222 50 8MB
German Pages 1401 [1402] Year 2015
Hesselmann . Tillmann . Mueller-Thuns Handbuch GmbH & Co. KG
Hesselmann . Tillmann Mueller-Thuns
Handbuch GmbH & Co. KG Gesellschaftsrecht Steuerrecht herausgegeben von
Dr. Thomas Mueller-Thuns Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater Berlin Bearbeiterverzeichnis siehe nächste Seite
21. neu bearbeitete Auflage
2016
Bearbeiterverzeichnis Dipl.-Finw. Dr. Ralf Dremel Rechtsanwalt, Steuerberater, Bonn
Dr. Petra Eckl Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Steuerberaterin, Frankfurt
Dipl.-Kfm. Nikos Fatouros Steuerberater, Berlin
Dipl.-Finw. Dr. Marcus Geuenich Rechtsanwalt, Steuerberater, Düsseldorf
Prof. Dr. Frank Hannes Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Bonn
Dr. Stefanie Helde Richterin am Finanzgericht, Köln
Matthias Hoppe Rechtsanwalt, Steuerberater und Notar Fachberater für Internationales Steuerrecht, Berlin
Dipl.-Kfm. Oliver Klotz Steuerberater, Berlin
Dr. Florian Kutt Rechtsanwalt, Steuerberater, Berlin
Dr. Thomas Leibohm Rechtsanwalt, Lic. en droit (Paris X), Berlin
Dr. Olaf Lüke Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Dr. Thomas Mueller-Thuns Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Berlin
Dr. Christian Pitzal Rechtsanwalt, Steuerberater, Hamburg/Berlin
Dr. Jens Wenzel Rechtsanwalt, Maîtrise en droit, Berlin
Zitierempfehlung: Autor in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 21. Aufl. 2016, Rz. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-32520-6 © 2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Die GmbH & Co. KG ist eine sehr beliebte und daher weit verbreitete Rechtsform für mittelständische Unternehmen und speziell Familienunternehmen. Sie steht vor allem in Konkurrenz zur GmbH. Der Wechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren oder zur Abgeltungsteuer und die Reduzierung des Körperschaftsteuersatzes von ursprünglich 25 % auf 15 % hat an der weiten Verbreitung der GmbH & Co. KG ebenso wenig geändert wie ihre im Regelfall bestehende Verpflichtung zur Rechnungslegung, Prüfung und Publizität nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen. Zivilrechtlich verbindet die GmbH & Co. KG in idealer Weise die Vorteile einer Kapitalgesellschaft (Haftungsbeschränkung; Fremdorganschaft) mit denen einer Personengesellschaft (weitgehende Gestaltungsfreiheit), obwohl mittlerweile zahlreiche Regelungen und Grundsätze für Kapitalgesellschaften – z.T. mit Modifikationen – auch für die GmbH & Co. KG gelten (z.B. im Insolvenzrecht). Steuerrechtlich bestehen die Vorteile der GmbH & Co. KG bei der laufenden Besteuerung vor allem – in Abhängigkeit von ihrem individuellen Steuersatz – in einer niedrigeren Belastung der Gesellschafter im Vergleich zur Kapitalgesellschaft, die ihren Gewinn vollständig an natürliche Personen ausschüttet. Seit der 20. Auflage 2009 hat es – vor allem in der Rechtsprechung, aber auch aufgrund der Gesetzgebung – zahlreiche Änderungen auf nahezu allen Gebieten gegeben, die dieses Handbuch behandelt. Mit dem Steueränderungsgesetz 2015, dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz oder dem Gesetz zur „Frauenquote“ seien an dieser Stelle nur die aktuellsten Gesetze aus dem laufenden Jahr erwähnt. Nicht abgeschlossen ist bisher die aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erneut notwendig gewordene Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, die wieder zu erheblichen Diskussionen in Politk und Literatur geführt hat. Sowohl der Bundesrat als auch die Experten aus Wissenschaft und Praxis haben erhebliche Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geäußert, so dass derzeit nicht abzusehen ist, wann und wie die Reform abgeschlossen wird. Das Bundesverfassunggericht hat zur Umsetzung seiner Vorgaben eine Frist bis zum 30.6. 2016 gesetzt, und es spricht manches dafür, dass auch dieses Mal die Frist ausgeschöpft werden wird. Trotzdem enthält das Handbuch natürlich einen Ausblick auf das, was uns erwartet. Damit Sie auch nach Verabschiedung des Gesetzes auf dem neuesten Stand sind, werden wir Ihnen eine aktualisierte Version des entsprechenden Buchabschnitts auf der Verlags-Homepage zur Verfügung stellen. Aufgrund der vielfältigen Entwicklungen wurde das Handbuch in allen Teilen grundlegend überarbeitet und in wichtigen Teilen neu geschrieben. Die Erläuterungen zu den Gesellschaftsorganen und den Rechtsverhältnissen zu Dritten wurden neu geordnet. Außerdem werden die Ausführungen zu den Gesellschafterdarlehen jetzt im Zusammenhang mit dem Insolvenzrecht behandelt. Die Erläuterungen zur Rechnungslegung wurden insbesondere in Hinblick auf die Besonderheiten des (IFRS-)Konzernabschlusses vertieft und die Darstellung der Publikums-KG aufgrund der Neuerungen durch das Kapitalanlagegesetzbuch aktualisiert. Darüber hinaus enthält das Handbuch erstmals Abschnitte zur GmbH & Co. KG im internationalen Steuerrecht und zur vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG. VII
Vorwort
Das Handbuch verbindet wissenschaftliche Ansprüche mit den Bedürfnissen der Gestaltungspraxis. Gesellschaftsrecht und Steuerrecht sind in der Darstellung eng verzahnt. Das Steuerrecht fließt in sämtliche Themenbereiche immer wieder mit ein, so dass die Wechselwirkungen zwischen Gesellschafts- und Steuerrecht jeweils an Ort und Stelle deutlich werden. Zahlreiche Beispiele verdeutlichen die z.T. schwierige Materie. Gestaltungs- und Beratungshinweise geben Anregungen für die Praxis. Die GmbH & Co. KG und dieses Handbuch sind mit einem unauslöschlichen Namen verbunden: Rechtsanwalt Dr. Malte Hesselmann. Er hat dieses Handbuch von der Erstauflage im Jahre 1956 bis zur 16. Auflage 1980 verfasst und entscheidend geprägt. Dadurch hat Herr Dr. Hesselmann maßgeblich dazu beigetragen, die Rechtsform der GmbH & Co. KG zu etablieren und weiterzuentwickeln. Herr Rechtsanwalt Professor Dr. Bert Tillmann führte das Handbuch in der 17. Auflage 1991 und in der 18. Auflage 1997 fort und hat es weiter zu einem Standardwerk ausgebaut. Seit der 19. Auflage 2005 ist Markenzeichen des Handbuchs ein Autorenteam aus ausgewiesenen Praktikern, die mit den Beratungsfragen der GmbH & Co. KG bestens vertraut sind. Ausgeschieden aus dem Autorenteam sind mit dieser Auflage Frau Cornelia Mussaeus und Frau Dr. Barbara Schiessl sowie Herr Dr. Friedrich Zimmermann. Ihnen gebührt großer Dank für ihre engagierte Mitarbeit in der 19. und 20. Auflage des Handbuchs. Neu hinzugekommen sind die Herren Dr. Thomas Leibohm (Rechtsanwalt, Lic. en droit (Paris X)), Dr. Christian Pitzal (Rechtsanwalt, Steuerberater) und Dr. Jens Wenzel (Rechtsanwalt, Maîtrise en droit). Ich freue mich, sie an dieser Stelle herzlich im Autorenteam begrüßen zu dürfen. Dank gebührt an dieser Stelle auch Herrn Alexander Witfeld für die Erstellung des Stichwortverzeichnisses. Die Autoren haben die von ihnen übernommenen Teile selbstständig bearbeitet. Die Gesamtredaktion und -verantwortung liegen bei mir. Für Anregungen und Kritik bin ich dankbar, damit das Handbuch weiter verbessert werden kann. Bitte senden Sie hierzu eine E-Mail an den Verlag ([email protected]). Berlin, im Oktober 2015
VIII
Thomas Mueller-Thuns
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLV
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
LI
§ 1 Einleitung (Mueller-Thuns) A. Begriff der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG . . . .
Rz.
Seite
1.1 1.10
1 4
2.1 2.34 2.150 2.181 2.201 2.281 2.411 2.461
16 26 71 86 92 143 184 199
3.1 3.260
230 300
4.1 4.5 4.98 4.174
333 333 361 385
§ 2 Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen A. B. C. D. E. F. G. H.
Gesellschaftsrecht (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . . Steuerrecht (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsaufspaltung (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . GmbH & Still (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei der Familien-GmbH & Co. KG (Fatouros) Besonderheiten der Publikums-KG (Hoppe) . . . . . . . . . Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG (Fatouros) . . Besondere Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG (Lüke)
§ 3 Gründung A. Gesellschaftsrecht (Lüke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerrecht (Geuenich/Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 4 Gesellschaftsorgane und gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse (Wenzel) A. B. C. D.
Einführung . . . . . . . . . Geschäftsführung . . . . . . Gesellschafterversammlung Aufsichtsrat und Beirat . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
IX
Inhaltsübersicht
E. Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter . . . . F. Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
4.257 4.297
407 419
§ 5 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten (Wenzel) A. Vertretung der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftung der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG . . . . . .
5.1 5.37 5.39
432 442 443
. . . . . . . . . . . .
6.1 6.641 6.751
471 676 712
. . . .
6.811
724
7.1
741
7.6
742
7.34 7.123
751 780
7.148
791
7.176 7.183 7.187
798 802 804
8.1 8.163
807 859
§ 6 Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter A. Einkommensteuer (Eckl/Pitzal/Helde/Klotz/Hoppe/ Fatouros) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gewerbesteuer (Helde/Mueller-Thuns) . . . . . . . . C. Umsatzsteuer (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die GmbH & Co. KG im internationalen Steuerrecht (Leibohm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 7 Rechnungslegung und Publizität (Mueller-Thuns) A. Allgemeines zur Rechnungslegung und Publizität der GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH . . . . . . . . . B. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Prüfung und Publizität des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . F. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Gewinnanspruch und Entnahmerecht . . . . . . . . . . . . . H. Exkurs: E-Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 8 Gesellschafterwechsel und Nachfolge (Hannes) A. Anteilsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausscheiden durch Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
Inhaltsübersicht
C. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
8.207 8.240
875 889
9.1 9.241
915 944
§ 9 Auflösung und Liquidation A. Gesellschaftsrecht (Lüke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerrecht (Hoppe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 10 Insolvenz A. Insolvenz (Lüke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 991 B. Gesellschafterdarlehen, Gesellschaftersicherheiten, Nutzungsüberlassung in Krise und Insolvenz (Lüke) . . . . 10.152 1040 C. Steuerrecht und Rechnungslegung (Leibohm) . . . . . . . . 10.221 1055
§ 11 Umstrukturierungen A. Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Übertragung (Überführung) von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG (Kutt) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Weitere Umstrukturierungen (Dremel) . . . . . . . . . .
. .
11.1 1060
. . 11.181 1121 . . 11.301 1168 . . 11.381 1195
Anhang (Mueller-Thuns) A. Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH Gesellschaftsvertrag der … Verwaltungs-GmbH . . . . . . . . . . . B. Muster-Vertrag für eine GmbH & Co. KG Gesellschaftsvertrag der … GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Muster-Vertrag einer Komplementär-GmbH (Einheitsgesellschaft) Gesellschaftsvertrag der … Verwaltungs-GmbH . . . D. Muster-Vertrag für eine GmbH & Co. KG (Einheitsgesellschaft) Gesellschaftsvertrag der … GmbH & Co. KG . . . . E. Muster eines Kauf- und Übertragungsvertrages über Geschäfts- und Kommanditanteile (mit Beurkundung) . . . . . F. Muster-Vertrag für den Eintritt (Aufnahme) eines weiteren Kommanditisten in die … GmbH & Co. KG Vertrag . . . .
. . . . .
1217
. . . . .
1228
. . . . .
1245
. . . . .
1249
. . . . .
1266
. . . . .
1280
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1283 XI
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLV
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
LI
§ 1 Einleitung (Mueller-Thuns)
Rz.
Seite
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1
1
B. Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG . . . .
1.10
4
I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entstehung der GmbH & Co. KG und ihre zivilrechtliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die steuerrechtliche Anerkennung der GmbH & Co. KG . IV. Die Wirtschaftsverfassung und die GmbH & Co. KG . . . . 1. Angriffspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.10
4
1.11 1.31 1.40 1.40 1.41 1.43 1.44
5 11 13 13 13 14 14
V. Die Anerkennung der GmbH & Co. KG durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausblick auf andere europäische Rechtsordnungen . . . . .
1.45 1.46
14 15
A. Gesellschaftsrecht (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . .
2.1
16
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strukturelle Unterschiede zur klassischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsbeschränkung aller natürlichen Personen . . . . . 2. Keine zwangsweise Verbindung von Unternehmensführung, Gesellschafterstellung und Haftung . . . . . . . . . . . . . . a) Trennung zwischen Unternehmensführung und Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennung zwischen Unternehmensführung und Haftung c) Unternehmensführung ohne Majorität . . . . . . . . . .
2.1
16
2.3 2.3
17 17
2.6
17
2.6 2.8 2.9
17 18 18
A. Begriff der GmbH & Co. KG
§ 2 Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
XIII
Inhaltsverzeichnis
III. 1. 2. 3.
Strukturelle Unterschiede zur GmbH . . . . . Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . Verminderte Einflussnahme der Gesellschafter Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . auf die . . . . .
Rz.
Seite
. . . . . . . . .
2.11 2.11 2.14
19 19 20
. . .
2.16
21
2.21 2.21 2.22 2.24 2.27
22 22 22 23 24
2.29 2.31
24 25
IV. Rechtsform der GmbH & Co. KG als Gestaltungsmittel in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neugründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung der Unternehmensfortführung . . . . . . . . . . . 4. Sanierung notleidender Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenschluss mehrerer selbständiger Unternehmen zu Gemeinschaftsunternehmen oder Interessengemeinschaften 6. Unternehmensnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerrecht (Mueller-Thuns)
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.34
26
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die thesaurierende Kapitalgesellschaft (Tabelle 1) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Regelbesteuerung (Tabelle 3) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die thesaurierende Kapitalgesellschaft (Tabelle 1) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Gewinnthesaurierung und Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung (Tabelle 4) . . . . . . . . . c) Die vollausschüttende Kapitalgesellschaft (Tabellen 2a und 2b) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Regelbesteuerung (Tabelle 3) . . . . . . . . . . . . . . d) Die vollausschüttende Kapitalgesellschaft (Tabellen 2a und 2b) im Vergleich mit der Personengesellschaft bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung und späterer Nachversteuerung (Tabelle 5) . . . . . . . . . .
2.34 2.38 2.38 2.39 2.53
26 27 27 28 35
2.53
35
2.54
35
2.56
37
2.57
37
4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.58
37
. . .
2.61 2.61 2.62
38 38 39
. . . . .
2.71 2.74 2.74 2.75 2.79
43 45 45 45 47
I. II. 1. 2. 3.
III. 1. 2. 3.
Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung der Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fremdfinanzierung; Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIV
Inhaltsverzeichnis
d) Nachgeordnete Personengesellschaft . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zinsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbeziehung von nahen Angehörigen
. . . . . . . . . . . .
IV. Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . a) Übertragung bei der GmbH & Co. KG . . . . . . . b) Übertragung bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragung von Grundstücken . . . . . . . . . . . 3. Umstrukturierungen . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . b) Formwechsel und Einbringung . aa) GmbH & Co. KG in GmbH bb) GmbH in GmbH & Co. KG c) Errichtung einer Holdingstruktur d) Realteilung; Aufspaltung . . . . aa) GmbH & Co. KG . . . . . . bb) GmbH . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
2.89 2.92 2.93
50 51 51
2.95
52
. . . . .
. . . . . .
. . . . . .
2.96 2.96 2.97 2.97 2.103 2.105
52 52 52 52 55 55
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
2.109 2.109 2.110 2.110 2.115 2.120 2.125 2.125 2.131
56 56 56 56 58 60 62 62 64
. . . . . . . . . . . . . . & Co. KG . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2.133 2.133 2.134 2.138 2.142
65 65 65 67 68
V. Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . .
2.143
69
C. Betriebsaufspaltung (Mueller-Thuns)
. . . . . . . . .
Seite
. . . . . . . . .
4. Veräußerung; Erwerb . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsanteile an einer GmbH c) Geschäftsanteile an einer GmbH . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
Rz.
2.150
71
. . . . . . . .
2.150 2.152 2.155 2.155 2.157 2.158 2.165 2.171
71 72 72 72 73 74 78 81
IV. Besonderheiten bei der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . 1. Schuldzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Miet- und Pachtzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.172 2.172 2.173
81 81 82
V. Gewinnrealisierung bei Beendigung . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.175 2.179
83 85
D. GmbH & Still (Mueller-Thuns) . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.181
86
I. Zivilrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.181 2.184
86 87
I. II. III. 1. 2. 3. 4. 5.
. . . . . . . . . . . . .
Grundlagen; Begriffe . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . Steuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorteile und Nachteile . . . . . . . . . . . Fremdfinanzierung; Zinsschranke . . . . . Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
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XV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
III. Steuerliche Vorteile der GmbH & Still . . . . . . . . . . . . IV. Fremdfinanzierung; Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausländischer Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.189 2.191 2.195
89 90 91
E. Besonderheiten bei der Familien-GmbH & Co. KG (Fatouros)
2.201
92
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kriterien der steuerlichen Anerkennung einer FamilienGmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ernsthafte Gestaltung der vertraglichen Vereinbarungen a) Klarheit und Eindeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung des § 41 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . d) Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
2.201
92
. . . . . .
. . . . . .
2.208 2.208 2.209 2.210 2.219 2.222
97 97 98 98 105 107
2. Tatsächliche Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.235
120
. . . . . .
2.243 2.248 2.248 2.250 2.259 2.263
124 126 126 128 135 137
. . . . . . . . . . . .
2.264 2.266
138 140
. . . . . . . . .
2.281
143
. . . . . . .
2.281 2.289 2.296 2.303 2.312 2.324 2.324
143 147 149 151 156 159 159
. . . . . . . . . . . .
2.331 2.341 2.347
161 164 166
Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialgesetzliche Prospekthaftung aus §§ 20, 21 VermAnlG Prospekthaftung wegen Enttäuschung persönlichen Vertrauens (Prospekthaftung im weiteren Sinne) . . . . . . . . 4. Haftung des Anlagevermittlers und des Kreditgebers . . . .
2.352 2.352 2.355
168 168 169
2.370 2.373
173 174
VIII. Steuerrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.379 2.379
176 176
III. IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Steuerliche Folgen der Nichtanerkennung . . . . Angemessenheit der Gewinnverteilung . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik an der Korrektur der Gewinnverteilung bei Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gewinnverteilung der Komplementär-GmbH . . F. Besonderheiten der Publikums-KG (Hoppe)
I. II. III. IV. V. VI. 1. 2.
. . . . . .
. . . . . .
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrheitsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation der Publikums-KG und Invest-KG . . . Beitritt und Austritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beitritt als Kommanditist . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelbare Beteiligung über einen Treuhänder (echte Treuhand) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlerhafter Beitritt, Kündigung des Gesellschafters 4. Abwicklung der Beteiligung bei Austritt . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . . .
. . . . . .
. . . . . . .
. . . . . .
. . . . . . .
VII. 1. 2. 3.
XVI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
2.382 2.384 2.384 2.387
177 178 178 178
2.388
179
2.389 2.390 2.390 2.391 2.393
179 180 180 180 181
2.394 2.395
182 182
2.397
183
2.398
183
G. Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG (Fatouros) . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünftequalifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG als eigenständiges Steuerrechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der vermögensverwaltenden Tätigkeiten . c) Bruchteilsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zebragesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkünfteermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünftefeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.411 2.411 2.417
184 184 185
2.417 2.418 2.421 2.433 2.435
185 186 187 191 192
2.435 2.443
192 196
H. I. 1. 2. 3. 4.
Besondere Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG (Lüke) Einheitsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.461 2.461 2.465 2.472 2.484 2.485
199 199 200 203 208 209
II. Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG . . . . . . . . . 1. Allgemeine und besondere Rechtsfähigkeit der Komplementärgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungssitz der KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Firmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.489
210
2.490 2.491 2.497 2.502 2.507
211 211 213 214 216
2. Verfahrensrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . 3. Materiell-rechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkunftserzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlustverrechnungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlustzuweisungsgesellschaft nach § 52 Abs. 4 i.V.m. § 2b EStG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlustverrechnungsverbot wegen Steuerstundungsmodell-Charakter der Publikums-KG . . . . . c) Hersteller- oder Erwerbereigenschaft der Publikums-KG aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bauherrenerlass (Fondserlass) . . . . . . . . . . . . . cc) Medienfondserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten der Publikumsgesellschaft als vermögensverwaltende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . aa) Private-Equity-Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften in der Form der Publikums-KG . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erbschaftsteuerliche Behandlung von treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
Inhaltsverzeichnis
4. Anmeldung und Eintragung der KG . . . . . . . . . . . . . . 5. Eintragung der ausländischen Komplementärgesellschaft in das deutsche Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
2.509
216
2.512 2.518
217 218
III. IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Doppelstöckige GmbH & Co. KG Stiftung & Co. KG . . . . . . . . . Komplementär-Stiftung . . . . . . Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . Stiftungsvorstand . . . . . . . . . . Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . Mitbestimmung . . . . . . . . . .
. . . . . . .
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. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
2.525 2.527 2.528 2.534 2.538 2.541 2.542
221 221 221 223 224 225 225
V. 1. 2. 3. VI.
AG & Co. KG . . . . . Komplementär-AG . . Gesellschaftsverträge Mitbestimmungsrecht SE & Co. KG . . . . .
. . . . .
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. . . . .
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. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2.543 2.544 2.552 2.554 2.555
225 225 227 228 228
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
3.1 3.2 3.3 3.4 3.10 3.11 3.12 3.15 3.16 3.23
230 230 230 231 233 233 233 235 235 238
4. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Handelsregisteranmeldung und -eintragung . . . . . . . . .
3.28 3.31
240 241
II. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Komplementär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorgründungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . dd) Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ee) Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . b) Kommanditist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unteilbarkeit der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . d) Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
3.34 3.36 3.37 3.37 3.39 3.41 3.43 3.50 3.51 3.53 3.55
242 242 242 242 242 243 244 247 247 247 248
2. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.59 3.63
249 250
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
§ 3 Gründung A. I. 1. 2. 3.
XVIII
Gesellschaftsrecht (Lüke) . . . Komplementär-GmbH . . . . . Vorrats- oder Mantel-GmbH . Neugründung . . . . . . . . . . Gesellschaftsvertrag (Satzung) a) Firma . . . . . . . . . . . . . b) Sitz . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmensgegenstand . d) Stammkapital . . . . . . . . e) Weitere Regelungen . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
.
3.64
251
. . .
3.65 3.68 3.73
251 252 254
3. Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prinzipien der Firmenbildung . . . . . . . . . . . . bb) Die Firma der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . cc) Firmenkontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Firmenzeichnung im Geschäftsverkehr . . . . . . ee) Angaben auf Geschäftsbriefen . . . . . . . . . . . b) Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenstand des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschafter, Beiträge, Einlagen, Haftsummen . . . . aa) Haftsumme und Pflichteinlage . . . . . . . . . . . bb) Geld- oder Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einlagensplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beitrag und Einlage der Komplementär-GmbH . . ee) Nachschusspflicht und gespaltene Beitragspflicht e) Gesellschafterkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Geschäftsführung und Vertretung . . . . . . . . . . . . g) Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . h) Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Haftungsvergütung, Auslagenersatz . . . . . . . . . . . j) Geschäftsjahr, Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . k) Ergebnisverteilung, Entnahmen . . . . . . . . . . . . . l) Verfügung über Gesellschaftsanteile . . . . . . . . . . . m) Vererbung von Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . n) Ausscheiden und Ausschluss eines Gesellschafters . . o) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . p) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . q) Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r) Weitere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.74 3.74 3.75 3.79 3.84 3.85 3.86 3.91 3.94 3.99 3.101 3.109 3.118 3.119 3.121 3.123 3.124 3.129 3.136 3.146 3.148 3.150 3.153 3.156 3.160 3.162 3.165 3.168 3.170
254 254 254 256 258 259 259 260 260 262 262 263 266 267 267 268 268 270 271 273 274 274 275 276 276 277 278 278 279
4. Handelsregisteranmeldung und -eintragung . . 5. Entstehen der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . a) Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
3.171 3.175 3.175 3.178
279 280 280 281
6. Fehlerhafte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.180
281
3.187 3.187
284 284
3.188
284
b) Minderjährige, beschränkt Geschäftsfähige, Geschäftsunfähige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertretung durch gesetzlichen Vertreter oder Ergänzungspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Genehmigung durch das Familiengericht . . . . . c) Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
III. Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Harmonisierung unterschiedlicher gesetzlicher Regelungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
3.188 3.194 3.198 3.201 3.205 3.209 3.210 3.211
284 285 287 287 288 288 289 289
3.212 3.218 3.221 3.222
289 291 291 292
3.223 3.224 3.225 3.227
292 292 292 293
3.231
294
3.234 3.235 3.237 3.245
295 295 296 299
Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertragsteuern (Geuenich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung durch Bareinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gründung durch Betriebseinbringung (Sacheinlage) . . . d) Gründung durch Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter (Sacheinlage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufnahme einer Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . 3. Einzelfragen – Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . a) Gewinnrealisierung und Gewinnneutralisierung . . . . b) Gründungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.260 3.260 3.260 3.264 3.264 3.265 3.266
300 300 300 302 302 302 303
3.274 3.278 3.284 3.284 3.289
308 310 314 314 317
II. Umsatzsteuer (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbringung von Vermögensgegenständen durch die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.301 3.301
318 318
3.302
319
3.306
320
a) Gesellschafterbeschlüsse, Stimmrecht und Gesellschafterversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewinnbezugsrecht und Kapitalerhöhungen . . . . . . . c) Kündigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abtretung und Belastung der Beteiligung . . . . . . . . . e) Vererbung der Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vollstreckungsmaßnahmen und Gesellschafterinsolvenz g) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligungs- und Quotenidentität in GmbH und GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung und Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflösung der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . 4. Einheitsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftung im Gründungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsaufnahme nach Eintragung von GmbH und KG . 2. Geschäftsaufnahme vor Eintragung der KG . . . . . . . . . . a) Betrieb eines Handelsgewerbes . . . . . . . . . . . . . . . b) Betrieb eines Kleingewerbes oder Verwaltung des eigenen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsaufnahme vor Eintragung der KomplementärGmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgründungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung der Handelnden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. I. 1. 2.
XX
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
3.310 3.320
321 326
3.335 3.335 3.337 3.344
328 328 328 331
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1
333
B. Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5
333
4. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gründungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3.
Grunderwerbsteuer (Helde) . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Einbringung eines Grundstücks . . . . Aufnahme einer Komplementär-GmbH
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
§ 4 Gesellschaftsorgane und gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse (Wenzel) A. Einführung
I. II. 1. 2. 3.
Begriff und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für die Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlich haftende Gesellschafter der KG . . . . . . . . . . Geschäftsführer der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH . . . . . . . . . b) Rechtsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zur GmbH c) Rechtsverhältnis zwischen GmbH-Geschäftsführer und GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5 4.8 4.8 4.11 4.16 4.16 4.27
333 334 334 335 336 336 339
4.34
341
III. Umfang der Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . 1. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.39 4.39 4.45
343 343 345
IV. Geschäftsführerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung der Komplementär-GmbH als Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . a) Haftung gegenüber der Komplementär-GmbH . . . . . . b) Unmittelbare Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern der GmbH und GmbH & Co. KG . . . . d) Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Dritten aa) Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung bb) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Deliktsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . ee) Steuerliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.49 4.49
346 346
4.50 4.58 4.58
346 349 349
4.63
350
4.76 4.79 4.79 4.80
355 356 356 357
4.83 4.87 4.88
357 359 359 XXI
Inhaltsverzeichnis
V. Vergütung und Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . 1. GmbH gegen GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
4.89 4.89 4.95
359 359 361
C. I. II. 1. 2. 3. 4.
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gesellschafterversammlung der GmbH . . . . Aufgabenbereich und Zuständigkeit . . . . . . . . . Berücksichtigung der Belange der KG . . . . . . . . Einberufung, Durchführung und Beschlussfassung Fehlerhafte Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtige Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtbare Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
4.98 4.98 4.100 4.100 4.106 4.113 4.119 4.120 4.123
361 361 362 362 364 366 368 368 369
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG Fehlen gesetzlicher Regelung . . . . . . . . . . . . Aufgabenbereich und Zuständigkeit . . . . . . . . Teilnahme- und Stimmberechtigung . . . . . . . Einberufung und Ladung . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Gesellschafterversammlung . Abstimmung und Beschlussfassung . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderliche Stimmenmehrheit . . . . . . . . c) Form der Beschlussfassung . . . . . . . . . . . d) Fehlerhafte Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
4.127 4.127 4.130 4.135 4.141 4.149 4.153 4.153 4.155 4.164 4.166
371 371 372 374 376 378 379 379 379 382 382
D. I. II. 1. 2.
Aufsichtsrat und Beirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrat und Beirat in der Komplementär-GmbH . . . . Der fakultative Aufsichtsrat in der Komplementär-GmbH . Obligatorischer Aufsichtsrat in der Komplementär-GmbH . a) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zurechnung von Arbeitnehmern gem. § 4 MitbestG bb) Zurechnung von Arbeitnehmern gem. § 5 MitbestG c) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss des Aufsichtsrats auf die GmbH & Co. KG . . . . Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH . a) Mitgliedschaft im fakultativen Aufsichtsrat . . . . . . . b) Mitgliedschaft im obligatorischen Aufsichtsrat . . . . . Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder in der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fakultativer Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.174 4.174 4.179 4.179 4.185
385 385 386 386 388
4.186
388
4.189 4.192 4.201
390 391 394
4.206 4.207 4.208 4.212 4.213 4.214
395 395 395 396 396 396
4.219 4.221
397 398
3. 4. 5.
6.
XXII
. . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
b) Obligatorischer Aufsichtsrat
Seite
. . . . . . . . . . . . . . . .
4.227
399
7. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 8. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.235 4.240
401 403
Aufsichtsrat oder Beirat in der GmbH & Co. KG . . . . . . Freiwillige Einrichtung und weitgehend freie Ausgestaltung Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der GmbH & Co. KG . . . . Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . .
4.241 4.241 4.242 4.244 4.248 4.249
403 403 403 404 405 405
E. Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter . . . .
4.257
407
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationsrechte der Gesellschafter der GmbH & Co. KG 1. Informationsrechte der Kommanditisten . . . . . . . . . . . a) Individuelle Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . aa) Ordentliches Informationsrecht des Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Außerordentliches Informationsrecht . . . . . . . . cc) Weitergehendes allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollektive Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . .
4.257 4.259 4.259 4.260
407 408 408 408
4.261 4.274
408 411
4.277 4.278
413 413
III. 1. 2. 3. 4. 5.
2. Informationsrechte der Komplementär-GmbH . . . . . . . .
4.280
413
II. Kontroll- und Informationsrechte der GmbH-Gesellschafter
4.284
415
F. Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.297
419
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsverbote zulasten der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichende vertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . 4. Folgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.297
419
4.300 4.300 4.305 4.308 4.310
420 420 421 422 422
. . . .
4.315 4.315 4.321 4.322
423 423 426 426
IV. Wettbewerbsverbote zulasten der GmbH-Gesellschafter . . 1. Zugunsten der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zugunsten der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . .
4.323 4.323 4.324
427 427 427
4.325 4.325 4.328 4.332
428 428 429 430
III. 1. 2. 3.
V. 1. 2. 3.
Wettbewerbsverbote zulasten der Kommanditisten Zugunsten der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . Zugunsten der Komplementär-GmbH . . . . . . . . Folgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . .
Wettbewerbsverbote zulasten der Zugunsten der GmbH . . . . . . Zugunsten der GmbH & Co. KG Folgen eines Verstoßes . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
XXIII
Inhaltsverzeichnis
VI. Wettbewerbsverbote zulasten der Mitglieder des Aufsichtsoder Beirats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerbsverbot zulasten der Mitglieder des Aufsichtsrats der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerbsverbot zulasten der Mitglieder des Aufsichtsrats der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
4.333
430
4.334
431
4.335
431
§ 5 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten (Wenzel) A. Vertretung der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1
432
Komplementär-GmbH als Vertreter der GmbH & Co. KG . Geschäftsführer als Vertreter der Komplementär-GmbH . . Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . Entziehung der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . Entziehung der Vertretungsmacht der Komplementär-GmbH Abberufung der GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . .
