 6 SGB II), die für die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen tätig sind.10 Ein Übergang der Unterhaltsforderung erfolgt auf den Leistungsträger immer nur für und in Höhe der Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht wurden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Dies sind bis zum 31.12.2010 die Regelleistungen und die Leistungen für Unterkunft und Heizung (§§ 19 Abs. 1 Satz 1, 22 SGB II), ev. Mehrbedarf (§ 21 SGB II) und das Sozialgeld für Kinder nach § 28 SGB II. Dass zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung fallen, ergibt sich nicht eindeutig aus der Gesetzesbegründung, ist aber nach dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik zu bejahen, denn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II sollen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausdrücklich angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung einschließen.11 Hinzu kommt, dass die Überleitungsregelung in § 33 SGB II dazu keine Ausnahmeregelung vorsieht. Diese Auslegung führt im Übrigen zu einem sinnvollen wirtschaftlichen Ergebnis, denn bei den Leistungen handelt es sich um Aufwendungen für unterhaltsrechtlich relevanten Lebensbedarf, die von der öffentlichen Hand nicht aufgebracht werden, um den Unterhaltsverpflichteten zu entlasten. Kein Übergang erfolgt für die befristeten Zuschläge nach § 24 SGB II und das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II. Insoweit handelt es sich um Leistungen, die Lohnersatzfunktion haben und als Einkommen des Bedürftigen zu behandeln sind. Einkommen des Unterhaltsberechtigten schmälert seinen Unterhaltsbedarf, so dass insoweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht. Bis zum 31.7.2006 erfolgte der Forderungsübergang in der Weise, dass der Leistungsträger, der an den Unterhaltsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erbracht hat, den Unterhaltsanspruch durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Pflichtigen auf sich übergeleitet hat (§ 33 SGB II a.F.). Mit Wirkung ab 1.8.2006 ist der Forderungsübergang mittels Überleitungsanzeige durch einen gesetzlichen Forderungsübergang ersetzt und damit vereinfacht worden (§ 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II).12 Seitdem gehen in Höhe der nach §§ 19 ff. SGB II erbrachten Leistungen die für denselben Zeitraum bestehenden Unterhaltsansprüche des Berechtigten kraft Gesetzes auf den Leistungsträger über. Der gesetzliche Forderungsübergang wirkt sich auch auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis 31.7.2006 aus. Da der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für den gesetzlichen Forderungsübergang nicht vorgesehen hat, kann auf die vom BGH zur Einführung des gesetzlichen Forderungsübergangs in § 91 BSHG entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden, nach der sich nach allgemeinen Rückwirkungsregeln der neu eingeführte gesetzliche Forderungsübergang auch auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erstreckt.13
10 Nachdem das BVerfG mit Urteil v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 = BVerfGE 119, 331–394 (FamRZ 2008, 859 Leitsatz) die Arbeitsagenturen wegen Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des GG für verfassungswidrig erklärt hat, ist mit einer gesetzlichen Neuregelung der Verantwortlichkeiten bis 31.12.2010 zu rechnen. 11 So auch Scholz, FamRZ 2006, 1417, 1422; Klinkhammer, FamRZ 2006, 1171. 12 Gesetz v. 20.7.2006, BGBl. I, 1706. 13 BGH, FamRZ 1995, 871; vgl. dazu auch Scholz, FamRZ 2006, 141 ff.; Klinkhammer, FamRZ 2006, 1171, 1173.
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I. Spezialprobleme
556f Nach § 33 SGB II gehen auf den Leistungsträger über die Unterhaltsansprüche 1. minderjähriger Kinder gegenüber ihren Eltern oder einem Elternteil, 2. volljähriger Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben, gegenüber ihren Eltern oder einem Elternteil, 3. getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte untereinander, 4. gleichgeschlechtlicher Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft während des Getrenntlebens und nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft, 5. von nicht miteinander verheirateten Eltern untereinander, wenn ein Elternteil ein gemeinsames Kind betreut (§ 1615l BGB) sowie 6. von Verwandten, die in gerader Linie miteinander verwandt sind und nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft leben, wie z.B. Eltern gegen ihre Kinder, Enkel gegen ihre Großeltern, volljährige Kinder gegen ihre Eltern, soweit nicht Ausschlussgründe nach § 33 Abs. 2 SGB II vorliegen (s. nachfolgend Rn. 556g). 3. Ausschluss des Anspruchsübergangs 556g Der gesetzliche Forderungsübergang ist nach § 33 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen, wenn die unterhaltsberechtigte Person 1. mit dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, 2. mit dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch nicht geltend macht; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche von Minderjährigen sowie von Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben, gegen ihre Eltern, 3. in einem Kindschaftsverhältnis zum Verpflichteten steht und schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. Der Übergang ist ferner ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Anspruch geht im Übrigen nur über, soweit das Einkommen und Vermögen der unterhaltspflichtigen Person das nach §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigt (§ 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Für die Vergangenheit können die Leistungsträger Unterhaltsansprüche außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts (§ 1613 BGB)14 nur von der Zeit an geltend machen, zu welcher sie dem Verpflichteten die Erbringung der Leistung schriftlich durch Rechtswahrungsanzeige mitgeteilt haben (§ 33 Abs. 3 SGB II). Mit der Unterhaltsforderung geht auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch auf den Leistungsträger über (§ 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
14 Beim Kindesunterhalt unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB. Bei anderen Unterhaltsansprüchen gilt § 1613 BGB entsprechend aufgrund gesetzlicher Verweise, vgl. §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3; § 1615l Abs. 3 BGB; § 5 LPartG; BGH, FamRZ 1995, 871.
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II. ALG II/Sozialgeld und der Rückgriff des Leistungsträgers
Aufgrund der Einführung des gesetzlichen Forderungsübergangs sind die Leis- 556h tungsträger verpflichtet, die übergeleiteten Ansprüche gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu verfolgen. Kommt es zum Unterhaltsstreitverfahren, kann der Leistungsträger seit dem 1.8.2006 den übergegangenen Anspruch auf den Leistungsempfänger zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen, wenn dieser mit einer Abtretung des Anspruchs auf sich einverstanden ist (§ 33 Abs. 4 SGB II). Die treuhänderische Rückübertragung war bis zum 31.7.2006 nicht zulässig, da sie im Gesetz nicht vorgesehen war (§ 33 SGB II a.F.). Die treuhänderische Rückübertragung kann sich gleichwohl auch auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor dem 1.8.2006 beziehen, sofern in der Zeit Arbeitslosengeld II gezahlt wurde, der Forderungsübergang insoweit nicht bereits durch Überleitungsanzeige erfolgt ist und die Ansprüche aus der Zeit vor dem 1.8.2006 im Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen ab dem 1.8.2006 im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs als Annex mit übergegangen sind.15 Kosten, mit denen der Leistungsempfänger durch die Prozessführung selbst belastet wird, sind vom Leistungsträger zu übernehmen (§ 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II).
" Praxishinweis: Bezog oder bezieht der Unterhaltsberechtigte Arbeitslosen-
geld II, ist im Unterhaltsprozess regelmäßig darauf zu achten, dass er für den Zeitraum, für den Unterhalt begehrt wird, aktivlegitimiert ist (s. Rn. 796). Liegt keine Rückübertragung des übergegangenen Anspruchs durch den Leistungsträger vor, muss dem bei der Antragstellung Rechnung getragen werden. So ist z.B. bei fortdauernder Leistungsgewährung die Zahlung in Höhe der gewähren Leistung an den Leistungsträger bis zum Ende des Monats zu beantragen, in dem die mündliche Verhandlung stattfindet.16 Für darüber hinausgehende Ansprüche und den laufenden Unterhalt ist die Zahlung an den Unterhaltsberechtigten zu beantragen.
Für die Aktivlegitimation des Unterhaltsberechtigten im Unterhaltsstreitverfah- 556i ren gilt Folgendes: Wurde schon vor dem 1.8.2006 Arbeitslosengeld bezogen und hat der Leistungsträger keine Überleitung veranlasst, dann ist der Unterhaltsberechtigte, wenn er auch nach dem 1.8.2006 noch Arbeitsentgelt bezieht oder bezogen hat, für die gesamte Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht mehr zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs in Höhe der geflossenen Leistungen aktivlegitimiert. Er muss sich dann bei dem Leistungsträger um eine Rückabtretung des Unterhaltsanspruchs bemühen und eine entsprechende Erklärung dem Gericht vorlegen. Kann er eine entsprechende Abtretung nicht vorlegen, muss er gemäß § 265 Abs. 2 ZPO seinen Antrag auf Zahlung des Unterhalts an den oder die zuständigen Sozialleistungsträger umstellen. Unterbleibt eine Klärung der Aktivlegitimation, muss er insoweit mit der Abweisung seines Zahlungsantrags rechnen. Das Gericht hat immer auch von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die Aktivlegitimation geklärt ist. Wurde das ALG II nur in der Zeit bis zum 31.7.2006 bezogen und liegt für die Zeit eine Überleitungsanzeige vor, ist der Unterhaltsberechtigte nicht zur gericht15 BGH, FamRZ 1995, 871. 16 BGH, FamRZ 1996, 1203, 1207 Tz. 50. Die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der treuhänderischen Rückübertragung haben aufgrund der gesetzlich geregelten Möglichkeit der Rückübertragung in § 33 Abs. 4 SGB II (Gesetz vom 20.7.2006) keine Bedeutung mehr; BGH, FamRZ 2000, 1358 Tz. 11 (zu § 7 UVG).
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I. Spezialprobleme
lichen Geltendmachung der Unterhaltsforderung in Höhe des übergeleiteten Betrages berechtigt, auch nicht durch treuhänderische Rückübertragung des Unterhaltsanspruchs auf den Unterhaltsberechtigten, denn diese ist in dem insoweit maßgeblichen § 33 SGB II a.F. (Gesetz vom 30.4.2004) nicht vorgesehen.17 Liegt keine Überleitung vor, ist der Unterhaltsberechtigte zwar aktivlegitimiert. Wenn aber der Unterhaltsgläubiger einen Anspruch für den maßgeblichen Zeitraum geltend macht, ohne die Leistungen bedarfsmindernd zu berücksichtigen, kann dies gegen Treu und Glauben verstoßen mit der Folge, dass die Leistungen bedürftigkeitsmindernd beim Berechtigten berücksichtigt werden.18 Auf die Frage der Überleitung und Aktivlegitimation kommt es dann nicht an, wenn der Unterhaltsberechtigte vom Pflichtigen nur Unterhalt verlangt, der über dem Bedarf der gewährten Sozialleistungen liegt.
III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts 1. Freiwillige Unterhaltszahlungen 556j Wird Unterhalt freiwillig gezahlt und stellt sich später heraus, dass die Zahlung überhöht war, bestehen i.d.R. keine Rückforderungsansprüche. Bei Familien- und Trennungsunterhalt ergibt sich dies aus der gesetzlich geregelten Vermutung des § 1360b BGB i.V.m. § 1361 Abs. 4 BGB, wonach im Zweifel anzunehmen ist, dass der Unterhalt leistende Ehegatte nicht beabsichtigt, von dem anderen Ersatz zu verlangen. Anderes gilt nur, wenn der Unterhaltspflichtige sich die Rückforderung vorbehalten hat, wofür er beweispflichtig ist. Dann richtet sich der Anspruch nach Bereicherungsrecht. Hat der Unterhaltsberechtigte aufgrund falscher Angaben Anlass für eine überhöhte Zahlung gegeben, kann ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen (§ 826 BGB). 2. Überzahlungen während eines laufenden Unterhaltsverfahrens 556k Wird über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts im Erstverfahren gestritten und erweist sich der vom Schuldner laufend gezahlte Unterhalt als zu hoch, kann im vermuteten Einverständnis der Parteien eine Verrechnung im Rahmen einer Rückstandsberechnung wegen Unterhalts für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung erfolgen.19 Ist der Unterhalt vorläufig im Wege einer einstweiligen Anordnung nach §§ 246 ff., 119 Abs. 1, 49–57 FamFG (s. Rn. 886 ff.) tituliert worden und erweist sich der aufgrund der vorläufigen Regelung gezahlte Unterhalt später als zu hoch, weil im Hauptsacheverfahren ein geringerer Unterhalt zugesprochen wird, kommt zugunsten des Verpflichteten ein Anspruch auf Rückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber dem Unterhaltsgläubiger in Betracht: Da erst die Endentscheidung in der Hauptsache über den Rechtsgrund befindet und diese ab Rechtskraft die Rechtsgrundlage für den bereits gezahlten Unterhalt darstellt,20 ist der überzahlte Unterhalt ohne Rechtsgrund geleistet worden. Denn die einstweilige Anordnung bietet dem Unterhaltsgläubiger nur 17 BGH, FamRZ 1996, 1203 ff. 18 Vgl. insoweit BGH, FamRZ 1999, 843 und die Nr. 2.2 der Leitlinien z.B. des KG oder des OLG Düsseldorf; a.A. Klinkhammer, FamRZ 2006, 1173; vgl. auch OLG Celle, FamRZ 2006, 1203. 19 BGH, FamRZ 1985, 908; Wendl/Gerhardt, § 6 Rn. 202. 20 BGH, NJW 2000, 740 ff. = FamRZ 2000, 751–754; Heiß/Born, Kap. 25, Rn. 353 ff.
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III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts
eine einstweilige Vollstreckungsmöglichkeit, ohne den Anspruch rechtsverbindlich festzulegen. Den ohne Rechtsgrund geleisteten überzahlten Unterhalt kann der Unterhaltsschuldner grundsätzlich nach Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Allerdings kann sich der Unterhaltsempfänger auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn er die Überzahlung für seinen Lebensbedarf verbraucht hat. Soweit der Leistungsempfänger seine Schulden mit dem überzahlten Unterhalt getilgt hat, ist er auch um diese Beträge entreichert, wenn ihm insoweit kein Vermögensvorteil verblieben ist, weil er die Schulden auch sonst unter Einschränkung seines Lebensstandards getilgt hätte.21 Der Unterhaltspflichtige kann sich gegen den Einwand der Entreicherung z.B. dadurch schützen, dass er – noch im Rahmen des Unterhaltsstreitverfahrens – widerklagend – die Rückzahlung des überzahlten Unterhalts verlangt. Dabei ist erforderlich, dass der Antrag auf Rückzahlung beziffert wird.22 Denn ab Rechtshängigkeit des Bereicherungsantrags haftet der Unterhaltsempfänger verschärft für die Rückzahlung zu viel gezahlten Unterhalts und kann sich nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 Abs. 4 BGB). Allerdings geht der Unterhaltsschuldner bei dieser Vorgehensweise ein nicht unerhebliches Kostenrisiko ein, da meist noch ungewiss ist, wie das Gericht in der Unterhaltsstreitsache entscheiden wird. Beruht die Zuvielzahlung des Unterhalts darauf, dass der Unterhaltsgläubiger aus der sich später als unrichtig erweisenden einstweiligen Anordnung vollstreckt hat, kommen zugunsten des Unterhaltsschuldners Schadensersatzansprüche aus Vollstreckungsrecht (§ 945 ZPO) nicht in Betracht.23 Dies hatte der BGH schon zu Recht nach bis zum 31.8.2009 geltendem Recht verneint im Hinblick auf das schützenswerte Interesse des Unterhaltsgläubigers, den vorläufig zugesprochenen Unterhalt auch tatsächlich zweckbestimmt für den Lebensbedarf verwenden zu können, zumal dem Unterhaltsschuldner ausreichend andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, sich vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme zu schützen.24 Nichts anderes gilt nach § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG, denn er ordnet die entsprechende Anwendung von § 945 ZPO nur für Familienstreitsachen des § 112 Nr. 2 und 3 FamFG an, nicht aber für Unterhaltsstreitverfahren (Rn. 931). Möglich ist jedoch für den Verpflichteten zur Vermeidung einer kostenerhöhenden Widerklage, dem Unterhaltsgläubiger ein zins- und tilgungsfreies Darlehen in Höhe des streitigen Betrages anzubieten und auf die Rückzahlung für den Fall zu verzichten, dass das Gericht durch Beschluss die Höhe des zu zahlenden Unterhalts in Höhe des streitigen Betrags bestätigt, s.u. Rn. 556m.
" Praxishinweis: Wird die Rückzahlung überzahlten Unterhalts verlangt,
kann der Antrag, wenn er widerklagend im Hauptsacheverfahren gestellt wird, wie folgt formuliert werden: Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner den an sie von der Zustellung dieses Antrags bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in diesem Verfahren gezahlten Unterhalt in Höhe von monatlich 200 Euro zurückzuzahlen.
Bei erheblicher Überzahlung von Trennungsunterhalt kann, wenn sich später die Unrichtigkeit der einstweiligen Anordnung erweist, aus Billigkeitsgründen nach 21 22 23 24
BGH, FamRZ FamRZ 1992, 1152 ff. So u.a. Heiß/Heiß, Kap. 8, Rn. 22; Wendl/Gerhardt, § 6 Rn. 221. BGH, NJW 2000, 740 ff. = FamRZ 2000, 751–754, Heiß/Heiß, 8, Rn. 23. BGH, NJW 2000, 740, 742.
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I. Spezialprobleme
§ 1381 BGB ein in Betracht kommender Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau um den zu viel gezahlten Betrag gekürzt werden.25 3. Überzahlung bei unrichtig gewordenen Unterhaltstiteln 556l Wird Unterhalt aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses gezahlt und stellt sich später die Unrichtigkeit des Titels heraus, kommt eine Rückforderung des zu viel gezahlten Unterhalts wegen der Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses (früher Urteils), nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Beruht die Unrichtigkeit des Titels auf vorwerfbar falschen Angaben des Unterhaltsberechtigten, besteht für den Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung z.B. wegen Prozessbetrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) oder wegen vorsätzlich sittenwidriger Ausnutzung eines unrichtig gewordenen Vollstreckungstitels (§ 826 BGB) geltend zu machen, wobei der Unterhaltspflichtige für die tatsächlichen Voraussetzungen darlegungsund beweispflichtig ist.26 Beantragt der Schuldner die Abänderung des Titels wegen wesentlich geänderter Verhältnisse, die rückwirkend höchstens bis zu einem Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags möglich ist (§ 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG)27, kann er sich während des laufenden Verfahrens mit dem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen die weitere Inanspruchnahme auf überhöhte Unterhaltszahlungen aus dem abzuändernden Beschluss/Urteil schützen (§ 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO in entsprechender Anwendung, s. Rn. 857, 873). Die Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens hat weiterhin zur Folge, dass dem Unterhaltsgläubiger ab diesem Zeitpunkt der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 4 BGB kraft Gesetzes gemäß § 241 FamFG abgeschnitten ist. Dies folgt aus dem seit 1.9.2009 geltenden § 241 FamFG, nach dem die Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags bei der Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB der Rechtshängigkeit einer Klage auf Rückzahlung der geleisteten Beträge gleichsteht (s. dazu Rn. 871–872b). D. h. soweit das Gericht dem Abänderungsbegehren stattgibt, haftet der Unterhaltsempfänger ab Rechtshängigkeit für die Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge verschärft, und kann sich nicht mehr auf den Verbrauch des Geldes, also die Entreicherung, berufen.28 Aufgrund dieser neu eingeführten Regelung ist es nicht mehr notwendig, dass der Abänderungsantragsteller – um die Rechtswirkung des § 818 Abs. 4 BGB herbeizuführen – gleichzeitig mit seinem Abänderungsantrag wegen des strittigen Unterhaltsbetrags ein Bereicherungsverfahren nach § 812 Abs. 1 BGB in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich geschuldeten und dem titulierten Anspruch einleiten muss.29 Dies hat den Vorteil, dass er sein Verfahrenskostenrisiko mindert, die Endentscheidung des Gerichts abwarten kann und damit Zeit gewinnt für die Klärung der Frage, ob er die Rückzahlung überhaupt verlangen will.
25 Vgl. OLG Köln, FamRZ 1998, 1370, 1372: OLG Celle, FamRZ 1981, 1066, 1069; Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., I, Rn. 433, 434. 26 BGH, FamRZ 1988, 270; 1986, 794. 27 S. Rn. 853 zu den Voraussetzungen der rückwirkenden Herabsetzung im Abänderungsverfahren. 28 Zur Verzinsung der Forderung, s. Rn. 872a. 29 BGH, FamRZ 1992, 1152 ff.
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III. Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts
Ggf. kann er nunmehr den Gegner – auch zur Vermeidung weiterer Kosten – zunächst außergerichtlich zur Rückforderung der gezahlten Beträge auffordern. Ist der Unterhalt in einer vollstreckungsfähigen Urkunde, wie z.B. einem gerichtlich oder notariell beurkundeten Vergleich, einer Jugendamtsurkunde, tituliert und erweist sich der Titel nachträglich aufgrund einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse als unrichtig, kann der Unterhaltsschuldner mit dem Abänderungsverfahren den Titel rückwirkend auch für eine längere Zeit als ein Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags abändern lassen, d.h. von dem Zeitpunkt an, ab dem sich die tatsächlichen Verhältnisse, die die Abänderung rechtfertigen, geändert haben (§ 239 FamFG, Rn. 857 ff.). Wegen fehlender Rechtskraft des Titels gilt hier nicht die Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG. Für die Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts folgt daraus zwar, dass der Abänderungsantragsteller das Abänderungsverfahren sogleich mit einem bezifferten Rückzahlungsantrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung verbinden und auch die Rückzahlung von Unterhalt für mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens beantragen könnte. Dies empfiehlt sich aber aus Kostengründen nicht unbedingt, denn auch insoweit haftet der Unterhaltsempfänger erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens verschärft nach § 818 Abs. 4 BGB (§ 241 FamFG) bzw. ab Rechtshängigkeit des Bereicherungsverfahrens. Insofern ist auch nicht hilfreich, dass der Bereicherungsempfänger für die Einwendung der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist, denn dies wird ihm i.d.R. nicht schwer fallen, weil Unterhalt seiner Zweckbestimmung nach der Begleichung des laufenden Lebensunterhalts dient, so dass eine tatsächliche Vermutung für die Entreicherung spricht.30 Zwar kann auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit der Bereicherungsklage eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB von dem Zeitpunkt an greifen, zu dem der Bereicherungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes erfahren hat. Dazu muss er jedoch das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gekannt haben; die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht nicht aus. Hatte der Unterhaltsschuldner bereits vorprozessual Rückforderungsansprüche in Aussicht gestellt, zum Beispiel aufgrund zusätzlicher Einkünfte des Berechtigten aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit, wird dies im Hinblick auf die Kompliziertheit des Unterhaltsrechts und die durchaus fragliche Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der Berechnung des Unterhalts nicht ausreichen, um den Vertrauensschutz nach § 818 Abs. 4 BGB auszuhebeln, es sei denn, ein Wegfall des Unterhaltsanspruchs wäre evident.31 Die verschärfte Haftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Unterhaltsvereinbarungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nur modifizieren, weder direkt noch entsprechend anwendbar.32 Insofern ist auch nicht hilfreich, dass der Bereicherungsempfänger für die Einwendung der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist, denn dies wird ihm i.d.R. nicht schwer fallen, denn der Unterhalt dient seiner Zweckbestimmung nach der Begleichung des laufenden Lebensunterhalts, so dass eine tatsächliche Vermutung für die Entreicherung spricht.33 Zwar kann auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit der Bereicherungsklage eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 in Verbindung mit § 818 Abs. 4 BGB 30 31 32 33
BGH, FamRZ 1998, 951; 1992, 1152. BGH, FamRZ 1992, 1152, 1155. BGH, FamRZ 1998, 951. BGH, FamRZ 1998, 951; 1992, 1152.
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von dem Zeitpunkt an greifen, zu dem der Bereicherungsempfänger den Mangel des rechtlichen Grundes erfahren hat. Dazu muss er jedoch das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gekannt haben; die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht nicht aus. Hatte der Unterhaltsschuldner bereits vorprozessual Rückforderungsansprüche in Aussicht gestellt, zum Beispiel aufgrund zusätzlicher Einkünfte des Berechtigten aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit, wird dies im Hinblick auf die Kompliziertheit des Unterhaltsrechts und die durchaus fragliche Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der Berechnung des Unterhalts nicht ausreichen, um den Vertrauensschutz nach § 818 Abs. 4 BGB auszuhebeln, es sei denn, ein Wegfall des Unterhaltsanspruchs wäre evident.34 Die verschärfte Haftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Unterhaltsvereinbarungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nur modifizieren, weder direkt noch entsprechend anwendbar.35 Ist der Kindes- oder Ehegattenunterhalt in einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG (bzw. im Rahmen des Scheidungsverfahrens nach §§ 620 Nr. 4 oder 6; 644 ZPO a.F.) tituliert, besteht ebenfalls die Möglichkeit der rückwirkenden Beseitigung des Unterhaltstitels. Dies geschieht nicht im Wege der Abänderungsverfahrens, sondern mit dem negativen Feststellungsantrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass kein oder ein nicht so hoher Unterhaltsanspruch, wie in der einstweiligen Anordnung geregelt, besteht (vgl. Rn. 733). Ab Rechtskraft eines entsprechenden Feststellungsbeschlusses stellt dieser eine anderweitige Regelung i.S. des § 56 Abs. 1 FamFG (§ 620f ZPO a.F.) dar. Der aufgrund der einstweiligen Anordnung zuviel gezahlte Unterhalt ist ohne Rechtsgrund geleistet worden und kann nach Bereicherungsrecht zurückverlangt werden, wobei für die Klärung der verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB Anknüpfungspunkt immer die Rechtshängigkeit des Leistungsantrags nach § 812 BGB ist.36 § 241 FamFG findet auf einstweilige Anordnungen keine entsprechende Anwendung, s. Rn. 872b, vgl. auch Rn. 931. 4. Sicherung der Rückerstattung bei nachträglicher Rentenbewilligung 556m Beantragt ein unterhaltsbedürftiger Ehegatte die Zahlung von Unterhalt und ist zunächst noch ungewiss, ob ein von ihm gestellter Antrag auf Erwerbsminderungsrente Erfolg haben wird, bleibt er zwar unterhaltsrechtlich unterhaltsbedürftig, der Verpflichtete kann ihm jedoch zur Abwendung der Bedürftigkeit und Vermeidung eines späteren Verfahrens auf Rückzahlung ein zins- und tilgungsfreies Darlehen mit der Verpflichtung anbieten, im Falle der endgültigen Ablehnung des Rentenantrags auf deren Rückzahlung zu verzichten. Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung solcher Darlehen kann der Anspruch auf Rentennachzahlung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB I abgetreten werden. Dem Unterhaltsberechtigten obliegt es nach Treu und Glauben, einen in dieser Weise angebotenen Kredit zur Behebung oder Verminderung seiner Bedürftigkeit aufzunehmen und zur Sicherheit auf Verlangen den Anspruch auf Rentennachzahlung abzutreten, denn er muss sich grundsätzlich aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen selbst unterhalten (§ 1577 Abs. 1 BGB). Ein begründeter Ren34 BGH, FamRZ 1992, 1152, 1155. 35 BGH, FamRZ 1998, 951. 36 BGH, FamRZ 200, 751.
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tenanspruch stellt schon vor Bewilligung der Rente einen Vermögenswert dar; diesen kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte in zumutbarer Weise wirtschaftlich nutzen.37 In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass generell in den Fällen, in denen die Überzahlung von Unterhalt streitig ist, die Gewährung der Überzahlung als zins- und tilgungsfreies Darlehen, eine praktikable Möglichkeit zur Vermeidung eines Rückforderungsverfahrens darstellt, wenn das Darlehensangebot verbunden ist mit einer Verpflichtung, auf die Rückzahlung zu verzichten. Der Unterhaltsberechtigte ist bei einem solchen Angebot verpflichtet, sich darauf nach Treu und Glauben einzulassen.38 Hat der Unterhaltspflichtige aufgrund eines Beschlusses oder Urteils Unterhalt gezahlt und erhält der Unterhaltsberechtigte später eine Rentennachzahlung aufgrund einer Rentenbewilligung, die auch auf dem Versorgungsausgleich beruht, hat der Unterhaltspflichtige, dessen Rente nachträglich gekürzt wurde, gegen den Unterhaltsberechtigten einen Ausgleichsanspruch auf Auskehrung der Rentennachzahlung in der Höhe, in der seine Rente wegen der Durchführung des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde und er bereits Unterhalt gezahlt hat.39 Bei diesem Anspruch handelt es sich nicht um einen Rückerstattungsanspruch zuviel gezahlten Unterhalts nach § 812 Abs. 1 BGB, sondern um einen Erstattungsanspruch eigener Art nach § 242 BGB auf Auskehrung der Rentennachzahlung, da der Berechtigte wusste, dass ihm dieser Betrag nicht zusteht, da er insoweit bereits Unterhalt von dem Verpflichteten erhalten hat. Den Entreicherungseinwand kann der Unterhaltsempfänger deshalb nicht geltend machen. 5. Aufrechnung Nicht möglich ist es, bei Unterhaltsüberzahlungen einen Ausgleich dadurch her- 556n beizuführen, dass der Rückzahlungsanspruch gegen die laufenden Unterhaltsansprüche aufgerechnet wird, denn es gilt das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB. Danach darf mit einer Forderung, die der Pfändung nicht unterworfen ist, generell nicht aufgerechnet werden. Darunter fallen alle gesetzlichen Unterhalts-ansprüche (§ 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO), seien es Rückstände, laufender Unterhalt oder Zinsforderungen, Abfindungsbeträge oder der Anspruch auf Erstattung steuerlicher Nachteile wegen Durchführung des begrenzten Realsplittings.40 Eine Aufrechnung ist jedoch immer dann zulässig, wenn das Vollstreckungsgericht gemäß § 850b Abs. 2 und 3 ZPO die Pfändung zugelassen hat.41 Das Aufrechnungsverbot tritt jedoch zurück, soweit Treu und Glauben dies erforderlich machen und der Schutzzweck der Norm, dem Unterhaltsberechtigten nicht seine Lebensgrundlage zu entziehen, durch die Aufrechnung nicht in Frage gestellt wird. Zulässig ist deshalb die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, soweit diese aus demselben Lebenssachverhalt – hier dem Unterhaltsrechtsverhältnis – entstammen.42 Der Unter37 BGH, FamRZ 1992, 1152; 1989, 718; Wendl/Gerhardt, § 6 Rn. 222. 38 So BGH, NJW 2000, 740, 742; 1985, 1072; 1992, 2415; 1998, 2433; Zöller/Herget, § 717 ZPO Rn. 70; Heiß, Kap. 8, Rn. 22; Wendl/Gerhardt, § 6 Rn. 222. 39 BGH, FamRZ 1998, 951. 40 BGH, FamRZ 1997, 544, 545. 41 Zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten vgl. Wendl/Dose, § 6 Rn. 303. 42 BGH, FamRZ 1993, 1186.
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haltsgläubiger kann sich nach Treu und Glauben auch dann nicht auf das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB berufen, wenn die zur Verrechnung gestellten Überzahlungen darauf beruhen, dass er selbst rückwirkend eine Änderung der Steuerklassen beantragt und damit die Grundlagen für die vom Schuldner bereits geleisteten Unterhaltszahlungen nachträglich verändert hat.43 Wegen zu viel gezahlten Unterhalts soll nach der Rechtsprechung einiger OLG ausnahmsweise dann aufgerechnet werden können, soweit der Unterhaltsberechtigte aus einem später aufgehobenen vorläufig vollstreckbaren Titel vollstreckt hat und die Beträge nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO zurückzuzahlen sind.44
43 OLG Hamm, NJW-RR 2004, 437. 44 Palandt/Grüneberg, § 394 BGB Rn. 2; OLG Hamm, FamRZ 1999, 436; OLG Naumburg, FamRZ 1999, 436, 437; OLG Hamm, NJW-RR, 2004, 437; a.A. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 1158; Wendl/Dose, § 6 Rn. 311a.
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J. Auskunft und Vorlage von Belegen I. Überblick Im folgenden Kapitel werden die materiell-rechtlichen Grundlagen des Aus- 557 kunftsanspruchs erörtert. Hinweise zur praktischen Umsetzung des Auskunftsanspruchs finden sich unter Rn. 590 ff. (schriftliches Unterhaltsbegehren), insbesondere unter Rn. 592 ff. (Auskunftsverlangen), außerdem beim Auskunftsverfahren (Rn. 815 ff.) und beim Stufenverfahren (Rn. 824 ff.).
II. Auskunftsanspruch 1. Personenkreis der Auskunftsberechtigten und -verpflichteten Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, auf Verlangen einander über ihre 558 Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Vorschrift soll einer Beweisnot abhelfen.1 Sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Verpflichtete können sich vorab Klarheit über die Einkommensund Vermögensverhältnisse des anderen verschaffen. Sie werden in die Lage versetzt, Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit jeweils richtig einzuschätzen und den Unterhaltsanspruch an den wirtschaftlichen Verhältnissen auszurichten.2 In manchen Fällen wird sich damit ein Unterhaltsverfahren von vornherein vermeiden lassen. Zumeist jedoch benötigt der Unterhaltsberechtigte die Auskunft, um vor Gericht seinen Unterhaltsbedarf darzulegen sowie zur Leistungsfähigkeit des Verpflichteten vorzutragen, und der Unterhaltsverpflichtete, um Einwendungen wirtschaftlicher Art gegen den erhobenen Anspruch vorzubringen.
" Praxishinweis: Im Unterhaltsverfahren trifft den Unterhaltsberechtigten die 559 Darlegungs- und Beweislast für seinen eigenen Bedarf und damit – wenn die Lebensstellung vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen geprägt ist, wie bei minderjährigen Kindern oder bei Ehegatten – auch für das bedarfsbestimmende Einkommen des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners.3 Ausgenommen ist lediglich das minderjährige Kind, wenn es keinen höheren Unterhalt verlangt als den Mindestunterhalt seiner Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB. Es braucht die Höhe seines Bedarfs nicht anhand des Einkommens des Verpflichteten darzulegen, sondern muss nur angeben, in Höhe des geltend gemachten (Mindest-)Unterhalts bedürftig zu sein.4 (s. Rn. 12 f.)
Diese Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des minderjährigen Kindes darf allerdings nicht dazu verleiten, den Mindestunterhalt des Kindes zu beantragen, ohne sich zuvor von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners ein klares Bild zu verschaffen. Um die nachteilige Kosten1 2 3 4
BGH, FamRZ 1982, 680. BT-Drucks. 7/650, S. 172. OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 521, 523 f. BGH, FamRZ 2002, 536, 540 noch zum Bedarf nach der Regelbetrag-VO; zum Anspruch auf Mindestunterhalt s. Rn. 12 ff.
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J. Auskunft und Vorlage von Belegen
folge einer teilweise Antragsabweisung zu vermeiden, sollte auch das minderjährige Kind seinen Auskunftsanspruch vorgerichtlich geltend machen (s. Rn. 592). 560 Der Auskunftsanspruch steht den nach § 1601 BGB unterhaltsberechtigten bzw. -verpflichteten Verwandten wechselseitig zu. So ist beim Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind zur Auskunft verpflichtet; umgekehrt muss auch das Kind Auskunft über seine Einkommensverhältnisse geben. Gleiches gilt, wenn Eltern gegenüber ihren Kindern Unterhaltsansprüche erheben müssen. Getrennt lebende oder geschiedene Eheleute haben ebenfalls einen wechselseitigen Auskunftsanspruch. Für getrennt lebende Eheleute ist dieser in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB, für geschiedene Eheleute in § 1580 BGB geregelt. Beide Vorschriften verweisen auf die Regelung des § 1605 BGB. 561 Im Rahmen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses sind auch Eltern untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet. Macht ein Elternteil eines nichtehelichen Kindes Unterhaltsansprüche nach § 1615l BGB geltend, ist § 1605 BGB gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechend anwendbar. Eine Auskunftspflicht zwischen Eltern besteht darüber hinaus, wenn beide einem volljährigen Kind gegenüber zum Barunterhalt verpflichtet sind. Dieser Anspruch folgt allerdings nicht aus § 1605 BGB, da Eltern zwar mit ihren Kindern, nicht aber miteinander verwandt sind. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Folge der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Eltern, die ihren gemeinsamen Kindern gleichrangig unterhaltsverpflichtet sind.5 Die Eltern haften für den Barunterhalt des volljährigen Kindes anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) und müssen das Einkommen des anderen Elternteils kennen, um ihren Haftungsanteil errechnen zu können (s. Rn. 164, 220 ff.). 562 Aus denselben Gründen wird auch ein Auskunftsanspruch zwischen Geschwistern bejaht, die auf Elternunterhalt in Anspruch genommen werden und dem unterhaltsbedürftigen Elternteil nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB gleichrangig und anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haften.6 Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auch auf das Einkommen der jeweiligen Ehegatten, soweit es sich auf die Haftungsquote der Geschwister auswirkt. Ein Auskunftsanspruch gegen die Schwäger selbst besteht nicht.7 563 " Praxishinweis: Obwohl die Parteien wechselseitig zur Auskunft verpflichtet sind, darf keiner von beiden die von ihm geschuldete Auskunft zurückhalten, bis der andere seinerseits Auskunft erteilt hat. Es besteht kein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht (§ 273 BGB). Ein solches wäre mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs, dem Unterhaltsberechtigten einen möglichst schnellen und einfachen Weg zur Unterhaltsberechnung zu eröffnen, nicht vereinbar.8 5 6 7 8
BGH, FamRZ 1988, 268; Wendl/Dose, § 1 Rn. 666. OLG München, NJW-FER 2000, 311. Zur Berechnung der Haftungsanteile s. Rn. 277 ff. BGH, FamRZ 2003, 1836 m. Anm. Strohal; OLG München, FamRZ 2002, 50. H.M., vgl. z.B. MünchKomm.BGB/Born, § 1605 BGB Rn. 43; Erman/Hammermann, § 1605, Rn. 28; FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rn. 5; OLG Köln, FamRZ 1987, 714; OLG München, FamRZ 1989, 284, 286; a.A. MünchKomm.BGB/Krüger, § 273 BGB Rn. 50: eine beiderseitige Leistungspflicht Zug um Zug diene gerade dem Interesse an vollständiger und baldiger Information.
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Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB soll den Schuldner lediglich 564 vor der Gefahr schützen, einseitig seine Leistung zu erbringen, ohne die ihm gebührende Gegenleistung zu erhalten.9 Ein solcher Schutz ist aber in all den Fällen nicht erforderlich, in denen sich die Leistungspflicht des Schuldners auf eine reine Auskunft beschränkt.10 Die einseitige Auskunftserteilung führt nämlich nur dazu, dass der Berechtigte nunmehr seinen Hauptanspruch berechnen und ggf. beziffern kann. Ein weitergehender Nachteil erwächst dem Auskunftsverpflichteten nicht. 2. Erforderlichkeit der Auskunft Der Auskunftsanspruch besteht nur, soweit die Auskunft zur Feststellung eines 565 Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltspflicht erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Auskunft ist mithin immer dann geschuldet, wenn alle materiellrechtlichen, von den wirtschaftlichen Verhältnissen unabhängigen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs vorliegen und die Auskunft zur Feststellung bzw. zur Bemessung des Unterhalts benötigt wird. Letzteres ist in der Praxis regelmäßig der Fall. Denn der tatsächlich geschuldete Unterhalt des minderjährigen Kindes bemisst sich nach dem Einkommen und der individuellen Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Das volljährige Kind muss das Einkommen beider Eltern kennen, um deren Haftungsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB zu errechnen. Auch die Bedarfsbestimmung beim Ehegattenunterhalt setzt Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen Ehepartners voraus. Der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten kann nämlich nicht in einer absoluten Größe bemessen werden, vielmehr wird er maßgeblich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute bestimmt.11 Eine Pflicht zur Auskunft besteht mithin auch dann, wenn der Auskunftssuchende eigene Einkünfte in nicht unerheblicher Höhe bezieht. Denn die Frage, ob der nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Parteien angemessene Unterhaltsbedarf durch eigenes Einkommen gedeckt ist, kann letztlich erst beantwortet werden, wenn das Einkommen beider Parteien bekannt ist.12 Die begehrte Auskunft darf nur verweigert werden, wenn der Unterhaltsanspruch 566 nach Grund und Höhe unabhängig von dieser Auskunft festgestellt bzw. abgelehnt werden kann. So entfällt ein Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen des Unterhaltsverpflichteten, wenn die Parteien in wirtschaftlich so günstigen Verhältnissen gelebt haben, dass ein Teil der Einkünfte nicht für den laufenden Lebensunterhalt verwendet, sondern der Vermögensbildung zugeführt wurde, und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten – auch zur Zahlung hoher Unterhaltsbeträge an den Berechtigten – außer Streit steht. Beispiel Die Finanzierung des bisherigen Lebensstandards der unterhaltsberechtigten Ehefrau erfordert monatlich ca. 9 500 Euro (Villa, Personal, Reitsport, Reisen etc.); die Leistungsfähigkeit 9 10 11 12
Soergel/Wolf, § 273 Rn. 2. BGH, NJW 1978, 1157 (für gesellschaftsrechtliche Auskunftsansprüche). BGH, FamRZ 1982, 680. BGH, FamRZ 1982, 680.
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J. Auskunft und Vorlage von Belegen des Unterhaltsverpflichteten ist bei jährlichen Einkünften des Verpflichteten von mehr als 500 000 Euro garantiert. Hier hat der BGH einen Auskunftsanspruch verneint.13
Auch ein minderjähriges Kind braucht die Höhe des Einkommens seines Vaters nicht zu kennen, wenn ihm ein monatlicher Unterhaltsbetrag zur Verfügung gestellt wird, der die höchsten Sätze der gültigen Unterhaltstabellen und -richtlinien deutlich übersteigt.14 Eine Auskunftsverpflichtung besteht auch dann nicht, wenn ein Unterhaltsanspruch unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt. Das ist z.B. der Fall, wenn der Auskunftssuchende wirksam auf Unterhalt verzichtet hat. Dagegen ist der häufig erhobene Einwand, der Unterhaltsanspruch sei nach § 1579 BGB verwirkt, im Rahmen des Auskunftsverfahrens regelmäßig irrelevant; denn nach § 1579 BGB ist grundsätzlich zu prüfen, ob ein Unterhaltsanspruch ganz oder nur teilweise zu versagen bzw. zeitlich zu begrenzen ist. Die Beurteilung dieser Frage ist jedoch ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen nicht möglich.15 3. Umfang der Auskunft 567 Der Verpflichtete muss auf Verlangen des Berechtigten über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft erteilen (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Einkünfte sind Einnahmen jeglicher Art, beispielsweise Erwerbs- und Renteneinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, Unterhaltsleistungen, freiwillige Zuwendungen Dritter, Lohnersatz- und Sozialleistungen, Abfindungen, Steuerrückerstattungen, aber auch Einnahmen aus Schwarzarbeit oder anderer, rechtlich missbilligter Tätigkeit. Ob diese Einkünfte auch in die Ermittlung des Unterhalts einfließen, ist eine andere Frage und für die Mitteilungspflicht i.d.R. unerheblich.16 568 Die Einkünfte des Lohn- oder Gehaltsempfängers, also des Arbeitnehmers, bestehen aus dem Bruttoeinkommen einschließlich aller Zuschläge, unabhängig davon, ob diese sozialversicherungs- oder steuerpflichtig sind. Hierzu gehören die Überstundenvergütung, Nacht- und Feiertagszuschläge, Weihnachts- und Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen und alle sonstigen geldwerten Vorteile einschließlich der Sachbezüge. Des Weiteren muss der Arbeitnehmer die gesetzlichen Abzüge (Steuern und Sozialabgaben) nach Art und Höhe angeben. Es reicht nicht aus, wenn der Verpflichtete lediglich sein Nettoeinkommen mitteilt. Um allen Einkommensschwankungen (Weihnachtsgeld, Überstunden usw.) Rechnung tragen zu können, müssen Arbeitnehmer regelmäßig Auskunft über die Einkommensverhältnisse des letzten Jahres vor Klageerhebung erteilen. Dabei wird zum Teil auf das zuletzt abgelaufene Kalenderjahr abgestellt,17 zum Teil
13 14 15 16
BGH, FamRZ 1994, 1169 ff. (Beträge geändert). BGH, FamRZ 1983, 473. BGH, FamRZ 1983, 996. Dem BGH, FamRZ 1985, 791, zufolge besteht allerdings keine Auskunftspflicht bezüglich eines nach der Scheidung durch einen Karrieresprung erzielten Arbeitsentgelts, welches die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat (problematisch). 17 FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rn. 13.
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II. Auskunftsanspruch
werden die Einkommensnachweise der vorangegangenen 12 Monate verlangt.18 Beides ist rechtlich möglich. Sind Unterhaltsrückstande zu zahlen, kann Auskunft auch für den zurückliegenden Zeitraum verlangt werden. Zur Aktualisierung der Einkommensangaben im Lauf eines Unterhaltsverfahrens vgl. Rn. 581. Selbständige (Gewerbetreibende, Handwerker, Unternehmer, Freiberufler) dürfen 569 sich ebenfalls nicht darauf beschränken, nur ihr Nettoeinkommen mitzuteilen. Sie müssen vielmehr detailliert Auskunft über ihre Einnahmen und Ausgaben erteilen. Anhand der Auskunft muss es möglich sein, die allein steuerrechtlich relevanten Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich bedeutsamen abzugrenzen.19 Wegen der oft beträchtlichen Schwankungen des Gewinns hat sich die Auskunft über einen längeren Zeitraum – üblicherweise 3 Jahre vor Klagezustellung – zu erstrecken.20 Dabei kann die Auskunft nur für volle Kalenderjahre entsprechend den üblichen Geschäftsjahren nach § 243 HGB begehrt werden.21 Die anhand einer Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung zu erteilende Auskunft eines Selbständigen muss 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs vorliegen.22
" Praxishinweis: Von einem Selbständigen sollte Auskunft für die letzten 3
Geschäftsjahre gefordert werden, damit der Unterhaltsberechnung möglichst aktuelle Zahlen zugrunde liegen. Allerdings kann der Auskunftsberechtigte erst vom 1.7. eines Jahres an verlangen, dass der Jahresabschluss und die Steuererklärung für das Vorjahr bereits vorliegen. So muss sich der Auskunftsberechtigte beispielsweise im Mai 2010 noch mit einer Auskunft für die Zeit von 2006 bis 2008 zufriedengeben.
Die für Selbständige entwickelten Anforderungen gelten auch für die Auskunft bei anderen, der Höhe nach schwankenden Einkunftsarten wie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Kapitaleinkünften. Die Vermögensauskunft muss den Guthaben- und den Schuldenstand an einem 570 bestimmten Stichtag benennen. Dabei gehen Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass sich die geschuldete Auskunft nur auf diesen einen Stichtag bezieht und keine Rechenschaft über den Verbleib früheren Vermögens geschuldet ist.23 Bei etwaigen Zweifeln an der Richtigkeit der erteilten Auskunft steht das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB zur Verfügung. Dementsprechend können fehlende Angaben zur Verwendung von früherem Kapitalvermögen dazu führen, dass dem Antrag des Auskunftsberechtigten auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stattgegeben wird.24
" Praxishinweis: Es empfiehlt sich für den Unterhaltsberechtigten, zur Ver-
meidung von Vermögensverschiebungen als Stichtag einen Tag zu wählen,
18 Schwab/Borth, Teil IV, Rn. 557. 19 Zum Umfang des Auskunftsanspruchs gegen einen Selbständigen vgl. KG, FamRZ 1997, 360. 20 BGH, FamRZ 1983, 680; 1983, 996; OLG München, FamRZ 1992, 1207; KG, FamRZ 1997, 360. 21 OLG München, FamRZ 1992, 1207. 22 OLG Bamberg, FamRZ 1989, 423; auch OLG München, FamRZ 1992, 1207. 23 OLG Düsseldorf, FamRZ 1981, 893, 894; Palandt/Diederichsen, § 1605 BGB Rn. 9 m.w.N. 24 OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 756.
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der vor dem Zugang des Aufforderungsschreibens liegt.25 Dabei fallen Erteilung und Überprüfung der Auskunft leichter, wenn der 31.12. als Stichtag gewählt wird, weil sich Bankabrechnungen regelmäßig auf diesen Tag beziehen. 571 Inwieweit der Auskunftsverpflichtete neben der Auskunft über Einkünfte und Vermögen weitere unterhaltsrelevante Angaben machen muss, ist streitig. Das OLG Düsseldorf betont, dass sich die Auskunftspflicht im Unterhaltsrecht bewusst auf die Einkommensquellen als Grundlage der Unterhaltsbestimmung beschränke und eine allgemeine Auskunftspflicht nicht bestehe.26 Demgegenüber hält ein großer Teil der Rechtsprechung die Erweiterung der Auskunftsverpflichtung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für geboten.27 So wird aus § 242 BGB die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners abgeleitet, Auskunft über seine persönlichen Verhältnisse (Heirat, Scheidung oder Geburt eines Kindes) zu erteilen28 oder die Bemühungen bei der Arbeitsplatzsuche darzustellen.29 Es fragt sich, ob die geänderte Rechtsprechung des BGH zur Bedarfsermittlung des geschiedenen Ehegatten (s. Rn. 503b) dazu führt, dass die Auskunftspflicht des wieder verheirateten Unterhaltsverpflichteten auch die Einkünfte seines derzeitigen Ehegatten umfasst. Selbst wenn der Unterhaltspflichtige insoweit die Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsstreitverfahren trägt, muss der Unterhaltsberechtigte aus Kostengründen vor Antragserhebung abschätzen können, wie hoch das Einkommen des neuen Ehepartners ist oder sein könnte.30 Es liegt jedenfalls im Interesse des auf Auskunft in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen, nicht nur Art und Höhe seines Einkommens anzugeben, sondern auch sämtliche unterhaltsrelevante Abzugsposten und Belastungen (z.B. Tilgung von Schulden, weitere vor- bzw. gleichrangige Unterhaltsberechtigte) genau darzulegen. Ansonsten läuft er Gefahr, die Kosten eines nachfolgenden Unterhaltsprozesses nach § 243 FamFG tragen zu müssen, selbst wenn er mangels Leistungsfähigkeit in der Sache selbst obsiegt.31
" Praxishinweis: Im gerichtlichen Verfahren muss nicht der Unterhaltsberechtigte, sondern der Unterhaltsverpflichtete seine eingeschränkte oder mangelnde Leistungsfähigkeit darlegen und beweisen.32
4. Form der Auskunft 572 Der Auskunftsverpflichtete hat dem Berechtigten eine geordnete Zusammenstellung seines Einkommens und ein Bestandsverzeichnis seines Vermögens zur Verfügung zu stellen (§§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB). Die Auskunft muss dem Be-
25 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. JI5 Anm. 4. 26 OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 361; MünchKomm.BGB/Born, § 1605 BGB Rn. 4 m.w.N.; FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rn. 10. 27 Göppinger/Wax/Strohal, Rn. 658 ff. m.w.N. 28 OLG Bamberg, FamRZ 1986, 492. 29 OLG Bamberg, FamRZ 1986, 685; OLG Braunschweig, FamRZ 1987, 284; a.A. OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 361. 30 jurisPR-FamR 3/2010 Anm. 1, Brückner 31 OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 239; vgl. Rn. 690. 32 S. Rn. 434c; vgl. auch Vorwerk/Kramer, Prozessformularbuch, Kap. 133 Rn. 94.
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rechtigten die Berechnung seines Unterhaltsanspruchs ohne übermäßigen Aufwand ermöglichen.33 Das Gesetz schreibt für die Auskunft mithin keine bestimmte Form vor. Die in §§ 259, 260 BGB verwendeten Begriffe „geordnete Zusammenstellung“ und „Bestandsverzeichnis“ weisen jedoch darauf hin, dass die Auskunft in einer Gesamterklärung erteilt und schriftlich abgefasst werden muss.34 Der Auskunftsverpflichtete sollte die Auskunft auch persönlich unterschreiben.35 Dies sorgt für Klarheit und eine eindeutige Zuordnung der abgegebenen Wissenserklärung. Regelmäßig taugt allein die in dieser Form erteilte Auskunft als Grundlage für die eidesstattliche Versicherung, zu der ein Auskunftsverpflichteter unter den Voraussetzungen von § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB herangezogen werden kann.
u
1
Auskunft über Einkünfte und Vermögen
572a
Auskunft 1. über Einkünfte im Jahr 2009 – aus Erwerbstätigkeit Bruttolohn steuerliche Abzüge Sozialversicherungsabgaben Nettolohn – aus Kapital (Zinseinnahmen) (Kto.-Nr. … Bank …) 2. über Vermögen am 31.12.2009 – Aktiva Sparkonto (Kto.-Nr. … Bank …) – Passiva BAföG-Darlehen (Restschuld)
45 000,00 11 551,19 8 939,25 24 509,56 170,20
Euro Euro Euro Euro Euro
3 887,96 Euro 1 850,00 Euro
Unterschrift Keine Auskunft stellt es dar, wenn der Auskunftsverpflichtete dem Auskunfts- 573 suchenden nur seine Gehaltsnachweise oder ähnliche Unterlagen zu seinen Einkünften (z.B. Bescheide zum Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe) überreicht. Bei diesen Unterlagen handelt es sich lediglich um die Belege zu den Einkünften, die der Auskunftssuchende zusätzlich zur Auskunft verlangen kann. Sie ersetzen nicht die durch eine gesonderte Aufstellung zu erteilende Auskunft. In der anwaltlichen Praxis werden der Auskunfts- und der Beleganspruch oft miteinander vermengt. Anwälte verlangen bei einem Lohn- und Gehaltsempfänger häufig nur eine Auskunft durch Vorlage von Gehaltsbelegen, weil sich der Unter33 BGH, FamRZ 1983, 996. 34 H.M. Palandt/Diederichsen, § 1605 BGB Rn. 11; OLG Köln FamRZ 2003, 235; OLG Stuttgart, FamRZ 1991, 84. 35 OLG Hamm, FamRZ 2006, 865; OLG Köln FamRZ 2003, 235; OLG München, FamRZ 1996, 738; FamRZ 1995, 737.
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haltsanspruch anhand dieser Unterlagen ohne Weiteres berechnen lässt. Ist das Auskunftsbegehren in dieser Weise eingeschränkt formuliert, reicht die Überlassung der monatlichen Verdienstabrechnungen des Arbeitgebers zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus. Es ist hier nicht erforderlich, eine gesonderte Aufstellung der Einkünfte zu übermitteln. Die Formulierung zum Auskunftsersuchen darf allerdings nicht verwechselt werden: Wird Auskunft „unter“ Vorlage von Belegen begehrt, ist wie üblich eine separate Auskunft und die Vorlage von Belegen gewollt und geschuldet. Vgl. dazu die Vorschläge zur Antragsfassung Rn. 815 f.
III. Anspruch auf Vorlage von Belegen 574 Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen (§ 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vorlage von Belegen ermöglicht dem Berechtigten die Überprüfung der erteilten Auskunft. Außerdem muss der Unterhaltsgläubiger im gerichtlichen Verfahren das Einkommen des Unterhaltsschuldners darlegen und beweisen, was ihm im Streitfall nur durch Vorlage der Einkommensnachweise gelingen kann.
" Praxishinweis: Die Vorlage von Belegen muss zusätzlich zur Auskunft aus-
drücklich verlangt, im Verfahren ein hierauf gerichteter Antrag eigens gestellt werden. In der anwaltlichen Praxis werden die Ansprüche auf Auskunft und Vorlage von Belegen häufig vermischt, indem Auskunft „durch“ Vorlage bestimmter Belege verlangt wird. Das ist unschädlich, wenn der Auskunftsberechtigte nur die Vorlage von Belegen wünscht und auf eine Auskunft in Form einer systematischen Aufstellung aller Einkünfte keinen Wert legt (vgl. unter Rn. 573).
575 Der Arbeitnehmer muss aussagefähige Verdienstbescheinigungen seines Arbeitgebers vorlegen, aus denen sich der Brutto- und Nettobetrag des Lohns einschließlich sämtlicher Zu- und Abschläge ergibt. Praxis ist die Übersendung der monatlich oder (bei Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst) in größeren Zeitabständen maschinell erteilten Lohn- und Gehaltsnachweise in Kopie. Zusätzlich können die Vorlage der Lohnsteuerkarte, des Einkommensteuerbescheids oder des Bescheids über den letzten Lohnsteuerjahresausgleich verlangt werden.
" Praxishinweis: In der Regel empfiehlt es sich, die Übersendung von Verdienstbescheinigungen, Lohnsteuerkarte und Steuerbescheide zu verlangen. Nur die Lohnsteuerkarte bzw. den Einkommensteuerbescheid zu verlangen ist nicht sinnvoll, weil darin Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld nicht ausgewiesen sind. Oft bemerkt man erst anhand der einzelnen Verdienstbescheinigungen, dass Fehlzeiten vorlagen, und kann weitere Unterlagen anfordern. Steuerbescheide weisen Steuererstattungen aus, die als Einkommen berücksichtigt werden können.
576 Der Selbständige muss Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Einnahmen-Überschussrechnungen vorlegen, je nachdem welche Art der Buchführung ihm nach steuerrechtlichen Vorschriften obliegt. Außerdem können Steuererklärungen bzw. -bescheide für den Auskunftszeitraum verlangt werden. Der Selbständige ist auch verpflichtet, die Erläuterung einzelner Positionen anhand von Einzelbelegen nachzuweisen, um dem Unterhaltsberechtigten die Feststellung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu ermöglichen. Vgl. hierzu Rn. 42 ff. 466
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IV. Eidesstattliche Versicherung
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte werden durch Einnahmen-Überschussrechnungen, Zinsbescheinigungen und Einkommensteuererklärungen bzw. -bescheide belegt. Weitere Belege i.S.v. § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Bescheide über Arbeitslosengeld, Krankengeld, Sozialhilfe oder Leistungen nach den Aus- und Fortbildungsförderungsgesetzen, Rentenbescheide oder Ähnliches. Bei Unklarheiten kann vom Arbeitnehmer auch der Arbeitsvertrag verlangt werden.36 Für das Vermögen können grundsätzlich keine Belege gefordert werden, sondern 577 nur ein auf einen bestimmten Stichtag bezogenes Bestandsverzeichnis gemäß § 260 BGB. Umfasst das Vermögen allerdings nicht nur Sachwerte (z.B. Immobilien, Geschäftsbetrieb), sondern auch Kapitalvermögen, kann der Auskunftsberechtigte auch die Vorlage von Kontoauszügen verlangen.37 Diese Verpflichtung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, der in § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB nur eine Belegpflicht für Einkünfte vorsieht, wohl aber aus dem Sinn und Zweck der Auskunftsverpflichtung. Ein Bestandsverzeichnis muss nämlich prüfbar sein und eine Bewertung des Vermögens ermöglichen.38 Aus diesem Grund sind Unterlagen zu einzelnen Vermögenspositionen dann vorzulegen, wenn die Bewertung nur mit ihrer Hilfe erfolgen kann. So liegt es beim Kapitalvermögen. Hier ist eine Klarstellung nur anhand der Kontoauszüge möglich.39
IV. Eidesstattliche Versicherung Besteht Grund zu der Annahme, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen 578 Sorgfalt erteilt worden ist, hat der Auskunftsverpflichtete die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern (§ 1605 Abs. 1 Satz 3, §§ 259, 260, 261 BGB). Die eidesstattliche Versicherung kann erst nach Erfüllung des Auskunftsanspruchs verlangt werden.40 Solange noch keine in sich geschlossene Aufstellung des Einkommens und des Vermögens vorliegt, deren Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt versichert werden könnte, ist der Antrag, den Auskunftsverpflichteten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen, verfrüht und unbegründet. Der Auskunftsberechtigte muss seinen Anspruch auf Erteilung einer vollständigen Auskunft zunächst im Verfahrensweg bzw. im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO durchsetzen. Dieser Komplex – insbesondere die Frage, ob Auskunft bereits erteilt wurde – ist in der gerichtlichen Praxis häufig sehr streitig. Eine Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 260 Abs. 2, 261 Abs. 2 BGB trifft nur denjenigen, der unter dem Verdacht steht, eine bewusst falsche Auskunft erteilt zu haben. Es müssen Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Auskunftsverpflichtete habe seine Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt und werde nur durch die Vorhaltungen im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu einer Korrektur bzw. Ergänzung seiner Auskunft gebracht. Dabei ist die Feststellung, dass die erteilte Auskunft 36 BGH, FamRZ 1994, 28. 37 OLG Hamm, FamRZ 1979, 1012, 1013. 38 Vgl. jetzt § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach auf Anforderung Belege zum Vermögen vorzulegen sind. 39 OLG Hamm, FamRZ 1979, 1012, 1013; AG Tempelhof-Kreuzberg, NJW- RR 2002, 794. 40 BGH, FamRZ 1983, 997, 998.