5.2 5.7 5.12 5.13 5.13 5.18
432 433 435 435 435 437
Weitere Komplementäre neben der GmbH . . . Vertretungsmacht des Kommanditisten . . . . . Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens . a) Gestattung durch die GmbH & Co. KG . . . b) Gestattung durch die Komplementär-GmbH
. . . . . . .
5.22 5.25 5.27 5.27 5.31 5.32 5.34
438 439 440 440 440 441 441
. . . . . . . . . . . . . . . . .
5.37
442
C. Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG . . . . . .
5.39
443
I. 1. 2. 3.
Haftung der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . Unbeschränkte Haftung der Komplementär-GmbH . . Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung der Komplementär-GmbH nach Ausscheiden
. . . .
5.40 5.40 5.44 5.45
443 443 444 445
II. 1. 2. 3.
Kommanditistenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkte Haftung des Kommanditisten . . . . . . . . . . Einlage und Haftsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsbefreiung durch Leistung der Einlage . . . . . . . . a) Leistung der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überbewertung der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringung von Anteilen an der Komplementär-GmbH
5.46 5.46 5.49 5.52 5.52 5.57 5.59
445 445 446 447 447 448 448
. . . . . . . . . . . . . . . . und Liquidi. . . . . . . .
5.61 5.63
449 449
5.67
451
5. Haftungserweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.76
454
I. II. III. IV. 1. 2. V. VI. VII. 1. 2.
B. Haftung der GmbH & Co. KG
4. Einlagenrückgewähr . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere: Haftungsschädliche Gewinntätsentnahmen . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIV
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . .
. . . . . . .
. . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
5.76
454
5.78
455
5.82 5.84
456 456
5.85 5.86 5.87 5.88 5.89 5.90
457 457 457 458 458 459
5.102 5.104
463 464
. . . .
5.106 5.106 5.107 5.114
465 465 465 468
IV. Haftung des geschäftsführenden Kommanditisten . . . . . .
5.122
470
6.1 6.1 6.3 6.3 6.5 6.15 6.16 6.18 6.19
471 471 472 472 473 478 478 479 479
6.20
479
6.22 6.26 6.27 6.28
480 481 481 482
6.30
482
a) Interne Verlustbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung der Kommanditisten vor Eintragung in das Handelsregister nach § 176 HGB . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendung des § 176 HGB auf gesetzliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Analoge Anwendung des § 176 HGB auf Kann-KG? cc) Analoge Anwendung des § 176 bei Firmenänderung der GmbH & Co. KG? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vermögensvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Deliktshaftung nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung des Kommanditisten nach Ausscheiden aus der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsscheinhaftung des Kommanditisten . . . . . . . . . . III. Haftung des Kommanditisten für Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung für Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 6 Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter A. I. II. 1. 2. 3.
Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines (Eckl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art der Einkunftserzielung durch die Gesellschaft (Eckl) . . Gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft . . . . . . . Abfärbe- oder Infektionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerblich geprägte Personengesellschaft . . . . . . . . . . a) Frühere Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nur Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nur Kapitalgesellschaften oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, dürfen zur Geschäftsführung befugt sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht . . . . . . ee) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft . . 4. Sonderproblem GmbH & Co. GbR . . . . . . . . . . . . . . .
III. Zurechnung der Einkünfte (Eckl)
. . . . . . . . . . . . . . .
XXV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitunternehmer-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitunternehmerrisiko . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitunternehmerinitiative . . . . . . . . . . . . . d) Verdeckte Mitunternehmerschaft . . . . . . . . aa) Ablehnung einer Mitunternehmerschaft . bb) Annahme einer Mitunternehmerschaft . . cc) Zusammenfassung der Fallkonstellationen
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
6.30 6.32 6.32 6.34 6.37 6.38 6.49 6.57 6.61
482 483 483 484 485 486 491 492 493
3. Komplementär-GmbH als Mitunternehmer 4. Kommanditist als Mitunternehmer . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . c) Befristung der Gesellschafterstellung . d) Mitwirkungsrechte nach HGB . . . . . e) Leistung einer Einlage . . . . . . . . . . f) Beteiligung an Gewinn und Verlust . . g) Beteiligung an stillen Reserven . . . . . h) Versagungsgründe . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
6.67 6.69 6.69 6.71 6.75 6.76 6.77 6.78 6.82 6.84
495 496 496 497 499 500 501 501 502 503
IV. Gewinnermittlung (Eckl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamthandsgewinn der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . a) Einheitliche Bilanzierung und Bewertung in der Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenbezogene Wahlrechte bzw. Vergünstigungen . aa) § 6b EStG-Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG . . . . . cc) Teileinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonderabschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.85 6.85 6.90
504 504 506
6.90 6.95 6.95 6.98 6.99 6.103
506 508 508 508 509 510
6.104 6.104
511 511
6.105 6.107
511 512
. .
6.108 6.108
513 513
.
6.111
514
.
6.114
515
.
6.115
515
.
6.116
516
. . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
3. Ergänzungsbilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entgeltlicher Erwerb eines Gesellschaftsanteils und sonenbezogene Steuervergünstigungen . . . . . . . c) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft . .
. . . . . . per. . . . . .
4. Sonderbilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bilanzierungskonkurrenz bei Zugehörigkeit des überlassenen Wirtschaftsguts zu einem anderen Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leistungen im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nutzungsüberlassung zwischen gewerblichen Schwesterpersonengesellschaften . . . . . . . . . c) Konsequenzen der Einordnung als Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
6.118
517
6.120
519
6.121 6.121 6.127 6.128
520 520 522 523
6.132 6.138 6.142 6.142 6.146 6.148 6.151 6.154 6.158 6.160 6.164
524 526 528 528 529 530 531 532 533 534 535
. . . . . .
6.168 6.168 6.170 6.173 6.173 6.175
538 538 538 540 540 541
. .
6.182
543
. . . . . . . . . . . . . .
6.187
545
Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG (Eckl) . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechtigte Steuerpflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begünstigter Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachversteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachversteuerungspflichtiger Betrag . . . . . . . . . . . b) Feststellungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachversteuerung bei Entnahmeüberschuss . . . . . . . d) Spezielle Nachversteuerungsfälle gem. § 34a Abs. 6 EStG aa) Betriebsaufgabe/-veräußerung . . . . . . . . . . . . . bb) Umwandlungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wechsel der Gewinnermittlungsart . . . . . . . . . dd) Antrag des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . e) Ausnahmen von der Nachversteuerung . . . . . . . . . .
6.188 6.188 6.190 6.195 6.197 6.208 6.208 6.211 6.212 6.216 6.216 6.217 6.218 6.219 6.220
545 545 546 547 547 550 550 551 551 552 552 553 553 553 553
d) Drohende Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . e) Abgrenzung: Bilanzierung der Beteiligung an GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sondervergütungen, Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsführervergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsführer ist kein Mitunternehmer der KG . bb) Geschäftsführer ist gleichzeitig Mitunternehmer der KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pensionszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mittelbare Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Management-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige mittelbare Leistungen . . . . . . . . . . . . cc) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft . . e) Dividenden der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . f) Dividenden einer Kommanditisten-GmbH . . . . . . . . g) Darlehenszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Sonstige Vergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Sonderbetriebsausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. 1. 2. 3.
Gewinnverteilung (Eckl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung der Gewinnverteilung . . . . . . . . . . . . . . Gewinnanteil der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalmäßige Beteiligung der Komplementär-GmbH c) Keine kapitalmäßige Beteiligung der KomplementärGmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Gewinnanteil der Kommanditisten VI. 1. 2. 3. 4. 5.
. . . . .
XXVII
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6.220
553
aa) Beträge zur Begleichung von Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung und Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils/Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in andere Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.221
553
6.222
554
6. Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.223 6.225 6.226
554 554 555
VII. Verdeckte Gewinnausschüttungen (Eckl) . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsführungsvergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unangemessene Geschäftsführungsvergütungen . . . . aa) Begünstigter ist Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH, aber nicht Mitunternehmer . . . . . . . bb) Gesellschafter-Geschäftsführer der KomplementärGmbH ist zugleich Mitunternehmer der KG . . . . cc) Begünstigter Kommanditist ist nur Geschäftsführer (nicht Gesellschafter) der Komplementär-GmbH . . b) Nachzahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlustsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.230 6.230 6.238 6.238
555 555 558 558
6.239
558
6.242
559
6.246 6.247 6.249
560 561 562
. . . . . .
6.250 6.255 6.260 6.261 6.266 6.268
562 564 565 565 567 568
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) (Pitzal) . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abzugsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der Zinsaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen von der Zinsschranke („Escape“-Klauseln) . . a) Freigrenze von 3,0 Mio. Euro . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Stand-alone“-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konzerneigenschaft wegen Vollkonsolidierung (Grundfall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konzerneigenschaft wegen einheitlicher Finanzund Geschäftspolitik (Gleichordnungskonzern) . . dd) Herausnahme typischer GmbH & Co. KG aus dem Konzernbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.291 6.291 6.293 6.301 6.303 6.307 6.307 6.308 6.308
568 568 569 572 573 575 575 575 575
6.309
576
6.312
577
6.313 6.316
577 578
3. 4. 5. 6. 7. 8. VIII. 1. 2. 3. 4. 5.
XXVIII
Änderung der Gewinnverteilungsabrede . . Kapitalerhöhung/Kündigung der Beteiligung Kostenerstattung an Komplementär-GmbH Lieferungen und Leistungen . . . . . . . . . Pensionszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
6.318 6.318 6.322
579 579 580
6.324 6.324
581 581
6.326
582
6.329
583
6.330 6.336
583 585
.
6.371
586
. . . . .
6.391 6.391 6.392 6.397 6.402
587 587 588 589 591
. .
6.402 6.402
591 591
. . . . .
6.405 6.411 6.419 6.428 6.432
591 593 598 601 602
.
6.434
604
.
6.440
606
. . .
6.447 6.452 6.467
609 610 615
. . . .
6.481 6.481 6.481 6.484
617 617 617 618
2. Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zivilrechtlicher Beitragsgedanke und handelsrechtliches Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.492
621
6.492
621
c) Konzernübliche Eigenkapitalausstattung („EigenkapitalEscape“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Korrekturen des Eigenkapitals des Betriebs . . . . . 6. Rückausnahme von der „Stand-alone“-Klausel und der Eigenkapital-Klausel bei Gesellschafterfremdfinanzierungen (§ 8a KStG und § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG) . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückausnahme von der „Stand-alone“-Klausel (§ 8a Abs. 2 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rückausnahme vom „Eigenkapital-Escape“ (§ 8a Abs. 3 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolge und Zinsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung (Eckl) . X. Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG) (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negatives Kapitalkonto des Kommanditisten . . . . . . . 3. § 15a EStG – Zielsetzung und Aufbau . . . . . . . . . . . . 4. Tatbestände des § 15a EStG im Einzelnen . . . . . . . . . a) Beschränkung des Verlustausgleichs und Verlustverrechnung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG) . . aa) Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anteil am Verlust der KG und negatives Kapitalkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfang des Kapitalkontos . . . . . . . . . . . . . dd) Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wechsel im Gesellschafterstatus . . . . . . . . . . ff) Doppelstöckige GmbH & Co. KG . . . . . . . . . b) Überschießende Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eintragung im Handelsregister und Nachweis des Bestehens der Haftung . . . . . . . . . . . . . . bb) Schädliche Einschränkungen der Vermögensminderung aufgrund der Haftung . . . . . . . . . . c) Einlageminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 1, 2 und 4 EStG) d) Haftungsminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG) . . . . XI. Betriebsvermögen (Klotz/Hoppe) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsvermögen und steuerliche Einkunftsart . . . . b) Betriebsvermögen der gewerblichen GmbH & Co. KG
XXIX
Inhaltsverzeichnis
b) Maßgeblichkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorrang des wirtschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . d) Abgrenzung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung verlustträchtiger Wirtschaftsgüter auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nichtbetriebliche Nutzung von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonderfall: Versicherungsverträge . . . . . . . . . . ee) Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition, Rechtsgrundlagen und steuerliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Bestimmung und Eingrenzung von Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwendiges und gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen XII. Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft (Fatouros) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft . . . . a) Gewinnabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingliederungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . c) Personelle Voraussetzungen des Organträgers . . . . . . 3. Folgen der Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besondere Konstellationen bei der GmbH & Co. KG . . . . B. I. II. III. IV. V.
Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GmbH & Co. KG als Steuersubjekt (Helde) . . . . . . . . . Organschaft (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Gewerbeertrags (Helde) . . . . . . . . . . . . Gewerbeverlust (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuerliche Behandlung der Komplementär-GmbH (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG (Mueller-Thuns) 1. Hintergrund des § 35 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionsweise des § 35 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerbliche Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelheiten zur Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen der Steuerermäßigung . . . . . . . . . . . e) Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags . . . . . . . f) Konsequenzen der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . g) Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Mehrstöckige Personengesellschaften . . . . . . . . . . .
XXX
Rz.
Seite
6.496 6.501
622 624
6.507 6.507
627 627
6.509
628
6.511 6.515
628 630
6.517 6.522
630 633
6.522
633
6.531 6.541
637 642
6.581 6.581 6.584 6.584 6.585 6.593 6.601 6.618
649 649 651 651 651 656 661 672
6.641 6.641 6.645 6.647 6.655
676 676 678 679 682
6.664 6.681 6.681 6.685 6.685 6.687 6.689 6.694 6.696 6.702 6.706 6.709
685 685 685 688 688 689 690 693 694 699 701 703
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . .
6.712 6.712 6.713 6.714 6.717
704 704 705 705 708
4. Ausscheiden von Gesellschaftern; Gesellschafterwechsel . 5. Besondere Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Atypisch stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.719 6.723 6.723 6.724
708 710 710 711
6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.725
711
C. Umsatzsteuer (Helde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.751
712
I. Unternehmereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbeziehungen und Leistungen zwischen GmbH & Co. KG und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungen der GmbH & Co. KG an ihre Gesellschafter . . 2. Leistungen der Gesellschafter an die GmbH & Co. KG . . .
6.751
712
6.754 6.755 6.765
714 714 717
III. Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.781
722
D. Die GmbH & Co. KG im internationalen Steuerrecht (Leibohm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.811
724
I. II. 1. 2. 3.
6.811 6.812 6.813 6.814 6.816
724 725 725 725 726
6.817 6.817 6.818
726 726 726
6.822 6.830 6.833
728 730 731
6.836 6.839
732 733
. . . . . . . . . .
6.843 6.844
734 735
. . . . .
6.845
735
. . . . . . . . . . . . . . .
6.847 6.848 6.849
735 736 737
3. Anrechnungsüberhänge . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff; Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . b) Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften d) Vermeidung von Anrechnungsüberhängen .
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Auslandsberührung . . . . Internationalität der Gesellschaft . . . Internationalität der Gesellschafter . . Internationalität der Geschäftstätigkeit
. . . . .
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III. Steuerliche Besonderheiten der GmbH & Co. KG mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Konzept der Mitunternehmerschaft – Transparenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderbetriebsausgaben und Sondervergütungen . . . . . . 5. Der Begriff der Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Betriebsstätte im nationalen und internationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ständiger Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die grenzüberschreitende Einlage und Entnahme . a) Übertragung auf ausländischen Gesellschafter . b) Übertragung auf ausländische Tochterkapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragung auf ausländische Tochterpersonengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überführung in ausländische Betriebsstätte . . e) Gewährung von Nutzungsvorteilen . . . . . . .
XXXI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . .
6.852 6.852 6.853 6.857
738 738 738 739
V. Die Bedeutung von Qualifikationskonflikten für die internationale Steuerplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.862
740
A. Allgemeines zur Rechnungslegung und Publizität der GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH . . . . . . . . .
7.1
741
B. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. 1. 2. 3.
Besteuerung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die GmbH & Co. KG mit inländischen Gesellschaftern . Die GmbH & Co. KG mit ausländischen Gesellschaftern
§ 7 Rechnungslegung und Publizität (Mueller-Thuns)
7.6
742
. . . . . . . . .
7.6 7.9 7.12 7.17 7.20 7.24 7.24 7.27 7.28
742 743 744 746 747 748 748 749 749
VII. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Prüfung und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.31 7.33
750 751
C. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. II. III. IV. V. VI. 1. 2. 3.
Grundsätzliches . . . . . . . . . . . Beteiligung an der GmbH & Co. KG Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenkapitalausweis . . . . . . . . . Pensionszusage . . . . . . . . . . . . Erträge und Aufwendungen . . . . . Gewinne (Jahresüberschuss) . . . . Verluste (Jahresfehlbetrag) . . . . . . Vergütungen und Aufwandsersatz .
. . . . . . . . .
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. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
7.34
751
.
7.34
751
. . .
7.40 7.40 7.42
753 753 755
. . . .
7.45 7.45 7.45 7.49
756 756 756 757
.
7.49
757
.
7.50
757
2. Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . .
7.56
759
I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befreiung nach § 264b HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermeidungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gliederung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . 1. Gliederung der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gliederung der Kapitalanteile . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines zum Kapitalanteil eines Personengesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die „Untergliederung“ der Kapitalanteile nach § 264c Abs. 2 Satz 2 bis 7 HGB im Einzelnen . .
XXXII
Inhaltsverzeichnis Rz.
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7.57 7.57 7.57 7.60 7.60 7.64 7.69
760 760 760 761 761 762 764
7.72
764
IV. Der Inhalt des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zu bilanzierende Vermögensgegenstände . . . . . . . . . b) Eigenkapital (§ 264c Abs. 2 HGB) . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausweis von Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag und Gewinnvortrag/Verlustvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammensetzung des Postens „Kapitalanteile“; die Kapitalkontenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) (Fehlende) Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . cc) Vertragliches Zwei-Konten-Modell . . . . . . . . . . dd) Vertragliches Drei-Konten-Modell . . . . . . . . . . ee) Vertragliches Vier-Konten-Modell . . . . . . . . . . ff) Bedeutung der Kapitalkonten für Besteuerungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Bedeutung der Kapitalkonten in der Insolvenz . . . d) Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . .
7.74 7.74 7.76 7.83 7.95 7.101
765 765 766 768 772 774
7.107 7.110 7.111
775 776 776
2. Inhalt der Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Anhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.112 7.115
777 777
V. Einheitsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.118 7.119 7.121
778 778 779
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.123
780
I. Bedeutung; Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Komplementär-GmbH als Mutterunternehmen . . . . . . . III. GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen . . . . . . . . . .
7.123 7.127 7.137
780 782 786
D. Konzernabschluss
E. Prüfung und Publizität des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . .
7.148
791
. . . . . . . . .
7.148 7.149 7.152 7.152 7.152 7.154 7.160 7.161 7.164
791 791 792 792 792 793 794 794 795
2. Konzernabschluss und Konzernlagebericht . . . . . . . . . . 3. Offenlegungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.171 7.172 7.174
797 797 798
I. II. III. 1.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . Prüfungspflicht . . . . . . . . . . Offenlegung . . . . . . . . . . . . Jahresabschluss, Lagebericht . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Einteilung in Größenklassen c) Technischer Weg . . . . . . . d) Einzureichende Unterlagen . e) Erleichterungen . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
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. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
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XXXIII
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7.176
798
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7.176 7.177
798 799
. . . .
7.180 7.181 7.181 7.182
801 801 801 801
F. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Jahresabschluss der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . II. Jahresabschluss der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . III. Einzelabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Gewinnanspruch und Entnahmerecht . . . . . . . . . . . . .
7.183
802
I. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.183 7.185
802 803
H. Exkurs: E-Bilanz
7.187
804
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 8 Gesellschafterwechsel und Nachfolge (Hannes) A. Anteilsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1
807
. . . . . .
8.1 8.2 8.2 8.2 8.5 8.10
807 807 807 807 808 810
2. Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Harmonisierung oder Differenzierung . . . . . . . . . . . . .
8.13 8.19
810 812
III. Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.21 8.21 8.28
813 813 815
. .
8.31 8.32
816 817
. . . . . . . . .
8.37 8.38 8.39 8.39 8.46 8.50 8.52 8.53 8.54
819 819 819 819 821 821 822 822 823
I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . II. Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . 1. GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . a) Austritt, Eintritt, Übertragung b) Zustimmungserfordernis . . . c) Flankierende Regelungen . . .
. . . . . .
. . . . . .
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. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
IV. Das Verpflichtungsgeschäft und seine steuerlichen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Auswirkungen des Verkaufs des Kommanditanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besteuerung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . (1) Veräußerungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besteuerung nach der Fünftel-Regelung . . . . (3) Besteuerung nach „halbem“ Steuersatz . . . . (4) § 6b-Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Option zur Zuflussbesteuerung . . . . . . . . . bb) Besteuerung des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . XXXIV
Inhaltsverzeichnis Rz.
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8.59 8.63 8.69 8.72 8.72 8.74 8.75
825 826 828 829 829 830 830
8.76 8.77 8.78 8.84 8.84 8.87 8.92 8.93 8.94 8.94 8.94 8.99
831 831 832 834 834 835 836 837 837 837 837 838
8.100
838
8.110 8.118 8.129 8.130 8.135 8.135
842 844 846 846 849 849
8.140 8.146 8.149
850 852 854
8.150 8.150 8.152 8.152 8.159 8.161
855 855 855 855 858 859
. .
8.163
859
. . . . . .
8.163 8.164 8.170
859 859 861
b) c) d) e)
3. 4.
5.
6.
Negatives Kapitalkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Auswirkungen des Verkaufs des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . . . Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Flankierende Gestaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . aa) Rückfallklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Auswirkungen der Schenkung . . . . . . . . . . a) Ertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen . . . (1) Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Neuausrichtung der Rechtsprechung . . . . . . b) Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bewertung der GmbH & Co. KG . . . . . . . . bb) Minderung durch Freibeträge und Begünstigungen (1) (Noch) aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungswidrigkeit der geltenden Verschonungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Regierungsentwurf vom 8.7.2015 . . . . . . . . . (4) Gegenvorschlag der Länder vom 25.9.2015 . . . Steuerliche Auswirkungen flankierender Gestaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nießbrauchsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaftsvertragliche Sonderrechte . . . . . . . . . .
B. Ausscheiden durch Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Nachfolgeregelungen und ihre steuerlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tod eines Komplementärs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tod eines Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
8.174
862
. . .
8.177 8.177 8.178
863 863 863
. . . .
8.179 8.182 8.189 8.196
864 865 867 870
III. Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.202
872
C. I. 1. 2. 3. 4.
. . . . . .
8.207 8.207 8.207 8.212 8.219 8.223
875 875 875 876 879 881
. . . . & Co. . . . . . . . . . . . .
8.224
882
8.230 8.230 8.233
884 884 886
. . . . . . . . . . . . . . . . .
8.238
888
3. Tod eines GmbH-Gesellschafters
. . . . . . . . . . . . . . .
II. Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklauseln und ihre steuerlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auflösungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausscheidensklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausscheidensklauseln mit Abfindungsbeschränkung oder Abfindungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einfache Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Qualifizierte Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Eintrittsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung . . . . . . Sonderkündigungsrecht Minderjähriger
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
II. Kündigung der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . III. Ausschließung und Hinauskündigung aus der GmbH KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinauskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschließung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . IV. Ausschließung aus der GmbH D. I. II. 1. 2.
Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . Der gesetzliche Abfindungsanspruch . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . a) Substanz- und Liquidationswertverfahren b) Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . c) Discounted-cash-flow-Verfahren . . . . . d) Mischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . e) Praktikermethoden . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten des GmbH-Rechts . . . . . .
. . . . . .
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. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
8.240 8.240 8.245 8.245 8.246 8.247 8.250 8.271 8.275 8.276 8.277
889 889 891 891 892 892 892 898 900 900 901
Gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelungen Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grobes Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgrundlagen der Klauselkontrolle . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfängliche Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . c) Spätere Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . 4. Klauseltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
8.280 8.280 8.281 8.282 8.282 8.287 8.290 8.294
902 902 903 904 904 905 907 908
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.307
912
III. 1. 2. 3.
IV. Steuerliche Auswirkungen XXXVI
. . . . .
. . . . . .
. . . . .
Inhaltsverzeichnis
§ 9 Auflösung und Liquidation
Rz.
Seite
9.1
915
. . . . . . . .
9.4 9.5 9.6 9.7 9.11 9.14 9.20 9.21
916 916 916 917 918 919 921 921
2. Weitere Auflösungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsvertragliche Auflösungsgründe . . . . . . . b) Zweckerreichung und Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflösung der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . d) Ausscheiden der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . e) Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den letzten Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Formwechsel oder Verschmelzung der KomplementärGmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.24 9.25
922 922
9.26 9.27 9.29
922 922 923
9.31
924
9.32
925
3. Rechtsfolgen der Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fortsetzung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.35 9.38 9.42
925 926 927
II. Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Liquidation der Kommanditgesellschaft . . . . . . . a) Liquidatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchführung der Liquidation . . . . . . . . . . c) Schlussverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Externe Rechnungslegung . . . . . . . . . . bb) Interne Rechnungslegung . . . . . . . . . . e) Vollbeendigung und Handelsregisteranmeldung
A. Gesellschaftsrecht (Lüke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Auflösungsgründe . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auflösungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . d) Gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . e) Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse f) Löschung wegen Vermögenslosigkeit . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
9.45 9.48 9.49 9.61 9.68 9.76 9.77 9.80 9.83
928 928 928 932 934 936 936 937 938
2. Liquidation der Komplementär-GmbH . . . . . . . . . . . a) Auflösungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Liquidatoren, Handelsregisteranmeldung und Firmenzusatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchführung der Liquidation . . . . . . . . . . . . . . d) Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beendigung der Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
9.87 9.88
939 939
. . . .
9.90 9.92 9.94 9.99
940 940 941 942
3. Verzahnung der Liquidation von KG und KomplementärGmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollbeendigung ohne Liquidation . . . . . . . . . . . . . . .
9.100 9.104
942 943
B. Steuerrecht (Hoppe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.241 9.241
944 944
XXXVII
Inhaltsverzeichnis
1. 2. 3. 4. 5.
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allmähliche Abwicklung und Betriebseinstellung . . Sonderfälle in Abgrenzung zur Betriebsaufgabe und allmählichen Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Realteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition, Anwendungsfälle und Abgrenzungen b) Rechtsfolgen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG . . . . . c) Gewinnrealisierende Realteilung . . . . . . . . . .
Rz.
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9.241 9.246 9.254 9.261
944 947 950 952
. . . . .
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. . . . .
. . . . .
9.264 9.270 9.270 9.280 9.289
954 958 958 963 967
9.297 9.297 9.299
971 971 972
9.303 9.306 9.315 9.319
973 975 980 981
9.323
982
9.327 9.338 9.341
984 988 989
10.1
991
7. Weitere Aspekte von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Behandlung von Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . b) Negative Kapitalkonten des Mitunternehmers . . . . . . c) Einkünfte des Mitunternehmers nach Betriebsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Veräußerungs-/Aufgabegewinn . . . . . . . . . . . . . . . e) Freibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ermäßigte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Nachversteuerung in Fällen tarifbegünstigter thesaurierter Gewinne gem. § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 10 Insolvenz A. Insolvenz (Lüke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppel- und Simultaninsolvenz . . . . . . . . Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Drohende Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortführungsprognose . . . . . . . . . . . . b) Überschuldungsstatus . . . . . . . . . . . . c) Überschuldung der Komplementär-GmbH
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10.1 991 10.2 992 10.6 993 10.7 994 10.15 997 10.16 998 10.20 1000 10.25 1002 10.56 1012
IV. 1. 2. 3.
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Antragsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . Antragsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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10.57 10.57 10.67 10.68
V. Zahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schadensersatz und Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenhaftung nach §§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2, 177a HGB . XXXVIII
1013 1013 1016 1017
10.73 1018 10.81 1022 10.82 1022
Inhaltsverzeichnis Rz.
2. Außenhaftung Satz 1 InsO . 3. § 826 BGB . . 4. Strafbarkeit .
nach . . . . . . . . .
§ 823 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
BGB i.V.m. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ . . .
15a Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
10.88 1025 10.98 1028 10.99 1029
VII. Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.104 1030 1. Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.105 1030 2. Hauptverfahren (Regelinsolvenzverfahren) . . . . . . . . . . 10.114 1031 VIII. IX. X. XI.
Insolvenzplan . . . . . . . . . Eigenverwaltung . . . . . . . Schutzschirmverfahren . . . Fortsetzung der Gesellschaft
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B. Gesellschafterdarlehen, Gesellschaftersicherheiten, Nutzungsüberlassung in Krise und Insolvenz (Lüke) I. II. 1. 2.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlehensrückzahlung . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzrechtlicher Nachrang . . . . . . . c) Anfechtbarkeit der Darlehensrückzahlung aa) Im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . bb) Außerhalb der Insolvenz . . . . . . . . cc) Rückgewährpflicht . . . . . . . . . . . d) Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
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10.132 10.134 10.140 10.149
1035 1036 1038 1039
. . . . 10.152 1040 . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
10.152 10.155 10.155 10.161 10.161 10.162 10.163 10.163 10.166 10.167 10.168
1040 1041 1041 1042 1042 1042 1042 1042 1043 1043 1044
3. Erweiterung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.169 1044 a) Gleichstellung von Nichtgesellschaftern mit Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.170 1044 b) Wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen . . . . 10.176 1046 4. Privilegierte Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.179 1047 a) Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.179 1047 b) Kleinbeteiligungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.180 1048 5. Gesellschaftssicherheiten für Gesellschafterdarlehen . . . . 10.184 1049 III. Gesellschafterbesicherte Drittdarlehen . . . . . . . . . . . . 10.186 1050 IV. Finanzplankredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.191 1051 V. Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.197 1053 C. Steuerrecht und Rechnungslegung (Leibohm) . . . . . . . . 10.221 1055 I. II. III. IV. V.
Gegenstand des Insolvenzverfahrens Rechnungslegung . . . . . . . . . . . Einkommensteuer . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . .
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10.222 10.224 10.225 10.231 10.233
1055 1055 1056 1058 1058 XXXIX
Inhaltsverzeichnis
§ 11 Umstrukturierungen
Rz.
Seite
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1 11.1 11.1 11.7 11.14 11.14 11.15 11.18 11.27 11.31 11.38 11.42
1060 1060 1060 1062 1065 1065 1065 1067 1071 1072 1073 1074
II. Steuerliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das steuerliche Umwandlungskonzept, Anwendungsbereich a) Umwandlungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Behandlung der GmbH . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertungswahlrecht (Übertragungsgewinn) . . . . . . . aa) Grundsatz: Ansatz mit dem gemeinen Wert . . . . bb) Wahlrecht: Ansatz mit Buchwerten . . . . . . . . . b) Besteuerung eines Übertragungsgewinns . . . . . . . . . c) Körperschaftsteuerminderung bzw. -erhöhung . . . . . . 3. Steuerliche Behandlung der GmbH & Co. KG . . . . . . . . a) Grundsatz der Buchwertverknüpfung . . . . . . . . . . . b) Zuschreibung auf die Anteile an der übertragenden GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eintritt in die Rechtsstellung der GmbH . . . . . . . . . 4. Besteuerung der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besteuerung offener Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernahmegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anteile befinden sich im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . bb) Anteile befinden sich nicht im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . cc) Besteuerung des Übernahmegewinns . . . . . . . . c) Übernahmeverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Übernahmefolgegewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . f) Umwandlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.48 11.48 11.48 11.53 11.57 11.57 11.57 11.60 11.76 11.78 11.82 11.82
1076 1076 1076 1079 1080 1080 1080 1082 1088 1089 1091 1091
11.83 11.86 11.92 11.92 11.100
1091 1092 1094 1094 1098
A. Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zivilrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte Umwandlung in GmbH & Co. KG . . . . . . . 2. Umwandlung durch Formwechsel oder Verschmelzung 3. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umwandlungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umwandlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anmeldung und Eintragung . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Handelsrechtliche Rechnungslegung . . . . . . . . . .
XL
11.100 1098 11.106 11.113 11.114 11.118 11.121 11.121 11.125 11.128 11.134 11.134
1100 1102 1103 1104 1105 1105 1106 1107 1110 1110
Inhaltsverzeichnis
b) c) d) e) f) g)
Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . Geschäftsführervergütungen . . . . . . . . Pensionsrückstellungen . . . . . . . . . . . Laufende Geschäfte . . . . . . . . . . . . . Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum Aufsichtsratsvergütungen . . . . . . . . . .
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. . . . . .
. . . . . .
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. . . . . .
Rz.
Seite
11.140 11.143 11.145 11.148 11.149 11.150
1112 1113 1113 1114 1114 1115
6. Beispiel für einen Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 11.151 1115 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.151 1115 b) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.153 1116 7. Verkehrsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.160 1119 a) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.160 1119 b) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.161 1120 B. Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.181 1121 I. II. 1. 2.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweitertes Anwachsungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick – Einfaches und erweitertes Anwachsungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich von § 20 UmwStG . . . . . . . . . c) Gewährung neuer Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbringungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Behandlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft f) Besteuerung des Einbringenden . . . . . . . . . . . . . . g) Einbringungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Folgewirkungen der Einbringung . . . . . . . . . . . . . . j) Verkehrsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Einbringung des Betriebes im Wege der Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umwandlungen nach dem UmwG . . . . . . . . . . . 1. Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG b) Einbringungsgegenstand . . . . . . . . . . . c) Bewertungswahlrecht . . . . . . . . . . . . d) Verkehrsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . bb) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
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11.181 11.185 11.185 11.194
1121 1123 1123 1126
11.194 11.196 11.201 11.207 11.220 11.230 11.245 11.247 11.253 11.259 11.259 11.261
1126 1127 1129 1132 1139 1143 1149 1150 1151 1154 1154 1154
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
11.263 11.268 11.268 11.268 11.279
1155 1158 1158 1158 1162
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
11.284 11.284 11.289 11.291 11.292 11.292 11.293
1163 1163 1165 1166 1167 1167 1167 XLI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
C. Übertragung (Überführung) von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG (Kutt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.301 1168 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfasste Übertragungs- und Überführungsvorgänge . 1. Übertragungen und Überführungen aus dem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überführungen aus dem Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragungen aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 11.301 1168 . . . . 11.309 1172 . . . . 11.309 1172 . . . . 11.309 1172 . . . . 11.312 1173
2. Übertragungen und Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragungen und Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen . . . . c) Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen . . . . . . . a) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen auf eine Schwester-Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . III. Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung und Entnahme des Wirtschaftsguts innerhalb der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sofortiger schädlicher Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Späterer schädlicher Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.324 1178 11.324 1178 11.325 1178 11.327 1179 11.329 1180 11.329 1180 11.335 1183 11.337 1184 11.341 1186 11.341 1186 11.342 1187 11.349 1190 11.357 1193
D. Weitere Umstrukturierungen (Dremel) . . . . . . . . . . . . 11.381 1195 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsformwechsel einer Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verschmelzung von Personengesellschaften . . . . . . 1. Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile in eine bestehende GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung nach den Regeln des UmwG . . . . . .
. . . 11.381 1195 . . . 11.384 1196 . . . 11.390 1199 . . . 11.390 1199 . . . 11.406 1207
IV. Spaltung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . 11.410 1209 1. Handelsrechtliche Spaltungsarten . . . . . . . . . . . . . . . 11.410 1209 2. Steuerrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.412 1209 XLII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
V. Umwandlung einer atypischen Unterbeteiligung in eine Hauptbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.418 1212 VI. Umwandlung einer atypisch stillen Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.423 1213
Anhang (Mueller-Thuns) A. Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH
. . . . . . . . . . . .
1217
. . . . . . . . . . . . . . .
1228
C. Muster-Vertrag einer Komplementär-GmbH (Einheitsgesellschaft) .
1245
D. Muster-Vertrag für eine GmbH & Co. KG (Einheitsgesellschaft)
. .
1249
E. Muster eines Kauf- und Übertragungsvertrages über Geschäftsund Kommanditanteile (mit Beurkundung) . . . . . . . . . . . . . . .
1266
F. Muster-Vertrag für den Eintritt (Aufnahme) eines weiteren Kommanditisten in die … GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . .
1280
B. Muster-Vertrag für eine GmbH & Co. KG
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1283
XLIII
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XLV
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XLIX
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EU Abs. Abschn. ADHGB a.E. AEUV a.F. AfA AG AGB AGBG AktG Allg.M. AmtshilfeRLUmsG AnfG Anh. Anm. AnwBl. AO APV-Methode ArbG Art. AStG Aufl. Az. BAG BayLfSt BayObLG BB BBK BetrAVG BetrVG BewG BFH BFHE
anderer Ansicht am aufgeführten Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Allgemeine Meinung Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen außerhalb des Konkursverfahrens Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Adjusted-present-value-Methode Arbeitsgericht Artikel Außensteuergesetz Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bayerisches Landesamt für Steuern Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Betrieb und Rechnungswesen Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des BFH
LI
Abkürzungsverzeichnis
BFH/NV
BilRUG BMF BR-Drucks. BSG BSGE bspw. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw.
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bundesminister der Finanzen Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Sammlung der Entscheidungen des BSG beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des BVerfG Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungweise
CAPM
Capital-asset-pricing-Modell
DB DBA d.h. Diss. DJZ DNotZ Doppelbuchst. DrittelbG DStR DStZ DVR
Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen das heißt Dissertation Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notarzeitschrift Doppelbuchstabe Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau
EFG EG EGBGB EGHBG EHUG
Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Erbfolgebesteuerung Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) Erfinder-Verordnung
BGB BGBl. BGH BGHZ BilMoG
ErbBstg ErbStG ErbStRG ErfVO LII
Abkürzungsverzeichnis
ESt. EStDV EStG EStR etc. EU EuGH evtl. EZ
Einkommensteuer Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof eventuell Erhebungszeitraum
f., ff. FamFG
folgend, folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Finanzminister/Finanzministerium Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmepakets des Finanzmarkts (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift
FamRZ FG FGG FinMin FMStG Fn. FR FS GbR gem. GenG
GmbHR GmbH-StB GrEStG GrS GRUR GWB
Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gewerbeordnung Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuerrichtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz) GmbH-Rundschau GmbH-Steuerberater Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
h.A. HFA HFR HGB h.L.
herrschende Ansicht Hauptfachausschuss Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch herrschende Lehre
GewO GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GmbH GmbHG
LIII
Abkürzungsverzeichnis
h.M. HRefG HRR Hrsg.
herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber
i.d.R. IDW IFRS InsO InvZulG i.S. i.V.m.
in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer International Financial Reporting Standards Insolvenzordnung Investitionszulagegesetz im Sinne in Verbindung mit
JbFfSt JFG
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Juristische Rundschau Jahressteuergesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
JR JStG JW JZ KAGB KapCoRiLi KapCoRiLiG KapErhStG
KO KÖSDI KSt. KStG KStR KVStDV KVStG
Kapitalanlagegesetzbuch Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (Kapitalerhöhungssteuergesetz) Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Konkursordnung Kölner Steuerdialog Körperschaftsteuer Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuerrichtlinien Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung Kapitalverkehrsteuergesetz
LG Lit.
Landgericht Literatur
m.a.W. MDR MicroBilG Mio.
mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz Million
KG KGaA KGJ
LIV
Abkürzungsverzeichnis
MitbestG
m.w.N. m.W.v.
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz) Gesetz zur Ergänzung des MontanMitbestG (Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz) Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen mit weiteren Nachweisen mit Wirkung von
NJW Nr. nrkr. NWB NZA
Neue Juristische Wochenschrift Nummer nicht rechtskräftig Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
o.Ä. OFD o.g. oHG OLG OLGZ OVG OWiG
oder Ähnliche Oberfinanzdirektion oben genannt(en) offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz
PSV PublG
Pensions-Sicherungs-Verein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz)
RAO RdA RFH RFHE RG RGZ RIW rkr. Rpfleger Rspr. RStBl. RWP Rz.
Reichsabgabenordnung Recht der Arbeit Reichfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des RFH Reichsgericht Entscheidungen des RG in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft rechtskräftig Der Rechtspfleger Rechtsprechung Reichssteuerblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis Randziffer
MoMiG MontanMitbestG
MontanMitbestErG MoraKG
LV
Abkürzungsverzeichnis
S. s. SEStEG sog. Sp. StÄndG StAnpG StBerG StbJb. StbKongrR StBp StEK StEntlG SteuerStud StGB StKongrR Stpfl. st. Rspr. str. StRefG StRK StuB StuW StVergAbG StVj.
Seite siehe Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften sogenannt Spalte Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Steuerberatungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report Die steuerliche Betriebsprüfung Steuererlasse in Karteiform Steuerentlastungsgesetz Steuer und Studium Strafgesetzbuch Steuerkongress-Report Steuerpflichtiger ständige Rechtsprechung streitig Steuerreformgesetz Steuerrechtsprechung in Karteiform Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuerliche Vierteljahresschrift
Tz.
Textziffer
u.a. u.Ä. u.E. UmwG UmwStE UmwStG UntstFG UntStRG UR USt. UStB UStG UStR u.U.
unter anderem und Ähnliche unseres Erachtens Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuererlass Gesetz über die steuerlichen Maßnahmen bei Änderungen der Unternehmensform (Umwandlungssteuergesetz) Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Unternehmenssteuerreformgesetz Umsatzsteuer-Rundschau Umsatzsteuer Umsatz-Steuer-Berater Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerrichtlinien unter Umständen
v.
vom
LVI
Abkürzungsverzeichnis
VermAnlG Vfg. vGA vgl. v.H. VVG
Vermögensanlagengesetz Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche von Hundert Versicherungsvertragsgesetz
WACC WM WPg
weighted average costs of capital Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung
ZAkDR z.B. ZEV ZfIR ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO z.T.
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung zum Teil
LVII
§1 Einleitung A. Begriff der GmbH & Co. KG Auf keinem anderen Rechtsgebiet zeigt sich die Verknüpfung von Recht und Wirtschaft in so starkem Maße wie im Gesellschaftsrecht. Wie die Wirtschaft selbst, so ist auch ihr Recht in unaufhörlicher Bewegung. Die Geschichte des Gesellschaftsrechts lässt erkennen, wie sich im Laufe der Zeit den wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend immer neue Organisationsformen gebildet haben.
1.1
Der Gesetzgeber hat sich dieser Entwicklung nicht verschlossen und im Bestreben, den vielseitigen Interessen gerecht zu werden, dem Rechtsverkehr im BGB, im HGB und in Sondergesetzen eine größere Zahl von Gesellschaftsformen zur Verfügung gestellt, ohne dabei ausdrücklich einen „numerus clausus“ zu schaffen. Die gesetzlichen Vorschriften sind zudem vielfach nachgiebiger (dispositiver) Natur, so dass es möglich ist, die einzelnen Gesellschaftsformen durch abweichende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages den Erfordernissen der Praxis anzupassen.
1.2
Trotz ihres z.T. weiten Spielraumes für die vertragliche Ausgestaltung genügten die gesetzlichen Organisationsformen den Bedürfnissen der modernen Wirtschaft nicht. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung des Gesellschaftsrechts führte zur sog. „Grundtypvermischung“.1 Zwei unterschiedliche Gesellschaftsformen werden miteinander verbunden, ohne dass die beteiligten Gesellschaften ihre Selbständigkeit verlieren. Der interessanteste und wichtigste Fall in diesem Zusammenhang ist der der GmbH & Co. KG, einer Unternehmensform, die erst durch die GmbH-Novelle 1980 in Teilbereichen kodifiziert worden ist.
1.3
Die GmbH & Co. KG ist eine Kombination (Mischform) aus einer KG i.S. des § 161 Abs. 1 HGB und einer GmbH. Eine KG ist eine auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtete Gesellschaft, bei der bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage (Haftsumme) beschränkt ist (Kommanditist), während mindestens ein anderer Gesellschafter unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet (persönlich haftender Gesellschafter; Komplementär). Das ergibt sich aus der Definition in § 161 Abs. 1 HGB. Persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der KG ist bei einer GmbH & Co. KG nicht eine natürliche Person, sondern eine GmbH (sog. Komplementär-GmbH) und damit eine Kapitalgesellschaft, d.h. eine juristische Person. Typischerweise ist die Komplementär-GmbH der einzige persönlich haftende Gesellschafter der KG. Diese Erscheinungsform wird vielfach als echte oder typische GmbH & Co. KG bezeichnet. In der Praxis sind die Kommanditisten gleichzeitig – vielfach mit derselben Beteiligungsquote – Gesellschafter der Komplementär-GmbH. In diesem Falle spricht man von einer „GmbH & Co. KG im engeren Sinne“2. I.d.R. ist die Komplementär-GmbH nicht am Gesellschaftskapital und Vermögen der KG betei-
1.4
1 Diese Bezeichnung ist von Zielinski mit seiner Monografie „Grundtypvermischungen und Handelsgesellschaftsrecht“ in die Literatur eingeführt worden. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 3.
Mueller-Thuns
|
1
§1
Einleitung
ligt, sondern beschränkt sich auf die Funktion des unbeschränkt haftenden Gesellschafters, dem die Geschäftsführung und Vertretung der KG obliegt. Infolgedessen ist die Komplementär-GmbH nicht am Gewinn und Verlust der KG und darüber hinaus auch nicht an ihren stillen Reserven beteiligt. Ihr steht typischerweise kein Stimmrecht zu, sofern nicht ihre eigene gesellschaftsrechtliche Stellung betroffen ist. 1.5
Die Firma der Gesellschaft muss die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung – üblicherweise KG – enthalten (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Deshalb ist anders als in der Vergangenheit die Firmierung als „GmbH & Co.“ nicht korrekt. Darunter konnte nicht nur eine KG, sondern darüber hinaus auch eine oHG verstanden werden, bei der mindestens ein Gesellschafter eine GmbH ist. Korrekt ist allein die Firmierung als GmbH & Co. KG. Sie entspricht auch § 19 Abs. 2 HGB, wonach die Firma bei einer KG, bei der keine natürliche Person persönlich unbeschränkt haftet, eine Bezeichnung enthalten muss, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.
1.6
Eine besondere Erscheinungsform der GmbH & Co. KG ist die sog. Einheitsgesellschaft. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die KG alleinige Gesellschafterin ihrer eigenen Komplementär-GmbH ist. Diese besondere Form der GmbH & Co. KG ist zulässig (vgl. §§ 172 Abs. 6 Satz 1, 264c Abs. 4 HGB).1 Regelungen zur Verzahnung beider Gesellschaften und Erhaltung der Beteiligungsidentität sind – anders als bei der herkömmlichen GmbH & Co. KG – nicht erforderlich. Eine weitere besondere Erscheinungsform ist die doppelstöckige (mehrstöckige) GmbH & Co. KG. Bei ihr ist eine GmbH & Co. KG (Obergesellschaft) entweder als Komplementärin oder als Kommanditistin an einer anderen GmbH & Co. KG (Untergesellschaft) beteiligt (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG).2 Besondere Bedeutung hat auch die PublikumsGmbH & Co. KG als Instrument der Kapitalanlage.3 Das hat trotz zahlreicher gesetzlicher Restriktionen vor allem steuerliche Ursachen (unmittelbare Verlustzurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG in den Grenzen des § 15a Abs. 1 EStG). Bei ihr beteiligen sich viele Kommanditisten als anonyme Kapitalanleger – vergleichbar einem Aktionär – an einer GmbH & Co. KG, die bspw. eine Immobilie errichtet und betreibt oder ein Großprojekt abwickelt. Eine derartige Publikums-GmbH & Co. KG weicht vom gesetzlichen Leitbild ab. Die Gesellschafterrechte der Kommanditisten sind i.d.R. stark eingeschränkt. Die Kommanditisten bedürfen daher besonderen Schutzes.4
1.7
Die GmbH & Co. KG ist eine in der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitete und sehr beliebte Rechtsform. Das gilt insbesondere für mittelständische Unternehmen und Familienunternehmen, aber auch für größere Unternehmen. Die wesentliche konkurrierende Rechtsform ist die GmbH. Die GmbH & Co. KG ermöglicht es in nahezu idealer Weise, die Vorteile einer Personenhandelsgesellschaft mit denen einer Kapitalgesellschaft zu kombinieren. Gesellschaftsrechtlich ist hierbei vor allem die große Gestaltungsfreiheit bei der Personenhandelsgesellschaft (§§ 109, 163 HGB) und die Haftungsbeschränkung der natürlichen Personen (Kom1 2 3 4
S. im Einzelnen unter Rz. S. im Einzelnen unter Rz. S. im Einzelnen unter Rz. S. im Einzelnen unter Rz.
2
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Mueller-Thuns
2.461 ff.; Rz. 3.57 f., 3.222. 2.525. 2.281 ff. 2.296 ff.
§1
Begriff der GmbH & Co. KG
manditisten) auf ihre Haftsumme (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB) von Bedeutung. Allein die – häufig mit dem gesetzlichen Mindestkapital von 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1 GmbHG) ausgestattete – Komplementär-GmbH haftet den Gläubigern der GmbH & Co. KG unbeschränkt und unbeschränkbar (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB). Auch steuerrechtlich bietet die GmbH & Co. KG zahlreiche Vorteile. Zwar beträgt die maximale steuerliche Belastung (Grenzbelastung) – bei natürlichen Personen als Kommanditisten – seit dem 1.1.2008 42 % (bei einem zu versteuernden Einkommen bis 250 000 Euro) und 45 % (bei einem zu versteuernden Einkommen über 250 000 Euro), jeweils zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 EStG).1 Das gilt unabhängig davon, ob die Gesellschafter (Mitunternehmer) den steuerlichen Gewinn entnehmen oder einbehalten (thesaurieren).2 Die Gesellschafter (Mitunternehmer) profitieren jedoch von der Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte (pauschalierte Gewerbesteueranrechnung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.3 Diese Regelung gilt bereits seit dem 1.1.2001. Durch die Unternehmensteuerreform 2008 ist eine bedeutende Änderung bei der laufenden Besteuerung eingetreten. Statt der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) können die Gesellschafter seit dem Veranlagungszeitraum 2008 von folgender Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer Gebrauch machen, sofern es sich um natürliche Personen handelt: Auf Antrag des einzelnen Gesellschafters (Mitunternehmers) unterliegt der nicht entnommene laufende steuerliche Gewinn aus Gewerbebetrieb vollständig oder teilweise einem Steuersatz von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag; § 34a Abs. 1 EStG).4 Die Inanspruchnahme dieser Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung) schließt die Anwendung der pauschalierten Gewerbesteueranrechnung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) nicht aus.5 Die spätere Entnahme durch die Gesellschafter (Mitunternehmer) führt bei ihnen zu einer zusätzlichen Belastung mit Einkommensteuer in Form der Nachversteuerung i.H.v. 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag; § 34a Abs. 4 EStG).6 Auch bei Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung) nach § 34a Abs. 1 EStG ist die laufende steuerliche Belastung einer GmbH im Falle eines Gewinneinbehalts (Gewinnthesaurierung) grundsätzlich niedriger als diejenige einer GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter.7 Gleichwohl erhöht die Steuerbegünstigung für nicht entnommene steuerliche Gewinne (§ 34a Abs. 1 EStG) die Attraktivität der GmbH & Co. KG bei der laufenden Besteuerung. Das gilt insbesondere für ertragstarke große GmbH & Co. KG, die im internationalen Wettbewerb stehen und sich in Konkurrenz zur GmbH (oder AG) befinden. Das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren, das in der Zeit von 1977 bis 2001 galt und die steuerliche Doppelbelastung von Gewinnen bei der Kapitalgesellschaft einerseits und Gewinnausschüttungen (Dividenden) bei den Gesellschaftern (Aktionären) andererseits beseitigte, hat an der Bedeutung der GmbH & Co. KG nichts geändert. Auch durch die Unternehmensteuerreform 2001 ist keine Änderung eingetreten, obwohl der Körperschaft1 2 3 4 5 6 7
S. im Einzelnen unter Rz. 2.38, 2.62. S. im Einzelnen unter Rz. 2.63. S. im Einzelnen unter Rz. 2.69; Rz. 6.681 ff. S. im Einzelnen unter Rz. 2.38, 2.63; Rz. 6.188 ff. S. im Einzelnen unter Rz. 2.69; Rz. 6.681. S. im Einzelnen unter Rz. 6.208. S. im Einzelnen unter Rz 2.40 f., 2.47 ff., 2.54 f.
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steuersatz im Zusammenhang mit der Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens seit dem Veranlagungszeitraum 2001 zunächst auf 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag gesunken ist und im Falle von Gewinnausschüttungen das Halbeinkünfteverfahren galt. Durch die Unternehmensteuerreform 2008 ist der Körperschaftsteuersatz seit dem Veranlagungszeitraum 2008 auf 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag gesunken. Das Halbeinkünfteverfahren wurde bei Gewinnausschüttungen seit dem Jahr 2009 durch das Teileinkünfteverfahren (grundsätzlich bei Betriebsvermögen) oder die Abgeltungsteuer (grundsätzlich bei Privatvermögen) ersetzt.1 Trotz der verbesserten steuerlichen Rahmenbedingungen für Kapitalgesellschaften – insbesondere des auf 15 % gesenkten Körperschaftsteuersatzes – hat sich an der weiten Verbreitung der GmbH & Co. KG nichts geändert. Allerdings ist mit Wirkung ab dem 1.1.2009 ein wesentlicher Vorteil der Personengesellschaften und damit auch der GmbH & Co. KG bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer weggefallen. Die steuerliche Belastung der Erben und Beschenkten war – insbesondere bei ertragstarken Unternehmen – im Vergleich zur GmbH niedriger, weil der Bewertung grundsätzlich die Steuerbilanzwerte zugrunde zu legen waren. Seit der Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts richtet sich die Bewertung rechtsformunabhängig nach dem gemeinen Wert.2 Die GmbH & Co. KG steht somit in verstärkter Konkurrenz zur GmbH. 1.9
Über die tatsächliche Verbreitung der GmbH & Co. KG liegen keine exakten Zahlen vor. Nach einer Erhebung des DIHK bestanden am 1.1.2007 rd. 155 000 GmbH & Co. KG3 in der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Stand vom 1.1.2015 existieren etwa 1 156 400 GmbH (davon rd. 105 300 UG).4 Bei rd. 15 % dieser GmbH (ohne UG) ist ausschließlicher Unternehmensgegenstand die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter einer KG. Das bestätigt eine rechtstatsächliche Untersuchung.5 Auf dieser Grundlage ergibt sich eine etwas höhere Zahl von etwa 157 600 Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Umgekehrt sind von rd. 254 000 Unternehmen in der Rechtsform der KG6 nach dem Stand vom 1.1.2015 etwa 62 % GmbH & Co. KG.
B. Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG I. Historische Entwicklung 1.10
Wenn auch die zivil- und steuerrechtliche Zulässigkeit der GmbH & Co. KG heute anerkannt ist, erscheint es doch notwendig, die Entwicklungsgeschichte dieser Gesellschaftsform, den Streit um ihre Zulässigkeit und den Weg bis zu ihrer endgültigen Anerkennung kurz darzustellen. Aufgrund der unterschiedlichen Beurtei1 2 3 4 5 6
S. im Einzelnen unter Rz. 2.38 ff. S. im Einzelnen unter Rz. 2.143 ff., Rz. 8.129 ff. DIHK, HR-Unternehmen nach Rechtsform 2007, Tab. 2 (nicht fortgeführt). Vgl. Kornblum, GmbHR 2015, 687 (688, Tab. 1, 694). Vgl. Kornblum/Hampf/Naß, GmbHR 2000, 1240 (1248). Vgl. Kornblum, GmbHR 2015, 687 (688, Tab. 1).
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Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG
lung, die die GmbH & Co. KG erfährt, ist eine Kenntnis dieser Zusammenhänge erforderlich, um sich ein fundiertes Urteil über diese Gesellschaftsform bilden zu können.
II. Die Entstehung der GmbH & Co. KG und ihre zivilrechtliche Anerkennung Schon vor der Schaffung der GmbH durch Gesetz vom 20.4.1892 und vor Entstehung der ersten GmbH & Co. KG beschäftigte die Literatur die Frage, ob eine juristische Person – man dachte in erster Linie an die AG – sich als Gesellschafter an einer oHG oder als Komplementär an einer KG beteiligen könne.1 Bei den Beratungen zum HGB wurde in der 1. Sachverständigen-Kommission von einem kaufmännischen Mitglied vorgeschlagen, eine Bestimmung des Inhalts, dass eine AG Gesellschafter einer oHG sein könne, ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen, da sonst „Zweifel an der Zulässigkeit nicht ausgeschlossen“ seien. Dieser Anregung wurde nicht entsprochen.2
1.11
Die ersten Versuche von Kapitalgesellschaften, sich mit natürlichen Personen oder Gesellschaften zu Personengesellschaften zusammenzuschließen, sind schon aus der Zeit vor 1900 nachweisbar. Die Registergerichte lehnten jedoch ausnahmslos eine Eintragung ab.3 Welche wirtschaftlichen Erwägungen Anlass zu diesen Gründungsversuchen waren, lässt sich anhand der vorliegenden Entscheidungen nicht feststellen.
1.12
Ursprünglich wurden im Deutschen Reich Gewinne von Kapitalgesellschaften und Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafter (Aktionäre) entweder steuerlich nicht doppelt belastet oder die Doppelbelastung wurde zumindest gemildert. Nach dem Preußischen Einkommensteuergesetz aus dem Jahre 1906, das u.a. Unternehmen in der Rechtsform der AG und der GmbH als Steuersubjekte der Einkommensteuer unterwarf, ergab sich bspw. Folgendes: Bei der AG verringerte sich die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang, die Dividenden waren aber bei den Aktionären in vollem Umfang steuerpflichtig. Bei den Gesellschaftern der GmbH waren die Dividenden dagegen von der Einkommensteuer freigestellt. Eine grundlegende Änderung ergab sich durch das Bayerische Einkommensteuergesetz vom 14.8.1910, das am 1.1.1912 in Kraft trat. Es sah die eigenständige Besteuerung sowohl der Gewinne der Kapitalgesellschaft als auch der Gewinnausschüttungen bei den Gesellschaftern vor. Andere Länder folgten dem Beispiel Bayerns. Die Konsequenz war eine steuerliche Doppelbelastung der Gewinne von Kapitalgesellschaften einerseits und ihrer Gesellschafter
1.13
1 So bemerkt z.B. v. Hahn in seinem Kommentar zum ADHGB, Art. 150 § 3: „Die Mitglieder der Kommanditgesellschaft können einzelne Personen (physische oder juristische) sein.“ 2 Vgl. Protokolle I S. 64, zitiert bei Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, S. 72. 3 Vgl. z.B. die Entscheidungen des OLG Dresden v. 31.1.1899, Holdheim IX, 21; OLG Hamburg v. 19.12.1890, Hans. GerZtg. XII, 21 ff.; KG v. 9.1.1893, Holdheim II, 99 f. und v. 16.2. 1891, KGJ 11, 20 ff. Das RG lässt in einer Entscheidung v. 11.2.1896, RGZ 36, 139 die Frage, ob eine juristische Person Gesellschafter einer oHG oder Komplementär einer KG sein kann, offen.
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im Falle einer Gewinnausschüttung andererseits. Das KStG vom 30.2.1920, nach dem u.a. Unternehmen in der Rechtsform der AG und der GmbH als Steuersubjekte der Körperschaftsteuer unterliegen, übernahm dieses System einheitlich für das Deutsche Reich. Die steuerliche Doppelbelastung im Falle von Gewinnausschüttungen wurde allerdings durch eine Verringerung der Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer reduziert. Im Jahre 1922 wurde dieses System durch ein Teilanrechnungsverfahren ersetzt, das im Jahr 1925 wieder abgeschafft wurde. Bis zum Jahre 1953 bestand eine ungemilderte steuerliche Doppelbelastung. Diese Steuergesetzgebung in den Ländern und später im Deutschen Reich ist der eigentliche Grund für die Existenz der GmbH & Co. KG. Diese Rechtsform ermöglicht es zum einen, die steuerliche Doppelbelastung zu vermeiden, und gewährleistet zum anderen neben der großen Gestaltungsfreiheit die Haftungsbeschränkung bei den Gesellschaftern. Die Reaktion auf die dargestellte Gesetzgebung setzte zunächst in Bayern ein. Personen, deren Unternehmen in der Rechtsform der GmbH organisiert war, suchten nach einem Ausweg, um nicht gegenüber den Personalgesellschaften, die eine ähnliche Struktur aufweisen, im Wettbewerb benachteiligt zu sein. Eine Auflösung der GmbH und Umwandlung in eine Personengesellschaft hätte wegen der zahlreichen vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten bei der Liquidation (Gläubigeraufruf, Sperrjahr usw.) sehr störend auf den inneren Geschäftsgang des Unternehmens gewirkt. Durch die Übertragung etwaigen Grundbesitzes wären zudem oft nicht unerhebliche Kosten entstanden. Schließlich hätte sich selbst bei Wahl einer KG mindestens ein Gesellschafter dazu bereit erklären müssen, die persönliche unbeschränkte Haftung zu übernehmen. 1.14
Sämtliche Schwierigkeiten ließen sich durch Schaffung einer GmbH & Co. KG vermeiden. Man gründete eine KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter die GmbH war, während sich deren Gesellschafter – dem Verhältnis ihrer Beteiligung an der GmbH entsprechend – als Kommanditisten beteiligten (sog. GmbH & Co. KG im engeren Sinne), ohne allerdings irgendwelche Sach- oder Bareinlagen zu leisten. Die KG pachtete den Geschäftsbetrieb der GmbH. Diese erhielt als Pachtzins einen Betrag, der gerade die Erhaltung ihres Stammkapitals gewährleistete. Der gesamte übrige Gewinn der KG floss den Gesellschaftern der GmbH über ihre Kommanditbeteiligungen unmittelbar zu, so dass für eine steuerliche Doppelbelastung der GmbH-Gewinne kein Raum mehr blieb.
1.15
Die Registergerichte setzten der Eintragung dieser „ungewöhnlichen“ Gesellschaftsform zunächst heftigen Widerstand entgegen. Das AG München lehnte einen Antrag der „Portland Zement-Fabrik, Stein- und Kalkwerk August M., Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, die zusammen mit ihren Gesellschaftern eine KG unter der Firma „Portland Zement-Fabrik, Stein- und Kalkwerk August M., GmbH KG“ gegründet hatte, auf Eintragung im Handelsregister ab. Die Beschwerde zum LG München blieb erfolglos. Als letzte Instanz hatte sich das BayObLG mit der Frage zu befassen, ob eine GmbH Gesellschafter einer oHG oder persönlich haftender Gesellschafter einer KG sein könne. In seinem Beschluss vom 16.2.19121 bejahte es die Zulässigkeit und wies das Registergericht an, die Eintragung vorzunehmen. In der Begründung seiner Entscheidung führt das Gericht aus: 1 BayObLG v. 16.2.1912 – III 12/12, OLGE 27, 331 = RJA 12, 28 = KGJ 44, 341 = DJZ 1913, 647 = Seuff. Arch. 67 Nr. 263 = GmbHR 1914, 9 = Freymuth II, 116 f.
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Die KG sei zwar zu dem Zwecke errichtet worden, die Steuerbelastung zu mindern; dieser Umstand könne aber eine Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nicht begründen. Die Steuergesetze knüpften die stärkere Belastung der GmbH an das formelle Moment, dass eine GmbH vorliege. Wenn nun die Gesellschafter zur Erreichung ihrer Ziele eine Gesellschaftsform wählten, bei der die Steuerbelastung geringer sei, so hätten sie lediglich einen Weg beschritten, den die Steuergesetze selbst ihnen offen ließen. Weder sei die Beteiligung einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafter an einer KG durch eine positive Vorschrift ausgeschlossen noch ergebe sich der Ausschluss aus der Verfassung oder dem Wesen der GmbH. Auf diese Entscheidung hin sollen in der kurzen Zeit von Februar bis Oktober 1912 allein in München 80 GmbH & Co. KG gegründet worden sein,1 so dass man das Jahr 1912 als das Geburtsjahr der GmbH & Co. KG bezeichnen kann.
1.16
Die Gründungen von GmbH & Co. KG nahmen ein solches Ausmaß an, dass in der Sitzung der bayerischen Kammer vom 15.10.1912 ein Abgeordneter an den Finanzminister die Frage richtete, ob die Regierung gegen diese Umgehung der steuerlichen Belastung der GmbH „etwas unternehmen“ werde.2 Dem Antrag, die Gesetzeslücke im Wege der Gesetzgebung zu schließen, wurde nicht stattgegeben, da man die neuen Steuergesetze „sich erst einmal einleben lassen“ wollte. Man überließ es den Steuerbehörden, wie sie die neuen Gesellschaftsbildungen behandeln wollten.
1.17
Die Absicht, die steuerliche Doppelbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter zu vermeiden, blieb in der Folgezeit nicht der einzige Anlass zur Gründung von GmbH & Co. KG. Auch die bei der Gründung von GmbH entstehende Stempelsteuer (Gesellschaftsteuer) versuchte man dadurch zu mindern, dass man die GmbH nur mit dem seinerzeitigen Mindeststammkapital von 20 000 M ausstattete, während das übrige Kapital dem Unternehmen über Kommanditeinlagen zugeführt wurde.3
1.18
Das KG, das sich in zwei Entscheidungen vom 28.2.19134 und 31.5.19185 mit der Frage der Zulässigkeit der GmbH & Co. KG zu befassen hatte, schloss sich der Ansicht des BayObLG an. In zahlreichen späteren Beschlüssen6 bestätigte es diese Entscheidungen.