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J. Auskunft und Vorlage von Belegen
unvollständig, lücken- oder fehlerhaft ist, für sich genommen weder erforderlich noch ausreichend, um einen solche Annahme zu begründen.41 So schließt eine Unter- bzw. Auslassung, die auf einem entschuldbaren Rechtsirrtum beruht, den Vorwurf mangelnder Sorgfalt aus. Hier ist lediglich eine Auskunftsergänzung geschuldet. 579 Der Auskunftsverpflichtete kann die eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht (Rechtspfleger) seines Wohnsitzes nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgeben, wenn er einer außergerichtlichen Aufforderung des Gläubigers freiwillig nachkommen will (§§ 410 Nr. 1, 413 FamFG; § 3 Nr. 1b RPflG). Liegt ein Gerichtsbeschluss zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor, wird gemäß § 120 FamFG nach § 889 ZPO vollstreckt (s. Rn. 1407 ff.). Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger gemäß § 20 Nr. 17 RPflG), nicht das mit dem Unterhaltsverfahren befasste Familiengericht.42
" Praxishinweis: Der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
verzögert das Unterhaltsverfahren ganz erheblich. Ist der Beschluss zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach zeitraubendem Streit schließlich rechtskräftig, wird der Verpflichtete im Zweifel nichts anderes beeiden, als er in seiner Auskunft ohnehin erklärt hat. Will sich der Berechtigte damit nicht abfinden, muss er ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang bringen. Damit kennt der Berechtigte aber auch nach Monaten und Jahren der Verfahrensdauer noch nicht das unterhaltsrelevante Einkommen des Verpflichteten. Im Interesse der Unterhaltsbegehrenden ist es deshalb sinnvoller, sich über Mängel der Auskunft hinwegzusetzen, entweder an ein früher erzieltes Einkommen anzuknüpfen oder das Einkommen entsprechend der beruflichen Qualifikation des Verpflichteten zu schätzen und den Unterhalt dementsprechend zu beziffern. Bei unvollständiger Aufklärung kann das Verhalten des Verpflichteten im Rahmen der freien Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebührend berücksichtigt werden.43
V. Zur Häufigkeit der Auskunftserteilung 580 Ist eine – ordnungsgemäße und vollständige44 – Auskunft erteilt, kann vor Ablauf einer Sperrfrist von 2 Jahren Auskunft erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat (§ 1605 Abs. 2 BGB). Diese Regelung stellt darauf ab, dass ein erneutes Auskunftsverlangen nur der Abänderung der Unterhaltsrente dienen soll, sich innerhalb einer Frist von 2 Jahren aber die Lebenshaltungskosten und die Löhne und Gehälter i.d.R. nicht in dem nach §§ 238, 239 FamFG vorausgesetzten wesentlichen Umfang ändern. Aus dem Zweck des Gesetzes, bei einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung auf beiden Seiten eine Ruhepause von 2 Jahren eintreten zu lassen, können unterschiedliche Einsatzzeitpunkte für den Lauf der Sperrfrist abgeleitet werden. Wurde bereits ein Unterhaltsverfahren geführt, knüpft die Berechnung der 2-jäh41 42 43 44
BGH, FamRZ 1984, 144, 145; OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 1483. Keidel/Giers, § 410 FamFG Rn. 2. BGH, FamRZ 1981, 347, 349. OLG Hamm, FamRZ 1990, 657, 658.
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VI. Pflicht zur ungefragten Information
rigen Frist nicht an den Zeitpunkt der letzten Auskunftserteilung an, sondern die Frist beginnt mit dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung.45 Sollte das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer mündlichen Verhandlung absehen, beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Endentscheidung erlassen wird. 46 Schließen die Parteien einen Vergleich, läuft die 2-Jahres-Frist vom Tage des Vergleichsschlusses an.47 Muss Unterhalt aus rechtlichen Gründen und unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung neu festgelegt werden, entfaltet § 1605 Abs. 2 BGB seinem Zweck entsprechend dagegen keine Sperrwirkung. Diente die erste Auskunft der Berechnung des Trennungsunterhalts, ist für die Berechnung des Geschiedenenunterhalts, der ein eigenständiger Unterhaltsanspruch ist, erneut Auskunft zu erteilen, auch wenn seit der ersten Auskunft noch keine 2 Jahre verstrichen sind.48 Gleiches gilt, wenn ein Unterhaltstitel über den Kindesunterhalt auf die Zeit der Minderjährigkeit beschränkt ist.49 Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob die Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB 581 im Rahmen eines laufenden Unterhaltsverfahrens Beachtung finden muss. Das OLG Düsseldorf lässt das Auskunftsbegehren zu,50 Dose will einem förmlichen Auskunftsantrag innerhalb eines lang andauernden Verfahrens dagegen mit allen Mitteln (§ 263 ZPO) entgegentreten.51 Unstreitig ist, dass das Gericht bei einem länger andauernden Unterhaltsverfahren von seiner Befugnis nach § 235 FamFG Gebrauch machen und eine Aktualisierung der bereits erteilten Auskunft sowie die Vorlage neuerer Einkommensnachweise verlangen sollte (s. Rn. 738 f.). Im Übrigen kann auch im laufenden Unterhaltsverfahren Auskunft nach § 1605 Abs. 2 BGB vor Ablauf der 2-Jahres-Frist erneut verlangt werden, wenn der Berechtigte mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft macht, dass der Auskunftspflichtige nach Erteilung der Auskunft wesentlich höhere Einkünfte bezogen oder weiteres Vermögen erworben hat. Maßstab hierfür ist die Möglichkeit der Erhebung eines Abänderungsantrages (§ 238 FamFG). Beispiele – F macht glaubhaft, dass M befördert worden ist oder eine vermutlich besser dotierte Arbeitsstelle angenommen hat bzw. dass wesentliche Schuldverpflichtungen weggefallen sind. – M macht glaubhaft, dass F nicht mehr in gleichem Maße unterhaltsbedürftig ist, weil sie inzwischen ihren Unterhaltsbedarf wenigstens teilweise durch eigene Einnahmen decken kann.
VI. Pflicht zur ungefragten Information Auskunft muss nur auf Verlangen des Berechtigten erteilt werden. Eine all- 582 gemeine Auskunftspflicht ist unserem Rechtssystem fremd.52 Auch in Unter45 46 47 48 49 50 51 52
OLG Hamburg, FamRZ 1984, 1142. Vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1979, 1021 (Tag der Urteilsverkündung). OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 591; OLG Stuttgart, FamRZ 1978, 717. OLG Hamm, FamRZ 1996, 868; OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1038, 1039; a.A. OLG Thüringen, FamRZ 1997, 1280, 1281; KGR Berlin 2004, 152. FamGB/Griesche, § 1605 BGB Rn. 26; OLG Hamm, FamRZ 1990, 657. OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1281 m.w.N. Wendl/Dose, § 1 Rn. 675. BGH, FamRZ 1983, 352.
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J. Auskunft und Vorlage von Belegen
haltssachen kann grundsätzlich erwartet werden, dass die Beteiligten von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen. Dennoch haben die Gerichte immer wieder eine Verpflichtung zur unaufgeforderten Information bejaht. Diese Verpflichtung besteht jedenfalls dann, wenn die Information erforderlich ist, um eine erhebliche Schädigung der Gegenseite zu vermeiden. Das Schweigen über eine für den Unterhaltsanspruch grundlegende – nicht nur wesentliche – Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Unterhaltsschuldner oder -gläubiger muss unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) offensichtlich unredlich sein.53 Beispiele – Die unterhaltsberechtigte T heiratet. Sie muss den Unterhaltspflichtigen über ihre veränderte Situation in Kenntnis setzen. – Der bisher unterhaltsbedürftige S nimmt nach Abschluss seiner Ausbildung eine Erwerbstätigkeit auf. Er muss von sich aus dem Unterhaltsleistenden mitteilen, dass er wirtschaftlich selbständig ist. – Der bisher nicht leistungsfähige Unterhaltsverpflichtete nimmt eine Arbeit auf und wird leistungsfähig. Er muss dies unaufgefordert seinen Unterhaltsgläubigern mitteilen, damit jene die notwendigen Schritte zur Sicherung ihres Unterhaltsanspruchs unternehmen können.
583 Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls die Parteien eines Unterhaltsvergleichs verpflichtet, sich gegenseitig ungefragt über einen erheblichen Anstieg des Einkommens zu informieren, wenn ihr Verdienst der Bemessung des Unterhalts zugrunde gelegt worden ist.54 Hierbei hat der BGH offen gelassen, ob sich diese Pflicht nur aus der vertraglichen Treuepflicht oder unabhängig von der Art des Unterhaltstitels schon aus dem unterhaltsrechtlichen Treueverhältnis ergebe. 584 Änderungen, die sich nicht ohne Weiteres auf den Unterhaltsanspruch auswirken, brauchen nicht mitgeteilt zu werden. Eine generelle Pflicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem Unterhaltsschuldner die Aufnahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mitzuteilen, kann daher nicht angenommen werden.55 585 Die Verletzung der Pflicht zur ungefragten Information kann verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen. Sie löst eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB aus (s. Rn. 556j, 556l). Zu viel gezahlter Unterhalt ist zurückzuzahlen, ohne dass § 238 Abs. 3 FamFG oder der Einwand der Entreicherung entgegenstünde; Unterhalt für die Vergangenheit kann nachgefordert werden (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB). Der künftige Unterhaltsanspruch kann nach § 1579 Nr. 5 BGB (s. Rn. 540), u.U. auch nach § 1611 BGB verwirkt sein. Eine vergleichbare Sanktion auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten in Form eines Zuschlags zum Unterhalt kennt das Familienrecht nicht. Der Unterhaltsverpflichtete hat sich aber möglicherweise strafbar gemacht (§ 170 StGB). 586 Einstweilen frei.
53 BGH, FamRZ 1986, 794; BGH, FamRZ 1988, 270. 54 BGH, FamRZ 2008, 1325. 55 Wendl/Dose, § 1 Rn. 698; a.A. OLG Koblenz, NJW-RR 1987, 1033; OLG Hamm, FuR 1998, 319.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs I. Einleitung Im Folgenden werden die im vorgerichtlichen Bereich rechtlich möglichen und 587 erforderlichen Schritte zur Sicherung und Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs bzw. zur Abwehr nicht berechtigter Forderungen dargestellt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit vor allem denjenigen Aspekten, die sich in der Praxis häufig als fehlerträchtig erweisen, wenn es später zum gerichtlichen Verfahren kommt. Auch ein klarer Unterhaltsanspruch nutzt dem Berechtigten nur, wenn er dann möglichst reibungslos und zügig umgesetzt werden kann.
II. Formlose Absprachen zum Unterhalt Zunächst können Unterhaltsgläubiger und Schuldner versuchen, die Unterhalts- 588 frage einvernehmlich miteinander zu regeln. Es steht den Beteiligten frei, sich ohne Beteiligung von Behörden, Anwälten und Gerichten über Unterhaltsfragen mündlich oder schriftlich zu einigen. Die schlichte Absprache reicht aber seit dem Inkrafttreten des UÄndG am 1.1.2008 nicht mehr in allen Fällen aus. Eine Vereinbarung, die vor der Rechtskraft der Scheidung über die nacheheliche Unterhaltspflicht getroffen wird, bedarf nach § 1585c Satz 2 und Satz 3 BGB der notariellen Beurkundung bzw. der Form eines gerichtlich protokollierten Vergleichs (vgl. Rn. 549). Ansonsten aber schreibt das Gesetz für Unterhaltsverträge ungeachtet ihrer oft existenziellen Bedeutung keine besondere Form vor. Vereinbarungen über die Zahlung von Kindes- oder Elternunterhalt, über Ehegattenunterhalt für die Zeit des Getrenntlebens sind ebenso formfrei wirksam, wie nach Rechtskraft der Scheidung getroffene Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt oder Verträge über die Abänderung von freiwillig gezahltem Unterhalt bzw. von Unterhaltstiteln. Sind hier beide Seiten mit der Absprache zum Unterhalt zufrieden, entfällt die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen. Angesichts der Komplexität des Unterhaltsrechts ist es jedoch vielfach angezeigt, sich bei Unterhaltsfragen zumindest fachlichen Rat einzuholen und einen Anwalt, eine öffentliche Beratungsstelle oder das Jugendamt (nur bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder volljähriger Kinder bis zum 21. Lebensjahr) aufzusuchen. Häufig beschränkt sich ein Beteiligter auf eine interne Beratung durch einen Anwalt, weil dann sachgemäße Verhandlungen mit der Gegenseite leichter fallen. Vorteilhaft ist dabei, dass sich durch solch eine Beratung eine Konfliktverschärfung durch anwaltliche bzw. amtliche Schreiben vermeiden lässt.1
1 Bei einer Scheidung wollen Eheleute nicht selten auch in Unterhaltsfragen von einem Anwalt gemeinsam beraten werden. Kommt ein Anwalt diesem Wunsch nach, darf er bei späteren Streitigkeiten keinen von beiden gegen den anderen vertreten. Ansonsten muss der Anwalt – mit Rücksicht auf das Verbot für Anwälte, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a BRAO, strafrechtlich sanktioniert durch § 356 StGB, Parteiverrat) – von vornherein unmissverständlich klarstellen, dass er nur als Interessenvertreter eines der Beteiligten beratend tätig sein kann.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren 589 Im Streitfall sollte jedoch alsbald ein Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt oder eine kostenlose Unterhaltsbeistandschaft (§§ 1712 ff. BGB) beim Jugendamt beantragt werden. Schnelles Handeln ist erforderlich, damit der laufende Unterhaltsanspruch nicht verfällt.
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Schreiben wegen Auskunft und Unterhalts
590 Rechtsanwältin
Berlin, den …
… Per Einschreiben/Rückschein Herrn … Anschrift … Betr. Unterhalt für Ihre Tochter und Ihre Ehefrau Sehr geehrter Herr …, ich möchte Sie darüber informieren, dass mich Ihre Ehefrau mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt hat. Eine auf mich lautende Vollmacht ist beigefügt. Nachdem Sie sich vor 2 Wochen von Ihrer Frau getrennt und die Ehewohnung verlassen haben, sind vorrangig die Unterhaltsansprüche Ihrer Tochter und Ihrer Ehefrau zu klären. Ich fordere Sie deshalb zunächst auf, anhand einer Aufstellung Auskunft über Ihre in der Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Januar 2010 erzielten Einkünfte sowie über Ihr Vermögen am 31. Dezember 2009 zu erteilen. Des Weiteren bitte ich darum, diese Auskunft zu belegen. Bezüglich Ihrer Einkünfte als Kfz-Mechaniker benötige ich die von Ihrem Arbeitgeber erteilten 12 Gehaltsabrechnung von Februar 2009 bis Januar 2010, bezüglich der Zinsen aus Ihrem Sparbuch eine Bankbestätigung. Den Eingang Ihrer Auskunft, zu der Sie gesetzlich verpflichtet sind, erwarte ich bis zum 25. Februar 2010. Meine Mandantin geht davon aus, dass sämtliche Schulden der Eheleute getilgt sind. Sollten Sie aber noch Zahlungen auf eheliche Verbindlichkeiten erbringen, bitte ich ebenfalls um Auskunft und Vorlage entsprechender Belege innerhalb der oben genannten Frist. Sobald Ihre Auskunft vorliegt, werde ich die Unterhaltsansprüche Ihres Kindes sowie meiner Mandantin berechnen und Ihnen die genauen Zahlbeträge mitteilen. In diesem Zusammenhang mache ich bereits jetzt darauf aufmerksam, dass Ihre Frau und Ihre Tochter Anspruch auf einen vollstreckbaren Unterhaltstitel haben. Sie können den Kindesunterhalt kostenlos vor dem Jugendamt anerkennen, den Ehegattenunterhalt kostengünstig vor einem Notar. Zur Errichtung dieser Urkunden sind Sie bereits jetzt aufgefordert. 472
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
Vorläufig errechnet sich der Unterhalt wie folgt: Sie haben nach Kenntnis meiner Mandantin ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 1 750 Euro. Nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2010) schulden Sie damit Ihrer 3-jährigen Tochter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 333 Euro abzüglich 92 Euro hälftiges Kindergeld, also monatlich 241 Euro. Meine Mandantin verfügt über ein bereinigtes Monatsnettoeinkommen von gerundet 425 Euro. Von der Differenz zwischen Ihrem Einkommen, welches nach Abzug des zu zahlenden Kindesunterhalts von 241 Euro noch 1 509 Euro beträgt, und dem Einkommen meiner Mandantin steht Ihrer Frau 3/ 7 zu. Das sind 464,57 Euro, aufgerundet 465 Euro Die Aufrundung entspricht der üblichen Praxis im Unterhaltsrecht.2 Ich darf Sie bitten, ab 1. Februar 2010 vorläufig einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 241 Euro an Ihre Tochter und 465 Euro an Ihre Ehefrau, insgesamt also 706 Euro jeweils monatlich im Voraus, spätestens bis zum 3. des Monats auf das Konto Ihrer Frau bei der … Bank (BLZ: …), Kontonummer … zu zahlen. Sollten sich aus Ihrer Auskunft höhere Unterhaltsbeträge ergeben, bleiben Nachforderungen ausdrücklich vorbehalten. Meiner Mandantin liegt nicht daran, mit Ihnen um Unterhaltsfragen zu streiten, sie ist jedoch – auch im Interesse des gemeinsamen Kindes – auf Ihre regelmäßigen, pünktlichen und vollständigen Zahlungen angewiesen. Sollte die Unterhaltszahlung nicht aufgenommen werden und die geforderte Auskunft nicht innerhalb der genannten Frist vollständig erteilt sein, werde ich ohne weiteres Zuwarten ein Zahlungsverfahren einleiten. Hierzu bin ich bereits jetzt beauftragt. Hochachtungsvoll Unterschrift Ein Schreiben, mit dem Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden, muss 591 sorgfältig abgefasst sein. Dem Unterhaltsverpflichteten muss vor Augen geführt werden, dass er Unterhalt schuldet und dass der Berechtigte die Erfüllung seines Anspruchs verlangt. Denn seinem Wesen nach dient Unterhalt nur der Deckung des laufenden Bedarfs; solange der Bedürftige ihn nicht fordert, ist davon auszugehen, dass er ihn selbst bestreiten kann.3 Dementsprechend ist der Unterhaltsbedürftige grundsätzlich nicht berechtigt, Unterhalt für vergangene Zeiträume nachzufordern. Nur unter besonderen Voraussetzungen wird Unterhalt für die Vergangenheit geschuldet, u.a. ab dem Zeitpunkt, zu welchem der Verpflichtete zum Zweck der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug geraten oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 1613 Abs. 1 Satz 1, § 1585b Abs. 2 BGB).4 Um die Rechte der Unterhaltsbedürftigen umfassend zu wahren, ist es erforder- 592 lich, den Unterhaltsschuldner so bald wie möglich in präziser Form aufzufordern, 2 Vgl. Leitlinien der OLG, Nr. 24. 3 RGZ 164, 65, 69; BGH, FamRZ 1989, 150. 4 Zu den (weiteren) Voraussetzungen, unter denen Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden kann, vgl. unter Rn. 156 ff., 290, 328, 423, 550.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
Auskunft zu erteilen, konkret bestimmte Unterhaltszahlungen aufzunehmen und einen vollstreckbaren Titel zu überreichen. Sollen die Weichen für ein insgesamt erfolgreiches Unterhaltsverfahren richtig gestellt sein, darf i.d.R. keine dieser Forderungen fehlen. Das Auskunftsverlangen (zu den Einzelheiten vgl. unter Rn. 593) ist für die genaue Berechnung und Darlegung der Unterhaltsforderungen im gerichtlichen Verfahren meist unumgänglich. Zudem schreibt es nach § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB den Beginn der Unterhaltszahlungen fest.5 Wird die Auskunft nicht oder nur unzureichend erteilt, droht dem Unterhaltspflichtigen ein Kostennachteil nach § 243 Nr. 2 FamFG, wonach ihm die Kosten eines hierdurch veranlassten Unterhaltsstreitverfahrens nach billigem Ermessen ganz oder teilweise auferlegt werden können. Außerdem kann der Antragsteller vom Familiengericht verlangen, nach § 235 Abs. 1 FamFG gegen den Unterhaltspflichtigen vorzugehen (vgl. Rn. 744). Die Aufforderung, Unterhaltszahlungen in der bezifferten Höhe ab Erhalt des Schreibens bzw. von einem bestimmten Zeitpunkt an aufzunehmen, setzt den Unterhaltsverpflichteten in Verzug (s. im Einzelnen unter Rn. 595 f.). Der wirksam in Verzug gesetzte Unterhaltsschuldner ist gleichfalls verpflichtet, Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit zu zahlen. Außerdem hat der Unterhaltsschuldner nach § 288 BGB Verzugszinsen zu zahlen, die nicht verlangt werden können, solange nur die Fälligkeit der Unterhaltsforderung durch ein Auskunftsverlangen bewirkt ist. Letztlich ist die (vergebliche) Aufforderung an den Schuldner, einen vollstreckbaren Schuldtitel zu errichten und zur Verfügung zu stellen, nicht nur eine der Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, sondern sie schiebt auch der für den Antragsteller ungünstigen Kostenentscheidung nach § 243 Nr. 4 FamFG einen Riegel vor, wenn der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO abgeben sollte (zu den Einzelheiten vgl. unter Rn. 598 ff.).
" Praxishinweis: Das Auskunfts- und Zahlungsverlangen sollte immer
schriftlich und gegen Einschreiben/Rückschein bzw. unter Anwälten gegen Empfangsbekenntnis erfolgen; denn der Unterhaltsberechtigte muss den Zugang des Auskunfts- und Zahlungsverlangens beim Unterhaltsverpflichteten nachweisen.
1. Auskunftsverlangen 593 Das Schreiben, in dem ein Unterhaltsberechtigter Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten begehrt, muss folgende Angaben enthalten: – den Hinweis, dass und für wen Unterhalt verlangt wird; – den genau bestimmten Zeitraum, für den Auskunft über die Höhe der Einkünfte zu erteilen ist; – einen präzisen Stichtag, falls Auskunft über die Höhe des Vermögens gegeben werden soll. Es muss klar sein, dass Auskunft zum Zweck der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen erteilt werden soll. Außerdem muss der Pflichtige wissen, wie und in welchem Umfang er seiner Auskunftspflicht nachkommen soll. Zum Umfang und zur Form der Auskunft vgl. unter Rn. 567 ff. und Rn. 572 f. 5 BGH, FamRZ 2007, 193 m. Anm. Borth.
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
Mit dem Auskunftsanspruch wird in aller Regel der Anspruch auf Vorlage von 594 Belegen nach § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB verbunden. Welche Belege benötigt werden, um die Angaben des Unterhaltsschuldners kontrollieren zu können, ist Sache des Einzelfalls. So mag bei abhängig Beschäftigten die Übersendung der Gehaltsabrechnungen genügen. Bei selbständig Erwerbstätigen oder bei Einkünften aus Vermögen und Vermietung etc. ist die Vorlage von Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Einnahmen-/Überschussrechnungen, Steuererklärungen und -bescheiden erforderlich (vgl. hierzu Rn. 575 f.). Sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen unbekannt, müssen sämtliche für die einzelnen Einkommensarten üblichen Belege erfragt werden (vgl. hierzu das Muster einer Auflage nach § 235 FamFG unter Rn. 738). Es ist zweckmäßig, dem Unterhaltsschuldner eine Frist für die Erteilung der Auskunft zu setzen; denn im Allgemeinen will und muss der Unterhaltsberechtigte seine Unterhaltsansprüche möglichst schnell berechnen und durchsetzen. Die Androhung rechtlicher Schritte ist nicht erforderlich, führt dem Verpflichteten häufig aber erst die Ernsthaftigkeit der Forderung vor Augen.
" Praxishinweis: Seit dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes am
1.1.2008 sind die Voraussetzungen, nach denen Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden kann, vereinheitlicht. Die Regelung des § 1613 Abs. 1 BGB gilt nunmehr für alle gesetzlichen Unterhaltsansprüche. Demgegenüber musste früher beim nachehelichen Unterhalt der Unterhaltsschuldner mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug gesetzt worden sein, um Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit durchsetzen zu können (§ 1585b Abs. 2 BGB a.F.). Jetzt verweist § 1585b Abs. 2 BGB ebenfalls auf § 1613 Abs. 1 BGB.
Nach § 36 Nr. 7 EGZPO gilt das neue Unterhaltsrecht für Unterhaltsleistungen, die nach dem 1.1.2008 fällig werden. Im Bereich des Geschiedenenunterhalts wird man daher rückständigen Unterhalt ab 1.1.2008 fordern dürfen, selbst wenn der Schuldner zuvor nicht in Verzug gesetzt, sondern nur zur Erteilung einer Auskunft über sein Einkommen aufgefordert worden ist. 2. Zahlungsverlangen/Verzug Die wirksame Inverzugsetzung – früher eine häufige Fehlerquelle – hat bereits 595 seit der Reform des Unterhaltsrechts 1998 und zusätzlich durch das Unterhaltsänderungsgesetz erheblich an Bedeutung verloren. Um Unterhaltsansprüche rückwirkend zu sichern, ist sie aber immer noch erforderlich, wenn der Berechtigte auf eine Auskunft verzichten möchte, weil das Einkommen des Verpflichteten bekannt ist. Außerdem löst die Mahnung die Verpflichtung aus, rückständigen Unterhalt nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verzinsen – eine Rechtsfolge, die seit der Anhebung der Verzugszinsen zum 1.5.2000 durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen6 wirtschaftlich interessant geworden ist und erheblich an Bedeutung gewonnen hat (zur Höhe der Verzugszinsen vgl. unter Rn. 160 und Rn. 796). Verzug nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung nach Fäl- 596 ligkeit der Leistung voraus. Einer Mahnung bedarf es nur dann nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder 6 Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000, BGBl. I, S. 330.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Allerdings können Zahlungsaufforderung und Mahnung auch miteinander verbunden werden, so dass ein Verzug bei Unterhaltsforderungen auch dann eintritt, wenn in der Zahlungsaufforderung der gesetzliche Anspruch auf Zahlung von Unterhalt nach Höhe und Beginn im Einzelfall konkretisiert wurde. Die Zahlungsaufforderung muss – angeben, für wen Unterhalt verlangt wird; – die vorläufige Höhe (ziffernmäßige Angabe) des zu zahlenden Unterhalts nennen; – das Datum für die Aufnahme der Unterhaltszahlungen festlegen. Keine wirksamen Mahnungen enthalten Schreiben mit dem bloßen Hinweis des Berechtigten, der Verpflichtete möge seine Zahlungen seinen gestiegenen wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen, oder die Übersendung von Unterhaltstabellen oder Leitlinien an den Verpflichteten mit der Aufforderung, den zutreffenden Satz zu zahlen. Hierdurch wird der Unterhaltsverpflichteten nicht in Verzug gesetzt! Will ein Unterhaltsberechtigter den Unterhaltsverpflichteten in Verzug setzen (z.B. zwecks Verzinsung des rückständigen Unterhalts) und kann er seinen Anspruch auf Unterhalt noch nicht genau beziffern, weil er die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten nicht kennt, muss er im Wege der sog. Stufenmahnung vorgehen. Wie bei dem Stufenklageantrag nach § 254 ZPO ist das Auskunftsbegehren mit dem unbezifferten Unterhaltsbegehren zu verbinden (vgl. hierzu Rn. 824 ff.). 597 Das Aufforderungsschreiben, mit dem Unterhaltszahlungen gefordert werden, sollte zweckmäßigerweise auch die Bankverbindung des Berechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters enthalten. 3. Aufforderung zur Übergabe einer vollstreckbaren Urkunde 598 Es ist dem Unterhaltsgläubiger anzuraten, den Schuldner vorgerichtlich zur Errichtung oder zur Mitwirkung bei der Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde aufzufordern. Denn jeder Unterhaltsberechtigte hat Anspruch auf einen förmlichen Vollstreckungstitel, der es ihm ermöglicht, den Unterhaltsverpflichteten im Wege der Zwangsvollstreckung zur Zahlung des geschuldeten Unterhalts zu zwingen. Der Anspruch auf einen vollstreckbaren Schuldtitel besteht selbst dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete den Unterhaltsanspruch anerkennt und regelmäßig Unterhalt zahlt.7 Bei wiederkehrenden Leistungen (§ 258 ZPO) bietet nämlich nur ein Vollstreckungstitel die rechtliche (wenn auch nicht die tatsächliche) Gewähr dafür, dass die künftige Erfüllung des Unterhaltsanspruchs sichergestellt ist. 599 Eine Aufforderung zur Vorlage eines Schuldtitels ist selbst dann sinnvoll, wenn sich eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten von vornherein abzeichnet; denn auf diese Weise schiebt der unterhaltsberechtigte Antragsteller der Anwendung des § 243 Nr. 4 FamFG einen Riegel vor. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei der Kostenverteilung ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO zu berücksichtigen, wonach dem Antragsteller die Verfahrens7 BGH, FamRZ 2010, 196; FamRZ 1998, 1165; OLG Stuttgart, FamRZ 1990, 1368.
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III. Schriftliches Auskunfts- und Unterhaltsbegehren
kosten zur Last fallen, wenn der Antragsgegner den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und keine Veranlassung zur Antragserhebung gegeben hat. Kommt der Unterhaltsschuldner dem Begehren des Unterhaltsberechtigten auf Vorlage eines außergerichtlichen Titels nicht nach, gibt er in jedem Fall Veranlassung zur Antragserhebung, auch wenn er im gerichtlichen Verfahren den Unterhaltsanspruch sofort ganz oder zum Teil anerkennen sollte (vgl. im Einzelnen Rn. 690). Der Unterhaltsverpflichtete ist gehalten, den Unterhaltstitel auf eigene Kosten 600 zu errichten. Diese Verpflichtung wird allerdings von einem Teil der Rechtsprechung mit der Begründung bestritten, eine solche Kostenübernahme sei im materiellen Unterhaltsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen.8 Die Gegenmeinung stuft die Kosten einer Titulierung materiell-rechtlich als Sonderbedarf ein, den der Unterhaltsverpflichtete zu tragen habe.9 Letzteres erscheint sachgerecht. Der Unterhaltsberechtigte benötigt die Unterhaltszahlungen, um seine laufenden Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Abgesehen davon hat der Unterhaltsverpflichtete die Möglichkeit, Kindesunterhalt (bis zum 21. Lebensjahr) sowie die Unterhaltsansprüche der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes kostenlos beim Jugendamt anzuerkennen. Auch beim Notar kann gemäß § 17 Abs. 2 BNotO Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Letztlich empfiehlt es sich auch für den Unterhaltsschuldner, frühzeitig eine 601 Schuldurkunde zu schaffen; denn er mindert damit das Prozessrisiko als solches und außerdem sein Kostenrisiko, wenn es dennoch zum Unterhaltsverfahren kommt. Beispiel Der Berechtigte verlangt 450 Euro mtl. Unterhalt, der Verpflichtete ist nur zur Zahlung von 400 Euro bereit. Wird der unstreitige Unterhaltsbetrag von 400 Euro außergerichtlich tituliert, beträgt der Streitwert des Verfahrens auf Zahlung von weiteren 50 Euro Unterhalt nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG lediglich 600 Euro (Jahresbetrag der streitigen Forderung). Ohne Titulierung würden sich die Kosten des dann erforderlichen Unterhaltsstreits aus einem Streitwert von 5 400 Euro errechnen.
4. Verwirkung trotz Verzug Zwischen dem vorprozessualen Auskunfts- und Zahlungsverlangen und der ge- 602 richtlichen Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs darf nicht zu viel Zeit verstreichen. Denn es ist einem Unterhaltsberechtigten nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt, Unterhalt für zurückliegende Zeiträume zu fordern, wenn er sich nicht zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruchs bemüht hat. Wartet der Unterhaltsberechtigte länger als ein Jahr, können der Zeitablauf und die Umstände eines Falls dafür sprechen, dass für diese Zeit Unterhaltsleistungen nicht erforderlich waren und der Verpflichtete sich darauf einrichten konnte, trotz des früheren Verlangens keinen Unterhalt zahlen zu müssen.10 8 OLG Hamm, FamRZ 2007, 1830; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 1763; OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 1381. 9 OLG Nürnberg, MDR 2002, 886; OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 1484. 10 BGH, FamRZ 1988, 370, 372; FamRZ 2002, 1698 mit Anm. von Klinkhammer; kritisch Büttner, FamRZ 2003, 449; vgl. auch die Ausführungen zur Verwirkung bei den einzelnen Unterhaltsansprüchen unter den Rn. 160a, 241, 292, 329a, 425a, 550c.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs 603 Im Folgenden werden die häufigsten der vollstreckbaren Schuldtitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, § 60 SGB VIII) erläutert, die außerhalb eines Unterhaltsverfahrens erstellt werden können. 1. Vollstreckbare Schuldurkunde des Jugendamts 604 Die vollstreckbaren Urkunden der Jugendämter nach § 59 Abs. 1 Nr. 3, § 60 SGB VIII haben in der Praxis für die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder überragende Bedeutung. Auch die Ansprüche volljähriger Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs oder die der Mutter oder des Vaters des nichtehelichen Kindes können so tituliert werden (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB VIII). Für die Errichtung dieser Urkunde ist das Jugendamt am Wohnort des Kindes zuständig. Die Urkunde ist kostenfrei. Die Jugendämter lassen sich regelmäßig Einkommensnachweise des Verpflichteten oder auch vorgerichtliche Korrespondenz vorlegen und helfen bei der Berechnung der Unterhaltspflicht – soweit sie nicht schon im Rahmen von Unterhaltsbeistandschaften verpflichtet und berechtigt sind, den zutreffenden Unterhaltsbetrag zu ermitteln.
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Unterhaltsanerkenntnis eines nichtehelichen Vaters
605 Freie und Hansestadt Hamburg Jugendamt
Hamburg, den … Urkundenregister Nr.: …
Geschäftszeichen Gegenwärtig: … als Urkundsperson Vor der ermächtigten Urkundsperson erscheint heute Herr … geboren …. in … Staatsangehörigkeit …, Beruf … Anschrift … ausgewiesen durch Personalausweis Nr. …., geschäftsfähig und erklärt, nachdem er über die gesetzlichen Bestimmungen, die der Unterhaltspflicht zugrunde liegen, sowie über die Bedeutung der Unterwerfungserklärung belehrt worden ist: 1. Ich bin nach den Bestimmungen des BGB verpflichtet, meinem Kind …, geb. … in … Unterhalt zu zahlen. Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist noch nicht tituliert. 2. Ich verpflichte mich, diesem Kind vom …. an Unterhalt von monatlich … % des Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB zu zahlen und zwar: – ab …der 1. Altersstufe, – ab …der 2. Altersstufe, – ab der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind. 478
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IV. Außergerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs
3. Ich unterwerfe mich wegen der Unterhaltsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde und beantrage und bewillige die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für das Kind zu Händen der Kindesmutter. Die Verhandlungsniederschrift ist dem Erschienenen vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig unterschrieben worden. Unterschriften Dienstsiegel
2. Notarielles Schuldanerkenntnis Der Unterhaltsschuldner kann seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung auch 606 in notarieller Urkunde anerkennen und sich hinsichtlich dieser Verpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Dieser Weg bietet sich für den Unterhaltsschuldner auch dann an, wenn er nur einen Teil des verlangten Unterhalts zahlen und sein Kostenrisiko im nachfolgenden Unterhaltsverfahren begrenzen will. Liegt nämlich ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis vor, hat der Berechtigte ein Rechtsschutzbedürfnis nur noch für den das Anerkenntnis übersteigenden Teil des Unterhalts. Zur Frage der zulässigen Verfahrensart (Zusatz- oder Abänderungsantrag?) vgl. Rn. 810. Zur Kostenersparnis vgl. Beispiel unter Rn. 601). 3. Notarieller Unterhaltsvertrag Notarielle Unterhaltsvereinbarungen werden häufig im Zusammenhang mit ei- 607 nem Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvertrag getroffen. Soll diese Vereinbarung hinsichtlich des Unterhalts vollstreckbar sein – was der Unterhaltsberechtigte mit Recht verlangen kann11, muss sich der Unterhaltsverpflichtete in der notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Bis zum 31.8.2009 musste eine Scheidungsfolgenvereinbarung auch im Hinblick auf § 630 Abs. 3 ZPO eine Unterwerfungsklausel unter die Zwangsvollstreckung enthalten. Diese Vorschrift ist aber nicht ins FamFG übernommen worden.
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Vertrag über Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt (mit Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) Urkundenrolle-Nummer
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Verhandelt zu … am … Vor dem unterzeichneten Notar (Name und Amtssitz) erschienen heute:
11 Zum Titulierungsinteresse s. BGH, FamRZ 2010, 195, 196.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
1. Frau … (Name, Geburtsdatum, Anschrift) ausgewiesen durch gültigen Personalausweis Nr. … 2. Herr … (Name, Geburtsdatum, Anschrift) ausgewiesen durch gültigen Personalausweis Nr. … und erklären mit der Bitte um Beurkundung: Wir sind seit dem … miteinander verheiratet und leben seit dem … voneinander getrennt. Aus unserer Ehe ist das minderjährige Kind …, geboren am …, hervorgegangen. Es befindet sich in der Obhut der Ehefrau. Für die Dauer des Getrenntlebens und den Fall der rechtskräftigen Scheidung treffen wir folgende Unterhaltsvereinbarung: 1. Der Ehemann verpflichtet sich, an das gemeinsame Kind … einen monatlichen im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats zu entrichtenden Unterhaltsbetrag i.H.v. 432 Euro zu Händen der Ehefrau zu zahlen, beginnend mit dem … Wegen dieser Zahlungsverpflichtung unterwirft sich der Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Bemessungsgrundlage des Unterhalts ist ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Ehemannes von 4 000 Euro abzüglich 150 Euro pauschale berufsbedingte Aufwendungen = 3 850 Euro. Der Unterhalt bestimmt sich nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2010), Altersstufe 1, Einkommensgruppe 7. Hierbei ist berücksichtigt, dass der Ehemann 2 Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Das staatliche Kindergeld, das die Ehefrau erhält, wird auf den Kindesunterhalt nicht angerechnet. 2. Der Ehemann verpflichtet sich, an seine Ehefrau einen monatlichen im Voraus bis zum 3. eines Monats zu entrichtenden Unterhaltsbetrag i.H.v. 1 000 Euro zu zahlen, beginnend mit dem … Wegen dieser Zahlungsverpflichtung unterwirft sich der Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Bei der Festlegung des Unterhalts gehen die Eheleute von dem um die berufsbedingten Aufwendungen und den Kindesunterhalt (voller Tabellenbetrag ohne Berücksichtigung des Kindergeldes) bereinigten Nettoeinkommen des Ehemannes von 3 418 Euro aus sowie von der Tatsache, dass die Ehefrau derzeit über ein durchschnittliches Nettoeinkommen aus Kapitalvermögen von 270 Euro verfügt, aber beabsichtigt, demnächst ihre Tätigkeit als Finanzwirtin im öffentlichen Dienst wieder aufzunehmen. Die Eheleute sind sich darüber einig, dass das von der Ehefrau in den nächsten 3 Jahren erzielte Erwerbseinkommen auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht angerechnet wird. Im Übrigen findet eine Abänderung des Unterhalts nach den von der Rechtsprechung zur Abänderung von Unterhaltsvereinbarungen entwickelten Grundsätzen statt. Die Vereinbarung über den Unterhalt der Ehefrau gilt bis zum … (Datum nach Ablauf von 3 Jahren). Für die Zeit ab … (Datum nach Ablauf von 3 Jahren) findet eine Abänderung dieser Unterhaltsregelung ohne Bindung an die Grundlagen dieser Vereinbarung nach Maßgabe des gesetzlichen Unterhaltsrechts statt. Der Notar wird beauftragt und ermächtigt, der Ehefrau eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu übersenden. 480
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V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen
Diese Niederschrift wurde den Erschienenen vom Notar vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig wie folgt unterschrieben: Unterschriften Notarsiegel
4. Anwaltsvergleich Eine ähnliche Funktion wie der notarielle Unterhaltsvertrag erfüllt der von den 609 Parteien und ihren Anwälten unterschriebene Anwaltsvergleich (§ 796a ZPO) mit Unterwerfungsklausel und Vollstreckbarerklärung, der bei einem Amtsgericht, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hatte, niedergelegt werden muss. Allerdings ersetzt der Anwaltsvergleich nicht die nach § 1585c Satz 2 BGB geforderte notarielle Beurkundung. Der Anwaltsvergleich ist zwar Vollstreckungstitel, aber kein gerichtlicher Vergleich i.S.v. § 127a BGB.12 Einstweilen frei.
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V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen Der privatschriftliche Unterhaltsvertrag ist kein Vollstreckungstitel; die Zwangs- 611 vollstreckung aus einem solchen Vertrag ist nicht möglich. Aus der Unterhaltsvereinbarung, in der die Parteien regelmäßig den gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Einzelnen ausgestaltet und festgelegt haben, muss im Wege des Zahlungsverfahrens vor dem Familiengericht vorgegangen werden. Der Wert der Vereinbarung besteht dann in erster Linie darin, dass der gesetzliche Unterhaltsanspruch nachweisbar und in bestimmter Weise festgelegt ist. Vollstreckungstitel sind Unterhaltsvereinbarungen,
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– wenn sie durch einen Notar beurkundet sind und sich der Unterhaltsschuldner in der notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), s. Rn. 607 f. – wenn sich der Unterhaltsschuldner in einem Anwaltsvergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der beim Amtsgericht niedergelegte Vertrag nach § 796a ZPO für vollstreckbar erklärt worden ist, s. Rn. 609. – wenn die Beteiligten die Vereinbarung zur Beilegung ihres Unterhaltsstreits vor dem Familiengericht geschlossen haben (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein solch gerichtlicher Vergleich kann geschlossen werden, indem die Vereinbarung zu richterlichem Protokoll genommen (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), den Beteiligten vorgelesen und von ihnen genehmigt wird (§ 162 ZPO). In diesem Fall genügt der gerichtliche Vergleich auch dem Formerfordernis einer notariellen Beurkundung (§ 127a BGB). Die Beteiligten können einen gerichtlichen Vergleich auch dadurch abschließen, dass sie dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts schriftsätzlich annehmen. Das Zustandekommen des Vergleichs wird durch gerichtlichen Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Die Be12 Palandt/Heinrichs, § 127a BGB Rn. 2.
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K. Vorprozessuale Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs
urkundungswirkung nach § 127a BGB tritt hier aber nach ganz überwiegender Meinung in der Literatur nicht ein, weil § 127a BGB hierfür die Aufnahme der Erklärungen in ein schriftliches Protokoll voraussetzt.13 Im Wege des schriftlichen Vergleichs kann mithin vor Rechtskraft der Scheidung eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt nicht wirksam geschlossen werden (§ 1585c Satz 2 BGB). Eine gemäß § 1585c BGB wirksame Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt kann – entgegen mancher Stimmen in der Literatur14 – vor Rechtskraft der Ehescheidung sowohl in einem isolierten Unterhaltsverfahren (z.B. über den Trennungsunterhalt) als auch im Scheidungsverfahren oder einer sonstigen Ehesache (§ 121 FamFG) geschlossen werden, wenn die beteiligten Eheleute ihre Vereinbarung zu richterlichem Protokoll nehmen lassen.15 Dies ergibt sich für das isolierte Unterhaltsverfahren unmittelbar aus § 127a BGB, wonach die gemäß § 1585c Satz 2 BGB geforderte notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) durch die Aufnahme der Erklärungen in ein gerichtliches Protokoll ersetzt wird. Für Verfahren in Ehesachen bestimmt § 1585c Satz 3 BGB, dass § 127a BGB „auch“ Anwendung findet.16 § 1585c Satz 3 BGB wurde durch das UÄndG Gesetz, um für die forensische Praxis sicherzustellen, dass eine formwirksame Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt auch in einem Verfahren in Ehesachen im Wege der Protokollierung durch das Prozessgericht abgeschlossen werden kann, selbst wenn zuvor keine Unterhaltssache anhängig war oder kein Streit oder Ungewissheit über den Unterhalt bestand.17 Eine weiter gehende Bedeutung kommt der Vorschrift nicht zu. 612a Unterhaltsverträge – gleichgültig, in welcher Form verfasst– bieten eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten. Fast sämtliche Aspekte des materiellen Unterhaltsrechts können durch Vereinbarung der Betroffenen aufgegriffen und festgelegt oder verändert bzw. abbedungen werden.18 Tragfähige Unterhaltsvereinbarungen kommen daher am ehesten zustande, wenn die Anwälte der Parteien die verschiedenen Facetten des Unterhaltsrechts kennen, wirtschaftliches Verständnis sowie psychologisches Einfühlungsvermögen haben und nicht zuletzt die Auswirkungen des Vertrags auf andere Gebiete (z.B. dessen steuer-, sozial- oder rentenrechtliche Folgen) abschätzen können.
" Praxishinweis: Als Minimum sollte jeder Vertrag enthalten: Name und Anschrift der Vertragspartner, Höhe des Unterhaltsbetrags, Beginn der Zahlung und Zahlungsmodalitäten, Ort und Datum des Vertragsschlusses und die Unterschriften der Parteien.
13 Zöller/Greger, ZPO, § 278 Rn. 31 m.w.N.; vgl. auch OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1192 und Pilati, jurisPR-FamR 22/2008 Anm. 4 (beide zu § 1587o BGB). 14 Prütting/Wegen/Weinrich/Kleffmann, § 1585c Rn. 2; Bergschneider, FamRZ 2008, 17, 18; Büte, FuR 2008, 177/8 halten eine formwirksame Vereinbarung nur in den Verfahren in Ehesachen für zulässig. 15 MünchKomm.BGB/Maurer, § 1585c Rn. 10; Borth, UÄndG 2008, Rn. 235; GöhlerSchlicht, FF 2008, 143; Büttner/Niepmann, NJW 2008, 2391 ff.; die in der Vorauflage vertretene Auffassung wird aufgegeben. 16 Das Wort „auch“ übergeht Bergschneider, FamRZ 2008, 17, 18, wie hier MünchKomm.BGB/Maurer, § 1585c BGB Rn. 10. 17 Vgl. die Begründung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 16/6980, 20; abgedruckt auch bei Menne/Grundmann, S. 74. 18 Vgl. hierzu unter Rn. 153 f., 422a, 549; auch Mustervertrag unter Rn. 608.
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V. Exkurs: Zu Form und Inhalt von Unterhaltsverträgen
Im Hinblick auf spätere Abänderungswünsche ist es ratsam, die Vertragsgrundlagen anzugeben, d.h. in die Urkunde aufzunehmen, wie hoch das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist bzw. welches Einkommen der Berechnung zugrunde gelegt wurde, welche Abzüge berücksichtigt wurden, ob und in welcher Höhe Einkommen des Berechtigten berücksichtigt wurde, welche Einkommenstabelle (z.B. DT, Stand 1.1.2010), Einkommensstufe, Altersstufe, Kindergeldanrechnung zugrunde gelegt wurde usw. Auch Abänderungsmöglichkeiten oder der Ausschluss von Abänderungen können aufgenommen werden. Es kann auch zweckmäßig sein, verbliebene Streitpunkte zu benennen, z.B. die unterschiedlichen Standpunkte bei der Errechnung der Einkünfte. Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Parteien im Unterhaltsrecht durch § 1614 BGB. Für den Ehegatten- und Verwandtenunterhalt gilt, dass für die Zukunft auf den Unterhalt nicht verzichtet werden kann (§ 1614 Abs. 1 BGB). Nur für die Zeit nach Scheidung lässt § 1585c BGB den Verzicht auch auf künftigen nachehelichen Unterhalt zu (s. Rn. 549). Doch müssen sich Unterhaltsverträge, die einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt enthalten, an § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und § 242 BGB (Treu und Glauben) messen lassen. Zur Inhaltskontrolle von Unterhaltsvereinbarungen im Einzelnen s. Rn. 549.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen I. Einleitung Das FamFG verweist für die Mehrzahl der Unterhaltsverfahren ganz überwiegend 613 auf die Zivilprozessordnung. Für Verfahren, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, Eltern oder dem (früheren) Ehegatten oder die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB betreffen (§ 231 Abs. 1 FamFG), gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor dem Landgericht entsprechend (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Neukodifikation des familiengerichtlichen Verfahrens hat aber auch in diesen Unterhaltsstreitverfahren zahlreiche inhaltliche Änderungen bewirkt. Bedeutsam ist die Ersetzung des Urteils durch den Beschluss als Form der Endentscheidung (§§ 116, 38 FamFG), der Systemwechsel bei den einstweiligen Anordnungen, die nicht mehr von einem Hauptverfahren anhängig sind (§§ 246, 119, 49 ff. FamFG) und die Einführung des Beschwerdeverfahrens nach §§ 58 ff. FamFG anstelle der Berufung. Nicht zu unterschätzen in ihren Auswirkungen sind auch die zahlreichen Änderungen bei der Regelung einzelner Verfahrensfragen in Unterhaltssachen (z.B. die Auskunftspflicht der Beteiligten gegenüber dem Familiengericht gemäß §§ 235, 236 FamFG). Das vorliegende Kapitel L befasst sich – ebenso wie das folgende Kapitel M über 614 die Rechtsmittel – nur mit dem Verfahren in den „klassischen“, auf die ZPO ausgerichteten Unterhaltsstreitsachen nach § 231 Abs. 1 FamFG, welche innerhalb der Unterhaltssachen den Schwerpunkt der familiengerichtlichen Tätigkeit bilden. Im Vordergrund stehen dabei die Besonderheiten des Unterhaltsverfahrens gegenüber dem allgemeinen Zivilprozess. Die in § 231 Abs. 2 FamFG genannten Verfahren zur Bestimmung der Bezugs- 615 berechtigten des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 3 BKGG werden in diesem Buch nicht behandelt. Für diese – zahlenmäßig kleine – Gruppe der Unterhaltsverfahren ist das Familiengericht nach dem FamFG zuständig geworden. Sie richten sich aber – im Gegensatz zu den Unterhaltsstreitverfahren nach § 231 Abs. 1 FamFG – ausschließlich nach dem FamFG und sind dem Rechtspfleger zugewiesen, soweit keine Unterhaltsstreitsache anhängig ist (§ 25 Nr. 2a RPflG). Die Übergangsvorschrift Art. 111 FGG-RG ist im Anhang I.1 abgedruckt und kommentiert.
II. Grundzüge 1. Begriff der Unterhaltsstreitsache Das FamFG hat den Gesetzesbegriff „Unterhaltssachen“ eingeführt, wobei § 231 616 FamFG eine zweigeteilte Definition für diesen Begriff enthält. Nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FamFG sind Unterhaltssachen Verfahren, die die durch Verwandtschaft (Nr. 1) oder durch Ehe (Nr. 2) begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sowie die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB (Nr. 3) betreffen. Daneben sind Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG die nach dem Bundeskindergeldgesetz und dem EStG vorgesehenen Verfahren zur Bestimmung des Bezugsberechtigten des Kindergeldes. Nur die Unterhaltsverfahren nach § 231 Abs. 1 Rasch
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
FamFG zählen aber zur Kategorie der Familienstreitsachen (§ 112 FamFG), für die – neben den besonderen Vorschriften der §§ 231 ff. FamFG – die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend gelten (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die ZPO-Vorschriften verdrängen dabei ganz überwiegend die Verfahrensregelungen aus dem Allgemeinen Teil des FamFG. Die Paragraphenkette der allgemeinen Vorschriften des FamFG, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen nicht anzuwenden sind, ist lang: §§ 2 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und Satz 2, 47 und 48, sowie 76 bis 96 FamFG. Das sind sämtliche Vorschriften im allgemeinen Teil des FamFG – mit Ausnahme der Regelungen zum Beschluss als Form der Endentscheidung (§§ 38, 39 FamFG), zur einstweiligen Anordnung (§§ 49 ff. FamFG), zur Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) und zu den Verfahren mit Auslandsbezug (§§ 97 ff. FamFG). 617 Die Definition der Unterhaltsstreitsachen in § 231 Abs. 1 FamFG ist weit gefasst. Zu den Verfahren dieser Gruppe zählen nicht nur die Streitigkeiten zwischen Verwandten, (ehemaligen) Eheleuten und Eltern eines nichtehelichen Kindes, mit denen der Anspruch auf Unterhalt geklärt werden soll. Verfahren, die die durch Verwandtschaft oder Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sowie die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m BGB „betreffen“, sind auch solche, deren Streitgegenstand materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich mit den genannten Unterhaltsansprüchen zusammenhängen.1 Hierzu zählen u.a. Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht,2 der familienrechtliche Ausgleichsanspruch eines Elternteils gegen den anderen wegen Kindesunterhalt,3 der Erstattungsanspruch des Scheinvaters gegen den Erzeuger4 und der Anspruch auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting oder auf Erstattung der hierdurch entstandenen Nachteile.5 2. Systematik des FamFG in Unterhaltsstreitsachen 618 Obwohl der Aufbau des FamFG streng logisch ist – das FamFG enthält Definitionen, allgemeine „vor die Klammer gezogene“ Vorschriften, dann die besonderen Vorschriften für einzelne Verfahrensgegenstände, erweist sich das Auffinden der einschlägigen Normen insbesondere bei den Unterhaltsstreitsachen als mühselig. Denn in den Unterhaltsstreitsachen greifen folgende Teile des Verfahrensrechts ineinander: – der allgemeine Teil des FamFG (§§ 38, 39 FamFG – Regelungen zum Beschluss; §§ 49 ff. FamFG – Verfahren der einstweiligen Anordnung; §§ 58 ff. FamFG – Beschwerdeverfahren) in Buch 1, – die allgemeinen Vorschriften für das Verfahren in Familienstreitsachen (§§ 112 ff. FamFG) mit Verweisung auf Teile der ZPO (erstinstanzliches Erkenntnisverfahren) in Buch 2 und – die besonderen Verfahrensvorschriften für Unterhaltssachen in §§ 231 ff. FamFG, ebenfalls in Buch 2. 1 2 3 4 5
Zöller/Lorenz, § 231 FamFG Rn. 3 ff. Prütting/Helms/Bömelburg, § 231 FamFG Rn. 5 m.w.N. Keidel/Weber, § 231 FamFG Rn. 5; BGH, FamRZ 1980, 345. Vgl. BGH, FamRZ 2009,32; FamRZ 2008, 1424. BGH, FamRZ 2008, 40.
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II. Grundzüge
Insgesamt dürfte dieses Zusammenspiel mehrerer Ebenen Fehler und Unklarheiten bei der Rechtsanwendung begünstigen. Beispiel Für die Kostenentscheidung in einer Unterhaltsstreitsache verweist § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG auf die §§ 91 ff. ZPO, die anstelle der §§ 80 ff. FamFG gelten. Nicht übersehen werden darf aber § 243 FamFG, der für die Kostenentscheidung im Unterhaltsstreit eine von den Vorschriften der ZPO abweichende Kostenregelung nach billigem Ermessen vorsieht.
Für den Bereich der Unterhaltsstreitsachen empfiehlt es sich deshalb, die an- 619 wendbaren Vorschriften des FamFG und der ZPO in der Reihenfolge vom Besonderen zum Allgemeinen zu prüfen: §§ 231 ff. in Buch 2, Abschnitt 9 (besondere Vorschriften für Unterhaltssachen), dann §§ 111 ff. in Buch 2, Abschnitt 1 (allgemeine Vorschriften für Familiensachen), mit a) Verweisung auf einzelne Paragraphen im Allgemeiner Teil des FamFG (konkret: §§ 38, 39 FamFG (Beschluss), § 46 Satz 3 FamFG, §§ 49 ff. FamFG (einstweilige Anordnung), §§ 58 ff. FamFG (Beschwerde und Rechtsbeschwerde) und b) Verweisung auf das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren der ZPO (konkret: nach § 113 Abs. 1 FamFG auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten, zudem nach § 113 Abs. 2 FamFG auf die Vorschriften über den Urkunden- und Wechselprozess sowie über das Mahnverfahren). 3. Terminologie bei Unterhaltsstreitsachen Bei der entsprechenden Anwendung der ZPO-Vorschriften ist eine von der ZPO 620 abweichende Terminologie einzuhalten, die dem FamFG angepasst ist. § 113 Abs. 5 FamFG ordnet ausdrücklich an, dass anstelle der zivilprozessualen Bezeichnungen (Prozess oder Rechtsstreit, Klage, Kläger, Beklagter, Partei) die entsprechenden Bezeichnungen des FamFG-Verfahrens zu verwenden sind (Verfahren, Antrag, Antragsteller, Antragsgegner, Beteiligter). Die dem Sprachgebrauch des FamFG angepassten Begriffe werden auch in zusammengesetzten Wörtern verwandt. So spricht das FamFG selbst von Beteiligtenfähigkeit (vgl. § 8 FamFG) und Verfahrensfähigkeit (vgl. § 9 FamFG). Entsprechend werden Begriffe wie Verfahrensstandschaft (anstelle von Prozessstandschaft) oder Stufenverfahren (statt Stufenklage) verwendet. Allerdings darf die sprachliche Harmonisierung nicht auf Kosten der Verständlichkeit und der Prägnanz von Fachausdrücken gehen.6 So ist es z.B. zulässig, die Begriffe „Klageantrag“, „Stufenklageantrag“ und „Widerklageantrag“ zu verwenden. Diese Bezeichnungen werden selbst in dem eigens für das FamFG geschaffenen FamGKG benutzt (§§ 38, 39 und 51 FamGKG).
6 Prütting/Helms, § 113 FamFG Rn. 26.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit 1. Sachliche Zuständigkeit und Instanzenzug 621 Für alle Unterhaltssachen sind die Amtsgerichte in 1. Instanz sachlich zuständig (§ 23a Nr. 1 GVG). Innerhalb der Amtsgerichte bestehen besondere Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte), denen die Unterhaltssachen als Familiensachen (§ 111 Nr. 8 FamFG) zugewiesen sind (§ 23b Abs. 1 GVG). In 2. Instanz entscheidet das Oberlandesgericht – dort die Familiensenate – über die Beschwerden in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 GVG), in 3. Instanz der Bundesgerichtshof über die Rechtsbeschwerden und Sprungrechtsbeschwerden (§ 133 GVG). Zu den Rechtsmitteln im Einzelnen vgl. Rn. 995 ff. 2. Örtliche Zuständigkeit 622 Die örtliche Zuständigkeit für Unterhaltssachen ist in § 232 FamFG geregelt, der die früher in der Zivilprozessordnung verstreuten Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit des Familiengerichts in Unterhaltssachen (§§ 621, 642, 35a, 23a ZPO a.F.) in einer einzigen detaillierten Norm zusammenfasst. a) Ausschließliche Gerichtsstände gemäß § 232 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG 623 Während der Anhängigkeit einer Ehesache ist das Gericht der Ehesache im ersten Rechtszug ausschließlich zuständig für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein gemeinschaftliches minderjähriges oder volljähriges Kind der Ehegatten oder durch die Ehe begründete Unterhaltspflichten betreffen (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Wird eine Ehesache rechtshängig, während eine solche Unterhaltssache bei einem anderen Gericht im ersten Rechtszug anhängig ist, ist dieses Verfahren von Amts wegen an das Gericht der Ehesache abzugeben (§ 233 FamFG). Ausgenommen von diesen Regelungen ist das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger gemäß §§ 249 ff. FamFG (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG).
" Praxishinweis: Die ausschließliche Zuständigkeit des Ehegerichts für Un-
terhaltssachen endet, wenn die Ehesache selbst – in der Regel die Scheidung – rechtskräftig entschieden ist. Dies gilt auch dann, wenn abgetrennte Folgesachen (z.B. der Versorgungsausgleich, der Zugewinn etc.) noch anhängig sind. D.h., in den nach Rechtskraft der Scheidung eingeleiteten Verfahren richtet sich die Zuständigkeit nach den weiteren Zuständigkeitsbestimmungen des FamFG, für bereits rechtshängige Unterhaltssachen bleibt das Gericht der Ehesache zuständig.