1.19
Das Hanseatische OLG Hamburg wich in einem Beschluss vom 31.7.19147 zunächst einer Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit der GmbH & Co. KG aus, da sich das Eintragungsbegehren des Beschwerdeführers bereits aus einem anderen Gesichtspunkt als unbegründet erwies. Aus dem Beschluss ist jedoch zu ent-
1.20
1 Vgl. die Angaben bei Liebmann, DJZ 1913, 231. 2 Vgl. die stenogr. Berichte, 1912, Nr. 146 S. 175. 3 Über den Einfluss der Reichssteuergesetze des Krieges 1914/18 mit ihrer Sonderbesteuerung der juristischen Personen auf die Gründung von Gesellschaften mbH & Co. KG vgl. Daeschner, Handelsgesellschaftliche Gestaltungsformen, S. 73 ff. 4 KG v. 28.2.1913, DJZ 1913, 1500 = Freymuth II, 306. 5 KG v. 31.7.1914, KGJ 51, 122 = GmbHR 1918, 355 = Freymuth III, 36 ff. 6 BayObLG v. 28.6.1918, KGJ 51, 125; BayObLG v. 25.10.1918, Freymuth III 42 = RJA 16, 82; BayObLG v. 11.7.1919, KGJ 52, 90 (AG als Komplementär einer KG); BayObLG v. 16.6. 1922, OLGE 42, 214 (oHG aus zwei AG); BayObLG v. 22.9.1922, Freymuth III, 41. 7 OLG Hamburg v. 31.7.1914, OLGE 30, 385 = GmbHR 1915, 32 = Freymuth II, 115.
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nehmen, dass das Gericht dieser Rechtsform ebenso wie die Vorinstanzen ablehnend gegenüberstand.1 Anfang 1922 lag dem OLG die weitere Beschwerde der „Hanseatischen Motorengesellschaft mit beschränkter Haftung“ zur Entscheidung vor. Diese GmbH hatte zusammen mit einem Kaufmann P. eine GmbH & Co. KG unter der Firma „Hanseatische Motoren-Gesellschaft mbH & Co.“ gegründet, deren Eintragung das zuständige Registergericht abgelehnt hatte. Das OLG hätte die Beschwerde – wie schon im Beschluss vom 31.7.1914 angedeutet – zurückgewiesen, wenn es sich nicht infolge der entgegenstehenden Entscheidungen des BayObLG und des KG daran gehindert gesehen hätte.2 Es legte deshalb gem. § 28 Abs. 2 FGG die Sache dem RG zur Entscheidung vor. 1.21
Das RG hat in seinem grundlegenden Beschluss vom 4.7.19223 die zivilrechtliche Zulässigkeit der GmbH & Co. KG bejaht und damit dem Streit für die Praxis ein Ende gesetzt. Nach einem Überblick über den Stand der Meinungen im Schrifttum führt das RG in seiner Entscheidung u.a. aus:
1.22
Anlass zur Errichtung von KG, die aus einer GmbH als persönlich haftendem Gesellschafter und deren Gesellschaftern als Kommanditisten bestehen, sei zwar die Einführung der steuerlichen Doppelbelastung in Bayern gewesen. Es führten aber „offensichtlich auch wichtige, rein wirtschaftliche Interessen“ zur Errichtung von GmbH & Co. KG, so z.B. der Wunsch von Kapitalisten, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, ohne der persönlichen Haftung ausgesetzt zu sein und die Gesellschaft mit den hohen Gründungskosten einer großen GmbH oder AG zu belasten, während ihnen auf der anderen Seite die Möglichkeit gewährt werde, die Geschäftsführung selbst in der Hand zu behalten. Dieses Ziel könnten sie durch Errichtung einer GmbH mit verhältnismäßig geringem Stammkapital, zu deren Geschäftsführern sie sich bestellen ließen, und durch Beteiligung mit erheblichen Kommanditeinlagen erreichen. Aber auch in anderen Fällen könne die Bildung einer GmbH & Co. KG durchaus zweckmäßig sein. Wenn z.B. der Inhaber eines größeren Unternehmens sterbe und die Witwe das Geschäft nicht weiterführen wolle, während eine bestehende AG oder GmbH bereit sei, sich das Unternehmen anzugliedern, sei die Errichtung einer KG, an welcher die Witwe als Kommanditistin, die angliedernde Gesellschaft aber als Komplementär beteiligt ist, zu empfehlen. Diese neuere wirtschaftliche Entwicklung könne man nicht als „ungesund oder bedenklich“ ansehen. Es liege auch kein ausreichender Grund vor, sie zu hemmen, da sie weder aus Gründen des Gemeinwohls zu verwerfen sei noch mit dem geltenden Recht und Gesetz in Widerspruch stehe.
1.23
Das RG begründet Letzteres, indem es sich mit den gegen die Zulässigkeit der GmbH & Co. KG ins Feld geführten Argumenten auseinandersetzt und sie widerlegt.4 Wenn sich aus §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 108, 131 Nr. 4 a.F., 139, 161 Abs. 2 HGB auch ergebe, dass der Gesetzgeber zunächst nur natürliche Personen als persönlich 1 Köhler, StbJb. 1954/55, S. 244 f., will allerdings aus diesem Beschluss eine Bejahung der Zulässigkeit der GmbH & Co. KG durch das OLG herauslesen. Diese Einstellung, so meint er, hätte das OLG später in dem Fall der „Hanseatischen Motoren-Gesellschaft mbH & Co.“, ohne sich dessen bewusst zu werden, wieder aufgegeben. 2 Vgl. Hans. GerZtg. Hauptblatt 97, 1922. 3 RG v. 4.7.1922 – II B 2/22, RGZ 105, 101 ff. 4 RG v. 4.7.1922 – II B 2/22, RGZ 105, 101 (104 ff.).
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Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG
haftende Gesellschafter im Auge gehabt habe, so bestehe doch kein rechtliches Hindernis, diese Vorschriften entsprechend auf juristische Personen anzuwenden. Es könne auch nicht zugegeben werden, dass es mit der Natur der oHG oder KG unvereinbar sei, eine GmbH als persönlich haftenden Gesellschafter zuzulassen, etwa weil jene der Fähigkeit zur unbeschränkten Haftung ermangele. Gerade dieses Argument werde immer wieder gegen die Zulässigkeit der GmbH & Co. KG vorgebracht. Dabei werde verkannt, dass sich die Haftungsbeschränkung nur auf die Gesellschafter der GmbH bezieht, die GmbH selbst aber unbeschränkt mit ihrem ganzen Vermögen haftet. Wenn diese Haftung praktisch doch auf das Vermögen der GmbH begrenzt ist, so sei es nicht anders als bei natürlichen Personen, bei denen die Haftung auch auf ihr Vermögen beschränkt ist. Das RG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter infolge der bei Kapitalgesellschaften gegebenen Gläubigerschutzbestimmungen sogar vielfach größeren Kredit genießen werde und mehr Sicherheit gewähre als eine natürliche Person in derselben Stellung. Auch Struktur und Wesen der GmbH ständen ihrer Aufnahme als persönlich haftender Gesellschafter in eine oHG oder KG nicht entgegen. Einwände ließen sich insbesondere nicht auf die firmenrechtlichen Vorschriften und die Bestimmungen über die Bilanzaufstellung stützen.
1.24
Die schwerwiegendsten Argumente gegen die Zulässigkeit der GmbH & Co. KG hat man aus der inneren Organisation der GmbH hergeleitet. Während der geschäftsführende Gesellschafter einer oHG oder einer KG eine grundsätzlich unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht hat (§ 126 HGB) und die anderen Gesellschafter mit ihrem eigenen Vermögen der persönlichen Haftung aussetzen kann (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB), sind die Vertretungsbefugnisse des GmbH-Geschäftsführers zwar nach außen ebenfalls unbeschränkbar (§ 37 Abs. 2 GmbHG), seine Machtstellung ist jedoch wesentlich schwächer: Er kann jederzeit abberufen werden (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Dem geschäftsführenden Gesellschafter einer oHG oder einer KG kann die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis dagegen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden (§§ 117, 127 HGB). Beteiligt sich nun eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter an einer KG und sind neben ihr noch weitere Komplementäre vorhanden, so können diese die GmbH & Co. KG mit der Folge der persönlichen Haftung der GmbH rechtlich binden (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB), ohne dass die Gesellschafter der GmbH imstande wären, ihren abweichenden eigenen Willen geltend zu machen. Die GmbH könnte demnach von den anderen Komplementären so lange der persönlichen Haftung ausgesetzt werden, bis ein wichtiger Grund i.S. der §§ 117, 127 HGB zu deren Abberufung durch ein Gericht führen würde.
1.25
Diese Tatsache steht scheinbar im Widerspruch zu dem Recht der Gesellschafter der GmbH, über das Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden. In Wirklichkeit bleibt das Recht der Gesellschafter innerhalb des Geschäftskreises der GmbH unangetastet. Nur soweit sich die GmbH nach außen hin an der GmbH & Co. KG beteiligt, werden die Befugnisse der Gesellschafter eingeschränkt. Eine derartige Beschränkung, so entgegnet das RG diesen Bedenken, finde sich aber auch in anderen Fällen. Durch Eingehung anderer Gesellschaftsverhältnisse oder Teilnahme an Interessengemeinschaften könne die GmbH ebenfalls das größte wirtschaftliche Ri-
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Einleitung
siko eingehen. Sie könne außerdem durch ihre Geschäftsführer mit bindender Wirkung gegenüber Dritten in Höhe ihres Gesamtvermögens verpflichtet werden, bevor noch eine Abberufung der Geschäftsführer erfolgt sei. „Die bloße Möglichkeit, einer solchen Gefahr ausgesetzt zu sein“, dürfe „kein rechtliches Hindernis für die Beteiligung in der besprochenen Form bilden“, zumal diese Gefahren durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden könnten. So könnten z.B. die Geschäftsführung und Vertretung der GmbH & Co. KG allein in die Hände der GmbH gelegt werden oder die weiteren vertretungsberechtigten Gesellschafter nur zur Gesamtvertretung zusammen mit der GmbH gem. § 125 Abs. 2 HGB berechtigt werden. Außerdem kann die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht – worauf das RG allerdings nicht hinweist – abweichend von §§ 117, 127 HGB so geregelt werden, dass sie – entsprechend der Regelung in § 38 Abs. 1 GmbHG – ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich ist.1 Bei dem Normalfall der GmbH & Co. KG, bei dem die GmbH einziger persönlich haftender Gesellschafter ist, tauchen diese Probleme ohnehin nicht auf. Am Schluss seiner Ausführungen erklärt das RG wörtlich:2 „Es kann dem Handelsverkehr nicht verwehrt werden, sich zur Erreichung seiner geschäftlichen Ziele solcher Formen und Organisationen zu bedienen, welche ihm die geringstmöglichen Unkosten verursachen. Voraussetzung ist dabei lediglich, dass die von ihm gewählten Formen und Organisationen selbst nicht gesetzwidrig sind. Ist dies nicht der Fall, so bietet der § 5 RAO den Steuerbehörden die nötige Handhabe, um ungeachtet der gewählten Form die wahre wirtschaftliche Betätigung und deren Ergebnis im Sinne der Steuergesetze zu erfassen.“
1.27
Mit dieser Entscheidung des RG hat die bis dahin umstrittene Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG zivilrechtlich ihre Anerkennung gefunden. Die Rechtsprechung geht seit dieser Zeit von der Zulässigkeit der GmbH & Co. KG als einer feststehenden Tatsache aus.3
1.28
Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 28.9.19554 der Auffassung des RG angeschlossen. Er sagt wörtlich: „Das Reichsgericht hat sich in RGZ 105, 101 ff. mit den Bedenken auseinander gesetzt, die gegen die GmbH & Co. erhoben worden sind. Es hat ausgesprochen, dass sich aus der Natur weder der KG noch der GmbH rechtliche Hindernisse dafür ergeben, eine GmbH als persönlich haftenden Gesellschafter einer KG zuzulassen. Das entspricht der heute herrschenden Auffassung. Von ihr abzugehen, besteht kein Anlass.“
1.29
Auch in der Literatur hat sich die Ansicht, dass juristische Personen persönlich haftende Gesellschafter einer oHG oder KG sein können, durchgesetzt.5
1 §§ 117, 127 HGB enthalten insoweit nachgiebiges Recht: RG, HRR 40, 1073; Roth in Baumbach/Hopt, § 117 HGB Rz. 12; Roth in Baumbach/Hopt, § 127 HGB Rz. 1. 2 RG v. 4.7.1922 – II B 2/22, RGZ 105, 101 (106). 3 Vgl. z.B. OLG Karlsruhe v. 14.4.1925, JFG 3, 210 ff.; KG v. 8.12.1938, JW 1939, 423; LG Hamburg v. 8.7.1952, DNotZ 1953, 109; OLG Hamm v. 6.10.1953, DNotZ 1954, 92 ff. 4 BGH v. 28.9.1955 – VI ZR 28/53, WM 1956, 61 (63) = GmbHR 1957, 41 (hier ist als Tag der Entscheidung irrtümlich der 12.7.1956 angegeben) m. Komm. Hesselmann, GmbHR 1957, 38. 5 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 84; Roth in Baumbach/ Hopt, § 105 HGB Rz. 28; Raiser in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 13 GmbHG Rz. 19; Emmerich in Scholz, § 13 GmbHG Rz. 18a.
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Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG
Schließlich kann auch eine GmbH & Co. KG persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) oder Kommanditistin einer anderen KG sein.1 Man spricht dann von einer „dreistufigen“ GmbH & Co. KG oder von einer doppelstöckigen (mehrstöckigen) GmbH & Co. KG.
1.30
III. Die steuerrechtliche Anerkennung der GmbH & Co. KG Im Steuerrecht ist heute die Anerkennung der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft ebenfalls nicht mehr umstritten. Diese Entwicklung hatte sich bereits in der Rechtsprechung des RFH angebahnt, der die GmbH & Co. KG ursprünglich noch als „ungewöhnliche“ Rechtsform2 ansah und den Gewinn der GmbH & Co. KG als Gewinn der GmbH3 behandelte.
1.31
In seiner Entscheidung vom 22.8.19514 führt der BFH bereits wörtlich aus:
1.32
„Es kann nicht als ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angesehen werden, wenn ein Steuerpflichtiger zur Ersparung von Steuern die für ihn günstigste Rechtsform wählt.“…„Bei der einschneidenden Natur der Steuertarife kann es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt werden, die für ihn günstigste rechtliche Form zu wählen.“5
Hiervon unabhängig sei allerdings zu entscheiden, ob die Gewinnverteilung steuerlich anzuerkennen sei. Sie müsse so geregelt werden, dass sie der Kapitaleinlage und der Tätigkeit der einzelnen Gesellschafter innerhalb der Gesellschaft in angemessener Weise Rechnung trage. Andernfalls könne ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Abs. 1 AO (früher § 6 StAnpG) vorliegen.
1.33
Damit ist die GmbH & Co. KG, insbesondere aber die GmbH & Co. KG im engeren Sinne, auch steuerrechtlich endgültig selbst für den Fall anerkannt worden, dass die Gründung in der Absicht erfolgt ist, Steuern zu sparen. Die später ergangenen BFH-Urteile setzen bereits die steuerliche Anerkennung der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft als selbstverständlich voraus. In den 80er Jahren kamen kurzzeitig Zweifel auf, ob die Publikums-GmbH & Co. KG als rechtsfähiger Verein gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu beurteilen und daher körperschaftsteuerpflichtig sei.6 Der Große Senat des BFH hat das durch Beschluss vom 25.6.1984 verneint,7 so dass auch die Publikums-GmbH & Co. KG steuerlich als Personengesellschaft zu behandeln ist.
1.34
1 So die h.M., vgl. Mertens/Neupel, GmbHR 1970, 211 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 28; s. im Einzelnen unter Rz. 2.525. 2 RFH v. 30.6.1922, RFHE 10, 65 ff. 3 RFH v. 15.7.1925, RFHE 17, 91 ff. 4 BFH v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 = GmbHR 1951, 107 = StRK StAnpG § 5 R. 3. 5 Der BFH wendet sich hier gegen die Rechtsgrundsätze der RFH-Entscheidung v. 29.4.1942 – VI 101/42, RStBl. 1942, 497 = GW-StRK I, 21, wo mehr oder weniger der Grundsatz vertreten wird, der Steuerpflichtige habe die moralische Pflicht, die für ihn ungünstigste steuerliche Form zu wählen. 6 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 2 f. 7 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (759 f.).
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§1 1.35
Einleitung
Nur wenn die GmbH & Co. KG nicht ernsthaft gewollt ist, nach außen also eine Form verwandt wird, die tatsächlich nicht zur Durchführung gelangen soll, bleibt – wie bei jeder anderen Unternehmensform auch – die zivilrechtliche Gestaltung gem. § 42 Abs. 1 AO unberücksichtigt. Der Besteuerung wird der tatsächliche (verdeckte) Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Beweislast hierfür trägt die Finanzbehörde.1 Da – wie der BFH in dem zuvor erwähnten Urteil ausdrücklich betont – die Gewinnverteilung, um steuerlich anerkannt zu werden, der Kapitaleinlage und Tätigkeit der einzelnen Gesellschafter entsprechen muss, andernfalls die Steuerbehörde nach § 42 Abs. 1 AO nicht an sie gebunden ist, sind heute Gewinnverschiebungen, wie sie in den 20er Jahren üblich waren, unmöglich gemacht. Sollte die GmbH & Co. KG im Einzelfall doch noch zu Steuerumgehungszwecken missbraucht werden, so können die Steuerbehörden nicht streng genug durchgreifen, damit dafür Sorge getragen wird, dass diese Gesellschaftsform nicht erneut in Verruf gerät und Unternehmen, für die die Wahl der GmbH & Co. KG eine Existenzfrage bedeutet, die Leidtragenden sind.
1.36
Die Entscheidung vom 3.7.19562 ist insofern von besonderer Bedeutung, als der BFH hier zu der Frage Stellung nimmt, in welchem Verfahren zu entscheiden ist, ob eine GmbH & Co. KG im Einzelfall steuerlich anzuerkennen ist. Hiernach ist über die steuerliche Anerkennung einer GmbH & Co. KG im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren für die Gesellschaft und nicht im Einzelveranlagungsverfahren der Gesellschafter, etwa im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Kommanditisten, zu entscheiden (vgl. §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO).3 Die im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren ergehende Entscheidung ist für das Einzelveranlagungsverfahren der Gesellschaft bindend (vgl. § 182 Abs. 1 AO).
1.37
Die neuere steuerrechtliche Literatur hält die GmbH & Co. KG im Anschluss an die Urteile des BFH ebenfalls für zulässig.4
1.38
Es bestehen steuerlich auch keine Bedenken gegen eine GmbH & Co. KG, deren Gesellschafter sich nur aus Familienmitgliedern zusammensetzen.5 Nur müssen die gesellschaftsrechtliche Stellung und vor allem die Gewinnverteilung rechtlich so gestaltet und tatsächlich so gehandhabt werden, als wenn es sich um eine Gesellschaft unter Fremden handeln würde.6
1.39
Ebenfalls kann einer GmbH & Co. KG, deren Komplementär eine EinpersonenGmbH und deren einziger Kommanditist der Gesellschafter der GmbH ist, grundsätzlich nicht die steuerliche Anerkennung versagt werden. Die EinpersonenGmbH wird im Steuerrecht als selbständiges Rechtssubjekt anerkannt, wenn zwischen der GmbH und dem einzigen Gesellschafter klare Rechtsverhältnisse beste1 2 3 4 5
Vgl. das Urteil des RFH v. 13.3.1929 – I A 174–176/28, RStBl. 1929, 329. BFH v. 3.7.1956 – I 220/55 0, BStBl. III 1956, 308 = StRK AO § 215 R. 10. Zur einheitlichen Gewinnfeststellung bei der GmbH & Co. KG vgl. Rz. 6.371 f. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 700; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 41 ff. Vgl. auch das Urteil des BFH v. 17.10.1951 – IV 83/50 0, BStBl. III 1951, 223 = StRK StAnpG § 5 R. 4, wo ausdrücklich betont wird, dass eine Gesellschaft steuerlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, dass sämtliche Gesellschafter Familienmitglieder seien. 6 S. im Einzelnen unter Rz. 2.222 ff., 2.248 ff.
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§1
Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG
hen.1 Es ist daher auch nichts dagegen einzuwenden, wenn der in seiner Rechtspersönlichkeit von der Rechtspersönlichkeit der GmbH zu unterscheidende Gesellschafter der GmbH einziger Kommanditist der GmbH & Co. KG ist.
IV. Die Wirtschaftsverfassung und die GmbH & Co. KG 1. Angriffspunkte Angriffspunkte gegen die GmbH & Co. KG ergeben sich aus folgenden Gesichtspunkten:2
1.40
– der Haftungsverfassung, d.h. der fehlenden Übereinstimmung zwischen der Gesellschafterstellung und der damit verbundenen Entscheidungsmacht (Herrschaft) einerseits und der unbeschränkten persönlichen Einstandspflicht natürlicher Personen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Haftung) andererseits, – den steuerlichen Vorteilen einer Personengesellschaft, ohne dass die Gesellschafter – soweit sie natürliche Personen sind – eine unbeschränkte persönliche Einstandspflicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft trifft.
2. Haftungsverfassung Die stärkste Kritik an der GmbH & Co. KG hat die Haftungsverfassung hervorgerufen, d.h. die fehlende Übereinstimmung zwischen der Herrschaft einerseits und der unbeschränkten persönlichen Haftung natürlicher Personen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft andererseits. Das gilt umso mehr, als keine einzige natürliche Person unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet und diese Gesellschaftsform kein eigenes Rechtssubjekt und damit nicht rechtsfähig ist. Ein zwingender wirtschaftsverfassungsrechtlich begründeter Grundsatz des Gleichlaufs zwischen der Gesellschafterstellung und der damit verbundenen Entscheidungsmacht (Herrschaft) und der unbeschränkten persönlichen Einstandspflicht natürlicher Personen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Haftung) besteht jedoch in der Bundesrepublik Deutschland nicht.3 Eine unbeschränkte Haftung natürlicher Personen ist auch nicht notwendige Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb. Beschränkt haftende natürliche Personen verschaffen sich auch keinen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung. Die jeweiligen Gestaltungs- und Rechtsformen des Gesellschaftsrechts stehen jedem offen.4 Problematisch kann allenfalls sein, ob das Haftungsstatut der GmbH & Co. KG gegen das Prinzip des Gläubigerschutzes verstößt, insbesondere wenn die jeweilige Gesellschaft materiell unterkapitalisiert ist, d.h. ihr Eigenkapital in Relation zu ihren unternehmerischen Aktivitäten zu niedrig ist. Diese Gefahr besteht jedoch auch bei anderen Gesellschaftsformen, insbesondere der GmbH als der wesentlichen konkurrierenden Rechtsform. 1 RFH v. 26.2.1936, RStBl. 1936, 682 = Kartei EStG 1934 § 19 Abs. 1 Ziff. 1 R. 47; vgl. auch das Urteil des RFH v. 12.1.1937, RStBl. 1937, 91 = Kartei AO 1931 § 147 R. 22. 2 Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 227 ff. 3 Vgl. BGH v. 17.3.1996 – II ZR 282/63, BGHZ 45, 204 (207). 4 Mertens, NJW 1966, 1049.
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1.41
§1 1.42
Einleitung
Die GmbH & Co. KG ermöglicht es, bei der Komplementär-GmbH Fremdgeschäftsführer zu berufen, ohne dass darin ein Verstoß gegen den bei Personengesellschaften geltenden Grundsatz der Selbstorganschaft liegt. Eine derartige (mittelbare) Fremdorganschaft (Drittorganschaft) ist bei ihr also – anders als bei einer oHG oder KG – zulässig. Das ist kein Argument gegen die wirtschaftsverfassungsrechtliche Anerkennung der GmbH & Co. KG. Es besteht keine Notwendigkeit, die Gesellschafter in ihrer Gestaltungsfreiheit zu beschränken und in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (kapitalistische Gestaltungsform) – insbesondere der GmbH – zu drängen. Sie wären dadurch gezwungen, eine Rechts- und Organisationsform zu wählen, mit der möglicherweise eine größere Anhäufung unternehmerischer Macht ohne damit einhergehende persönliche Risikotragung verbunden ist als mit der GmbH & Co. KG als kapitalistischer Personengesellschaft. Die GmbH & Co. KG ist am ehesten eine Gesellschaftsform, die dazu dient, mittelständische Unternehmensstrukturen und Kapitalmacht aufrechtzuerhalten. Das ist auch wirtschaftspolitisch sinnvoll.1
3. Steuerrecht 1.43
Das Steuerrecht ist gegenüber der GmbH & Co. KG und dem Strukturelement der beschränkten Haftung natürlicher Personen neutral. Das gilt unabhängig davon, ob eine natürliche Person in der Geschäftsführung der Gesellschaft vertreten ist.2 Eine bedeutsame Einschränkung ergibt sich allerdings aus § 15a Abs. 1 EStG. Danach ist die Möglichkeit des Verlustausgleichs und Verlustabzugs bei einem beschränkt haftenden Gesellschafter (Kommanditisten) eingeschränkt, soweit ein negatives Kapitalkonto besteht oder sich erhöht (s. Rz. 6.391). Unabhängig von dieser Einschränkung ist es nicht Funktion des (Unternehmens-)Steuerrechts, Einfluss auf die Besteuerung einer bestimmten Gesellschaftsform und ihrer Gesellschafter zu nehmen. Das gilt umso mehr, als es einen allgemeinen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach sich die Herrschaft und die unbeschränkte persönliche Haftung natürlicher Personen entsprechen müssen, nicht gibt.
4. Konsequenz 1.44
Die Rechtsform der GmbH & Co. KG als Kombination einer KG und einer GmbH (Grundtypenvermischung) steht grundsätzlich im Einklang mit der Wirtschaftsverfassung.3
V. Die Anerkennung der GmbH & Co. KG durch den Gesetzgeber 1.45
Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften (GmbH-Novelle) vom 4.7.19804 enthält in Art. 2 eine Reihe von Vorschriften für eine Änderung des 1 2 3 4
Westermann, Wirtschaftsverfassung, S. 35. Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 381. Westermann, Wirtschaftsverfassung, S. 44 f. BGBl. I 1980, 836 ff.
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§1
Entwicklung und Zulässigkeit der GmbH & Co. KG
HGB, die ausschließlich die Personenhandelsgesellschaft ohne natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter und damit auch die GmbH & Co. KG betreffen. Allgemein heißt es in der Begründung zu § 19a HGB: „Besondere Probleme entstehen bei der Firmenbildung, wenn Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften derart miteinander verbunden werden, dass alle Gesellschafter einer oHG oder die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG Kapitalgesellschaften sind. In der Praxis am häufigsten ist insoweit die GmbH & Co. KG.“
Durch dieses Gesetz und die damit verbundenen Änderungen und Einfügungen der §§ 19 Abs. 5 (jetzt Abs. 2), 125a, 129a, 172 Abs. 6, 172a und 177a HGB ist die Personenhandelsgesellschaft ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter und damit auch die GmbH & Co. KG zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland in Teilbereichen kodifiziert und infolgedessen als Rechtsform anerkannt; durch das Gesetz vom 29.7.19761 waren bereits die §§ 130a, 130b HGB, die die Insolvenz betreffen, in das HGB eingefügt worden. Im Zuge der Reform des HGB2 kam die Änderung des § 131 Abs. 2 Satz 1 HGB hinzu, der auch für die KG gilt (§ 161 Abs. 2 HGB). Das Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008,3 durch das u.a. §§ 129a, 130b und § 172a HGB aufgehoben, §§ 130a und 177a HGB geändert und die insolvenzrechtliche Norm des § 15a InsO in das Gesetz eingefügt wurden, bestätigt diese gesetzgeberische Linie. Entsprechendes folgt speziell für die GmbH & Co. KG (und AG & Co. KG) aus § 4 Abs. 1 MitbestG. Auch die Anwendung der Vorschriften über die Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Publizität für Kapitalgesellschaften auf Personenhandelsgesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 264a Abs. 1, 264c HGB) bestätigt die Anerkennung dieser Rechtsform durch die Rechtsordnung.
VI. Ausblick auf andere europäische Rechtsordnungen In zahlreichen Staaten der Europäischen Union ist eine Personengesellschaft ohne natürliche Person als persönlich haftendem Gesellschafter und damit auch eine GmbH & Co. KG anerkannt.4 In Österreich hat die GmbH & Co. KG eine große Bedeutung erlangt. Darüber hinaus hat sie eine gewisse Bedeutung in Belgien und Dänemark. In der Schweiz als wichtigem deutschsprachigen Land außerhalb der Europäischen Union ist die GmbH & Co. KG nicht anerkannt; unbeschränkt haftende Gesellschafter können dort nur natürliche Personen sein (Art. 594 Abs. 2 Schweizerisches Obligationengesetz).
1 2 3 4
BGBl. I 1976, 2034 ff. HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474 ff. BGBl. I 2008, 2026. S. 18. Aufl., § 1 Rz. 41.
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1.46
§2 Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen A. Gesellschaftsrecht I. Allgemeines 2.1
Mit der Rechtsform der GmbH & Co. KG verbindet sich die Vorstellung der Haftungsbeschränkung und des Steuervorteils. Diese Gesichtspunkte, die bei der Wahl der geeigneten Rechtsform für das konkrete Unternehmen von großer Bedeutung sind, erfassen aber das Phänomen „GmbH & Co. KG“ für die Gestaltungspraxis nicht in seinem Kern. Strukturelle Elemente aus der Verbindung der Kapitalgesellschaft und der Personengesellschaft sind es, die in der Praxis die Rechtsform der GmbH & Co. KG geradezu als unentbehrliches Gestaltungsmittel erscheinen lassen; sie schließt eine Lücke im Kreise der Unternehmensformen.1 Eben diese Vereinigung struktureller Elemente von Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft sprengte die Kette des herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Denkens und bot gleichzeitig den Ansatzpunkt für Kritiker dieser Rechtsform, die sie als ordnungspolitisch unerwünscht betrachteten2 oder gar als „pervertierte Formenkombination“ bezeichneten.3 Ebenso wird man dieser Formenschöpfung nicht dadurch gerecht, dass man sie als eine verfremdete GmbH, die ihre Existenz steuerlichen Gründen zu verdanken hat, einstuft.4
2.2
Die verschiedenen Änderungen der Besteuerung der Kapitalgesellschaften und ihrer Gesellschafter (Aktionäre) – sowohl das frühere körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren als auch das durch die Unternehmenssteuerreform 2001 eingeführte gegenwärtige Körperschaftsteuersystem – hatten keinen erkennbaren Einfluss auf die Wahl der GmbH & Co. KG als geeignete Rechtsform bei Neugründungen oder Umstrukturierungen (s. Rz. 1.8). Die Rechtsform der GmbH & Co. KG befindet sich allerdings steuerrechtlich in einer verstärkten Konkurrenz zur GmbH. Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mögen zwar im Zusammenhang mit Abschreibungsgesellschaften in vereinzelten Fällen immer noch mit Argwohn betrachtet werden, doch wie Karsten Schmidt zu Recht warnt, kann die Kritik an fragwürdigen und risikoreichen Abschreibungstechniken nicht zum Maß für die GmbH & Co. KG gemacht werden. Auch die Praxis hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt, erkennt sie doch die strukturellen Vorteile, die in dieser Gesellschaftsform verankert sind: eine Personengesellschaft ohne die strengen Regelungen über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung – wie für Kapitalgesellschaften – und mit der gleichzeitigen Möglichkeit, die Unternehmensführung von den Gesellschaftern zu trennen und von der Außenhaftung freizuhalten.5 1 2 3 4
Hesselmann in Pro GmbH, 1980, S. 81 (84). Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 239. Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Rz. 828. Wiethölter, Die GmbH & Co. – Chancen und Grenzen, in Aktuelle Probleme der GmbH & Co., S. 11 ff.; dagegen Hesselmann in Pro GmbH, 1980, S. 81 ff. 5 K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (277).
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§2
Strukturelle Unterschiede zur klassischen Personengesellschaft
II. Strukturelle Unterschiede zur klassischen Personengesellschaft 1. Haftungsbeschränkung aller natürlichen Personen Für die klassischen Personengesellschaften, ob oHG, KG oder GbR, ist die persönliche Haftung wenigstens eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein wesentliches Strukturelement. Die GmbH & Co. KG nimmt insoweit eine Sonderstellung unter den Personengesellschaften ein, als keine natürliche Person für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich zu haften hat. Selbstverständlich hat auch die GmbH & Co. KG als Kommanditgesellschaft einen persönlich haftenden Gesellschafter, nämlich die Komplementär-GmbH, die mit ihrem Vermögen für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG einzustehen hat.
2.3
Doch dies ist in der Praxis nicht der eigentlich relevante Punkt. Es geht vielmehr um die Beschränkung der Haftung der hinter der GmbH & Co. KG stehenden Gesellschafter. Ihre Haftung gleicht der von GmbH-Gesellschaftern. Sowohl in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Komplementär-GmbH als auch in ihrer Eigenschaft als Kommanditisten beschränkt sich ihre Haftung auf die Erbringung des übernommenen Geschäftsanteils bei der Komplementär-GmbH und die Leistung der Hafteinlage bei der KG (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Etwas anderes gilt für die Kommanditisten nur, soweit ihre Haftung wieder aufgelebt ist (§ 172 Abs. 4 HGB; s. Rz. 5.61 ff.) oder sie der Aufnahme der geschäftlichen Aktivitäten der KG vor ihrer Eintragung in das Handelsregister zugestimmt haben (§ 176 Abs. 1 HGB; s. Rz. 3.227 f.; Rz. 5.78 f.).
2.4
Über die Haftungsbeschränkung natürlicher Personen hinaus zeichnet sich die GmbH & Co. KG durch große Flexibilität und Gestaltungsfreiheit aus.
2.5
2. Keine zwangsweise Verbindung von Unternehmensführung, Gesellschafterstellung und Haftung a) Trennung zwischen Unternehmensführung und Gesellschafterstellung Dem gesetzlichen Leitbild der Personengesellschaften entspricht es, dass nur Gesellschafter, die der persönlichen Haftung unterliegen, auch zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind (Grundsatz der Selbstorganschaft). So sind z.B. bei der KG die Komplementäre zur Vertretung berufen, während die Kommanditisten von ihr ausgeschlossen sind (§§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB). Man spricht in diesem Zusammenhang von organschaftlicher Vertretung im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Vertretung. Einem Kommanditisten kann nur eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, z.B. durch Einräumung einer Prokura, erteilt werden. Auch für die GmbH & Co. KG als Kommanditgesellschaft gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft. Nur die Komplementär-GmbH ist zur organschaftlichen Vertretung der GmbH & Co. KG berufen. Als Kapitalgesellschaft handelt sie aber durch ihre organschaftlichen Vertreter, nämlich die Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG).
2.6
Anders als das Personengesellschaftsrecht kennt das GmbH-Recht die Fremdorganschaft (Drittorganschaft). Danach ist die Stellung als organschaftlicher Vertreter nicht notwendigerweise an die Gesellschafterstellung gebunden. Auch ein Dritter, der nicht Gesellschafter ist, kann organschaftlicher Vertreter und damit Geschäfts-
2.7
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
führer der GmbH sein. Die Besonderheit der GmbH & Co. KG besteht in der Kombination zwischen Selbst- und Fremdorganschaft. Die der Komplementär-GmbH obliegende Vertretung der KG (Selbstorganschaft) wird durch einen Geschäftsführer als Organ der Komplementär-GmbH wahrgenommen (Fremdorganschaft). Er ist nicht notwendigerweise Gesellschafter der KG oder der Komplementär-GmbH mit der Folge, dass mittelbar eine Fremdorganschaft besteht. Auf diese Weise lässt sich eine Trennung zwischen der Unternehmensführung (organschaftlichen Vertretung) einerseits und der Gesellschafterstellung andererseits erreichen.1 Das ist bei der klassischen Personengesellschaft nicht möglich. b) Trennung zwischen Unternehmensführung und Haftung 2.8
Darüber hinaus ermöglicht es die GmbH & Co. KG, die Unternehmensführung (organschaftliche Vertretung) von der persönlichen Haftung zu trennen.2 Auch das ist bei der klassischen Personengesellschaft aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft nicht möglich. Dieser Gesichtspunkt ist in der Praxis sehr bedeutsam. Durch den Ausschluss der persönlichen Haftung lassen sich Personen für die Unternehmensführung – als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH – gewinnen, die nicht bereit sind, die persönliche Haftung zu übernehmen. c) Unternehmensführung ohne Majorität
2.9
Wenn ausschließlich Personen, die nicht Kommanditisten sind, sämtliche Geschäftsanteile oder zumindest die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH halten, können sie über die Komplementär-GmbH ihren unternehmerischen Willen in der GmbH & Co. KG weitgehend durchsetzen. Die fehlende (Mehrheits-)Beteiligung am Gesellschaftskapital der KG steht dem nicht entgegen. Die Unternehmensführung wird dadurch gegenüber der Stellung als Gesellschafter (Kommanditist) der KG weitgehend verselbständigt. Die Kommanditisten können nach der gesetzlichen Regelung der laufenden Geschäftsführung der Komplementär-GmbH, die diese durch ihre Geschäftsführer ausübt, nicht widersprechen (§ 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Den Kommanditisten steht nur ein Widerspruchsrecht zu, wenn die jeweiligen Handlungen der Komplementär-GmbH über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der KG hinausgehen, d.h. bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Daraus ergibt sich ein Zustimmungsrecht bei allen außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Abgesehen davon ist die Unternehmensführung nicht an die Mitwirkung der Kommanditisten gebunden.
2.10
Die weitgehende Verselbständigung der Unternehmensführung gegenüber der Stellung als Gesellschafter (Kommanditist) ist bedeutsam für die Gestaltung der Unternehmensnachfolge und die Publikums-KG.3
1 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 23, 26. 2 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 22, 25. 3 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 28 f.
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§2
Strukturelle Unterschiede zur GmbH
III. Strukturelle Unterschiede zur GmbH 1. Gestaltungsfreiheit Die GmbH zeichnet sich in ihrer inneren Verfassung durch ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit aus (§ 45 Abs. 1 GmbHG). Das gilt zum einen für die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern und der GmbH und zum anderen in noch stärkerem Maße für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander. Bei der GmbH & Co. KG ist die Gestaltungsfreiheit und damit die Flexibilität noch größer (§§ 109, 161 Abs. 2, 163 HGB); sie ist nahezu unbeschränkt.1
2.11
Bei der GmbH bestehen demgegenüber strenge Regelungen für die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Es existiert ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestkapital (25 000 Euro; § 5 Abs. 1 GmbHG). Die Regelungen über die Bareinlage und die Sacheinlage (§§ 5 Abs. 4 Satz 1 und 2, 9 Abs. 1 GmbHG) sind einzuhalten. Dienstleistungen können nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein (§ 27 Abs. 2 AktG analog).2 Die Bareinlage und die Sacheinlage sind endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer zu leisten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Der Grundsatz der effektiven (realen) Kapitalaufbringung ist zu beachten. Diese Grundsätze gelten auch für eine Kapitalerhöhung. Eine Kapitalherabsetzung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft (§ 58 Abs. 1 Nr. 1–4 GmbHG). Ferner gilt der Grundsatz der Erhaltung des Stammkapitals (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen bedürfen eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung; durch den Vollzug eines solchen Beschlusses darf das zur Erhaltung des Stammkapitals notwendige Vermögen der GmbH nicht vermindert werden. Das für die Gewinnausschüttung oder Vorabausschüttung erforderliche positive Jahresergebnis oder der Bilanzgewinn müssen vorhanden sein.
2.12
Für die GmbH & Co. KG bestehen – jedenfalls was die KG betrifft – keine strengen Regelungen über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Weder für die Bareinlage noch für die Sacheinlage existieren besondere Regelungen. Die Sacheinlage muss allerdings werthaltig sein, um die Haftungsbefreiung des Kommanditisten zu bewirken3 (s. Rz. 3.104 f.). Das ist der Fall, soweit der Zeitwert der Sacheinlage der Haftsumme des Kommanditisten entspricht. Dienstleistungen sind keine taugliche Sacheinlage, weil sich ihr objektiver Wert nur schwer feststellen lässt. Ein Kommanditist erbringt durch Dienstleistungen folglich nicht seine Haftsumme und bewirkt dadurch infolgedessen nicht seinen Haftungsausschluss (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB; s. Rz. 3.111).4 Die Haftsumme kann durch stehen gelassene Gewinne aufgebracht werden. Für die KG existiert kein Grundsatz der Kapitalerhaltung. Soweit sich aus dem Gesellschaftsvertrag keine Beschränkungen ergeben, sind Entnahmen durch die Gesellschafter jederzeit problemlos möglich. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ist nicht erforderlich. Ebenso muss kein Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn vorhanden sein. Es besteht lediglich die Ge-
2.13
1 Blaum in Handbuch Personengesellschaften, I Rz. 3171 ff.; Hartmann, 23. Deutscher Notartag Frankfurt 1989, S. 63. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 5 GmbHG Rz. 18 m.w.N. 3 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, BGHZ 95, 188 (195); Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 6. 4 A.A. Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 6.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
fahr, dass die Haftung des Kommanditisten wieder auflebt (§ 172 Abs. 4 Satz 1 und 2 HGB). Auch eine Herabsetzung der Haftsumme ist jederzeit problemlos möglich; sie kann allerdings Konsequenzen für die Haftung des Kommanditisten haben (§ 174 HGB). Für die Komplementär-GmbH sind allerdings die strengen Regelungen über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung zu beachten. Obwohl bei der GmbH & Co. KG zwei Gesellschaften miteinander verbunden sind und die gesellschaftsrechtliche Struktur deshalb komplizierter ist als bei der klassischen GmbH, ist die große Gestaltungsfreiheit und Flexibilität der GmbH & Co. KG bei der Finanzverfassung ein wesentlicher Vorteil gegenüber der GmbH.
2. Mitbestimmung 2.14
Ein bedeutsamer Unterschied zwischen der GmbH und der GmbH & Co. KG besteht auch bei der Mitbestimmung (s. im Einzelnen unter Rz. 4.175, 4.185 ff.). Bei einer GmbH mit i.d.R. mehr als 2000 inländischen Arbeitnehmern ist ein Aufsichtsrat zu bilden (§§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 MitbestG). Er besteht zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer (§ 7 Abs. 1 MitbestG). Eine GmbH mit i.d.R. mehr als 500, aber nicht mehr als 2000 inländischen Arbeitnehmern hat ebenfalls einen Aufsichtsrat zu bilden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 und 2 Halbs. 1 DrittelbG). Er besteht zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG). Eine Personenhandelsgesellschaft und damit auch eine GmbH & Co. KG unterliegt selbst keiner Mitbestimmung. Die Komplementär-GmbH unterliegt jedoch der Mitbestimmung, wenn die Mehrheit der Kommanditisten der KG, berechnet nach der Mehrheit der Anteile oder der Stimmen, die Mehrheit der Anteile oder der Stimmen in dem Unternehmen des persönlich haftenden Gesellschafters innehat (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG). In diesem Falle gelten die Arbeitnehmer der KG als Arbeitnehmer des persönlich haftenden Gesellschafters, d.h. der Komplementär-GmbH, sofern diese nicht einen eigenen Geschäftsbetrieb mit i.d.R. mehr als 500 inländischen Arbeitnehmern hat (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG). Die Arbeitnehmer der KG werden der Komplementär-GmbH m.a.W. zugerechnet, sofern die zuvor beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind und die KG (oder die KG und die GmbH zusammen) i.d.R. mehr als 2000 inländische Arbeitnehmer hat. Als Konsequenz ist bei der Komplementär-GmbH ein Aufsichtsrat zu bilden, der zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer besteht (s. Rz. 4.191 ff., 4.201 ff.).
2.15
Trotz dieser Regelung besteht bei der GmbH & Co. KG eine größere Gestaltungsfreiheit als bei der GmbH. Bei dieser lässt sich die Mitbestimmung nach dem MitbestG nicht vermeiden, wenn sie i.d.R. mehr als 2000 Arbeitnehmer hat. Die Zurechnung der Arbeitnehmer der KG zur Komplementär-GmbH lässt sich dagegen zum einen dadurch ausschließen, dass die Mehrheit der Kommanditisten, berechnet nach der Mehrheit der Anteile oder der Stimmen, nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile oder der Stimmen der Komplementär-GmbH hält. Zum anderen lässt sich die Zurechnung dadurch vermeiden, dass die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit i.d.R. mehr als 500 Arbeitnehmern unterhält. In diesem Falle ist bei ihr allerdings ein Aufsichtsrat zu bilden, der zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer besteht (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 und 2 Halbs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 DrittelbG). Die GmbH & Co. KG erweist sich insoweit als vorteilhaft im Vergleich zur GmbH. Das gilt auch, wenn die KG i.d.R. mehr als 500, aber 20
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§2
Strukturelle Unterschiede zur GmbH
nicht mehr als 2000 Arbeitnehmer hat. In diesem Fall werden die Arbeitnehmer – anders als nach dem MitbestG – nicht der Komplementär-GmbH zugerechnet, weil das DrittelbG keine dem § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG entsprechende Zurechnungsnorm enthält. Bei der Komplementär-GmbH ist folglich kein Aufsichtsrat zu bilden, der zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer besteht. Eine GmbH mit i.d.R. mehr als 500 Arbeitnehmern unterliegt dagegen zwingend der Mitbestimmung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG (s. Rz. 4.186 ff.). Insofern ist die GmbH & Co. KG insbesondere für mittelständische Unternehmen vorteilhaft.
3. Verminderte Einflussnahme der Gesellschafter auf die Unternehmensführung Bei einer GmbH haben die Gesellschafter als die gleichzeitigen Kapitalgeber unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung. Die Geschäftsführer werden durch die Gesellschafterversammlung berufen und abberufen (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Sie kann den Geschäftsführern in allen Bereichen der Unternehmensführung Weisungen erteilen (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG).1 Dadurch können die Gesellschafter weitreichenden Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. Sie haben außerdem ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht (§ 51a Abs. 1 GmbHG), das nicht abdingbar ist (§ 51a Abs. 3 GmbHG). Demgegenüber haben die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG keinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung der KG. Sie sind von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossen (§ 164 Satz 1 Halbs. 1 HGB) und können Handlungen der laufenden Geschäftsführung der Komplementär-GmbH, die diese durch ihre Geschäftsführer ausübt, nicht widersprechen (§ 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Den Kommanditisten steht ein Widerspruchsrecht zu, wenn die jeweiligen Handlungen der Komplementär-GmbH über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der KG hinausgehen, d.h. bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Daraus ergibt sich ein Zustimmungsrecht bei allen wichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen;2 dieses ist allerdings abdingbar.3
2.16
Bei einer personen- und beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG haben die Kommanditisten, die gleichzeitig Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind, über diese dieselben Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftsführung wie bei einer GmbH. Das gilt insbesondere für das Weisungsrecht. Durch eine Ausgestaltung der GmbH & Co. KG, bei der die Kommanditisten nicht gleichzeitig Gesellschafter der GmbH sind oder zumindest nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH halten, lässt sich ihr Einfluss verringern.
2.17
Im Gegensatz zu den Gesellschaftern einer GmbH beschränkt sich das Kontrollrecht der Kommanditisten darauf, eine abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen (§ 166 Abs. 1 HGB).
2.18
1 Uwe H. Schneider in Scholz, § 37 GmbHG Rz. 37. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 2. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 6.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2.19
Sind die Kommanditisten gleichzeitig Gesellschafter der GmbH, steht ihnen in dieser Eigenschaft das weitreichende Auskunfts- und Einsichtsrecht des § 51a Abs. 1 GmbHG zu. Zu den Angelegenheiten der Komplementär-GmbH gehören auch die Belange der KG.1
2.20
Je nach der konkreten Ausgestaltung der GmbH & Co. KG lässt sich somit die Einflussnahme der Kommanditisten auf die Unternehmensführung verringern. Dieser Gesichtspunkt ist bedeutend für die Gestaltungspraxis (s. Rz. 2.32).
IV. Rechtsform der GmbH & Co. KG als Gestaltungsmittel in der Praxis 1. Interessenlage 2.21
Je nach der Interessenlage der Gesellschafter bedient sich die Praxis der Rechtsform der GmbH & Co. KG, um die zuvor aufgezeigten strukturellen Unterschiede einerseits zur klassischen Personengesellschaft und andererseits zur GmbH und die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Vorteile zu nutzen. Außerdem spielen steuerrechtliche Überlegungen eine wesentliche Rolle (s. Rz. 2.34 ff.). Die im Folgenden dargestellten Interessenlagen, bei denen die zivilrechtlichen Vorteile der GmbH & Co. KG im Vordergrund stehen, stellen typische Fallkonstellationen dar. Je nach Fallgestaltung wird es aber auch andere Gründe für die Wahl der Rechtsform der GmbH & Co. KG geben.
2. Neugründungen 2.22
Bei Neugründungen steht zum einen die Beschränkung der persönlichen Haftung der Gesellschafter und zum anderen die erforderliche Flexibilität und Gestaltungsfreiheit bei der Wahl der maßgeschneiderten Unternehmensform im Vordergrund. Die GmbH & Co. KG erfüllt diese Voraussetzungen, und zwar sowohl im Vergleich zur klassischen Personengesellschaft als auch zur GmbH (s. Rz. 2.3 f.). Bei der Wahl der Rechtsform spielen naturgemäß steuerrechtliche Überlegungen eine entscheidende Rolle. Hierbei konkurriert die GmbH & Co. KG vor allem mit der GmbH (s. Rz. 2.38 ff.). Aufgrund ihrer strukturellen Vorteile im Vergleich zur klassischen Personengesellschaft und zur GmbH ist die GmbH & Co. KG eine geeignete Rechtsform für mittelständische Unternehmen und Familiengesellschaften. Das gilt bei Neugründungen sowohl für eine Bar- als auch für eine Sachgründung (s. Rz. 2.12 f.).
2.23
Die GmbH & Co. KG ist darüber hinaus vielfach die geeignete Rechtsform für Publikums- und Kapitalanlagegesellschaften (Fondsgesellschaften; s. im Einzelnen Rz. 2.281 ff.). Neben steuerrechtlichen Überlegungen – der unmittelbaren Zurechnung von Verlusten bei den Gesellschaftern insbesondere in der Anlaufphase gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG (in den Grenzen des § 15a Abs. 1 EStG) – sind hierbei folgende Überlegungen maßgebend, die sich in einer anderen Rechtsform nicht oder nicht vollständig erreichen lassen: Die Initiatoren der Publi1 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 17 m.w.N.
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§2
Rechtsform der GmbH & Co. KG als Gestaltungsmittel in der Praxis
kumsgesellschaft errichten eine GmbH & Co. KG; sie sind und bleiben Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Anschließend treten Kommanditisten der GmbH & Co. KG auf der Grundlage eines vorformulierten Gesellschaftsvertrages bei. Typischerweise handelt es sich um viele Kommanditisten, die die Stellung von Kapitalanlegern haben; ihre gesellschaftsrechtlichen Mitsprache- und Kontrollrechte sind eingeschränkt. Die GmbH & Co. KG dient in einer solchen Konstellation vornehmlich der Kapitalaufbringung. Die persönliche Haftung der Initiatoren ist ausgeschlossen. Gleichzeitig ist die Trennung zwischen der Unternehmensführung, die über die Komplementär-GmbH bei den Initiatoren liegt, und der Kapitalbeteiligung der Kommanditisten gewährleistet. Die GmbH & Co. KG ist für diese Konstellation die ideale Rechtsform.
3. Sicherung der Unternehmensfortführung Einzelunternehmen, aber auch Personengesellschaften leben von der unternehmerischen Fähigkeit ihres Inhabers bzw. geschäftsführenden Gesellschafters. Die Existenz dieser Unternehmen ist vielfach mit dem Schicksal der unternehmerisch tätigen Person unauflöslich verbunden. Krankheit oder Tod des Unternehmers stellen das Unternehmen vor die Existenzfrage, wenn die Erben oder die übrigen Gesellschafter nicht bereit oder nicht in der Lage sind, das Unternehmen fortzuführen.
2.24
Der Tod eines Komplementärs führt zwar nicht zur Auflösung der KG (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB). Allerdings scheidet dieser mit dem Tod aus der KG aus (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB). Das Gleiche gilt, wenn er die Gesellschaft kündigt oder andere im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Fälle eintreten (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 5 HGB). Wenn es sich bei der betreffenden Person um den einzigen Komplementär handelt, muss ein Nachfolger gefunden werden. Anderenfalls ist die Existenz des Unternehmens gefährdet. Die Fortführung des Unternehmens lässt sich dadurch wesentlich erleichtern, dass bereits zu Lebzeiten der betreffenden natürlichen Person eine Komplementär-GmbH in das Einzelunternehmen oder die Personengesellschaft – insbesondere KG – aufgenommen wird. Denkbar ist auch, dass die Komplementär-GmbH zum Zeitpunkt des Todes der natürlichen Person dem Einzelunternehmen oder der Personengesellschaft beitritt.
2.25
Durch den Eintritt einer Komplementär-GmbH ist es ferner möglich, die Unternehmensführung von der Gesellschafterstellung zu trennen. Auf diese Weise können Personen, die weder Gesellschafter der Komplementär-GmbH noch Kommanditisten der KG sind, Geschäftsführer der Komplementär-GmbH werden und über diese die GmbH & Co. KG führen.1 Vorteilhaft ist hierbei auch, dass die Geschäftsführer nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG haften. Eine solche Gestaltung ist insbesondere sinnvoll, wenn Familienmitglieder, die zur Fortführung des Unternehmens bereit und geeignet sind, nicht vorhanden sind. Die GmbH & Co. KG ist somit ein ideales Gestaltungsmittel zur Sicherung der Unternehmensfortführung.
2.26
1 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 26.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
4. Sanierung notleidender Unternehmen 2.27
Für die Gläubiger eines in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmens wird es bisweilen zweckmäßiger sein, das verschuldete Unternehmen durch Zuführung neuen Kapitals zu sanieren, um auf diese Weise selbst vor größeren Verlusten bewahrt zu werden, als sich mit einer geringeren Insolvenzquote abzufinden. Das gilt besonders dann, wenn solche Unternehmen sich nur in einer vorübergehenden Krise befinden, an und für sich aber lebensfähig sind und man deren Inhabern oder Geschäftsführern das notwendige Vertrauen entgegenbringt. Da eine Darlehenshingabe oder eine stille Beteiligung den Gläubigern nur wenig Sicherheit gibt und ihre Interessen nicht genügend geschützt werden, ist eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vorzuziehen. Die Rechtsform der GmbH & Co. KG wird den Wünschen der Beteiligten vielfach am besten gerecht werden.
2.28
Die Gläubiger eines einzelkaufmännischen Unternehmens können zusammen mit dem Inhaber eine GmbH & Co. KG errichten, bei der sie und der bisherige Inhaber die Stellung von Kommanditisten erhalten und an der sie u.U. mit Mehrheit beteiligt sind. Der bisherige Inhaber führt die GmbH & Co. KG über die KomplementärGmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Wenn die Gläubiger kein Vertrauen in die Führung des sanierungsbedürftigen Unternehmens durch den bisherigen Inhaber haben, können sie mit Mehrheit an der Komplementär-GmbH beteiligt werden. Auf diesem Wege sichern sie sich den Einfluss auf die Unternehmensführung und können, falls die Sanierung des Unternehmens gelingt, aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung einen Verlust vermeiden. Bei einer sanierungsbedürftigen oHG oder KG bietet sich ebenfalls die Errichtung einer GmbH & Co. KG und die gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Gläubiger als Kommanditisten an. Die GmbH & Co. KG ist somit ein sinnvolles Gestaltungsinstrument bei der Sanierung notleidender Unternehmen.
5. Zusammenschluss mehrerer selbständiger Unternehmen zu Gemeinschaftsunternehmen oder Interessengemeinschaften 2.29
Aus Gründen des Wettbewerbs, nämlich um verbesserte Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen zu erzielen, schließen sich nicht selten mehrere selbständige Unternehmen zu einer Gesellschaft zusammen (Gemeinschaftsunternehmen oder Interessengemeinschaft), ohne dass die Selbständigkeit und Tätigkeit der einzelnen Unternehmen hiervon berührt werden soll. Die oHG scheidet in der Regel als Gesellschaftsform aus, da keines der Unternehmen die unbeschränkte Haftung übernehmen will; im Falle einer Krise oder Insolvenz des Gemeinschaftsunternehmens würden die einzelnen Unternehmen haften. Selbst wenn eines oder einige der beteiligten Unternehmen bereit wären, die unbeschränkte Haftung in einer KG zu übernehmen, wäre die KG nicht die geeignete Rechtsform.
2.30
Es ist in vielen Fällen nicht sachgerecht, dass eines der beteiligten Unternehmen die „starke“ Stellung des Komplementärs übernimmt, während die übrigen – eigentlich gleichberechtigten – Unternehmen lediglich die Stellung eines Kommanditisten einnehmen. Eine GmbH mit ihren strengen Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung ist ebenfalls i.d.R. nicht sinnvoll. Für Gemeinschaftsunternehmen und Interessengemeinschaften hat sich die GmbH & Co. KG als 24
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§2
Rechtsform der GmbH & Co. KG als Gestaltungsmittel in der Praxis
geeignete Rechtsform erwiesen. Die beteiligten Unternehmen sind mit identischen Beteiligungsquoten Kommanditisten der KG und Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kann ein fremder Dritter oder eine Person sein, die aus einem der beteiligten Unternehmen stammt. Die beteiligten Unternehmen können über die Gesellschafterversammlung durch Weisungen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen.
6. Unternehmensnachfolge Die Gestaltung der Unternehmensnachfolge ist bei mittelständischen Unternehmen vielfach problematisch. Ist nur ein für die Unternehmensnachfolge geeigneter Erbe vorhanden, ist sie einfach zu gestalten, ohne dass sich ein Zwang für eine bestimmte Rechtsform ergibt. Das Gleiche gilt grundsätzlich, wenn mehrere geeignete Erben vorhanden sind. Gleichwohl ist die Errichtung einer GmbH & Co. KG auch in diesen Fällen sinnvoll, weil sie die Unternehmensfortführung dauerhaft sichert und es darüber hinaus ermöglicht, Dritte zu Geschäftsführern der Komplementär-GmbH zu bestellen.
2.31
Schwieriger gestaltet sich die Unternehmensnachfolge dagegen, wenn entweder kein geeigneter Erbe vorhanden ist oder zwar mehrere Erben vorhanden sind, aber nur einer oder einzelne von ihnen bereit und in der Lage sind, das Unternehmen fortzuführen. Wenn kein geeigneter Erbe vorhanden ist, ist folgende Gestaltung sinnvoll: Eine GmbH tritt zu Lebzeiten des späteren Erblassers oder zum Zeitpunkt seines Todes als Komplementär-GmbH in das einzelkaufmännische Unternehmen oder die Personengesellschaft – insbesondere KG – ein, an der er beteiligt ist. Der Erbe wird zwar Kommanditist und Gesellschafter der KomplementärGmbH, nicht jedoch Geschäftsführer. Als Geschäftsführer werden fremde Dritte bestellt, die über die Komplementär-GmbH die Geschäfte der GmbH & Co. KG führen.1 Auf diese Weise ist die Unternehmensnachfolge sachgerecht geregelt und gleichzeitig die Unternehmensfortführung sichergestellt.
2.32
Sind mehrere Erben vorhanden, sind aber nur einer oder Einzelne von ihnen zur Unternehmensnachfolge bereit und geeignet, bietet sich ebenfalls die Errichtung einer GmbH & Co. KG an. Sollen die Erben vermögensmäßig gleich behandelt werden, werden sie mit identischen Beteiligungsquoten Kommanditisten der KG und Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Die für die Unternehmensnachfolge geeigneten Erben werden Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Vielfach sollen jedoch die für die Unternehmensnachfolge geeigneten Personen auch gesellschaftsrechtlich eine herausgehobene Rechtsstellung haben. In diesem Fall können die Erben, die als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Geschicke der GmbH & Co. KG leiten, zumindest an der Komplementär-GmbH die Mehrheit der Geschäftsanteile erhalten. Auf diese Weise können sie ohne Streit und Reibungsverluste über die Komplementär-GmbH die Geschäfte der GmbH & Co. KG führen.2 Sinnvoll ist es i.d.R. allerdings, wenn die für die Unternehmensnachfolge geeigneten Personen auch mit Mehrheit am Gesellschaftskapital der KG beteiligt sind.
2.33
1 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 26. 2 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 26.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Die GmbH & Co. KG ist somit nicht nur für die Sicherung der Unternehmensfortführung, sondern auch für die Gestaltung der Unternehmensnachfolge ein geeignetes Instrument (s. im Einzelnen unter Rz. 8.77 ff., 8.163 ff.).
B. Steuerrecht I. Einführung 2.34
Die Besteuerung der Unternehmen wurde durch die Unternehmensteuerreform 2001 grundlegend geändert.1 Eine rechtsformneutrale Besteuerung der Unternehmen gibt es aber auch nach der Reform nicht.2 Auch die Unternehmensteuerreform 20083 hat daran nichts geändert. Insofern ist die Frage, welcher Rechtsform aus steuerlicher Sicht der Vorzug zu geben ist, weiterhin von erheblicher Bedeutung. In diesem Abschnitt soll dieser Frage insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Ertragsbesteuerung nachgegangen werden.
2.35
Das Steuerrecht folgt dem Zivilrecht und knüpft die Ertragsbesteuerung an die gewählte Rechtsform an mit der Folge, dass sich grundlegende Besteuerungsunterschiede zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits ergeben. Diese Wirkungsweise des Steuerrechts führt nicht zuletzt dazu, dass eine Vielzahl von Rechtsformen mit dem Ziel entwickelt wurde, eine möglichst geringe Steuerbelastung zu erreichen.4 Dabei kann nicht genug davor gewarnt werden, die Unternehmensform ausschließlich unter steuerlichen Gesichtspunkten zu wählen. Steuerersparnis ist nur ein Motiv neben vielen anderen Überlegungen, die der Unternehmer oder die Gesellschafter bei der Wahl der Rechtsform anzustellen haben. Eine ausschließlich steuerlich orientierte Rechtsformwahl ist bereits aufgrund der Schnelllebigkeit des Steuerrechts vielfach eine zu kurzsichtige unternehmerische Entscheidung.
2.36
Auf der anderen Seite dürfen steuerliche Gesichtspunkte bei der Wahl der Unternehmensform natürlich nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Im Ergebnis ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Der Unternehmer muss nach Gewichtung der einzelnen Argumente für und gegen die eine oder andere Rechtsform die Wahl für seinen konkreten Fall treffen. Hierfür gibt es kein Patentrezept. Eine allgemein gültige Aussage über die „günstigste Unternehmensform“ oder die „zweckmäßigste Unternehmensform“ lässt sich auch nach der Unternehmensteuerreform 2001 nicht treffen. Auch die Unternehmensteuerreform 2008 hat daran nichts geändert. Richtig ist es allein, diejenige Unter1 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433 (Steuersenkungsgesetz – StSenkG); Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1812 (Steuersenkungsergänzungsgesetz – StSenkErgG); Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts v. 20.12. 2001, BGBl. I 2001, 3858 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG). 2 Vgl. Hey, DStR 2007, 925 (926). 3 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 4 Groh, BB 1984, 304.
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
nehmensform zu wählen, die im einzelnen Fall organisch und betriebswirtschaftlich dem Unternehmen und den von ihm verfolgten Zwecken angemessen ist. Um diese Entscheidung treffen zu können, muss der Unternehmer die steuerlichen Rahmendaten zwangsläufig kennen und die Verhältnisse seines Unternehmens danach beurteilen. Wichtig ist dabei auch die Erkenntnis, dass sich die Verhältnisse eines Unternehmens im Zeitablauf auch ändern können. Eine erste Entscheidungshilfe sollen die nachfolgenden Ausführungen bieten, die unabhängig von den konkreten Unternehmensverhältnissen die ertragsteuerliche Belastung einer Personengesellschaft im Vergleich zu der einer Kapitalgesellschaft darstellen. Dabei wird die GmbH & Co. KG der GmbH gegenübergestellt, weil es sich hierbei um die wesentliche konkurrierende Rechtsform insbesondere für mittelständische Unternehmen handelt.
2.37
II. Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH 1. Grundlagen Die ertragsteuerliche Belastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Vergleich zu der GmbH und ihren Gesellschaftern wird nachfolgend im Modell in tabellarischer Form seit dem Jahr 2008 dargestellt.1 Der Körperschaftsteuersatz belief sich aufgrund der Unternehmensteuerreform 2001 bis einschließlich des Jahres 2007 auf 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag). Seit der Unternehmensteuerreform 2008 beträgt er mit Wirkung ab dem Jahr 2008 15 % (zzgl. Solidaritätszuschlag). Der Körperschaftsteuersatz ist einheitlich und damit unabhängig vom Gewinneinbehalt (Thesaurierung) oder einer Gewinnausschüttung. Gleichzeitig wurde das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren – im Falle von Gewinnausschüttungen – mit Wirkung ab dem Jahr 2002 abgeschafft und durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt. An die Stelle des Halbeinkünfteverfahrens ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 entweder das Teileinkünfteverfahren (grundsätzlich bei Betriebsvermögen) oder die Abgeltungsteuer (grundsätzlich bei Privatvermögen) getreten (s. Rz. 2.62). Die Besteuerung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter hat sich demgegenüber nicht grundlegend geändert. Sofern es sich um natürliche Personen handelt, gilt Folgendes: Seit dem Jahr 2008 gilt bei der Einkommensteuer generell ein Grenzsteuersatz von 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag), soweit das zu versteuernde Einkommen 250 000 Euro übersteigt (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 EStG). Aufgrund der Unternehmensteuerreform 2008 gilt für den nicht entnommenen (einbehaltenen) steuerlichen Gewinn einer Personenhandelsgesellschaft (gewerblichen Mitunternehmerschaft) folgende von der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) abweichende Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung): Auf Antrag eines Gesellschafters unterliegt der auf ihn entfallende nicht entnommene steuerliche Gewinn einem Steuersatz von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag; § 34a Abs. 1 EStG). Im Falle einer späteren Entnahme kommt es zu einer Nachversteuerung i.H.v. 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag; § 34a Abs. 4 EStG). Seit dem Jahr 2001 wird die von der Personengesellschaft geschuldete Gewerbesteuer bei natürlichen Personen als Gesellschaftern in pauschalierter Form auf die Ein1 Zur alten Rechtslage bis zum Jahr 2007 s. 20. Aufl., § 2 Rz. 39.