624 Das Gericht, in dessen Bezirk das minderjährige Kind oder der für es handlungsbefugte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Rn. 644) hat, ist in reinen Inlandsfällen ausschließlich zuständig für Verfahren, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Gleiches gilt für Verfahren, die den Unterhalt eines volljährigen Kindes betreffen, das nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB dem minderjährigen Kind gleichgestellt ist (sog. privilegiertes volljähriges Kind). 625 Ein Verfahren „betrifft“ die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges oder ihm gleichgestelltes Kind, wenn es den Kindesunterhalt (auch) für die Zeit der 488
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III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit
Minderjährigkeit oder auch für die Zeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres zum Gegenstand hat. Der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes, sein Auszug aus dem elterlichen Haushalt oder die Beendigung der allgemeinen Schulausbildung führen nicht zum Wegfall des Gerichtsstands nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Für die Anwendung von § 232 Abs. 1 FamFG kommt es nicht auf die beteiligten Personen, sondern auf den Streitgegenstand an.7 § 232 Abs. 2 FamFG ordnet den Vorrang der in § 232 Abs. 1 FamFG vorgesehenen 626 ausschließlichen Zuständigkeit gegenüber anderen ausschließlichen Gerichtsständen an. Diese Regelung hat in Unterhaltssachen insbesondere im Fall des Vollstreckungsabwehrverfahrens nach § 767 ZPO praktische Bedeutung. Früher wurde ein Vorrang des nach §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO ausschließlich zuständigen Gerichts des ersten Rechtszugs angenommen, d.h. des Gerichts, bei dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden war. Nunmehr gibt § 232 Abs. 2 FamFG auch insoweit den familienrechtlichen Regelungen den Vorzug. Zur Begründung verweist der Gesetzgeber darauf, dass die Fallkenntnis des Gerichts des Vorprozesses insbesondere nach Ablauf einer längeren Zeitspanne und im Fall eines Richterwechsels nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung ist.8 Beispiel Das in Berlin wohnende minderjährige Kind vollstreckt rückständigen Unterhalt aus einem Urteil des Familiengerichts Schwandorf, obwohl der in Schwandorf lebende Vater diese Unterhaltszahlungen erbracht hat. Zuständig für das Vollstreckungsabwehrverfahren des Vaters ist das Familiengericht in Berlin. Gemäß § 232 Abs. 2 FamFG wird die ausschließliche Zuständigkeit nach §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO verdrängt.
b) Weitere Gerichtsstände Ist kein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 232 Abs. 1 FamFG bestimmt, 627 richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Unterhaltssachen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, allerdings mit der Maßgabe, dass in den Vorschriften über den allgemeinen Gerichtsstand an die Stelle des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt tritt (§ 232 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Örtlich zuständig für Unterhaltssachen ist damit grundsätzlich das Amtsgericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners (vgl. §§ 12, 13 ZPO)9. Mit gewöhnlichem Aufenthalt ist der Ort gemeint, an dem eine Person für eine 628 gewisse Dauer den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat.10 Für die Frage, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts zu berücksichtigen sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art heranzuziehen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Anders als beim Wohnsitz (§ 13 ZPO, § 7 BGB) ist ein rechtsgeschäftlicher Begründungswille aber nicht erforderlich.11 7 Keidel/Weber, § 232 FamFG Rn. 8. 8 BT-Drucks. 16/6308, S. 255. 9 Es wird hier und im Folgenden – aus Platzgründen – darauf verzichtet, die entsprechend anwendbaren Normen der ZPO jeweils zusammen mit der Verweisungsnorm § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG zu zitieren. 10 BGH, NJW 1993, 2047. 11 BGH, NJW 1993, 2047.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
629 Ist ein Verfahren über den Kindesunterhalt anhängig, kann nach Wahl des Antragstellers auch das Verfahren eines Elternteils gegen den anderen auf Zahlung von Ehegatten- bzw. Geschiedenenunterhalt oder von Unterhalt nach § 1615l BGB bei demselben Gericht erhoben werden (§ 232 Abs. 3 Nr. 1 FamFG). 630 Ferner ist nach Wahl des Antragstellers für den Antrag eines Kindes, durch den beide Eltern auf Erfüllung der Unterhaltspflicht in Anspruch genommen werden, auch das Gericht zuständig, das für den Antrag gegen einen Elternteil zuständig ist (§ 232 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). 631 Hat der Antragsgegner im Inland keinen Gerichtsstand, kann der Antragsteller ein Unterhaltsverfahren auch an dem Ort einleiten, bei dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 232 Abs. 3 Nr. 3 FamFG). Zur internationalen Zuständigkeit s. Rn. 636a ff. 632 Zur örtlichen Zuständigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 50 FamFG vgl. Rn. 888 ff. Zur ausschließlichen Zuständigkeit für die Unterhaltsfestsetzung bei Feststellung der Vaterschaft gemäß § 237 Abs. 2 FamFG vgl. Rn. 940. 633 Ist für ein Unterhaltsverfahren kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet, sind die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit abdingbar, d.h., in 1. Instanz können die Beteiligten das angerufene Gericht als das örtlich zuständige Gericht bestimmen (§§ 38, 39 ZPO). Dessen Zuständigkeit wird auch durch rügelose Verhandlung zur Hauptsache begründet (§ 39 ZPO), sofern das Familiengericht zuvor nach § 504 ZPO auf seine örtliche Unzuständigkeit hingewiesen hat. Bei Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Eheleuten kann ein solches Vorgehen sinnvoll sein, wenn die Scheidung ansteht und das Unterhaltsverfahren sogleich am Gericht der Ehesache durchgeführt werden soll. c) Verweisung, Abgabe, Zuständigkeitskonflikte 634 Die Komplexität der gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen in Unterhaltssachen machen häufig Verfahrensüberleitungen von einem Gericht zum andern erforderlich. Hierbei ist zwischen einer formlosen Weiterleitung des eingegangenen Antrags, der bindenden Verweisung des Verfahrens nach § 281 ZPO und der bindenden Abgabe nach § 233 FamFG zu unterscheiden. Ist der Unterhaltsantrag bei dem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht eingereicht und dem Gegner noch nicht zugestellt, kann das Gericht die Sache auf Antrag des Antragstellers schnell und unbürokratisch an das zuständige Gericht weiterleiten. Diese Form der Verfahrensüberleitung12 ist allerdings nicht mehr als eine bloße Übersendung der Akte und entfaltet keine Bindungswirkung. Die Akte kann sowohl zurückals auch weitergeschickt werden. Erst nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit wird ein Unterhaltsverfahren auf Antrag durch bindenden Verweisungsbeschluss an das für zuständig erachtete Gericht verwiesen (§ 281 ZPO). Von Amts wegen erfolgt eine Abgabe des unzuständig gewordenen Gerichts an das zuständige Gericht, wenn eine Ehesache rechtshängig wird, während ein Unterhaltsverfahren bei einem anderen Gericht im ersten Rechtszug anhängig ist (§ 233 FamFG). Auch diese Abgabe hat bindende Wirkung (§ 233 Satz 2 FamFG, § 281 Abs. 2 12 Der hierfür im Bereich der ZPO gebräuchliche Begriff „Abgabe“ (vgl. § 621 Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F.) sollte im FamFG wegen den Bestimmungen zur Abgabe in §§ 4 und 233 FamFG nicht verwendet werden.
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III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit
ZPO). Durch die Abgabe entstandene Mehrkosten sind dem Antragsteller nicht aufzuerlegen (§ 233 Satz 2 FamFG). Gelangt eine Unterhaltssache fälschlich an die allgemeine Prozessabteilung des 635 Amtsgerichts und will sie der Richter dieser Abteilung nach Eintritt der Rechtshängigkeit an einen Familienrichter desselben Amtsgerichts verweisen, gilt § 17a Abs. 6 GVG. Danach ist – im Gegensatz zur früheren Rechtslage13 – eine bindende Verweisung auch zwischen den Spruchkörpern eines Gerichts möglich, wenn die Prozessabteilung mit einer Familiensache (oder umgekehrt die familiengerichtliche Abteilung mit einer allgemeinen Zivilsache) befasst wird. Der Verweisungsbeschluss ergeht nach Anhörung der Parteien (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) und hat bindende Wirkung (§ 17 Abs. 2 Satz 3 GVG). Er unterliegt gem. § 17 Abs. 4 Satz 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO. Entstandene Mehrkosten sind dem Antragsteller nicht aufzuerlegen (§ 17b Abs. 3 GVG). Haben sich zwei Amtsgerichte durch rechtskräftige Entscheidungen i.S.v. § 36 636 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt, wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht bestimmt. Handelt es sich dabei um den BGH, ist für die Bestimmung der Zuständigkeit das Oberlandesgericht zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (§ 36 Abs. 2 ZPO).14 3. Internationale Zuständigkeit a) Allgemeines In Angelegenheiten mit Auslandsberührung – d.h. ein Beteiligter ist Ausländer 636a oder hält sich im Ausland auf – ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.15 Ist sie gegeben, wenden deutsche Gerichte deutsches Verfahrensrecht an (lex fori). Aus der internationalen Zuständigkeit folgt aber nicht zugleich das in der Sache anzuwendende materielle Recht. Dieses bestimmt sich nach eigenen Kollisionsnormen, im Unterhaltsstreit z.B. nach dem Haager UnthÜ16 oder – nachrangig – gemäß Art. 18 EGBGB, dem deutschen IPR. Es gibt keinen automatischen Gleichlauf zwischen der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und dem anwendbaren materiellen Recht. Beispiel Das in Spanien lebende Kind mit algerischer Staatsangehörigkeit nimmt seinen in Deutschland lebenden Vater auf Unterhalt in Anspruch. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001, weil der Vater in Deutschland seinen Wohnsitz hat. In der Sache beurteilt sich der Unterhaltsanspruch des Kindes nach spanischem Recht. Gemäß Art. 4 Abs. 1 HaagUnthÜ ist das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend.17 13 14 15 16
Vgl. Vorauflage Rn. 621; BGH, FamRZ 1978, 582. OLG Naumburg, FamRZ 2005, 120. BGH, FamRZ 2009, 677; FamRZ 1994, 825; Bassenge/Roth, vor §§ 97 ff. Rn. 1. Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (BGBl. II 1986, S. 837), für die Bundesrepublik Deutschland seit 1.4.1987 in Kraft (Bekanntmachung vom 26.3.1987 BGBl. II, S. 225), abgedruckt u.a. in Beck-Texte im dtv, Familienrecht (FamR Nr. 27). 17 Vgl. auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.
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b) Rechtsquellen 636b In Verfahren mit Auslandsbezug ist die internationale Zuständigkeit zunächst anhand der unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Rn. 636c ff.) oder anhand völkerrechtlicher Vereinbarungen (vgl. Rn. 636g ff.) zu prüfen. Diesen Vorrang des supranationalen Rechts stellt § 97 Abs. 1 FamFG ausdrücklich klar. Die Vorschrift, die in erster Linie der Praxis als Hinweis und Warnung dienen soll,18 ist den Regelungen der internationalen Zuständigkeit in §§ 98 ff. FamFG (vgl. Rn. 636h) vorangestellt, was der praktischen Bedeutung der internationalen Normen entspricht. In den meisten Unterhaltsstreitigkeiten folgt die internationale Zuständigkeit der deutscher Gerichte aus europäischem Gemeinschaftsrecht, insbesondere aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Soweit EG-Recht und bestehende Staatsverträge die internationale Zuständigkeit regeln, verdrängen diese Normen das innerstaatliche (autonome) Recht, die Anwendung der §§ 98 ff. FamFG ist in der Praxis eher die Ausnahme.19 aa) Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft 636c Für Unterhaltssachen ist die internationale Entscheidungszuständigkeit der Gerichte (derzeit noch) in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 geregelt.20 Die Verordnung wird vielfach auch „Brüssel I – VO“ genannt oder abgekürzt als EuGVO oder EuGVVO bezeichnet. Sie vereinheitlicht die Regeln zur internationalen Entscheidungszuständigkeit in Zivil- und Handelssachen innerhalb der EU und umfasst – im Gegensatz zu sonstigen Familiensachen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) – auch Unterhaltssachen; arg.: Art. 5 Nr. 2.21 Allerdings werden die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen dieser Verordnung ersetzt werden durch die inhaltlich ähnlichen Bestimmungen in der neuen Verordnung (EG) Nr. 4/2009, die das internationale Verfahrensrecht und die Durchsetzung von Ansprüchen in Unterhaltssachen zusammenfassend regelt.22 Die neue Verordnung – auch EuUnterhaltsVO genannt – ist bereits am 30. Januar 2009 in Kraft getreten. Nach Art. 76 EuUnterhaltsVO findet die Verordnung ab dem 18. Juni 2011 unter der Voraussetzung Anwendung, dass das Haager Protokoll vom 23. November 2007 zu diesem Zeitpunkt in der Europäischen Gemeinschaft anwendbar ist. Diese Voraussetzung liegen jetzt mit der Unterzeichnung des Haager Protokolls durch die EU am 8. April 2010 vor, s. Rn. 246d. 636d Nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Danach kommt es für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Unterhaltsstreitsachen allein darauf an, ob der Antragsgegner seinen Wohnsitz in 18 BT-Drucks. 16/6308, S. 220. 19 Bassenge/Roth/Althammer, § 97 Rn. 1. 20 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in Kraft getreten am 1.3.2002, ABl. EG 2001, Nr. L 12 S. 1. Die Verordnung ist abgedruckt bei Zöller, ZPO, Anhang I., A. 21 Prütting/Helms/Hau, Anh. § 245 FamFG Rn. 8. 22 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABl. EG 2009, Nr. L 7 S. 1. Die Verordnung ist abgedruckt bei Zöller, ZPO, Anh. II, H (EG-VO Zuständigkeit Unterhaltssachen).
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III. Gericht: Organisation und Zuständigkeit
Deutschland hat. Die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners ist unerheblich. Unerheblich ist auch, wo der Antragsteller ansässig ist. Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 greift auch, wenn der Antragsteller nicht in einem Mitgliedstaat der EU, sondern in einem Drittland lebt. Soweit der BGH in früheren Entscheidungen anderer Auffassung war,23 hat er diesen Standpunkt im Anschluss an den EuGH ausdrücklich aufgegeben.24 Die Norm hat mithin eine doppelte Garantiefunktion: der in der EU ansässige Antragsgegner darf sicher sein und darauf vertrauen, nur nach der Verordnung (EG) gerichtspflichtig zu werden und der Antragsteller kann sicher sein, dass er einen Gerichtsstand nach der Verordnung (EG) hat, wenn der Antragsgegner in der EU ansässig ist.25 Beispiel Das auf den Philippinen lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in Deutschland wohnenden Vater. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001. Es ist unerheblich, dass die Philippinen nicht zur EU gehören. Ebenfalls ohne Bedeutung ist die Staatsangehörigkeit der Beteiligten.
Art. 5 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 44/2001 erleichtert dem Unterhaltsberechtigten – 636e als der im Allgemeinen schwächeren Partei – die Rechtsverfolgung. Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt und der Unterhaltsberechtigte bei dem Gericht klagt, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 und 2). Beispiel Das in Deutschland lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in den Niederlanden wohnenden Vater. Das Kind kann wählen, ob es den Vater an seinem eigenen Wohnort in Deutschland (Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001) oder an dessen Wohnort in den Niederlanden (Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001) gerichtlich belangt. Variation: Das Amt für Ausbildungsförderung will den Vater aus übergegangenem Recht (§ 37 BAföG) in Anspruch nehmen. Anders als das Kind selbst, muss die Behörde die Klage in den Niederlanden erheben. Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 greift nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zugunsten einer Behörde ein, weil die Regelung den besonderen Schutz des Unterhaltsberechtigten bezweckt und sich eine öffentliche Einrichtung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen nicht in einer unterlegenen Position befindet.26
Art. 5 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 44/2001 enthält eine weitere, an Statusverfahren an- 636f knüpfende Annexzuständigkeit. Abweichend von Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 kann im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, hierüber auch das Gericht entscheiden, welches nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständig ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien (Art. 5 Nr. 2 Alt. 3 VO (EG) Nr. 44/2001). Solche Ver23 BGH, FamRZ 2001, 412. 24 BGH, FuR 2006, 25 unter Verweis auf EuGH, NJW 2000,3121; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2006, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO, Rn. 11 m.w.N. 25 Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn. 11. 26 EuGH, FamRZ 2004, 513; vgl. auch OLG Dresden, NJW 2007, 446.
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fahren in Bezug auf den Personenstand (Statusverfahren) sind nicht nur Vaterschaftsfeststellungsverfahren, sondern auch Scheidungsverfahren. Beispiel Die deutschen Eheleute leben in Spanien. Die Ehefrau begehrt die Scheidung, will in Deutschland geschieden werden und zugleich nachehelichen Unterhalt geltend machen. Für die Ehescheidung folgt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 3 Abs. 1b) der VO (EG) 2201/2003 (auch Brüssel IIa –VO genannt)27, wonach für die Ehescheidung die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig sind, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen. Für den nachehelichen Unterhalt, über den nach § 137 FamFG im Verbund mit der Scheidung zu entscheiden ist, begründet Art. 5 Nr. 2 Alt. 3 VO (EG) Nr. 44/2001 die internationale Zuständigkeit des deutschen Scheidungsgerichts. Die Anwendung dieser Norm scheitert nicht an dem Verbot einer (diskriminierenden) „lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien“ beruhenden Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Zuständigkeit für die Ehesache folgt nämlich aus dem vorrangig geltenden Art. 3 Abs. 1b) der VO (EG) 2201/2003. § 98 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, der für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte die deutsche Staatsangehörigkeit nur eines der Beteiligten genügen lässt, wird als nationales Recht verdrängt.28 Variation: Nachdem die Ehefrau beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin (§ 122 Nr. 6 FamFG) das Scheidungsverfahren eingeleitet hat, will sie auch Trennungsunterhalt gerichtlich geltend machen. Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Familiengerichts ist nicht gegeben. Anders als von Art. 5 Nr. 2 Alt. 3 VO (EG) Nr. 44/2001 vorausgesetzt, ist über den Trennungsunterhalt nicht abhängig von der Scheidung, sondern nur gelegentlich des Statusverfahrens (d.h. des Scheidungsverfahrens) in einem eigenen Verfahren zu entscheiden.29 §§ 105, 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG greifen nicht ein, da die internationale Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 geregelt und das autonome Recht verdrängt ist.
bb) Internationale Übereinkommen 636g Staatsverträge, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, haben ebenfalls Vorrang vor nationalem Recht. Praktisch bedeutsam sind das Lugano-Abkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007),30 bzw. dessen Vorgänger, das Lugano-Abkommen vom 16. September 1988 (LugÜ).31 Hierbei handelt es sich um Parallelabkommen zur VO (EG) Nr. 44/2001, die zur internationalen Zuständigkeit in Unterhaltssachen der VO (EG) Nr. 44/2001entsprechende, z.T. wortgleiche Bestimmungen enthalten. Die Regelungen kommen zum Tragen, wenn der Antragsgegner seinen Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten hat. Vertragsstaaten des LugÜ 2007 sind die EU, Schweiz, Island und Norwegen; das Abkommen ist am 1.1.2010 für die EU und Norwegen in Kraft getreten. Vertragsstaaten des LugÜ von 1988 sind die Mitgliedsstaaten der EG und die sog. EFTAStaaten.32 27 VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (ABl. Nr. L 338, S. 1). Die Verordnung ist abgedruckt bei Zöller, ZPO, Anhang II, A (EG-VO Ehesachen, Verf. betr. elterl. Verantwortung). 28 Hau, FamRZ 2010, 516 Anm. 14. 29 KG, FamRZ 1998, 66; ebenso Hau, FamRZ 2010, 516; a.A. Baumbach/Hartmann, EuGVVO, Rn. 20. 30 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, EU ABl. 2007 L 339, S. 3. 31 BGBl. II 1994, 2660. 32 Die EFTA-Staaten sind: Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz.
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IV. Beteiligte Beispiel Das in Deutschland lebende Kind verlangt Unterhalt von seinem in der Schweiz ansässigen Vater. Das Kind kann den Vater an seinem Wohnort in Deutschland gerichtlich belangen. Dies folgt allerdings nicht aus Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 – der Vater hat seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat der EU (s. Rn. 636e). Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus der entsprechenden Vorschrift in Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 LugÜ (künftig aus Art. 5 Nr. 2 Alt. 1 LugÜ 2007).
cc) Autonomes deutsches Recht Ergibt die Normenhierarchie keinen Verweis auf vorrangige Regelungen, beur- 636h teilt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte anhand der §§ 98 ff. FamFG. Sie halten für Unterhaltssachen nur in § 98 Abs. 2 FamFG und § 103 Abs. 2 FamFG ausdrückliche Bestimmungen bereit. Danach erstreckt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftssachen im Falle des Verbundes auf die Folgesachen. Im Übrigen gilt § 105 FamFG, wonach die deutschen Gerichte zuständig sind, wenn ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist. Diese Vorschrift normiert den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Doppelfunktion, demzufolge die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit folgt.33 Beispiel Das in Berlin lebende volljährige privilegierte Kind (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) verlangt vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) Unterhalt von seiner in Peru lebenden deutschen Mutter. Da die Antragsgegnerin weder in einem Mitgliedstaat der EU noch in einem Staat lebt, mit dem Deutschland eine völkerrechtliche Vereinbarung zur Regelung der internationalen Zuständigkeit geschlossen hat, ist für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit das nationale Recht heranzuziehen. Das angerufene Gericht ist international zuständig, es ist als örtlich zuständiges Gericht für die Entscheidung des Unterhaltsstreits berufen (§§ 105, 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG).
IV. Beteiligte Bei der Anwendung der ZPO in Unterhaltsstreitsachen sind die Parteien als „Be- 637 teiligte“ zu bezeichnen (§ 113 Abs. 5 Nr. 5 FamFG). Eine inhaltliche Abweichung von den Regeln der ZPO ist damit jedoch nicht verbunden (vgl. Rn. 620). Die Bezeichnung der Parteien als Beteiligte ordnet § 113 Abs. 5 FamFG lediglich an, um die Begrifflichkeit innerhalb des FamFG zu vereinheitlichen. § 7 FamFG, der die Stellung der Beteiligten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelt, gilt nicht für Familienstreitsachen (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Vielmehr verweist § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf die entsprechende Anwendung der §§ 50 ff. ZPO. 1. Bezeichnung der Beteiligten Im Unterhaltsstreit stehen sich mit dem Unterhaltsgläubiger und dem Unter- 638 haltsschuldner i.d.R. natürliche Personen als Beteiligte gegenüber. Ihre Bezeichnung muss so genau sein, dass kein Zweifel an der Identität der Person besteht (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Üblicherweise werden in Unterhaltsverfahren nur die Namen und Anschriften des Antragstellers und des Antragsgegners mit33 BGH, FamRZ 2005, 1987 m.w.N.
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geteilt. Für das Familiengericht ist es jedoch hilfreich, wenn zugleich die Personalien der Beteiligten, insbesondere das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit angegeben werden. Dies dient zum einen dem Verständnis der Sachlage, zum anderen erleichtert es die gerichtsinterne Zuweisung, z.B., wenn am Gericht spezielle Auslandsabteilungen eingerichtet sind. 639 Fraglich ist, ob die Angabe der vollen ladungsfähigen Anschrift zu den notwendigen Bestandteilen einer Antragsschrift bzw. der vorbereitenden Schriftsätze in Unterhaltssachen gehört und die Geheimhaltung der Adresse zur Abweisung des Unterhaltsantrags als unzulässig führt. Dieses Problem stellt sich bei den Familiengerichten immer wieder in den Fällen häuslicher Gewalt. Die Frage wird von einer in Literatur und Rechtsprechung weit verbreiteten Auffassung bejaht. Die Mitteilung der vollen ladungsfähigen Anschrift sei nicht nur aufgrund der Sollvorschrift des § 130 Nr. 1 ZPO erwünscht, sondern über den Wortlaut des § 130 ZPO hinaus i.d.R. zwingend erforderlich.34 Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn der Betreffende ein streng zu prüfendes schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse habe.35 Weit vorsichtiger formuliert das BVerfG: Die Zulässigkeit einer zivilprozessualen Klage könne nur im Einzelfall von der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers abhängig gemacht werden. Ansonsten würden an die Zulässigkeit einer Klage Anforderungen gestellt, die über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Zulässigkeitserfordernisse hinausgingen.36 Mit dieser Gesetzesinterpretation orientiert sich das BVerfG zum einen streng am Wortlaut und am Aufbau der ZPO: § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO macht lediglich die Bezeichnung der Parteien zum notwendigen Inhalt der Verfahrenschrift und steht im auffälligen Gegensatz zu § 130 Nr. 1 ZPO, wonach vorbereitende Schriftsätze die Partei nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Beteiligtenstellung bezeichnen sollen. Zum anderen eröffnet das BVerfG einen Beurteilungsspielraum im Einzelfall, was den Anforderungen der Praxis besser gerecht wird. Gewiss muss einem Verfahren, das ohne Grund aus dem Verborgenen geführt werden soll, entgegengewirkt werden. Andererseits ist es gerade an den Familiengerichten zu Recht üblich, in Fällen häuslicher Gewalt nicht auf der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zu bestehen, wenn sich das Opfer versteckt halten, aber Unterhalt fordern möchte. Dabei reicht es aus, wenn die Gewaltanwendung oder die Bedrohung konkret beschrieben wird. Es wäre verfehlt, hier die nach Umfang und Ausmaß oft streitige Gewaltanwendung im Einzelnen aufzuklären und je nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Interesse an der Geheimhaltung des Aufenthaltsortes zu bejahen oder zu verneinen. Das Bedürfnis der Rechtspflege, Zustellungen und Ladungen zu bewirken, wird dadurch erfüllt, dass ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt ist. Und das Risiko des Antragsgegners, im Falle des Obsiegens etwaige Kostenerstattungsansprüche nicht oder nur erschwert durchsetzen zu können, wird durch die Angabe der (jederzeit veränderlichen) Anschrift ohnehin nur auf einem niedrigen Niveau gesichert.37
34 BGH, NJW 1988, 2114 = FamRZ 1988, 382 mit kritischer, im Ergebnis zustimmender Besprechung von Nierwetberg, NJW 1988, 2095; BVerwG, NJW 1999, 2608; Baumbach/ Hartmann, § 253 Anm. 23 und § 130 Anm. 10. 35 KG, OLGZ 91, 465. 36 BVerfG, NJW 1996, 1272. 37 Nierwetberg, NJW 1988, 2095.
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2. Beteiligung des minderjährigen Kindes Die von der ZPO grundsätzlich vorausgesetzte Kampfstellung der Beteiligten im 640 Unterhaltsstreit wird als problematisch empfunden, wenn ein minderjähriges Kind Unterhalt von einem Elternteil verlangt. Aus diesem Grund trifft das materielle Recht Vorkehrungen, um das Kind einerseits aus der direkten Konfrontation mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil herauszunehmen und andererseits die Interessen des Kindes möglichst effektiv zu vertreten. An erster Stelle stehen hierbei die Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB und die gesetzliche Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB. Zu nennen sind aber auch die Beistandschaft des Jugendamts nach § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB und die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB. Diese Regelungen und ihr Zusammenspiel werden im Folgenden vorgestellt. Zur Handlungsbefugnis der werdenden Mutter eines noch nicht geborenen Kin- 641 des bezüglich des Kindesunterhalts in den ersten drei Lebensmonaten gemäß § 247 Abs. 2 Satz 1 FamFG, s. Rn. 948. a) Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils Minderjährige Kinder sind zwar beteiligtenfähig (§ 50 Abs. 1 ZPO) und können in 642 einem Unterhaltsverfahren grundsätzlich Antragsteller oder Antragsgegner sein. Sie können dieses Verfahren aber nicht selbst führen (§ 52 ZPO i.V.m. §§ 104, 106 BGB). Für sie handelt ihr gesetzlicher Vertreter, welcher sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestimmt (§ 51 Abs. 1 ZPO). In Unterhaltsstreitigkeiten ist das entweder der allein sorgeberechtigte Elternteil oder – im Falle gemeinsamer elterlicher Sorge – der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Angaben zur Vertretungsbefugnis sind in jeder Antragsschrift, mit der Kindesunterhalt geltend gemacht wird, erforderlich.
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Vertretung des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren
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Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt des minderjährigen Kindes …, geboren am … Staatsangehörigkeit … gesetzlich vertreten durch seine Mutter, Frau …, beide wohnhaft … – Antragsteller – gegen seinen Vater, Herrn …, Staatsangehörigkeit … Anschrift … – Antragsgegner –
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Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Unterhalt von … Euro ab dem …jeweils zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen. Begründung: Der Antragsteller ist der Sohn des Beklagten. Er lebt im Haushalt seiner Mutter, der rechtskräftig geschiedenen früheren Ehefrau des Antragsgegners. oder: Der Antragsteller ist der nichteheliche Sohn des Antragsgegners. Seine Mutter ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. … (weitere Ausführungen zum Unterhaltsanspruch)
b) Verfahrensstandschaft eines Elternteils 644 Eine zusätzliche Anordnung trifft § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB für die gemeinsamen Kinder von Eheleuten: Leben die Eheleute getrennt oder ist zwischen ihnen eine Ehesache anhängig, kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur in eigenem Namen geltend machen. Beteiligter ist mithin nicht das Kind, sondern der Elternteil, der die Alleinsorge besitzt bzw. das Kind in seiner Obhut hat (gesetzliche Verfahrensstandschaft). Der Antrag in einem in Verfahrensstandschaft erhobenen Unterhaltsverfahren lautet auf Zahlung „an das Kind“; denn diese Formulierung bringt sprachlich deutlich zum Ausdruck, dass der materiell-rechtliche Unterhaltsgläubiger unverändert das Kind ist und der Verfahrensstandschafter nur ein fremdes Recht im eigenen Namen einklagt.38
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Mutter als Verfahrensstandschafterin des minderjährigen Kindes im Unterhaltsverfahren Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt
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der Frau …, Anschrift … Staatsangehörigkeit … – Antragstellerin – gegen ihren Ehemann, Herrn …, Anschrift … Staatsangehörigkeit … – Antragsgegner – 38 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J.I.4 Anm. 6; Gießler, FamRZ 1994, 800, Fn. 2; a.A. OLG Hamm, FamRZ 1990, 1375, 1376, das die Formulierung „Zahlung an den/die Kläger/in für das Kind“ bevorzugte.
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Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an das Kind …, geboren am …, zu Händen der Antragstellerin eine monatliche Unterhaltsrente von … Euro ab dem … zu zahlen. Begründung: Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Sie haben ein gemeinsames Kind, den am … geborenen Sohn … Das Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin. … (weitere Ausführungen zum Unterhaltsanspruch) Sind die Eltern geschieden, fällt die Verfahrensführungsbefugnis an das minder- 646 jährige Kind zurück.39 Eine Änderung der Verfahrensführungsbefugnis aufgrund erfolgter Scheidung hat jedoch keinen Einfluss mehr auf die Beteiligten eines laufenden Unterhaltsverfahrens (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog).40 Anderes gilt bei der Beendigung der Verfahrensstandschaft durch die Volljährigkeit des Kindes, s. Rn. 658. c) Exkurs: Begriff der Obhut Der Begriff der Obhut ist im Unterhaltsverfahren von zentraler Bedeutung für die 647 Vertretungsbefugnis, wenn – was häufig vorkommt – auch Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge um den Kindesunterhalt streiten. Denn in Unterhaltssachen knüpft das Gesetz sowohl die Alleinvertretungsbefugnis eines Elternteils nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB als auch die gesetzliche Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht ausschließlich an die alleinige elterliche Sorge, sondern begnügt sich mit der Obhut eines Elternteils für das Kind. Diese Regelung wurde eingeführt, um zu vermeiden, dass Differenzen beim Kindesunterhalt zunächst ein Sorgerechtsverfahren erforderlich machen. Der Begriff der Obhut umfasst die tatsächliche Betreuung und Versorgung des Kindes.41 Dabei setzt die Anwendung der Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht voraus, dass ein Elternteil die alleinige Obhut über das Kind hat. Es reicht vielmehr aus, wenn der Schwerpunkt der Fürsorge bei ihm liegt.42 Die Frage, bei welchem Elternteil das Kind lebt, ist meistens geklärt und unstrei- 648 tig. Zuweilen erweist sich die Feststellung, welcher Elternteil den überwiegenden Teil der elterlichen Fürsorge trägt, jedoch als problematisch. Beispiel Die Eltern teilen sich die Betreuung ihres Kindes in der Form, dass M, eine Studentin, das 4-jährige Kind täglich um 16 Uhr vom Kindergarten abholt und bis 19 Uhr betreut. Der berufstätige V holt K um 19 Uhr ab, bringt es bei sich zu Hause ins Bett und morgens zur Kindertagesstätte. Die Wochenendbetreuung teilen sich die Eltern auf. M verlangt einen finanziellen Beitrag von V zum Kindesunterhalt.
Für die Frage, welcher Elternteil das Kind überwiegend betreut, muss es nach Auffassung des OLG Düsseldorf genügen, dass der Anteil eines Elternteils an 39 OLG Köln, FamRZ 2005, 1259. 40 BGH, FamRZ 1990, 283. 41 OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 290; Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1629 BGB Rn. 336. 42 BGH, FamRZ 2006, 1015 gegen KG, JAmt 2002, 212 f.
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der Betreuung und Versorgung des Minderjährigen den Anteil des anderen Elternteils geringfügig übersteigt, damit die ansonsten notwendige Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB und die dadurch entstehenden Kosten vermieden werden können.43 Der pragmatische Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen. Im obigen Beispiel wird man aber um die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind nicht umhin können (zur Ergänzungspflegschaft vgl. Rn. 655 ff.); denn der zeitliche Anteil der Mutter an der Betreuung des Kindes ist geringer als der des Vaters, auch wenn die Betreuungsleistung möglicherweise intensiver ist. 649 Wechselt das minderjährige Kind im Laufe des Unterhaltsverfahrens aus der Obhut des einen in die Obhut des anderen Elternteils, entfallen Alleinvertretungsund Verfahrensführungsbefugnis des bisher betreuenden Elternteils, und zwar insgesamt,44 nicht nur für künftige Unterhaltsansprüche. Der die Unterhaltszahlung beantragende Elternteil muss die Hauptsache für erledigt erklären – wozu er noch als befugt zu gelten hat45 – oder im Wege der Antragsänderung einen eigenen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen.46 d) Beistandschaft des Jugendamts 650 In Unterhaltsverfahren kann ein minderjähriges Kind – im Falle des § 247 FamFG auch das ungeborene Kind, s. Rn. 948 – durch das Jugendamt als Beistand (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vertreten sein. In dem Fall ist die Vertretung des Kindes durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen (§ 234 FamFG). Die Regelung dient dazu, im Verfahren gegensätzliche Erklärungen des Jugendamtes und des sorgeberechtigten Elternteils – dessen elterliche Sorge durch die Beistandschaft nicht eingeschränkt wird (§ 1716 Satz 1 BGB) – zu verhindern, indem dem Jugendamt der Vorrang eingeräumt wird. Will sich der Elternteil gegenüber dem Jugendamt durchsetzen, muss und kann er durch schriftliche Erklärung die Beistandschaft sofort beenden (§ 1715 Abs. 1 BGB). 651 Die Befugnis, eine Beistandschaft des Jugendamts zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nach § 1712 BGB zu beantragen, ist nicht nur alleinsorgeberechtigten Eltern vorbehalten (§ 1713 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, hat ebenfalls die Möglichkeit, für das Kind eine Beistandschaft des Jugendamts zu beantragen (§ 1713 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit können die Interessen des Kindes auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge durch eine neutrale Institution vertreten werden, was die familiäre Beziehung entlastet. 652 Die gerichtliche Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im Namen des Kindes durch das Jugendamt als Beistand ist rechtlich möglich, obwohl § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB verheiratete Eltern verpflichtet, die Unterhaltsansprüche eines gemeinsamen Kindes im Lauf des Getrenntlebens oder während des Scheidungsverfahrens im eigenen Namen geltend zu machen. Denn diese Vorschrift setzt die Alleinvertretungsbefugnis des betreuenden Elternteils voraus. Die Bestellung eines Beistands bedeutet jedoch, dass dieser in seinem Aufgabenkreis das Kind
43 44 45 46
OLG Düsseldorf, JAmt 2001, 298 = FamRZ 2001, 1235 (nur LS). OLG Hamm, FamRZ 1990, 890 f.; OLG München, FamRZ 1997, 1493, 1494. OLG Köln, FamRZ 2005, 1999; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1629 BGB Rn. 8 und 11. OLG Frankfurt/M., FamRZ 2007, 909.
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IV. Beteiligte
vertreten darf und insoweit die einschränkende Bestimmung des § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB verdrängt wird.47 Die Beistandschaft des Jugendamts ist kostenlos (§ 1716 Satz 2, § 1915 Abs. 1, 653 § 1836 Abs. 3 BGB). Ein Anspruch des Jugendamts auf Aufwendungsersatz besteht nur, soweit das einzusetzende Einkommen und Vermögen des Kindes ausreicht (§ 1835 Abs. 5 BGB). Die Beistandschaft des Jugendamtes nach § 1712 BGB darf nicht mit der Stellung 654 eines Beistands nach § 90 ZPO verwechselt werden. Beistand nach § 90 ZPO ist derjenige, der die Partei, bzw. den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung unterstützt. Das Jugendamt als Beistand nach § 1712 BGB ist dagegen gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes.48 e) Ergänzungspflegschaft Im Gegensatz zur Beistandschaft, die auf der Vertretungsbefugnis eines Eltern- 655 teils aufbaut, wird mit der Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB mangelnde Vertretungsbefugnis der Eltern in Unterhaltssachen überbrückt. In Unterhaltsstreitigkeiten kann sich die Bestellung eines Ergänzungspflegers dann als nötig erweisen, wenn die Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht eingreift, etwa weil die streitenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern die Betreuung des Kindes exakt unter sich aufteilen oder wenn (z.B. beim Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung) nicht zu klären ist, bei welchem Elternteil der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge liegt.49 Auch der Fall eines nichtsorgeberechtigten Vaters, der Unterhalt für das von ihm betreute Kind von der sorgeberechtigten Mutter verlangen will, ist mithilfe einer Ergänzungspflegschaft zu lösen. Zuständig für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist das Familiengericht – 656 hier grundsätzlich der Rechtspfleger –, welches den Ergänzungspfleger auch auswählt, zu treuer und gewissenhafter Führung der Pflegschaft bestellt sowie anschließend berät und beaufsichtigt (§ 151 Nr. 5 FamFG, § 14 RPflG). Im Vorfeld eines Unterhaltsverfahrens wird das Familiengericht auf Anzeige eines Elternteils tätig (§ 1909 Abs. 2 BGB). Ist das Unterhaltsverfahren bereits eingeleitet, wird der damit befasste Richter die Bestellung eines Ergänzungspflegers veranlassen. Ein Ergänzungspfleger kann wie ein Vormund Aufwendungsersatz und Ver- 657 gütung beanspruchen (§§ 1915, 1835, 1835a, 1836 ff. BGB). Ist das Kind mittellos (§ 1836d BGB), richten sich die Ansprüche eines berufsmäßigen Pflegers gegen die Staatskasse (§§ 1835 Abs. 4, 1835a, 1836 BGB, 3 VBVG). f) Eintritt der Volljährigkeit
" Praxishinweis: Wird das Kind während des Verfahrens volljährig, erlöschen 658 Vertretungsbefugnis, Verfahrensstandschaft, Beistandschaft und Pflegschaft.
47 Str., wie hier OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2006 – 17 UF 182/06, JAmt 2007, 40 und DIJuF-Rechtsgutachten vom 10.5.2002, JAmt 2002, 243; Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J. II.2 Anm. 3; a.A. Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, § 234 Rn. 5. 48 Prütting/Helms/Bömelburg, § 234 FamFG Rn. 2. 49 OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 290; OLG Hamburg, FamRZ 2001, 1235.
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Das volljährige Kind tritt im Falle der Verfahrensstandschaft von selbst in die Stellung des Antragstellers oder des Antragsgegners ein (gesetzlicher Beteiligtenwechsel), die verfahrensrechtliche Disposition steht nunmehr ihm zu.50 Will das volljährige Kind das Verfahren nicht fortführen, muss es den Antrag zurücknehmen. Dabei hat es die bisher angefallenen Kosten zu tragen, ob es will oder nicht. 3. Verfahrensbevollmächtigte 659 In Unterhaltsstreitigkeiten besteht Anwaltszwang. Gemäß § 114 Abs. 1 FamFG müssen sich die Beteiligten in selbständigen Unterhaltsstreitsachen vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht ebenso anwaltlich vertreten lassen wie in Scheidungsfolgesachen, in denen Geschiedenen- bzw. Kindesunterhalt im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens für den Fall der Scheidung begehrt wird. Diese Regelung dient dem Schutz der Beteiligten, insbesondere auch des Unterhaltsberechtigten. Denn Unterhaltsverfahren haben oft erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Einzelnen und das materielle Unterhaltsrecht erfordert die Beachtung vielfältiger tatsächlicher und rechtlicher Umstände. In Verfahren mit Anwaltszwang kann ein Beteiligter ohne Anwalt keine Prozesshandlungen vornehmen. Dieses gilt für ein Anerkenntnis, die Klagerücknahme oder den Verzicht auf Rechtsmittel ebenso wie für den Abschluss eines Vergleichs.
" Praxishinweis: Der im Ehescheidungsverfahren anwaltlich nicht vertretene
Antragsgegner muss zum Abschluss eines gerichtlich protokollierten Ehescheidungsfolgenvergleichs einen Rechtsanwalt hinzuziehen.
660 Ausnahmen vom Anwaltszwang sind in § 114 Abs. 3 und 4 FamFG geregelt: – Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sind als Beteiligte nach § 114 Abs. 3 FamFG vom Anwaltszwang befreit und können sich durch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte der anderen in § 114 Abs. 3 FamFG genannten Institutionen vertreten lassen (sog. Behördenprivileg). – Kein Anwaltszwang besteht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Dies gilt – anders als früher bei den einstweiligen Anordnungen nach §§ 620 ff. ZPO a.F. – nicht nur im schriftlichen Verfahren, sondern für alle Verfahrensabschnitte, mithin auch für den Antrag auf mündliche Verhandlung und für diese selbst.51 – Es bedarf keiner anwaltlichen Vertretung, wenn das beteiligte minderjährige Kind durch das Jugendamt als Beistand gemäß § 1712 BGB vertreten ist (§ 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG). Diese Regelung gilt nicht nur für die erste Instanz, sondern auch für die Verfahren vor dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht. Auch dort können in Unterhaltsstreitsachen Vertreter des Jugendamtes als gesetzliche Vertreter des beteiligten Kindes auftreten, ohne einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen.
50 BGH, FamRZ 1983, 474; BGH, FamRZ 1985, 471; zur Vollstreckung s. Rn. 1225 ff. 51 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 6.
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V. Kosten
– Ausgenommen vom Anwaltszwang ist ferner das Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG). – Ohne Anwalt kann zudem – wie bisher – das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger geführt werden. § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG verweist auf § 78 Abs. 3 ZPO, wonach die Vorschriften über den Anwaltsprozess auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anwendbar sind. Gemäß § 257 Satz 1 FamFG können Anträge und Erklärungen im vereinfachten Verfahren aber sämtlich vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Das gilt auch für den Antrag nach § 255 Abs. 1 FamFG, das streitige Verfahren durchzuführen. Ist dieser Antrag aber gestellt und gilt das Verfahren damit als rechtshängig (§ 255 Abs. 3 FamFG), sind alle künftigen Prozesshandlungen nur wirksam, wenn sie von einem Anwalt oder vom Jugendamt als Beistand vorgenommen werden. Das gilt auch für die Rücknahme des Unterhaltsantrages, selbst wenn sich der Antragsteller allein deshalb um anwaltliche Vertretung bemühen muss. In den Fällen, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht gesetzlich vorgeschrie- 661 ben ist, bleibt es den Beteiligten freigestellt, das Verfahren selbst oder durch eine nach § 79 Abs. 2 ZPO vertretungsbefugte Person als Bevollmächtigten zu führen (§ 79 ZPO). Die Beteiligten können entscheiden, ob sie die nötige Sachkunde zur Führung des Verfahrens aufbringen. Der Rechtsunkundige darf aber nicht erwarten, vom Gericht hinsichtlich einer aussichtsreichen Verfahrensführung beraten zu werden; denn das Gericht ist nach § 139 ZPO zwar verpflichtet, auf sachdienliche Anträge der Beteiligten und vollständige Angaben hinzuwirken; diese Verpflichtung findet jedoch ihre Schranke im Gebot der richterlichen Unparteilichkeit.
V. Kosten 1. Übersicht Der Entschluss, einen Streit vor Gericht auszutragen, hängt entscheidend davon 662 ab, wie hoch das Kostenrisiko eines Verfahrens einzuschätzen ist. Vor der Einleitung eines Verfahrens muss sich jeder Beteiligte fragen, welche Kosten hierdurch entstehen, die möglicherweise von ihm zu tragen sind.
" Praxishinweis: Rechtsanwälte sind zu sparsamer Verfahrensführung ver-
pflichtet und müssen ihre Klienten vor aussichtslosen und deshalb kostenträchtigen rechtlichen Schritten bewahren. Jeder Mandant sollte von seinem Anwalt eine eingehende Beratung hinsichtlich der voraussichtlich anfallenden Kosten erhalten. Nur nach ungefährer Berechnung der im günstigsten bzw. ungünstigsten Fall auf ihn zukommenden Kosten kann ein Unterhaltsgläubiger oder -schuldner entscheiden, ob ein Verfahren sich „lohnt“, d.h., ob der erstrebte wirtschaftliche Erfolg in vernünftigem Verhältnis zu dem (Kosten-!)Risiko des Verfahrens steht.
Zur Ermittlung der Gerichtskosten steht dem Anwalt mit dem zum 1.9.2009 neu 663 geschaffenen FamGKG ein speziell auf das familiengerichtliche Verfahren zugeschnittenes einheitliches Kostengesetz zur Verfügung. Bei den Anwaltskosten für Unterhaltsstreitsachen sind durch das FGG-Reformgesetz wirtschaftlich keine Änderungen eingetreten. Rasch
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
2. Kostenfaktor Verfahrenswert 664 Sowohl die Höhe der Gerichtsgebühren als auch die Höhe der nach dem RVG anfallenden Anwaltsgebühren richten sich nach dem Verfahrenswert. Das Gericht setzt diesen Wert von Amts wegen durch Festsetzungsbeschluss zu Beginn des Verfahrens vorläufig, am Ende des Verfahrens endgültig fest (§ 55 Abs. 1 und 2 FamGKG). a) Wert des Zahlungsantrags 665 Bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ist für die Wertbemessung des laufenden Unterhalts nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG der für die ersten 12 Monate nach Einreichung des Klageantrags oder der im Antrag geforderte Unterhaltsbetrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. Werden neben dem laufenden Unterhalt auch Rückstände geltend gemacht, so sind die bei Einreichung (nicht Zustellung!) des Klageantrags fälligen Beträge gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG dem Jahresbetrag hinzuzurechnen. Zum Rückstand zählt dabei der volle Unterhaltsbetrag des Monats, in dem der Unterhaltsantrag eingereicht wird; denn er ist nach §§ 1612 Abs. 3, 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB fällig.52 Der Einreichung des Klageantrags steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gleich, wenn der Klageantrag alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird (§ 51 Abs. 2 Satz 2 FamGKG). Werden mehrere Unterhaltsansprüche in einem Verfahren geltend gemacht, z.B. die Ansprüche auf Ehegatten- und Kindesunterhalt, so sind die Werte nach § 33 Abs. 1 FamGKG zusammenzurechnen. Beispiel Die Antragstellerin verlangt mit dem am 19.3.2010 eingereichten Antrag Ehegattenunterhalt i.H.v. mtl. 615 Euro sowie Kindesunterhalt i.H.v. mtl. 265 Euro, jeweils rückwirkend ab 1.1.2010. Der Verfahrenswert beträgt für den Ehegattenunterhalt: Laufender Unterhalt (12 × 615 Euro) Rückstand (3 × 615 Euro)
7 380 Euro 1 845 Euro
Der Verfahrenswert beträgt für den Kindesunterhalt: Laufender Unterhalt (12 × 265 Euro) Rückstand (3 × 265 Euro) Insgesamt
3 180 Euro 795 Euro 13 200 Euro
666 Fordert ein minderjähriges Kind dynamisierten Unterhalt nach §§ 1612a bis 1612c BGB, so ist für den Jahresbetrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG der Monatsbetrag des Mindestunterhalts nach der Altersstufe zugrunde zu legen, der bei der Einleitung des Verfahrens maßgebend ist (§ 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Für den Verfahrenswert spielt mithin der wirtschaftlich höhere Wert des dynamisierten Unterhalts keine Rolle. Es bleibt unberücksichtigt, dass der monatliche Unterhaltsbetrag veränderlich ist und für alle künftigen Altersstufen festgesetzt werden soll. Weder ist ein Zuschlag auf den Verfahrenswert vorgesehen, noch 52 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J. I.4 unter Kosten und Gebühren.
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darf der höhere Monatsbetrag der 3. Altersstufe für die Wertfestsetzung herangezogen werden.53 Zu berücksichtigen ist aber der im Antrag auf dynamisierten Kindesunterhalt 667 ausgewiesene Abzug des Kindergeldes.54 Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG ist der maßgebliche aktuelle Prozentsatz des Mindestunterhalts der Berechnung des Verfahrenswerts nach Satz 1 nur „zugrunde zu legen“, er soll nicht unverändert übernommen werden. Wertbestimmend nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist vielmehr stets der nach dem Klageantrag geforderte Zahlbetrag. Der vorgenommene Abzug des Kindergeldes nach § 1612b BGB darf bei der Festlegung des Verfahrenswerts weder im Hinblick auf die Formulierung von § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG noch im Hinblick auf den wirtschaftlich höheren Wert des dynamisierten Unterhalts unberücksichtigt bleiben.55 In Hinblick auf § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG fragt es sich – und ist in der Recht- 668 sprechung sehr umstritten –, ob und inwieweit eine Antragserweiterung im Laufe des Verfahrens den Wert eines Unterhaltsstreitverfahrens beeinflussen kann. Denn seinem Wortlaut nach begrenzt § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG den Wert eines jeden Unterhaltsverfahrens auf den Unterhaltsbetrag, der für die ersten 12 Monate nach Einreichung des Antrags verlangt wird. Höhere Unterhaltsbeträge, die erst für einen späteren Zeitraum begehrt werden, scheinen bei der Ermittlung des Verfahrenswerts grundsätzlich ausgeklammert.56 Es lag jedoch nicht in der Absicht des früheren Gesetzgebers, Werterhöhungen zu unterbinden, die durch eine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes hervorgerufen werden. Vielmehr wurde die dem § 51 Abs. 1 FamGKG entsprechende Vorgängervorschrift § 17 Abs. 1 GKG a.F. (später § 42 Abs. 1 GKG a.F.) zum 1.7.1998 neu gefasst, weil das KindUG den dynamisierten Unterhaltsanspruch eines Minderjährigen einführte, der nach Altersstufen gestaffelt bis weit in die Zukunft tituliert werden kann. Nur auf diesen Staffelunterhalt ist die Streitwertbemessung des § 51 Abs. 1 FamGKG ausgerichtet.57 Dementsprechend eingeschränkt ist die Vorschrift anzuwenden. Bei Antragserhöhungen außerhalb des nach Altersstufen gestaffelten dynamisierten Kindesunterhalts bestimmt sich der Verfahrenswert daher nach dem Jahresbetrag des höchsten Monatsbetrags.58 Im vereinfachten Verfahren wird der Wert durch den laufenden Unterhalt (§ 51 669 Abs. 1 FamGKG) und die nach § 51 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 FamGKG hinzuzurechnenden Rückstände bestimmt (§ 51 Abs. 2 Satz 3 FamGKG).
53 Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J. I.1 unter Kosten und Gebühren; Groß, FPR 1998, 183, 184. 54 OLG München, FamRZ 2005, 1766; OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 779; AG Hainichen, FamRZ 2002, 256. 55 So aber (für das alte Recht) OLG Köln, FamRZ 2001, 778 mit ablehnender Anm. Quack, FamRZ 2001, 1384. 56 So aber OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 1682 unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut; OLG München, FamRZ 2001, 239 (LS); OLG Nürnberg, FamRZ 2002, 684 für das Berufungsverfahren. 57 BT-Drucks. 13/7338, S. 47. 58 OLG Celle, FamRZ 2009, 74 für die Berufungsinstanz; HK-FamGKG/Schneider, § 51 Rn. 42 ff. und 69; Münchener Prozessformularbuch/Vossenkämper, Form. J. I.1 unter Kosten und Gebühren.
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670 In den Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt oder eines Prozesskostenvorschusses gemäß §§ 246, 49 FamFG ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen (§ 41 Satz 1 FamGKG). Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen (§ 41 Satz 2 FamGKG). b) Wert des Unterhaltsabänderungsverfahrens 671 Bei Unterhaltsabänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG bemisst sich der Verfahrenswert gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nach dem einjährigen Differenzbetrag zwischen dem titulierten Anspruch und dem beantragten (erhöhten bzw. verminderten) Unterhaltsbetrag. Soweit ein nach §§ 238, 239 FamFG titulierter Unterhalt rückwirkend erhöht werden soll, werden die bis zur Einreichung des Klageantrages aufgelaufenen Beträge entsprechend § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG dem Wert nach § 51 Abs. 1 FamGKG hinzugerechnet. Entsprechendes gilt, wenn der Unterhalt rückwirkend herabgesetzt werden soll.59 c) Wert des Auskunftsantrags 672 Den Wert eines Auskunftsantrags setzt das Gericht gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen fest.60 Dabei ist das Interesse des Antragstellers an der Auskunft zu bewerten. Der Wert liegt umso höher, je geringer die zur Unterhaltsbemessung erforderlichen Kenntnisse des Gläubigers sind.61 Es wird i.d.R. ein Bruchteil von 1/ 10 bis 1/4 des Werts angenommen, den der vom Antragsteller erwartete Leistungsanspruch hat. Auch Werte zwischen 250 Euro und 500 Euro werden in der Praxis häufig festgesetzt.
" Praxishinweis: Der Wert des Auskunftsverfahrens darf nicht verwechselt
werden mit dem Wert der Beschwer des gerichtlich zur Auskunft Verpflichteten im Rechtsmittelverfahren. Der Beschwerdewert bemisst sich in dem Fall lediglich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.62 Das hat zur Folge, dass in den meisten Fällen ein Rechtsmittel gegen einen stattgebenden Auskunftsbeschluss nicht statthaft ist (vgl. Rn. 1019 f.).
d) Wert des Stufenklageantrags 673 Bei einem Stufenverfahren (§ 254 ZPO) auf Auskunft und Leistung ist nach § 38 FamGKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere maßgebend. Das ist in aller Regel der Zahlungsanspruch, weil Auskunft und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung den Leistungsanspruch nur vorbereiten.63 Der Wert des Auskunftsanspruchs drückt sich in einer Quote des Leistungsinteresses aus, die an den Wert des Zahlungsanspruchs 59 60 61 62
Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 „Abänderungsklage“. HK-FamGKG/Thiele, § 42 FamGKG Rn. 16 und 88. BGH FamRZ 1993, 1189; FamVerf/v. Swieykowski-Trzaska, § 1 Rn. 569. BGH, FamRZ 2005, 1986 (Wert der Beschwer erhöht sich auch nicht durch ein Geheimhaltungsinteresse des Auskunftsverpflichteten); BGH, FamRZ 1995, 993; BGH, NJW-RR 2001, 210. 63 Schneider, Streitwert-Kommentar Rn. 5107; Musielak, § 3 ZPO Rn. 34 „Stufenklage“.
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allenfalls heranreichen kann – es sei denn, der Antragsteller besitzt bereits einen Teil dessen, was er aufgrund der Auskunft bzw. Rechnungslegung für sich in Anspruch nehmen und behalten will.64 Die Wertberechnung des Stufenverfahrens in den Fällen, in denen es nicht mehr 674 zu einer Bezifferung des Zahlungsantrags in der Leistungsstufe kommt – sei es, dass das Stufenverfahren schon in der Auskunftsstufe in vollem Umfang abgewiesen wird oder der Antragsteller seinen Leistungsanspruch nicht mehr weiterverfolgt – ist umstritten. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung meint, dass sich hier der Wert des Stufenverfahrens nur nach der Auskunftsstufe richtet.65 Die vorherrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertritt dagegen die Auffassung, dass sich der Wert der sog. steckengebliebenen Stufenklage nach dem Wert des noch unbezifferten Zahlungsantrages bemisst, der nach objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartungen des Klägers bei Antragseinreichung (§ 34 FamGKG) zu schätzen ist.66 Dem ist zuzustimmen. Auch wenn sich später herausstellt, dass ein Hauptanspruch nicht besteht, bleibt der Wert des unbeziffert gebliebenen Leistungsanspruchs als Ansatzpunkt für die Bewertung des Informationsanspruches entscheidend. Er kann nicht nachträglich für den Verfahrensbeginn mit Null bewertet werden. Dies widerspräche den prozessualen Besonderheiten des Stufenverfahrens, wonach mit dem Einreichen des Antrags zum einen der Leistungsanspruch im vollen, erst später zu beziffernden Umfang anhängig wird67, zum anderen der Auskunftsanspruch nur vorbereitender Natur ist und damit von der Höhe des angekündigten Leistungsanspruchs abhängt. Kündigt der Antragsteller in der Leistungsstufe einen Antrag an, dessen Wert den 675 bei Beginn des Verfahrens festgesetzten Wert übersteigt oder hinter ihm zurückbleibt, ist der geänderte Wert für die künftig entstehenden Gebühren maßgeblich.68 Wird in einem Verfahren auf Auskunft und Unterhalt neben dem zunächst noch 676 unbezifferten Unterhaltsantrag zugleich ein von vornherein bezifferter Mindestunterhalt geltend gemacht, liegt kein reines Stufenverfahren nach § 38 FamGKG vor; denn der Auskunftsantrag und der Antrag auf bezifferten (Teil-)Unterhalt stehen in keinem Stufenverhältnis, weil es an einem Abhängigkeitsverhältnis fehlt.69 Insoweit sind die Verfahrenswerte zu addieren (§ 33 Abs. 1 FamGKG).
64 KG, FamRZ 2007, 69; so schon Rittmann, Gerichtskostengesetz, S. 47. 65 OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1765; FamRZ 1990, 652; OLG Dresden (7. ZS), MDR 1997, 691; OLG Schleswig (4. ZS), MDR 1995, 642; OLG Frankfurt, JurBüro 1987, 878; zustimmend Lappe, KostRspr. § 18 Nr. 36 und Nr. 40. Diesen Standpunkt teilt auch der 16. Zivilsenat des KG, demzufolge sich der Gebührenstreitwert des mit der Stufenklage erhobenen noch unbezifferten Zahlungsanspruchs nicht nach den vom Kläger geäußerten Erwartungen zu Beginn des Rechtsstreits richtet, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz (KG, MDR 1997, 598; NJW-RR 1998, 1615). 66 KG, FamRZ 2007, 69; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle, MDR 2003, 55; OLG Schleswig (3. ZS), JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192; OLG Dresden (10. ZS), MDR 1998, 64; HK-FamGKG/Schneider, § 38 Rn. 20, 35; Schneider, Streitwertkommentar, Rn. 5125 ff. und 5150; Hartmann, GKG § 44 Rn. 4 und FamGKG § 38; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stufenklage; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 „Stufenklage“; Musielak, § 3 ZPO Rn. 34 „Stufenklage“. 67 BGH, MDR 1961, 751; NJW 1991, 1893; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rn. 22 m.w.N. 68 OLG Hamm, JurBüro 1982, 1376. 69 Richarz/Rosenkranz, FPR 1996, 299 ff.; vgl. auch BGH, FamRZ 2003, 31, 32.
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e) Wert eines Unterhaltsverzichts 677 Bei einem vereinbarten Unterhaltsverzicht ist zu differenzieren. War der Unterhaltsanspruch Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, bleibt der Wert des Zahlungsantrages nach § 51 FamGKG auch für den Verzicht bestimmend.70 Wird dagegen in einer gerichtlich protokollierten Scheidungsvereinbarung ein Unterhaltsverzicht vereinbart, ist der Wert gemäß der Auffangvorschrift in § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hierbei kann der Unterhaltsverzicht mit dem Unterhaltsjahresbetrag bewertet werden, sofern die Höhe des Unterhaltsanspruchs feststeht. Bestehen dagegen keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbestimmung, ist nach § 42 Abs. 3 FamGKG von 3 000 Euro auszugehen. Ein gegenseitiger pauschaler Unterhaltsverzicht für die Zukunft wird auch häufig mit 1 200 Euro bewertet. 3. Höhe der Kosten 678 Für die Erstberatung in einer Familiensache kann der Rechtsanwalt keine höhere Gebühr als 190 Euro fordern (§ 34 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbs. RVG). Erfolgt die Beratung im Rahmen der Beratungshilfe, erhält der Anwalt neben der vom Mandanten erhobenen Beratungshilfegebühr von 10 Euro (Nr. 2500 VV RVG) 30 Euro aus der Landeskasse (Nr. 2501 VV RVG). Berät der Anwalt in verschiedenen Familiensachen, erhöhen sich die Beratungshilfegebühren nicht. Eine Erhöhung der Beratungsgebühr findet nach dem klaren Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG auch nicht statt, wenn sich die anwaltliche Beratung eines Mandanten auf die Unterhaltsansprüche von mehreren Familienmitgliedern bezieht.71 679 Anknüpfend an das Beispiel zum Gebührenstreitwert unter Rn. 665 werden nachstehend die Kosten eines Unterhaltsverfahrens in 1. Instanz (Gerichtskosten und Anwaltskosten) dargestellt, bei dem nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme ein Unterhaltsbeschluss erging. Beispiel Streitwert: 13 200 Euro Gerichtskosten: 3 Gebühren nach Nr. 1220 KV FamGKG: Anwaltskosten: 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 19 % gesetzliche Mehrwertsteuer Summe Gesamtkosten des Verfahrens (für beide Beteiligte): Gerichtskosten 726 Euro + Anwaltskosten (2 × 1 707,65 Euro) =
726,00 Euro 735,80 679,20 20,00 272,65 1 707,65
Euro Euro Euro Euro Euro
4 141,30 Euro
680 Die im familiengerichtlichen Verfahren nach dem FamGKG anfallenden Gerichtskosten für ein selbständiges Hauptsacheverfahren im Unterhaltsstreit (Gebührensatz 3,0 gemäß Nr. 1220 KV FamGKG) entsprechen den Gerichtsgebühren nach dem GKG im Zivilprozess. 70 HK-FamGKG/Schneider, § 51 Rn. 187. 71 KG, RVG Report 2007, 143; anders bei der Geschäftsgebühr, OLG Oldenburg, AGS 2007, 45 m.w.N.
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V. Kosten
" Praxishinweis: Gerichtskosten fallen bereits mit der Einreichung der An-
tragsschrift bei Gericht an, nicht erst mit Rechtshängigkeit des Verfahrens (§ 9 Abs. 1 FamGKG). Dies muss bedacht werden, wenn ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugleich mit dem Antrag in der Hauptsache bei Gericht eingereicht werden soll (vgl. hierzu Rn. 699). Die Verfahrensgebühr für das Unterhaltsstreitverfahren ermäßigt sich durch Rücknahme des Antrags, bzw. Nichtbetreiben des Verfahrens allenfalls auf den Satz von 1,0 (Nr. 1221 KV FamGKG). Zur Vermeidung der Gerichtskosten darf dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe lediglich der Entwurf der Antragsschrift beigefügt sein.
Eine kostenrechtliche Neugewichtung hat die einstweilige Anordnung durch das 681 FamGKG erfahren. Nach bisherigem Recht fielen Gerichtskosten im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur an, wenn eine Entscheidung über den Antrag erging (Nr. 1420 bis 1424 KV GKG a.F.). Für die nunmehr von einer Hauptsache unabhängige einstweilige Anordnung (§§ 246, 49 ff. FamFG) sind pauschale Verfahrensgebühren eingeführt worden. Bereits der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung löst die Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,5 aus (Nr. 1420 KV FamGKG), die Gebühr ermäßigt sich auf 0,5, wenn das gesamte Verfahren ohne Entscheidung beendigt wird (Nr. 1421 KV FamGKG). Dem Anwalt erwachsen dieselben Gebühren wie in einem Hauptsacheverfahren, allerdings nach dem niedrigeren Streitwert gemäß § 41 FamFG (vgl. Rn. 670). In der Literatur ist streitig, ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG dem Gegner erst zuzustellen ist, wenn die Verfahrensgebühr eingezahlt ist oder die Voraussetzungen des § 15 Nr. 3b FamGKG glaubhaft gemacht worden sind. Hierfür spricht an sich der Wortlaut der gesetzlichen Regelung72: In Unterhaltsstreitsachen schuldet der Antragsteller die Kosten des Verfahrens (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), so dass eine Pflicht zur Vorauszahlung der Verfahrensgebühr besteht und zuvor keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden soll (§ 14 Abs. 3 FamGKG). Demgegenüber will Fölsch einstweilige Anordnungen nach dem FamFG angesichts ihrer Eilbedürftigkeit generell von der Vorauszahlungspflicht ausnehmen.73 Er weist – zutreffend – darauf hin, dass die Regelung des FamGKG nur auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhen kann. Denn § 14 FamGKG sollte den Regelungsgehalt von § 12 GKG übernehmen und § 12 GKG schließt für den Zivilprozess eine Vorauszahlungspflicht im einstweiligen Rechtsschutz aus. Bis zur Klärung der Rechtslage sollte zugleich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung glaubhaft gemacht werden, dass die alsbaldige Zahlung des Gerichtskostenvorschusses dem Antragsteller Schwierigkeiten bereitet (§ 15 Nr. 3b FamGKG).74 Vertritt ein Anwalt in einem Unterhaltsverfahren mehrere Unterhaltsgläubiger, 682 wie die Ehefrau und das Kind im oben genannten Beispielsfall (vgl. Rn. 665 und 679), oder auch mehrere Unterhaltsschuldner, z.B. die Eltern eines Kindes, so steht ihm die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG nicht zu, da der Auftrag zwar dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG betrifft, nicht aber denselben Gegenstand i.S. desselben Anspruchs.75 Die einzelnen Unterhaltsansprüche sind 72 Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 15 Rn. 97. 73 Schneider/Wolf/Volpert/Fölsch, FamGKG, vor Hauptabschnitt 4 (einstweiliger Rechtsschutz) Rn. 26. 74 S. Rn. 730, 894. 75 Richarz/Rosenkranz, FPR 1996, 299 ff.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
rechtlich völlig selbständig. Nr. 1008 VV RVG gilt aber nur in den Fällen, in denen ein und derselbe Anspruch mehreren Gläubigern zusteht bzw. gegen mehrere Schuldner gerichtet ist, um einen Ausgleich für den Mehraufwand zu schaffen, der bei gleichem Streitwert durch Schriftverkehr usw. mit mehreren Auftraggebern entsteht. In Unterhaltsverfahren wird dieser Mehraufwand dadurch abgegolten, dass die Streitwerte der einzelnen Unterhaltsansprüche addiert werden (§ 33 FamGKG, §§ 23, 22 RVG). 683 Einem Beteiligten, der nicht am Ort des (künftig zuständigen) Familiengerichts wohnt, entstehen zusätzliche Kosten. Beauftragt er einen Verfahrensbevollmächtigten an seinem Wohnort, wird eine Terminsreise des Anwalts, möglicherweise auch mehrere Reisen, zum Gericht erforderlich oder es entstehen Kosten für einen Terminsvertreter nach Nr. 3401 VV RVG. Will er einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt als Verfahrensbevollmächtigten bestellen und sich von diesem einen persönlichen Eindruck verschaffen, fallen eigene Reisekosten an. Möglich ist auch die Bestellung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Beteiligten, der den Verkehr mit dem Verfahrensbevollmächtigten am Gerichtsort führt (Nr. 3400 VV RVG). Welche der verschiedenen prozessualen Möglichkeiten am (kosten)günstigsten ist, muss im Einzelfall ermittelt werden. Die Entfernung zum Familiengericht ist hierfür ebenso maßgebend wie die Höhe des Verfahrenswerts. Daneben wird man den voraussichtlichen Verfahrensverlauf einkalkulieren und fragen müssen, ob ein Gerichtstermin ausreichen wird oder ob voraussichtlich eine Beweisaufnahme durchzuführen ist. Zur Erstattungsfähigkeit dieser Mehrkosten vgl. unter Rn. 696. 4. Kostenentscheidung in Unterhaltsstreitverfahren 684 Das FamFG unterscheidet für die Kostenentscheidung zwischen den selbstständigen Unterhaltsstreitverfahren (§ 243 FamFG), der einstweiligen Anordnung (§ 51 FamFG mit Verweis auf die allgemeinen Vorschriften, d.h. § 243 FamFG) und den im Scheidungsverbund geführten Unterhaltssachen (§ 150 FamFG). a) Kostenentscheidung in isolierten Unterhaltsverfahren 685 Mit § 243 FamFG hat das FamFG eine Sonderregelung über die Kostenverteilung in Unterhaltsstreitsachen geschaffen. Satz 1 bestimmt, dass das Gericht in Unterhaltssachen abweichend von den Vorschriften der ZPO nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten entscheidet. Nach Satz 2 der Vorschrift hat es hierbei insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: 1. das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, 2. den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer berechtigten Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, 3. den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts zur Auskunftserteilung nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie 4. ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO. 510
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V. Kosten
§ 243 FamFG enthält mithin die aus der ZPO bekannten Grundsätze für die Kostenentscheidung in einem Rechtsstreit, ermöglicht aber aufgrund der geforderten Billigkeitsentscheidung eine flexiblere Handhabung der Kostenverteilung als die §§ 91 ff. ZPO. Es kommt nicht mehr allein auf den Erfolg eines Beteiligten an, wie er sich gemessen an seinem Verhältnis zum Wert des Verfahrens darstellt. Vielmehr soll die Kostenverteilung insgesamt weniger formal gehandhabt werden. Zu dieser Regelung sah sich der Gesetzgeber vor allem deshalb veranlasst, weil dem Dauercharakter einer Unterhaltsverpflichtung bei der Ermittlung des Streitwerts nur begrenzt Rechnung getragen wird.76 Gemäß der – nicht abschließenden Aufzählung – in § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG hat das Familiengericht folgende Gesichtspunkte bei der Verteilung der Kosten zu prüfen: aa) Obsiegen und Unterliegen (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG) Nach dem in § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG angesprochenen Erfolgsprinzip hat der 686 Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Wenn jeder Beteiligte teils obsiegt, teils unterliegt, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (vgl. § 92 Abs. 1 ZPO). Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst und die Hälfte der Gerichtskosten. Bei der Frage, in welchem Maß ein Beteiligter unterlegen ist, hat das Gericht die Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Die Kostenentscheidung richtet sich also nicht mehr nur nach dem rechnerischen Verhältnis des Unterliegens gegenüber dem nominellen Verfahrenswert, wie er nach § 51 FamGKG ermittelt wird. Vielmehr ist auf den wirtschaftlichen Wert des laufenden und künftig zu zahlenden Unterhalts Rücksicht zu nehmen. Die nach der ZPO vorgeschriebene Ermittlung der Kostenquote anhand des nomi- 687 nellen Gebührenstreitwerts führte in Unterhaltsverfahren bislang in den Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen, in denen neben dem laufenden Unterhalt erhebliche Rückstände eingefordert wurden; das wirtschaftliche Gewicht einer Verurteilung zu laufendem Unterhalt wurde bei dieser Berechnungsmethode nicht berücksichtigt. Die Praxis behalf sich, indem sie für die Kostenentscheidung den laufenden Unterhalt mit seinem 3-fachen Jahresbetrag bewertete.77 Dieser Maßstab kann problemlos für die Billigkeitsentscheidung nach § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG übernommen werden. Beispiel Dem Antrag auf Zahlung einer mtl. Unterhaltsrente i.H.v. 300 Euro ab Rechtshängigkeit wird nur i.H.v. 200 Euro mtl. stattgegeben. Der daneben geltend gemachte Unterhaltsrückstand von 2 400 Euro wird in Höhe von 600 Euro zuerkannt. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen. Gebührenwert: Laufender Unterhalt gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG (12 × 300 =) Unterhaltsrückstand gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG Insgesamt
3 600 Euro 2 400 Euro 6 000 Euro
76 BT-Drucks. 16/6308, S. 259. 77 Vgl. hierzu FamGB/Hochgräber, Anhang zu §§ 93a, 97 ZPO; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 67 schlägt im Hinblick auf § 9 ZPO den 31/ 2-fachen Satz vor.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen Ermittlung der Kostenquote nach dem fiktiven wirtschaftlichen Wert fiktiver Wert des laufenden Unterhalts (36 × 300 =) Rückstand Insgesamt
10 800 Euro 2 400 Euro 13 200 Euro
Wert des Unterliegens: Laufender Unterhalt (36 × 100 =) 3 600 Euro 1 800 Euro Rückstand Insgesamt 5 400 Euro Quote (5 400 : 13 200 =) ca. 2/5 (40 %) (Zu beachten ist, dass sich die Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten nach dem Verfahrenswert von 6 000 Euro errechnen!)
688 § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG trägt dem neuen Unterhaltsrecht Rechnung, welches die Möglichkeit, nachehelichen Unterhalt nur befristet zuzusprechen, ab dem 1.1.2008 erheblich ausgeweitet hat. Ein teilweises Unterliegen – mit entsprechender Abweisung des Unterhaltsantrages – liegt auch dann vor, wenn dem früheren Ehegatten zwar Unterhalt in der beantragten Höhe zugesprochen, zugleich aber dem Antrag des Verpflichteten auf Befristung des Unterhalts stattgegeben wird. Es ist sachgerecht, in diesem Fall die Kosten zwischen den Beteiligten zu verteilen, auch wenn Unterhalt für länger als ein Jahr und damit in voller Höhe des den Verfahrenswert bestimmenden Jahresbetrages (§ 51 Abs. 1 FamGKG) zu zahlen ist. Für die konkrete Kostenquote ergibt sich dabei aber die Schwierigkeit, dass die zeitliche Dauer eines unbefristeten Klageantrags kaum sicher festgelegt werden kann und daher eine strenge Quotelung im Verhältnis der Zeiträume eines unbefristeten Titels zur konkret ausgesprochenen Frist nicht möglich ist.78 Die bisher zur Bemessung und Befristung des nachehelichen Unterhalts veröffentlichten Entscheidungen haben denn auch fast einhellig die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben, die Obergerichte zumeist schlicht unter Verweis auf § 92 Abs. 1 ZPO,79 der BGH ohne jede Begründung.80 Eine solche Begründung dürfte nunmehr bei der Ermessensentscheidung anhand § 243 FamFG leichter fallen. In die Kostenentscheidung können sowohl die Vorstellungen der Beteiligten über die Höhe und die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsleistung einfließen.81 Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass selbst ein unbefristeter Unterhaltstitel der Abänderung nach §§ 238, 239 FamFG unterliegt und die zeitliche Begrenzung des Unterhalts eine solche Abänderung nur vorwegnimmt. bb) Versäumnisse bei der Auskunft (§ 243 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) 689 Kostenrechtlich sanktioniert wird eine unterlassene oder ungenügende Auskunftserteilung der Beteiligten über ihr Einkommen (§ 243 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG). Ist ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens der berechtigten Aufforderung des Gegners, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und hierzu Belege vorzulegen, nicht oder nicht vollständig nachgekommen, können ihm unabhängig vom Ausgang des Unterhaltsverfahrens die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auf78 Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 96. 79 OLG Düsseldorf, FamRZ 2008,418; OLG Celle, FamRZ 2008, 1449; OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 1959; OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 2208 (Kostenaufhebung in entspr. Anwendung von § 93a. Abs. 1 Satz 1 ZPO); OLG Karlsruhe, FamRZ 2008, 1187 (Kostenquote 1/ 5 im Hinblick auf die verweigerte Befristung). 80 BGH, FamRZ 2008, 1508. 81 Keidel/Giers, § 243 FamFG Rn. 3.
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V. Kosten
erlegt werden (§ 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG). Unerheblich ist, ob die Verweigerung der Auskunft Veranlassung zum Verfahren gegeben hat. Zu negativen Kostenfolgen führen kann auch die Verletzung der Auskunftspflicht nach § 235 Abs. 1 FamFG gegenüber dem Gericht (§ 243 Satz 2 Nr. 3 FamFG). Bereits Nachlässigkeiten oder Verzögerungen der Beteiligten bei der Auskunftserteilung können erhebliche Kostenfolgen nach sich ziehen. cc) Sofortiges Anerkenntnis (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG) Hat der Antragsgegner nicht durch sein Verhalten zur Einleitung des Verfahrens 690 Veranlassung gegeben, so fallen dem Antragsteller die Verfahrenskosten zur Last, wenn der Antragsgegner den Anspruch sofort, d.h. im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung anerkennt (§ 93 ZPO). Die Regelung schützt den leistungswilligen Unterhaltsschuldner davor, die Kosten des Verfahrens tragen zu müssen, ohne dass er dazu Veranlassung gegeben hat. Zahlt der Unterhaltspflichtige den vollen geschuldeten Unterhalt regelmäßig, gibt er Anlass zur Einleitung eines Verfahrens nur dann, wenn er einer Titulierungsaufforderung des Gläubigers (s. hierzu Rn. 599 f.) nicht nachkommt. Anders liegt der Fall, wenn die Beteiligten über die Höhe des Unterhalts streiten und der verlangte Unterhalt nur zum Teil gezahlt wird. Hier gibt der Unterhaltsschuldner Anlass zu einem Verfahren hinsichtlich des vollen Unterhaltsbetrags, ohne dass es auf eine vorherige Aufforderung zur außergerichtlichen Titulierung ankommt. Selbst wenn der Antragsgegner im Verfahren ein sofortiges Teilanerkenntnis abgibt, sind die Kosten des Verfahrens grundsätzlich ohne Rücksicht auf § 93 ZPO zu verteilen.82 Nach Auffassung des BGH – allerdings noch zum alten Verfahrensrecht – ist es dem Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar, auf die Titulierung nur eines Sockelbetrages hinzuwirken, weil er dann im Wege eines Leistungsantrages nach § 258 ZPO einen weiteren Titel hinsichtlich des restlichen Unterhalts erstreiten müsse.83 dd) Weitere Gesichtspunkte Die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 243 FamFG zu berücksichti- 691 genden Gesichtspunkte sind in den Nrn. 1 bis 4 nicht abschließend aufgezählt. weitere Umstände können für die Kostenentscheidung eine Rolle spielen. So kann z.B. zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung eine Auskunftspflicht über das Vermögen bestehen (§ 1605 Abs. 1 BGB), deren Verletzung ebenso wie die ungenügende Auskunft über das Einkommen kostenrechtlich sanktioniert werden sollte. Es reicht auch nicht aus, wenn der Unterhaltsschuldner im Vorfeld des Verfahrens nur Auskunft über seine Einkünfte gibt, weil der Gläubiger bei dieser Auskunft seine Unterhaltsforderung noch nicht zutreffend berechnen kann. So hat das OLG Köln bereits nach früherem Recht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, nachdem der Beklagte der Klägerin erst mit der Klageerwiderung die Tilgung ehebedingter Schulden bekannt gegeben und die Klägerin daraufhin die Klage zurückgenommen hatte.84 In der Rechtsmittelinstanz kann der Rechtsgedanke des § 97 Abs. 2 ZPO in die Kostenentscheidung einfließen, wenn ein Beteiligter wegen eines Vorbringens obsiegt, das er bereits erstinstanzlich hätte geltend machen können.85 Denk82 83 84 85
BGH, FamRZ 2010, 195 mit krit. Anmerkung Schmidt, FamRZ 2010, 447. BGH, FamRZ 2010, 195; vgl. Rn. 810. OLG Köln, FamRZ 2000, 622; ebenso OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 239. BT-Drucks. 16/6308, S. 259.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
bar erscheint auch, die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.86 692 Bei Verfahren auf Auskunft oder Zahlung von rückständigem Unterhalt kommt es häufig vor, dass der Antragsgegner den Anspruch während des Verfahrens erfüllt, d.h. die verlangte Auskunft erteilt oder den verlangten Unterhalt bezahlt. Hier ist eine Entscheidung des Gerichts über den geltend gemachten Anspruch nicht mehr erforderlich, wenn die Beteiligten übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären. Auch in diesem Fall entscheidet das Gericht über die Kosten gemäß § 243 FamFG nach billigem Ermessen, wobei es wie nach § 91a Abs. 1 ZPO den bisherigen Sach- und Streitstand berücksichtigt. b) Kostenentscheidung bei der einstweiligen Anordnung 693 Im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG ist eine eigenständige Kostenentscheidung erforderlich, was auf der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit des einstweiligen Anordnungsverfahrens beruht. Dabei verweist § 51 Abs. 4 FamFG für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auf die allgemeinen Vorschriften. Das sind im Falle einer einstweiligen Anordnung zur Regelung von Unterhalt und eines Prozesskostenvorschusses gemäß §§ 246, 49 FamFG aber nicht die allgemeinen Kostenvorschriften des FamFG (§§ 80 ff. FamFG). Diese Bestimmungen dürfen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen nicht angewendet werden. Vielmehr hat sich die Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen nach der allgemeinen Regelung für isolierte Unterhaltsstreitsachen (§ 243 FamFG) zu richten.87 Auf die Erörterungen in Rn. 685 ff. kann verwiesen werden. c) Kostenentscheidung im Scheidungsverbund 694 In Unterhaltsstreitigkeiten, die als Ehescheidungsfolgesachen entschieden werden, werden die Kosten bei Scheidung der Ehe i.d.R. gegeneinander aufgehoben (§ 150 Abs. 1 FamFG). Das Gericht kann aber die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen, wenn die Kostenaufhebung im Hinblick auf das Ergebnis der als Folgesache geführten Unterhaltssache unbillig erscheint (§ 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung (§ 135 Abs. 1 FamFG) nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat (§ 150 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Haben die Beteiligten eine Vereinbarung über die Kosten getroffen, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Entscheidung zugrunde legen (§ 150 Abs. 4 Satz 3 FamFG). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine Unterhaltsfolgesache abgetrennt und über sie gesondert entschieden wird (§ 150 Abs. 5 Satz 1 FamFG). 5. Kostenerstattung 695 Für die Kostenerstattung in Unterhaltsstreitsachen verweist § 113 Abs. 1 FamFG auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die 86 Bumiller/Harders, § 243 FamFG Rn. 5; Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 98. 87 Prütting/Helms/Stößer, § 49 FamFG Rn. 20.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Beteiligten in allen Prozessen zu erstatten. Anwaltskosten eines Beteiligten in Unterhaltsstreitsachen sind mithin auch dann erstattungsfähig, wenn eine anwaltliche Vertretung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist – wie z.B. im Verfahren der einstweiligen Anordnung. Nach der neueren, seit der ZPO-Reform durch den BGH geprägten Rechtspre- 696 chung sind die Terminsreisekosten des Verfahrensbevollmächtigten eines auswärtigen Beteiligten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich erstattungsfähig, wenn dieser Rechtsanwalt in der Nähe des Beteiligten ansässig ist.88 Dies beruht auf der Erwägung, dass ein Beteiligter grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einem persönlichen Mandantengespräch mit seinem Anwalt hat. Bis zur Höhe dieser Kosten sind auch die Terminsreisekosten eines an einem dritten Ort residierenden Anwalts erstattungsfähig.89 Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Anwalt die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, sind erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen.90
VI. Verfahrenskostenhilfe Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen 697 die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die Verfahrensführung nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). 1. Bewilligungsverfahren Verfahrenskostenhilfe wird auf Antrag bewilligt. Dabei sind jeweils eigene An- 698 träge für das Hauptverfahren und für die einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt oder eines Prozesskostenvorschusses (§§ 246, 49 FamFG) erforderlich. Denn das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbstständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache (Unterhaltssache oder Ehesache) anhängig ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Für eine im Scheidungsverbund geltend gemachte Folgesache Unterhalt muss die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ebenfalls eigens beantragt und geprüft werden. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 149 FamFG: Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren betrifft nur die Scheidung selbst sowie die von Amts wegen durchzuführende Folgesache Versorgungsausgleich.
" Praxishinweis: Für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zur Zahlung von Unterhalt oder eines Kostenvorschusses (§ 246 Abs. 1 FamFG), aber auch für die Folgesache Unterhalt im Scheidungsverbund muss Verfahrenskostenhilfe gesondert beantragt werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann bei Gericht schriftlich eingereicht oder mündlich vor der Geschäftsstelle (d.h. bei der Rechtsantrag88 BGH, NJW 2003, 898; MDR 2004, 1136; NJW-RR 2005, 1662. 89 BGH, FamRZ 2004, 618. 90 BGH, NJW 2003, 898.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
stelle) zu Protokoll erklärt werden (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Anwaltliche Vertretung ist hierbei nicht erforderlich, auch nicht im Rahmen eines Scheidungsverfahrens (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG). 699 Der Antragsteller kann den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit dem Antrag in der Hauptsache bzw. dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbinden, d.h. die Anträge in einem Schriftsatz stellen.91 Will der Antragsteller aber – wie im Regelfall – das Verfahren nur im Umfang der bewilligten Verfahrenskostenhilfe durchführen, muss in der Antragsschrift deutlich gemacht werden, dass die Antragstellung in der Sache nur für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erfolgt.92 Es muss klar sein, dass die Antragsschrift zu dem beabsichtigten Verfahren nach dem Willen des Antragstellers erst eingereicht sein soll, wenn und soweit Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist. Ansonsten hat der Antragsteller die nach § 9 Abs. 1 FamGKG bereits mit Einreichung der Antragsschrift (nicht erst mit Zustellung!) fällige gerichtliche Verfahrensgebühr zu zahlen, auch wenn sein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt werden sollte (vgl. Rn. 680).
" Praxishinweis: Um jegliches Kostenrisiko des Antragstellers zu vermeiden,
sollte dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die beabsichtigte Antragsschrift nur im „Entwurf“ als Anlage beigefügt werden. Das gilt insbesondere, wenn der Anwalt die Gepflogenheiten des angerufenen Gerichts nicht kennt.93
700 Das Verfahrenskostenhilfegesuch samt dem Entwurf der Antragsschrift übersendet das Gericht formlos dem Gegner, dem nach § 118 Abs. 1 ZPO vor der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Die förmliche Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner veranlasst das Gericht aber erst nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (§ 15 Nr. 1 FamGKG).
" Praxishinweis: Neu und jedenfalls in Unterhaltsstreitsachen zu begrüßen
ist die zum 1. September 2009 in Kraft getretene Änderung des § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach das Gericht die Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die beigefügten Belege dem Antragsgegner zugänglich machen kann, sofern der Antragsgegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Bislang befand sich das Gericht in einer rechtlichen Grauzone, wenn es seine Erkenntnisse aus dem PKH-Verfahren in das Unterhaltsverfahren einführen wollte.
In Unterhaltsstreitsachen wird der als Voraussetzung für die Übermittlung der Erklärung genannte materiell-rechtliche Auskunftsanspruch des Antragsgegners in aller Regel bestehen. Denn nach dem Gesetzeswortlaut genügt die Existenz des Auskunftsanspruchs, ein solcher Anspruch muss nicht konkret fällig sein. Der 91 BGH, FamRZ 2007, 1727; BGHZ 4, 328; KG, FamRZ 2008, 1646; OLG Saarbrücken MDR 2008, 594; OLG München; MDR 1988, 972 Musielak/Foerste, § 253 Rn. 6; Baumbach/Hartmann, § 117 ZPO Rn. 9; vgl. das Muster eines Zahlungsantrags mit Verfahrenskostenhilfeantrag unter Rn. 696. 92 BGH-RR 2000, 879; OLG Koblenz, MDR 2004, 177; Hartmann, Kostengesetze, § 6 GKG, Rn. 6 und 9 FamGKG Rn. 1. 93 Vgl. AG Luckenwalde, FamRZ 2006, 1130, bestätigt durch OLG Brandenburg: es hält eine für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Klage für unzulässig.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
Übermittlung der Daten steht mithin nicht entgegen, dass der Antragsgegner mit einem Auskunftsverlangen nach § 1605 Abs. 1, § 1361 Abs. 4 Satz 4 oder § 1580 BGB an der Zweijahresfrist des § 1605 Abs. 2 BGB scheitern würde. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 117 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Er soll die Möglichkeit haben, dem Gericht etwaige Gesichtspunkte, die gegen eine solche Übermittlung sprechen können, vorzutragen. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten (§ 117 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Der Antragsgegner stellt seinen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskosten- 701 hilfe im Rahmen seiner Stellungnahme zum Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers, ansonsten mit der Antragserwiderung in der Hauptsache. Verweigert das Gericht dem Antragsteller die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe und wird der Sachantrag auch nicht zugestellt, weil der Antragsteller keinen Kostenvorschuss einzahlt, hat der Antragsgegner keinen Anspruch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, selbst wenn seine Rechtsverteidigung aussichtsreich wäre. Denn die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsgegner setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus, welches erst durch die Zustellung des Sachantrags begründet wird. Hat der Antragsgegner bereits einen Rechtsanwalt beauftragt, muss er die Kosten selber tragen oder Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen. Im Verfahren zur Prüfung der Verfahrenskostenhilfe selbst gibt es keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Antragsteller (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe müssen in jedem Fall vor Ab- 702 schluss der Instanz gestellt werden. Ansonsten ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ausgeschlossen; denn § 114 ZPO gewährt Verfahrenskostenhilfe nur für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Die Verfahrenskostenhilfe wird für jede Instanz gesondert bewilligt (§ 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Beschluss, der einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ablehnt oder dem Antrag nur eingeschränkt stattgibt, z.B. durch Anordnung von Ratenzahlungen, ist zu begründen. Gegen die (teilweise) Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe ist die sofortige Be- 703 schwerde gegeben (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen, s. auch Rn. 1167. Der Antragsteller kann aber einen erneuten Verfahrenskostenhilfeantrag in derselben Instanz stellen, auch wenn er diese Notfrist versäumt hat. Ein die Verfahrenskostenhilfe versagender Beschluss erlangt auch im Falle seiner Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft.94 Doch kann einem neuerlichen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, z.B., wenn auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts bereits Verfahrenskostenhilfe verweigert wurde.95 Nicht statthaft ist die sofortige Beschwerde gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe für eine einstweilige Unterhaltsanordnung nach §§ 246, 49 FamFG mangels Erfolgsaussicht.96 Denn der Beschwerdeweg im VKH-Verfahren 94 BGH, FamRZ 2004, 940. 95 BGH, FamRZ 2004, 940. 96 BGH, FamRZ 2005, 790; s. Rn. 907.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
darf über den Rechtsweg in der Hauptsache nicht hinausgehen und die einstweiligen Unterhaltsanordnungen unterliegen keinem Rechtsmittel (§ 57 FamFG). S. Rn. 907. Anders liegt es, wenn Verfahrenskostenhilfe für eine einstw. Anordnung nur mit der Begründung verweigert wird, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ließen die Bewilligung nicht zu. Hier ist die sofortige Beschwerde statthaft (s. auch Rn. 1170). Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann nur durch die Staatskasse und nur dann angefochten werden, wenn Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wurde (§ 127 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). 2. Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe a) Bedürftigkeit des Antragstellers 704 Verfahrenskostenhilfe hängt zunächst davon ab, dass der Antragsteller die Kosten der Verfahrensführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann (§ 114 ZPO). 705 Dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind daher auf einem besonderen Vordruck eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO).
" Praxishinweis: Zur Beschleunigung des Verfahrens empfiehlt es sich, den
Erklärungsvordruck mit größter Sorgfalt auszufüllen und sämtliche Belege zu den Angaben sogleich mit einzureichen. Da der Vordruck für den Laien unübersichtlich und schwer verständlich ist, sollte sich die anwaltliche Hilfe auch auf die Erläuterung und ggf. die Ermittlung der für den Vordruck erforderlichen Daten erstrecken. Das gilt insbesondere, wenn Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel begehrt wird. Sind hier dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist der vollständig ausgefüllte Erklärungsvordruck und die entsprechenden Belege beigefügt, droht der Verlust des Rechtsmittels. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist kommt nicht mehr in Betracht. Ein Rechtsmittelführer ist nur solange ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert, als er vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrages wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss.97 Zur Wiedereinsetzung vgl. Rn. 1099 ff.
Hinweis zu dem folgenden Muster: Bei dem abgedruckten Vordruck handelt es sich um das Formular von Berlin. Formulare anderer Bundesländer weichen in Einzelheiten ab.
97 BGH, FamRZ 2005, 1902 und FamRZ 2005, 2062.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
u
7
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse E rklärung über die pers önlichen und wirts chaftlichen Verhältnis s e
706
Aktenzeichen des Gerichts
- Anlage zum Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe; notwendige B elege bitte beifügen! Die Prozeßkostenhilfe wird beantragt von (Name, Vorname, ggf. Geburtsname)
Beruf, Erwerbstätigkeit
Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort
Familienstand
Geburtsdatum
Tagsüber telefonisch erreichbar unter Nr.
Antragsstellende Partei wird gesetzlich vertreten von (Name, Vorname, Anschrift, Telefon
Trägt eine R echts s chutz v ers icherung oder andere S telle/Pers on (z. B. Gewerkschaft, Arbeitgeber, Mieterverein) die Kosten Ihrer Prozeßführung? Nein Ja, in Höhe von EUR: Ja, in voller Höhe
A ngehörige,
Ja, vom getrenntleben- Ja, von anderer ja, von Eltern/Vater/Mutter Person (Bitte auf Zweitstück diesesVordrucks den/geschiedenen Angaben über deren/dessen Ehegatten Verhältnisse – s. Hinweise
Nein
denen Sie Unterhalt gewähren Geburtsdatum
Familienverhältnis (z. B. Ehegatte, Kind, Schwiegermutter)
Name, Vorname (Anschrift nur, wenn sie von Ihrer Anschrift abweich
Wenn Sie den Unterhaft ausschließlich durch Zahlung gewähren: Monatsbetrag in EUR
1 2 3 4 5
B ruttoeinnahmen
Haben S ie Einnahmen aus
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Die notwendigen Belege (z. B. L ohnbes cheinigung der Arbeits s telle) müssen
beigefügt werden.
selbständiger Arbeit/Gewerbebetrieb/Land-, Forstwirtschaft?
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl.
Ja, EUR mtl. netto
Nein
Ja, EUR mtl. netto
Nein
Ja, EUR mtl. netto
Nein
Ja, EUR mtl. netto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl. brutto
Nein
Ja, EUR mtl.
Nein
Ja, EUR mtl.
Nein
Ja.
B elegNr.
selbständiger Arbeit/Gewerbebetrieb/Land-, Forstwirtschaft?
Kindergeld? Nein
Ja, EUR mtl.
Wohngeld?
Arbeitslosengeld/hilfe
Nein
Kapitalvermögen?
Kapitalvermögen? Kindergeld?
Bitte Art und Bezugszeitraum angeben z. B. Unterhaltsrente mtl Altersrente mtl Weihnachts-/Urlaubsgeld jährt Arbeitslosengeld mtl Arbeitslosenhilfe mtl Ausbildungsfördg. mtl Krankengeld mtl
Nein Ja, EUR mtl. tt
Vermietung und Verpachtung?
Vermietung und Verpachtung?
Andere Einnahmen (auch einmalige oder unregelmäßige)?
Hat Ihr E hegatte Einnahmen aus
BelegHaben die Angehörigen Nr. eigene Einnahmen? (z. B. Ausbildungsvergütung; Untehaltszahlungen vom anderen Eltemteil)
nichtselbständiger Arbeit?
nichtselbständiger Arbeit?
Bitte unbedingt beachten:
BelegNr.
Beziehen Sie Unterhalts leis tungen (z. B. Unterhaltszahlungen; Versorgung im elterlichen Haushalt; Leistungen des Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft)?
Wohngeld? Nein
Ja~
und zwar
Andere Einnahmen (auch einmalige oder unregelmäßige)?
und zwar
EUR brutto
EUR brutto
EUR brutto
EUR brutto
EUR brutto
EUR brutto
Falls zu den Einnahmen alle Fragen verneint werden: Auf welche Umstände ist dies zurückzuführen? Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?
Abzüge
Welche Abzüge haben Sie?
EUR mtl.
Welche Abzüge hat Ihr Ehegatte?
BelegNr.
EUR mtl.
Bitte kurz bezeichnen z.B. Lohnsteuer Pflichtbeiträge Lebensversicherung Fahrt zur Arbeit ... km Einfache Entfernung Die notwendigen Belege müssen beigefügt werden.
EUR mtl.
EUR mtl.
EUR mtl.
EUR mtl.
EUR mtl.
EUR mtl.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen A B
Ist Vermögen vorhanden?
In dieser Spalte mit Großbuchstaben bitte.jeweils angeben, wem der Gegenstand gehört: A = mir allein B = meinem Ehegatten allein C = meinem Ehegatten und mir gemeinsam
oder C
Grundvermögen? (z. B. Grundstück,
Nutzungsart, Lage, Größe, Grundbuchbezeichnung, Jahr der Bezugsfertigkeit, Einheits-, Brandversicherungswert:
Verkehrswert, BelegGuthabenhöhe Nr Betrag in EUR
Familienheim, Wohnungseigentum, Erbbaurecht)
Nein B aus parkonten?
Ja
Bausparkasse, voraussichtlicher oder feststehender Auszahlungstermin, Verwendungszweck:
Nein Ja B ank-, G iro-, S parkonten u. dgl.? Nein K raftfahrzeuge?
Kreditinstitut, Guthabenart:
Ja
Nein Ja S ons tige V ermögens werte,
Bezeichnung der Gegenstände:
Lebensversicherung, Wertpapiere, Bargeld, Wertgegenstände, Forderungeni Außen-
Nein
Ja
Wohnkosten
Angaben s ind zu belegen
Größe des Wohnraums, den Sie mit Ihren oben unter (D) bezeichneten Angehörigen bewohnen
Wenn Sie den Raum als Mieter oder in einem ähnlichen Nutzungsverhältnis bewohnen
Wenn Sie den Raum als Eigentümer, Miteigentümer, Erbbauberechtigter o. dgl. bewohnen Genaue Einzelangaben zu der Belastung aus Fremdmittein (z. B. Sparkasse ... für Kauf des Eigenheims; Zahlungen laufen bis ...''):
Größe in qm
Art der Heizung (z.B. ,,Zentrale Ölheizung") Übrige Nebenkosten EUR mtl.
Gesamtbetrag EUR mtl.
Ic h zahle darauf EUR mtl.
Ehegatte zahlt EUR mtl.
Belastung aus Fremdmitteln EUR mtl.
Übrige Nebenkosten EUR mtl.
Gesamtbetrag EUR mtl.
Ic h zahle darauf EUR mtl.
Ehegatte zahlt EUR mtl.
Restschuld EUR
Ic h zahle darauf EUR mtl.
Ehegatte zahl EUR mtl.
Restschuld EUR
Ic h zahle darauf EUR mtl.
Ehegatte zahlt EUR mtl.
Heizungskosten EUR mtl.
... % Zinsen, ... % Tilgung aus Darlehnde
Sonstige Zahlungsverpflichtungen Bitte angeben, an wen, wofür, seit wann die Zahlungen geleistet werden und bis wann sie laufen (z.B. ,,Ratenkredit der ... Bank vom ... für Kauf eines Pkw, Raten laufen bis ...”)
Als besondere Belastung mache ich geltend:
Belege füge ich bei Ort, Datum ,
|
Besondere Belastung (z.B. Mehrausgaben für körperbehinderten Angehörigen) bitte begründen. Die Ic h bringe dafür auf Ehegatte bringt EUR mtl. dafür auf EUR mtl Angaben sind zu belegen.
Ich versichere hiermit, daß meine Angaben vollständig und wahr sind:
Anzahl
520
BelegNr.
Miete ohne MietHeizungskosten nebenkosten EUR mtlE UR mtl.
Rasch
Das Hinweisblatt zu diesem Vordruck habe ich erhalten
Unterschrift _____________________________________
BelegNr.
BelegNr.
VI. Verfahrenskostenhilfe
Erläuterungen zum Vordruck A: Der Vordruck muss von dem Antragsteller ausgefüllt und unterschrieben wer- 707 den. Bei Unterhaltsverfahren minderjähriger Kinder braucht der Vordruck gemäß § 2 PKHVV nicht ausgefüllt zu werden. Es genügt, wenn der Verfahrenskostenhilfeantrag eine formlose Erklärung über Einkommen und Vermögen des Kindes enthält. Allerdings müssen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des sorgeberechtigten Elternteils, der das Kind vertritt, erklärt und nachgewiesen werden, weil auch der sorgeberechtigte Elternteil kostenvorschusspflichtig für ein gerichtliches Verfahren ist.98 Gleiches gilt, wenn die Unterhaltsansprüche des Kindes nach § 1629 Abs. 3 BGB durch den betreuenden Elternteil in gesetzlicher Verfahrensstandschaft geltend gemacht werden, d.h. bei Trennung der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes bis zum Abschluss der Ehesache. In diesem Fall ist der Elternteil Beteiligter; es kommt auf seine Einkommensverhältnisse an.99 D: Wenn der Antragsteller für Angehörige zu sorgen hat, wird dieses bei der Ver- 708 fahrenskostenhilfe berücksichtigt (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a und b ZPO). Vom Einkommen ist entweder der gezahlte Barunterhalt abzusetzen, soweit dies angemessen ist, oder ein Freibetrag, z.B., wenn lediglich Naturalunterhalt geleistet wird. Das Bundesministerium der Justiz gibt die Unterhaltsfreibeträge jährlich im Bundesgesetzblatt bekannt. Der Unterhaltsfreibetrag beläuft sich vom 1.7.2010 bis 30.6.2011 auf 395 Euro für den Ehegatten bzw. Lebenspartner und auf 276 Euro für ein Kind bzw. jede weitere Person, der der Antragsteller aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet.100 Der Freibetrag vermindert sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person (§ 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO). Angaben zu den betreuten Personen sollten deshalb auch dann gemacht werden, wenn Unterhalt nicht durch Barzahlung, sondern durch Betreuung geleistet wird. E und F: Einkommen ist das Bruttomonatseinkommen (zzgl. Kindergeld101) ver- 709 mindert um die berücksichtigungsfähigen Abzüge, insbesondere Steuern, Sozialversicherung, Werbungskosten und ggf. freiwillige Versicherungen, sowie um einen Freibetrag (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO). Der Freibetrag für den Antragsteller beläuft sich derzeit auf 395 Euro.102 Ist der Antragsteller erwerbstätig, kommt ein zusätzlicher Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 98 BGH, FamRZ 2005, 1901. 99 BGH, FamRZ 2005, 1164. 100 Prozesskostenhilfebekanntmachung (PKHB) zu § 115 der ZPO, abgedruckt in Schönfelder, Fn. 3 zu § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2. Die Freibeträge, die jährlich zum 1.7. aktualisiert werden, sind auch unter PKHB im Internet abrufbar (www.gesetze-iminternet.de). 101 Nach BGH, FamRZ 2005, 605 ist das volle Kindergeld dem Einkommen hinzuzurechnen, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes zu verwenden ist. Der notwendige Lebensunterhalt bei Kindern werde aber in der Regel durch den Unterhaltsfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO gewährleistet. Wohnbedarf des Kindes werde dadurch gedeckt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung ohnehin vom Einkommen des Antragstellers in Abzug zu bringen sind. Ob im Bereich von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO Änderungen aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 – FamRZ 2010, 429 ff. eintreten werden, bleibt abzuwarten. 102 PKHB zu § 115 ZPO, s. Fn. 100.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Nr. 1b ZPO i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zum Abzug, der derzeit 180 Euro beträgt103. Fiktive Einkünfte, d.h. nicht erzielte, aber erzielbare Einkünfte, finden anders als im Unterhaltsrecht keine Berücksichtigung; auch Arbeitskraft ist kein Einkommen. Allerdings halten einige Gerichte die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe für gerechtfertigt, wenn ein zumutbarer Arbeitseinsatz unterlassen wird.104 Das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens kann jedoch allenfalls dann angesetzt werden, wenn es sonst zu einer klar missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe käme.105 710 G: Auch sein Vermögen hat der bedürftige Antragsteller zur Führung des Verfahrens einzusetzen, soweit dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 3 ZPO). Hierfür wird auf § 90 SGB XII verwiesen, wonach bestimmte Vermögenswerte, die für die Sozialhilfe nachfragende Person unentbehrlich sind oder zur angemessenen Lebensführung gehören, außer Ansatz bleiben. So muss der bedürftige Antragsteller nicht die von ihm bewohnte Eigentumswohnung oder das Einfamilienhaus veräußern oder belasten. Zunehmend werden auch Lebensversicherungen, die der Altersvorsorge dienen, vom Vermögenseinsatz ausgenommen.106 Nach der DVO zu § 90 Nr. 9 SGB XII steht dem Bedürftigen selbst ein Freibetrag seines Vermögens von 2 600 Euro zu.107 Darüber hinausgehende Sparguthaben sind für die Verfahrenskosten einzusetzen, können aber ausnahmsweise anrechnungsfrei sein, wenn deren Einsatz dem Antragsteller beispielsweise deshalb nicht zumutbar ist, weil er seit geraumer Zeit arbeitslos ist. Zum Anspruch auf Kostenvorschuss als Vermögen s. Rn. 717. 711 H: Vom Einkommen abzugsfähig sind nach § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Kosten der Unterkunft (einschließlich Wasserkosten) und Heizung, d.h. bei Mietern die Miete zuzüglich Nebenkosten, bei Eigentümern Zins und Tilgung zuzüglich Nebenkosten. Nicht zu berücksichtigen sind diese Kosten, soweit sie in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen des Antragstellers stehen. 712 I: Den Vermögenswerten werden die fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Nur so lässt sich prüfen, ob einsetzbares Vermögen tatsächlich besteht. Sind die Schulden in langfristigen Raten zu tilgen, darf sie der Antragsteller auch nicht zu Lasten der Prozesskosten vorzeitig tilgen.108 Solche Schulden und Kreditverpflichtungen sind als besondere Belastungen vom Einkommen abzuziehen, wenn sie vor der Antragstellung eingegangen wurden und laufend getilgt werden. Bei später eingegangenen Verpflichtungen prüft das Gericht, ob diese im Hinblick auf den Prozess vermeidbar gewesen wären. 713 K: Zur Glaubhaftmachung seiner Angaben muss der Antragsteller seiner Erklärung die entsprechenden Belege beifügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierzu zählen Ge103 PKHB zu § 115 ZPO, s. Fn. 100. 104 KG (17. ZS), FamRZ 2008, 2302; OLG Köln, FamRZ 2007, 549 in ständigen Rspr.; sehr zurückhaltend dagegen BVerfG, NJW-RR 2005, 1725 (Aufhebung einer Entscheidung von OLG Köln). 105 OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.8.2009, 15 WF 245/08, juris; OLG Brandenburg, NJW-RR 2008, 734; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 644; OLG Sachsen-Anhalt, FamRZ 2001, 924. 106 OLG Celle, FamRZ 2007, 913; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 914; Liceni-Kierstein, FPR 2009, 397 ff. 107 Nickel, FPR 2009, 391, 397. 108 OLG Bremen, FamRZ 2007, 1341 m.w.N.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
haltsnachweise, Sozialhilfebescheid, Bescheid über Arbeitslosengeld, Gewinnund Verlustrechnung oder Einnahmen- Überschussrechnung, Nachweise über Unterhaltsleistungen oder Schuldtilgungen (Überweisungsträger und Kreditvertrag) sowie die Nachweise über Miete und Nebenkosten. Anhand der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse 714 prüft das Gericht, ob und inwieweit der Antragsteller nach seinem Einkommen und Vermögen die Kosten der Verfahrensführung aufbringen kann (§ 114 ZPO). Es ordnet das um die Abzüge verminderte Einkommen des Antragstellers in die Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO ein und entnimmt dieser Tabelle die monatlich zu zahlenden Raten. Bis zu einem einzusetzenden Einkommen von 15 Euro braucht der Antragsteller keine Verfahrenskosten – auch nicht in Raten – an das Gericht zu entrichten. Er bleibt kostenfrei. Übersteigt das einzusetzende Einkommen 15 Euro, setzt das Gericht monatliche Raten entsprechend der Tabelle fest (§ 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Unabhängig von der Anzahl der in einem Verfahren durchlaufenen Instanzen, der Höhe des Verfahrenswerts und der tatsächlichen Kosten sind höchstens 48 Monatsraten zu entrichten (§ 115 Abs. 2 ZPO). Die vom Gericht festgesetzten Raten sind an das Gericht zu leisten, das den Zahlungseingang überwacht und für die Zahlungseinstellung sorgt, wenn die voraussichtlichen Verfahrenskosten gedeckt sind (§ 120 Abs. 2 und 3 ZPO). Ergibt die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse, dass einsetzbares Ver- 715 mögen vorhanden ist, weist das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück, weil der Antragsteller nicht bedürftig ist. Wenn das Vermögen nur eine teilweise Kostentragung erlaubt, ordnet das Gericht an, dass der Antragsteller einen einmaligen, genau bezifferten Betrag bzw. mehrere Teilbeträge an die Staatskasse zu zahlen hat. Im Hinblick auf das laufende Einkommen des Antragstellers kommt daneben auch die Anordnung von Raten in Betracht. Sind die Kosten des beabsichtigten Verfahrens voraussichtlich nicht höher als 716 4 Monatsraten zuzüglich derjenigen Beträge, die der Antragsteller aus seinem Vermögen aufzubringen hat, wird keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt (§ 115 Abs. 4 ZPO). Letztlich ist Antragsteller auch nicht bedürftig i.S.v. § 114 ZPO, wenn er gegen 717 den Unterhaltspflichtigen einen durch einstweilige Anordnung alsbald realisierbaren Anspruch auf Kostenvorschuss für das gerichtliche Verfahren besitzt.109 Das ist nicht der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige seinerseits Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung beanspruchen könnte.110 Wäre der Unterhaltspflichtige aber zu einer eigenen Verfahrensführung gegen Ratenzahlung in der Lage, schuldet er nach Auffassung des BGH auch einen Kostenvorschuss mit entsprechender Ratenzahlung.111 Das führt dazu, dass der Antragsteller Vermögen i.S.v. § 115 ZPO hat, welches er für die Führung des Verfahrens einsetzen muss. Ihm 109 Vgl. BGH, FamRZ 2005, 883 m.w.N.; s. Rn. 162, 244, 426; zum Antrag nach § 127a ZPO s. Rn. 730 ff. 110 BGH, FamRZ 2004, 1633; OLG Oldenburg, FamRZ 1994, 113. 111 BGH, FamRZ 2004, 1633 mit Anm. Viefhues.
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ist Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und im Umfang der Raten auf den geschuldeten Kostenvorschuss Ratenzahlung aufzugeben.112 Zur Bemessung der Raten s. Rn. 162, 426). Beantragt der Unterhaltspflichtige seinerseits Verfahrenskostenhilfe, erscheint es sachgerecht, die monatlichen Raten hälftig aufzuteilen.113 Grundsätzlich nicht bedürftig ist auch ein Antragsteller, der Ansprüche auf rückständigen Unterhalt geltend macht, die ihm von einem öffentlichen Leistungsträger nach einem gesetzlichen Forderungsübergang treuhänderisch rückübertragen worden sind (z.B. nach § 7 Abs. 4 Satz 2 UVG, § 33 Abs. 4 SGB II). Denn der Leistungsberechtigte hat gegen den Leistungsträger angesichts seines gesetzlichen Anspruchs auf Kostenübernahme einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses, den er als zu seinem Vermögen gehörend für die Kosten der Verfahrensführung einzusetzen hat.114 Indes ist dem Antragsteller für Ansprüche auf laufenden Unterhalt ab Rechtshängigkeit stets Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, soweit nach seinem Vortrag Erfolgsaussicht besteht und er selbst bedürftig ist.115 Zu dem Fall, dass sich die Geltendmachung rückübertragener Ansprüche neben dem laufenden Unterhalt kostenrechtlich nicht auswirkt, vgl. Rn. 795, 796. b) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung 718 Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist nach § 114 ZPO nicht nur die Bedürftigkeit, sondern außerdem eine hinreichende Erfolgsaussicht des Sachantrages oder der Verteidigung. Dies prüft das Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Einbeziehung der Stellungnahme des Gegners, aber ohne Beweisaufnahme. Wenn schwierige Rechtsfragen zu klären sind, kann das nicht im Bewilligungsverfahren geschehen, sondern es ist Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.116 An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, weil die Verfahrenskostenhilfe den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will.117 Sie ist dann erfüllt, wenn der vom Antragsteller vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung besteht.118 Doch genügt für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht schon der Umstand, dass das Vorbringen des Beteiligten im Erkenntnisverfahren möglicherweise zu einer Beweiserhebung zwingt. Das Verbot der Beweisantizipation gilt nur im Erkenntnisverfahren. Bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist, wenn auch im eng begrenzten Rahmen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig.119 Kommt nach dem Vortrag des Antragstellers eine Beweisaufnahme nicht ernsthaft in Betracht oder liegen konkrete Anhaltspunkte dafür 112 BGH, FamRZ 2004, 1633 mit Anm. Viefhues. 113 Viefhues, FamRZ 2004, 1636. 114 BGH FamRZ 2008, 1159 ff.; s. auch Rn. 556c (zu § 7 UVG), 556h (zu § 33 SGB II) und Rn. 795, 796. 115 BGH, FamRZ 2004, 1633. 116 BVerfG, FamRZ 2002, 665 m.w.N.; 2003, 671; Zöller/Philippi, § 114 ZPO Rn. 21 m.w.N. 117 BVerfG, NJW-RR 2003, 1216. 118 BGH, NJW 1994, 1160. 119 BGH, NJW 1994, 1160; MünchKomm.ZPO/Motzer, § 114 ZPO Rn. 64.
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VI. Verfahrenskostenhilfe
vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde, darf das Gericht Verfahrenskostenhilfe verweigern.120 Schwierig zu beurteilen ist die hinreichende Erfolgsaussicht eines Stufenverfah- 719 rens (§ 254 ZPO), solange der Zahlungsanspruch noch unbeziffert ist. Dennoch ist es nicht zulässig, dem zu Verfahrensbeginn gestellten Antrag auf Verfahrenskostenhilfe nur für die Auskunftsstufe stattzugeben.121 Mit der Zustellung des Stufenantrags (§ 261 Abs. 1 ZPO) werden die geltend gemachten Ansprüche, auch das noch unbestimmte Leistungsverlangen, sofort rechtshängig.122 Der zunächst noch unbezifferte Zahlungsantrag bestimmt mithin von Anfang an den Wert des Stufenverfahrens und damit die Gerichtskosten und die Gebühren der Anwälte (vgl. Rn. 647). Dies ist bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu berücksichtigen, wobei in der Rechtsprechung aber vieles streitig ist. Um die Staatskasse vor den Kosten überhöhter Zahlungsanträge zu schützen, nimmt ein Teil der Rechtsprechung an, dass sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf den Unterhaltszahlungsanspruch nur insoweit erstreckt, als er sich aus der noch zu erteilenden Auskunft errechnet.123 Das Gericht habe nach Bezifferung des Zahlungsantrages zu prüfen, ob der Antrag von der erteilten Auskunft gedeckt ist, und könne in einem weiteren Beschluss klarstellen, wieweit die zunächst bewilligte Verfahrenskostenhilfe reicht.124 Andere Gerichte bewilligen im Interesse der Rechtsklarheit Verfahrenskostenhilfe für das gesamte Verfahren, wenn sämtliche Voraussetzungen des Unterhaltszahlungsanspruchs bis auf die Darlegung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen vorgetragen sind.125 Sie bestimmen jedoch den Wert, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird. Dieser Wert kann auch hinter dem gemäß § 42 FamGKG zu schätzenden Wert des noch unbezifferten Zahlungsantrags zurückbleiben, wenn die aus der Antragsschrift ablesbaren Erwartungen des Antragstellers überzogen erscheinen oder sonst für das Gericht nicht nachvollziehbar sind. Der Antragsteller muss einen neuen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe stellen, wenn er in der Leistungsstufe einen Antrag ankündigt, dessen Wert den Wert übersteigt, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. c) Fehlender Mutwillen Die Rechtsverfolgung darf auch bei bestehender Erfolgsaussicht nicht mutwillig 720 erscheinen (§ 114 ZPO). Da die Verfahrenskostenhilfe dazu dient, dem Unbemittelten in gleicher Weise wie dem Bemittelten den Zugang zu den Gerichten zu 120 BVerfG, NJW-RR 2003, 1216. 121 OLG Hamm, FamRZ 2007, 152; OLG München, FamRZ 2005, 42; OLG Zweibrücken, FamRZ 2005, 46; OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 1504; 1997, 98; Zöller/Geimer, § 114 Rn. 37 ff. m.w.N.; MünchKomm.ZPO/Motzer, § 114 ZPO Rn. 36; a.A. KG (3. ZS) FamRZ 2005, 462 mit dem Argument, dass die hinreichende Erfolgsaussicht eines unbezifferten Antrags nicht beurteilt werden kann. 122 BGH, FamRZ 1995, 797. 123 OLG München, FamRZ 2005, 42 m.w.N.; OLG Zweibrücken, FamRZ 2005, 46; OLG Brandenburg, MDR 2003, 171. 124 OLG München, FamRZ 2005, 42; OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 1281; 2000, 101; OLG Hamm, FamRZ 1994, 312; 1997, 97. 125 KG (16. ZS), FamRZ 1986, 284; 1997, 1405; OLG München, FamRZ 1999, 598; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 547; Wendl/Schmitz, § 10 Rn. 217.
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eröffnen, kann Verfahrenskostenhilfe dann verweigert werden, wenn ein verständiger Antragsteller, welcher die Kosten eines Verfahrens selbst aufbringen muss, sein Recht nicht so verfolgen würde oder wenn das erstrebte Verfahrensziel auf kostengünstigerem Wege zu erreichen ist. Wegen Mutwilligkeit ist Verfahrenskostenhilfe für ein Zahlungsverfahren beispielsweise in einem Fall versagt worden, in dem der Unterhaltsgläubiger den regelmäßig, pünktlich und freiwillig zahlenden Schuldner nicht zur Schaffung eines Unterhaltstitels aufgefordert, sondern ihn sogleich mit einem Unterhaltsverfahren überzogen hat.126 Andererseits darf Verfahrenskostenhilfe für ein Unterhaltsverfahren nicht mit der Begründung versagt werden, der Berechtigte sei gehalten, sein Anliegen im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG geltend zu machen.127 Höchst umstritten war die Frage, ob es mutwillig ist, nachehelichen Unterhalt nicht im Verbund mit der Scheidung, sondern durch ein isoliertes Verfahren geltend zu machen. Für das bis zum 31.8.2009 geltende Recht hat der BGH entschieden, dass die Geltendmachung einer zivilprozessualen Scheidungsfolgensache außerhalb des Verbundverfahrens grundsätzlich nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO ist. Auch eine vermögende kostenbewusste Partei sei in erster Linie auf die allein sie treffenden Kosten bedacht. Da im Verbundverfahren die Kosten i.d.R. nach § 93a ZPO gegeneinander aufgehoben werden, könne der selbständige Zivilprozess für Partei im Hinblick auf die Kostenregelung des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO günstiger sein als eine Entscheidung im Verbund.128 Dass diese Sichtweise auch für die neue Kostenregelung nach § 243 FamFG gelten wird, ist anzunehmen, bleibt aber abzuwarten. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann dem Rechtsmittelgegner wegen Mutwillen versagt werden, wenn er sich vor der Begründung der Beschwerde anwaltlich vertreten lässt. Bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann eine ihm nachteilige Entscheidung in der Sache nicht ergehen. Deshalb ist ihm zuzumuten, mit der Bestellung eines Anwalts zunächst abzuwarten, ob das Rechtsmittel durchgeführt wird und nicht verworfen werden muss.129 Für eine dahingehende anwaltliche Beratung, die nicht mehr zum ersten Rechtszug gehört (§ 19 Nr. 9 RVG), steht Beratungshilfe zur Verfügung. 3. Wirkungen der Verfahrenskostenhilfe 721 Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung befreit den Antragsteller (vorläufig) von allen eigenen Kosten: den Gerichtsgebühren einschließlich des Gerichtskostenvorschusses, ohne den ein Sachantrag nur ausnahmsweise zugestellt werden darf; den Vorschüssen und Kosten für den eigenen Anwalt und auch den Vorschüssen für die Ladung von Zeugen oder die Einholung von Gutachten. Diese Kosten braucht der Beteiligte auch dann nicht zu tragen, wenn er im Prozess ganz oder teilweise unterliegt. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe befreit den Beteiligten jedoch nicht davon, die Anwaltskosten des Gegners zu tragen, wenn dieser nach der Kostengrundentscheidung des Gerichts einen Anspruch auf Kostenerstattung hat (§ 123 ZPO). Insoweit bleibt auch für den bedürftigen Beteiligten ein Kostenrisiko. 126 KG, FamRZ 1988, 518, 519. 127 Dem Antragsteller sollte die freie Wahl zwischen den beiden Verfahrensarten bleiben, BT-Drucks. 13/7338, S. 37. 128 BGH, FamRZ 2005, 786. 129 BGH, FamRZ 2010, 1147.
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Wird mit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe monatliche Ratenzahlung angeordnet, so ist der Antragsteller ebenfalls von allen Vorschussverpflichtungen, den Gerichtskosten und den Kosten seines Anwalts (vorläufig) befreit. Er wird jedoch im Rahmen der an das Gericht zu leistenden Ratenzahlungen an den Kosten des Verfahrens beteiligt. Gleiches gilt, wenn das Gericht eine einmalige Zahlung aus dem Vermögen anordnet. Mit der bewilligten Verfahrenskostenhilfe ist der Antragsteller allerdings nur 722 vorläufig von den Kosten der Verfahrensführung ganz oder teilweise befreit; denn gemäß § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht seine Entscheidung über die zu leistenden Ratenzahlungen oder Zahlung aus dem Vermögen noch 4 Jahre nach Beendigung des Verfahrens abändern, wenn sich die für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dafür muss der Antragsteller auf Verlangen des Gerichts auch die entsprechenden Erklärungen abgeben (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Das Gericht kann dann Ratenzahlung für die Zukunft anordnen oder bereits festgesetzte Raten erhöhen. Der BGH geht aber davon aus, dass zuerkannter rückständiger Unterhalt – im Gegensatz zum Zugewinn – in der Regel nicht für Prozesskosten eingesetzt werden muss.130 § 120 Abs. 4 ZPO gilt auch für die Fälle, in denen sich die wirtschaftlichen Ver- 723 hältnisse verschlechtern. Hier sollte der Beteiligte von sich aus umgehend beim Gericht die Abänderung des Ratenzahlungsbeschlusses beantragen; denn die Abänderung wirkt immer nur für die Zukunft. Die zwischenzeitlich bis zum Antrag auf Abänderung gezahlten Raten werden nicht erstattet.
" Praxishinweis: Wegen der nur für die Zukunft wirkenden Abänderungsmög-
lichkeit eines Verfahrenskostenhilfebeschlusses ist bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Eile geboten. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage braucht dem Gericht nur auf dessen Nachfrage – dann aber wahrheitsgemäß – mitgeteilt zu werden.
Nach § 124 ZPO kann die Verfahrenskostenhilfe rückwirkend aufgehoben wer- 724 den, wenn der Antragsteller die Bewilligung durch falsche Angaben herbeigeführt hat (§ 124 Nr. 1 bis 3 ZPO) oder mit den festgesetzten Raten oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages länger als 3 Monate im Rückstand (Verzug) ist (§ 124 Nr. 4 ZPO). Die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe hat zur Folge, dass die kostenbefreiende Wirkung gemäß § 122 ZPO rückwirkend entfällt, d.h., der Antragsteller wird vom Gericht in vollem Umfang für die von ihm zu tragenden Kosten einschließlich der Anwaltskosten in Anspruch genommen. Ist Verfahrenskostenhilfe wegen Nichtzahlung der festgesetzten Raten entzogen, kommt bei einer wesentlichen Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Neubewilligung in Betracht. Sie darf nur abgelehnt werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Antragsteller die Anordnung von Ratenzahlung erneut missachten wird.131 4. Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten Ist – wie nunmehr auch in den erstinstanzlichen Unterhaltsstreitverfahren – eine 725 Vertretung durch Anwälte gesetzlich vorgeschrieben, wird dem bedürftigen Be130 BGH, FamRZ 1999, 644; OLG Hamm, FamRZ 2007, 1662. 131 BGH, FamRZ 2005, 2063.