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2.38
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
kommensteuer angerechnet (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewStG, s. Rz. 6.681 ff.). Bei der steuerlichen Belastung der GmbH und ihrer Gesellschafter wird zwischen der Gewinnthesaurierung (Gewinneinbehalt) durch die GmbH und der Gewinnausschüttung an ihre Gesellschafter unterschieden; dabei wird angenommen, dass es sich ausschließlich um natürliche Personen handelt. Bei der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern wird zwischen der bisherigen Besteuerung (Regelbesteuerung; Normalbesteuerung), der begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne (Thesaurierungsbegünstigung) und der späteren Nachversteuerung ursprünglich begünstigt besteuerter und später entnommener Gewinne unterschieden. Besonderheiten wie die Abzugsfähigkeit von Gehältern für Gesellschafter-Geschäftsführer oder Zuführungen zur Rückstellung für Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer bei der GmbH (s. Rz. 2.71) werden hierbei vernachlässigt.
2. Einzelheiten 2.39
Die nachfolgende Darstellung behandelt zunächst die GmbH und ihre Gesellschafter im Fall der Gewinnthesaurierung (Tabelle 1) und anschließend im Fall der Vollausschüttung (Tabellen 2a und 2b). Dem wird die Besteuerung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Fall der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) gegenübergestellt (Tabelle 3). Daran schließt sich die Darstellung der Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung) im Falle des Gewinneinbehalts an (Tabelle 4). Abschließend wird die Steuerbelastung im Fall der Nachversteuerung behandelt (Tabelle 5).
2.40
Tabelle 1: Die GmbH im Fall der Gewinnthesaurierung seit 2008 Gesellschaftsebene Gewinn vor Ertragsteuern ./.
GewSt1
100,00 ./. 14,00
= Gewinn nach GewSt
86,00
Steuerlicher Gewinn; zu versteuerndes Einkommen ./.
KSt2
./. SolZ (5,5 %)
2.41
100,00 ./. 15,00 ./.
0,83
= Gewinn nach Ertragsteuern; handelsrechtlicher Jahresüberschuss
70,17
Steuerbelastung GmbH
29,83
Gesamtsteuerbelastungsquote3
29,83 %
Seit dem Jahr 2008 beträgt die ertragsteuerliche Belastung der GmbH rd. 29,83 %. Sie setzt sich aus der Körperschaftsteuer i.H.v. 15 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) und der Gewerbesteuer zusammen. Die Gewerbesteuer stellt seit dem Jahr 2008 1 Hebesatz 400 %. 2 Körperschaftsteuersatz von 15 % seit dem Jahr 2008. 3 Steuerbelastung der GmbH bezogen auf den Gewinn der GmbH vor Ertragsteuern (100).
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
keine Betriebsausgabe mehr dar (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5b EStG). Sie verringert die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage folglich nicht mehr. Bei einem Hebesatz der Gemeinde von 400 % beträgt sie 14 % des steuerlichen Gewinns vor Gewerbesteuer. Grundvoraussetzung für die Ausnutzung der günstigen Steuerbelastung der GmbH ist, dass die Gesellschafter nicht auf Gewinnausschüttungen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ihre Konsumbedürfnisse zu decken. Tabelle 2a: Die GmbH und ihre Gesellschafter im Fall der Vollausschüttung (2008) 2008 I. Gesellschaftsebene Gewinn vor Ertragsteuern ./.
GewSt1
100,00 ./. 14,00
= Gewinn nach GewSt
86,00
I. Gesellschaftsebene Steuerlicher Gewinn; zu versteuerndes Einkommen
100,00
./. KSt2
./. 15,00
./. SolZ (5,5 %)
./.
0,83
= Gewinn nach Ertragsteuern; handelsrechtlicher Jahresüberschuss
70,17
Steuerbelastung GmbH
29,83
Steuerbelastungsquote GmbH
29,83 %
II. Gesellschafterebene Dividende
70,17
Steuerpflichtige Einkünfte (50 %; Halbeinkünfteverfahren)
35,09
./.
ESt3
./. SolZ (5,5 %) = Einkünfte (Gewinn) nach Ertragsteuern4
./. 15,79 ./.
0,87 53,51
Steuerbelastung Gesellschafter
16,66
Gesamtsteuerbelastungsquote5
46,49 %
1 Hebesatz 400 %. 2 Körperschaftsteuersatz von 15 % seit dem Jahr 2008. 3 Individueller Einkommensteuersatz (Grenzbelastung) von 45 % seit dem Jahr 2008; aus Vereinfachungsgründen ohne Einbehalt der Kapitalertragsteuer. 4 Die Kirchensteuer wurde aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. 5 Steuerbelastung der GmbH und der Gesellschafter bezogen auf den Gewinn der GmbH vor Ertragsteuern (100).
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2.42
§2 2.43
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Tabelle 2b: Die GmbH und ihre Gesellschafter im Fall der Vollausschüttung (seit 2009) seit 2009 – Privatvermögen –
seit 2009 – Betriebsvermögen –
I. Gesellschaftsebene Gewinn vor Ertragsteuern ./.
GewSt1
100,00
100,00
./. 14,00
./. 14,00
= Gewinn nach GewSt
86,00
86,00
100,00
100,00
./. KSt2
./. 15,00
./. 15,00
./. SolZ (5,5 %)
./.
./.
Steuerlicher Gewinn; zu versteuerndes Einkommen
0,83
0,83
= Gewinn nach Ertragsteuern; handelsrechtlicher Jahresüberschuss
70,17
Steuerbelastung GmbH
29,83
29,83
Steuerbelastungsquote GmbH
29,83 %
29,83 %
70,17
70,17
70,17
II. Gesellschafterebene Dividende Steuerpflichtige Einkünfte – Privatvermögen: 100 % (Abgeltungsteuer) – Betriebsvermögen: 60 % (Teileinkünfteverfahren)
2.44
70,17
42,10
./. ESt3
./. 17,54
./. 18,95
./. SolZ (5,5 %)
./.
./.
0,96
1,04
= Einkünfte (Gewinn) nach Ertragsteuern4
51,67
Steuerbelastung Gesellschafter
18,50
19,99
Gesamtsteuerbelastungsquote5
48,33 %
49,82 %
50,18
Im Fall der Vollausschüttung betrug die Gesamtbelastung der Gesellschaft und der Gesellschafter im Jahr 2008 46,49 %. Hierbei wird ein individueller Steuersatz der Gesellschafter (Grenzsteuersatz) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag angesetzt. Im Jahr 2008 galt das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG a.F.). Das galt unabhängig davon, ob sich die Geschäftsanteile im steuerlichen Betriebsoder Privatvermögen des Gesellschafters befanden (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG a.F.). Seit dem Jahr 2009 wurde das Halbeinkünfteverfahren durch das Teileinkünfteverfahren ersetzt, wenn sich die Geschäftsanteile im steuerlichen Betriebsvermögen des Gesellschafters befinden. Danach sind nicht mehr 50 %, sondern nur noch 40 % der jeweiligen Einkünfte steuerfrei; 60 % sind demgegenüber steuerpflichtig 1 Hebesatz 400 %. 2 Körperschaftsteuersatz von 15 % seit dem Jahr 2008. 3 Privatvermögen: Abgeltungsteuer von 25 %; Betriebsvermögen: individueller Einkommensteuersatz (Grenzbelastung) von 45 %; aus Vereinfachungsgründen ohne Einbehalt der Kapitalertragsteuer. 4 Die Kirchensteuer wurde aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. 5 Steuerbelastung der GmbH und der Gesellschafter bezogen auf den Gewinn der GmbH vor Ertragsteuern (100).
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
(§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG). Zur Gewerbesteuer ergibt sich Folgendes: Unter den Voraussetzungen der §§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 2a und 7 GewStG (Beteiligungsquote von mindestens 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums) tritt keine Belastung mit Gewerbesteuer ein. Soweit Gewerbesteuerpflicht besteht, ist die Gewerbesteuer – das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrags – bei natürlichen Personen auf die Einkommensteuer anrechenbar (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) mit der Folge, dass die damit verbundene Belastung weitgehend beseitigt wird. Sofern der Gesellschafter seine Geschäftsanteile im steuerlichen Privatvermögen hält, unterliegen die Gewinnausschüttungen (Dividenden) grundsätzlich einer Abgeltungsteuer von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Der Gesellschafter kann jedoch beantragen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen abweichend von § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen; das ist sinnvoll, wenn sich daraus eine niedrigere Einkommensteuer ergibt (§ 32d Abs. 6 Satz 1 EStG). Wenn das Teileinkünfteverfahren eingreift, beträgt die ertragsteuerliche Gesamtbelastung 49,82 % im Vergleich zu 48,33 %, wenn die Gewinnausschüttung der Abgeltungsteuer unterliegt. Tabelle 3: Die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter im Fall der Regelbesteuerung
2.45
seit 2008 I. Gesellschaftsebene Gewinn vor Ertragsteuern ./. GewSt1 = Gewinn nach GewSt; handelsrechtlicher Jahresüberschuss Steuerlicher Gewinn
100,00 ./. 14,00 86,00 100,00
Steuerbelastung GmbH & Co. KG
14,00
Steuerbelastungsquote
14,00 %
II. Gesellschafterebene ./. ESt2
./. 45,00
./. GewSt-Anrechnung3
./. 13,30
= verbleibende ESt ./. SolZ (5,5 %)4
31,70 ./. 1,74
= Einkünfte (Gewinn) nach Ertragsteuern5
52,56
Steuerbelastung Gesellschafter
33,34
Gesamtsteuerbelastungsquote6
47,44 %
Die Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter (Mitunternehmer) ist systematisch unverändert. Sie ist insbesondere un1 2 3 4
Hebesatz 400 %. Individueller Einkommensteuersatz (Grenzbelastung) von 45 % seit dem Jahr 2008. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; Gewerbesteuer-Messbetrag × Faktor 3,8 seit 2008. Solidaritätszuschlag bezogen auf die Einkommensteuerschuld nach Gewerbesteueranrechnung (§ 3 Abs. 2 SolZG). 5 Die Kirchensteuer wurde aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. 6 Steuerbelastung der GmbH & Co. KG und der Gesellschafter bezogen auf den Gewinn der GmbH & Co. KG vor Ertragsteuern (100).
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2.46
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
abhängig davon, ob die Gesellschafter den steuerlichen Gewinn entnehmen oder in der Gesellschaft belassen (thesaurieren). Seit dem Jahr 2008 beläuft sich die Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter auf 47,44 %. Sie setzt sich aus der von der GmbH & Co. KG zu tragenden Gewerbesteuer und der Einkommensteuer der Gesellschafter zusammen. Die Gewerbesteuer ist seit dem Jahr 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe zu qualifizieren (§ 4 Abs. 5b EStG). Die Gewerbesteuer ist wie bisher in pauschalierter Form auf die Einkommensteuer der Gesellschafter anrechenbar (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Bei der Einkommensteuer der Gesellschafter wird ein individueller Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag angenommen. 2.47
Tabelle 4: Die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter im Fall der Gewinnthesaurierung und Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung seit 2008; 1. Variante seit 2008; 2. Variante I. Gesellschaftsebene Gewinn vor Ertragsteuern ./. GewSt1
100,00
100,00
./. 14,00
./. 14,00
86,00
86,00
= Gewinn nach GewSt; handelsrechtlicher Jahresüberschuss Steuerlicher Gewinn
100,00
100,00
Steuerbelastung GmbH & Co. KG
14,00
14,00
Steuerbelastungsquote
14,00 %
14,00 %
14,00
36,16
II. Gesellschafterebene Nicht begünstigter Gewinn (keine Thesaurierung) Begünstigter Gewinn (Thesaurierung)
86,00
63,84
6,30
./. 16,27
./. 24,30
./. 18,03
./. ESt auf nicht begünstigten Gewinn2
./.
./. ESt auf begünstigten Gewinn3 = Summe ESt ./. GewSt-Anrechnung4
30,60
34,30
./. 13,30
./. 13,30
= verbleibende ESt
17,30
./. SolZ (5,5 %)5 = Einkünfte (Gewinn) nach
./. Ertragsteuern6
0,95
21,00 ./.
1,16
67,75
63,84
Steuerbelastung Gesellschafter
18,25
22,16
Gesamtsteuerbelastungsquote7
32,25 %
36,16 %
1 2 3 4 5
Hebesatz 400 %. Individueller Einkommensteuersatz (Grenzbelastung) von 45 %. (Thesaurierungs-)Steuersatz von 28,25 % (§ 34a Abs. 1 Satz 1 EStG). § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; Gewerbesteuer-Messbetrag × Faktor 3,8. Solidaritätszuschlag bezogen auf die Einkommensteuerschuld nach Gewerbesteueranrechnung (§ 3 Abs. 2 SolZG). 6 Die Kirchensteuer wurde aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. 7 Steuerbelastung der GmbH & Co. KG und der Gesellschafter bezogen auf den Gewinn der GmbH & Co. KG vor Ertragsteuern (100).
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
Wenn die Gesellschafter den steuerlichen Gewinn nicht entnehmen, sondern ihn einbehalten (thesaurieren) und von der Thesaurierungsbegünstigung – dem ermäßigten Steuersatz von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag auf nicht entnommene steuerliche Gewinne (§ 34a Abs. 1 EStG) – Gebrauch machen, ergibt sich eine ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter von 32,25 %. Sie setzt sich aus der Gewerbesteuer der GmbH & Co. KG und der Einkommensteuer der Gesellschafter (Mitunternehmer) zusammen. Die Gewerbesteuer ist seit dem Jahr 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe zu qualifizieren (§ 4 Abs. 5b EStG). Auch bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung ist die Gewerbesteuer in pauschalierter Form auf die Einkommensteuer der Gesellschafter anrechenbar (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; s. Rz. 6.681 ff.). Bei der Einkommensteuer der Gesellschafter wird ein individueller Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag angenommen. Die nicht als Betriebsausgabe zu qualifizierende Gewerbesteuer und die nicht abziehbaren Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 EStG) haben den Gewinn i.S. der § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 EStG gemindert. Sie sind daher nicht Bestandteil des Gewinns i.S. der § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 EStG, an den die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 2 EStG anknüpft. Diese Aufwendungen sind außerbilanziell dem steuerlichen Gewinn (steuerlichen Ergebnis) wieder hinzuzurechnen und erhöhen dadurch die den Gesellschaftern (Mitunternehmern) zuzurechnenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nicht jedoch den Gewinn i.S. der § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 1 EStG, den sie zuvor gemindert haben. Sie können daher nicht Gegenstand der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG sein und unterliegen infolgedessen der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung).1 Lässt man die fehlende Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe außer Acht, ergibt sich eine ertragsteuerliche Gesamtbelastung von 29,77 %.2 Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG erstreckte sich in diesem Fall auf den steuerlichen Gewinn vor Gewerbesteuer. Bei dieser Betrachtung wäre die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter nahezu identisch mit derjenigen der GmbH bei vollständiger Gewinnthesaurierung (Tabelle 1). Diese Sichtweise ist jedoch unzutreffend, weil die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG an den Gewinn i.S. der § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 EStG anknüpft (§ 34a Abs. 2 EStG) und außerbilanzielle Hinzurechnungen dabei nicht zu berücksichtigen sind.
2.48
Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung von 32,25 % setzt voraus, dass die Gesellschafter (Mitunternehmer) aufgrund ihres Vermögens oder anderer Einkünfte außerhalb der GmbH & Co. KG dazu in der Lage sind, sowohl ihren Lebensunterhalt zu finanzieren als auch die Einkommensteuer – auf der Grundlage der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG – zu entrichten, sie also insoweit nicht auf eine Entnahme angewiesen sind.
2.49
Wenn die Gesellschafter (Mitunternehmer) den steuerlichen Gewinn in größtmöglichem Umfang in der Gesellschaft belassen (thesaurieren) möchten, um von der Tarifbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG Gebrauch machen zu können, jedoch darauf angewiesen sind, die von ihnen geschuldete Einkommensteuer zu entnehmen, hat das folgende Konsequenz: Aufgrund der teilweisen Entnahme mindert
2.50
1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 16. 2 Vgl. Dörfler/Graf/Reichl, DStR 2007, 645 (646).
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
sich der Betrag des steuerlichen Gewinns, der der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG unterliegt. Es greift also teilweise die Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) ein. Bei einem individuellen Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag ergibt sich in diesem Fall eine Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter i.H.v. 36,16 % (Tabelle 4).1 Berücksichtigt man, dass die Einkommensteuervorauszahlungen bei der Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung nicht zu beachten sind (§ 37 Abs. 3 Satz 5 EStG), ergibt sich eine ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter von 38,16 %.2 2.51
Tabelle 5: Die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter im Fall der Gewinnthesaurierung und späteren Nachversteuerung seit 2009; 1. Variante seit 2009; 2. Variante Entnahme
86,00
63,84
./. ESt auf begünstigten Gewinn (Thesaurierung)
./. 24,30
./. 18,03
./. SolZ (5,5 %)
./. 1,34
./. 0,99
60,36
44,82
./. 15,09
./. 11,20
./. 0,83
./. 0,62
15,92
11,82
51,83
52,02
48,17 %
47,98 %
= Nachversteuerungspflichtiger Betrag ./. ESt (Nachversteuerung)
3
./. SolZ (5,5 %) Steuerbelastung Gesellschafter = Einkünfte (Gewinn) nach
Ertragsteuern4
Gesamtsteuerbelastungsquote5
2.52
Wenn die Gesellschafter den steuerlichen Gewinn einbehalten (thesaurieren) und von der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG Gebrauch gemacht haben, führt eine spätere Entnahme unter den Voraussetzungen des § 34a Abs. 4 Satz 1 EStG zu einer Nachversteuerung. Das ist der Fall, soweit der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 EStG ermittelten Gewinn übersteigt. Die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag beträgt 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 34a Abs. 4 Satz 2 EStG). Der nachversteuerungspflichtige Betrag ist grundsätzlich der begünstigte Gewinn (Begünstigungsbetrag; § 34a Abs. 3 Satz 1 EStG), vermindert um die darauf entfallende Steuerbelastung nach § 34a Abs. 1 EStG und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag (§ 34a Abs. 3 Satz 2 EStG); hierbei ist die anrechenbare Gewerbesteuer nicht abzuziehen. Entnehmen die Gesellschafter den bisher tarifbegünstigt besteuerten Gewinn vollständig, ergibt sich eine Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter von 48,17 % (Tabelle 5; 1. Variante) oder 47,98 % (Tabelle 5; 2. Va1 2 3 4 5
Vgl. Dörfler/Graf/Reichl, DStR 2007, 645 (649); Thiel/Sterner, DB 2007, 1099. Vgl. Dörfler/Graf/Reichl, DStR 2007, 645 (650). Nachversteuerung von 25 % (§ 34a Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Kirchensteuer wurde aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. Steuerbelastung der GmbH & Co. KG und der Gesellschafter bezogen auf den Gewinn der GmbH & Co. KG vor Ertragsteuern (100) im Fall der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung (32,25 % oder 36,16 %) und späteren Nachversteuerung.
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
riante). Die Gesamtbelastung im Falle einer tarifbegünstigten Besteuerung (32,25 % oder 36,16 %; Tabelle 4) und späteren Nachversteuerung (15,92 % oder 11,82 %; Tabelle 5) ist also etwas höher (48,17 % oder 47,98 %) als im Falle der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung; 47,44 %). Hierbei wird jeweils ein individueller Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag zugrunde gelegt.
3. Einzelanalyse a) Die thesaurierende Kapitalgesellschaft (Tabelle 1) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Regelbesteuerung (Tabelle 3) Betrachtet man die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH, die ihren steuerlichen Gewinn – ihr zu versteuerndes Einkommen – in vollem Umfang einbehält (thesauriert), einerseits und diejenige der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter (Mitunternehmer) im Falle der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) andererseits, ist der Kapitalgesellschaft der Vorzug zu geben. Die Gesamtbelastung liegt in diesem Fall bei der GmbH bei rd. 29,83 % und bei der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern bei rd. 47,44 %. Die vorstehende Aussage gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Gesellschafter der GmbH & Co. KG einem individuellen Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % unterliegen. Das ist bei vielen mittelständischen GmbH & Co. KG nicht der Fall. Bei einem individuellen Steuersatz (Grenzbelastung) von 30 % beträgt die Gesamtsteuerbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter bspw. 31,62 %. Die Belastungsunterschiede verringern sich folglich mit sinkenden individuellen Steuersätzen. Die Regelbesteuerung hat zudem den Vorteil, dass es nicht darauf ankommt, ob die Gesellschafter den steuerlichen Gewinn in der Gesellschaft belassen (thesaurieren) oder entnehmen. Dadurch erhöht sich für die Gesellschafter die Flexibilität. Außerdem vermeiden sie eine spätere Nachversteuerung.
2.53
b) Die thesaurierende Kapitalgesellschaft (Tabelle 1) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Gewinnthesaurierung und Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung (Tabelle 4) Betrachtet man die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH, die ihren steuerlichen Gewinn – ihr zu versteuerndes Einkommen – in vollem Umfange einbehält (thesauriert), einerseits und diejenige der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Falle der Gewinnthesaurierung und der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a Abs. 1 EStG) andererseits, ergibt sich folgendes differenziertes Bild: Die Gesamtbelastung der GmbH liegt in diesem Fall bei rd. 29,83 % im Vergleich zu rd. 32,25 % oder 36,16 % bei der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern. Die durch die Unternehmensteuerreform 2008 angestrebte Belastungsneutralität zwischen Körperschaften (Kapitalgesellschaften) einerseits und gewerblichen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern andererseits ist nicht erreicht.1 Der wesentliche Grund liegt darin, dass die Gewerbesteuer, die seit dem Jahr 2008 keine Betriebsausgabe mehr darstellt (§ 4 Abs. 5b EStG), 1 Vgl. Hey, DStR 2007, 925 (926 f.).
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2.54
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
ebenso wie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 EStG) nicht Bestandteil des Gewinns i.S. der § 4 Abs. 1 und § 5 EStG ist, an den § 34a Abs. 2 EStG anknüpft, und daher nicht Gegenstand der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG sein kann (s. Rz. 2.48). Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter i.H.v. 32,25 % liegt zwar nur geringfügig über der Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter (rd. 29,83 %). Die Gesamtbelastung von 32,25 % lässt sich aber nur erreichen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen müssen die Gesellschafter (Mitunternehmer) dazu in der Lage sein, die von ihnen geschuldete Einkommensteuer aus Vermögen oder anderen Einkünften außerhalb der GmbH & Co. KG zu tragen. Zum anderen müssen sie über Vermögen oder andere Einkünfte verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Beide Voraussetzungen sind vielfach bei mittelständischen GmbH & Co. KG nicht erfüllt. Ihre Gesellschafter sind typischerweise zumindest in bestimmtem Umfang auf laufende Entnahmen angewiesen. Aus diesem Grunde ist die ertragsteuerliche Gesamtbelastung von 32,25 % zwar denkbar, im Zweifel aber nicht realistisch. Auch die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter i.H.v. 36,16 % – bei unterstellter Entnahme der Beträge für die Einkommensteuer – setzt voraus, dass die Gesellschafter ihren Lebensunterhalt aus Vermögen oder anderen Einkünften außerhalb der GmbH & Co. KG finanzieren können. Das ist vielfach nicht der Fall. Außerdem ist Folgendes zu bedenken: Bei der Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen der Gesellschafter bleibt die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG unberücksichtigt (§ 37 Abs. 3 Satz 5 EStG); sie wird erst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt. Das erhöht den Zwang zu Entnahmen. Dadurch steigt die ertragsteuerliche Gesamtbelastung auf 38,16 % (s. Rz. 2.50). Die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung ist vor allem für die Gesellschafter großer ertragstarker Personengesellschaften von Bedeutung, die nicht oder nur in geringem Umfang auf Entnahmen angewiesen sind. Vorteilhaft ist hierbei, dass jeder Gesellschafter für sich entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er von der Thesaurierungsbegünstigung Gebrauch macht. Unabhängig von den steuerrechtlichen Überlegungen ergeben sich im Einzelfall bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG aufgrund der aufgeschobenen Steuerzahlung erhebliche Liquiditäts- und Zinsvorteile für die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter. Die zunächst ersparte Einkommensteuer steht zudem für Investitionen zur Verfügung. Je nach Art, Umfang und Dauer der Investition können sich für die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter erhebliche positive Renditeeffekte – auch unter Beachtung der daraus resultierenden Steuerbelastung – ergeben. 2.55
Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der vollständig thesaurierenden Kapitalgesellschaft einerseits und der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter, die den steuerlichen Gewinn einbehalten, andererseits von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine nahezu gleich hohe ertragsteuerliche Gesamtbelastung (Belastungsneutralität) – wie sie durch die Unternehmensteuerreform 2008 beabsichtigt war1 – lässt sich jedenfalls nicht erreichen. 1 Begr. zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 31 f.
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§2
Belastungsvergleich zwischen GmbH & Co. KG und GmbH
c) Die vollausschüttende Kapitalgesellschaft (Tabellen 2a und 2b) im Vergleich mit der Personengesellschaft im Fall der Regelbesteuerung (Tabelle 3) Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter im Falle der Vollausschüttung belief sich im Jahr 2008 auf rd. 46,49 %; es galt das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG a.F.). Im Vergleich dazu betrug die Gesamtsteuerbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Jahr 2008, in dem ausschließlich die Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) galt, rd. 47,44 %. Hierbei wird jeweils ein individueller Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag zugrunde gelegt. Der Belastungsunterschied war also geringfügig. Seit dem Jahr 2009 wurde das Halbeinkünfteverfahren durch das Teileinkünfteverfahren ersetzt; es gilt grundsätzlich bei Betriebsvermögen (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG). Bei Privatvermögen gilt grundsätzlich eine Abgeltungsteuer von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag auf die Gewinnausschüttung (Dividende; § 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ergibt sich seit dem Jahr 2009 eine ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter von rd. 48,33 % und bei Anwendung der Abgeltungsteuer von rd. 49,82 %. Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung ist damit etwas höher als bei der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern im Falle der Regelbesteuerung (rd. 47,44 %).
2.56
d) Die vollausschüttende Kapitalgesellschaft (Tabellen 2a und 2b) im Vergleich mit der Personengesellschaft bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung und späterer Nachversteuerung (Tabelle 5) Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter beträgt ab dem Jahr 2009 bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens rd. 49,82 % und bei Anwendung der Abgeltungsteuer rd. 48,33 %. Im Vergleich dazu beträgt die Gesamtbelastung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a Abs. 1 EStG) und der späteren Nachversteuerung (§ 34a Abs. 4 Satz 1 EStG) – je nach Umfang der ursprünglichen Gewinnthesaurierung – zwischen 47,98 % und 48,17 %. Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung ist also nahezu gleich. Dabei wird jeweils ein individueller Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag zugrunde gelegt.
2.57
4. Fazit Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der vollständig thesaurierenden GmbH und ihrer Gesellschafter einerseits (rd. 29,83 %) und der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Fall der Regelbesteuerung andererseits (47,44 %) ist auch nach der Unternehmensteuerreform 2008 sehr unterschiedlich. Das gilt insbesondere, wenn die Gesellschafter der GmbH & Co. KG einem individuellen Steuersatz (Grenzbelastung) von 45 % unterliegen. Auch im Vergleich zwischen der vollständig thesaurierenden GmbH und ihren Gesellschaftern einerseits und der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern im Falle der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung andererseits bestehen – je nach Umfang der Gewinnthesaurierung – erhebliche Belastungsunterschiede (rd. 29,83 % im Vergleich zu 32,25 % Mueller-Thuns
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2.58
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
oder 36,16 %). Sie hängen vom Einzelfall ab. Die durch die Unternehmensteuerreform 2008 angestrebte Belastungsneutralität der thesaurierenden Kapitalgesellschaft einerseits und der thesaurierenden GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter andererseits ist nicht erreicht.1 Insofern ist die Rechtsformwahl zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG auch nach der Unternehmensteuerreform 2008 von Bedeutung. 2.59
Demgegenüber ist die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter im Falle der Vollausschüttung einerseits (rd. 49,82 % bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens; rd. 48,33 % bei Anwendung der Abgeltungsteuer) und der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter im Falle der Regelbesteuerung andererseits (rd. 47,44 %) weitgehend identisch. Das gilt auch für die GmbH und ihre Gesellschafter im Fall der Vollausschüttung einerseits (rd. 49,82 % bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens; rd. 48,33 % bei Anwendung der Abgeltungsteuer) und der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter andererseits im Fall der begünstigten Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns und der späteren Nachversteuerung (je nach Fallkonstellation rd. 47,98 % und rd. 48,17 %). Insofern verringern sich die Belastungsunterschiede zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern einerseits und der GmbH & Co. KG und ihren Gesellschaftern andererseits bei der laufenden Besteuerung zumindest bei Vollausschüttung durch die GmbH. Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgendes Fazit für die Rechtsformwahl:
2.60
Sind die Gesellschafter nicht auf Gewinnausschüttungen oder Gewinnentnahmen angewiesen, können die steuerlichen Gewinne also thesauriert werden, ist die Rechtsform der Kapitalgesellschaft unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten aufgrund der nach wie vor niedrigeren Gesamtbelastung bei der laufenden Besteuerung die vorteilhafte Rechtsform im Vergleich zur GmbH & Co. KG. Sind dagegen regelmäßig Gewinnausschüttungen oder Gewinnentnahmen erforderlich, ist die ertragsteuerliche Gesamtbelastung der GmbH und ihrer Gesellschafter geringfügig höher als diejenige der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter. Das gilt auch, wenn die Gesellschafter der GmbH & Co. KG den steuerlichen Gewinn zunächst einbehalten, von der Thesaurierungsbegünstigung Gebrauch machen und es später aufgrund einer Entnahme zu einer Nachversteuerung kommt. Aufgrund der geringfügigen Belastungsunterschiede in diesen Fällen ergibt sich folglich keine Präferenz für die eine oder andere Rechtsform.
III. Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung 1. Grundsatz 2.61
Um eine Entscheidung bei der Rechtsformwahl zu treffen, sollte der Unternehmer oder Gesellschafter selbstverständlich nicht ausschließlich auf den modellhaften Belastungsvergleich zurückgreifen, sondern zusätzlich zu den daraus ableitbaren Aussagen allgemeine Grundsätze der steuerlichen Behandlung der GmbH auf der einen Seite und GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter auf der anderen Seite beachten. 1 Vgl. Hey, DStR 2007, 925 (926 f.).