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teiligten im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe von Amts wegen ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet (§ 121 Abs. 1 ZPO). Dagegen wird im Verfahren der einstweiligen Anordnung, in dem kein Anwaltszwang herrscht, dem Beteiligten ein Anwalt nur dann auf Antrag beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der gegnerische Beteiligte durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bislang haben die Gerichte in Unterhaltssachen die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung zumeist bejaht, da es sich beim Unterhalt zum einen um existenzielle Fragen handelt und das Unterhaltsrecht zum anderen für einen Laien unübersehbare Schwierigkeiten birgt. Diese Überlegung gilt ohne Einschränkung auch für die einstweilige Anordnung, obwohl der Gesetzgeber hier keinen Anwaltszwang angeordnet hat. Denn der Verzicht auf den Anwaltszwang ist nur der Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung geschuldet, nicht der Einfachheit der Materie. In der Regel wird der vom Beteiligten bereits beauftragte Anwalt beigeordnet. Hat der Beteiligte noch keinen Anwalt beauftragt, kann er das Gericht auch um Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Anwalts bitten (§ 121 Abs. 5 ZPO). 726 Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch keine weiteren Kosten entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Ein auswärtiger Anwalt muss also bereit sein, sich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beiordnen zu lassen. Ansonsten unterbleibt seine Beiordnung. Das Gericht darf einen auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten nur dann (uneingeschränkt) beiordnen, wenn besondere Umstände i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen und so die Bestellung eines weiteren Anwalts (insbesondere eines Korrespondenzanwalts zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten) gespart wird.132 Insoweit ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Falls und die subjektiven Fähigkeiten des Beteiligten abzustellen. Dem Beteiligten muss sowohl eine bloß schriftliche Information seines Verfahrensbevollmächtigten als auch eine Informationsreise zu demselben nicht zumutbar sein. Das Einverständnis mit einer auf das gesetzlich zulässige Maß beschränkten Beiordnung muss nicht ausdrücklich erklärt werden; es ist konkludent im Antrag des Anwalts auf Beiordnung enthalten.133 Ob die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ohne dessen Einwilligung aber auf die Kosten beschränkt werden darf, die bei Einschaltung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO anfallen würden, erscheint zweifelhaft.134 Das Kostenrisiko, dass Reisekosten die Kosten eines Verkehrsanwalts übersteigen können, ist nicht vom Verfahrensbevollmächtigten zu tragen.
VII. Verfahrenskostenvorschuss 727 Gemäß § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung die Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln. Anders als die – jetzt aufgehobenen – §§ 127a und 620 Nr. 10 ZPO lässt § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG die einstweilige Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses nicht nur in Ehe- und Unterhaltssachen zu. Vielmehr kommt eine solche Anordnung, die selbstständig ergeht (vgl. Rn. 887, 132 BGH, NJW 2004, 2749. 133 BGH, FamRZ 2007, 36. 134 OLG Braunschweig, FamRZ 2006, 800.
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VII. Verfahrenskostenvorschuss
896), für alle gerichtlichen Verfahren in Betracht, für die ein Ehegatte, ein minderjähriges oder in der Ausbildung befindliches volljähriges Kind nach materiellem Recht Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses hat. Das sind Rechtsstreitigkeiten, die eine persönliche Angelegenheit betreffen, wie das Scheidungsverfahren, Sorgerechtsverfahren oder Unterhaltsstreitigkeiten, möglich ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG aber auch hinsichtlich der Kosten für die Verteidigung in einem Strafverfahren (§ 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB). Vgl. hierzu im Einzelnen Rn. 162, 244, 426. § 246 Abs. 1 2. Alt. FamFG schafft keinen materiell-rechtlichen Anspruch. Die 728 Vorschrift setzt einen solchen vielmehr voraus, was der Antragsteller nach § 51 Abs. 1 FamFG glaubhaft zu machen hat. Indes braucht der Antragsteller nicht darzulegen, dass er sich in Not befindet und damit ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Ausreichend für den Erlass der einstweiligen Anordnung ist ein Regelungsbedürfnis (vgl. Rn. 893). Das Gericht ist somit befugt, die Zahlung eines Kostenvorschusses auch dann anzuordnen, wenn dem Antragsteller bereits Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist (z.B. weil zweifelhaft ist, ob ein sachlichrechtlich bestehender Anspruch auf Kostenvorschuss auch durchsetzbar sein wird). Für das Verfahren gelten die §§ 50 bis 57 FamFG in gleicher Weise wie bei einer 729 auf Zahlung einer Unterhaltsrente gerichteten einstweiligen Anordnung. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Rn. 888, 900 ff. verwiesen. Die Entscheidung über den Erlass der einstweiligen Anordnung dürfte aber häufiger ohne mündliche Verhandlung ergehen können, weil eine solche zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens nicht geboten erscheint (§ 246 Abs. 2 FamFG). Meist wird auch die Einleitung eines Hauptverfahrens unterbleiben, weil es nur um die Zahlung eines einmaligen Betrages und nicht um eine laufende Rentenzahlung geht.
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Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses
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An das Amtsgericht – FamiliengerichtAnm. 1) –
Datum
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach § 246 FamFG der Frau (Name, Anschrift) – Antragstellerin – Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin (Name, Anschrift) gegen ihren Ehemann, Herrn (Name, Anschrift) – Antragsgegner – (voraussichtliche) Verfahrensbevollmächtigte: Rasch
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Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantrage ich – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – folgende einstweilige Anordnung zu erlassen: Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an die Antragstellerin einen Verfahrenskostenvorschuss in Höhe von 1 249,50 Euro für das beabsichtigte Unterhaltsstreitverfahren und in Höhe von 368,29 Euro für dieses Anordnungsverfahren zu zahlen. Ferner wird gemäß § 15 FamGKG beantragt, diese Antragsschrift vor Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses zuzustellen. Begründung: Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner, ihr Auskunft über seine in den letzten drei Jahren erzielten Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen zu erteilen sowie den nach Erfüllung der Auskunftspflicht noch zu beziffernden Unterhalt ab … zu zahlen. Nachdem außergerichtliche Bemühungen erfolglos geblieben sind, ist die Antragstellerin gezwungen, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Auf den beigefügten Entwurf der Antragsschrift wird Bezug genommen.Anm. 2) Der Antragstellerin steht der verlangte Kostenvorschuss nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 4 BGB zu. Sie ist bei ihrem gegenwärtigen Einkommen von monatlich 507,40 Euro nicht in der Lage, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen. Die Antragstellerin verfügt auch über keine finanziellen Rücklagen oder sonstiges Vermögen. Demgegenüber ist der Antragsgegner mit einem auf monatlich mindestens 1 800 Euro geschätztem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sowie einem Vermögen (Sparguthaben und Wertpapiere) von ca. 22 000 Euro leistungsfähig.Anm. 3) Das beabsichtigte Stufenverfahren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig.Anm. 4) Wie der Antragsschrift entnommen werden kann, leben die Beteiligten seit Mai 2009 voneinander getrennt. Die Antragstellerin, die seit Januar 2009 an einer Umschulungsmaßnahme der Agentur für Arbeit teilnimmt, ist derzeit nicht verpflichtet, weitere Einkünfte zur erzielen. Der Antragsgegner ist mit Schreiben vom 4. Juni 2009 vergeblich zur Auskunft und Zahlung eines vorläufig mit 550 Euro berechneten Trennungsunterhalts aufgefordert worden. Zur GlaubhaftmachungAnm. 5) überreiche ich als Anlage 1 die eidesstattlicher Versicherung der Antragstellerin vom … sowie als Anlage 2 Schreiben der Antragstellerin vom …., mit Rückschein in Kopie. Der Kostenvorschuss für das Verfahren errechnet sich nach folgendem Verfahrenswert für das bislang noch unbezifferte Stufenverfahren: 1. Laufender Unterhalt (550 Euro × 12) 2. Rückständiger Unterhalt (550 Euro × 2) Zusammen
6 600 Euro 1 100 Euro 7 700 Euro
Damit hat der Antragsgegner für das Verfahren folgenden KostenvorschussAnm. 6) zu leisten: Gerichtskostenvorschuss nach §§ 14, 28 FamGKG 3,0 Verfahrensgebühr (KV FamGKG Nr. 1220) Anwaltsgebühren 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) Zusammen 530
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498,00 Euro 535,60 494,40 20,00 1 050,00
Euro Euro Euro Euro
VII. Verfahrenskostenvorschuss
19 % MwSt Zusammen
199,50 Euro 1 249,50 Euro
Der Verfahrenskostenvorschuss für das Verfahren auf Erlass dieser einstweiligen AnordnungAnm. 6) errechnet sich nach einem Streitwert von 999,60 Euro (80 % von 1 249,50 Euro, § 41 FamGKG) wie folgt: Gerichtskostenvorschuss nach § 9 Abs. 1 FamGKG 1,5 Verfahrensgebühr (KV FamGKG Nr. 1420) Anwaltsgebühren 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) Zusammen 19 % MwSt Insgesamt
82,50 Euro 110,50 20,00 130,50 24,79 368,29
Euro Euro Euro Euro Euro
Die Zustellung der Antragsschrift ist nicht von der Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhängig zu machen, weil die alsbaldige Zahlung der Kosten der Antragstellerin nach ihrem oben glaubhaft gemachten Einkommen von monatlich nur 507,40 Euro Schwierigkeiten bereitet (§ 15 Nr. 3a FamGKG). Im Übrigen wird auch auf die Auffassung von Fölsch (in Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, vor Hauptabschnitt 4, Rn. 26) hingewiesen, wonach einstweilige Anordnungen von der Vorauszahlungspflicht generell ausgenommen werden sollten. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift Zu Anm. 1): Zuständig für den Erlass der einstweiligen Anordnung ist das Ge- 731 richt, das für die Unterhaltsstreitsache in der Hauptsache nach §§ 1361, 1360a Abs. 4 BGB im ersten Rechtszug zuständig wäre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Vgl. auch Rn. 888. Zu Anm. 2): Die Anhängigkeit einer Ehesache, eines isolierten Unterhaltsverfahrens oder die Einreichung eines entsprechenden Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist im Gegensatz zum bisherigen Recht nicht Voraussetzung für das einstweilige Anordnungsverfahren. Es muss auch kein Hauptsacheantrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB oder ein entsprechender Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt sein. Zu Anm. 3): Der Verpflichtete muss leistungsfähig sein, was bei einem Vermögen von mehr als 2 600 Euro (Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) i.d.R. bejaht werden kann. Muss der Verfahrenskostenvorschuss aus den monatlichen Einkünften aufgebracht werden, ist er nur geschuldet, wenn der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt des Verpflichteten nach den LL gewahrt ist. Dabei kann dem Pflichtigen auch aufgegeben werden, den Verfahrenskostenvorschuss in Raten zu zahlen.135 Diese orientieren sich an den Raten, wie sie nach § 115 ZPO Abs. 1 Satz 4) für die Bewilligung von PKH vorgesehen sind. Zu Anm. 4): Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren besteht nur, soweit sie der Billigkeit entspricht (§ 1360a 135 BGH, FamRZ 2004, 1633 mit Anm. Viefhues; vgl. auch Rn. 162, 244, 426.
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Abs. 4 Satz 1 BGB). Deshalb ist für Verfahren, die keine hinreichende Aussicht haben oder mutwillig sind, kein Vorschuss zu zahlen. Insoweit entsprechen die Anforderungen an einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses denen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.136 Zu Anm. 5): Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 FamFG sind die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen. Welche Beweismittel hierfür zugelassen sind, bestimmt sich in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 i.V.m. § 294 ZPO. Nach § 294 Abs. 1 ZPO ist damit die Versicherung an Eides statt als Mittel der Glaubhaftmachung zugelassen. Zu Anm. 6): Der Kostenvorschuss umfasst Gerichts- und Anwaltskosten. Da es sich um einen Vorschuss handelt, ist der Gerichtskostenvorschuss für das beabsichtigte Unterhaltsverfahren nach §§ 9, 14 FamGKG in die Berechnung einzubeziehen, ebenso der dem Verfahrensbevollmächtigten nach § 9 RVG geschuldete Vorschuss. Wird der Kostenvorschuss – wie hier – durch einstweilige Anordnung geltend gemacht, gehören auch die hierfür anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten zum Anspruch.137 Zur Abhängigmachung der Zustellung des Antrags von der Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses s. Rn. 681.
VIII. Verfahrensablauf im ersten Rechtszug: Besonderheiten des Unterhaltsstreitverfahrens 732 Unterhaltsstreitverfahren folgen als zivilrechtliche Streitigkeiten grundsätzlich den allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO. § 113 Abs. 1 FamFG nimmt Unterhaltsstreitsachen von einem Großteil der allgemeinen Vorschriften des FamFG zum Verfahren erster Instanz aus und verweist auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO sowie auf die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten. Verfahrenseinleitung, die Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung, Beweiserhebung, kurz alle wichtigen Stationen des Unterhaltsverfahrens in erster Instanz richten sich nach den detaillierten Vorschriften der Zivilprozessordnung. Auf eine Darstellung dieser Normen wird hier jedoch aus Platzgründen verzichtet. Gegenstand der folgenden Ausführungen sind lediglich die Besonderheiten des Unterhaltsstreitverfahrens. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass diese Abweichungen vom allgemeinen Zivilprozess jeweils ein unterschiedliches Gewicht haben und keine Systematik aufweisen. Generell ist jedoch zu bemerken, dass das familiengerichtliche Verfahren – auch im öffentlichen Interesse – im besonderen Maße auf eine materielle Richtigkeitsgewähr bedacht ist138 und darüber hinaus, Rücksicht auf den familiären Charakter des Streits genommen wird. 1. Zum Termin a) Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, § 170 GVG 733 Alle Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen – auch in Unterhaltsstreitsachen – sind nicht öffentlich (§ 170 Abs. 1 Satz 1 GVG). Das 136 BGH, FamRZ 2005, 885; FamRZ 2001, 1363, 1364; Viefhues, FamRZ 2004, 1635. 137 Münchener Prozessformularbuch/Soyka, Form C I 8, Anm. 11. 138 BT-Drucks. 16/6308, S. 162, 225, 256.
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VIII. Verfahrensablauf im ersten Rechtszug: Besonderheiten des Unterhaltsstreitverfahrens
Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten (§ 170 Abs. 1 Satz 2 GVG). Der Ausschluss der Öffentlichkeit gilt allerdings nur für die in § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG ausdrücklich genannten Verfahrensabschnitte. Bei der Verkündung der Entscheidung ist die Öffentlichkeit (wieder) herzustellen.139 b) Kein Anspruch auf Terminsverlegung, § 113 Abs. 3 FamFG Nach § 113 Abs. 3 FamFG ist in Unterhaltsstreitsachen § 227 Abs. 3 ZPO nicht 734 anzuwenden. Das bedeutet, dass für Termine in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August eines jeden Jahres kein Anspruch auf Verlegung besteht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unterhaltsstreitsachen beschleunigt zu behandeln sind. c) Mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren Von der nach § 128 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung darf 735 in einem erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren nicht deshalb abgesehen werden, weil im Verfahren der einstweiligen Anordnung bereits mündlich verhandelt worden ist. Nach § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Gericht zwar von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nicht auf die mündliche Verhandlung, wie ein Vergleich mit der Regelung in § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zur Übernahme erstinstanzlicher Verfahrensschritte durch das Beschwerdegericht zeigt. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist weiter gefasst und unterscheidet ausdrücklich zwischen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einzelnen Verfahrenshandlungen.140 2. Entscheidungsgrundlagen a) Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln Nach § 115 FamFG – der § 621d ZPO a.F. wortgleich entspricht – können in Un- 736 terhaltsstreitsachen nicht rechtzeitig vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Im Übrigen sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel abweichend von den allgemeinen Vorschriften – also von § 296 Abs. 1 bis 3 ZPO – zuzulassen. Die in § 115 FamFG getroffene Regelung stellt eine hohe Hürde für den Ausschluss verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel auf.141 Sie soll sicherstellen, dass das Gericht in einer Familienstreitsache den Sachverhalt so weit wie möglich (auch noch in zweiter Instanz) aufklärt. In der Praxis dürfte der Hinweis eines Beteiligten, das gegnerische Vorbrin139 Götz, NJW 2010, 899. 140 BT-Drucks. 16/6308, Seite 200; Zöller/Feskorn, § 51 FamFG, Rn. 17; Fölsch, § 4 Rn. 19; Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rn. 19. 141 Nach § 621d ZPO, der erst mit der Zivilprozessrechtsreform zum 1.1.2002 eingeführt wurde, war Vorbringen selten präkludiert. Ursprünglich wurde erwogen, im familiengerichtlichen Verfahren auf eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens ganz zu verzichten (RefE zum FGG-Reformgesetz vom 14.2.2006, S. 458).
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gen sei verspätet, daher häufig ohne Erfolg bleiben, sei es, dass bereits eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen ist (z.B. bei unstreitigem Sachverhalt142) oder grobe Nachlässigkeit für die Verspätung nicht festgestellt werden kann. b) Übertragung von Verfahrensergebnissen 737 Verfahrenshandlungen, die bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden, müssen nach § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Hauptsacheverfahren nicht wiederholt werden, wenn hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Vorschrift sichert die Übertragung von Verfahrensergebnissen in das Hauptsacheverfahren und dient der Verfahrensökonomie.143 So kann das Gericht z.B. auf ein erneutes Vorgehen nach §§ 235, 236 FamFG verzichten, wenn es schon im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nach diesen Vorschriften Auskünfte von Beteiligten und Dritten eingeholt haben sollte.144 3. Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter gegenüber dem Gericht
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Auflage nach § 235 Abs. 1 FamFG Verfügung
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I. Schreiben an Antragsgegner – Vertreter ./. EB In pp … (kurzes Rubrum) wird dem Antragsgegner gemäß § 235 Abs. 1 FamFG aufgegeben, dem Gericht innerhalb von 2 Wochen nach Zugang dieser Anordnung 1. durch eine schriftliche Aufstellung Auskunft zu geben über die Höhe seiner Einkünfte in der Zeit vom … bis … und 2. diese Auskunft zu belegen, – bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Vorlage sämtlicher Lohnbzw. Gehaltsabrechnungen sowie der Lohnsteuerkarte für das Jahr …; – bei einem Bezug von Lohnersatz- oder sonstigen Sozialleistungen durch Bescheinigungen des JobCenters, der Krankenkasse, des Sozialamts und/oder des Rententrägers; – bei anderen Einkünften (insbesondere aus selbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen) durch die Einkommensteuerbescheide der Jahre … samt Einkommensteuererklärungen sowie Einnahme-Überschussrechnungen der Jahre …
142 OLG Saarbrücken, FuR 2005, 60. 143 BT-Drucks. 16/6308, S. 200. 144 Die Anwendung der §§ 235,236 FamFG im Verfahren der einstweiligen Anordnung befürworten Prütting/Helms/Bömelburg, § 235 FamFG Rn. 6; Musielak/Borck, § 643 ZPO a.F. Rn. 1; a.A. Zöller/Lorenz, § 235 FamFG, Rn. 1; Keidel/Weber, § 235 FamFG Rn. 3.
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3. schriftlich zu versichern, dass die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig ist. Die Versicherung kann nicht durch einen Vertreter abgegeben werden. Sollte der Antragsgegner dieser Aufforderung nicht fristgemäß nachkommen, wird das Gericht bei den in § 236 Abs. 1 FamFG genannten Stellen Auskunft einholen, u.a. auch beim Arbeitgeber des Antragsgegners und bei dem für ihn zuständigen Finanzamt. Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass ihm bei der Entscheidung über die Kosten dieses Verfahrens finanzielle Nachteile entstehen können, wenn er diese Anordnung nicht oder nicht vollständig befolgt (§ 243 Satz 2 Nr. 3 FamFG). Der Antragsgegner wird ferner darauf hingewiesen, dass er ohne weitere Aufforderung dem Gericht wesentliche Veränderungen seiner Einkünfte mitzuteilen hat, die im Lauf dieses Verfahrens eintreten (§ 235 Abs. 3 FamFG). II. Abschrift der Verfügung zu I an Vertreter des jeweils anderen Beteiligten zur Kenntnis. Unterschrift Die §§ 235, 236 FamFG regeln verfahrensrechtliche Auskunftspflichten der Be- 739 teiligten und Dritter gegenüber dem Gericht. Der Gesetzgeber war bestrebt, das Unterhaltsverfahren im Interesse des Unterhaltsberechtigten und der öffentlichen Leistungsträger möglichst zu straffen. Das FamFG enthält deshalb in den §§ 235, 236 FamFG die Möglichkeit und unter gewissen Umständen die Pflicht des Familiengerichts, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten von Amts wegen aufzuklären.145 Mit diesem verfahrensrechtlichen Instrument soll das Gericht in die Lage versetzt werden, in einer auf die Besonderheiten des Unterhaltsstreits zugeschnittenen Weise das Verfahren zu beschleunigen und insbesondere die zeitaufwendigen Stufenklagen in möglichst weitgehendem Umfang entbehrlich zu machen.146 a) Auskunftspflicht der Beteiligten (§ 235 FamFG) aa) Umfang der Auskunftspflicht Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 FamG kann das Gericht anordnen, dass der Antragstel- 740 ler und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen sowie bestimmte Belege vorlegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Inhaltlich entspricht diese verfahrensrechtliche Verpflichtung dem Auskunftsanspruch nach § 1605 Abs. 1 BGB, sie geht zum Teil sogar darüber hinaus. Anzugeben sind nicht nur die Einkünfte aus sämtlichen Einkommensquellen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (vgl. hierzu im Einzelnen Rn. 567 bis 569) und das Vermögen zu einem bestimmten Stichtag (vgl. hierzu Rn. 570), sondern es besteht auch eine Pflicht zur Auskunft über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, sofern diese unterhaltsrelevant sind (vgl. hierzu Rn. 571). Insoweit kann das Gericht Fragen nach dem Alter, dem erlernten und ausgeübten Beruf, dem Grund und der Dauer einer Erwerbslosigkeit, nach (weiteren) unterhalts-
145 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 920. 146 BT-Drucks. 16/6308, S. 255 und 256.
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berechtigten Personen und den Wohnkosten stellen.147 Weiter gefasst als § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch die Belegpflicht der Beteiligten. Das Gericht kann von ihnen Belege nicht nur hinsichtlich der Einkünfte verlangen, sondern – wie nach § 1379 Abs. 2 Satz 1 BGB – auch bezüglich des Vermögens (vgl. hierzu Rn. 577).148 Obwohl § 235 FamFG an die materiell-rechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten untereinander anknüpft, braucht das Gericht beim Erlass seiner Verfügung nicht auf die Frist des § 1605 Abs. 2 BGB zu achten. bb) Schriftliche Versicherung der Richtigkeit 741 § 235 Abs. 1 Satz 2 FamFG eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, von den Beteiligten eine schriftliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft zu verlangen. Diese Versicherung muss – wie die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260, 261 BGB – durch den Beteiligten selbst abgegeben werden; sie kann nicht durch einen Vertreter, auch nicht durch den Verfahrensbevollmächtigten, erfolgen. Anders als die eidesstattliche Versicherung ist die Anordnung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht von der Feststellung besonderer Voraussetzungen abhängig. Es müssen keine Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Auskunftsverpflichtete habe seine Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Die schriftliche Versicherung ist auch lediglich gegenüber dem erkennenden Gericht abzugeben, weder ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht gemäß § 889 ZPO zuständig noch der Rechtspfleger nach §§ 407 Nr. 1 FamFG, 3 Nr. 1b RPflG.
" Praxishinweis: Die schriftliche Versicherung nach § 235 Abs. 1 Satz 2
FamFG ist keine Versicherung an Eides statt und als solche nicht eigenständig strafbewehrt. Eine unrichtige Angabe kann aber strafrechtlich als – versuchter – Prozessbetrug zu bewerten sein.149
cc) Pflicht zur ungefragten Information 742 § 235 Abs. 3 FamFG verpflichtet die Beteiligten zusätzlich, das Gericht unaufgefordert über wesentliche Veränderungen derjenigen Umstände zu informieren, die Gegenstand einer Auflage nach § 235 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 FamFG waren. Hierauf hat das Gericht in der Aufforderung nach § 235 Abs. 1 FamFG hinzuweisen (§ 235 Abs. 1 Satz 4 FamFG). dd) Durchsetzung des Auskunftsverlangens 743 Gemäß § 235 Abs. 4 FamFG sind Anordnungen des Gerichts nach dieser Vorschrift nicht selbstständig anfechtbar und nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Gleichwohl bleibt der Verstoß der Beteiligten gegen eine Aufforderung des Gerichts, binnen einer angemessenen Frist (§ 235 Abs. 1 Satz 3 FamFG) die Auflagen nach § 235 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG zu erfüllen, nicht sanktionslos. Das Gericht ist gehalten, diesen Umstand bei der Kostenentscheidung berücksichtigen (§ 243 Satz 2 Nr. 3 FamFG). Für den Fall unvollständiger, nicht oder nicht fristgemäß erteilter Auskunft sowie nicht oder unvollständig vorgelegter 147 Vgl. auch die Angaben im 2. Abschnitt des Formulars zu den Einwendungen des Antragsgegners nach § 252 FamFG im VV. 148 A.A. Zöller/Lorenz, § 235 FamFG Rn. 7. 149 Viefhues, Das neue Verfahrensrecht des FamFG, S. 89.
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Belege hat das Gericht zudem die Befugnis, nach § 236 FamFG selbst Erkundigungen über die Höhe der Einkünfte (nicht des Vermögens) einzuholen und sich die für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs erforderlichen Daten bei den in § 236 Abs. 1 FamFG genannten Dritten (insbesondere bei Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern und Finanzämtern) zu beschaffen. Das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre hat zurückzustehen, das Gericht darf unter Hinweis auf den anhängigen Unterhaltsstreit im sozialen Umfeld des Beteiligten Nachforschungen zu dessen Einkommen anstellen. Auf diese beiden Konsequenzen einer unterbliebenen Auskunft muss das Gericht bei der Aufforderung zur Erteilung der Auskunft hinweisen (§ 235 Abs. 1 Satz 4 FamFG). ee) Pflicht des Gerichts zur Auskunftsbeschaffung Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen, ob ein Vorgehen nach 744 § 235 Abs. 1 FamFG in Betracht kommt und in welchem Umfang eine (weitere) Auskunft zur Förderung des Verfahrens erforderlich ist. Der Antrag eines der Beteiligten ist nicht notwendig. Das Gericht hat jedoch nach § 235 Abs. 2 FamFG die Pflicht, sein Auskunftsrecht nach § 235 Abs. 1 FamFG zu nutzen, wenn ein Beteiligter dies beantragt und der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens einer bestehenden Auskunftspflicht trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist. Nach dem Wortlaut des § 235 Abs. 2 FamFG erscheint fraglich, ob mit dem Antrag eines Beteiligten eine Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung auch dann begründet wird, wenn der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens seiner Auskunftspflicht nur teilweise oder in sonst unzureichender Weise nachgekommen ist. Aber auch in diesen Fällen ist die Pflicht zur Auskunft „nicht erfüllt“, so dass nach Sinn und Zweck der verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten mit einem gerichtlichen Auskunftsverlangen auf eine Beschleunigung des Unterhaltsverfahren hinzuwirken ist. ff) Verhältnis zum Auskunfts- und Stufenverfahren Die Befugnis des Gerichts, von den Beteiligten Auskunft über Einkünfte und Ver- 745 mögen einzuholen, lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten zur Erhebung eines Klageantrags auf Auskunft oder zur Einleitung eines Stufenverfahrens gemäß § 254 ZPO nicht entfallen.150 Zwar will der Gesetzgeber mit den §§ 235, 236 FamFG insbesondere die zeitaufwendigen Stufenanträge möglichst weitgehend entbehrlich machen; doch sollen die verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten dem Unterhaltsgläubiger keine Auskunftsrechte nehmen, sondern ihm zusätzliche Möglichkeiten der Informationsgewinnung einräumen.151 Die Möglichkeiten der Amtsermittlung sollten den Unterhaltsgläubiger nicht 746 dazu verleiten, im Unterhaltsverfahren auf einen eigenen Auskunftsantrag zu verzichten. Es ist ein Kostenrisiko, anstelle des Stufenverfahrens einen ziffernmäßig bestimmten Unterhaltsantrag zu stellen und im Rahmen dieses Verfahrens das Familiengericht aufgrund von § 235 Abs. 2 FamFG zu veranlassen, Anordnungen zur Auskunftsermittlung nach § 235 Abs. 1 FamFG zu treffen. Und es ist rechtlich nicht zulässig, entgegen §§ 253, 254 ZPO einen unbezifferten Zahlungsantrag zu stellen, selbst wenn ihm ein Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG auf 150 Musielak/Borth, § 235 FamFG Rn. 3; Roßmann, ZFE 2009, 450. 151 Roßmann, ZFE 2009, 450.
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Erlass einer Auskunftsanordnung vorangestellt ist.152 Eine solche Kombination zwischen dem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Maßnahme zur Verfahrensförderung und einem (noch zu beziffernden) Zahlungsantrag ist auch im Sonderfall des Stufenverfahrens nach § 254 ZPO nicht vorgesehen. Der Antragsteller kann ein Vorgehen des Gerichts nach § 235 FamFG auch nicht bei der Prüfung von Verfahrenskostenhilfe verlangen. Die Auskunftspflicht des Antragsgegners leitet sich aus dem Prozessrechtsverhältnis ab, erst wenn ein solches besteht, kann das Gericht nach § 235 FamFG vorgehen.153 747 " Praxishinweis: Eine schlichte Verlagerung der Informationsbeschaffung auf die Gerichte ist wenig zweckmäßig. Um eine zeitliche Straffung des Unterhaltsverfahrens zu erreichen, erscheint es am besten, Stufenverfahren und Maßnahmen nach §§ 235 Abs. 1, 236 FamFG parallel durchzuführen. Haben die Maßnahmen des Gerichts nach §§ 235, 236 FamFG Erfolg, kann der Antragsteller sofort auf den bezifferten Leistungsantrag übergehen. Scheitert auch das Gericht, kann der Antragsteller ohne weitere Verzögerung einen Auskunftsbeschluss auf materiell-rechtlicher Grundlage erwirken und daraus die Zwangsvollstreckung betreiben. b) Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG) 748 Kommt ein Beteiligter dem Auskunftsverlangen des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nach, ist das Gericht gemäß § 236 Abs. 1 FamFG berechtigt, selbst die benötigte Auskunft nebst Belegen bei bestimmten Dritten anzufordern. Dritte in diesem Sinn sind nach § 236 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FamFG: Arbeitgeber; Sozialleistungsträger (sowie die Künstlersozialkasse); sonstige Personen oder Stellen, die Versorgungsleistungen sowie Leistungen zur Entschädigung oder zum Nachteilsausgleich erbringen; Versicherungsunternehmen sowie die Finanzämter. Allerdings beschränkt § 236 Abs. 1 FamFG die Auskunftspflicht dieser Personen und Stellen auf die Einkünfte, welche die Beteiligten beziehen. Das Vermögen und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten sind vom Auskunftsrecht des Gerichts gegenüber Dritten nicht umfasst. Auf diese Weise soll eine Ausforschung verhindert und der Umfang der Inanspruchnahme der am Verfahren nicht beteiligten Dritten begrenzt werden.154 Auch das Bankgeheimnis tastet § 236 FamFG nicht an, die Banken zählen nicht zu den Dritten, die zur Auskunft gegenüber dem Gericht verpflichtet werden können.
" Praxishinweis: Die Möglichkeit, zum Einkommen der Beteiligten Aus-
künfte bei den Finanzämtern einzuholen, besteht in allen Unterhaltsstreitsachen und ist nicht auf Unterhaltsverfahren beschränkt, die ein minderjähriges Kind betreffen.
749 Ergeht ein Auskunftsersuchen nach § 236 FamFG sind die Beteiligten hiervon in Kenntnis zu setzen (§ 236 Abs. 3 FamFG). Doch sind die Anordnungen des Gerichts für die Beteiligten nicht selbstständig anfechtbar (§ 236 Abs. 5 FamFG).
152 Götz, NJW 2010, 897, 900; A.A. Roßmann, ZFE 2009, 450. 153 Bork/Jacoby/Schwab/Kodal, § 235 FamFG Rn. 1; Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 235 FamFG Rn. 6. 154 BT-Drucks. 16/6308, S. 256.
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
Die in § 236 Abs. 1 FamFG benannten Personen und Stellen müssen die ver- 750 langte Auskunft erteilen. § 236 Abs. 4 Satz 1 FamFG stellt klar, dass sie sich dem Gericht gegenüber nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, ihre Verschwiegenheitspflicht, das Steuergeheimnis oder den Datenschutz berufen können. Der Gesetzgeber hat entschieden, dass die Sicherung der wirtschaftlichen Basis eines Unterhaltsberechtigten, Vorrang gegenüber einem Geheimhaltungsinteresse genießt.155 Im Falle einer Weigerung des Adressaten eines Auskunftsersuchens kann das Gericht gemäß § 390 ZPO vorgehen (§ 236 Abs. 4 Satz 2 FamFG). In Betracht kommt die Auferlegung der durch die Weigerung verursachten Kosten, die Verhängung von Ordnungsgeld, ersatzweise von Ordnungshaft oder – bei wiederholter Weigerung – Beugehaft. Ist eine Behörde betroffen ist, steht dem Gericht dagegen nur die Dienstaufsichtsbeschwerde zur Verfügung (§ 236 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Die Kostenentscheidung des Gerichts sowie die Beschlüsse zur Erzwingung der Auskunft können die betroffenen Personen oder Stellen mit der sofortigen Beschwerde überprüfen lassen, § 390 Abs. 3 ZPO. In diesem Beschwerdeverfahren unterliegt auch die Rechtmäßigkeit der dem angefochtenen Beschluss vorausgegangenen Auskunftsanordnung einer Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Nach § 236 Abs. 5 FamFG sind die Anordnungen des Gerichts nur für die Beteiligten nicht selbständig anfechtbar. Die Möglichkeit, Verfügungen nach § 236 Abs. 1 FamFG zu treffen, steht – 751 ebenso wie die Maßnahmen nach § 235 Abs. 1 FamFG – nicht im ausschließlichen Ermessen des Gerichts. Liegen die Voraussetzungen nach § 236 Abs. 1 FamFG vor, ist das Gericht auf Antrag des anderen Beteiligten zum Tätigwerden verpflichtet und hat von Amts wegen Auskunft über die Höhe der Einkünfte des Betroffenen einzuholen sowie Belege anzufordern (§ 236 Abs. 2 FamFG).
" Praxishinweis: Holt das Gericht entgegen § 236 Abs. 2 FamFG die benötigte
Auskunft bei Dritten nicht ein, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der nach § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann.156 Auch eine Einkommensschätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO kann sich ohne vorhergehende Maßnahmen nach §§ 235, 236 FamFG zur Aufklärung der Einkommensverhältnisse als ungenügend und verfahrensfehlerhaft erweisen.157
Bei der Aufklärung der Einkommensverhältnisse nach § 236 FamFG dürften 752 praktische Schwierigkeiten allerdings nicht ausbleiben. So müssen dem Familiengericht für seine Nachforschungen ausreichende Informationen zur Verfügung stehen (z.B. Adresse des Arbeitgebers). Und die Auskünfte – z.B. des Finanzamts – können auch durchaus „mager“ ausfallen.
IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache) Im Verbund mit der Scheidung sind solche Unterhaltsansprüche zu entscheiden, 753 deren Regelung im Scheidungsverfahren für den Fall der Scheidung rechtzeitig begehrt wird. Das sind der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt und die Unter155 BT-Drucks. 16/6308, S. 257; BGH 2005, 1986 (1987); Musielak/Borth, § 236 FamFG Rn. 9; a.A. Fölsch, § 3 Rn. 157. 156 Hüter/Kodal, FamRZ 2009, 917, 920. 157 OLG Frankfurt, FamRZ 2007, 404 (zu § 643 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).
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haltsansprüche der ehelichen Kinder, sofern sie die Zeit nach Scheidung betreffen (Folgesachen nach § 137 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Nicht in den Verbund fallen dagegen der Anspruch auf Zahlung von Ehegattenunterhalt für die Zeit des Getrenntlebens nach § 1361 BGB, die Ansprüche auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab Trennung sowie die entsprechenden Unterhaltsrückstände.
" Praxishinweis: Der Trennungsunterhalt ist keine Folge der Scheidung und
gehört nicht in den Verbund. Das wird gelegentlich übersehen: Fordert ein Ehegatte neben dem Geschiedenenunterhalt auch Trennungsunterhalt, muss er neben der Folgesache Geschiedenenunterhalt ein selbständiges, sog. isoliertes Unterhaltsverfahren (insbesondere bei rückständigem Unterhalt) einleiten.
Auskunftsansprüche, die nicht im Rahmen eines Stufenverfahrens geltend gemacht werden, können ebenfalls nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht werden.158 Ein Stufenverfahren (§ 254 ZPO) ist dagegen zulässig. Über die Auskunftsstufe wird vorab durch Teilbeschluss entschieden, die Entscheidung über Leistungsstufe erfolgt dann im Verbundbeschluss.159 754 In der Praxis wird vornehmlich der Geschiedenenunterhalt im Verbund mit der Scheidung geltend gemacht wird. Kindesunterhalt wird meistens bereits im Vorfeld der Scheidung geregelt. Geschiedenenunterhalt wiederum wird eher selten in einem selbständigen Verfahren nach Rechtskraft der Scheidung eingefordert. Dies ist zwar grundsätzlich möglich160 und erscheint verlockend, wenn das Scheidungsverfahren schnell abgeschlossen werden soll, doch sprechen gewichtige Argumente für die Einbeziehung des Geschiedenenunterhalts in den Verbund. 755 Im Verbundverfahren wird der Geschiedenenunterhalt ab Rechtskraft der Scheidung zugesprochen. Er löst damit lückenlos den Trennungsunterhalt ab, der am Tag der Rechtskraft der Scheidung der Ehe erlischt.161 756 Ferner ist bei einem im Scheidungsverbund erhobenen Unterhaltsanspruch das Kostenrisiko begrenzt, die Kosten kalkulierbar; denn i.d.R. werden die Kosten der Scheidung und der Folgesachen gegeneinander aufgehoben (§ 150 Abs. 1 FamFG). Erhält der Unterhaltsberechtigte Verfahrenskostenhilfe, läuft er so gut wie keine Gefahr, Kosten der Gegenseite tragen zu müssen. Hinzu kommt, dass Gerichtsgebühren und Anwaltskosten bei einem im Verbund durchgeführten Unterhaltsverfahren geringer sind als bei einem isolierten Unterhaltsverfahren. Denn § 44 FamGKG und § 16 Nr. 4 RVG behandeln die Scheidung und ihre Folgesachen als ein Verfahren, bei dem sich die Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert der einzelnen Gegenstände bemessen. 757 Letztlich ist zu bedenken, dass sich ein unterhaltsberechtigter Ehegatte durch den Abschluss des Scheidungsverfahrens sowohl seines Anspruchs auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB (s. Rn. 553) als auch einer guten Verhandlungsposition begibt – im Hinblick auf eine baldige Scheidung wird mancher Kompromiss geschlossen. 158 BGH, FamRZ 1997, 811; vgl. auch Rn. 815. 159 OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 911 m.w.N. 160 Es ist grundsätzlich auch nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO, nachehelichen Unterhalt außerhalb des Verbundverfahrens geltend zu machen, vgl. im Näheren Rn. 720. 161 BGH, FamRZ 1988, 370.
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
Wird Unterhalt als Scheidungsfolgensache geltend gemacht, sind folgende Beson- 758 derheiten im Verfahrensablauf zu beachten: Es ist zweckmäßig, den Schriftsatz, mit dem im Scheidungsverfahren die Folge- 759 sache Unterhalt anhängig gemacht wird, mit der Überschrift „Folgesache Geschiedenenunterhalt“ zu versehen, um die Aktenführung bei Gericht zu erleichtern. Die Bezeichnung der Beteiligten als Antragsteller/Antragsgegner folgt den Bezeichnungen nach dem zuerst eingegangenen Scheidungsantrag. Der Schriftsatz muss spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung 760 im ersten Rechtszug anhängig gemacht werden (§ 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Misslich erscheint jedoch, dass diese Frist mit der Ladungsfrist im Scheidungsverfahren, die nur eine Woche beträgt (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 217 ZPO), nicht abgestimmt ist.162
" Praxishinweis: Dem Gericht sollte während des Scheidungsverfahrens
rechtzeitig mitgeteilt werden, dass über Folgesachen verhandelt wird und beim Scheitern der Verhandlungen die Folgesachen im Verbund anhängig gemacht werden müssen. Das Gericht wird dann darauf zu achten haben, dass zwischen der Ladung und dem Termin eine angemessene Frist von mehr als zwei Wochen liegt. Ansonsten besteht aus erheblichen Gründen ein Anspruch auf Terminsverlegung nach §§ 227 Abs. 1 und 2 ZPO, 113 Abs. 1 und 3 FamFG.163
Streitig ist, ob es für die Wahrung der Frist auf den ersten oder den letzten Termin zur mündlichen Verhandlung ankommt.164 Angesichts der Einheit der mündlichen Verhandlung ist beides vorstellbar. Sinnvoll ist jedoch insoweit lediglich eine Auslegung, die auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz abstellt. Denn der Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt kann sich im Lauf eines Scheidungsverfahrens (z.B. durch Arbeitsaufnahme, Verlust des Arbeitsplatzes, Erkrankung) erheblich verändern und sollte nicht voreilig gestellt werden müssen. Zudem wollte der Gesetzgeber mit § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht den Scheidungsverbund als solches einschränken, sondern nur der nach § 623 Abs. 4 ZPO a.F. zulässigen späten Anhängigmachung von Scheidungsfolgesachen durch Übergabe eines Schriftsatzes im Termin vor Schluss der mündlichen Verhandlung, die zu unnötigen Verzögerungen führt, entgegenwirken.165 Aus diesen Gründen muss die Frist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch wieder neu gelten, wenn die Scheidungssache im Beschwerdeverfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen wird.166 Zwar fehlt eine § 623 Abs. 4 Satz 2 ZPO entsprechende Vorschrift im FamFG, eine sol-
162 Rakete-Dombek, FPR 2009, 18 unter Hinweis darauf, dass diese Vorschrift erst im Gesetzgebungsverfahren in das FamFG eingefügt wurde. 163 Zur Pflicht des Gerichts zur Terminsänderung vgl. BGH, NJW 2008, 1448; Zöller/Stöber, § 227 ZPO Rn. 8a. 164 Für Schluss der mündlichen Verhandlung: Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rn. 14; Keidel/Weber, § 137 FamFG Rn. 20; Musielak/Borth, § 137 Rn. 27; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 137 FamFG Rn. 20; Roessink, FamRB 2010, 182, 183; Bassenge/Roth/Walter, § 137 Rn. 10; für erste mündlichen Verhandlung: Prütting/Helms, § 137 FamFG Rn. 47; MünchKomm.ZPO/Heiter, § 137 FamFG Rn. 44. 165 BT-Drucks. 16/6308, S. 374. 166 Ablehnend Prütting/Helms, § 137 FamFG Rn. 53, weil das FamFG keine § 623 Abs. 4 Satz 2 ZPO a.F. entsprechende Vorschrift enthält.
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che ist aber auch nicht erforderlich. Es genügt, dass die mündliche Verhandlung in erster Instanz wieder eröffnet ist. Die umstrittene Frage, ob der bloße Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zur Fristwahrung genügt, ist mit der überwiegenden Meinung zu bejahen.167 Zwar wird die Anhängigkeit der Unterhaltssache durch einen solchen Antrag nicht bewirkt. Doch kann man dem Grundgedanken des Scheidungsverbundes sonst nicht gerecht werden, dass die gleichzeitige Regelung der wichtigsten Scheidungsfolgen den Ehegatten die Auswirkungen ihrer Scheidung vor Augen führen und vor allem den wirtschaftlichen schwächeren Ehepartner schützen soll.168 Kontrovers diskutiert wird, wie mit Unterhaltssachen verfahren werden soll, die verspätet anhängig gemacht wurden. Teilweise wird insoweit vertreten, der Antrag auf Zahlung von Unterhalt für den Fall der Scheidung sei als unzulässig abzuweisen, Folgesachen dürften nicht außerhalb des Scheidungsverbundes geführt werden.169 Nach der gegenteiligen Auffassung ist das Unterhaltsverfahren als selbständige Familiensache zu führen.170 Hierfür spricht zunächst, dass der BGH es abgelehnt hat, nicht gesetzeskonform im Scheidungsverbund erhobene Ansprüche allein wegen der nicht dem Gesetz entsprechenden Geltendmachung als unzulässig abzuweisen. Vielmehr sei über derartige Ansprüche nach Abtrennung (§ 145 ZPO) in einem gesonderten Verfahren zu verhandeln.171 Entsprechend wird man verfahren müssen, wenn mit dem verspäteten Verbundantrag Unterhaltsansprüche ehelicher Kinder geltend gemacht werden und der Antragsteller erklärt, dass er sein Begehren als selbstständiges und vom Ausgang des Scheidungsverfahrens unabhängiges Verfahren weiter verfolgen will.172 Voraussetzung für diese Verfahrensweise ist jedoch, dass die Folgesache auch materiellrechtlich als selbständiges Verfahren geführt werden kann. Dies ist beim nachehelichen Unterhalt problematisch, weil die rechtskräftige Scheidung Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs ist und eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung ausscheidet.173 Nach §§ 257, 258 ZPO können zwar künftige Unterhaltsansprüche, nicht aber aufschiebend bedingte Ansprüche („für den Fall der Scheidung“ oder „Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung“) geltend gemacht werden. Die Abtrennung des Unterhaltsantrags gemäß § 145 ZPO würde mithin zu einem Verfahren führen, in dem der verfolgte Antrag von einer außerprozessualen Bedingung abhängig und deshalb unzulässig wäre. Unter diesen Umständen darf das Gericht eine Abtrennung nach § 145 ZPO nicht vornehmen. Wenn es sich auch nicht mit einer Abtrennung analog § 140 FamFG behelfen will174 – 167 Prütting/Helms, § 137 Rn. 50; OLG Koblenz, FamRZ 2008, 1965 m.w.N.; a.A. Zöller/ Philippi, § 137 FamFG Rn. 32, der Wiedereinsetzung in die Fristversäumnis gewähren will. 168 OLG Koblenz, FamRZ 2008, 1965. 169 Musielak/Borth, § 137 FamFG Rn. 27, 28; einschränkend: Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rn. 14; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rn. 48. 170 Keidel/Weber, § 137 FamFG Rn. 20; Baumbach/Hartmann, § 137 FamFG Rn. 10; Bassenge/Roth/Walter, § 137 FamFG Rn. 10. 171 BGH, FamRZ 1997, 811 (zum isolierten Auskunftsanspruch). 172 Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rn. 14; Prütting/Helms, § 137 Rn. 48; Götz, NJW 2010, 897, 900; vgl. auch Zöller/Philippi, § 623 ZPO Rn. 32b. 173 Johannsen/Henrich/Markwardt, § 137 FamFG Rn. 14; Prütting/Helms, § 137 FamFG Rn. 48. 174 Götz, NJW 2010, 897, 900.
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IX. Unterhalt im Scheidungsverbund (Unterhaltsfolgesache)
was angesichts des abschließenden Charakters dieser Norm nicht zulässig erscheint, muss das Gericht den Folgesachenantrag als unzulässig abweisen. Eine Ausnahme wäre aber wohl dann geboten, wenn die Eheleute übereinstimmend erklären, noch im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Rechtsmittel gegen die Scheidung verzichten zu wollen. Anders als im isolierten Verfahren fordert das Gericht keinen Gerichtskostenvor- 761 schuss an; dieser wird nur für das Scheidungsverfahren erhoben. Vielmehr stellt es, wenn der Scheidungsantrag bereits rechtshängig ist, eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes ohne Kostenvorschuss (§§ 9, 12 Abs. 1 FamGKG) dem Verfahrensbevollmächtigten der Gegenseite zu.175 Ist der in Anspruch genommene Beteiligte noch nicht anwaltlich vertreten, wird er, wie bereits bei der Zustellung des Scheidungsantrags, darauf hingewiesen, dass er sich nur durch einen Rechtsanwalt gegen den Anspruch verteidigen kann. Im Verbundverfahren findet kein schriftliches Vorverfahren statt. Nur über das 762 Auskunftsbegehren eines im Verbund erhobenen Stufenverfahrens wird vorab durch Teilbeschluss erkannt.176 Über den Unterhalt ist gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu 763 verhandeln (§ 137 Abs. 1 FamFG) und im Fall der Scheidung durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden (§ 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Wird der Scheidungsantrag zurückgenommen, erstrecken sich die Wirkungen der Rücknahme auch auf die Folgesache (§ 141 Satz 1 FamFG). Wird der Scheidungsantrag abgewiesen, wird die Folgesache Unterhalt gegenstandslos (§ 142 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Nach Rücknahme bzw. Abweisung des Scheidungsantrags wird die Folgesache Unterhalt als selbstständige Familiensachen fortgeführt, wenn ein Beteiligter vor der Rücknahme bzw. der Entscheidung ausdrücklich erklärt hat, das Unterhaltsverfahren weiter fortführen zu wollen (§§ 141 Satz 2 und 3, 142 Abs. 2 Satz 2 und 3 FamFG). Über die Kosten des Verfahrens ist gesondert nach § 243 FamFG zu entscheiden.177 Eine Abtrennung der Folgesache Geschiedenenunterhalt nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 764 FamFG, mit der Folge, dass dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über die Folgesache stattgegeben wird, kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Denn die Abtrennung reißt i.d.R. eine Unterhaltslücke auf: Mit Rechtskraft der Scheidung erlischt der Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB, der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt aber ist noch nicht geregelt. Eine Abtrennung der Folgesachen Kindes- und/oder Geschiedenenunterhalt kann 765 nach § 140 Abs. 3 ZPO auf Antrag auch dann erfolgen, wenn das Gericht eine Kindschaftsfolgesache (Sorge- oder das Umgangsrecht, § 151 FamFG) aus Gründen des Kindeswohls abgetrennt hat. Erforderlich ist aber ein Zusammenhang der Unterhaltsfolgesache mit der Kindschaftssache; ein solcher fehlt und eine Abtrennung scheidet aus, wenn sich die Entscheidung der Kindschaftsfolgesache nicht auf die konkrete Unterhaltsfolgesache auswirken kann. Eine abgetrennte Folgesache Unterhalt bleibt Folgesache; sind mehrere Folgesa- 766 chen abgetrennt, besteht der Verbund auch unter ihnen fort (§ 137 Abs. 5 FamFG). 175 Musielak/Borth, § 137 FamFG Rn. 25. 176 BGH, FamRZ 1982, 151. 177 OLG Köln, FamRZ 2004, 285.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
767 Über die Kosten der Folgesache wird im Scheidungsbeschluss nach § 150 Abs. 1 FamFG entschieden, sie werden regelmäßig gegeneinander aufgehoben.
X. Entscheidung durch Beschluss
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Rubrums- und Tenorierungsvorschlag
768 Amtsgericht X – Familiengericht – Erlassvermerk178
Geschäftsnummer: Beschluss in der Unterhaltssache …
– Antragstellerin –
Verfahrensbevollmächtigte: … gegen …
– Antragsgegner –
Verfahrensbevollmächtigter: … wegen Kindesunterhalt. Das Amtsgericht X – Familiengericht – hat auf die mündliche Verhandlung vom … durch die Richterin am Amtsgericht Y. beschlossen: 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an das Kind … zu Händen der Antragstellerin ab dem … eine monatliche, jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus zu zahlende Unterhaltsrente in Höhe von … zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu … der Antragsgegner zu … 3. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet, soweit der Antragsgegner Unterhalt für die Zeit ab … (Datum) zu zahlen hat. 4. Der Antrag des Antragsgegners auf Einstellung der Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft dieser Entscheidung wird zurückgewiesen. Gründe (…)
1. Allgemeines 769 Das FamFG ersetzt das Urteil durch den Beschluss. § 116 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass in allen Familiensachen – auch in Ehe- und Familienstreitsachen – durch Beschluss entschieden wird. Diese Änderung beschränkt sich nicht auf 178 § 38 Abs. 3 FamFG, s. Rn. 771, 775.
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X. Entscheidung durch Beschluss
einen bloßen Austausch der Bezeichnung. Der Wechsel der Entscheidungsform geht vielmehr einher mit Änderungen inhaltlicher Art, z.B. hinsichtlich des Beschlussinhalts (§§ 38, 39 FamFG) und der Vollstreckungsvoraussetzungen (§§ 116, 120 FamFG). Der praktische Umgang mit der geänderten Entscheidungsform zeigt, dass die neuen Vorschriften des FamFG zum Beschluss als Endentscheidung in Unterhaltsstreitigkeiten einerseits und die nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO nicht immer problemlos ineinandergreifen. 2. Beschluss als Endentscheidung Wenn mit der Entscheidung der Verfahrensgegenstand der Unterhaltsstreitsache 770 ganz oder teilweise erledigt wird, entscheidet das Gericht durch Beschluss (§§ 116 Abs. 1, 38 FamFG). Der als Endentscheidung ergangene Beschluss schließt die jeweilige Instanz ab. Endentscheidungen sind auch Beschlüsse, mit denen über den Erlass, die Verweigerung oder die Aufhebung, bzw. Änderung einer einstweiligen Anordnung zum Unterhalt (§§ 246, 49, 54 FamFG) entschieden wird. Zwischen- und Nebenentscheidungen fallen nicht unter § 38 FamFG. Soweit sie 771 durch Beschluss zu entscheiden sind, ist dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt. So brauchen die Anordnungen nach §§ 235, 236 FamFG nicht durch Beschluss getroffen zu werden. Für die nach der ZPO ergehenden Entscheidungen ergibt sich die Beschlussform aus der Verweisung auf die ZPO (z.B. § 127 ZPO im Verfahrenskostenhilfeverfahren; § 46 ZPO im Verfahren über ein Ablehnungsgesuch). 3. Form, Inhalt und Erlass des Beschlusses Den formellen Mindestinhalt des Unterhaltsbeschlusses bestimmt § 38 Abs. 2 772 und 3 FamFG. Der Beschluss enthält nach § 38 Abs. 2 FamFG: – die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten; – die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; – die Beschlussformel. Der Beschluss ist zu begründen, zu unterschreiben und das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) auf dem Beschluss zu vermerken (§ 38 Abs. 3 Satz 1 bis 3 FamFG). Die Bezeichnung als „Beschluss“ gehört nicht zu den Formerfordernissen, auch 773 wenn sie üblich und sachgerecht ist.179 Handelt es sich um einen Versäumnis-, Anerkenntnis-, oder Verzichtsbeschluss, kann er als solcher bezeichnet werden – in diesem Fall braucht die Entscheidung nach § 38 Abs. 4 Nr. 1 FamFG nicht begründet zu werden.180 179 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 7; Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFG Rn. 41; a.A. Prütting/Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rn. 4. 180 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 7; vgl. auch BGH FamRZ 1988, 945.
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774 Auch der Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, braucht gemäß § 38 Abs. 2 FamFG in einem Unterhaltsbeschluss nicht genannt zu werden. Dennoch ist diese Angabe notwendig, um den Schluss der Tatsachenverhandlung zu bestimmen.181 Dies ist bei der Abänderung gerichtlicher Entscheidungen für die Feststellung der Präklusion nach § 238 Abs. 2 FamFG erforderlich. Ansonsten muss dieses Datum anhand der Akte des Vorprozesses ermittelt werden182, was umständlich und streitträchtig sein kann. 775 Der Inhalt eines Unterhaltsbeschlusses ist weniger strikt festgelegt als der Inhalt eines Urteils nach § 313 ZPO. § 38 FamFG, der für alle Endentscheidungen nach dem FamFG gilt, schreibt dem Gericht bewusst keine bestimmte Fassung der Entscheidungsgründe vor. Er enthält Mindestanforderungen, die in Unterhaltsstreitigkeiten für Endentscheidungen im Hauptsacheverfahren wie im Verfahren der einstweiligen Anordnung gleichermaßen gelten. Eine Bezugnahme auf § 313 ZPO lässt sich in Unterhaltsstreitigkeiten auch nicht aus § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG herleiten, wonach in Familienstreitsachen die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend gelten. Denn § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG verweist in diesen Streitverfahren ausdrücklich auf die Anwendung von § 38 FamFG. Ein Unterhaltsbeschluss muss daher keinen Tatbestand enthalten.183 Auch eine wörtliche Wiedergabe der gestellten Anträge ist nicht zwingend.184 Allerdings haben sich Inhalt und Umfang der Begründung an dem Zweck der Entscheidungsgründe zu orientieren, den Beteiligten die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der getroffenen Entscheidung offenzulegen185 sowie ihnen und ggf. dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung zu ermöglichen. Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, in den Gründen zwischen dem Sachverhalt und den daraus gezogenen rechtlichen Folgerungen zu differenzieren sowie das Begehren der Beteiligten im Kern wiederzugeben186. Darüber hinaus erscheint es jedenfalls bei den mit der Beschwerde anfechtbaren Unterhaltsbeschlüssen im Hauptsacheverfahren dringend geraten, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs – wozu die Kenntnisnahme und die rechtliche Verarbeitung des wesentlichen Tatsachenvortrags gehört187 – sowie zur Sicherstellung der nach § 308 ZPO gebotenen Bindung an die gestellten Anträge, den Unterhaltsbeschluss wie ein Urteil aufzubauen und einen Tatbestand mit den vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln unter Hervorhebung der gestellten Anträge zu verfassen. 776 Nicht eindeutig geregelt ist der Erlass des Beschlusses, so dass die Frage diskutiert wird, ob ein Unterhaltsbeschluss nach mündlicher Verhandlung in erster Instanz auch ohne (sofort anzuberaumenden und fristgebundenen!) Verkündungstermin schlicht im Dezernatsweg ergehen kann.188 Dafür spricht § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG, wonach der Erlass eines Beschlusses zu dokumentieren 181 Meyer-Seitz/Frantzioch/Ziegler, FGG-Reform: Das neue Verfahrensrecht, S. 403; Keidel/Meyer-Holz, § 38 Rn. 48. 182 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 11. 183 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 12; Prütting/Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rn. 16 f.; a.A. Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFG Rn. 59. 184 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 12; a.A. Prütting/Helms/Abramenko, § 38 FamFG Rn. 18; Keidel/Meyer-Holz, § 38 FamFG Rn. 60. 185 BVerfG, NJW 1982, 30. 186 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 12. 187 BVerfG, NJW 1982, 30. 188 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rn. 12.
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ist und der insofern auch eine Legaldefinition enthält: der Erlass eines Beschlusses liegt entweder in der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder in seiner Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel.189 Die Regelung legt den Schluss nahe, dass Beschlüsse in Unterhaltsstreitsachen auch in erster Instanz nicht mehr in einem Termin verkündet werden müssen, selbst wenn es sich um eine Endentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung handelt. Doch greift diese Überlegung in mehrfacher Hinsicht zu kurz. Sie verkennt, dass § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG in erster Linie die Vorschrift zur schriftlichen oder mündlichen Bekanntgabe von Beschlüssen in § 41 FamFG ergänzen soll – eine Regelung, die in Ehe- und Familienstreitsachen ausdrücklich nicht anzuwenden, sondern durch die entsprechenden Regelungen der ZPO zu ersetzen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG). Sie lässt zudem außer Acht, dass der Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 ZPO), an dem das FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen zumindest im Hauptsacheverfahren erster Instanz festhält,190 grundsätzlich nur durchgehalten wird, wenn auch die Entscheidung des Gerichts zeitnah zur mündlichen Verhandlung in einem öffentlichen Termin (vgl. Rn. 733) gefällt, d.h. verkündet wird. Insofern passt zu den familienrechtlichen Streitverfahren erster Instanz nur die entsprechende Anwendung von § 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach Beschlüsse, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, verkündet werden müssen. In diese Richtung weisen auch § 117 Abs. 4 und § 142 Abs. 3 FamFG, die jeweils Regelungen für die „Verkündung“ einer Endentscheidung treffen. Mithin entfällt nach dem FamFG nicht die Verkündung von Beschlüssen, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, sondern § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG ist dahingehend zu verstehen, dass mit der Verkündung ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift erlassen ist und diese Tatsache auf den Beschluss vermerkt werden muss.191 Sofern das Beschwerdegericht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer münd- 777 lichen Verhandlung absieht, ist der Beschluss gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 mit Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen. Die Notwendigkeit, in diesem Fall einen Verkündungstermin anzuberaumen, ergibt sich weder aus dem FamFG noch aus den entsprechend anwendbaren ZPO-Vorschriften, da der Beschluss nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergeht.192 Ausgeschlossen erscheint dagegen die bei der Verkündung eines Urteils zu ver- 778 wendende Eingangsformel „Im Namen des Volkes“.193 Denn diese Eingangsformel ist nach dem Wortlaut des § 311 Abs. 1 ZPO ausdrücklich der Verkündung von Urteilen vorbehalten, eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf Beschlüsse ist in § 329 Abs. 1 ZPO nicht vorgesehen. Die Zustellung eines Unterhaltsbeschlusses richtet sich nach § 329 Abs. 3 ZPO. 779 Beschlüsse, die einen Vollstreckungstitel bilden, sind zuzustellen.
189 Anders als bei der Verkündung nach § 311 ZPO ist eine Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel nach § 41 Abs. 2 FamFG nur gegenüber Anwesenden möglich. 190 Vgl. aber Prütting/Helms, § 116 FamFG Rn. 17, der dies wegen § 128 Abs. 4 ZPO für begründungsbedürftig hält. 191 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rn. 12; Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 16. 192 Zöller/Feskorn, § 38 FamFG Rn. 16. 193 Wie hier: Götz, NJW 2010, 897, 899; Metzger, FamRZ 2010, 703; Vogel, FamRZ 2010, 704; a.A. Kranz, FamRZ 2010, 85 und 705; Musielak/Borth, § 116 FamFG Rn. 3 und 7.