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§2
Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung
2. Besteuerung der Erträge Die entscheidende Weichenstellung für die unterschiedliche Ertragsbesteuerung liegt in der Steuersubjektqualität, die das Gesetz an die Rechtsfähigkeit des Zivilrechts knüpft. Die GmbH als Kapitalgesellschaft ist zivilrechtlich ein eigenständiges Rechtssubjekt (§ 13 Abs. 1 GmbHG), dementsprechend selbst Steuersubjekt und unterliegt als solches mit ihren Einkünften der Körperschaftsteuer von 25 % (bis zum Jahr 2007) zzgl. Solidaritätszuschlag. Seit dem Jahr 2008 beträgt der Körperschaftsteuersatz 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Steuersubjekt ist aber auch der Anteilseigner, der von seiner Gesellschaft getrennt zu betrachten ist (Trennungsprinzip). Gewinnausschüttungen der GmbH begründen eine eigenständige Einkunftsquelle und führen daher bei den Gesellschaftern grundsätzlich zu steuerpflichtigen Einkünften. Infolgedessen wird der Gewinn der Kapitalgesellschaft – wirtschaftlich betrachtet – nochmals auf der Ebene der Gesellschafter besteuert. Würden die Einkünfte auf beiden Ebenen uneingeschränkt besteuert, so käme es zur wirtschaftlichen Doppelbelastung des von der GmbH erzielten Gewinnes. In der Vergangenheit wurde diese Doppelbelastung durch das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren verhindert. Dieses Verfahren ist jedoch durch die Unternehmensteuerreform 2001 abgeschafft und durch das sog. Halbeinkünfteverfahren ersetzt worden.1 Ist der Gesellschafter eine natürliche Person, so hatte er im Falle der Ausschüttung lediglich die Hälfte der Dividende der Einkommensteuer zu unterwerfen (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG a.F.). An die Stelle des Halbeinkünfteverfahrens trat seit dem Veranlagungszeitraum 2009 das Teileinkünfteverfahren, wenn sich die Geschäftsanteile im steuerlichen Betriebsvermögen des Gesellschafters befinden. Danach sind bei einer natürlichen Person als Empfänger 60 % der Dividenden steuerpflichtig und 40 % steuerfrei (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG). Korrespondierend dazu sind die damit im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben nur zu 60 % abziehbar (§ 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Sofern sich die Geschäftsanteile dagegen im steuerlichen Privatvermögen des Gesellschafters befinden, unterliegen die Gewinnausschüttungen (Dividenden) seit dem Veranlagungszeitraum 2009 einer Abgeltungsteuer von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Korrespondierend dazu sind die Werbungskosten, die mit den Geschäftsanteilen im Zusammenhang stehen, grundsätzlich nicht mehr abziehbar (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG); das ist insbesondere für Finanzierungskosten (Schuldzinsen) von großer Bedeutung. Die Gesellschafter können jedoch beantragen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen abweichend von § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen; das ist sinnvoll, wenn sich daraus eine niedrigere Einkommensteuer ergibt (§ 32d Abs. 6 Satz 1 EStG). Durch den niedrigen Körperschaftsteuersatz von ursprünglich 25 % und 15 % seit dem Jahr 2008 und die teilweise Einkommensteuerbefreiung der Dividende oder die Abgeltungsteuer wird eine wirtschaftliche Doppelbelastung verhindert oder zumindest gemildert. Dies gilt selbst dann, wenn die natürliche Person über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft lediglich mittelbar an der operativ tätigen GmbH beteiligt ist. In diesem Fall kommt es nicht zu einer Mehrfachbelastung, weil Di-
1 Vgl. Hötzel in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 208 ff.
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2.62
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
videndenzahlungen an eine Kapitalgesellschaft nach § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 KStG im Ergebnis zu 95 % von der Körperschaftsteuer befreit sind. 2.63
Personengesellschaften sind zivilrechtlich zwar Träger eigener Rechte und Pflichten und insofern eigene Rechtssubjekte, jedoch – anders als Kapitalgesellschaften – keine juristischen Personen mit eigener Rechtsfähigkeit (vgl. §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Aufgrund der fehlenden Rechtsfähigkeit sind sie im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften – abgesehen von der Gewerbesteuer – selbst nicht Steuersubjekt. Folglich werden die von ihr erwirtschafteten Gewinne unmittelbar bei den Gesellschaftern (Mitunternehmern) erfasst und besteuert (Einheitsprinzip) (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG); das gilt unabhängig davon, ob sie in der Personengesellschaft verbleiben, d.h. thesauriert werden, oder die Gesellschafter sie entnehmen. Dieses System bleibt zwar bestehen. Seit dem Jahr 2008 ist allerdings eine bedeutende Änderung eingetreten, die bereits beim steuerlichen Belastungsvergleich erläutert wurde (s. Rz. 2.38, 2.47 ff., 2.51 f.). Bis zum Jahr 2007 hatten die Gesellschafter einer Personengesellschaft im Gegensatz zu denen einer GmbH keine Einflussmöglichkeit auf die Besteuerung des Gewinns der Gesellschaft. Die Gesellschafter der GmbH können bei der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1 GmbHG) das Jahresergebnis vollständig oder teilweise in der GmbH einbehalten und infolgedessen eine Besteuerung auf der Ebene der Anteilseigner vermeiden oder niedrig halten. Auch eine Verlagerung der Gewinnausschüttungen in spätere Jahre ist denkbar. Der Belastungsvergleich hat gezeigt, dass die Vorteile der GmbH insbesondere in der Privilegierung der thesaurierten Gewinne liegen (s. Rz. 2.40 ff., 2.53 f.).1 Auf Antrag der Steuerpflichtigen, d.h. der einzelnen Gesellschafter (Mitunternehmer), ist der ihnen zuzurechnende nicht entnommene steuerliche Gewinn seit dem Jahr 2008 mit 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag zu versteuern (Thesaurierungsbegünstigung; § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Gesellschafter der GmbH & Co. KG haben folglich seit dem Jahr 2008 Einfluss auf die Höhe ihrer Steuerbelastung. Dabei besteht im Vergleich zur GmbH eine erhöhte Flexibilität, weil jeder Gesellschafter für sich entscheiden kann, ob er von der Möglichkeit der begünstigten Besteuerung Gebrauch machen möchte.
2.64
Eine andere Beurteilung kann sich ergeben, wenn die Gesellschaft Verluste erzielt. Im Gegensatz zur GmbH werden die von der GmbH & Co. KG erzielten Verluste als Folge der fehlenden steuerrechtlichen Subjektqualität ebenso wie die Gewinne den Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG; s. Rz. 2.63). Die Kommanditisten können somit die ihnen zuzurechnenden steuerlichen Verluste mit positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb (horizontaler Verlustausgleich) und aus anderen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) sofort verrechnen. Neben dem Verlustausgleich haben Personengesellschafter weiter die Möglichkeit des Verlustabzugs nach § 10d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. des Verlustrücktrags (zeitlich auf ein Jahr und der Höhe nach auf 1 Mio. Euro beschränkt) und des Verlustvortrags (zeitlich und der Höhe nach bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus beschränkt auf 60 % des übersteigenden Betrages). Bei Kommanditisten wird die Verlustverrechnung (Verlustausgleich und Verlustabzug) allerdings durch § 15a EStG eingeschränkt (s. Rz. 6.391 ff.). Bei der GmbH ist dagegen eine Zurechnung der 1 Vgl. Schiffers, GmbHR 2000, 1005 (1014).
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steuerlichen Verluste an die Gesellschafter und infolgedessen eine Verlustverrechnung auf der Gesellschafterebene aufgrund des Trennungsprinzips nicht möglich. Die Verluste können im Wege des Verlustabzugs nur von der GmbH selbst als Verlustrücktrag (zeitlich auf ein Jahr und der Höhe nach auf 1 Mio. Euro beschränkt) oder Verlustvortrag (zeitlich und der Höhe nach bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus beschränkt auf 60 % des übersteigenden Betrages) geltend gemacht werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG). Die unterschiedliche Behandlung des Verlustabzugs zwischen GmbH und GmbH & Co. KG führt im Ergebnis vielfach zu einem nicht unerheblichen Liquiditätsvorteil und damit zu einem Zinsvorteil der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter.1 Das ist insbesondere in der Anlaufphase eines Unternehmens von Bedeutung. Auch die Art der Erträge sollte für die Beurteilung der Rechtsform nicht außer Betracht bleiben. Fließen dem Unternehmer steuerfreie oder auch steuerermäßigte Erträge zu, so ist der Vorteil der GmbH & Co. KG unverkennbar: Steuerfreie Erträge – bspw. steuerfreie Investitionszulagen – können bei der GmbH & Co. KG auch steuerfrei entnommen werden, während sie bei der GmbH im Falle der Ausschüttung Einkommensteuer der Gesellschafter auslösen; eine steuerfreie Weiterleitung von steuerfreien Auslandserträgen der GmbH an ihre Anteilseigner ist nicht möglich, wenn es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt. Die Nachteile der GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG liegen in diesen Fällen auf der Hand. Zwar ist insoweit durch das Halbeinkünfteverfahren (bis einschließlich des Jahres 2008) und das Teileinkünfteverfahren oder die Abgeltungsteuer (seit dem Jahr 2009) gegenüber der früheren Rechtslage (volle Steuerpflicht auf Anteilseignerebene ohne Anrechnungsmöglichkeit) eine Besserstellung eingetreten,2 doch bleiben die Gesellschafter einer Personengesellschaft weiter deutlich bevorteilt.
2.65
Verdeckte Gewinnausschüttungen beruhen typischerweise auf Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen der GmbH und den Gesellschaftern, die einem Fremdvergleich nicht standhalten. Sie werden vielfach als rechtsformspezifischer Nachteil der Kapitalgesellschaft gewertet. Steuersystematisch gesehen stellen sie keinen Nachteil dar, da mit Hilfe einer verdeckten Gewinnausschüttung nur einem zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter bestehenden Rechtsverhältnis zum Teil die steuerliche Anerkennung versagt wird. Dennoch resultieren aus einer verdeckten Gewinnausschüttung Nachteile für die GmbH und ihre Gesellschafter. Wird nämlich eine an den Gesellschafter gezahlte Vergütung als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt, so hat dies für den betroffenen Gesellschafter zunächst eine Umqualifizierung der Einkunftsart zur Folge. Aus den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Zinseinkünften (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) oder Mieteinkünften (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) werden in Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, auf die bis einschließlich 2008 das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG a.F.) und seit dem Jahr 2009 das Teileinkünfteverfahren (grundsätzlich bei Betriebsvermögen; § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG) oder die Abgeltungsteuer (grundsätzlich bei Privatver-
2.66
1 Schiffers, GmbHR 2000, 1005 (1010). 2 Rödder/Schumacher in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 166.
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mögen; § 32d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG) Anwendung findet. Isoliert betrachtet ist das für den Gesellschafter von Vorteil. Das gilt jedoch nur, soweit die jeweiligen Aufwendungen das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) Satz 2; 32d Abs. 1 Nr. 4 EStG). Auf der Ebene der Gesellschaft handelt es sich jedoch insoweit nicht um Betriebsausgaben; die Aufwendungen dürfen das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Es kommt zu einer Gewinnerhöhung außerhalb der Bilanz (außerbilanzielle Hinzurechnung)1 in Höhe und im Zeitpunkt der steuerlich nicht anzuerkennenden Gewinnminderung. Hierdurch erhöht sich die Belastung der Gesellschaft mit Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Die Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung wird bei einer Gesamtbetrachtung, die die steuerliche Belastung der Gesellschaft und des Gesellschafters berücksichtigt, i.d.R. ungünstiger sein als die Besteuerung einer angemessenen Leistungsvergütung. Insgesamt geht die Bedeutung der verdeckten Gewinnausschüttung durch die Systemänderung zwar zurück. Die mit ihr verbundene steuerliche Belastung bleibt aber weiterhin bestehen. 2.67
Bei einer GmbH & Co. KG führt eine verdeckte Entnahme – infolge nicht angemessener Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter – zu einer Erhöhung des steuerlichen Gewinns der Mitunternehmerschaft und darüber hinaus des Gewerbeertrags. Das gilt zum einen für die Nutzungs- und Leistungsentnahme und zum anderen für die Sachentnahme, soweit die Entnahme zur Aufdeckung stiller Reserven in einzelnen Wirtschaftsgütern führt (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Der aus der Entnahme resultierende Vorteil wird steuerlich dem davon begünstigten Gesellschafter (Mitunternehmer) und nicht den Gesellschaftern nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zugeordnet, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist; gleichzeitig wird sein Kapitalkonto, auf dem die Entnahmen erfasst werden (Gesellschafter-Verrechnungskonto; Kapitalkonto II), belastet.2 Es handelt sich insoweit um eine konkludente Änderung der handelsrechtlichen Gewinnverteilung.
2.68
Bei der Gewerbesteuer steht der GmbH & Co. KG ein Freibetrag bei der Ermittlung des Gewerbesteuer-Messbetrags in Höhe von 24 500 Euro zu, während die Kapitalgesellschaft einen solchen Freibetrag nicht in Anspruch nehmen kann (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG). Der früher bei der Personengesellschaft, nicht aber bei der Kapitalgesellschaft, bei der Ermittlung der Steuermesszahl maßgebende Staffeltarif (§ 11 Abs. 2 GewStG a.F.) ist mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2008 abgeschafft.
2.69
Bei den Mitunternehmern einer gewerblichen Personengesellschaft findet ferner eine pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG statt, sofern es sich um natürliche Personen handelt (s. Rz. 6.681 ff.). Die Vorschrift gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2001. Der Zweck der Regelung besteht darin, die Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte mit Einkommensteuer (bei den Ge1 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BFHE 175, 347; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603 Tz. 3; Wassermeyer, GmbHR 1998, 157 (159 f.). 2 BFH v. 28.9.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276.
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Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung
sellschaftern) einerseits und Gewerbesteuer (auf Ebene der Personengesellschaft) andererseits zu vermeiden oder zu mildern. Das gilt seit dem Jahr 2008 unabhängig davon, ob die Gesellschafter (Mitunternehmer) mit ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) der Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) mit ihrem individuellen Steuersatz unterliegen oder von der Steuerbegünstigung für einbehaltene (nicht entnommene) Gewinne (§ 34a Abs. 1 EStG) Gebrauch machen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer des Gesellschafters seit dem Jahr 2008 um das 3,8-fache (bis einschließlich des Jahres 2007 um das 1,8-fache) des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags, soweit sie anteilig auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte entfällt. Die Entlastung von der Gewerbesteuer geht ins Leere, wenn entweder keine Einkommensteuerschuld besteht oder keine positiven gewerblichen Einkünfte vorhanden sind; nicht ausgenutzte Anrechnungsbeträge gehen in diesem Falle verloren (Anrechnungsüberhänge). Ein Vortrag oder Rücktrag ist ebenso wie eine Steuererstattung nicht möglich. Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung hat zur Folge, dass es seit dem Jahr 2008 bei einem Hebesatz von 380 % (rd. 310 % bis zum Jahr 2007 bei einem tatsächlichen Steuersatz von 42 %) zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer kommt. Da die Gewerbesteuer seit dem Jahr 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar ist (§ 4 Abs. 5b EStG), hat der Einkommensteuersatz – anders als bis zum Jahr 2007 – bei der Ermittlung der Entlastung keine Bedeutung mehr. Die Entlastung gewerblicher Personenunternehmen von der Gewerbesteuer wird m.a.W. seit dem Jahr 2008 ausschließlich durch die Gewerbesteueranrechnung erreicht. Bei niedrigeren Hebesätzen als 380 % fällt die Entlastung zwar an sich zu hoch, bei höheren Hebesätzen dagegen wie bisher zu niedrig aus. Anders als bis zum Jahr 2007 ist allerdings die Gewerbesteueranrechnung der Höhe nach auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG), so dass es nicht zu einer Überkompensation kommt. Eine weitere Schwierigkeit folgt bei Personengesellschaften daraus, dass sich der Anteil des Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel richtet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG). Vorabgewinne, (Sonder-)Vergütungen, sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sowie etwaige Ergebnisse aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen bleiben unberücksichtigt (s. Rz. 6.699).
2.70
3. Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter Ein bedeutsamer Vorteil der Kapitalgesellschaft gegenüber der GmbH & Co. KG liegt in der steuerlich günstigeren Auswirkung von Vereinbarungen in Form von Leistungsvergütungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. So führt insbesondere der Abschluss von Dienst-, Miet- und Darlehensverträgen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern bei der Gesellschaft zum Abzug von Betriebsausgaben, während derartige Verträge zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG zu beurteilen sind. Sondervergütungen, die auf Grundlage von schuldrechtlichen Vereinbarungen an Mitunternehmer gezahlt werden, mindern als Aufwand zwar einerseits den Gewinn in der Gesamthandsbilanz, sind aber andererseits in Mueller-Thuns
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
der Sonderbilanz des betreffenden Mitunternehmers als Ertrag zu erfassen und deshalb insgesamt ohne Auswirkung auf den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft. Ebenso sind die Zuführungen zu Pensionsrückstellungen für Pensionszusagen an den Gesellschafter-Geschäftsführer bei der GmbH gewinnmindernd zu berücksichtigen, selbst wenn es sich um den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer handelt. Dies kann sich insbesondere deshalb als interessant erweisen, weil die Steuerersparnis liquiditätserhöhend im Unternehmen verbleibt. Eine Pensionsvereinbarung ist weiterhin vorteilhaft, auch wenn die Bedeutung infolge der niedrigeren Steuersätze gesunken ist.1 Bei der Personengesellschaft sind die Pensionsansprüche dagegen in der Sonderbilanz der anspruchsberechtigten Mitunternehmer zu erfassen und mindern den steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft daher nicht (s. Rz. 6.138). 2.72
Die unterschiedliche Behandlung der Leistungsvergütungen bei der Personen- und der Kapitalgesellschaft hat vor allem Bedeutung für die Gewerbesteuer. Die Leistungsvergütungen sind bei der Personengesellschaft wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG Bestandteil des steuerlichen Gewinns der Mitunternehmerschaft und infolgedessen auch des Gewerbeertrags (§ 7 Satz 1 GewStG; s. Rz. 6.647 f.). Sie unterliegen daher der Gewerbesteuer. Bei der Kapitalgesellschaft handelt es sich demgegenüber auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer um Betriebsausgaben. Bei Leistungsvergütungen an die Gesellschafter können sich jedoch auch bei der Kapitalgesellschaft Beschränkungen ergeben.
2.73
Gewährt ein Gesellschafter der GmbH, an der er beteiligt ist, ein Darlehen, sind die Zinsen (Entgelte für Schulden) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG). Auch im Falle der Vermietung oder Verpachtung beweglicher oder unbeweglicher Wirtschaftsgüter durch einen Gesellschafter an die GmbH sind die Miet- und Pachtzinsen in bestimmtem Umfang wieder hinzuzurechnen. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) GewStG ist ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzuzurechnen; das Gleiche gilt in Höhe der Hälfte der Mietund Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG). Ferner sind die Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten zu einem Viertel wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG). Die Summe der zuvor genannten Aufwendungen ist zu einem Viertel dem steuerlichen Gewinn der GmbH wieder hinzuzurechnen, soweit die Summe den Betrag von 100 000 Euro übersteigt (Freibetrag). Die Hinzurechnungstatbestände gelten unabhängig davon, ob ein Gesellschafter der GmbH oder ein Dritter dieser das Darlehen gewährt oder die beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsgüter vermietet oder verpachtet hat. Bei einer Darlehensgewährung oder Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern durch einen Gesellschafter an die GmbH verringert sich folglich der gewerbesteuerliche Vorteil der GmbH im Vergleich zur GmbH & Co. KG. Eine Betriebsaufspaltung erweist sich unter diesem Gesichtspunkt grundsätzlich als nachteilig (s. Rz. 2.172 ff.).
1 Vertiefend Schneeloch/Rahier/Trockels-Brand, DStR 2000, 1619 (1626 f.).
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Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung
4. Fremdfinanzierung; Zinsschranke a) Allgemeines Seit dem Veranlagungszeitraum 2008 werden die bisherigen Beschränkungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung – insbesondere im Fall einer Darlehensgewährung an eine einer Kapitalgesellschaft nachgeschaltete Personengesellschaft (§ 8a KStG a.F.)1 – durch Regelungen ersetzt, die den Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben durch die Einführung einer Zinsschranke generell einschränken (s. Rz. 6.291 ff.). Gesetzliche Grundlage ist § 4h EStG. Für Körperschaften und damit in erster Linie Kapitalgesellschaften gelten ergänzende Regelungen (§ 8a KStG n.F.). Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage sind die Regelungen über die Zinsschranke rechtsformunabhängig. Sie gelten daher nicht nur für Körperschaften – in erster Linie Kapitalgesellschaften –, sondern grundsätzlich auch für gewerbliche Personengesellschaften und damit die GmbH & Co. KG. Außerdem beschränken die Regelungen über die Zinsschranke den Abzug für Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben grundsätzlich unabhängig davon, ob Gesellschafter oder Dritte der jeweiligen Gesellschaft das Fremdkapital gewährt haben, sofern nicht § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG eingreift. Der Zweck der Zinsschranke besteht darin, den Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen generell einzuschränken. Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über die gesetzliche Regelung und ihre Konsequenzen für die GmbH & Co. KG.
2.74
b) Grundsatz Unter einem Betrieb i.S. des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ist auch eine gewerbliche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zu verstehen.2 Das gilt, obwohl die Personengesellschaft kein Steuersubjekt bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist. Zum Betrieb der gewerblichen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) gehören neben dem Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG.3
2.75
Zinsaufwendungen eines Betriebs sind in Höhe des Zinsertrags als Betriebsausgaben abziehbar (§ 4h Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Darüber hinaus sind Zinsaufwendungen des betreffenden Wirtschaftsjahres nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA4 des betreffenden Wirtschaftsjahres abziehbar (§ 4h Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Das verrechenbare EBITDA beträgt 30 % des um die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG abzuziehenden, nach § 6 Abs. 2a Satz 2 EStG gewinnmindernd aufzulösenden und nach § 7 EStG abgesetzten Beträge erhöhten und um die Zinserträge verminderten maßgeblichen Gewinns (§ 4h Abs. 1 Satz. 2 EStG). Die Zinsschranke erfasst also nur den negativen Zinssaldo, d.h. die Differenz von Zinsaufwendungen und Zinserträgen. Bezugsgröße für
2.76
1 2 3 4
Zur früheren Rechtslage s. 19. Aufl., § 2 Rz. 63 ff., § 8 Rz. 233 ff. Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 6. Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 6. Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization; Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.
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die 30 %-Grenze ist der nach den Vorschriften des EStG mit Ausnahme des § 4h Abs. 1 EStG ermittelte steuerpflichtige Gewinn (§ 4h Abs. 3 Satz 1 EStG), d.h. der steuerliche Gewinn ohne Einbeziehung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen einerseits und die nach §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 2a Satz 2 und 7 EStG abgesetzten Beträge andererseits (verrechenbares EBITDA).1 Der steuerliche Gewinn einer Mitunternehmerschaft umfasst das Gesamthandsvermögen, das Sonderbetriebsvermögen und die Ergänzungsbilanz. Die Mitunternehmerschaft hat nur einen Betrieb i.S. der Zinsschranke, für den der maßgebliche Gewinn zu ermitteln ist.2 Zinsaufwendungen und Zinserträge, die als Sonderbetriebsausgaben oder Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren sind, sind folglich der Mitunternehmerschaft zuzuordnen.3 Der negative Zinssaldo darf das verrechenbare EBITDA nicht übersteigen; ist der negative Zinssaldo höher, sind die Zinsaufwendungen in Höhe des übersteigenden Betrages nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, sofern nicht ein verrechenbares EBITDA aus früheren Wirtschaftsjahren besteht (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Soweit das verrechenbare EBITDA die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen, d.h. den jeweiligen – i.d.R. negativen – Zinssaldo übersteigt, ist es in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorzutragen (EBITDA-Vortrag; § 4h Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG); ein EBITDA-Vortrag entsteht nicht in Wirtschaftsjahren, in denen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von Abs. 1 Satz 1 ausschließt (§ 4h Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG). Zinsaufwendungen, die nicht nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden können, sind bis zur Höhe der EBITDAVorträge aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren abziehbar und mindern die EBITDA-Vorträge in ihrer zeitlichen Reihenfolge (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Ein bisher nicht genutztes verrechenbares EBITDA lässt sich danach – zeitlich begrenzt auf fünf Wirtschaftsjahre – in der Zukunft nutzen. Ein nicht verbrauchter EBITDAVortrag geht bei einer Betriebsaufgabe oder -übertragung unter (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG). Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Personengesellschaft aus, geht der EBITDA-Vortrag anteilig in Höhe der Quote unter, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt war (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG). Bei Umstrukturierungen gilt das Gleiche (§§ 4 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 9 und 24 Abs. 6 UmwStG). 2.77
Zinsaufwendungen sind Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben (§ 4h Abs. 3 Satz 2 EStG). Zinserträge sind Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, die den maßgeblichen Gewinn erhöht haben (§ 4h Abs. 3 Satz 3 EStG). Die Begriffe Zinsaufwendungen und Zinserträge sind demnach eng auszulegen. Die Auf- und Abzinsung unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Verbindlichkeiten oder Kapitalforderungen führen ebenfalls zu Zinserträgen oder Zinsaufwendungen (§ 4h Abs. 3 Satz 4 EStG). Diese Regelung erweitert den Begriff der Zinsen.
2.78
Schuldzinsen, die die Personengesellschaft an einen Gesellschafter (Mitunternehmer) für die Gewährung eines Darlehens entrichtet, führen bei diesem zu Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG. Es handelt sich hierbei weder um Zinsaufwendungen der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft), i.S. des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG noch um Zinserträge des Gesellschafters (Mit1 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 40. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 6, 40, 42. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 19, 42.
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unternehmers) i.S. des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG.1 Aufgrund der Saldierung der von der Personengesellschaft getragenen Schuldzinsen einerseits und der dem Mitunternehmer zufließenden Sondervergütungen andererseits mindert sich der maßgebliche Gewinn der Mitunternehmerschaft nicht. Das Gleiche gilt bei einer Gewährung des Fremdkapitals durch die Gesellschafter (Mitunternehmer) an die Komplementär-GmbH, sofern sich die Geschäftsanteile im notwendigen Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter befinden. c) Ausnahmen Die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ist nicht anzuwenden, wenn
2.79
– der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. Euro beträgt (Freigrenze), – der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (fehlende Konzernzugehörigkeit) oder – der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (Eigenkapitalvergleich; Escape-Klausel). Eine Unterschreitung der Eigenkapitalquote des Konzerns bis zu zwei Prozentpunkten ist unschädlich. Die vorstehenden drei Ausnahmen von der Zinsschranke sind in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG geregelt. Nachfolgend werden die wichtigsten Einzelheiten im Überblick und die Konsequenzen für die GmbH & Co. KG dargestellt.
2.80
Die Zinsschranke greift nicht ein (erste Ausnahme), soweit der negative Zinssaldo weniger als 3 Mio. Euro beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG). Es handelt sich um eine Freigrenze. Die Zinsschranke greift also – anders als bei einem Freibetrag – in vollem Umfang ein, wenn der negative Zinssaldo 3 Mio. Euro oder mehr beträgt. Bei einer GmbH & Co. KG kommt es auf den negativen Zinssaldo der Mitunternehmerschaft an.2
2.81
Die Zinsschranke ist ferner nicht anzuwenden (zweite Ausnahme), wenn der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG). Ein Betrieb gehört zu einem Konzern, wenn er nach den für die Anwendung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) zugrunde gelegten Rechnungslegungsstandards mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird oder werden könnte (§ 4h Abs. 3 Satz 5 EStG). Gemeinschaftsunternehmen, die nach den Grundsätzen über die Quotenkonsolidierung gem. § 310 HGB oder einem vergleichbaren Rechnungslegungsstandard nur anteilig – bis bspw. max. 50 % – in den Konzernabschluss einbezogen werden, gehören nicht zu einem Konzern i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG, wenn sie nicht von einem einzelnen Unternehmen beherrscht werden. Darüber hinaus gehört auch ein sog. assoziiertes Unternehmen, an dem ein anderes Unternehmen eine Beteiligung von mehr als 20 % und max. 50 % des Gesellschaftskapitals oder gezeichneten Kapitals hält (§§ 311, 312 HGB oder vergleichbarer Rechnungslegungsstandard) und das nach der sog. Equity-Me-
2.82
1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 19. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 56.
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thode in einem Konzernabschluss ausgewiesen wird, nicht zu einem Konzern i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG. 2.83
Eine wesentliche Erweiterung des Begriffs des Konzerns ergibt sich aus § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG. Demnach gehört ein Betrieb auch zu einem Konzern, wenn seine Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann. Ein Konzern kann auch dann bestehen, wenn eine natürliche Person an der Spitze des Unternehmensverbunds steht.1 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die natürliche Person die von ihr beherrschten Beteiligungen in ihrem steuerlichen Betriebsvermögen oder Privatvermögen hält. Ein Konzern ist danach – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – gegeben, wenn eine natürliche Person in ihrem steuerlichen Privatvermögen mindestens zwei Beteiligungen an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft hält, die sie beherrscht.2 Ein Konzern ist darüber hinaus auch denkbar, wenn eine natürliche Person ein Einzelunternehmen betreibt und darüber hinaus Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft ist, die sie beherrscht.3
2.84
Bei einer gewerblichen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ist wie folgt zu unterscheiden: Beschränkt sich die Tätigkeit der Komplementär-GmbH auf die Geschäftsführung und Vertretung der KG sowie die Übernahme der Haftung, sind die GmbH und die KG als ein Betrieb i.S. der Zinsschranke anzusehen, sofern weder die GmbH noch die KG aus anderen Gründen zu einem Konzern gehören. Die GmbH & Co. KG – genau genommen die GmbH einerseits und die KG andererseits – ist infolgedessen in diesen Fällen nicht als Konzern i.S. der Zinsschranke anzusehen.4 Das gilt unabhängig davon, ob einzelne Gesellschafter die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an der KG und der Geschäftsanteile an der GmbH halten oder deren Alleingesellschafter sind. Die Regelung des § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG steht dem insoweit nicht entgegen. Die typische GmbH & Co. KG – mit natürlichen Personen als Gesellschaftern – unterliegt somit nicht der Zinsschranke.5 Diese Grundsätze gelten sowohl bei der Gewährung des Fremdkapitals an die Komplementär-GmbH als auch an die KG. Das gilt auch, wenn die GmbH mehrheitlich am Gesellschaftskapital (Festkapital) der KG beteiligt ist, und darüber hinaus im Fall der Einheitsgesellschaft (s. Rz. 2.461 ff.). Das muss zumindest gelten, wenn natürliche Personen die GmbH oder die KG als Mehrheits- oder Alleingesellschafter beherrschen.6 Eine anderweitige Zugehörigkeit zu einem Konzern ist insbesondere im Falle einer doppeloder mehrstöckigen GmbH & Co. KG gegeben (s. Rz. 2.525). Die GmbH und die KG sind darüber hinaus unabhängig von einer anderweitigen Konzernzugehörigkeit – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – als Konzern anzusehen, wenn
1 Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 50; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 60. 2 Vgl. Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 50; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 60. 3 Vgl. Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 50. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 66. 5 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 89, 95; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, § 4h EStG Rz. 178; Loschelder in Schmidt, § 4h EStG Rz. 29. 6 Vgl. Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 89, 95.
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die GmbH über ihre primäre Funktion hinaus eine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet.1 Die Darlehensgewährung durch die GmbH an die KG – in der Praxis vielfach in Höhe ihres Stammkapitals – fällt nicht darunter, weil es sich nicht um eine Geschäftstätigkeit gegenüber Dritten handelt. Die Zinsschranke greift darüber hinaus nicht ein (dritte Ausnahme), wenn der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 1 EStG). Es ist also ein Eigenkapitalvergleich vorzunehmen. Eine Unterschreitung der Eigenkapitalquote des Konzerns bis zu zwei Prozentpunkten ist unschädlich (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 2 EStG). Diese Regelung hat Bedeutung für doppel- und mehrstöckige Personengesellschaften und damit auch die GmbH & Co. KG.
2.85
Die Eigenkapitalquote ergibt sich aus dem Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme; hierbei ist die Eigenkapitalquote des Konzernabschlusses, in die der Betrieb einbezogen ist, der Eigenkapitalquote des Jahresabschlusses (Einzelabschlusses) des Betriebs gegenüberzustellen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 3 EStG). Maßgebend ist der Eigenkapitalvergleich zum Ende des vorangegangenen Abschlussstichtags (§ 4h Abs. 2 Buchst. c) Satz 1 EStG). Die Eigenkapitalquoten sind grundsätzlich sowohl für den Konzernabschluss als auch den Jahresabschluss des Betriebs nach dem International Financial Reporting Standards (IFRS) zu ermitteln (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 8 EStG). Wenn kein nach den IFRS aufzustellender und offenzulegender Konzernabschluss vorhanden ist und für keines der letzten fünf Wirtschaftsjahre ein Konzernabschluss nach IFRS aufgestellt wurde, können die Konzern- und Jahresabschlüsse (Einzelabschlüsse) nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und damit auch nach dem HGB verwendet werden (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 9 EStG). Bei der Ermittlung der Eigenkapitalquote des Betriebs ist das Eigenkapital um den Buchwert der Anteile an anderen – inländischen und ausländischen – Konzerngesellschaften zu kürzen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 5 EStG); dazu gehören auch Beteiligungen an Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften).2 Sonderbetriebsvermögen ist dem Betrieb der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zuzuordnen, soweit es im Konzernvermögen enthalten ist (§ 4h Abs. 2 Buchst. c) Satz 7 EStG); positives Sonderbetriebsvermögen ist also zu addieren und negatives Sonderbetriebsvermögen zu eliminieren.3
2.86
Unabhängig von der Anwendung des jeweiligen Rechnungslegungsstandards ist bei gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten mindestens das Eigenkapital anzusetzen, dass sich nach den Vorschriften des HGB ergeben würde (§ 4h Abs. 2 Buchst. c) Satz 4 Halbs. 2 EStG); diese Regelung hat insbesondere für Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) aufgrund der gesellschaftsrechtlich nicht abdingbaren Abfindungsansprüche der Gesellschafter für den Fall der Kündigung Bedeutung.
2.87
Beträgt die Eigenkapitalquote der in einen Konzern einbezogenen Personengesellschaft nach ihrem maßgeblichen Jahresabschluss demnach bspw. 40 % und die
2.88
1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 66. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 74. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 75 f.