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4. Kostenentscheidung 780 Jede Endentscheidung hat eine Entscheidung über die Kosten zu enthalten. Die Kostenentscheidung richtet sich im isolierten Unterhaltsverfahren nach § 243 FamFG (vgl. Rn. 684 ff.), bei der Entscheidung im Verbund nach § 150 FamFG (vgl. Rn. 694), bei der einstweiligen Anordnung nach § 243 (vgl. Rn. 693). 5. Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Unterhaltsbeschlusses 781 Anders als Unterhaltsurteile werden Unterhaltsbeschlüsse nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das FamFG kennt das Institut der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht mehr, auch nicht in Familienstreitsachen. Es sieht insoweit einen eigenen Mechanismus vor. Die Vollstreckbarkeit eines Unterhaltsbeschlusses hängt gem. § 120 Abs. 2 Satz 1 FamFG von der Wirksamkeit der Endentscheidung ab. In Unterhaltsstreitsachen tritt diese Wirksamkeit grundsätzlich erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses ein: § 116 Abs. 3 Satz 1 FamFG bestimmt, dass Endentscheidungen in Familienstreitsachen erst mit Rechtskraft wirksam werden. Dem Bedürfnis nach einem vorgezogenen Vollzug wird durch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit Rechnung getragen. Nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen. Soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält, soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Dem Schutz des Schuldners in der Vollstreckung dienen zusätzlich die Regelungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 und 3 FamFG. Danach kann der Schuldner eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft verlangen, wenn ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 ZPO kann die Vollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen eingestellt oder beschränkt werden. a) Anordnung der sofortigen Wirksamkeit 782 Die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit ergeht von Amts wegen. Bei der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit eines Unterhaltsbeschlusses ist im Rahmen der vorgeschriebenen Ermessensprüfung das Interesse des Gläubigers an der Erlangung der Leistung und das Schutzinteresse des Schuldners vor der Vollstreckung einer noch nicht rechtskräftigen Gerichtsentscheidung gegeneinander abzuwägen.194 Die Ausgestaltung von § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG als Sollvorschrift bringt dabei die Bedeutung des Unterhalts zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Ausdruck.195 Diese Bedeutung erfordert in aller Regel den sofortigen Vollzug der ergangenen Unterhaltsregelung. 783 Auf eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit kann allerdings hinsichtlich „länger zurückliegender Unterhaltsrückstände“ verzichtet werden, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.196 Es liegt nahe, diesen Zeitraum anhand von § 708 Nr. 8 ZPO zu präzisieren, wonach Urteile mit der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt und bestimmten Leibrenten ohne Sicherheitsleistung für vor194 Keidel/Weber, § 116 FamFG Rn. 9; Prütting/Helms, § 116 FamFG Rn. 26. 195 BT-Drucks. 10/6308, S. 124 und 412. 196 BT-Drucks. 16/6308, S. 224.
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läufig vollstreckbar zu erklären sind, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach Klageerhebung und auf das der Klagerhebung vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht. Rückständiger Unterhalt aus der vorangehenden Zeit dient nicht notwendigerweise der Sicherung des Lebensbedarfs. Unter demselben Aspekt kommt ein Verzicht auf die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des Unterhaltsbeschlusses auch in Betracht, wenn das JobCenter oder das Jugendamt nach dem SGB übergegangene Ansprüche geltend macht.197 Die sofortige Wirksamkeit von einstweiligen Anordnungen zum Unterhalt 784 (§§ 246 ff. FamFG) muss nicht angeordnet werden, da sie mit Erlass formell rechtskräftig werden (§§ 120 Abs. 1 FamFG, 705 ZPO).198 Sie unterliegen nach § 57 Satz 1 FamFG keinem Rechtsmittel. Wird über Unterhalt im Verbund mit der Scheidung entschieden, sollte die sofor- 785 tige Wirksamkeit des Ausspruchs zum Unterhalt für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung angeordnet werden, weil der Scheidungsbeschluss (z.B. wegen eines auf die Unterhaltsfolgesache beschränkten Rechtsmittels) schneller rechtskräftig werden könnte als die Entscheidung in der Folgesache. Für die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung kommt eine solche Anordnung wegen § 148 FamFG nicht in Betracht. Die Anordnung könnte wie folgt gefasst werden:
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Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verbund
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Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird hinsichtlich des Ausspruchs zum 786 nachehelichen Unterhalt (Nr. 3 des Beschlusstenors) mit Rechtskraft der Scheidung angeordnet.
b) Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG ergänzt § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG zum Schutz des 787 Schuldners in der Zwangsvollstreckung und sieht die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung vor. Macht der Unterhaltsverpflichtete glaubhaft, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, hat das Gericht auf seinen Antrag die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung einzustellen oder zu beschränken. aa) Vollstreckungsschutzantrag Der Antrag auf Vollstreckungsschutz muss bereits vor Erlass der Endentschei- 788 dung gestellt werden, damit über die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung noch in der Endentscheidung befunden werden kann.199 Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht zulässig. § 55 FamFG enthält insoweit eine abschließende Regelung. 197 BT-Drucks. 16/6308, S. 224. 198 Prütting/Helms, § 116 FamFG Rn. 25. 199 Wird die rechtzeitige Antragstellung versäumt, kann nur der Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG i.V.m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO gestellt werden.
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bb) Nicht zu ersetzender Nachteil 789 Für die Bedeutung dieser Schutzklausel im Unterhaltsstreit ist entscheidend, ob sie bereits dann eingreift, wenn der Gläubiger im Falle der Aufhebung oder Änderung des Vollstreckungstitels mangels Mittel nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Unterhalt zurückzuzahlen. Ob ein nicht zu ersetzender Nachteil gegeben ist, wenn der Gläubiger den ohne Sicherheitsleistung erhaltenen Urteilsbetrag wegen Mittellosigkeit nicht zurückzahlen kann, ist umstritten.200 Der BGH hat diese Frage in einer Entscheidung zu § 719 Abs. 2 ZPO wegen des klaren Wortlauts dieser Norm bejaht.201 Der Verlust einer – wie in diesem Zusammenhang zu unterstellen sei – nicht geschuldeten Geldsumme sei ein Nachteil, und dieser Nachteil sei, wenn der Empfänger wegen Zahlungsunfähigkeit auf Dauer nicht zur Rückerstattung in der Lage ist, auch unersetzlich.202 Dieser Auslegung kann im Bereich des § 120 Abs. 2 FamFG jedenfalls für Unterhaltsstreitigkeiten nicht zugestimmt werden. Hier liegt ein „unersetzlicher Nachteil“ für den Verpflichteten nur dann vor, wenn durch die Vollstreckung des Unterhaltstitels ein Schaden entsteht, der durch Geld oder andere Mittel nicht ausgeglichen werden kann.203 Bei der Auslegung des Begriffs des „nicht zu ersetzenden Nachteils“ ist die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie sie in § 116 Abs. 3 FamFG zum Ausdruck kommt.204 Danach ist die Bedeutung des Unterhalts für die Sicherung des Lebensbedarfs vorrangig, ein etwaiger finanzieller Verlust des – zumeist wirtschaftlich stärkeren – Unterhaltsverpflichteten in Kauf zu nehmen. Denn es ist typisch für das Unterhaltsverhältnis, dass die zur Sicherung des Lebensbedarfs benötigten Mittel vom Unterhaltsbedürftigen verbraucht werden und in der Regel nicht zurückgezahlt werden können.205 cc) Vollstreckungsschutzmaßnahmen 790 Bei der Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, welche Maßnahmen zum Schutz des Verpflichteten vor der Vollstreckung zu ergreifen sind. Neben der Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt als Beschränkung die Einstellung der Vollstreckung über einen bestimmten Betrag hinaus oder der Ausschluss bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen (etwa in einzelne Objekte) in Frage.206 791 Ob das Familiengericht auf einen Vollstreckungsschutz nach § 120 Abs. 2 FamFG auch mit der Anordnung einer Sicherheitsleistung, bzw. einer Abwendungsbefugnis gegen Sicherheitsleistung – als eine die Zwangsvollstreckung be200 Prütting/Helms, § 120 FamFG Rn. 10 m.w.N.; Giers, FamRB, 2009, 88 m.w.N.; Griesche, FamRB 2009, 258 ff. 201 BGH v. 30.1.2007 – X ZR 147/06, FamRZ 2007, 554 (LS). 202 BGH v. 30.1.2007 – X ZR 147/06, FamRZ 2007, 554 (LS) m.w.N. 203 Keidel/Weber, § 120 FamFG Rn. 17; so auch zum alten Recht OLG Koblenz, FamRZ 2005, 468 mit Anm. van Els, FamRZ 2005,1758 m.w.N.; OLG Rostock, FamRZ 2004,127, zum Streitstand auch Griesche, FamRB 2009, 258. 204 Keidel/Weber, § 120 FamFG Rn. 17. 205 Hinzu kommt, dass die finanzielle Existenz des Unterhaltsverpflichteten auch nach materiellem Recht gesichert wird – der notwendige oder angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen ist zu berücksichtigen. 206 Prütting/Helms, § 120 FamFG Rn. 6; anders: Giers, FamRB 2009, 87 ff., der empfiehlt, eine Sicherheitsleistung anzubieten; ebenso Rakete-Dombek/Türck-Brocker, NJW 2009, 2769, 2772; krit. auch Friederici/Kemper, § 120 FamFG Rn. 6.
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X. Entscheidung durch Beschluss
schränkende Maßnahme – reagieren darf, ist eine offene und bereits umstrittene Frage207. Es wird die Meinung vertreten, eine solche Option sei nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht vorgesehen. Auch § 62 Abs. 1 ArbGG – das Vorbild für § 120 FamFG208 – lasse die Einschränkung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung nicht zu.209 Richtig ist, dass im Arbeitsgerichtsprozess eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung nicht in Betracht kommt (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Anders als § 62 Abs. 1 ArbGG beschränkt sich § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG jedoch nicht auf eine Einstellung der Zwangsvollstreckung, sondern lässt auch eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung zu. Unter diesen Begriff kann das mildere Mittel einer Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung problemlos eingeordnet werden. Eine solche Auslegung von § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG vermeidet zudem den ansonsten bestehenden sachlichen Widerspruch zu § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG.210 Denn ein begründeter Vollstreckungsschutzantrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG kann dann mit einer differenzierten Regelung der Zwangsvollstreckung beantwortet werden und muss einer Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Endentscheidung nicht von vornherein entgegenstehen. Letztlich ist die einstweilige Einstellung der Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung dem familiengerichtlichen Verfahren auch nicht fremd. Im Zusammenhang mit einem Abänderungsantrag nach §§ 238, 239 FamFG verweist § 242 FamFG auf § 769 ZPO, wonach u.a. angeordnet werden kann, dass die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung eingestellt wird oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf. 6. Rechtsmittelbelehrung § 39 FamFG hat die Verpflichtung zur Rechtsbehelfsbelehrung eingeführt. Jeder 792 Beschluss hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel sowie das Gericht, bei dem dieser Rechtsbehelf einzulegen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Streitig ist, ob über die Sprungrechtsbeschwerde zu belehren ist.211 Ausufernde Belehrungen sind jedenfalls zu vermeiden. Sie verhindern, dass die Beteiligten das Wesentliche erfassen. Ausführlich ist die folgende Rechtsmittelbelehrung, die von den Berliner Familiengerichten erarbeitet wurde.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Diese ist in 793 vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,– Euro übersteigt oder wenn das Familiengericht die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
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Giers, FamRB 2009, 87 ff.; Griesche, FamRB 2009, 258. BT-Drucks. 16/6308, S. 226. Prütting/Helms, § 120 FamFG Rn. 8. Keidel/Weber, § 120 FamFG Rn. 15. Ablehnend Prütting/Helms/Abramenko, § 39 FamFG Rn. 6; a.A. Zöller/Feskorn, § 39 FamFG Rn. 4.
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Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats unter anwaltlicher Vertretung bei dem (Name des Amtsgerichts) schriftlich und in deutscher Sprache eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Die Beschwerde ist zu unterzeichnen. Für das Beschwerdeverfahren muss sich der Beschwerdeführer durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen und einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist zur Begründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung bei dem Beschwerdegericht – Kammergericht, Elßholzstraße 30–33, 10781 Berlin – eingegangen sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Statt der Beschwerde ist auch das Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde möglich; dies gilt in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,– Euro übersteigt. Die Sprungrechtsbeschwerde findet auf Antrag unter Übergehung der Beschwerdeinstanz statt, wenn die Beteiligten in die Übergehung der Beschwerdeinstanz einwilligen und das Rechtsbeschwerdegericht die Sprungrechtsbeschwerde zulässt. Die Zulassung ist durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Bundesgerichtshof (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) zu beantragen. Der Antrag kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt werden. Die Frist beträgt einen Monat. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach dessen Erlass. Für den Antrag gilt § 75 FamFG i.V.m. § 566 Abs. 2–8 ZPO. 794 Die Belehrungspflicht beschränkt sich auf die statthaften Rechtsmittel. Keiner Belehrung bedarf daher die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung zum Unterhalt (§ 57 FamFG). Es stünde einem Gericht aber gut an, eine ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Anordnung z.B. mit folgender Belehrung zu versehen:
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794a Belehrung (bei einstweiliger Anordnung ohne mündliche Verhandlung) Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsbehelf gegeben. Auf Antrag ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen und aufgrund dieser erneut zu entscheiden. Außerdem hat jeder Beteiligte das Recht, die Einleitung des Hauptsacheverfahrens zu beantragen.
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XI. Verfahren auf Zahlung von Unterhalt 1. Grundfall
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Isoliertes Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt (hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe mit Entwurf des Zahlungsantrages, Mangelfall)
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An das Amtsgericht – FamiliengerichtAnm. 1) –
17.3.2010 Antrag
der Ehefrau (Name, Anschrift, Staatsangehörigkeit) – Antragstellerin – Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin (Name, Anschrift) gegen ihren Ehemann (Name, Anschrift, Staatsangehörigkeit) – Antragsgegner – (voraussichtliche) VerfahrensbevollmächtigteAnm. 2) wegen Trennungsunterhalt. Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantrage ich vorab, der Antragstellerin für die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe unter meiner Beiordnung für folgenden Unterhaltsantrag zu bewilligen, der nur insoweit eingereicht werden soll, als Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.Anm. 3) Es wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin 1. ab dem 1.4.2010 eine monatliche, jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus zu zahlende Unterhaltsrente in Höhe von 81,00 Euro und 2. rückständigen Unterhalt für den Zeitraum 1.2.2010–31.3.2010 von 162 Euro sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von jeweils 81,00 Euro seit dem 10.2.2010 und seit dem 1.3.2010 zu zahlen. Anm. 4) Begründung: Die Beteiligten sind Eheleute, die seit Ende Januar 2010 voneinander getrennt leben. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsgegner aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Beteiligten haben eine gemeinsame Tochter, die am 31. März 1997 geborene … Das Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin, die das Kindergeld in Höhe von monatlich 184 Euro erhält. Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt. Der Antragsgegner zahlt Kindesunterhalt in Höhe von 334,00 Euro monatlich, aber keinen Ehegattenunterhalt. Die Antragstellerin ist nicht erwerbstätig, weil sie an Brustkrebs erkrankt und derzeit arbeitsunfähig ist. Einer über die Betreuung des gemeinsamen Kindes hinausgehenden Belastung durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist sie nicht gewachsen. Sie Rasch
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bezieht Leistungen nach dem SGB II. Das JobCenter … hat durch den als Anlage 1 beigefügten Vertrag die kraft Gesetzes übergegangenen Unterhaltsansprüche der Antragstellerin auf die Antragstellerin zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen.Anm. 5) Der Antragsgegner ist selbständig tätig und verfügt über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1 415 Euro. Bei diesem Einkommen hat der Antragsgegner für sein Kind lediglich den Mindestunterhalt der Altersstufe 3 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BGB zu leisten, der 426 Euro beträgt und auf den – nach Abzug des hälftigen Kindergeldes von 92 Euro – noch 334 Euro zu zahlen sind und vom Antragsgegner auch gezahlt werden. Nach Vorabzug des Kindesunterhalts von 334 Euro beläuft sich das für den Unterhalt der Antragstellerin noch zur Verfügung stehende Einkommen des Antragsgegners auf (1 415 – 334 =) 1 081 Euro. Unter Berücksichtigung des einem Ehemann gegenüber der Ehefrau zustehenden Selbstbehalts von 1 000 EuroAnm. 6) hat der Beklagte einen monatlichen Trennungsunterhalt von 81 Euro zu zahlen. Der Beklagte ist verpflichtet, rückwirkend ab 1.2.2010 Ehegattenunterhalt zu zahlen. Denn er ist mit anwaltlichem Schreiben vom 7.2.2010 – zugegangen am 9.2.2010 – aufgefordert worden, Auskunft über die Höhe seiner Einkünfte zu erteilen sowie ab sofort Kindes- und Trennungsunterhalt in Höhe der jetzt geltend gemachten Beträge zu zahlen und titulieren zu lassen. Beweis: Rückschein der Deutschen Post AG, in Kopie als Anlage 2 beigefügt. Verzugszinsen sind gemäß § 288 Abs. 1, § 247 BGB ab Zugang des Schreibens vom 7.2.2010 geschuldet. Beweis: wie vor Zum Antrag auf Verfahrenskostenhilfe wird auf die beigefügte Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen (Belege) verwiesen. Der Antragstellerin ist Verfahrenskostenhilfe auch hinsichtlich des rückabgetretenen rückständigen Trennungsunterhalts zu bewilligen, da sich dieser Anspruch kostenrechtlich nicht auswirkt. Auch ohne den Rückstand von 162 Euro ist der Antragstellerin bei einem Verfahrenswert für den laufenden Unterhalt (12 × 81 =) 972 Euro nach einer Gebührenstufe bis 1 200 Euro Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Anm. 3) Andere Familiensachen sind nicht anhängig. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift 796 Bei dem Muster handelt es sich um einen gängigen Antrag auf Zahlung wiederkehrender Leistungen nach § 258 ZPO im isolierten Verfahren, mit der im vorliegenden Fall die getrennt lebende Ehefrau ihren eigenen Unterhalt fordert. Zu Anm. 1): Örtlich zuständig ist das Familiengericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragsgegners. Zur Zuständigkeit des Gerichts vgl. Rn. 622 ff., 627. Zu Anm. 2): Die Benennung des voraussichtlich für den Antragsgegner auftretenden Verfahrensbevollmächtigten signalisiert dem Gericht, dass es davon absehen sollte, ein schriftliches Vorverfahren anzuordnen. Im Übrigen wird das Gericht trotz dieser Mitteilung zunächst den Antragsgegner persönlich anschreiben und 554
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diesem formlos eine einfache Abschrift des Antrags zur Stellungnahme hinsichtlich der Verfahrenskostenhilfe übersenden. Zu Anm. 3): Nach der Rechtsprechung des BGH ist dem Empfänger öffentlicher Leistungen nach SGB II oder SGB XII insoweit Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, als er laufenden Unterhalt ab Rechtshängigkeit fordert.212 Soweit mit dem rückständigen Unterhalt aber ein zurückübertragenen Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird, kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur in Betracht, wenn sich dieser Anspruch – wie hier – kostenrechtlich nicht auswirkt oder wenn ein Verweis des Leistungsberechtigten auf seinen sozialrechtlichen Vorschussanspruch gegen dem öffentlichen Leistungsträger sonst nicht zumutbar ist.213 Um jegliches Kostenrisiko auszuschließen, sollte dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der beabsichtigte Zahlungsantrag nur im Entwurf als Anlage beigefügt werden, statt – wie hier aus Platzgründen – der beabsichtigte Zahlungsantrag mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe in einem Schriftsatz zusammengefasst werden (vgl. im Näheren Rn. 699; s. auch Anm. 5). Zu Anm. 4): Der Zahlungsantrag muss genau bezeichnen, ab wann und wie viel Unterhalt gefordert wird. Geschuldet ist eine monatlich im Voraus zu zahlende Geldrente (§ 1612, § 1361 Abs. 4, § 1585 BGB). Die Bestimmung „monatlich im Voraus“ gibt dabei nur die Unterhaltsperiode an. Die Fälligkeit „am Ersten des Monats“ (so geregelt in § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB) besagt, dass der Unterhalt spätestens an diesem Tag abzusenden ist. Denn nach § 270 Abs. 4 i.V.m. § 269 BGB ist eine Leistung in Geld dann rechtzeitig erbracht, wenn der Unterhaltsschuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan hat.214 Der mit dem in Antrag zu 2) geforderte (echte) Unterhaltsrückstand, der nach § 51 Abs. 2 FamGKG den Streitwert erhöht, kann unter gleichzeitiger Angabe des Zeitraums, für den er gefordert wird, in einer Summe zusammengefasst werden. Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB bzw. Prozesszinsen gemäß § 291 BGB für rückständige Unterhaltsbeträge werden seit dem 1.5.2000 zunehmend geltend gemacht; denn die Zinshöhe beträgt seit dieser Zeit nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB). Die aktuellen Basiszinssätze werden von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie können auch im Internet unter http://www.bundesbank.de abgerufen werden. Verzugszinsen sind von dem Zeitpunkt an geschuldet, in dem Verzug eingetreten ist (vgl. unter Rn. 159 f., 423). Dabei erstreckt sich der nach dem Eintritt der Fälligkeit einmal begründete Verzug grundsätzlich auch auf die künftig fällig werdenden Unterhaltsraten, ohne dass die Mahnung monatlich wiederholt werden muss.215 Zu Anm. 5): Die Antragstellerin ist berechtigt, ihre Ansprüche auf Zahlung von rückständigem und künftigen Trennungsunterhalt ohne Rücksicht auf den laufenden Bezug von Leistungen nach SGB II gerichtlich geltend zu machen; denn der Sozialhilfeträger hat nach § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch der Antrag212 BGH, FamRZ 2008, 1159, 1162; vgl. auch Rn. 556h und 556c (zu § 7 UVG) sowie Rn. 717. 213 BGH, FamRZ 2008, 1159. 214 OLG Köln, FamRZ 1990, 1243; Palandt/Diederichsen, § 1612 BGB Rn. 4; PWW/Soyka, § 1612 BGB Rn. 2. 215 BGH, NJW 1988, 1137 = FamRZ 1988, 370.
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stellerin an diese zur gerichtlichen Geltendmachung rückabzutreten. Im Hinblick auf diese Vereinbarung ist es auch nicht erforderlich, dass die Antragstellerin für die Zeit nach Rechtshängigkeit des Verfahrens Zahlung an das JobCenter als den Träger der Leistungen beantragt. Die frühere Rechtsprechung zu dieser Problematik ist überholt.216 Zu Anm. 6): Nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH ist der Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners gegenüber einem Anspruch auf Trennungsunterhalt mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) liegt, d.h. in der Regel mit 1 000 Euro.217 Diesen Betrag weist nunmehr auch die Düsseldorfer Tabelle aus (Stand: 1.1.2010). 2. Mehrere Antragsteller (subjektive Antragshäufung)
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Antrag auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt und (statischem) Kindesunterhalt – subjektive Antragshäufung
797 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab dem … jeweils monatlich im Voraus am Ersten eines Monats folgende Unterhaltsrenten zu zahlen: 1. an die Antragstellerin zu 1 monatlich 200 Euro; 2. an den Antragsteller zu 2 monatlich (448 Euro Unterhaltsbedarfsbetrag – 92 Euro hälftiges Kindergeld =) 356 Euro; 3. an den Antragsteller zu 3 monatlich (383 Euro Unterhaltsbedarfsbetrag – 92 Euro hälftiges Kindergeld =) 291 Euro. … 798 Häufig verfolgen mehrere Unterhaltsgläubiger ihre Unterhaltsansprüche gegenüber einem Schuldner, wie hier die geschiedene Ehefrau und ihre minderjährigen Söhne gegen den früheren Ehemann und Vater (subjektive Antragshäufung). Die Ansprüche mehrerer Gläubiger können und sollten zweckmäßigerweise in einem Verfahren geltend gemacht werden. Das heißt aber nicht, dass die Ansprüche der einzelnen Gläubiger in einer einheitlichen Summe beantragt werden dürfen. Vielmehr sind die Ansprüche bei der Antragstellung (und in der Begründung) auf die einzelnen Gläubiger aufzuteilen. Gleiches gilt für die eingeklagten Rückstände. Notfalls muss das Gericht gemäß § 139 ZPO im Wege seiner Hinweispflicht auf die richtige Antragstellung hinwirken. Die Anträge der minderjährigen Kinder weisen den jeweiligen Unterhaltsbedarfsbetrag und das nach § 1612b BGB bedarfsmindernd zu berücksichtigende Kindergeld aus. Dies ist von Vorteil für spätere Änderungen, insbesondere wenn im Aus216 Vgl. hierzu Rn. 556e ff. 217 BGH, FamRZ 2006, 683; s. Rn. 408 f.
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gangsverfahren nur eine Anerkenntnis- oder Versäumnisentscheidung ohne weitere Begründung ergeht (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Die FamRZ hat die Kindergeldtabelle (s. Rn. 103) in das Internet gestellt, abrufbar unter www.famrz.de., ebenso bei FamRB unter www.famrb.de 3. Antrag auf Zahlung von dynamisiertem Kindesunterhalt
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Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung eines dynamisierten Unterhalts (Mindestunterhalt) …
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den am 3.2.2007 geborenen Kläger zu Händen der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus 1. ab 1.3.2010 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 1, 2. ab 1.2.2013 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 2, 3. ab 1.2.2019 den jeweiligen Mindestunterhalt der Altersstufe 3 nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden. Mit dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes ab 1.1.2008 hat sich an der 800 bestehenden Möglichkeit, Kindesunterhalt in dynamisierter Form zu verlangen, nichts geändert. An die Stelle des Regelbetrages nach der Regelbetrag-VO ist lediglich der „Mindestunterhalt“ als neue Bezugsgröße für die Dynamisierung des Kindesunterhalts getreten.218 Die prozessuale Umsetzung dieses Anspruchs auf veränderlichen Unterhalt in einen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmten Verfahrensantrag ist unproblematisch. Grundsätzlich gilt, dass der Antrag auf Zahlung des Mindestunterhalts oder eines Prozentsatzes des Mindestunterhalts für eine bestimmte Altersgruppe ausreichend bestimmt ist. Denn sowohl der Mindestunterhalt als auch der jeweilige Mindestunterhalt der drei Altersstufen sind im Gesetz definiert. § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt den Mindestunterhalt anhand des (doppelten) Kinderfreibetrags gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (4 368 Euro jährlich = 364 Euro monatlich, Stand: 1.1.2010). Nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB errechnet sich der Mindestunterhalt der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) mit 87 %, der Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) mit 100 % und der Mindestunterhalt der dritten Altersstufe (ab dem 13. Lebensjahr) mit 117 % des Mindestunterhalts, jeweils aufgerundet nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der vorgeschlagene Antrag bezieht sich auf § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB. Auf jegliches Zitat der gesetzlichen Bestimmungen zu verzichten und nur den „Min-
218 BT-Drucks. 16/1830, S. 27, s. Rn. 94, 95.
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destunterhalt“ einzufordern,219 erscheint im Hinblick auf die nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit eines Antrags bedenklich. 801 Beim dynamisierten Unterhalt empfiehlt es sich, das Geburtsdatum des minderjährigen Kindes in den Verfahrensantrag aufzunehmen. Außerdem muss der Verfahrensantrag die genauen Zeiträume der jeweiligen Altersstufen enthalten. Dabei ist der erhöhte Unterhalt jeweils zum Ersten des Monats fällig, in dem das Kind die nächste Altersstufe erreicht (§ 1612a Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Begrenzung des Antrags auf die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ist weder erforderlich noch ratsam. Das minderjährige Kind hat Anspruch auf Titulierung seines Unterhaltsanspruchs auch für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahrs, weil es sich insoweit um einen einheitlichen Anspruch handelt. Es darf nach Eintritt der Volljährigkeit aus einem während seiner Minderjährigkeit geschaffenen Unterhaltstitel vollstrecken (§ 244 FamFG). 802 Das vorgeschlagene Antragsmuster geht davon aus, dass das unterhaltsberechtigte Kind von dem nicht barunterhaltspflichtigen Elternteil betreut wird. Für diesen Fall bestimmt § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte für den Unterhalt des Kindes zu verwenden ist. Es kann deshalb die z.B. in Süddeutschland und Berlin übliche Formulierung verwendet werden, wonach das gesetzliche Kindergeld „zur Hälfte“ vom Unterhaltsbetrag abzuziehen ist. Im Hinblick auf das Kindergeld ist anzugeben, für das wievielte gemeinsame Kind der Eltern Kindergeld gezahlt wird. Die für das Kind einschlägige Ordnungszahl muss angegeben werden, weil das Kindergeld vom 3. Kind an höher ist als für die beiden ersten Kinder. Zudem ist der sog. Zählkindervorteil beim Unterhalt des gemeinsamen Kindes nicht zu berücksichtigen (§ 1612b Abs. 2 BGB). 803 Im Interesse einer weitestgehenden Bezifferung ist es möglich, im Beschlusstenor den bis zur Entscheidung aufgelaufenen und zuerkannten Unterhalt zu beziffern und erst den künftigen, noch veränderlichen Unterhalt in dynamisierter Form auszuweisen. Das Gericht geht damit über den gestellten Antrag nicht hinaus (§ 308 Abs. 1 ZPO).
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Antrag des minderjährigen Kindes auf Zahlung von Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts
804 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den am 3.2.2007 geborenen Antragsteller. zu Händen der Kindesmutter jeweils monatlich im Voraus eine Unterhaltsrente von 136 % des jeweiligen Mindestunterhalts 1. ab 1.3.2010 der Altersstufe 1, 2. ab 1.2.2013 der Altersstufe 2, 3. ab 1.2.2019 der Altersstufe 3 219 So Knittel, JAmt 2007, 561, 562.
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nach § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden. Soll der (vereinbarte) Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts 805 gezahlt werden, ist der Unterhaltsbarbedarf (nicht der Unterhaltszahlbetrag!) zum jeweiligen Mindestunterhalt ins Verhältnis zu setzen. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts errechnet sich nach folgender Berechnungsformel: Unterhaltsbarbedarf: Mindestunterhalt der jeweiligen Alterstufe × 100. Der Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen (§ 1612a Abs. 2 BGB). Beispiel Der Unterhalt für ein 5 Jahre altes Kind wird mit 400 Euro abzüglich hälftiges Kindergeld vereinbart. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts beträgt (400 : 317 × 100 =) 126,2. Der Unterhaltszahlbetrag beläuft sich auf (400 – 92 =) 308 Euro.
Verfehlt wäre es, den Unterhaltszahlbetrag, d.h. den Unterhaltsbarbedarf abzüglich des nach § 1612b BGB zu berücksichtigenden Kindergeldes, als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhaltes auszuweisen. Denn bei einem entsprechenden Unterhaltstenor könnten Änderungen allein des Kindergeldes nicht berücksichtigt werden. Soll der nach den Unterhaltstabellen der Oberlandesgerichte ausgewiesene Un- 806 terhaltsbarbedarf als dynamisierter Unterhalt verlangt werden, ist der in der Tabelle jeweils ausgewiesene Prozentsatz zu übernehmen. Denn der tabellarische Unterhaltsbarbedarf ist durch Multiplikation des Mindestbedarfs mit dem der jeweiligen Gehaltsgruppe zugeordneten Steigerungssatz errechnet und entsprechend § 1612a Abs. 2 BGB auf volle Euro aufgerundet. Beispiel Der Vater ist in die Gehaltsgruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2010) einzustufen, der Unterhaltsbarbedarf seines 3 Jahre alten Kindes beläuft sich auf monatlich 144 % des Mindestunterhalts von 317 Euro, das sind 456,48 Euro, aufgerundet 457 Euro.
In Mangelfällen sollte anstelle eines dynamisierten Unterhalts der statische Un- 807 terhalt verlangt werden. Denn der zu zahlende Unterhalt hängt nicht nur von dem sich verändernden Mindestunterhaltsbedarf ab, sondern auch von der Zahl der Unterhaltsberechtigten insgesamt sowie von den festen Sätzen des Selbstbehalts.220 Bei gleichbleibendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen wirkt sich eine Steigerung oder Absenkung des Mindestunterhalts auf den zu zahlenden Unterhalt ebenso wenig aus wie der Eintritt des Kindes in die nächste Altersstufe, ein dynamischer Titel widerspräche also in absehbarer Zeit dem materiellen Recht. Falls aber gleichwohl in einem Mangelfall der Unterhalt in dynamisierter Form beantragt werden soll, ist der Unterhaltszahlbetrag um das nach § 1612b BGB zu berücksichtigende Kindergeld zu erhöhen und zu dem jeweiligen Mindestunterhalt der einzelnen Altersstufen ins Verhältnis zu setzen.
220 Zu den Nachteilen des dynamisierten Kindesunterhalts vgl. Wendl/Scholz, § 2 Anm. 246h.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen Beispiel Dem Vater ist bei einem Erwerbseinkommen von 1 110 Euro monatlich nur die Zahlung eines Kindesunterhalts von 210 Euro für sein 10 Jahre altes Kind möglich. Das Kindergeld erhält die betreuende, nicht barunterhaltspflichtige Mutter. Der Prozentsatz des Mindestunterhalts beträgt (210 + 92) : 364 × 100 = 82,96 (83) %.
4. Teil-, Zusatz- oder Nachforderung
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Antrag auf Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente
808 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin über den im Beschluss/Urteil des Amtsgerichts … vom … – Geschäftsnr. … – zuerkannten Teilunterhalt von … Euro hinaus eine weitere Unterhaltsrente von … Euro monatlich ab … jeweils zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen. … 809 Hat der Unterhaltsberechtigte in einem gerichtlichen Verfahren nur einen Teil des Unterhalts geltend gemacht und zugesprochen bekommen, kann der Berechtigte weiteren Unterhalt mit Hilfe eines Leistungsantrags in Form eines Zusatzoder Nachforderungsantrags (§ 258 ZPO) geltend machen.221 Das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG ist hier nicht eröffnet, weil es nur zulässig ist, wenn eine wesentliche Änderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geltend gemacht werden soll (§ 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG.) Das ist hier nicht der Fall. Der volle Unterhalt war bisher nicht Gegenstand eines Unterhaltsverfahrens, eine (abänderbare) gerichtliche Endentscheidung über den Differenzbetrag zum vollen Unterhalt liegt nicht vor. 810 Ob der Unterhaltsberechtigte einen solch ergänzenden Zahlungserstantrag nach § 258 ZPO stellen kann oder gar erheben muss, wenn sich der Unterhaltsverpflichtete in einer vollstreckbaren Schuldurkunde darauf beschränkt hat, nur einen Teilbetrag des Unterhalts anzuerkennen, ist fraglich. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 323 ZPO a.F. war bei einer (eindeutigen) Teiltitulierung die Zusatzklage (Erstantrag, gerichtet auf die Differenz zwischen dem titulierten und dem begehrten Betrag) die allein statthafte Klageart, die Erhebung einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO a.F. dagegen ausgeschlossen.222 Graba zufolge hat sich mit der Einführung von § 239 FamFG an dieser Rechtslage nichts geändert.223 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass § 239 FamFG die Änderung von vollstreckbaren Unterhaltsurkunden ohne Rücksicht darauf regelt, ob der titulierte Unterhalt aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten oder nach Auffassung beider Beteiligter nur einen Teilbetrag darstellt. Eine entsprechende Beschrän221 BGH, NJW 1985, 1340, 1342. 222 BGH, FamRZ 2010, 195,197 mit Anm. Schmidt, FamRZ 2010, 447; FamRZ 2009, 314, 315. 223 Graba, FPR 2010, 159, 160.
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kung des Anwendungsbereiches ist dem Wortlaut des § 239 FamFG nicht zu entnehmen. Zudem ist der Abänderungsantrag zulässig, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung des Titels nach materiellem Recht rechtfertigen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 FamFG). Das können die Voraussetzungen eines höheren Unterhaltsanspruchs nach materiellem Recht sein oder aber – bei einem Herabsetzungsverlangen – eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Abgabe des Schuldversprechens (s. Rn. 868, 869). Aus verfahrensökonomischen Gründen ist das Abänderungsverfahren nach § 239 811 FamFG einem Leistungsverfahren jedenfalls vorzuziehen. Denn ein erfolgreiches Zusatzverfahren führt zu einem zweiten Vollstreckungstitel, was bei späteren Änderungen der Unterhaltstitel Probleme bereiten und Schwierigkeiten in der Zwangsvollstreckung nach sich ziehen kann. Der Unterhaltsberechtigte kann aus zwei verschiedenen Vollstreckungstiteln vollstrecken, wobei es dem Unterhaltsschuldner freisteht, auf welchen Titel er freiwillig zahlt.
" Praxishinweis: Um einen zweiten Vollstreckungstitel zu vermeiden, sollte
der Unterhaltsberechtigte auch in den Fällen eines Teilanerkenntnisses ein Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG einleiten und nur hilfsweise im Wege des Leistungsantrags Zahlung einer weiteren Unterhaltsrente begehren. Der Hilfsantrag empfiehlt sich im Hinblick auf die in der Diskussion befindliche Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen des § 258 ZPO und § 239 FamFG. Ein Abänderungsantrag kann durch das Gericht aber auch ohne Weiteres in einen (erstmaligen) Leistungsantrag umgedeutet werden (vgl. Rn. 810).
Ein Teil-, Zusatz- oder Nachforderungsantrag kommt auch in Betracht, wenn der 812 Schuldner freiwillig einen bestimmten Unterhaltsbetrag zahlt, der Gläubiger aber einen höheren Unterhalt beansprucht. Dann könnte der Unterhaltsgläubiger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an ihn über den freiwillig gezahlten Betrag hinaus einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag zu zahlen.
" Praxishinweis: Der Zusatz- oder Nachforderungsantrag bei einem freiwillig
gezahlten Sockelbetrag birgt zwar wegen des geringeren Streitwerts ein geringeres Kostenrisiko. Da für den freiwillig gezahlten Betrag jedoch kein Titel besteht, läuft der Unterhaltsberechtigte Gefahr, dass der Schuldner nach Abschluss des Verfahrens den bisher freiwillig gezahlten Betrag kürzt. Dann wäre erneut zu prozessieren.224 Dem Unterhaltsgläubiger kann deshalb nur empfohlen werden, den vollen Unterhalt einzufordern, wenn der Schuldner der Aufforderung, den Unterhalt titulieren zu lassen, nicht nachgekommen ist (s. Rn. 690).225
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Antrag auf Zahlung von Unterhalt bei gleichbleibenden Teilleistungen des Pflichtigen …
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: 224 BGH, FamRZ 1985, 690. 225 Siehe hierzu den folgenden Musterantrag unter Rn. 813.
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Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 1. ab dem Ersten des Monats, der auf die letzte mündliche Verhandlung folgt, eine monatliche, jeweils im Voraus zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von 447 Euro zu zahlen; 2. rückständigen Unterhalt a) für den Zeitraum vom 1.1.2010–31.3.2010 in Höhe von 741 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 247 Euro seit dem 1.1.2010, seit dem 1.2.2010 und seit dem 1.3.2010 zu zahlen sowie b) ab 1.4.2010 über den monatlich gezahlten Betrag von 200 Euro hinaus weitere 247 Euro zu zahlen. … 814 Der Musterantrag eignet sich in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige freiwillig einen gleichbleibenden Teil des verlangten Unterhalts zahlt. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung wird der weitere Unterhalt als Teilunterhalt verlangt, für die Zukunft jedoch die volle Titulierung des geschuldeten Unterhalts beantragt.226 Diese Antragsform kann eine Umstellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung ersparen. Demgegenüber muss bei unregelmäßigen Unterhaltszahlungen der schriftlich angekündigte Zahlungsantrag in der mündlichen Verhandlung zumeist an die veränderte Sach- und Rechtslage angepasst werden.
" Praxishinweis: Das Gericht ist bei seiner Entscheidung an die Anträge der
Beteiligten gebunden (§ 308 Abs. 1 ZPO). Es ist deshalb für die Beteiligten auch aus Kostengründen wichtig, die Anträge in jedem Stand des Verfahrens zu überprüfen und ggf. einer veränderten Sach- oder Rechtslage anzupassen – als Antragsteller durch teilweise Rücknahme, Erledigungserklärung oder Antragserweiterung, als Antragsgegner durch (Teil-)Anerkenntnis oder übereinstimmende Erledigungserklärung.
XII. Auskunftsverfahren 815 Ansprüche nach § 1605 BGB auf Auskunft und Vorlage von Belegen (vgl. Rn. 557 ff.) werden mit einem Leistungsverfahren verfolgt. Der Auskunftsanspruch kann Gegenstand eines isolierten Verfahrens sein oder als erste Etappe eines Stufenverfahrens geltend gemacht werden. Welcher Weg beschritten werden sollte, liegt an den Gegebenheiten im Einzelfall. Ist die Möglichkeit gegeben, dass der Unterhaltsanspruch an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen scheitert, empfiehlt sich das billigere isolierte Auskunftsverfahren. Ansonsten gebührt der Vorzug dem Stufenverfahren, das den Antrag auf Auskunft und Leistung verbindet und aufgrund der Gebührendegression kostengünstiger ist als zwei getrennte Prozesse.227 Zudem wird die Verjährung des Unterhaltsanspruchs nicht durch ein Auskunftsverfahren, sondern nur durch ein Stufenverfahren unterbrochen. Im Verbund mit der Ehescheidung ist das reine Auskunftsverfahren 226 Der Antrag zu 2 ist dabei nur zur Erleichterung der Streitwertfestsetzung gesplittet; er weist unter a) den Unterhaltsrückstand bei Einreichung der Verfahren (im März 2010) wegen § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG gesondert aus. 227 Zum Stufenverfahren vgl. Rn. 824 ff.
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XII. Auskunftsverfahren
nicht zulässig, weil keine Regelung für den Fall der Scheidung zu treffen ist. Hier kommt allein ein Stufenverfahren in Betracht.228 Schwierig ist beim Auskunftsverfahren vor allem die Formulierung des Antrags. 816 Denn der Antrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt sein und einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen, d.h., er muss den Umfang der geforderten Auskunft präzise benennen und die vorzulegenden Belege genau bezeichnen.229 Das ist nicht leicht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auskunftspflichtigen unbekannt sind. Es kommt in der gerichtlichen Praxis deshalb immer wieder vor, dass Entscheidungen zur Auskunftspflicht ohne vollstreckungsfähigen Inhalt ergehen, die sich in der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO als wertlos erweisen.230 Als Minimum an Bestimmtheit muss ein Auskunftsantrag den Zeitraum enthalten, für den die Einkünfte mitgeteilt werden sollen,231 sowie den Stichtag, zu dem der Stand des Vermögens offen zu legen ist. Außerdem müssen die Belege, die bei einer bestimmten Einkunftsart beigebracht werden sollen, genau bezeichnet werden. Nicht ausreichend bestimmt sind Anträge, in denen nur mit den Worten des Gesetzes und ohne Zeitangaben Auskunft über „das derzeitige Einkommen“ unter Vorlage „entsprechender Belege“ verlangt wird bzw. die Vorlage „geeigneter Nachweise“.232 Im Übrigen ist der Auskunftsberechtigte gehalten, die gewünschte Auskunft so genau wie möglich zu beschreiben. Dem Auskunftspflichtigen muss klar sein, in welcher Form Auskunft erteilt werden soll (Vorlage einer separaten systematischen Aufstellung der Einkünfte oder Auskunft nur „durch“ Vorlage von Belegen). Ist dem Auskunftsberechtigten bekannt, welche Art Einkünfte der Auskunftsverpflichtete erzielt, kann und sollte er sein Auskunftsbegehren hierauf beschränken.
" Praxishinweis: Es sollte immer nur Auskunft über die Einkünfte verlangt
werden, die der Schuldner aller Voraussicht nach tatsächlich hat. Die verlangten Belege sind dementsprechend genau zu bezeichnen. Ausufernde Auskunftsanträge über jede nur denkbare Einkunftsart sind nicht sinnvoll. Sie bergen die Gefahr, als unsubstantiiert kostenpflichtig abgewiesen zu werden, und verzögern das Verfahren wegen allseits aufwendiger Überprüfung nur unnötig. Gleiches gilt für die häufig nur routinemäßig gestellten Anträge auf Vermögensauskunft.
Die folgenden Antragsmuster beziehen sich auf die verschiedenen in Frage kom- 817 menden Einkunftsarten. In den Fällen, in denen die wirtschaftliche Situation des Auskunftspflichtigen unbekannt ist, kann das unter Rn. 738 vorgeschlagene Auskunftsverlangen des Gerichts als Muster verwendet werden.
228 BGH, FamRZ 1997, 811, vgl. auch Rn. 753. 229 BGH, FamRZ 1983, 454; OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631; BGH, FamRZ 1993, 1423. Vgl. auch Rn. 823 und 1208. 230 OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631; OLG München, FamRZ 1992, 1207; OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 749; BGH, FamRZ 2002, 666, vgl. auch Rn. 1208. 231 BGH, FamRZ 2002, 666. 232 OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 631.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
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Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit unter Vorlage von Belegen
818 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu geben über seine in den letzten 12 Monaten, nämlich in der Zeit vom … bis … erzielten Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit einschließlich eventueller Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld sowie Steuererstattungen. Die Auskunft ist in Form einer geordneten Zusammenstellung der Einkünfte zu erteilen. Ferner wird der Antragsgegner verpflichtet, für den genannten Zeitraum die monatlichen Gehaltsabrechnungen seines Arbeitgebers, aus denen sich das Brutto- und das Nettoeinkommen einschließlich aller Zu- und Abschläge ergibt, vorzulegen sowie – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Bescheinigungen über den Bezug von Krankengeld, Arbeitslosengeld und den letzten Steuerbescheid. …
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Auskunftsantrag betreffend Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unter Vorlage von Belegen
819 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller in Form einer systematischen Aufstellung Auskunft zu erteilen über seine in den letzten 3 Kalenderjahren, nämlich im Zeitraum von … bis …, aus seinem Gewerbebetrieb … (seiner Arztpraxis usw.) erzielten Einkünfte und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Bilanzen, Gewinnund Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuerbescheide für denselben Zeitraum zu belegen. …
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Auskunftsantrag betreffend Kapitaleinkünfte oder Mieteinkünfte
820 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über ihre in den letzten 3 Jahren, nämlich im Zeitraum von … bis … erzielten Einkünfte a) aus Kapitalvermögen zu erteilen und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Zinsbescheinigung der Bank zu belegen, 564
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XII. Auskunftsverfahren
b) aus Vermietung zu erteilen und die erteilte Auskunft durch Vorlage der Einnahmen-Überschussrechnung und Einkommensteuerbescheide für die Jahre … zu belegen. …
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Auskunftsantrag betreffend Vermögen …
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verurteilt, dem Antragsteller Auskunft über sein Vermögen am … durch Vorlage einer systematischen Vermögensaufstellung auf den … zu erteilen. … Nicht selten wird ein Antrag im Stufenverfahren auf Auskunft und Zahlung von 822 Unterhalt mit einem Widerklageantrag auf Auskunft beantwortet. Zum Teil wird diesem Widerklageantrag das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen. Wenn bereits ein Verfahren auf Leistung von Unterhalt anhängig sei, habe der Unterhaltsberechtigte zur Begründung seines Unterhaltsanspruchs auch ohne einen solchen Widerklageantrag seine Einkommensverhältnisse im Einzelnen offen zu legen.233 Demgegenüber verweist das OLG Koblenz auf das rechtlich beachtenswerte Interesse des Unterhaltspflichtigen, alsbald das Maß der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zuverlässig ermitteln zu können. Er werde damit in die Lage versetzt, den begründeten Teil der Unterhaltsforderung anzuerkennen und so das eigene Kostenrisiko zu begrenzen.234 Die Vollstreckung des titulierten Auskunftsanspruchs bzw. des Anspruchs auf 823 Vorlage von Belegen richtet sich nach § 120 Abs. 1 FamFG § 888 ZPO.235 Der Gläubiger muss beim Familiengericht, dem erkennenden Gericht erster Instanz, die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise von Zwangshaft beantragen, um den Schuldner zur Vornahme der geschuldeten Handlung zu veranlassen. Die Vollstreckung und Beitreibung des festgesetzten Zwangsgeldes zugunsten der Staatskasse ist Sache des Gläubigers. Es wird nicht von Amts wegen beigetrieben.236 Zwangsgeld und Zwangshaft sind reine Beugemittel, sie haben keinen Strafcharakter.237 Es ist daher nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich, die Zwangsmittel zuvor anzudrohen. Auch können die Zwangsmittel nach § 888 ZPO anders als das Ordnungsgeld nicht mehr vollstreckt werden, wenn der Schuldner die ge233 OLG Frankfurt, FamRZ 1987, 839 f. 234 OLG Koblenz, FamRZ 1993, 1098. 235 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rn. 3 „Auskunft und Belege“ m.w.N.; s. auch Rn. 1210 ff., 1214 f., 1395 ff. 236 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rn. 13; BGH, FamRZ 1983, 578; a.A. Baumbach/Hartmann, § 888 ZPO Rn. 18. 237 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rn. 7.
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schuldete Auskunft erteilt hat. Umgekehrt wird ein weiteres Zwangsgeld bzw. Zwangshaft verhängt, wenn der Schuldner – was vorkommt – das Zwangsgeld an die Staatskasse bezahlt, ohne Auskunft zu erteilen.238 Vgl. auch Rn. 1210 f., 1214 f.
XIII. Stufenverfahren
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Stufenklageantrag
824 … Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Der Antragsgegner wird verpflichtet, 1. der Antragstellerin eine vollständige Auskunft über seine in den letzten 12 Monaten, nämlich in der Zeit vom 1.9.2009 bis 31.8.2010 erzielten Einkünfte zu erteilen unter Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen seines Arbeitgebers, aus denen das Brutto- und das Nettoeinkommen sowie alle Zu- und Abschläge zu entnehmen sind, und bei einem Bezug von Lohnersatzleistungen unter Vorlage von Bescheiden über den Bezug von Kranken- bzw. Arbeitslosengeld; 2. an die Antragstellerin ab dem 1.9.2010 einen nach Erfüllung der Auskunftspflicht noch zu beziffernden monatlichen Unterhaltsbetrag, mindestens aber 350 Euro zu zahlen. Begründung: (Begründung des Auskunftsanspruchs unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs; Vorbehalt, ggf. die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260 BGB zu verlangen; vorläufige Berechnung des Unterhaltsanspruchs und Ankündigung der endgültigen Bezifferung nach Erfüllung des Auskunftsanspruchs; ggf. Beweisangebote, Vorlage von Urkunden etc.) 825 Beim Stufenverfahren wird der Antrag auf Auskunftserteilung mit einem zunächst noch unbezifferten Zahlungsantrag bzw. einem noch unbezifferten Abänderungsbegehren nach §§ 238 oder 239 FamFG in einem Verfahren verbunden (§ 254 ZPO).239 Prozessual stellt das Stufenverfahren einen Sonderfall der objektiven Antragshäufung dar. Das Besondere liegt darin, dass über die Klageanträge nicht gleichzeitig, sondern stufenweise entschieden werden muss. Denn der vom Kläger verfolgte Leistungsantrag kann erst im Anschluss an die vorrangig verlangte Auskunft so präzise gefasst werden, dass eine bestimmte Antragstellung und der Erlass einer vollstreckungsfähigen Entscheidung möglich sind. Deshalb darf der Antragsteller den Leistungsantrag zunächst – abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO – noch unbestimmt lassen. Nur der Auskunftsantrag muss dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO genügen (vgl. hierzu Rn. 816). 238 Zöller/Stöber, § 888 ZPO Rn. 8; OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 180; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 1274. 239 Wendl/Schmitz, § 10 Rn. 213.
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XIII. Stufenverfahren
Erst wenn die verlangte Auskunft erteilt ist, hat der Antragsteller in der folgenden Stufe die begehrte Leistung genau zu beziffern. Ist anzunehmen, dass der Antragsgegner die geschuldete Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, kann der Antragsteller noch vor der Bezifferung des Leistungsantrags in einer zusätzlichen Stufe die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 260, 259 Abs. 3 BGB beantragen (vgl. hierzu Rn. 578 ff.). Der abschließende Leistungsantrag folgt dann in der dritten Stufe. Der Antragsteller ist nicht daran gehindert, neben dem Stufenklageantrag einen 826 bestimmten Leistungsantrag, etwa in Form eines Mindestbetrages, zu stellen. Ein rechtliches Interesse an dem Stufenverfahren besteht auch dann, wenn der Antragsteller lediglich wegen eines Spitzenbetrags Auskunft verlangt.240
" Praxishinweis: Das Stufenverfahren dient der Verfahrensökonomie. Es emp-
fiehlt sich immer dann, wenn der Unterhaltsanspruch mit Sicherheit besteht, die genaue Höhe der Verpflichtung aber erst der zu erteilenden Auskunft zu entnehmen ist. Bestehen von vornherein Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Schuldners, sollte ein reines Auskunftsverfahren durchgeführt werden, da dafür nur geringe Kosten entstehen (vgl. hierzu unter Rn. 815 ff.). Bei Unterhaltsansprüchen des minderjährigen Kindes ist anstelle der Stufenverfahrens das vereinfachte Verfahren nach § 249 FamFG in Betracht zu ziehen (vgl. hierzu unter Rn. 950 ff.).
Innerhalb des Stufenverfahrens sind die stufenweise erhobenen Ansprüche auf 827 Auskunft, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und auf Leistung jeweils selbständige Teile eines einheitlichen Verfahrens.241 Über jede Stufe wird gesondert verhandelt. Zu entscheiden ist regelmäßig Stufe für Stufe durch Teilentscheidung, am Schluss durch Endentscheidung. Über den Auskunftsantrag ergeht allerdings dann keine Teilentscheidung, wenn der Unterhaltsanspruch und damit auch der Auskunftsanspruch dem Grunde nach nicht bestehen. In diesem Fall weist das Gericht die Anträge insgesamt durch Endentscheidung als unbegründet ab, selbst wenn die Beteiligten bis dahin nur auf der ersten Stufe verhandelt haben.242
" Praxishinweis: Nach jeder Teilentscheidung ist für den Übergang zur nächs-
ten Stufe ein Antrag erforderlich. Von Amts wegen wird das Verfahren nicht fortgesetzt. Der Antragsteller geht zur 2. Stufe über, indem er den Zahlungsantrag beziffert. Aber auch der Antragsgegner kann das Verfahren vorantreiben, indem er die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragt, z.B., wenn der Zahlungsantrag trotz erteilter Auskunft nicht beziffert und damit unzulässig wird.243
Wenn der Antragsgegner nach Einleitung des Stufenverfahrens freiwillig die ver- 828 langte Auskunft erteilt, können sofort die Anträge der nächsten Stufe gestellt werden. Der Anspruch auf Auskunft muss nicht eigens für erledigt erklärt werden. Denn der dem unbezifferten Zahlungsanspruch vorgeschaltete Auskunftsanspruch sowie der diesem ggf. folgende Antrag auf Versicherung der Auskunft an Eides statt dienen lediglich der Vorbereitung des eigentlichen Verfahrenziels, 240 241 242 243
BGH, FamRZ 1996, 1070, 1071. Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 4. BGH, FamRZ 1988, 157. Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 11.
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der Bezifferung des Zahlungsanspruchs. Dementsprechend ist über das Bestehen der Auskunftspflicht nur zu entscheiden, solange noch zu klären ist, ob der Kläger dieses Hilfsmittel zur Bezifferung seiner Ansprüche braucht. Wird der Auskunftsanspruch dagegen – aus welchen Gründen auch immer – fallen gelassen, so erfordert dies keine Erledigungserklärung im Rechtssinne, auch keine teilweise Rücknahme oder einen Teilverzicht, sondern lediglich den Übergang zum Zahlungsanspruch, dem eigentlichen Rechtsschutzziel.244 829 Mit Zustellung der Antragsschrift (§ 261 Abs. 1 ZPO) werden alle vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche, auch das noch unbestimmte Leistungsverlangen, sofort rechtshängig.245 Die Verjährung des zunächst noch unbestimmten Zahlungsantrages ist gehemmt. Zeigt die erteilte Auskunft, dass der Unterhaltsverpflichtete außerstande ist, Unterhalt zu leisten, muss der weitere Antrag zurückgenommen werden. Eine einseitige Erledigungserklärung kommt nicht in Betracht, da eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache insoweit nicht eingetreten ist. Eine wirksame Erledigungserklärung liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur vor, wenn eine Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Der ursprünglich erhobene Leistungsantrag war aber zu keinem Zeitpunkt begründet.246 Die Kosten des Verfahrens können nach § 243 Abs. 1 Nr. 2 FamFG trotz der Rücknahme nach billigem Ermessen ganz oder teilweise dem Antragsgegner auferlegt werden, wenn er zu dem Unterhaltsverfahren dadurch Anlass gegeben hat, dass er seiner Auskunftsverpflichtung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist.
XIV. Abänderungsverfahren 830 In der Praxis spielt die Abänderung gerichtlicher sowie sonstiger Unterhaltstitel eine große Rolle. Nach dem FamFG gliedern sich die Vorschriften zur Abänderung von Unterhaltstiteln nach der Art des abzuändernden Titels, weil für sie jeweils unterschiedliche Regeln gelten. § 238 FamFG bezieht sich auf die Abänderung gerichtlicher Endentscheidungen, § 239 FamFG auf die Änderung von Vergleichen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sowie auf vollstreckbare Urkunden (vorzüglich auf notarielle Unterhaltsvereinbarungen und auf das vor einem Notar oder dem Jugendamt abgegebene Unterhaltsanerkenntnis) und § 240 FamFG auf die Abänderung von Entscheidungen gemäß §§ 237 und 253 FamFG (erstmalige Festsetzung des Kindesunterhalts im Zusammenhang mit der Vaterschaftsfeststellung und Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren). 831 Mit der Schaffung spezieller Regelungen über die Änderung von Unterhaltstiteln geht keine wesentliche Änderung der Rechtslage einher, wie sie sich aus § 323 ZPO a.F. nach den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen herausgebildet hat.247 Der Gesetzgeber hat mit der stärkeren Aufgliederung nach Art des abzuändernden Titels nur die Übersichtlichkeit der Regelung insgesamt erhöht. Außerdem ergibt sich die Rechtslage stärker als bisher unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut selbst.248 244 FamGB/Griesche, § 254 Rn. 8 m.w.N.; OLG Köln, FamRZ 1984, 1029. 245 BGH, FamRZ 1995, 797. Zu den Auswirkungen auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vgl. Rn. 719. 246 BGH, NJW 1994, 2895 m.w.N. 247 BT-Drucks. 16/6308, S. 170 und 257. 248 BT-Drucks. 16/6308, S. 170 und 257.
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XIV. Abänderungsverfahren
In diesem Kapitel werden die Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG be- 832 handelt. Das Verfahren nach § 240 FamFG findet sich im Kapitel XVII unter Rn. 942. 1. Abänderung gerichtlicher Entscheidungen (§ 238 FamFG)
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Abänderungsantrag nach § 238 FamFG …
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Ziffer 1 des Urteils des Amtsgerichts Pankow-Weißensee (Familiengericht) vom … Aktenzeichen … wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin ab dem … jeweils monatlich im Voraus bis spätestens zum 3. des Monats eine monatliche Unterhaltsrente i.H.v. … Euro zu zahlen hat. oder Die Ziffer 1 des Unterhaltsbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof Kreuzberg (Familiengericht) vom … Aktenzeichen … wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab … keinen Unterhalt mehr schuldet (oder: nur noch eine Unterhaltsrente von … Euro schuldet). Ferner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 242 FamFG i.V.m. § 769 Abs. 1 ZPO beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der vorgenannten Entscheidung für die Zeit ab … ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Begründung: (Darstellung des Sachverhalts, insbesondere die dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden Verhältnisse sowie die Abänderungsgründe (d.h. die gegenwärtige Sach- und Rechtslage), Vorlage des abzuändernden Titels etc.; die Tatsachen in der Antragsschrift sind im Hinblick auf den Antrag gemäß § 242 FamFG, § 769 ZPO glaubhaft zu machen, § 294 ZPO). § 238 FamFG ist die – auf § 323 ZPO a.F. aufbauende249 – Spezialregelung für die 834 Abänderung gerichtlicher Endentscheidungen in Unterhaltssachen. Sie ermöglicht die notwendige Korrektur einer Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen nach § 258 ZPO, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit Erlass des Unterhaltstitels verändert haben und der Unterhaltsgläubiger aus diesem Grund höheren Unterhalt verlangen bzw. der Unterhaltsschuldner weniger Unterhalt entrichten will. Beide Teile können im Wege des Abänderungsverfahrens die entsprechende Abänderung der gerichtlichen Entscheidung verlangen, wenn nachträglich eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die für die Verpflichtung zur Entrichtung der Unterhaltsrente, für die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren. Das Abänderungsverfahren als verfahrensrechtliches Gestal249 BT-Drucks. 16/6308, S. 257.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
tungsmittel zielt auf die Abänderung des früheren Unterhaltstitels und erlaubt die Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher Endentscheidungen. 835 Das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG erfordert eine Gegenüberstellung der für die Unterhaltsfestlegung maßgebenden Verhältnisse mit den gegenwärtigen, veränderten Gegebenheiten – weshalb der Antragsteller zu beiden Bezugspunkten vorzutragen hat. § 238 FamFG erlaubt grundsätzlich weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits aus dem vorangegangenen Verfahren eine Bewertung erfahren haben.250
" Praxishinweis: Im Abänderungsverfahren darf sich der darlegungs- und be-
weisbelastete Antragsteller nicht darauf beschränken, den nach den gegenwärtigen Verhältnissen zu zahlenden Unterhalt zu berechnen. Vielmehr muss er dem Gericht den Vergleich zwischen den früheren, für die Unterhaltsfestlegung maßgebenden Verhältnissen und der gegenwärtigen Sachund Rechtslage ermöglichen.
a) Zulässigkeit des Abänderungsantrags aa) Anwendungsbereich der Norm 836 Einer Abänderung zugänglich ist gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts, also (bisher) das Urteil in Unterhaltsstreitigkeiten, künftig der an die Stelle eines Urteils tretende Unterhaltsbeschluss nach §§ 116, 38 FamFG. Der Anwendungsbereich des § 238 FamFG ist weit. Nach einer Titulierung des vollen Unterhalts ist regelmäßig nur das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG möglich und ein Leistungsverfahren (Erstverfahren) ausgeschlossen.251 Dabei spricht im Zweifel eine Vermutung dafür, dass in einem vorhergehenden Gerichtsverfahren der Unterhalt in voller Höhe geltend gemacht worden ist.252 In den Anwendungsbereich fallen alle Urteile oder (künftig) Beschlüsse nach §§ 116, 38 FamFG, die eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt enthalten (auch Anerkenntnis- und Versäumnisurteile/bzw. -beschlüsse) sowie Abänderungsurteile/-beschlüsse, selbst wenn darin die zuvor zuerkannte Unterhaltsrente gestrichen wird.253 Ein Abänderungsantrag muss sich gegen den zuletzt ergangenen vollstreckbaren Unterhaltstitel richten.254 Das gilt unabhängig von der Art des Titels. Ist ein Unterhaltsschuldner z.B. zunächst durch Urteil zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet worden und hat er später in einer vollstreckbaren Urkunde vor dem Jugendamt einen inzwischen erhöhten Unterhalt anerkannt, ist nicht das Urteil nach § 238 FamFG, sondern der nachfolgende Titel gemäß § 239 FamFG abzuändern. Haben sich die Beteiligten jedoch auf Unterhaltsbeträge, die von einem früher ergangenen Unterhaltsurteil abweichen, lediglich privat verständigt und darauf verzichtet, einen neuen vollstreckbaren Titel zu schaffen, ist bei einem neu250 251 252 253
BGH, FamRZ 2010, 195, 196; FamRZ 2007, 1460 m.w.N. BGH FamRZ 2009, 314, 315, vgl. auch Rn. 809, 810. BGH FamRZ 2009, 314, 315. BGH, FamRZ 2007, 983; FamRZ 2005, 101, 102 f.; FamRZ 1985, 376, 377; OLG Hamm, FamRZ 2007, 1032. 254 BGH, FamRZ 1982, 684.
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XIV. Abänderungsverfahren
erlichen Streit ein Abänderungsantrag gegen das ursprüngliche Urteil geboten. Das gilt auch, wenn das Jugendamt als Unterhaltsbeistand per „Aktenverfügung“ befristet einen geringeren als den vollstreckbar festgesetzten Unterhalt verlangt, weil z.B. der Unterhaltsschuldner arbeitslos geworden und nicht mehr leistungsfähig ist. Der Titel (Urteil, Beschluss, Jugendamtsurkunde) bleibt bestehen, wenngleich vollstreckungsrechtlich bindend für einen bestimmten Zeitraum auf die Geltendmachung von Unterhalt verzichtet wurde. Die Beteiligten werden allerdings auf das Abänderungsverfahren nur dann ver- 837 wiesen, wenn der streitige Unterhaltsanspruch durch die gerichtliche Endentscheidung für die Zukunft endgültig geregelt ist. Nicht nach § 238 FamFG abänderbar sind deshalb: – Einstweilige Anordnungen: Diese nicht in der Hauptsache ergangenen Regelungen stellen nur vorläufige Titel dar, die aufgrund einer summarischen Prüfung ergehen. Hier kommt zunächst eine Abänderung nach § 54 Abs. 1 FamFG in Betracht.255 Außerdem haben beide Teile die Möglichkeit, das Hauptverfahren einzuleiten, der Unterhaltsgläubiger kann Leistungsantrag, der Unterhaltsschuldner einen negativen Feststellungsantrag stellen.256 – Endentscheidungen mit voller Abweisung des Leistungsantrags: Sie verneinen einen Unterhaltsanspruch wegen fehlender Bedürftigkeit oder mangelnder Leistungsfähigkeit des Beklagten. Eine solche Endentscheidung hat – anders als die zusprechende Entscheidung – keine in die Zukunft weisende Rechtskraftwirkung, für deren Durchbrechung es der Vorschrift des § 238 FamFG bedürfte. Die Abweisung des Unterhaltsantrages beruht nämlich nicht auf einer richterlichen Prognose der Zukunft, sondern auf den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung. Tritt in diesen Fällen Unterhaltsbedürftigkeit bzw. Leistungsfähigkeit später ein, ist kein Angriff gegen Richtigkeit des früheren Urteils erforderlich. Das Unterhaltsverlangen ist vielmehr im Wege eines neuen Leistungsantrags, der nicht an die Voraussetzungen des § 238 FamFG gebunden ist, geltend zu machen. Die Rechtskraft der abweisenden Endentscheidung steht einem neuen Verfahren ebenso wenig im Wege wie in sonstigen Abweisungsfällen, in denen der Eintritt einer neuen Tatsache einen anderen, von der rechtskräftigen Endentscheidung nicht erfassten Lebensvorgang schafft.257 Nicht möglich ist eine Abänderung der gerichtlichen Entscheidung auch in fol- 838 genden Fällen: – Ein Titel über den Trennungsunterhalt kann nicht abgeändert werden, wenn nachehelicher Unterhalt verlangt wird. Trennungs- und Geschiedenenunterhalt sind nicht identisch; der Anspruch auf Trennungsunterhalt erlischt mit der Ehescheidung.258 Der Gläubiger muss einen Leistungsantrag stellen.
" Praxishinweis: Anders liegt es beim Kindesunterhalt: Der Anspruch des
minderjährigen Kindes und des volljährigen Kindes bildet trotz unterschiedlicher Ausgestaltung eine Einheit.259 Ein volljährig gewordenes Kind kann erhöhten Unterhaltsbedarf nur im Wege des Abänderungsverfahrens geltend
255 256 257 258 259
Zöller/Vollkommer, § 238 FamFG Rn. 5. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 41. BGH, FamRZ 2005, 101; BGH, FamRZ 1982, 259. BGHZ 78, 130 (st. Rechtsprechung). BGH, FamRZ 1984, 682; OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 841; 2000, 907.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
machen, ebenso wie auch der Unterhaltspflichtige eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung nur über das Abänderungsverfahren erreichen kann. – Ein Abänderungsverfahren findet auch dann nicht statt, wenn der titulierte Unterhaltsanspruch nicht mehr abgeändert werden kann, sondern endgültig erloschen ist. In diesem Fall ist ein Verfahren nach § 767 ZPO einzuleiten.260 839 In der gerichtlichen Praxis ist oft zweifelhaft, ob anstelle eines Abänderungsverfahrens ein Erst- und Zusatzantrag gestellt werden müsste (vgl. im Näheren auch Rn. 810 ff.). Gleiches gilt für die Frage, ob der Antragsteller im Wege des Abänderungsverfahrens oder der Zwangsvollstreckungsabwehrverfahrens vorzugehen hat (vgl. im Näheren auch Rn. 877, 927, 928 ff.). Die Anwendungsbereiche der verschiedenen Verfahrensarten lassen sich oft nur schwer abgrenzen und überschneiden sich auch zum Teil. Das Gericht wird in jedem Fall auf die – seiner Ansicht nach – richtigen Anträge hinwirken müssen (§ 139 ZPO). Zudem kann ein Abänderungsantrag ohne Weiteres in einen (erstmaligen) Leistungsantrag umgedeutet werden.261 Ist Leistungsantrag gestellt, kann der Antrag jedenfalls im Wege der Änderung (§ 263 ZPO) auch noch in der Rechtsmittelinstanz als Abänderungsantrag gestellt werden.262 bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen 840 Neben den allgemeinen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen wie der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (vgl. hierzu Rn. 622 ff.) ist die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 238 FamFG von weiteren besonderen Voraussetzungen abhängig. Die Beteiligten des Abänderungsverfahrens müssen mit denen des Vorprozesses identisch sein; allerdings reicht es aus, dass sich die Rechtskraft der Vorentscheidung auf sie erstreckt.263 Zur Erhebung der Abänderungsverfahren befugt sind daher Kinder, wenn ihr Unterhaltsanspruch von einem Elternteil im Wege der gesetzlichen Verfahrensstandschaft geltend gemacht wurde und die gesetzliche Verfahrensstandschaft beendet ist.264 Zur Führung des Abänderungsverfahrens befugt ist auch der Rechtsnachfolger eines Beteiligten.265 Umgekehrt ist der Inhaber eines Unterhaltstitels selbst dann gegenüber einem Abänderungsbegehren nach § 238 FamFG passivlegitimiert, wenn er Arbeitslosengeld bezieht und sein Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes auf die Agentur für Arbeit übergegangen ist. 841 Die Zulässigkeit des Abänderungsantrags setzt nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG ferner voraus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich – ihr Vorliegen unterstellt – eine wesentliche Veränderung derjenigen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt, die für die Festlegung des Unterhalts maßgebend waren.266 Diese Prüfung ist bedeutsam, weil nur der als unbegründet abgewiesene Abänderungsantrag Präklusion nach § 238 Abs. 2 FamFG für ein weiteres Abänderungsverfahren bewirken kann (vgl. hierzu Rn. 847). 260 261 262 263 264 265 266
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OLG Hamm, FamRZ 1993, 1476 f. BGH, FamRZ 1986, 662 m.w.N.; OLG Hamm, FamRZ 1997, 619. BGH, NJW 2001, 2259, 2260. BGH, NJW 1983, 685; KG, FamRZ 1994, 760. BGH, NJW 1983, 1976. OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 765; OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 1512. BGH, FamRZ 2007, 1459, 1460.
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XIV. Abänderungsverfahren
b) Begründetheit des Abänderungsantrags Gemäß § 238 FamFG müssen sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnis- 842 se, die der abzuändernden Entscheidung zugrunde lagen, nach Erlass der Entscheidung wesentlich geändert haben. Liegen diese in § 238 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG genannten Voraussetzungen vor, ist als Rechtsfolge die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen (§ 238 Abs. 4 FamFG) und der Zeitschranke nach § 238 Abs. 3 FamFG anzupassen. aa) Wesentliche Veränderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse Beispiele
843 – das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist gestiegen/gesunken; Belastungen oder weitere Unterhaltsberechtigte auf seiner Seite sind entfallen; – der Unterhaltsberechtigte hat nunmehr eigenes Einkommen/kein eigenes Einkommen mehr; er bezieht Rente,267 – der Unterhaltsberechtigte lebt inzwischen in einer gefestigten neuen Beziehung; – die Unterhaltsbedarfssätze oder die Selbstbehaltssätze in den Unterhaltsrichtlinien der Oberlandesgerichte sind erhöht worden; – im Falle von statischem Kindesunterhalt: das minderjährige Kind hat die nächste Altersstufe erreicht – bei fiktiven Einkünften: das Lohnniveau ist gestiegen; der Unterhaltspflichtige hat sich inzwischen ausreichend, aber auch erfolglos um eine Beschäftigung bemüht268
In all diesen Fällen der Änderungen tatsächlicher Art (hierzu zählen auch die Ta- 844 bellensätze als Ausdruck der wirtschaftlichen Verhältnisse) erlaubt das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG eine Korrektur der zwischenzeitlich unvorhersehbar unrichtig gewordenen Unterhaltsfestlegung, wobei eine wesentliche Veränderung gemäß § 238 Abs. 4 FamFG immer dann vorliegt, wenn die Veränderung zu einer um ca. 10 % erhöhten oder verminderten Unterhaltsrente führt.269 Innerhalb der Unterhaltstabellen ist das Kriterium der Wesentlichkeit dann erfüllt, wenn der Unterhaltsbetrag der nächsten Altersstufe zu entnehmen ist. Die eingetretene Änderung muss überdies nachhaltig sein. Lediglich vorüber- 845 gehende Änderungen, z.B. eine kurzzeitige Arbeitslosigkeit, berechtigen nicht zur Abänderung des Unterhalts.270 Ebenso wie die Änderungen tatsächlicher Art erlauben eine Änderung der Geset- 845a zeslage und die ihr gleichkommende verfassungskonforme Auslegung einer Norm durch das BVerfG eine Abänderung des Unterhaltstitels. Gleiches gilt für die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn sie eine andere Rechtslage schafft und in ihren Auswirkungen einer Gesetzesänderung oder Änderung der Rechtslage durch die Rechtsprechung des BVerfG gleichkommt. Dies trifft auf die geänderte Rechtsprechung des BGH zur Bedarfs267 268 269 270
BGH, FamRZ 2005, 1479. BGH, FamRZ 2008, 872, 873 m.w.N. BGH, FamRZ 1992, 539. OLG Dresden, FamRZ 1998, 767.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
bemessung eines früher im Haushalt tätigen Ehegatten zu. Der mit Urteil vom 13.6.2001 vollzogene Übergang von der sog. Anrechnungs- zur Differenzmethode kommt einer Gesetzesänderung nahe, zumal das BVerfG mit Beschluss vom 5.2.2002 entschieden hat, dass erst die neue Rechtsprechung des BGH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.271 Zur Änderung der Gesetzeslage durch das UÄndG s. Rn. 972 ff., 975 ff. Kein Abänderungsgrund sind dagegen neue Beweismöglichkeiten oder eine neue und abweichende rechtliche Bewertung gleichgebliebener Umstände. 846 Die in einem Unterhaltsverfahren aufgrund eines Anerkenntnisses ergangene Entscheidung (§ 307 ZPO) entfaltet ebenso wie eine Versäumnisentscheidung gemäß § 331 ZPO aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung für ein späteres Abänderungsverfahren.272 Doch ist bei diesen Entscheidungsformen die Frage, welche Verhältnisse für die Feststellung der Unterhaltsverpflichtung maßgebend waren, nicht leicht zu beantworten. – Wird die Abänderung einer Anerkenntnisentscheidung verlangt, so kommt es für die Frage, ob eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, auf die dem Anerkenntnis zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände an.273 Nach der Auffassung des BGH beruht die Entscheidung aufgrund eines Anerkenntnisses weder auf dem Vorbringen des Antragstellers noch auf den hiervon möglicherweise abweichenden Erwägungen, die den Unterhaltsschuldner zu dem Anerkenntnis bewogen haben könnten. Deshalb könnten nur die dem Anerkenntnisurteil zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände dafür maßgebend sein, ob sich nachträglich eine Veränderung ergeben hat.274 – Auch für die Abänderung des Versäumnisbeschlusses kommt es auf die seinerzeit tatsächlich vorliegenden Verhältnisse und nicht auf den nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gewertete Tatsachenvortrag des Antragstellers an.275 Nur in dem Umfang, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse bei Ablauf der Einspruchsfrist (§ 238 Abs. 2 FamFG) inzwischen geändert haben, ist eine Abänderung der rechtskräftigen Versäumnisentscheidung zulässig. Eine Korrektur der dem abzuändernden Versäumnisbeschluss vorausgegangenen Fehler, die im Abänderungsverfahren nicht möglich ist, kann nach Auffassung des BGH nur so ausgeschlossen werden.276 Beispiel Durch Versäumnisurteil vom 18.12.2007 ist der Unterhaltsschuldner auf der Grundlage eines Monatslohns von 2 000 Euro zu Unterhaltszahlungen von 620 Euro monatlich verurteilt worden. Tatsächlich hatte der Unterhaltspflichtige zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitsstelle aufgrund eigener Kündigung bereits verloren. Im Abänderungsverfahren ist diese Tatsache ebenso wenig zu berücksichtigen wie die Behauptung des Unterhaltsschuldners, er sei aufgrund der Arbeit in Dreischichtsystem zur Kündigung seiner Arbeit berechtigt gewesen. Mit diesen Einwendungen ist der Unterhaltsschuldner präkludiert. Behauptet der Unterhaltspflichtige, er hätte seinen Arbeitsplatz jedenfalls im Jahr 2008 durch betriebsbedingte Kündigung verloren, trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast. 271 272 273 274 275 276
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BGH, FamRZ 2001, 986; BVerfG, FamRZ 2002, 527. BGH, FamRZ 2007, 1459 m.w.N. BGH, FamRZ 2007, 1459 mit Anm. Hoppenz und Anm. Herr, FamRZ 2007, 1877. BGH, FamRZ 2007, 1459 mit Anm. Hoppenz und Anm. Herr, FamRZ 2007, 1877. BGH, FamRZ 2010, 1150. BGH, FamRZ 2010, 1150.
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XIV. Abänderungsverfahren
bb) Nachträgliche Änderung, Präklusion Der Abänderungsantrag kann gem. § 238 Abs. 2 FamFG nur auf Gründe gestützt 847 werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Diese Vorschrift enthält die aus § 323 Abs. 2 ZPO a.F. bekannte Tatsachenpräklusion für den Antragsteller. Für die Präklusionswirkung kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut in § 238 Abs. 2 FamFG allein darauf an, ob die Gründe, auf die ein Abänderungsantrag gestützt wird, vor oder nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind. Für die zeitliche Zensur ist maßgeblich, wann die wesentliche Veränderung objektiv eingetreten ist, nicht ein eventuell früherer Zeitpunkt, zu dem eine Änderung voraussehbar war.277 Die Präklusion ist insbesondere bei Umständen, die im Erstverfahren nicht vor- 848 getragen wurden, von Bedeutung.278 Der Antragsteller kann seinen Abänderungsantrag nicht auf Gründe gestützt werden, die bereits im vorigen Verfahren durch den damaligen Antragsteller/Kläger oder dessen Gegner279 hätten eingeführt werden können. Dies soll selbst für solche Umstände gelten, die im Erstverfahren deshalb nicht berücksichtigt wurden, weil keiner der Beteiligten sie kannte.280 Der Antragsgegner des Abänderungsverfahrens ist dagegen in seiner Rechtsverteidigung nicht an die Präklusionsvorschrift gemäß § 238 Abs. 2 FamG gebunden. Hier soll die Rechtskraftwirkung der vorangegangenen Endentscheidung nicht beseitigt, sondern gewahrt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass das Vorbringen nicht schon Gegenstand des Ausgangsverfahrens war.281 Der Antragsgegner ist deshalb auch ausgeschlossen mit Tatsachen, die er im Ausgangsverfahren vorgetragen und die das Gericht mangels ausreichender Substantiierung unberücksichtigt gelassen hat.282 Bei mehreren aufeinanderfolgenden Abänderungsverfahren kommt es nur auf 849 eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse seit Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens an, und zwar unabhängig von der Parteistellung oder Zielrichtung dieses Verfahrens.283 Zu der Frage, ob eine bestehende Unterhaltsregelung zum Aufstockungsunter- 850 halt im Wege eines Abänderungsantrags an das mit dem 1. Januar 2008 in Kraft getretene neue Unterhaltsrecht angepasst werden kann, wenn eine Befristung des Aufstockungsunterhalts schon nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Recht möglich war, aber nicht erfolgt ist, vgl. Rn. 978.
277 278 279 280
Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 77. Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 79. Johannsen/Henrich/Brudermüller, § 323 ZPO Rn. 97. Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rn. 33; Baumbach/Hartmann, § 323 ZPO Rn. 50; OLG Köln, FamRZ 1987, 846; OLG Zweibrücken, FamRZ 1981, 1190; OLG Düsseldorf, FamRZ 1979, 803. 281 BGH, FamRZ 2001, 1364; Johannsen/Henrich/Brudermüller, § 323 ZPO Rn. 96. 282 BGH, FamRZ 2001, 1364, 1365; OLGR Köln 2007, 218; KG, Urt. v. 9.3.2010 – 18 UF 91/09; s. auch Rn. 525a, Praxishinweis und Rn. 464a. 283 Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 75.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
cc) Unterhaltsanpassung 851 Der Unterhalt ist unter Wahrung der Grundlagen der Erstfestsetzung der veränderten Sachlage anzupassen. Bei einer kontradiktorischen Endentscheidung ist eine von der ersten Entscheidung unabhängige Neufestsetzung oder eine von der Erstentscheidung abweichende Beurteilung der Verhältnisse nicht möglich.284 852 Sind die Berechnungsgrundlagen für eine Anerkenntnisentscheidung nicht mehr rekonstruierbar, bleibt nur die Möglichkeit, den geschuldeten Unterhalt – wie bei der Erstfestsetzung – nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu bemessen. Lässt sich bei einem Anerkenntnis die Berechnung des dann titulierten Unterhalts, gemessen an den damaligen tatsächlichen Verhältnissen, nicht nachvollziehen, so ist der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen.285 c) Zeitschranke 853 Nach § 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist die Abänderung einer Entscheidung zum Unterhalt grundsätzlich nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags zulässig. 854 Doch darf die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung in einer Unterhaltsstreitsache auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags erfolgen, wenn der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet ist und der Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für Vergangenheit verlangen kann (§ 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Das ist dann möglich, wenn der Verpflichtete vom Berechtigten im Geltungsbereich des § 1613 BGB aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte oder sein Vermögen zum Zweck der Unterhaltsberechnung Auskunft zu erteilen, oder wenn der Verpflichtete mit der erhöhten Unterhaltszahlung in Verzug gesetzt worden ist. 855 Ein Antrag auf rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts ist ebenfalls zulässig, wenn der Antragsteller ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen gestellt hat (§ 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Nach der Formulierung des Gesetzes ist unklar, ob sich das erforderliche entsprechende Verzichtsverlangen nur auf eine (nicht näher spezifizierte) „Herabsetzung“ des Unterhalts richten oder ob es inhaltlich dem Unterhaltsverlangen entsprechen muss, welches nach materiellem Recht den Unterhaltsschuldner zur Nachzahlung verpflichten kann. Der Begründung des Gesetzes zufolge ist Letzteres gemeint. Dort heißt es: Das auf eine Herabsetzung gerichtete Verlangen unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann (§ 1613 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist daher entweder ein Auskunftsverlangen mit dem Ziel der Herabsetzung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltsgläubiger oder eine „negative Mahnung“286. Anders als bei der Erhöhung des Unterhalts wirken diese Handlungen jedoch nicht auf den vergangenen Monatsersten zurück (§ 1613 Abs. 1 BGB), sondern erst ab dem Ersten des Folgemonats (§ 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Für mehr als 284 BGH, FamRZ 2001, 1364, st. Rechtsprechung; vgl. Graba, FamRZ 2002, 715, 725. 285 BGH, FamRZ 2007, 1459. 286 BT-Drucks. 16/6308, S. 258.
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XIV. Abänderungsverfahren
ein Jahr vor Rechtshängigkeit kann eine Herabsetzung des Unterhalts nicht verlangt werden (§ 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG). Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, d.h. ein vorgeschaltetes 856 Verfahrenskostenhilfeverfahren durchbricht die Zeitschranke nicht. Der Kläger muss hier entweder um sofortige Zustellung des Antrags nach § 15 Nr. 3 FamGKG nachsuchen oder den Gerichtskostenvorschuss einzahlen.287 2. Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG)
u
Abänderungsantrag nach § 239 FamFG …
26 857
Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Ziffer 1 des von den Beteiligten am … vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) zum Aktenzeichen … geschlossenen Vergleichs wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab … keinen Unterhalt mehr schuldet (oder: nur noch eine Unterhaltsrente von … Euro schuldet). Ferner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach §§ 242 FamFG, 769 Abs. 1 ZPO beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorstehenden Vergleich für die Zeit ab … ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Begründung: (Darstellung des Sachverhalts, insbesondere die dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden Verhältnisse sowie die Abänderungsgründe, Vorlage des abzuändernden Titels etc.; die Tatsachen in der Antragsschrift sind im Hinblick auf den Antrag gemäß §§ 242 FamFG, 769 ZPO glaubhaft zu machen, § 294 ZPO).
a) Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens aa) Anwendungsbereich und Abgrenzung Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder eine vollstreckbare Ur- 858 kunden eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt, kann jeder Teil die Abänderung beantragen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Norm regelt die Änderung von nicht der Rechtskraft fähigen, aber bindenden Unterhaltstiteln. Der Abänderung nach § 239 Abs. 1 FamFG unterliegen insbesondere: – gerichtlich protokollierte Vergleiche zur Regelung des Unterhalts; – notarielle Urkunden mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung und die von den Jugendämtern nach §§ 59, 60 SGB VIII errichteten Urkunden.
287 Zweifelnd Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rn. 38.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
859 Die Beteiligten sind auf das Abänderungsverfahren nur dann verwiesen, wenn der streitige Unterhaltsanspruch in vollstreckbarer Form geregelt ist. Nicht nach § 239 FamFG abänderbar sind deshalb privatschriftliche Vereinbarungen.288 Beansprucht der Unterhaltsberechtigte mehr als den vereinbarten Unterhalt, muss er ein Zahlungsverfahren (§ 258 ZPO) einleiten. Will der Unterhaltsverpflichtete dagegen die Unterhaltszahlungen reduzieren, muss er auf das negative Feststellungsverfahren zurückgreifen (sofern er nicht die Zahlung einstellen und die Reaktion der Gegenseite abwarten will). Die Auslegung und Anpassung der privatschriftlichen Vereinbarung erfolgt im gerichtlichen Verfahren nach den Regeln des materiellen Rechts, die Abänderung des vereinbarten Unterhalts unterliegt damit den in § 313 BGB geregelten Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage. 860 Ist durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich oder durch eine notariell beurkundete Vereinbarung Unterhalt nur für einen bestimmten Zeitraum festgelegt worden, so ist ein für einen späteren Zeitraum behaupteter Unterhaltsanspruch im Wege des Leistungsantrags (§ 258 ZPO) geltend zu machen.289 Auch wenn die Beteiligten mit der getroffenen Regelung zum Ausdruck bringen wollten, dass für die Zukunft kein Anspruch auf Unterhalt mehr besteht, beschränkt sich die Vereinbarung auf den festgelegten materiellen Anspruch. Sein künftiges Nichtbestehen wird durch eine Vereinbarung – anders als bei einem Urteil – nicht bindend festgestellt.290 861 Ungeklärt ist die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten das Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG eröffnet ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete eindeutig nur einen Teil (Sockelbetrag) des verlangten Unterhalts in vollstreckbarer Form anerkannt hat.291 Der Wortlaut des § 239 FamFG lässt dies zu. Er verlangt lediglich eine Urkunde, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Nicht vorausgesetzt ist, dass der urkundlich festgehaltene Unterhaltsbetrag den vollen Unterhalt darstellt. Die zu § 323 Abs. 4 ZPO a.F. vom BGH zum Teil vertretenen Auffassung292, der Unterhaltsberechtigte müsse den darüber hinausgehende Spitzenbetrag gesondert im Wege des Leistungsantrags verfolgen, könnte überholt sein (vgl. im Näheren Rn. 810). bb) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen 862 Wie bei § 238 FamFG gehört zur Zulässigkeit eines Abänderungsantrags neben den allgemeinen und besonderen Voraussetzungen eines Abänderungsverfahrens (wie örtliche Zuständigkeit des Gerichts, Identität der Beteiligten, vgl. Rn. 840) der schlüssige Vortrag von Abänderungsgründen. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die – ihr Vorliegen unterstellt – die Abänderung rechtfertigen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
288 Wendl/Schmitz, § 10 Rn. 143a und 144a; BGH, FamRZ 1982, 782. 289 BGH, FamRZ 2007, 983 mit Anm. Schürmann. 290 BGH, FamRZ 2007, 983 mit Anm. Schürmann; Keidel/Meyer-Holz, § 239 FamFG Rn. 27. 291 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917, 922 hält den Abänderungsantrag nach § 239 FamFG für allemal zulässig; a.A. Graba, FPR 2010, 159, 160. 292 BGH, FamRZ 2010, 195, 197 mit Anm. Schmidt, FamRZ 2010, 447; BGH, FamRZ 2009, 314, 315; jeweils ohne Auseinandersetzung mit der eigenen Rechtsprechung in BGH, FamRZ 2008, 1152; BGH, FamRZ 2004, 24.
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XIV. Abänderungsverfahren
b) Begründetheit des Abänderungsantrags Die Abänderung von Vergleichen und Urkunden unterliegt allein dem materiel- 863 len Recht. § 239 Abs. 2 FamFG bestimmt, dass sich die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts richten. Dabei ist zwischen Unterhaltsvereinbarungen (z.B. Prozessvergleich oder notarieller Vertrag) und einseitigen Verpflichtungserklärungen (z.B. der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt nach §§ 59, 60 SGB VIII) zu unterscheiden. aa) Abänderung von Vereinbarungen Geht es um die Abänderung eines gerichtlich protokollierten Vergleichs oder ei- 864 ner notariellen Vereinbarung, ist zunächst zu prüfen, ob die Beteiligten hierzu besondere Absprachen getroffen haben. Solche Regelungen sind in dem vom materiellen Recht (§ 1614 Abs. 1 BGB) und den guten Sitten gezogenen Grenzen zu beachten.293 So können die Vertragspartner einen (befristeten) Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit vereinbaren, ebenso wie die Abänderung ohne Bindung an die Grundlagen der Vereinbarung, nur nach Maßgabe des gesetzlichen Unterhaltsrechts. In diesem Fall ist die Abänderbarkeit oder der Ausschluss der Abänderbarkeit Teil der Vereinbarung. Ein Beispiel findet sich unter Rn. 608. Sind zur Abänderbarkeit der Vereinbarung keine besonderen Absprachen getrof- 865 fen, unterliegt die Abänderung den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Dabei ist für die Beantwortung der Frage, welche Verhältnisse zur Grundlage der Vereinbarung gehören und wie die Beteiligten sie bewerten, allein auf den Willen der Vertragspartner abzustellen. Haben sich diese Grundlagen nach Abschluss der Unterhaltsvereinbarung schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1 BGB). Danach hat ein Abänderungsantrag in der Regel Erfolg, wenn der Antragsteller darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass sich die dem Vertrag zugrunde gelegten Verhältnisse nach Abschluss der Vereinbarung über den Unterhalt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht wesentlich verändert haben und eine Anpassung des Unterhalts erforderlich ist.
" Praxishinweis: Um die Grundlagen eines gerichtlichen Vergleichs oder ei-
ner notariellen Vereinbarung später ohne Streit und Schwierigkeiten feststellen zu können, empfiehlt es sich, in jede Vereinbarung die Grundlagen (Einkommen der Beteiligten, Verbindlichkeiten, Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen, sonstige Unterhaltsverpflichtungen nach Grund und Höhe, Kindergeld: Bezugsberechtigung und Höhe usw.) aufzunehmen.
Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage nieder- 866 gelegt, spricht dies nicht für eine so weitgehende Vereinbarung der Parteien wie den Ausschluss der Abänderbarkeit auch bei späteren wesentlichen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse. Vielmehr ist in diesen Fällen die Abänder293 Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917, 922; Heinemann, FamRB 2010, 184 unter Hinweis darauf, dass auch eine ausdrückliche Unabänderlichkeitsklausel an §§ 313, 242 BGB zu messen ist.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
barkeit wegen Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) durch geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Vertragsschluss oder durch eine Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig nicht ausgeschlossen.294 867 Unterhaltsvergleiche sind unter Wahrung der ursprünglichen Vergleichsgrundlagen den veränderten Verhältnissen anzupassen. Haben sich allerdings die Grundlagen eines Vergleichs über den Unterhalt so tiefgreifend verändert, dass der Wille der Vertragspartner keinen Anhalt für die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch bietet, so ist der Unterhaltsanspruch ausnahmsweise wie bei einer Erstfestsetzung nach der materiellen Rechtslage festzusetzen.295 Sind die Berechnungsgrundlagen in einem Vergleich nicht mehr rekonstruierbar, bleibt ebenfalls nur die Möglichkeit, den geschuldeten Unterhalt – wie bei der Erstfestsetzung – nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu bemessen. Eine Bindung an den Vergleich kommt dann nicht in Betracht.296 bb) Abänderung von einseitigen Verpflichtungserklärungen 868 Soll eine notarielle vollstreckbare Verpflichtungserklärung oder eine Jugendamtsurkunde, aus der gemäß § 60 SGB VIII die Zwangsvollstreckung entsprechend den Vorschriften der ZPO stattfindet, abgeändert werden, muss unterschieden werden: – Gründet die Urkunde auf einer Einigung der Beteiligten, ist es wegen der Ähnlichkeit mit einer gerichtlichen oder notariellen Vereinbarung gerechtfertigt, die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden.297 Die Abänderung kann in einem solchen Fall nicht frei von den Grundlagen des abzuändernden Titels erfolgen. – Enthält die Urkunde dagegen nur ein einseitiges Schuldversprechen, kann der Unterhaltsberechtigte im Abänderungsverfahren eine Neufestsetzung des Unterhalts nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen.298 Er braucht nicht darzulegen, dass eine schwerwiegende Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine rein einseitige Titulierung durch den Schuldner entfaltet für den Gläubiger keine Bindungswirkung. 869 Nicht abschließend geklärt ist die Rechtslage, wenn der Unterhaltsverpflichtete seinerseits die Abänderung einer von ihm einseitig errichteten Urkunde begehrt. Nach Auffassung eines Teils der Rechtsprechung kommt es auch in diesem Fall nicht auf eine Änderung der Verhältnisse, sondern allein auf die derzeitige Rechtslage an.299 Die Gegenmeinung – welcher auch der BGH zuzuneigen
294 BGH, FamRZ 2010, 192. 295 BGH, FamRZ 1994, 696, 698; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 1999, 1349; OLG München, FamRZ 2000, 612. 296 BGH, FamRZ 2001, 1140. 297 BGH, FamRZ 2003, 304, 306; OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1849; Graba, FamRZ 2005, 678, 682. 298 BGH, FamRZ 2004, 24; OLG Frankfurt, OLGR 2006, 977. 299 OLG München, FamRZ 2002, 1271, 1272; OLG Nürnberg, MDR 2004, 281; FA-FamR/ Gerhardt 6. Kap. Rn. 661b.
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XIV. Abänderungsverfahren
scheint300 – stellt sich auf den Standpunkt, dass der Unterhaltsschuldner unter dem Gesichtspunkt des Schuldversprechens an die Grundlagen des bisherigen Titels gebunden ist mit der Folge, dass die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage zumindest entsprechend anzuwenden sind und nur eine Anpassung an geänderte Verhältnisse erfolgen darf.301 c) Keine Zeitschranke Zeitliche Schranken für die (rückwirkende) Abänderung setzt § 239 FamFG 870 nicht. Vergleiche und Urkunden sind auch rückwirkend abänderbar,302 und zwar für den Berechtigten ab dem Zeitpunkt, da er den Verpflichteten mit dem Erhöhungsverlangen in Verzug gesetzt oder zur Auskunft aufgefordert hat (§ 1613 Abs. 1, § 1585b Abs. 2 BGB). Für den Unterhaltsverpflichteten ist der Unterhaltstitel ab dem Zeitpunkt abänderbar, da sich die Verhältnisse tatsächlich geändert haben, und zwar auch ohne Verzug, d.h. auch ohne dass er die Verringerung seines Einkommens und damit des Unterhaltsanspruchs dem Berechtigten vorher mitgeteilt und ihn zum (teilweisen) Verzicht auf die Rechte aus dem Titel aufgefordert haben muss.303 Allerdings ist der Unterhaltsberechtigte – bis zur Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens (§ 241 FamFG) – durch § 242 und § 818 Abs. 3 BGB geschützt und kann sich gegenüber einem Rückzahlungsverlangen (vgl. Rn. 556l) auf den Einwand der Entreicherung berufen.304 3. Verschärfte Haftung § 241 FamFG begründet die verschärfte Haftung des Empfängers von Unterhalts- 871 zahlungen ab Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrages. Nach bisheriger Rechtslage musste ein Unterhaltspflichtiger zusätzlich zum Abänderungsantrag einen auf Rückzahlung gerichteten gesonderten Leistungsantrag erheben, wenn er die verschärfte Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB herbeiführen wollte. Nunmehr steht bereits die Rechtshängigkeit (aber nicht Anhängigkeit) eines auf Herabsetzung von Unterhalt gerichteten Abänderungsantrags bei der Anwendung des § 818 Abs. 4 BGB der Rechtshängigkeit einer Klage auf Rückzahlung der geleisteten Beträge gleich. Der Unterhaltsempfänger kann sich gegenüber einem späteren Rückzahlungsverlangen nicht mehr mit dem Hinweis verteidigen, dass er den gezahlten Unterhalt verbraucht habe (s. auch Rn. 556l). Die in § 241 FamFG enthaltene materiell-rechtliche Regelung bezweckt, dem 872 Unterhaltspflichtigen die kostentreibende Erhebung eines auf Rückzahlung von Unterhalt gerichteten Leistungsantrags zu ersparen. Die praktische Konsequenz dieser Regelung dürfte indes vor allem darin bestehen, dass in den Fällen, in denen trotz Einleitung eines Abänderungsverfahrens der bisherige Unterhalt weitergezahlt wird – z.B., weil ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 242 FamFG keinen Erfolg hat –, die gezahlten Beträge ab Zustellung des Abänderungsantrages nicht mehr oder nicht in voller Höhe für den Un300 BGH, FamRZ 2007, 715 m. Anm. Hoppenz. 301 OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 767; Graba, FamRZ 2005, 678, 681 f.; offengelassen von OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1849, 1850. 302 BGH, FamRZ 1984, 888 m.w.N. 303 BGH, FamRZ 1990, 989, 990. 304 OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1856.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
terhalt verwandt werden dürfen, sondern für ein eventuelles Rückzahlungsverlangen bereitgehalten werden müssen. Es fragt sich, ob die öffentlichen Leistungsträger dieser Situation gerecht werden, wenn die zur freien Verfügung stehenden Mittel des Unterhaltsberechtigten aus diesem Grund den Sozialhilfebedarf unterschreiten.
" Praxishinweis: Anwälte werden die Unterhaltsberechtigten auf die verschärfte Haftung nach § 241 FamFG und auf die Notwendigkeit hinweisen müssen, ab Zustellung des Abänderungsantrags den gezahlten Unterhalt ganz oder teilweise nicht mehr zu verbrauchen, sondern anzusparen.
872a Hat ein Abänderungsantrag teilweise oder in vollem Umfang Erfolg, stellt sich die Frage, ob der überzahlte Unterhalt zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens zurückgezahlt werden muss. Dies ist jedoch – entgegen der Meinung von Lorenz305 – trotz der zu diesem Zeitpunkt eingetretenen verschärften Haftung des Unterhaltsempfängers nicht der Fall. Allerdings haftet der Empfänger von Unterhaltszahlungen bereits ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens gemäß § 818 Abs. 4 BGB nach den allgemeinen Vorschriften, wozu auch § 291 BGB mit den dort genannten Verweisungen gehört.306 Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind aber immer nur für bereits fällige und durchsetzbare Geldschulden zu entrichten.307 Wird die Verpflichtung erst durch eine gestaltende gerichtliche Entscheidung begründet, so kann die Verzinsungspflicht gem. § 291 Satz 2 BGB erst mit dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung beginnen.308 So liegt es auch bei der Abänderung eines Unterhaltstitels nach §§ 238, 239 FamFG. Erst mit Rechtskraft des Abänderungsbeschlusses wird der streitgegenständliche Unterhaltstitel umgestaltet. Erst dann steht fest, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch besteht und kann Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eintreten. 872b Eine analoge Anwendung des § 241 FamFG auf andere Verfahren, z.B. auf die einstweilige Anordnung, ist abzulehnen (s. Rn. 931). § 241 FamFG gilt nur für ein Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG, ist eine Ausnahmevorschrift und im Grunde genommen ein Fremdkörper im Unterhaltsrecht. Denn Unterhaltszahlungen, die zwar aufgrund eines Unterhaltstitels noch gezahlt werden müssen, gleichwohl vom Unterhaltsbedürftigen (in Höhe des streitigen Betrages) nicht verbraucht werden dürfen, verfehlen ihren Zweck. Zudem hat derjenige, der im konkreten Einzelfall den gezahlten Unterhalt tatsächlich zurückfordern will, weiterhin die rechtliche Möglichkeit, sein Rückzahlungsbegehren im Wege eines konkret bestimmten Leistungsantrags geltend zu machen.309 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung 873 § 242 FamFG normiert die Möglichkeit des Gerichts, entsprechend § 769 ZPO die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel einzustellen oder zu beschränken, wenn ein Abänderungsantrag auf Herabsetzung des Unterhalts anhängig oder hierfür ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eingereicht ist. 305 306 307 308 309
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Zöller/Lorenz, § 241 FamFG Rn. 5. Palandt/Sprau, § 818 BGB Rn. 51. Palandt/Heinrichs, § 291 BGB Rn. 5. Staudinger/Lowisch, § 291 BGB, Rn. 9; MünchKomm.BGB/Thode, § 291 BGB Rn. 9. Zur Antragstellung vgl. OLG Köln, FamRZ 2004, 39.
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XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag
Die angestrebte einstweilige Anordnung nach § 769 ZPO ergeht nicht in einem selbstständigen Verfahren nach §§ 49 ff. FamFG.310 Die Vorschrift gehört vielmehr zu den Vollstreckungsregelungen für Unterhaltsstreitsachen311 und die Maßnahmen des Gerichts nach § 769 ZPO sind abhängig vom Hauptverfahren. Die den Antrag begründenden Behauptungen sind glaubhaft (§ 294 ZPO) zu machen. Dem Gegner ist rechtliches Gehör zu gewähren. Die Entscheidung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt, wobei die Erfolgsaussichten des Abänderungsantrags zu berücksichtigen sind. Das Gericht kann die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstellen, ihre Fortsetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen oder die Aufhebung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheit anordnen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der keine Kostenentscheidung enthält. Die Kosten sind nämlich solche des anhängigen Abänderungsverfahrens.312 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 242 Satz 2 FamFG).
XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag Für den Unterhaltsschuldner stehen neben den Abänderungsverfahren nach 874 §§ 238, 239 FamFG das Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO und – als Gegenstück zum Zahlungsantrag – der negative Feststellungsantrag nach § 256 ZPO zur Verfügung. Diese Verfahren sind in der Praxis längst nicht so bedeutsam wie die Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG. Doch muss sich der Familienrechtler immer wieder mit ihnen befassen. Dabei treten Fehler bei der Wahl der zutreffenden Verfahrensart häufig auf, weil die Abgrenzung zu den Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG schwierig ist.313 1. Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO
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Vollstreckungsabwehrverfahren …
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Es wird beantragt, wie folgt zu beschließen: Die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) geschlossenen Vergleich vom 9.11.2005 (Gesch. Nr. 125 F 17583/05) wird für unzulässig erklärt, soweit Unterhaltsbeträge ab 16.3.2009 tituliert sind. Ferner wird beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem vorstehenden Prozessvergleich ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, soweit Unterhaltsbeträge ab 16.3.2009 tituliert sind. 310 Es ist mithin keine gesonderte Akte mit eigener Geschäftsnummer anzulegen, was in der Praxis gelegentlich geschieht. 311 Prütting/Helms/Bömelburg, § 242 FamFG Rn. 2. 312 Prütting/Helms/Bömelburg, § 242 FamFG Rn. 13; Zöller/Lorenz, § 242 FamFG Rn. 7. 313 Vgl. BGH, FamRZ 2005, 1479.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Begründung: Die Beteiligten, früher Eheleute, schlossen am 9.11.2005 vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zur Erledigung des Unterhaltsrechtsstreits Geschäftsnr. … einen Vergleich, wonach sich der Antragsteller verpflichtete, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt von 250 Euro zu zahlen. Die Ehe der Beteiligten wurde durch das am 16.3.2009 verkündete und rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) – Gesch. Nr. … – geschieden. Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass ihr der Antragsteller nachehelichen Unterhalt schuldet und diese Unterhaltspflicht durch den Vergleich vom 9.11.2005 geregelt ist. Beides ist unzutreffend. Insbesondere schuldet der Antragsteller der Antragsgegnerin keinen Unterhalt aufgrund des Prozessvergleichs vom 9.11.2005. Der Vergleich beendete einen auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt gerichteten Rechtsstreit und bezieht sich damit nur auf den Unterhaltsanspruch gemäß § 1361 BGB. Dieser Anspruch ist aber mit der rechtskräftigen Scheidung entfallen (vgl. hierzu BGH, NJW 1981, 978). Es ist erforderlich, die Zwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO vorläufig bis zum Erlass der Endentscheidung in erster Instanz einzustellen. Denn die Antragsgegnerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 18.4.2009 bereits Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Glaubhaftmachung: Schreiben der Beklagten vom 18.4.2009, welches in Kopie als Anlage 1 beigefügt ist. Beglaubigte und einfache Abschrift sowie Gerichtskostenvorschuss in Höhe von … Euro nach einem vorläufigen Verfahrenswert von … Euro anbei. Unterschrift 876 Das Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO ist für den Unterhaltsschuldner von Bedeutung, wenn er den Fortbestand seiner einmal festgestellten Unterhaltsverpflichtung ganz oder teilweise bestreitet. Ziel dieses Verfahrens ist der Ausspruch, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltstitel künftig ganz, teil- oder zeitweise unzulässig ist.314 Als Gestaltungsverfahren richtet sich das Vollstreckungsabwehrverfahren gegen die Vollstreckbarkeit des Titels schlechthin, nicht nur gegen die Zulässigkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen.315 Das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren ist dann der richtige Rechtsbehelf, wenn sich der Schuldner darauf beruft, dass der Gläubiger seine materiell-rechtliche Rechtsposition verloren hat.316 Dabei kommen als rechtsvernichtende Einwendung der Wegfall des Unterhaltsanspruchs aufgrund von Erfüllung, Erlass, Verzicht oder Verwirkung, als rechtshemmende Einwendung Stundung bzw. Verjährung der Unterhaltsforderung in Betracht. Auch im Musterfall ist das Vollstreckungsabwehrverfahren zulässig, da der Antragsteller den nachträglichen und endgültigen Wegfall der durch den Prozessvergleich geregelten Forderung auf Zahlung von Trennungsunterhalt geltend macht.317 314 315 316 317
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FamGB/Griesche, § 767 ZPO Rn. 1. BGH, NJW-RR 1990, 48, 49. FamGB/Griesche, § 767 ZPO Rn. 5. BGH, FamRZ 1981, 242.
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XV. Vollstreckungsabwehrverfahren und negativer Feststellungsantrag
Die Abgrenzung des Vollstreckungsabwehrverfahrens zum Abänderungsverfah- 877 ren nach §§ 238, 239 FamFG ist schwierig und im Einzelfall umstritten. Für die Abgrenzung zwischen der Rechtsschutzmöglichkeit durch ein Abänderungsverfahren nach §§ 328, 329 FamFG und ein Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO ist grundsätzlich auf den Zweck und die Auswirkungen der jeweiligen Verfahren abzustellen. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verfahrensarten besteht darin, dass das – sowohl dem Unterhaltsberechtigten als auch dem Unterhaltsverpflichteten offen stehende – Abänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG eine materiellrechtliche Veränderung des Unterhaltstitels selbst herbeiführt, während im Vollstreckungsabwehrverfahren der Unterhaltsverpflichtete nur punktuelle Einwendungen gegen den festgestellten Unterhaltsanspruch geltend macht und lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels infolge dieser Einwände beseitigt haben will.318 Wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen schließen sich Vollstreckungsabwehrverfahren und Abänderungsverfahren für den gleichen Streitgegenstand grundsätzlich aus.319 Der Unterhaltsverpflichtete hat keine Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Verfahrensarten. Allerdings ist die Umdeutung eines Vollstreckungsabwehrantrags in einen Abänderungsantrag und umgekehrt möglich.320 Auch eine Verbindung der beiden Anträge im Eventualverhältnis (als Haupt- und Hilfsantrag) ist zulässig321 und im Hinblick auf die bestehenden Abgrenzungsprobleme zu empfehlen. Sie kann aber an § 260 ZPO scheitern, demzufolge eine Anspruchshäufung nur dann zulässig ist, wenn für sämtliche Ansprüche dasselbe Prozessgericht zuständig ist. Letztlich ist der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen eines aus anderen Gründen zulässigen Abänderungsverfahrens des Unterhaltsberechtigten nicht gehindert, Einwendungen nach § 767 ZPO zu erheben.322 Der Antrag im Vollstreckungsabwehrverfahren ist im Hinblick auf § 775 Nr. 1 878 ZPO dahingehend zu formulieren, dass die Zwangsvollstreckung aus dem (genau zu bezeichnenden) Unterhaltstitel für unzulässig erklärt wird. Er darf sich nicht auf Aufhebung des Titels richten oder gar auf die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch erfüllt sei. Unzutreffend ist auch die gelegentlich anzutreffende Formulierung, die Zwangsvollstreckung „aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss“ sei für unzulässig zu erklären. Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der vollstreckbare Unterhaltstitel selbst, gegen dessen Vollstreckbarkeit richtet sich das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren; der Pfändungsund Überweisungsbeschluss stellt bereits eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar (vgl. Rn. 1285 ff.). Wenn die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung nur für einen begrenzten Zeitraum (z.B. wegen Erfüllung) geltend gemacht wird, muss der Antrag dies klarstellen. Zulässig ist das Vollstreckungsabwehrverfahren nur gegen einen vollstreckungs- 879 fähigen Titel.323 Die fehlende Vollstreckungsfähigkeit – z.B. wegen mangelnder Bestimmtheit – des Titels ist mit der Klauselerinnerung nach §§ 732, 797 Abs. 3 ZPO geltend zu machen. Sie kann aber nach einer neueren Rechtsprechung des BGH auch mit einem prozessualen Gestaltungsverfahren analog § 767 ZPO 318 319 320 321 322 323
Zöller/Herget, § 767 ZPO Rn. 5; BGH, NJW 1983, 1330. BGH, FamRZ 2005, 1479. BGH, NJW-RR 1991, 899. Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rn. 17. BGH, FamRZ 2001, 282. BGH, NJW 1997, 2887.
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durchgesetzt werden.324 Erforderlich ist außerdem ein Rechtsschutzbedürfnis, welches vorliegt, wenn die Zwangsvollstreckung ernstlich droht. 880 Richtet sich das Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren gegen ein Urteil, bzw. eine Endentscheidung nach § 38 FamFG ist sie nur dann begründet, wenn die erhobenen Einwände nach Abschluss des ursprünglichen Verfahrens entstanden sind (§ 767 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nur auf den Zeitpunkt der Entstehung der Einwendung an, nicht darauf, wann der Schuldner hiervon Kenntnis erlangt hat. 881 In dem Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren kann die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO beantragt werden, wobei sich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch im Verfahren vor den Familiengerichten nach den allgemeinen Grundsätzen richtet. Dabei kann das Gericht die einstweilige Anordnung schon vor Rechtshängigkeit erlassen. Erforderlich ist aber, dass der Unterhaltsschuldner die Voraussetzungen für die Zustellung des Klageantrags geschaffen und die Verfahrensgebühr eingezahlt hat.325 Kann der Unterhaltsschuldner diese Summe nicht aufbringen, muss er einen Antrag nach § 15 Nr. 3 FamGKG auf sofortige Zustellung stellen. Es reicht nach überwiegender Rechtsprechung nicht aus, dass er ein Gesuch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eingereicht hat. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung auf ein Verfahrenskostenhilfegesuch hin würde die Rechte des Gläubigers zu stark beeinträchtigen.326 2. Negativer Feststellungsantrag nach § 256 ZPO 882 Neben dem Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO bleibt dem Schuldner die Möglichkeit, einen negativen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) zu erheben. Mit ihm begehrt der Unterhaltsschuldner die Feststellung, dass ein Unterhaltsanspruch materiell-rechtlich nicht besteht.
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Negativer Feststellungsantrag
883 … Es wird beantragt festzustellen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab dem 1.9.2009 keinen Unterhalt mehr schuldet. oder …, dass der Antragsteller ab dem 1.9.2009 nicht mehr verpflichtet ist, Unterhalt an die Antragsgegnerin zu zahlen. oder …, dass der Antragsteller ab dem 1.9.2009 nur noch verpflichtet ist, an die Antragsgegnerin einen Unterhalt von 200 Euro monatlich zu zahlen.
324 BGH, FamRZ 2006, 261, 262; vgl. auch Rn. 1253 f. 325 OLG Hamburg, FamRZ 1984, 922 f. 326 Zöller/Herget, § 769 ZPO Rn. 4 m.w.N.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
Das bei einem Feststellungsantrag grundsätzlich erforderliche Feststellungsinte- 884 resse (§ 256 ZPO) liegt immer dann vor, wenn der Unterhaltsanspruch durch einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG geregelt ist. Die Beteiligten einer einstweiligen Anordnung haben jederzeit die Möglichkeit, den Bestand des Unterhaltsanspruchs in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache klären zu lassen, der Gläubiger durch Leistungsantrag, der Schuldner durch negativen Feststellungsantrag. Dabei kann sich der Feststellungsantrag auch auf einen Zeitraum vor Eingang des Antrags bei Gericht beziehen. Die einstweilige Anordnung trifft aufgrund einer summarischen Prüfung nur eine vorläufige Regelung, die keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch darstellt und einer nachträglichen Feststellung des Anspruchs im ordentlichen Verfahren nicht im Wege steht. Die Sachentscheidung über den Unterhaltsanspruch im Hauptsacheverfahren stellt eine anderweitige Regelung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG dar, mit deren Wirksamkeit die einstweilige Anordnung außer Kraft tritt. Praktische Bedeutung hat der negative Feststellungsantrag vor allem bei einer 885 einstweiligen Anordnung zum Ehegattenunterhalt. Eine solche während des Getrenntlebens ergangene einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG entfaltet über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung hinaus rechtliche Wirksamkeit, wenn sie nicht befristet ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Der Gläubiger kann aus diesem Titel vollstrecken, obwohl möglicherweise kein Anspruch auf Geschiedenenunterhalt besteht bzw. der Anspruch auf letzteren geringer ist. Ist der Unterhaltsgläubiger in diesem Fall nicht bereit, auf die Rechte aus der einstweiligen Anordnung ganz oder teilweise zu verzichten, kann der Schuldner neben dem Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG nur die gerichtliche Feststellung verlangen, dass er zu Unterhaltszahlungen nicht mehr verpflichtet ist (negativer Feststellungsantrag). Ein Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG scheidet aus. Und mit dem Vollstreckungsabwehrverfahren können nur nachträglich entstandene rechtshemmende oder -vernichtende Einwendungen geltend gemacht werden. Wegen der Fortgeltung der einstweiligen Anordnung über die Rechtskraft der Scheidung hinaus kann gegenüber einem solchen Titel nicht eingewandt werden, dass der Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB infolge Rechtskraft der Scheidung entfallen ist.327 Zur Rückzahlung des geleisteten Unterhalts s. Rn. 556l.
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz 1. Grundsätzliches Zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs benötigt der Unterhaltsberech- 886 tigte oft rasch einen Unterhaltstitel. Dem dient der einstweilige Rechtsschutz in Unterhaltssachen, dessen bislang unübersichtliche Regelung328 durch das FamFG vereinheitlicht und grundlegend umgestaltet worden ist. Das Recht der einstweiligen Anordnung ist für Unterhaltsstreitigkeiten jetzt zusammengefasst geregelt in den §§ 246 ff., 119 Abs. 1, 49 bis 57 FamFG. Möglich ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die der Unterhaltspflichtige zur Zahlung von Unterhalt (Rn. 893 ff.) und zur Zahlung eines Kostenvorschus327 BGH, FamRZ 1983, 355. 328 Vgl. Gießler FPR 2006, 421 ff.; Kretschmar/Meysen, FPR 2009, 1, 3 bezeichnen die bisherige Rechtslage als „chaotisch“.
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ses (Rn. 727 ff.) verpflichtet wird (§ 246 Abs. 1 FamFG). Nicht mehr zulässig ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung, da das FamFG in § 119 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur auf die §§ 49 ff. FamFG und an keiner Stelle auf die §§ 935 bis 942 ZPO verweist.329 Dagegen ist nach § 119 Abs. 2 Satz 1 FamFG der dingliche oder der persönliche Arrest neben der einstweiligen Anordnung weiterhin zulässig, wenn es darum geht, künftige Unterhaltsansprüche zu sichern.330 887 Wesentlich ist, dass nach den §§ 49 ff. FamFG der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr von der Anhängigkeit einer Ehesache, eines isolierten Unterhaltsverfahrens oder der Einreichung eines Antrags auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abhängt.331 Auch ein besonderes Eilbedürfnis ist nicht mehr notwendig, und die einstweilige Anordnung kann den vollen Unterhalt zuerkennen332. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit geschaffen, um eine vereinfachte und schnelle Erledigung der Unterhaltssache zu erreichen und die Gerichte zu entlasten. Angestrebt ist, mit der gerichtlichen Entscheidung allein im Anordnungsverfahren auszukommen – was allerdings voraussetzen dürfte, dass sich alle Beteiligten mit der getroffenen Regelung zufriedengeben.333 2. Zuständiges Gericht 888 Die örtliche Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts richtet sich nach § 50 FamFG. Dabei ist zu unterscheiden: Ist kein Hauptverfahren anhängig, so ist das Familiengericht zuständig, das in der Hauptsache in erster Instanz zuständig wäre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Einzelheiten ergeben sich aus § 232 FamFG, auf die Ausführungen unter Rn. 622 ff. wird verwiesen. 889 Bei Anhängigkeit einer Hauptsache ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei diesem Gericht zu stellen, § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gegenstand der Hauptsache und des einstweiligen Anordnungsverfahrens deckungsgleich sind334. Das dürfte in einem Unterhaltsrechtsverhältnis jeweils der Fall sein, auch wenn in den beiden Verfahren um Unterhalt für verschiedene Zeiträume oder um Unterhalt für dieselbe Zeit, aber in unterschiedlicher Höhe gestritten wird. 890 Ist die Hauptsache bereits beim Beschwerdegericht anhängig, hat dieses über die einstweilige Anordnung zu entscheiden (§ 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Anders verhält es sich, wenn sich die Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH befindet. Dann muss der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim fiktiv zuständigen Familiengericht erster Instanz angebracht werden. 891 Durch § 50 Abs. 2 FamFG wird in besonders dringenden Eilfällen die Zuständigkeit des Gerichts begründet, in dessen Bezirk das Bedürfnis für ein gerichtliches Tätigwerden bekannt wird. Praktische Bedeutung wird diese Vorschrift in Unter329 BT-Drucks. 16/6308, S. 226. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass insbesondere in Unterhaltsverfahren die einstweilige Anordnung als Leistungsverfügung anzusehen ist, so Büte, FuR 2009, 509, 511; Horndasch/Viefhues, Kommentar zum Familienverfahrensrecht, § 49 Rn. 16. 330 Prütting/Helms, § 119 FamFG Rn. 5. 331 BT-Drucks. 16/6308, S. 259. 332 Schürmann, FamRB 2008, 375, 377 f. 333 BT-Drucks. 16/6303, S. 201. 334 Prütting/Helms/Stößer, § 50 FamFG Rn. 3.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
haltssachen kaum erlangen, da die Gerichte überwiegend einen Bereitschaftsdienst eingerichtet haben und sich die Beteiligten moderner Kommunikationsmittel (z.B. Telefax) bedienen können.335 Die örtliche Zuständigkeit für die einstweilige Anordnung und die Hauptsache 892 können auseinanderfallen, z.B., wenn das minderjährige Kind nach Anhängigkeit der einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Kindesunterhalt umzieht und danach die Hauptsache eingeleitet wird. Die Änderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände bleibt ohne Einfluss auf das Verfahren der einstweiligen Anordnung (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). 3. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG zur Zahlung von Unterhalt a) Abgrenzung zu § 49 FamFG § 49 FamFG bestimmt, dass ein Gericht durch einstweilige Anordnung eine vor- 893 läufige Maßnahme treffen kann, soweit dies nach materiellem Recht gerechtfertigt ist (Anordnungsanspruch) und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (Anordnungsgrund) besteht. Hiervon abweichend kann das Gericht gemäß § 246 Abs. 1 FamFG durch einstweilige Anordnung die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt oder zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln. Die nach § 246 Abs. 1 FamFG möglichen Abweichungen beziehen sich dabei auf die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch auf den möglichen Regelungsinhalt. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Unterhalt ist ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden nicht erforderlich. Ein Anordnungsgrund besteht schon dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete keinen Unterhalt zahlt. Eine akute Notlage des Unterhaltsbedürftigen muss nicht gegeben sein, d.h. es schadet nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte soziale Leistungen erhält. Auf der Rechtsfolgenseite braucht sich das Gericht nicht auf eine vorläufige Maßnahme zu beschränken. Vielmehr darf es den vollen laufenden Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung zuerkennen, sofern die Voraussetzungen hierfür glaubhaft gemacht sind.336 b) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Unterhalt
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Antrag
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… wird beantragt, folgende einstweilige Anordnung gemäß § 246 FamFG zu erlas- 894 sen: 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab Eingang des Antrags bei Gericht eine monatliche, jeweils zum ersten eines Monats im Voraus zu entrichtende Unterhaltsrente in Höhe von 400 Euro zu zahlen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. 335 Prütting/Helms/Stößer, § 50 FamFG Rn. 7. 336 BT-Drucks. 16/6308, S. 259.
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Ferner wird gemäß § 15 FamGKG beantragt, diese Antragsschrift vor Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses zuzustellen. 895 Da Unterhaltsverfahren zu den Antragsverfahren gehören, setzt die Einleitung eines Verfahrens einen entsprechenden Antrag voraus (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Anwaltszwang besteht – anders als im Hauptverfahren – nicht (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG).337 Weil das Gericht von Amts wegen über die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens zu entscheiden hat und ihm insoweit ein Ermessensspielraum (§ 243 FamFG) zusteht, empfiehlt sich eine entsprechende Antragstellung und Begründung (zu den Grundsätzen der Ermessensentscheidung, s. Rn. 684 ff.). Zur Abhängigmachung der Zustellung der Antragsschrift von der Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses siehe Rn. 681. 896 Es zählt zu den wichtigsten Änderungen im FamFG, dass das einstweilige Anordnungsverfahren rechtlich selbständig ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Der Unterhaltsgläubiger kann daher den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen, ohne gleichzeitig ein Hauptverfahren einleiten zu müssen. Er kann aber auch die Hauptsache vor oder nach Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung anhängig machen, so dass dann beide Verfahren nebeneinander laufen.338
" Praxishinweis: Die Möglichkeit, den Unterhalt mittels einstweiliger Anord-
nung zu regeln, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren in der Hauptsache nicht entfallen.339 Die einstweilige Anordnung trifft aufgrund einer summarischen Prüfung nur eine vorläufige Regelung, die keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch darstellt. Dementsprechend darf auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Hauptverfahren nicht mit der Begründung verweigert werden, der Antragsteller könne sein Rechtsschutzziel durch eine einstweilige Anordnung auf einfacherem und billigerem Weg erreichen.
897 Aus der Antragsbegründung und dem darin enthaltenen Tatsachenvortrag muss sich schlüssig der geltend gemachte Unterhaltsanspruch ergeben.340 Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ferner das Vorhandensein eines Regelungsbedürfnisses. Das bedeutet nicht, dass aufgrund der tatsächlichen Lebensumstände des Antragstellers eine Eilentscheidung des Gerichts erforderlich sein muss (vgl. auch Rn. 893). Notwendig ist indessen, dass überhaupt ein Bedarf für eine vorläufige Regelung besteht. Daran wird es in aller Regel fehlen, wenn der Streit der Beteiligten nur um rückständigen Unterhalt geht.341 Diskutiert wird aber, ob rückständiger Unterhalt dann im Wege der einstweiligen Anordnung verlangt werden kann, wenn der Unterhaltsberechtigte mit Verbindlichkeiten belastet ist, die er mangels Unterhaltszahlungen aufgenommen hat (z.B. Mietrückstände, Kredite etc.).342 Ebenso muss dem Antrag die erfolglose Aufforderung zur Zahlung eines bestimmt bezifferten monatlichen Unterhalts 337 338 339 340 341 342
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Kritisch insofern: Prütting/Helms, § 114 FamFG Rn. 30. Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rn. 3. BGH, NJW 1983, 1330. Keidel/Giers, § 51 FamFG Rn. 7. Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 7; Musielak/Borth, § 46 FamFG Rn. 6. Zöller/Lorenz, § 246 FamFG Rn. 3; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 Rn. 7; Musielak/Borth, § 46 FamFG Rn. 6.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
vorangegangen sein.343 Ein Regelungsbedürfnis entfällt gleichfalls bei freiwilliger Zahlung des Unterhalts, denn ein Titulierungsinteresse allein rechtfertigt kein summarisches Eilverfahren.344 Der Sachvortrag muss glaubhaft gemacht werden (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die 898 Glaubhaftmachung des Tatsachenvortrags richtet sich gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG nach § 294 ZPO.345 Hierfür müssen die zur Begründung des Anspruchs vorgetragenen Tatsachen, auf die die gerichtliche Entscheidung gestützt werden soll, bewiesen werden. Bei der Glaubhaftmachung ist allerdings nicht erforderlich, dass der Antragsteller den Vollbeweis erbringt, d.h. das Gericht den Vortrag für wahr erachtet, sondern es genügt, wenn das Gericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Sachvortrags überzeugt wird.346 Zu diesem Zweck kann sich der Antragsteller aller Beweismittel bedienen (Urkunden, Kopien, ärztliche Atteste, Zeugen347); in der mündlichen Verhandlung müssen sie aber präsent sein (§ 294 Abs. 2 ZPO). Grundsätzlich genügt auch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers (§ 294 Abs. 1 ZPO). Eine eidesstattliche Versicherung seines Anwalts genügt nur, soweit er anwaltlich versichern kann, was er in seiner Eigenschaft als Anwalt selbst wahrgenommen hat und dies unter Berufung auf seine anwaltlichen Standespflichten anwaltlich versichern kann.348 Derselbe Maßstab für die Beweisführung gilt auch für den Gegner, soweit sich dieser gegen den Vortrag verteidigt.
" Praxishinweis: Die Anforderungen an die eidesstattliche Versicherung eines
Verfahrensbeteiligten sind streng. So erwarten die Gerichte eine eigene Darstellung des Sachverhalts durch den Beteiligten und nicht nur eine pauschale Bezugnahme auf die Darstellung im Schriftsatz des Anwalts.349 Dies geschieht nicht zuletzt im Interesse des Beteiligten, denn im Hinblick auf die unterhaltsrechtlichen (Rn. 537, 540a, 556l) und strafrechtliche Risiken eines falschen Sachvortrags im Unterhaltsverfahren sollte ein Beteiligter genau prüfen, welche Erklärung er nach bestem Wissen als wahrheitsgemäß an Eides statt abgeben kann.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§§ 49, 246 FamFG) „kann“ das Gericht bei Vor- 899 liegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine einstweilige Anordnung erlassen. Diese Formulierung ist verfehlt, weil hierdurch der Eindruck einer Ermessensentscheidung erweckt wird. Es besteht aber kein Handlungsermessen des Familiengerichts.350 4. Ablauf des Verfahrens Nach § 246 Abs. 2 FamFG ergeht die Entscheidung in Unterhaltssachen aufgrund 900 mündlicher Verhandlung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint. Zwar kann das Gericht 343 344 345 346 347
Schürmann, FamRB 2008, 375, 377. Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 7. BT-Drucks. 16/6308, S. 200. BGH, NJW 1996, 1682; Zöller/Greger, § 294 ZPO Rn. 6. S. dazu Zöller/Greger, § 294 ZPO Rn. 5, m.w. Beispielen und Rechtsprechungshinweisen. 348 Zöller/Greger, § 294 ZPO Rn. 5. 349 BGH, NJW 1988, 2045. 350 Horndasch/Viefhues, § 49 FamFG Rn. 13; Borth, FamRZ 2007, 1928.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
nach § 51 Abs. 2 Satz 2 FamFG auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, der Gesetzgeber hat jedoch für Unterhaltsstreitsachen in § 246 Abs. 2 FamFG die Bedeutung der mündlichen Verhandlung besonders hervorgehoben und zum Regelfall bestimmt, um die Vorteile der mündlichen Erörterung nutzbar zu machen. Erfahrungsgemäß lassen sich Unklarheiten des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung am einfachsten klären und die Beteiligten erhalten die Chance, gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten. 901 Ob das Gericht allerdings eine mündliche Verhandlung anberaumt, steht letztendlich in seinem Ermessen351. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll das schriftliche Verfahren zwar auf besonders eilbedürftige oder einfach gelagerte Fälle beschränkt werden und die mündliche Verhandlung im Regelfall anberaumt werden,352 Die tatsächliche Handhabung durch das zuständige Familiengericht ist jedoch im Hinblick auf das eingeräumte Ermessen nicht sicher vorhersehbar.
" Praxishinweis: Da das Gericht nach dem Wortlaut des § 246 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung anberaumen kann aber nicht muss, empfiehlt es sich, ggf. selbst einen entsprechenden Antrag auf Terminierung zu stellen. Ein Termin eröffnet die Möglichkeit, sich nicht nur über den vorläufig zu zahlenden Unterhalt zu einigen, sondern hierüber auch eine endgültige Regelung zu treffen. Damit ersparen sich die Beteiligten ein Hauptsacheverfahren und es wird ein vollstreckbarer Titel geschaffen, der nur unter den engen Voraussetzungen des Abänderungsverfahrens nach § 239 FamFG – bei einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage – geändert werden kann (s. Rn. 864 ff.). Soll nur ein Vergleich über den vorläufig zu zahlenden Unterhalt getroffen werden, kann dieser nach § 54 FamFG (s. Rn. 910 ff.) im Rahmen des Anordnungsverfahrens abgeändert werden, es sei denn die Beteiligten vereinbaren einen Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit nach § 54 FamFG bis zum Inkrafttreten einer endgültigen Regelung.
5. Entscheidung durch Beschluss
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u
Tenorierungsvorschlag
902 … 1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem 1. August 2010 eine zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von monatlich 400 Euro bis zur Rechtskraft der Ehescheidung der Beteiligten zu zahlen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen (§§ 51 Abs. 4, 243 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). 3. Der Verfahrenswert wird auf 2 400 Euro festgesetzt (§§ 41, 51 Abs. 1 FamGKG).353 351 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 Rn. 12. 352 BT-Drucks. 16/6308, S. 260. 353 Der Geschäftswert beträgt in Anordnungsverfahren die Hälfte des Werts der Hauptsache § 41 FamGKG.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
4. Die einstweilige Anordnung tritt auch außer Kraft, wenn vor Rechtskraft der Ehescheidung eine anderweitige Regelung des Trennungsunterhalts erfolgt (§ 56 Abs. 1 FamFG). Die Entscheidung ergeht im Anordnungsverfahren durch Beschluss. Es finden die 903 Vorschriften über die Endentscheidung in der Hauptsache (§ 38 FamFG) Anwendung, soweit sich nicht Besonderheiten aus dem einstweiligen Rechtsschutz ergeben (§ 51 Abs. 2 FamFG). Danach ist die Entscheidung zu begründen (§ 38 Abs. 2 FamFG) und mit einer Kostenentscheidung (§ 51 Abs. 4 FamFG) zu versehen. Wegen der formellen Anforderungen im Einzelnen vgl. Rn. 771 ff. Grundlage der Entscheidung ist der dem Gericht bekannte Sachverhalt. Zuer- 904 kannt werden kann der volle Unterhalt – soweit materiell-rechtlich begründet unbefristet, aber auch nur befristet (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG)354. Dabei ist im Anordnungsverfahren in der Regel nur über den laufenden Unterhalt, nicht hingegen über Unterhaltsrückstande zu befinden, also nicht über Forderungen für die Zeit vor Antragseingang.355 Eine Versäumnisentscheidung ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 51 Abs. 2 Satz 3 905 FamFG). Im Fall der Säumnis des Antragsgegners hat das Gericht allein nach Aktenlage zu entscheiden. Anderenfalls könnte der Antragsgegner eine Regelung zu seinen Ungunsten allein dadurch verhindern, dass er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnimmt.356 Im Hinblick auf die Selbständigkeit des Anordnungsverfahrens gegenüber dem 906 Hauptverfahren muss der Beschluss eine Kostenentscheidung enthalten. Diese richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 51 Abs. 4 FamFG), d.h. gemäß § 243 FamFG.357 Zu den Einzelheiten der Kostenentscheidung gemäß billigem Ermessen nach § 243 FamFG, s. Rn. 693, 685. Da einstweilige Anordnungen in Unterhaltsstreitverfahren nach § 57 Satz 1 907 FamFG nicht anfechtbar sind, ist keine Rechtsmittelbelehrung nach § 39 FamFG erforderlich.358 Es wird in der Literatur aber diskutiert, ob die Beteiligten über ihre Möglichkeiten, eine Überprüfung der einstweiligen Anordnung zu erreichen (s. dazu Rn. 910) belehrt werden müssen.359 Nach § 39 FamFG erstreckt sich die Belehrungspflicht nur auf die im FamFG-Verfahren vorgesehenen ordentlichen Rechtsbehelfe (Einspruch, Widerspruch und Erinnerung). Eine weitergehende Belehrungs“pflicht“ des Gerichts ist daher abzulehnen. Es stünde dem Richter aber gut an, auf § 54 Abs. 2 FamFG (Antrag auf mündliche Verhandlung) hinzuweisen, wenn er eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erlassen hat (vgl. Rn. 910). 354 355 356 357 358 359
Schürmann, FamRB 2008, 375, 379. BT-Drucks. 16/6308, S. 259. Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 15. Keidel/Giers, § 51 Rn. 21; in Prütting/Helms/Stößer, § 51 FamFG Rn. 20. Prütting/Helms/Abramenko, § 39 FamFG Rn. 4. Schürmann, FamRB 2008, 375, 379, 380; Klein, FuR 2009, 321; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 Rn. 22 bejaht die Belehrungspflicht im Fall des § 52 unter Hinweis auf BTDrucks. 16/6308, S. 201, ohne dabei zu berücksichtigen, dass dort nur der Fall des § 52 Abs. 1 FamFG (Antrag auf Einleitung der Hauptsache im Amtsverfahren), nicht dagegen der des § 52 Abs. 2 FamFG (Antragsverfahren) erwähnt worden ist.
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" Praxishinweis: Der Anwalt kann sich nicht darauf verlassen, dass die Ent-
scheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Belehrung zu den Rechten nach §§ 52 Abs. 2, 54 FamFG enthält. Es ist an ihm, seinen Mandanten entsprechend zu beraten.
6. Vollstreckbarkeit 908 Einstweilige Anordnungen nach § 246 FamFG sind mit Erlass formell rechtskräftig und wirksam sowie ohne besondere Vollstreckungsklausel sofort vollstreckbar (§§ 120 Abs. 2, 53 Abs. 1 FamFG). Eine Vollstreckungsklausel ist nur dann erforderlich, wenn die Vollstreckung für oder gegen einen anderen als den in dem Beschluss bezeichneten Beteiligten erfolgen soll (§ 53 Abs. 1 FamFG). Ein Beispiel hierfür bietet die Vollstreckung einer von einem Elternteil nach § 1629 Abs. 3 BGB erwirkten einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Kindesunterhalt, wenn die Scheidung der Eltern inzwischen Rechtskraft erlangt hat.360 Wegen der Zwangsvollstreckung wird auf die Ausführungen unter Kapitel N, Rn. 1223, 1227, 1239 ff., 1251 verwiesen. 909 Zur Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 55 FamFG im Verfahren auf Aufhebung oder Änderung der einstweiligen Anordnung vgl. dort Rn. 916. 7. Aufhebung oder Änderung der Entscheidung nach § 54 FamFG 910 Da das Gesetz die Anfechtung der einstweiligen Anordnung durch ein Rechtsmittel ausschließt (§ 57 Abs. 1 FamFG), hat der Gesetzgeber zum Ausgleich Überprüfungs- und Abänderungsmöglichkeiten im summarischen Verfahren selbst geschaffen.361 Nach § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG haben die Beteiligten folgende Möglichkeiten: – Ist die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung gefallen, kann jeder hierdurch Benachteiligte gemäß § 54 Abs. 2 FamFG beantragen, dass aufgrund mündlicher Verhandlung neu entschieden werden muss. Zwar schreibt das Gesetz eine Begründung dieses Antrags nicht vor; es ist jedoch sinnvoll, gegenüber dem Gericht darzulegen, mit welchem Ziel in der mündlichen Verhandlung verhandelt werden soll und welche Beanstandungen erhoben werden, um eine gute Vorbereitung des Erörterungstermins zu erreichen.362 – Ist die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung ergangen – was nach dem Willen des Gesetzgebers der Regelfall sein soll – kann der Benachteiligte einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Entscheidung stellen. Diese Möglichkeit hat auch der Antragsteller, dessen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist (§ 54 Abs. 1 FamFG).363 911 Das Antragsverfahren nach § 54 Abs. 1 FamFG setzt in Unterhaltsstreitigkeiten das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Mittel der Glaubhaftmachung oder eine Änderung der Rechtslage voraus. Es entspricht der überwiegenden Auffassung 360 361 362 363
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Musielak/Borth, § 246 FamFG Rn. 12. BT-Drucks. 16/6308, S. 201. Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rn. 8. BT-Drucks. 16/6308, S. 201.
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in der Literatur, dass ansonsten der Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist.364 Ein berechtigtes Interesse eines Beteiligten, bei gleicher Sach- und Rechtslage wiederholt eine „vorläufige“ Regelung des Gerichts über den Fortbestand der getroffenen Anordnung oder ihrer Ablehnung herbeiführen zu können, kann nicht anerkannt werden.365 Umstritten ist, ob ein Antrag auf Änderung oder Aufhebung der getroffenen Ent- 912 scheidung nach § 54 Abs. 1 FamFG zulässig ist, wenn diese ohne mündliche Verhandlung getroffen wurde. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass der Beschwerte hier zunächst von der Möglichkeit des § 54 Abs. 2 FamFG Gebrauch machen müsse und nur Antrag auf Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung stellen dürfe.366 Dies vermag nicht zu überzeugen. Das Gesetz eröffnet den Beteiligten beide Möglichkeiten zur Überprüfung der getroffenen Entscheidung, ohne hierfür eine Rangfolge zu bestimmen. Es ist auch verfahrensökonomisch, wenn das Gericht bei einer Änderung des Sachverhalts über einen Abänderungsantrag erneut ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, z.B., wenn der unterhaltspflichtige Elternteil einem weiteren Kind unterhaltpflichtig geworden ist und sich der Tabellenunterhalt für ein Kind unkompliziert neu berechnen lässt. Die Möglichkeit des Beschwerten, sich gegen die Anordnung zu verteidigen, wird hierdurch nicht eingeschränkt. Denn ist die einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung ergangen, kann der Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG gestellt werden. Nicht einheitlich beantwortet wird in Literatur und Rechtsprechung die Frage, ob 913 das Gericht eine einstweilige Anordnung zum Unterhalt nur für die Zeit ab Eingang des Abänderungsantrags oder auch rückwirkend aufheben, abändern bzw. erstmals erlassen kann. Für eine zeitlich unbeschränkte Korrekturmöglichkeit spricht die Tatsache, dass die einstweilige Anordnung nur einen Vollstreckungstitel schafft, ohne das diesem Titel zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten verbindlich zu gestalten.367 Indessen ist das Anordnungsverfahren gemäß §§ 49 ff., 246 FamFG seinem Sinn und Zweck nach allein vorgesehen und geeignet für die rasche Regelung und Sicherstellung des laufenden Unterhalts. Auch soll die Überprüfung nach § 54 Abs. 1 FamFG gerade in Unterhaltssachen nur die Unanfechtbarkeit der in Unterhaltssachen ergehenden einstweiligen Anordnungen ausgleichen. Beide Gesichtspunkte und die Tatsache, dass jede Abänderung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 FamFG einen (zeitlich unbefristet zulässigen) Antrag voraussetzt, sprechen dafür, dass zeitlich keine unbegrenzte Rückwirkung einer abändernden Entscheidung vorgesehen ist. Bleibt der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen nach § 246 FamFG über einen längeren Zeitraum hinweg unbeanstandet, so kann ein nach § 54 Abs. 1 Satz 2 FamFG gestellter Änderungsantrag nur zu einer solchen abändernden Entscheidung führen, 364 Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 1224, 130; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 20; Musielak/Borth, § 54 FamFG Rn. 8; Schürmann, FamRB 2008, 375, 380; Zöller/Philippi, § 620b ZPO a.F. Rn. 2 mit zahlreichen Nachweisen auch für die gegenteilige Ansicht; Keidel/Giers, § 54 FamFG Rn. 11; a.A. Hoppens, Familiensachen, 9. Aufl., § 54 FamFG, Rn. 11; a.A. Baumbach/Hartmann, § 620b ZPO a.F. m.w.N. 365 Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rn. 4. 366 Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rn. 9; Schürmann, FamRB 2008, 375, 379; Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124, 130; Zöller/Philippi, § 620b ZPO a.F. Rn. 2a; a.A. Keidel/Giers, § 54 FamFG Rn. 14; OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 59; MünchKomm. ZPO/ Finger, § 620b ZPO a.F. Rn. 15. 367 Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 18; Keidel/Giers, § 54 FamFG Rn. 11.
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die den Unterhaltsanspruch erst ab Eingang des Abänderungsantrages neu regelt. Insbesondere kann eine Erhöhung des Unterhalts für die Zeit vor Einleitung des Abänderungsverfahrens nicht verlangt werden.368 Der Grundsatz ist aber auch bei einer rückwirkenden Herabsetzung des Unterhalts ist zu beachten; sie ist allenfalls im Hinblick auf noch nicht bezahlten Unterhalt möglich.369 Denn ein etwaiger Rückforderungsanspruch besteht auch ohne rückwirkende Änderung der einstweiligen Anordnung, weil die einstweilige Anordnung nur eine verfahrensrechtliche Regelung trifft und keinen Rechtsgrund zum Behalten der Unterhaltsleistungen begründet.370 Beispiel Nach mündlicher Verhandlung wird der Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt mangels Leistungsfähigkeit des Antragsgegners abgelehnt. 6 Jahre später (!) beantragen sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin die rückwirkende Abänderung der als unzutreffend erachteten Entscheidung. In beiden Fällen ist die begehrte rückwirkende Abänderung der ergangenen Entscheidung abzulehnen.
914 Wird eine einstweilige Anordnung aufgehoben oder geändert, kann auch die Kostenregelung geändert werden, soweit dies nach billigem Ermessen geboten erscheint. Eine Änderung der Kostenentscheidung kann jedoch entbehrlich sein371, z.B. wenn es zu keiner wesentlichen Änderung der Entscheidung kommt. Besondere Gerichtsgebühren entstehen für das Verfahren nach § 54 FamFG nicht (KVFamGKG, Vorbem. 1.4.). Für die Anwaltsgebühren gilt das Abänderungsverfahren gem. § 16 Nr. 5 RVG als eine Angelegenheit. 915 Zuständig für alle Entscheidungen nach § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG ist das Gericht, das mit den Anträgen befasst war (§ 54 Abs. 3 FamFG), auch wenn sich die zuständigkeitsbegründenden Umstände inzwischen geändert haben sollten. Eine Ausnahme gilt nach § 54 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur dann, wenn das Verfahren an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen worden ist. 916 Das Verfahrensgericht kann im Änderungsverfahren nach § 54 FamFG durch unanfechtbaren Beschluss die Vollstreckung der Anordnung nach § 55 Abs. 1 FamFG aussetzen oder beschränken. Hierfür bedarf es keines besonderen Antrags, so dass das Gericht auch von Amts wegen tätig werden kann.372 Ist ein Antrag gestellt worden, muss hierüber vorab entschieden werden (§ 55 Abs. 2 FamFG). Die Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung kann von Bedingungen oder Auflagen, z.B. von einer Sicherheitsleistung, abhängig gemacht werden.373 Bei der Entscheidung hat das Gericht die Erfolgsaussichten des aufgrund von § 54 Abs. 1 FamFG gestellten Antrags mit zu berücksichtigen.374
368 Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rn. 11. 369 OLG Köln, FamRZ 2004, 39 zu § 620b ZPO; Prütting/Helms/Stößer, § 54 FamFG Rn. 16. 370 BGH, FamRZ 1989, 850; Zöller/Feskorn, § 54 FamFG Rn. 11. 371 Keidel/Giers, § 54 FamFG Rn. 10. 372 BT-Drucks. 16/6308, S. 202. 373 BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 374 Musielak/Borth, § 55 FamFG Rn. 2.
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8. Einleitung des Hauptverfahrens Nach dem FamFG sind einstweilige Anordnung und Hauptsache voneinander ge- 917 trennt und unabhängig. Sofern sich der Antragsteller mit einem Titel im summarischen Verfahren begnügt und kein Hauptsacheverfahren einleiten will, bleibt es bei der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren. Jedoch kann der Titelgläubiger gezwungen werden, das Hauptsacheverfahren einzuleiten, ansonsten er den Fortbestand der einstweiligen Anordnung riskiert. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG hat das Gericht auf Antrag des Gegners anzuordnen, dass der Beteiligte, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, binnen einer bestimmten Frist Antrag zum Hauptsacheverfahren stellt oder zumindest die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hierfür beantragt.375 Die Frist darf drei Monate nicht überschreiten, sollte aber wegen der schwerwiegenden Folgen, die die Zuerkennung des vollen Unterhalts im Eilverfahren für den Schuldner hat, im Regelfall kürzer bemessen werden. Insoweit bietet sich an, die Frist auf vier bis sechs Wochen zu beschränken, was für die Vorbereitung eines Hauptsacheverfahrens ausreichend sein dürfte.376 Ist die Frist abgelaufen, ohne dass ein Hauptsacheverfahren eingeleitet oder Ver- 918 fahrenskostenhilfe beantragt wurde, muss die einstweilige Anordnung aufgehoben werden (§ 52 Abs. 2 Satz 3 FamFG).377 Ob die Aufhebung durch den Unterhaltsschuldner – in Anlehnung an § 926 Abs. 2 ZPO – eigens beantragt werden muss oder nach Fristablauf von Amts wegen erfolgt, ist strittig.378 Vorsorglich sollte in jedem Fall – wegen unterschiedlicher Handhabung der Gerichte – die Aufhebung beantragt werden. Die Aufhebung erfolgt durch zu begründenden Beschluss, in dem auch über die 919 gesamten Kosten des Anordnungsverfahrens nach § 243 FamFG zu entscheiden ist. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 57 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Wird die Frist eingehalten und das Hauptsacheverfahren in Gang gesetzt, kann im 920 Hauptsacheverfahren von einzelnen Verfahrenshandlungen abgesehen werden, wenn diese bereits im einstweiligen Anordnungsverfahrens vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Vorschrift dient der Verfahrensökonomie.379 Entfallen kann z.B. eine persönliche Anhörung der Beteiligten, wenn diese nach der Überzeugung des Gerichts den Sachverhalt bereits umfassend dargestellt haben. Auf die mündliche Verhandlung darf in Unterhaltsstreitsachen wegen § 128 Abs. 1 ZPO jedoch nicht verzichtet werden. 9. Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung (§ 56 FamFG) Einstweilige Anordnungen, die in der Regel unbefristet erlassen werden, treten 921 außer Kraft, wenn eine anderweitige Regelung über den Streitgegenstand rechts375 Die verfahrensrechtliche Konstruktion hat sich an der für Arrest und einstweilige Verfügung geltende Vorschrift des § 926 ZPO angelehnt BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 376 So Schürmann, FamRB 2008, 375, 380; Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124, 126; Klein, FuR 2009, 241, 248. 377 BT-Drucks. 16/6308, S. 201. 378 Für ein Antragserfordernis Keidel/Giers, § 52 FamFG Rn. 10, Prütting/Helms/Stößer, § 52 FamFG Rn. 4; a.A. Zöller/Lorenz, § 246 FamFG Rn. 30. 379 BT-Drucks. 16/6308, S. 2.
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wirksam wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Eine anderweitige Regelung kann die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein (§ 56 Abs. 1 Satz 2 FamFG), aber auch eine Parteivereinbarung – z.B. in Form eines Prozessvergleichs.380 In Unterhaltsstreitsachen treten einstweilige Anordnungen zudem außer Kraft, wenn der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wurde, rechtskräftig abgewiesen worden ist oder sich sonst erledigt hat (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FamFG). 922 Das Familiengericht kann aber auch bereits bei Erlass der einstweiligen Anordnung den Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens bestimmen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Eine solche Befristung der einstweiligen Anordnung kommt etwa in Betracht, wenn nur eine vorübergehende Notlage des Unterhaltsgläubigers zu überbrücken ist oder wenn bei getrenntlebenden Ehegatten bereits klar ist, dass Unterhalt nur bis zur Rechtskraft der Scheidung geschuldet ist und ein Anspruch auf Nacheheunterhalt ausscheidet (s. Beispiel Rn. 902).
" Praxishinweis: Ein besonderes Risiko für den Unterhaltsschuldner birgt die
einstweilige Anordnung betreffend den Ehegattenunterhalt. Im Gegensatz zu einem Urteil über den Trennungsunterhalt, das mangels Identität von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt kein Vollstreckungstitel für Unterhaltsansprüche ab rechtskräftiger Scheidung ist, wirkt die einstweilige Anordnung über die Rechtskraft der Scheidung hinaus.381 Deshalb muss der Unterhaltsschuldner, der meint, keinen nachehelichen Unterhalt zu schulden, die Befristung der einstweiligen Anordnung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG) bis zur Rechtskraft der Scheidung verlangen. Ist die Scheidung bereits rechtskräftig, kann er nach § 52 oder § 54 FamFG vorgehen oder negativen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) erheben. Abänderungs- und Zwangsvollstreckungsabwehrverfahren scheiden aus (s. Rn. 837 und 885). Anderenfalls läuft er Gefahr, dass der Unterhaltsgläubiger auch nach Rechtskraft der Scheidung aus der einstweiligen Anordnung vollstreckt.
923 Da es auf das Wirksamwerden der anderweitigen Regelung ankommt, ist bei einer Endentscheidung in der Hauptsache nach § 56 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Rechtskraft der Entscheidung maßgebend. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG reicht hierfür nicht.382 Deshalb kann aus der einstweiligen Anordnung weiter vollstreckt werden, auch wenn dem Gläubiger durch die Endentscheidung ein geringerer Unterhalt zuerkannt worden ist. Hat das Gericht nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit der Endentscheidung angeordnet, existieren zwei selbständige Titel nebeneinander – die einstweilige Anordnung und die Endentscheidung in der Hauptsache –, aus denen vollstreckt werden kann.383 Der Schutz des Schuldners kann hier nur durch einen Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG384 oder durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG erreicht werden.385
380 381 382 383
BT-Drucks. 16/6308, S. 202. Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rn. 5; BGH, FamRZ 83, 355. Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rn. 3. Klein, FuR 2009 321, 324; Schürmann, FamRB 2008, 375, 381; Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG Rn. 27; Gießler, FPR 2006, 421, 426. 384 Zöller/Feskorn, § 56 FamFG Rn. 2. 385 Musielak/Borth, § 56 FamFG Rn. 11, 12; s. auch Rn. 787.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist auf Antrag eines Beteiligten das Außerkraft- 924 treten der einstweiligen Anordnung durch Beschluss festzustellen. Für die Entscheidung ist das Gericht zuständig, das im einstweiligen Anordnungsverfahren im ersten Rechtszug zuletzt entschieden hat. Da der Beschluss den Vollstreckungsorganen zur Klarstellung dient, ab wann die Vollstreckung nicht mehr betrieben werden kann, ist die genaue Angabe des Zeitpunkts und der Umfang des Außerkrafttretens erforderlich.386 Da der Beschluss anfechtbar ist (§ 56 Abs. 3 Satz 2 FamFG), muss er nach § 39 925 FamFG mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden. Nicht einheitlich wird im Schrifttum die Frage beurteilt, welche Frist für die Anfechtung des Beschlusses nach § 56 Abs. 3 Satz 2 FamFG gilt. Überwiegend wird angenommen, dass die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG maßgebend sei, da es sich um eine Beschwerde nach § 57 FamFG handele und § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG deshalb nicht gelte.387 Die gegenteilige Auffassung vertritt vor allem Borth388, da es sich um eine Entscheidung zur einstweiligen Anordnung handele. Dem ist nicht zu folgen; der Beschluss nach § 56 Abs. 3 FamFG hat nur Feststellungscharakter und ist keine Entscheidung gegen eine einstweilige Anordnung, so dass § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG nicht anzuwenden ist. Wird in einem Beschluss nach § 56 Abs. 3 FamFG das Außerkrafttreten der einst- 926 weiligen Anordnung festgestellt wird, bleibt es grundsätzlich bei der Kostenregelung der einstweiligen Anordnung. Eine neue Kostenentscheidung ist in der Regel in dem Beschluss nach § 56 FamFG nicht erforderlich, da besondere Kosten für das Verfahren nicht entstehen.389 Allerdings kann das in den Fällen, in denen die einstweilige Anordnung außer Kraft getreten ist, weil der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen oder abgewiesen wurde (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG) zu unbilligen Ergebnissen führen, so dass zu erwägen ist, im Hauptsacheverfahren einen Antrag auf Abänderung der Kostenentscheidung nach § 54 FamFG zuzulassen.390 Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine Schadensersatzpflicht des im einstweiligen Anordnungsverfahren erfolgreichen Antragstellers ausgeschlossen hat (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG). 10. Anderweitiger Rechtsschutz gegenüber der einstweiligen Anordnung im ordentlichen Verfahren Mit welchen Mitteln eine einstweilige Anordnung im ordentlichen Verfahren be- 927 kämpft werden kann, ist im Gesetz nur insoweit ausdrücklich geregelt worden, als das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG nicht in Betracht kommt. Denn dieses dient der Überwindung der Rechtskraft und ist nur gegen eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts zulässig.391 Dagegen 386 Musielak/Borth, § 56 FamFG Rn. 14. 387 Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rn. 11, anders aber: Prütting/Helms/Bömelburg, § 246 FamFG, Rn. 29: Anwendung der Zweiwochenfrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2; Schürmann, FamRB 2008, 375, 381; Giers, GHPrax 2009, 47, 50; Klein, FuR 2009, 321, 325; Götsche/Viefhues, ZFE 2009, 124, 133; Zimmermann, Das neue FamFG, Rn. 139. 388 Musielak/Borth, § 56 FamFG Rn. 14. 389 Keidel/Giers, § 54 FamFG Rn. 12. 390 Prütting/Helms/Stößer, § 56 FamFG Rn. 12. 391 Prütting/Helms/Bömelburg, § 238 FamFG Rn. 17; Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 246 FamFG Rn. 28.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
bleibt unklar – und ist im Schrifttum umstritten –, ob der Schuldner durch einen negativen Feststellungsantrag geltend machen kann, dass dem Gläubiger der durch die einstweilige Anordnung titulierte Unterhaltsanspruch nicht oder nicht voll zusteht und ob er ein Vollstreckungsabwehrverfahren anhängig machen kann, weil er z.B. die titulierte Unterhaltsforderung erfüllt hat.392 928 Bestreitet der Schuldner einer einstweiligen Anordnung seine Unterhaltspflicht und will dies mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung geklärt wissen, kann er durch einen Antrag nach § 52 Abs. Satz 1 FamFG auf den Gegner Druck zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens ausüben, ein solches aber letztlich nicht erzwingen. Es muss ihm daher unbenommen bleiben, selbst durch einen negativen Feststellungsantrag ein Hauptverfahren einzuleiten, in dem das Unterhaltsrechtsverhältnis im ordentlichen Verfahren geklärt wird. Das hierfür notwendige Feststellungsinteresse liegt vor. Es entfällt weder durch die Möglichkeit, die Aufhebung der einstweiligen Anordnung mittels eines Antrags nach § 52 Abs. Satz 1 FamFG durchzusetzen noch durch die Möglichkeit, die Abänderung oder Aufhebung der einstweiligen Anordnung nach § 54 Abs. 1 FamFG zu erreichen. Denn damit wird nur der – zum Zweck des einstweiligen Rechtschutzes geschaffene – Vollstreckungstitel beseitigt, nicht aber die materielle Rechtslage geregelt. Dem Titelschuldner stehen hierfür auch sonst keine anderen gleichwertigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten offen. Das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG scheidet aus (vgl. Rn. 927, 837). Und mit dem Vollstreckungsabwehrverfahren könnten nur Einwendungen der in § 767 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO genannten Art gegen den im summarischen Verfahren festgestellten Anspruch durchgesetzt werden. 929 Will der Schuldner der einstweiligen Anordnung nur nachträglich entstandene (rechtshemmende oder rechtsvernichtende) Einwendungen gegen den in der einstweiligen Anordnung titulierten Anspruch – etwa eine auf diesen Titel geleistete Zahlung – geltend machen, kann er dieses Ziel wie bisher mit einem Antrag nach § 767 ZPO verfolgen. Auch nach Inkrafttreten des FamFG besteht kein sachlicher Grund, den Schuldner insoweit auf das Abänderungsverfahren nach § 54 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG zu beschränken. Der Schuldner ist im Falle einer einstweiligen Anordnung nicht weniger schutzwürdig als im Falle einer Endentscheidung zum Unterhalt, wenn er sich nur auf Einwendungen der in § 767 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO genannten Art berufen will.393 Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof zur bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage vertreten, der Gesetzgeber wollte den Rechtsschutz der Beteiligten bei der gesetzlichen Neuregelung nicht einschränken. 11. Rückforderung überzahlten Unterhalts im Fall der einstweiligen Anordnung 930 Da die einstweilige Anordnung nur eine vorläufige Regelung in einem summarischen Verfahren darstellt, die nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten werden kann, stellt sich nicht selten im Unterhaltsverfahren heraus, dass dem Gläubiger ein Unterhaltsanspruch in der vorläufig festgesetzten Höhe tatsächlich nicht zusteht. Will der Schuldner deshalb überzahlten Unterhalt zurückverlangen, steht ihm nach der ständigen Rechtsprechung des BGH394 ein Bereicherungsanspruch 392 BT-Drucks. 16/6308, S. 2. 393 BGH, FamRZ 83, 355. 394 BGH, NJW 2000, 740 ff.
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XVI. Einstweiliger Rechtsschutz
zu, der aber wegen § 818 Abs. 3 BGB meist keinen Erfolg hat, weil der Gläubiger sich darauf berufen darf, dass er den gezahlten Unterhalt verbraucht hat. Den Gläubiger trifft auch keine Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ZPO. § 119 Abs. 1 Satz 2 FamFG ordnet die entsprechende Anwendung des § 945 ZPO nur für die Familienstreitsachen des § 112 Nrn. 2 und 3 FamFG an, nicht aber für Unterhaltssachen (§ 112 Nr. 1 FamFG). Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass dem Unterhaltsschuldner, der in Erfüllung einer einstweiligen Anordnung zu viel Unterhalt gezahlt hat, ein Schadensersatzanspruch nicht zusteht. Das wird im Schrifttum zwar zum Teil kritisch betrachtet395; die klare gesetzliche Regelung ist indessen zu beachten. Soweit im Schrifttum die analoge Anwendung des § 241 FamFG – Herbeiführung 931 der verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB auf einen Antrag nach § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG oder einen Abänderungsantrag nach § 54 Abs. 1 FamFG erwogen wird396, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vorschrift gilt allein für das Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG. Das Problem war dem Gesetzgeber bekannt; er hätte eine entsprechende Regelung für das einstweilige Anordnungsverfahren einführen können, wenn er dies gewollt hätte (vgl. auch Rn. 872).
" Praxishinweis: Um den durch eine Überzahlung von Unterhalt aufgrund ei- 932 ner einstweiligen Anordnung eintretenden Nachteil möglichst gering zu halten, hat der Schuldner die Möglichkeit ein Verfahren auf Rückzahlung der überzahlten Beträge zu beantragen, um möglichst frühzeitig die Voraussetzungen des § 818 Abs. 4 BGB zu schaffen (s. dazu Rn. 556k, 556l).
12. Sondertatbestände der einstweiligen Anordnung Die Vorschrift des § 247 FamFG sieht vor, dass in der besonderen Lage vor und 933 nach der Geburt eines Kindes dessen Unterhalt sowie der der Mutter durch einstweilige Anordnung gesichert werden soll. Vgl. hierzu Rn. 947. Durch die Vorschrift des § 248 FamFG wird § 246 FamFG insoweit ergänzt, dass ein Mann, dessen Vaterschaft nach § 1600d Abs. 2 und 3 BGB vermutet wird, im Wege einstweiliger Anordnung auf Unterhalt von Mutter und Kind in Anspruch genommen werden kann. Vgl. hierzu Rn. 943. 13. Das Arrestverfahren Nach § 119 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann das Familiengericht auch in Familien- 934 streitsachen den Arrest anordnen. Für Unterhaltssachen bedeutet dies, dass neben der einstweiligen Anordnung auch der persönliche oder der dingliche Arrest zulässig ist. Dabei sind die Vorschriften der §§ 916 bis 934 und der §§ 943 bis 945 ZPO entsprechend anwendbar (§ 119 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Praktische Bedeutung hat das Arrestverfahren vor Inkrafttreten des FamFG in Unterhaltssachen kaum gehabt. Hieran dürfte sich künftig nur wenig ändern, denn § 119 Abs. 2 Satz 1 FamFG entspricht dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht.397 Zu beachten ist, dass der Arrest der Sicherung künftiger Unterhaltsansprüche dienen soll. Wegen § 926 Abs. 1 ZPO besteht eine Sicherungsmöglichkeit erst dann, wenn der zu 395 Horndasch/Viefhues/Roßmann, § 246 FamFG Rn. 32 und § 119 FamFG Rn. 9; Zöller/ Philippi, § 620f ZPO a.F. Rn. 26. 396 Prütting/Helms/Bömelburg, § 241 FamFG Rn. 12. 397 Keidel/Weber, § 119 FamFG Rn. 9.
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sichernde Anspruch in der Hauptsache anhängig gemacht werden kann. Für nachehelichen Unterhalt hat dies zur Folge, dass ein Arrest erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens in Betracht kommt.398
XVII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten beim Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter 935 Für die Regelung von Unterhaltsansprüchen des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter enthält das FamFG Besonderheiten. Noch vor der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft hat das minderjährige Kind die Möglichkeit, den mutmaßlichen Vater auf Zahlung des Mindestunterhalts in Anspruch zu nehmen, wenn ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft anhängig ist (§ 237 FamFG). Während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann das Familiengericht Regelungen zum Unterhaltsanspruch des Kindes und seiner Mutter auch durch einstweilige Anordnung treffen (§ 248 FamFG). Beide Vorschriften normieren eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Unterhaltsansprüche gegen den Erzeuger des Kindes erst geltend gemacht werden können, wenn dessen Vaterschaft rechtsverbindlich feststeht (§§ 1594 Abs. 1 und 1600d Abs. 4 BGB). 936 Vor der Geburt eines Kindes erlaubt § 247 FamFG – unabhängig von der Anhängigkeit eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens – im Wege der einstweiligen Anordnung die Festlegung seines Unterhaltsanspruchs für die ersten drei Lebensmonate und die Regelung des Unterhaltsanspruchs der nicht verehelichten Mutter nach § 1615l BGB für 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt des Kindes. Auch in diesen Verfahren muss die Vaterschaft für das Kind rechtlich nicht feststehen. Gemäß § 247 Abs. 2 Satz 2 FamFG reicht die Vaterschaftsvermutung nach § 1600d Abs. 2 und 3 BGB. 937 Praktisch bedeutsam ist nur das Verfahren auf Zahlung des Mindestunterhalts gemäß § 237 FamFG, welches sachlich dem früheren Annexverfahren nach § 653 ZPO a.F. entspricht. Die Jugendämter machen von der Möglichkeit, parallel zur Vaterschaftsfeststellung Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts festsetzen zu lassen, durchaus Gebrauch. Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 248 FamFG (früher § 641d ZPO) sind dagegen sehr selten. Und die einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG dürfte wie ihre Vorgängerin nach § 1615o BGB a.F. in der Praxis bedeutungslos bleiben. Der Grund für das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Regelungsmöglichkeiten liegt auf der Hand. Der notwendige sofortige Schutz des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter wird durch sozialrechtliche Ansprüche wie z.B. Mutterschaftsgeld, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss nach dem UVG wesentlich besser gewährleistet als durch eine vorläufige gerichtliche Regelung, die gegen einen zahlungsunwilligen Schuldner erst vollstreckt werden muss.
398 Prütting/Helms, § 119 FamFG Rn. 6.
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XVII. Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter
1. Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung in Verbindung mit dem Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG
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Antrag auf Vaterschaftsfeststellung und Zahlung von Mindestunterhalt gemäß § 237 FamFG
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An das Amtsgericht – Familiengericht –
Ort, Datum Antrag
des minderjährigen Kindes …, geboren am …, … (Anschrift, Staatsangehörigkeit) vertreten durch das Jugendamt als Beistand – Antragsteller – weitere Beteiligte: 1. (Name, Anschrift, Staatsangehörigkeit) – Antragsgegner – 2. (Name, Anschrift, Staatsangehörigkeit) – Kindesmutter – wegen Vaterschaftsfeststellung und Verpflichtung zum Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts Es wird beantragt, dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und wie folgt zu beschließen: 1. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner der Vater des Antragstellers ist. 2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller eine dynamisierte und zum Ersten eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente zu zahlen, und zwar für die Zeit ab … (dem Tag seiner Geburt) den Mindestunterhalt der ersten Altersstufe, für die Zeit ab … (Monatserster vor dem 6. Geburtstag) den Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe, für die Zeit ab … (Monatserster vor dem 12. Geburtstag) den Mindestunterhalt der dritten Altersstufe nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind. Begründung: Der Antragsteller wurde am … von der Beteiligten zu 2 … geboren (Geburtsregister Nr. … des Standesamts …). Die Mutter des Antragstellers ist ledig. Sie hatte in der gesetzlichen Empfängniszeit vom … bis …ausschließlich mit dem Antragsgegner Geschlechtsverkehr (Ausführungen im Einzelnen).
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
Beweis: Zeugnis der Beteiligten zu 2 Der Antragsgegner ist der Vater des Antragstellers. Beweis: Abstammungsgutachten Der Antragsgegner ist mit Schreiben des Jugendamtes vom … aufgefordert worden, die Vaterschaft anzuerkennen und Auskunft zur Berechnung des Kindesunterhalts zu erteilen. Das Schreiben ist dem Antragsgegner am … zugegangen. Beweis: Schreiben des Jugendamts vom … und Zustellungsnachweis vom …, beides in Fotokopie als Anlagen 1 und 2 beigefügt. Der Antragsgegner hat auf dieses Schreiben nicht reagiert. Die Vaterschaft des Antragsgegners ist daher gemäß § 1600d BGB gerichtlich festzustellen. Als Vater ist der Antragsgegner seinem Kind nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltsverpflichtet. Er ist im Verfahren nach § 237 FamFG zur Zahlung von Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB unter Berücksichtigung des Kindergeldes zu verpflichten. Dieses Verfahren kann nach § 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG mit dem Abstammungsverfahren verbunden werden. Der Antragsteller behält sich vor, höheren Unterhalt im Wege der Abänderung nach § 240 FamFG zu verlangen. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass auch der Antragsgegner auf das Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG zu verweisen ist, wenn er behaupten sollte, den geforderten Unterhalt nicht zahlen zu können. Der Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit ist im vorliegenden Verfahren gemäß § 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht zu berücksichtigen. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift
939 § 237 FamFG eröffnet die Möglichkeit, bereits vor Feststellung der Vaterschaft die Zahlung von Unterhalt für das nichteheliche Kind zu beantragen. Der Antrag auf Zahlung von Mindestunterhalt ist jedoch nur zulässig, wenn das Kind minderjährig und ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB anhängig ist (§ 237 Abs. 1 FamFG). 940 Das Kindesunterhaltsverfahren nach § 237 FamFG ist ein selbstständiges Familienstreitverfahren und nicht notwendigerweise Teil des Abstammungsverfahrens. § 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG erlaubt jedoch die Verbindung einer Unterhaltssache nach § 237 FamFG mit dem Verfahren auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft. Auch dann bleibt das Verfahren aber Unterhaltsstreitsache, auf das die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden sind und nicht etwa diejenigen des Abstammungsverfahrens, welches sich nur nach den Normen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet. Die Verbindung der Verfahren wird dadurch erleichtert, dass für die Unterhaltssache nach § 237 FamFG das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft im ersten Rechtszug anhängig ist (§ 237 Abs. 2 FamFG). Sie empfiehlt sich auch, weil die Endentscheidung über den Unterhalt erst wirksam wird, wenn die Vaterschaft rechtskräftig feststeht (§ 237 Abs. 4 FamFG). Die Anordnung einer vorläufigen Vollstreckbarkeit ist deshalb nicht zulässig, möglich ist nur eine vorläufige Regelung des Unterhalts nach § 248 FamFG (vgl. Rn. 943). 604
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XVII. Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes und seiner Mutter
Im Verfahren nach § 237 FamFG kann Unterhalt nur bis zur Höhe des Mindest- 941 unterhalts und gemäß den Altersstufen nach § 1612a BGB, vermindert oder erhöht um die kindbezogenen Leistungen wie Kindergeld, verlangt werden. Es wird weder der konkrete Bedarf des Kindes anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse des zum Barunterhalt herangezogenen Vaters noch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen geprüft. Das Kind kann zwar einen geringeren Unterhalt als den Mindestunterhalt verlangen (§ 237 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Doch im Übrigen kann in diesem Verfahren weder eine Herabsetzung noch eine Erhöhung des Unterhalts verlangt werden (§ 237 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Vorrangig ist das Vater-Kind-Verhältnis, welches möglichst schnell und abschließend geklärt werden soll.399 Der Unterhaltsanspruch kann später – bei Bedarf – im Rahmen des Abände- 942 rungs(Korrektur-)Verfahrens nach § 240 FamFG genauer bestimmt werden (s. Rn. 970 f.). Dabei setzt die vom Vater beantragte rückwirkende Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts voraus, dass der Antrag nach § 240 FamFG innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsendentscheidung gemäß § 237 FamFG gestellt wird (§ 240 Abs. 2 FamFG). Wird der Antrag erst später gestellt, ist eine rückwirkende Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs zwar nicht ausgeschlossen, kommt aber nur ab dem Ersten des Monats in Betracht, der auf ein Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Vaters gegenüber seinem Kind nachfolgt. Auch kann in diesem Fall die Herabsetzung des Unterhalts nicht für eine Zeit verlangt werden, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegt.
" Praxishinweis: Ist die Vaterschaft samt Unterhaltsverpflichtung gemäß
§ 237 FamFG festgestellt und Beschwerde gegen die Endentscheidung nicht beabsichtigt, sollte sich der Vater im Hinblick auf die Monatsfrist des § 240 Abs. 2 FamFG schnellstens mit den gesetzlichen Vertretern des Kindes (Mutter, Jugendamt) oder deren Verfahrensbevollmächtigten in Verbindung setzen, um den nach den individuellen Verhältnissen tatsächlich geschuldeten laufenden und rückständigen Unterhalt zu errechnen und eine entsprechende Vereinbarung mit der Gegenseite zu schließen. Hierbei sollte der Vater auch alle Umstände vortragen, die gemäß § 1613 Abs. 3 BGB einen Erlass, Teilerlass oder eine Stundung rückständiger Unterhaltsbeträge wegen unbilliger Härte rechtfertigen!
2. Einstweilige Anordnung nach § 248 FamFG Ist ein Verfahren der Mutter oder des minderjährigen Kindes auf Feststellung der 943 Vaterschaft nach § 1600d BGB, § 169 Nr. 1 FamFG anhängig, kann das insoweit zuständige Familiengericht (§ 248 Abs. 2 FamFG) auf Antrag den Unterhaltsanspruch des Kindes und den Unterhaltsanspruch der Mutter durch einstweilige Anordnung regeln (§ 248 FamFG). Es kann bestimmen, dass der Mann Unterhalt zu zahlen oder für den Unterhalt Sicherheit zu leisten hat (§ 248 Abs. 4 FamFG). Der Anspruch auf Unterhalt ist glaubhaft zu machen, d.h. zum einen muss die 944 Vaterschaft des Antragsgegners glaubhaft gemacht werden, zum anderen die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes bzw. der Mutter. Im ersten Punkt hilft die Vaterschaftsvermutung des § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB, die nach § 248 Abs. 3 FamFG entsprechend gilt: Im Hinblick auf diese Vermutung reicht es zur Glaubhaftmachung der Vaterschaft aus, wenn die Mutter eidesstattlich versichert, sie habe 399 OLG Dresden, FamRZ 2003, 161.
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mit dem Antragsgegner in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt. Des Weiteren müssen als Unterhaltsvoraussetzungen – wie stets –, die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und die Leistungsfähigkeit des zum Unterhalt Verpflichteten glaubhaft gemacht werden. 945 Weitere Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung ist deren Notwendigkeit, ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden ist dagegen nicht erforderlich (vgl. Rn. 887 und 893 zu § 246 FamFG). Diese Notwendigkeit entfällt nicht schon dann, wenn die Mutter des Kindes oder Verwandte das Kind unterhalten können.400 Wegen ihres subsidiären Charakters haben auch Leistungen nach dem UVG und Sozialhilfe grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. 946 Das nichteheliche Kind bzw. seine Mutter gehen bei der einstweiligen Anordnung möglicherweise ein erhebliches Risiko ein; denn § 248 Abs. 5 Satz 2 FamFG enthält nach dem Vorbild des § 945 ZPO eine verschuldensunabhängige Pflicht zum Schadensersatz: Wird das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen, so hat derjenige, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, dem Mann den Schaden zu ersetzen, der jenem aus der Vollziehung der einstweiligen Anordnung entstanden ist. Zum Inhalt und zum Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 248 FamFG wird auf die Darstellung der einstweiligen Anordnung unter Rn. 902 ff., 900 f., zum Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB auf Rn. 296 ff. verwiesen. 3. Einstweilige Anordnung nach § 247 FamFG 947 Nach § 247 Abs. 1 FamFG kann im Wege der einstweiligen Anordnung bereits vor der Geburt des Kindes die Verpflichtung zur Zahlung des für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalts (inklusive der Säuglingserstausstattung) sowie des der Mutter nach § 1615l Abs. 1 BGB zustehenden Betrages geregelt werden. Die Regelung des Unterhalts für die Mutter erfasst den Zeitraum von 6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Geburt des Kindes und kann sich auch auf weitere Kosten der Schwangerschaft und der Entbindung erstrecken. In Betracht kommt auch die Anordnung, dass der Unterhaltsbetrag nach § 247 Abs. 1 FamFG zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Geburt des Kindes zu hinterlegen ist (§ 247 Abs. 2 Satz 3 FamFG). 948 Antragstellerin kann nach § 247 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch die Mutter sein, obwohl sie vor der Geburt des Kindes noch nicht Inhaberin der elterlichen Sorge sein kann. Dies vermeidet die Notwendigkeit, einen Pfleger zu bestellen401. Antragsteller kann aber auch das Jugendamt als Beistand sein (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB). 949 Zum Inhalt und zum Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 247 FamFG wird auf die Darstellung der einstweiligen Anordnung unter Rn. 902 ff., 900 f., zum Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes auf Rn. 296 ff. verwiesen.
400 A.A. Prütting/Helms/Bömelburg, § 248 FamFG Rn. 8. 401 BT-Drucks. 16/6308, S. 260.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger In dem Bestreben, die unterhaltsrechtliche Position der minderjährigen Kinder zu 950 stärken, hat das KindUG402 zum 1.7.1998 mit dem vereinfachten Verfahren ein verfahrenstechnisch neues Instrument zur Festsetzung des Unterhalts von Minderjährigen geschaffen. Dieses Verfahren, welches das FamFG beibehalten hat, soll dazu beitragen, Unterhaltsansprüche von Minderjährigen schnell und wirkungsvoll durchzusetzen. Es handelt sich um ein schematisiertes Verfahren, das in 1. Instanz i.d.R. dem Rechtspfleger übertragen ist (§ 25 Nr. 2c RPflG). Im vereinfachten Verfahren zur erstmaligen Festsetzung des Kindesunterhalts 951 (§§ 249 ff. FamFG), welches anstelle eines streitigen Unterhaltsverfahren durchgeführt werden kann,403 hat das minderjährige Kind die Möglichkeit, das 1,2fache des Mindestunterhalts (§ 249 Abs. 1 FamFG) als monatlichen Unterhalt festsetzen zu lassen, ohne das Einkommen des Unterhaltspflichtigen darlegen und beweisen zu müssen. Will der Unterhaltsverpflichtete dagegen einwenden, er sei nur eingeschränkt oder auch gar nicht leistungsfähig, muss er anhand eines Formulars im Einzelnen Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen erteilen sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen (§ 252 Abs. 2 Satz 3 FamFG). Außerdem hat er zu erklären, inwieweit er zur Unterhaltszahlung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet (§ 252 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Anderenfalls wird der Unterhalt in der beantragten Höhe festgesetzt (§ 253 FamFG).
" Praxishinweis: Das vereinfachte Verfahren stellt den nicht oder nur einge-
schränkt leistungsfähigen Unterhaltsschuldner vor die Wahl, entweder umfassend Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen sowie über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen oder zur Zahlung des beantragten Unterhalts verpflichtet zu werden. Denn der Unterhaltsschuldner kann sich auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nur berufen, wenn er zugleich seiner Auskunftspflicht gegenüber dem Unterhaltsberechtigten vollständig nachkommt. Dieser Aspekt ist ein wesentlicher Vorteil des vereinfachten Verfahrens. Er sollte bedacht werden, wenn die Entscheidung ansteht, in welcher Form der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes geltend gemacht werden soll – durch streitiges Verfahren oder mithilfe des vereinfachten Verfahrens. Gegenüber dem schwerfälligen Stufenverfahren nach § 254 ZPO könnte sich das vereinfachte Verfahren jedenfalls oft als die zweckmäßigere Vorgehensweise anbieten.
1. Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts minderjähriger Kinder Für das vereinfachte Verfahren gemäß §§ 249 ff. FamFG besteht Formularzwang 952 (§ 259 Abs. 2 FamFG). Die Formulare sind zum 1.9.2009 mit der 4. VO zur Änderung der Kindesunterhalt-Formularverordnung vom 17.7.2009 (BGBl. I, S. 2134), berichtigt am 7. Oktober 2009 (BGBl. I, S. 3557), neu gefasst worden. Sie bestehen aus dem „Antrag auf Festsetzung von Unterhalt“ nebst einem Merkblatt mit Ausfüllhinweisen und dem Formular für die „Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt“. Die Beteiligten müssen sich dieser Formu-
402 KindUG vom 6.4.1998, BGBl. I, S. 666. 403 BT-Drucks. 13/7338, S. 37.
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
lare bedienen! Die Vordrucke können aus dem Internet von der Homepage des Bundesministeriums der Justiz kostenfrei heruntergeladen werden.404 a) Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens 953 Im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG können die Unterhaltsansprüche aller minderjährigen Kinder, die nicht im Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils leben, geregelt werden, sofern der mit dem vereinfachten Verfahren erstrebte Unterhalt das 1,2fache des jeweiligen Mindestunterhalts nicht übersteigt (§ 249 Abs. 1 FamFG). Diese Höchstbeträge von 120 % des jeweiligen Mindestunterhalts belaufen sich für die Zeit ab 1.1.2010 gemäß § 1612a BGB nach Abzug des hälftigen Kindergeldes – in der 1. Altersstufe auf 381 Euro – 92 Euro = 289 Euro; – in der 2. Altersstufe auf 437 Euro – 92 Euro = 345 Euro; – in der 3. Altersstufe auf 512 Euro – 92 Euro = 420 Euro. Im Vergleich zu dem durchschnittlichen Einkommen vieler Unterhaltsverpflichteter erscheinen diese Höchstbeträge recht hoch. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass sie nur leicht über dem sächlichen Existenzminimum des Kindes – dessen korrekte Ermittlung das BVerfG in seiner Entscheidung vom 9.2.2010405 zudem angemahnt hat – liegen.406 954 Das vereinfachte Verfahren steht nur für die erstmalige Titulierung von Unterhaltsansprüchen zur Verfügung.407 Es ist nicht statthaft, wenn bereits ein Gericht über den Unterhaltsanspruch des Kindes entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch anhängig ist oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Unterhaltstitel vorliegt (§ 249 Abs. 2 FamFG). Denn das stark schematisierte vereinfachte Verfahren, das Einwendungen des Unterhaltsschuldners nur in begrenztem Umfang zulässt, eignet sich nicht dazu, Urteile oder bestehende Unterhaltstitel zu überprüfen. Aus diesem Grund findet das vereinfachte Verfahren auch dann nicht statt, wenn zuvor ein Unterhaltsantrag als unbegründet abgewiesen wurde408 Der Antrag auf Durchführung des vereinfachten Verfahrens bleibt jedoch zulässig, wenn der Unterhaltspflichtige ein vollstreckbares Unterhaltsanerkenntnis erst abgibt, nachdem ihm das Gericht die Einleitung des Verfahrens mitgeteilt hat (§ 249 Abs. 2 FamFG). Ansonsten hätte es der Unterhaltsschuldner in der Hand, das vereinfachte Verfahren und damit seine Auskunftspflicht nach § 252 Abs. 2 FamFG zu unterlaufen, indem er nach Einleitung des Verfahrens vor dem Jugendamt oder einem Notar einen vom Antrag nach unten abweichenden Unterhaltstitel errichtet.409 404 Pfad: www.bmj.de, Themen, Zivilrecht, Familienrecht, Unterhaltsrecht, Formulare für die Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren. 405 BVerfG, FamRZ 2010, 429 ff. 406 Zu den Zweifeln, dass der familienrechtliche Mindestunterhalt von Kindern dem tatsächlichen Mindestbedarf von Kindern entspricht, vgl. Lenze, FamRZ 2009, 1724, 1726. 407 van Els, Rpfleger 2000, 297, 299. 408 Zöller/Philippi, § 249 Rn. 7; Musielak/Borth, § 249 Rn. 5; OLG München, FamRZ 1999, 450, 451; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 142, 143. 409 OLG München, FamRZ 2001, 1076.
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XVIII. Vereinfachtes Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger
b) Form und Inhalt des Antrags Für den Antrag auf Festsetzung des Minderjährigenunterhalts muss das einge- 955 führte Antragsformular verwandt werden. Ausgenommen vom Formularzwang nach § 259 Abs. 2 FamFG sind lediglich die Kommunen, das Land, welches Unterhaltsvorschuss geleistet hat und die in § 1607 Abs. 2 und 3 BGB genannten Verwandten, die auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche im vereinfachten Verfahren geltend machen (§ 1 Abs. 2 KindUFV).
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L. Verfahren in Unterhaltsstreitsachen
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