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Eigenkapitalquote auf der Grundlage des Konzernabschlusses ebenfalls 40 % oder ist sie niedriger, greift die Zinsschranke aufgrund des Eigenkapitalvergleichs nicht ein. Beträgt die Eigenkapitalquote nach dem Jahresabschluss 40 % und diejenige nach dem Konzernabschluss 42 %, ist diese Unterschreitung von zwei Prozentpunkten unschädlich (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 2 EStG). d) Nachgeordnete Personengesellschaft 2.89
Ist eine Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, unmittelbar oder mittelbar einer Körperschaft – insbesondere Kapitalgesellschaft – nachgeordnet, gilt für die Gesellschaft § 8a Abs. 2 und 3 KStG entsprechend (§ 4h Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Regelung betrifft insbesondere Personengesellschaften und damit auch die GmbH & Co. KG, die einer Kapitalgesellschaft nachgeschaltet sind; sie schränken die vorstehend (Rz. 2.79 ff.) beschriebenen Ausnahmen von der Zinsschranke unter bestimmten Voraussetzungen wieder ein. Aus § 8a Abs. 2 und 3 KStG ergeben sich verschärfende Regelungen für den Fall einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist unklar, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, insbesondere ob die Kapitalgesellschaft – wie nach § 8a Abs. 5 Satz 1 KStG a.F. – an der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % beteiligt sein muss.1
2.90
Die Regelung des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG dient dazu, eine Umgehung des § 8a Abs. 2 und 3 KStG bei nachgeschalteten Personengesellschaften zu verhindern. Die Gewährung von Fremdkapital durch die vorgeschaltete Kapitalgesellschaft fällt nicht unter diese Vorschriften, denn die Zinsen stellen bei dieser Sondervergütungen dar (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG) und mindern folglich nicht den steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft.2
2.91
Die Regelung des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 2 KStG erfasst den Fall, in dem die Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) nicht zu einem Konzern gehört und ein Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffberechtigter Dritter), der an der vorgeschalteten Kapitalgesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar – nicht jedoch an der Personengesellschaft – beteiligt ist, der nachgeordneten Personengesellschaft Fremdkapital gewährt. Sofern die Vergütungen für Fremdkapital an diesen Gesellschafter mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der Personengesellschaft betragen, greift die Zinsschranke gem. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein, obwohl der Betrieb – die Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) – nicht zu einem Konzern gehört und infolgedessen der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG erfüllt ist. Die Regelung des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 3 KStG erfasst demgegenüber den Fall, in dem die Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zu einem Konzern gehört und ein Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffsberechtigter Dritter), der an der vorgeschalteten Kapitalgesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar – nicht jedoch an der Personengesellschaft – beteiligt, selbst aber nicht in den Kon1 Auch das BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 79 ff., äußert sich nicht zu diesem Problem. 2 Vgl. Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 48; s. im Einzelnen unter Rz. 2.78.
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Einzelne Aspekte bei der laufenden Besteuerung
zernabschluss einzubeziehen ist, der nachgeordneten Personengesellschaft Fremdkapital gewährt. Sofern die Vergütungen für Fremdkapital an diesen Gesellschafter mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) oder eines anderen demselben Konzern angehörenden Rechtsträgers betragen, greift die Zinsschranke gem. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein, auch wenn der Personengesellschaft der Eigenkapitalvergleich (Escape-Klausel) gelingt und daher der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG erfüllt ist. Für Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften), die einer Kapitalgesellschaft nachgeordnet sind, können sich somit im Fall einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung – sowohl im Falle der Konzernunabhängigkeit als auch im Fall der Konzernzugehörigkeit – erhebliche Einschränkungen beim Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben ergeben. e) Rechtsfolgen Soweit die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG eingreift und die Ausnahmen nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG nicht entgegenstehen, sind die Zinsaufwendungen – der negative Zinssaldo – vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen, sofern nicht ein verrechenbares EBITDA aus früheren Wirtschaftsjahren besteht (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). In diesem Fall sind die Zinsaufwendungen bis zur Höhe der EBITDA-Vorträge aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren abziehbar (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen sind infolgedessen wie andere nichtabziehbare Betriebsausgaben außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Sie sind den Gesellschaftern (Mitunternehmern) nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Das gilt auch, wenn es sich um Zinsaufwendungen handelt, die das Sonderbetriebsvermögen betreffen.1 Beim Fremdkapitalgeber hat diese Rechtsfolge keine Konsequenzen; er erzielt steuerpflichtige Zinserträge. Es findet also keine Umqualifikation der Einkünfte statt. Das gilt – anders als nach § 8a Abs. 1 KStG a.F. – unabhängig davon, ob der Fremdkapitalgeber Gesellschafter oder Dritter ist. Soweit die Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind, findet keine Hinzurechnung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG statt, weil sich der steuerliche Gewinn nicht gemindert hat.
2.92
f) Zinsvortrag Zinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahres, die nicht abgezogen werden dürfen, sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (Zinsvortrag; § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG). Sie erhöhen die Zinsaufwendungen dieser Wirtschaftsjahre, nicht aber den maßgeblichen Gewinn (§ 4h Abs. 1 Satz 6 EStG). Die nicht abziehbaren Zinsen können demnach – ohne zeitliche und betragsmäßige Begrenzung – in zukünftige Wirtschaftsjahre vorgetragen und in ihnen abgezogen werden, sofern die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entgegensteht. Soweit der Zinsvortrag eingreift, sind die gesamten in dem betreffenden Wirtschaftsjahr als Betriebsausgaben abziehbaren Zinsaufwendungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG hinzuzurechnen, d.h. sowohl die aus dem Zinsvortrag 1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 51.
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stammenden als auch die aus dem laufenden Wirtschaftsjahr herrührenden Zinsaufwendungen. 2.94
Ein nicht verbrauchter Zinsvortrag geht bei einer Betriebsaufgabe oder -übertragung unter (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG). Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Personengesellschaft aus, geht der Zinsvortrag anteilig in Höhe der Quote unter, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt war (§ 4h Abs. 5 Satz 2 EStG). Bei Umstrukturierungen gilt das Gleiche (§§ 4 Abs. 2 Satz 2, 20 Abs. 9 und 24 Abs. 6 UmwStG).
5. Einbeziehung von nahen Angehörigen 2.95
Die steuerlich vielfach sinnvolle Beteiligung von nahen Angehörigen (insbesondere von Kindern) ist in der GmbH leichter zu verwirklichen als in der GmbH & Co. KG. Denn bekanntlich stellt die BFH-Rechtsprechung bei der Anerkennung der Mitunternehmerstellung von nicht mitarbeitenden Kindern strenge Anforderungen. Darüber hinaus wird bei Anerkennung der Mitunternehmerschaft die Gewinnzuweisung an die nicht mitarbeitenden Kinder, soweit sie den Kommanditanteil unentgeltlich erworben haben, auf 15 % des Verkehrswerts des Gesellschaftsanteils begrenzt.1 All diese Probleme werden i.d.R. bei der GmbH nicht auftreten. Die Gesellschafterstellung der Kinder muss zivilrechtlich wirksam begründet werden. Eine Begrenzung des den Kindern zuzuweisenden Gewinnanteils besteht nicht.2
IV. Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung 1. Ausgangspunkt 2.96
Auch außerhalb der laufenden Besteuerung bestehen wichtige Unterschiede zwischen der GmbH & Co. KG und der GmbH. Sie betreffen nicht regelmäßig wiederkehrende, sondern einmalige (aperiodische) Vorgänge. Sie werden nachstehend in einem Überblick dargestellt.
2. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter a) Übertragung bei der GmbH & Co. KG 2.97
Die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens auf eine gewerbliche Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) durch einen Gesellschafter (Mitunternehmer) und umgekehrt sowie bestimmte weitere Übertragungsvorgänge führen unter bestimmten Voraussetzungen nicht zur Aufdeckung stiller Reserven und damit nicht zur Gewinnrealisierung (s. Rz. 11.301 ff.). Maßgebende Vorschrift ist § 6 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Satz 1 EStG i.d.F. des UntStFG; sie gilt für 1 Vgl. H 15.9 Abs. 3 EStH 2014; BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5; BFH v. 29.3. 1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489; BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/83, BStBl. II 1987, 54; s. im Einzelnen unter Rz. 2.248 ff. 2 Priester, DB 1977, 224 (insbes. 227); Tillmann, GmbHR 1977, 252 (257).
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Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
Übertragungsvorgänge seit dem Veranlagungszeitraum 2001 (§ 52 Abs. 16a EStG). Die Regelung knüpft – nach zwischenzeitlicher Verschärfung durch das StEntlG 1999/2000/2002 – an den bis 1999 geltenden Mitunternehmererlass1 und die diesem zugrunde liegende Rechtsprechung des BFH2 an. 2.98
Eine Gewinnrealisierung findet danach nicht statt, soweit ein Wirtschaftsgut – unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt, – unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt, – unentgeltlich zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft übertragen wird. Obwohl vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht erfasst, ist die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen personen- und beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften u.E. unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ohne Gewinnrealisierung möglich (s. Rz. 11.337 ff.).3 Eine gewinnneutrale Übertragung ist dagegen – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – nicht möglich, soweit der jeweilige Erwerber gleichzeitig eine Verbindlichkeit übernimmt; insoweit fehlt es am Erfordernis der Unentgeltlichkeit.4 In den von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfassten Fällen sind die Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter zwingend fortzuführen. Es besteht – anders als nach dem bis 1999 geltenden Mitunternehmererlass – kein Wahlrecht zum Ansatz des Teilwerts oder eines Zwischenwerts. Ausnahmen von der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Folge einer Gewinnrealisierung enthalten die § 6 Abs. 5 Satz 4–6 EStG. Nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG kommt es rückwirkend zur Gewinnrealisierung, wenn das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren veräußert oder entnommen wird. Es wird in diesem Fall unwiderlegbar vermutet, dass die Übertragung nicht der Umstrukturierung, sondern der Vorbereitung der Veräußerung oder Entnahme diente. Das gilt nur dann nicht, wenn die bis zur Übertragung des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden sind (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG). Die Bildung einer Ergänzungsbilanz in den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist begrifflich problematisch, da nach bisherigem Verständnis Ergänzungsbilanzen eine Korrektur der Gesamthandsbilanz darstellen (s. Rz. 11.332).5 Zumindest muss anderen1 BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8. 2 Vgl. etwa BFH v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748. 3 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 702 m.w.N.; dagegen BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Tz. 18; Groh, DStR 2010, 1173 (1175); Brandenberg, FR 2010, 731 4 BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583 Tz. 5a); BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Tz. 15. 5 Dazu Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637).
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falls aber eine Zuordnung der stillen Reserven etwa durch spezielle Gewinnverteilungsabreden zulässig sein.1 2.100
Nach § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG findet ebenfalls eine Gewinnrealisierung statt, wenn durch die Übertragung stille Reserven auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse – insbesondere eine Kapitalgesellschaft – und damit in den Anwendungsbereich des Halbeinkünfte- und seit dem Jahr 2009 des Teileinkünfteverfahrens verlagert werden (sog. Körperschaftsklausel). Das gilt zum einen, wenn bereits durch die Übertragung der Anteil insbesondere einer Kapitalgesellschaft an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG). Wenn die eigene Komplementär-GmbH oder eine andere Kapitalgesellschaft an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, findet bei der Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit eine Gewinnrealisierung statt, als die Kapitalgesellschaft am Gesellschaftskapital der Personengesellschaft beteiligt ist und sie dadurch erstmals quotal an dem Wirtschaftsgut beteiligt wird. Zum anderen ist rückwirkend eine Gewinnrealisierung gegeben, wenn zwar nicht bei der Übertragung, aber innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts der Anteil einer Körperschaft u.a. aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG). Wenn die Komplementär-GmbH oder eine andere Kapitalgesellschaft also innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts auf die GmbH & Co. KG an dieser vermögensmäßig beteiligt werden oder sich ihre Beteiligung erhöht, findet insoweit nachträglich eine Gewinnrealisierung statt. Eine Gewinnrealisierung nach § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG lässt sich nicht durch die Aufstellung einer Ergänzungsbilanz vermeiden, in der die stillen Reserven dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet werden; die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG gilt insoweit nicht.2
2.101
§ 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG greifen allerdings nicht ein, wenn eine Kapitalgesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter – durch Ausgliederung (§§ 123 ff. UmwG) oder im Wege der Einzelrechtsnachfolge – unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG überträgt, deren alleiniger Kommanditist sie ist (s. Rz. 11.354).3 Da vor der Übertragung das Wirtschaftsgut im Alleineigentum der Kapitalgesellschaft stand und sie auch danach noch mittelbar zu 100 % an ihm beteiligt ist, ist weder ein Anteil an dem Wirtschaftsgut erstmals begründet worden noch hat sich ein bestehender Anteil erhöht.
2.102
Insgesamt besteht damit trotz der zwingenden Buchwertverknüpfung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter durch die Gesellschafter (Mitunternehmer) auf die GmbH & Co. KG und umgekehrt sowie bei bestimmten weiteren Übertragungsvorgängen ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit und Flexibilität.
1 Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637); Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 707. 2 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 724. 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Tz. 29.
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b) Übertragung bei der GmbH Überträgt demgegenüber ein Gesellschafter einer GmbH dieser unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens, führt das bei ihm zur Gewinnrealisierung. Die unentgeltliche Übertragung stellt eine verdeckte Einlage dar (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG). Die Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten – anlässlich der Gründung oder Kapitalerhöhung – führt zu einem Tausch und damit ebenfalls zu einer Gewinnrealisierung (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG). Auch im umgekehrten Fall der Übertragung eines Wirtschaftsguts durch die GmbH auf den Gesellschafter kommt es zu einer Gewinnrealisierung bei der GmbH. Die unentgeltliche Übertragung durch die GmbH stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Die Übertragung eines Wirtschaftsguts gegen Minderung von Gesellschaftsrechten durch die GmbH, d.h. im Zuge einer Kapitalherabsetzung (Sachauskehrung) oder aufgrund einer Gewinnausschüttung (Sachausschüttung), ist ein Tausch (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG).
2.103
Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter besteht somit bei der GmbH im Gegensatz zur GmbH & Co. KG nahezu keine Gestaltungsfreiheit. Unter diesem Gesichtspunkt ist somit – insbesondere für mittelständische Unternehmen – die GmbH & Co. KG die vorteilhaftere Rechtsform.
2.104
c) Übertragung von Grundstücken Die Übertragung von Grundstücken auf eine GmbH & Co. KG durch einen Gesellschafter und umgekehrt unterliegt in bestimmten Grenzen nicht der Grunderwerbsteuer, sondern ist grunderwerbsteuerfrei. Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so sieht § 5 Abs. 2 GrEStG eine partielle Steuerbefreiung in Höhe des Anteils vor, zu dem der Übertragende am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Überträgt also ein Kommanditist ein Grundstück des Privat- oder des Betriebsvermögens auf die GmbH & Co. KG, an der er beteiligt ist, fällt in Höhe seiner Beteiligungsquote am Gesellschaftskapital und damit am Vermögen der Personengesellschaft keine Grunderwerbsteuer an. Die Grundlage für die Übertragung kann ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (z.B. ein Kaufvertrag) oder ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang (Sacheinlage bei der Gründung oder Erhöhung des Gesellschaftskapitals) sein. Denkbar ist auch eine unentgeltliche Übertragung. Die Grunderwerbsteuerbefreiung entfällt allerdings nachträglich, soweit sich der Anteil des übertragenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). Grund für die Verminderung der Beteiligung des Gesellschafters kann neben einer (teilweisen) Veräußerung seines Gesellschaftsanteils auch der Hinzutritt weiterer Gesellschafter sein.
2.105
Im umgekehrten Fall der Übertragung eines Grundstücks durch eine GmbH & Co. KG auf ihren Gesellschafter sieht § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG eine Steuerbefreiung vor, soweit der Gesellschafter am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Steuerbefreiung ist hier allerdings ausgeschlossen, soweit der Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat (§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Auch für bestimmte weitere Übertragungsvorgänge bestehen entsprechende Steuerbefreiungen (§§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 3 GrEStG).
2.106
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2.107
Überträgt demgegenüber ein Gesellschafter einer GmbH dieser ein Grundstück, ist der Erwerb durch die GmbH in vollem Umfange nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerpflichtig. Dasselbe gilt im umgekehrten Fall.
2.108
Die (teilweise) Grunderwerbsteuerbefreiung bei der Übertragung eines Grundstücks durch den Gesellschafter auf eine GmbH & Co. KG und umgekehrt sowie bei bestimmten weiteren Übertragungsvorgängen erhöht die bei der GmbH & Co. KG ertragsteuerlich bestehende Gestaltungsfreiheit und Flexibilität ganz erheblich. Häufig bildet sie sogar ein entscheidendes Kriterium bei der Rechtsformwahl. Diese Gestaltungsfreiheit besteht bei der GmbH nicht.
3. Umstrukturierungen a) Ausgangspunkt 2.109
Auch im Zusammenhang mit Umstrukturierungen gibt es einige bedeutsame Unterschiede zwischen der GmbH & Co. KG und der GmbH. Das zeigt ein Blick auf einige für die Praxis besonders wichtige Umstrukturierungen und Reorganisationsvorgänge. b) Formwechsel und Einbringung aa) GmbH & Co. KG in GmbH
2.110
Steuerrechtlich lässt sich ein Formwechsel einer GmbH & Co. KG in eine GmbH grundsätzlich ohne Aufdeckung stiller Reserven erreichen (s. Rz. 11.181 ff.). Das folgt aus § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 und 2 UmwStG. Der Formwechsel steht einer Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG gleich. Infolgedessen kann die durch den Formwechsel entstehende Kapitalgesellschaft auf Antrag die Buchwerte fortführen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) und die Aufdeckung stiller Reserven vermeiden. Auch der Ansatz eines höheren Werts, maximal des gemeinen Werts, ist möglich (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Bei einem Formwechsel fällt keine Grunderwerbsteuer an, weil es an einem Rechtsträgerwechsel fehlt.1 Soweit Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist und es sich hierbei um eine wesentliche Betriebsgrundlage – bspw. ein auf die speziellen Belange der GmbH & Co. KG zugeschnittenes Grundstück und Produktionsgebäude – handelt, muss der jeweilige Mitunternehmer das Wirtschaftsgut im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Formwechsel auf die GmbH & Co. KG übertragen.2 Anderenfalls ist ein ertragsteuerlich neutraler Formwechsel nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG nicht möglich, weil zur Stellung als Mitunternehmer nicht nur der Mitunternehmeranteil selbst, sondern auch die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens gehören, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt.3 Es bedarf keines Rückgriffs 1 FinMin Baden-Württemberg v. 19.12.1997 – S 4520/2, DStR 1998, 82 unter A.IV.2.; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 25 UmwStG Rz. 45. 2 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 25 UmwStG Rz. 24. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 25.01, 20.10 i.V.m. Tz. 20.06 ff.
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§2
Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
auf § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG; folglich ist der anschließende Formwechsel der GmbH & Co. KG in eine GmbH nicht als Vorgang nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG zu qualifizieren, so dass die Übertragung der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen nicht rückwirkend zur Gewinnrealisierung führt.1 Soweit das Sonderbetriebsvermögen aus inländischen Grundstücken besteht, fällt in den Grenzen des § 5 Abs. 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer an (s. Rz. 2.105). Der anschließende Formwechsel kann jedoch unter § 5 Abs. 3 GrEStG fallen mit der Folge, dass die Befreiung von der Grunderwerbsteuer entfällt.2 Als Alternative zum Formwechsel einer GmbH & Co. KG in eine GmbH kommt folgender Weg in Betracht, der vielfach als erweiterte Anwachsung bezeichnet wird (s. Rz. 11.185 ff.). Die Gesellschafter (Mitunternehmer) der GmbH & Co. KG übertragen ihre Kommanditanteile im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage auf die Komplementär-GmbH und erhalten dafür im Gegenzug neue Geschäftsanteile. Steuerrechtlich handelt es sich hierbei – jedenfalls nach überwiegender Meinung – um eine Einbringung eines Mitunternehmeranteils nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG (s. Rz. 11.196 f.).3 Die Einbringung ist auf Antrag der Kapitalgesellschaft zum Buchwert und damit ohne Aufdeckung stiller Reserven möglich, sofern die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Buchwerte der Wirtschaftsgüter fortführt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).4 Auch der Ansatz eines höheren Werts, maximal des gemeinen Werts, ist möglich (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Es handelt sich um ein eigenständiges steuerrechtliches Ansatz- und Bewertungswahlrecht ohne Bindung an die handelsrechtliche Rechnungslegung. Wenn sämtliche Mitunternehmer ihre Mitunternehmeranteile auf die Komplementär-GmbH übertragen und dafür neue Geschäftsanteile erhalten, erlischt die GmbH & Co. KG. Ihr Vermögen geht als Ganzes mit sämtlichen Rechten und Pflichten durch Gesamtrechtsnachfolge auf die Komplementär-GmbH über (s. Rz. 11.185).5 Diese Gestaltung wird vielfach als erweiterte Anwachsung bezeichnet. Dieser Vorgang löst im Gegensatz zum Formwechsel allerdings Grunderwerbsteuer aus (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG), sofern die GmbH & Co. KG inländisches Grundvermögen hält, weil ein Rechtsträgerwechsel stattfindet.
2.111
Soweit Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist und es sich hierbei um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt, müssen die Mitunternehmer die jeweiligen Wirtschaftsgüter gleichzeitig mit der Übertragung (Einbringung) der Gesellschaftsanteile auf die Komplementär-GmbH übertragen. Anderenfalls ist eine ertragsteuerlich neutrale Übertragung des Mitunternehmeranteils nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG nicht möglich, weil zur Stellung als Mitunternehmer nicht nur der Mitunternehmeranteil selbst, sondern auch die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens gehören, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen han-
2.112
1 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 25 UmwStG Rz. 24; vgl. auch Brandenberg, FR 2000, 1182 (1188). 2 Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 85, 85c, 92. 3 A.A. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 6, 160. 4 Zur Ausübung dieses Wahlrechts BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, DStR 2003, 1743; vgl. dazu auch Kutt, BB 2004, 371. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 35; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 44 III 2.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
delt.1 Sofern es sich bei den Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens um Grundvermögen handelt, fällt bei der Übertragung auf die Komplementär-GmbH im Zuge der Einbringung Grunderwerbsteuer an (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). 2.113
Wenn der Einbringende die Geschäftsanteile, die er als Gegenleistung für die Übertragung (Einbringung) des Mitunternehmeranteils erhalten hat, innerhalb einer Sperrfrist von sieben Jahren seit der Einbringung veräußert, findet eine nachträgliche (rückwirkende) Besteuerung des Einbringungsvorgangs statt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG; sog. Einbringungsgewinn I; s. Rz. 11.234 ff.). Der maßgebende Einbringungsgewinn verringert sich um ein Siebtel für jedes Zeitjahr, das seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). Auch auf der Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft können sich steuerrechtliche Konsequenzen ergeben (§ 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG; s. Rz. 11.239 ff.).
2.114
Der Weg aus der GmbH & Co. KG in die GmbH ist somit ohne Aufdeckung stiller Reserven entweder durch Formwechsel oder durch Einbringung im Wege der erweiterten Anwachsung möglich. In letzterem Fall ergibt sich allerdings eine Belastung mit Grunderwerbsteuer. Insgesamt besteht demnach eine große Gestaltungsfreiheit und Flexibilität. bb) GmbH in GmbH & Co. KG
2.115
Die formwechselnde GmbH hat in ihrer steuerlichen Schlussbilanz die Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Das gilt auch für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einschließlich des originären Geschäfts- oder Firmenwerts. Unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG lässt sich die Aufdeckung der stillen Reserven vermeiden, so dass eine Fortführung der Buchwerte möglich ist. Unabhängig von der handelsrechtlichen Rechnungslegung besteht ein eigenständiges steuerrechtliches Ansatz- und Bewertungswahlrecht (s. Rz. 11.51, 11.60). Im Fall der Aufdeckung der stillen Reserven entsteht auf der Ebene der formwechselnden GmbH ein Übertragungsgewinn, der in vollem Umfang der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegt. Durch die (teilweise) Gewinnrealisierung lässt sich ein bei der Kapitalgesellschaft vorhandener körperschaft- oder gewerbesteuerlicher Verlustvortrag nutzen. Die durch den Formwechsel entstehende Personengesellschaft hat die Wirtschaftsgüter mit den – ggf. aufgestockten – (Buch-)Werten fortzuführen, die sich aus der steuerlichen Schlussbilanz der Kapitalgesellschaft ergeben (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG). Den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft werden die Gewinnrücklagen als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet (§ 7 Satz 1 UmwStG). Das gilt unabhängig davon, ob für den Gesellschafter ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust nach § 4 oder § 5 UmwStG ermittelt wird (§ 7 Satz 2 UmwStG). Die Besteuerung dieser Einkünfte aus Kapitalvermögen richtet sich bei natürlichen Personen als Gesellschafter nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) sowie Satz 2 EStG).
2.116
Bei einem Formwechsel einer GmbH in eine GmbH & Co. KG kann es zu einer steuerlichen Belastung der Gesellschafter kommen (s. Rz. 11.100 ff.; 11.113). Das ist der 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 20.10 i.V.m. Tz. 20.06 ff.
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§2
Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
Fall, wenn der anteilige Buchwert des Eigenkapitals der GmbH den Buchwert der Geschäftsanteile – i.d.R. die Anschaffungskosten der Gesellschafter – übersteigt und infolgedessen ein Übernahmegewinn entsteht (§ 9 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG). Dazu kann es kommen, wenn die GmbH in der Vergangenheit ihre Jahresüberschüsse einbehalten (thesauriert) hat. Der Übernahmegewinn vermindert sich um die Bezüge, die nach § 7 UmwStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG). Der (verbleibende) Übernahmegewinn unterliegt bei natürlichen Personen als Gesellschaftern dem Teileinkünfteverfahren (§ 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG), ist also i.H.v. 40 % steuerfrei. Für Körperschaften als Gesellschafter ist der Übernahmegewinn im Ergebnis i.H.v. 5 % steuerpflichtig (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG). Der Übernahmegewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer (§ 18 Abs. 2 UmwStG). Ein Übernahmeverlust (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG) entsteht dagegen, wenn der anteilige Buchwert des Eigenkapitals der GmbH niedriger ist als der Buchwert der Geschäftsanteile. Dazu kann es kommen, wenn ein Gesellschafter beim Erwerb der Geschäftsanteile als Bestandteil des Kaufpreises stille Reserven vergütet hat und dieser infolgedessen den anteiligen Buchwert des Eigenkapitals der GmbH übersteigt. Abgesehen davon, dass der betreffende Gesellschafter den Übernahmeverlust für sich nicht nutzen kann und insbesondere keine Aufstockung der Buchwerte erreicht, ergibt sich für ihn unmittelbar keine negative steuerliche Rechtsfolge. Ihm gehen jedoch seine Anschaffungskosten verloren. Er kann sie folglich zu einem späteren Zeitpunkt – insbesondere bei einer Veräußerung seines Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) – nicht mehr nutzen. Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist allein der Stand des steuerlichen Kapitalkontos maßgebend (§ 16 Abs. 2 EStG). Der Übernahmeverlust erhöht sich um die Bezüge, die nach § 7 UmwStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG). Der Übernahmeverlust ist bei natürlichen Personen als Gesellschaftern i.H.v. 60 %, höchstens jedoch i.H.v. 60 % der Bezüge i.S. des § 7 UmwStG, zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 6 Satz 4 Halbs. 1 EStG); in diesem Umfang ist also eine Verrechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem Übernahmeverlust möglich. Ein danach verbleibender Übernahmeverlust bleibt außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 4 Halbs. 2 UmwStG). Soweit der Übernahmeverlust auf eine Körperschaft als Mitunternehmerin der Personengesellschaft entfällt, bleibt er außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG).
2.117
Bei einer Veräußerung des Mitunternehmeranteils innerhalb von fünf Jahren seit dem steuerlichen Übertragungsstichtag fällt – unabhängig von § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG – Gewerbesteuer an (§ 18 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Der Formwechsel einer GmbH in eine GmbH & Co. KG führt – sofern inländisches Grundvermögen vorhanden ist – nicht zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer, weil es an einem Rechtsträgerwechsel fehlt.1
2.118
Der Weg aus der GmbH in die GmbH & Co. KG ist somit nicht ertragsteuerlich neutral möglich, wenn ein Übernahmegewinn entsteht und es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt. Insofern ist die Flexibilität der Rechtsform der GmbH wiederum geringer als diejenige der GmbH & Co. KG.
2.119
1 FinMin Baden-Württemberg v. 19.12.1997 – S 4520/2, DStR 1998, 82 unter A.IV.2; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 9 UmwStG Rz. 46 m.w.N.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
c) Errichtung einer Holdingstruktur 2.120
Als Alternative zu einem Formwechsel und einer Einbringung kommt die Errichtung einer Holdingstruktur in Frage. Zu diesem Zweck errichten die Gesellschafter der GmbH & Co. KG in einem ersten Schritt als Bargründung eine GmbH, die die Funktion einer Holdinggesellschaft übernimmt. In einem zweiten Schritt nehmen sie bei dieser GmbH eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage vor und übertragen zum einen ihre Kommanditanteile und zum anderen ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf die Holdinggesellschaft. Diese Übertragung lässt sich grundsätzlich ertragsteuerlich neutral als Einbringung nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG erreichen. Es kann sich allerdings eine Belastung mit Grunderwerbsteuer ergeben, sofern die GmbH & Co. KG inländisches Grundvermögen hält (§ 1 Abs. 2a GrEStG); Steuerschuldner ist die Personengesellschaft selbst (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Die Gesellschafter müssen Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens im Zuge der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage mit auf die Holdinggesellschaft übertragen, sofern es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Insofern gelten dieselben Überlegungen wie zur Einbringung (s. Rz. 2.112). Auch insoweit kann sich eine Belastung mit Grunderwerbsteuer ergeben, wenn es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen um inländisches Grundvermögen handelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Als Folge der Holdingstruktur ist die Holding-GmbH die alleinige Kommanditistin der GmbH & Co. KG und hält gleichzeitig die Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH. Es kommt also nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge.
2.121
Die Ausgangssituation und die Holdingstruktur verdeutlicht die folgende Übersicht:
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§2
Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
Der Vorteil einer derartigen Holdingstruktur besteht in Folgendem: Der steuerliche Gewinn (und Verlust) der GmbH & Co. KG wird der GmbH als Kommanditistin (Mitunternehmerin) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zugerechnet; bei Verlusten sind die Grenzen des § 15a Abs. 1 EStG zu beachten. Der Gewinn unterliegt auf der Ebene der GmbH folglich dem vergleichsweise niedrigen Körperschaftsteuersatz von 15 % (seit dem Veranlagungszeitraum 2008) zzgl. Solidaritätszuschlag. Die Belastung mit Gewerbesteuer kommt hinzu; Steuerschuldner ist die GmbH & Co. KG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Solange die GmbH ihren Gewinn (ihr zu versteuerndes Einkommen) nicht weiter an ihre Gesellschafter ausschüttet, sondern einbehält (thesauriert), bleibt es bei dieser Steuerbelastung; erst im Falle der Gewinnausschüttung an natürliche Personen kommt es bei diesen zur Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG bei Betriebsvermögen) oder aufgrund der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG bei Privatvermögen). Im Falle des Gewinneinbehalts ist die Steuerbelastung niedriger als bei den Gesellschaftern einer gewerblichen Personengesellschaft (s. Rz. 2.38, 2.53 f., 2.62). Der vergleichsweise niedrige Körperschaftsteuersatz lässt sich auch im Falle einer späteren Veräußerung des Kommanditanteils durch die GmbH nutzen. Die Veräußerung des Kommanditanteils mit Gewinn führt zu einer Belastung mit Gewerbesteuer (§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG); Steuerschuldner ist auch insoweit die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Anders als nach der bisherigen Rechtslage1 ist die Errichtung einer Holdingstruktur nicht mit erbschaft- und schenkungsteuerlichen Nachteilen verbunden, weil für die Bewertung von Gesellschaftsanteilen an Personengesellschaften seit dem 1.1.2009 generell der gemeine Wert maßgebend ist (§ 109 Abs. 2 BewG).
2.122
Auch bei einer GmbH lässt sich die Errichtung einer Holdingstruktur ohne Aufdeckung stiller Reserven und damit ertragsteuerlich neutral erreichen. Zu diesem Zweck müssen die Gesellschafter der GmbH ihre Geschäftsanteile im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage auf die Holdinggesellschaft, die ebenfalls die Rechtsform einer GmbH hat, übertragen. Diese Übertragung (Einbringung) ist ohne Aufdeckung stiller Reserven möglich, wenn die Holdinggesellschaft als Folge unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der GmbH hält, deren Geschäftsanteile auf sie übertragen werden (qualifizierter Anteilstausch; § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Hierbei genügt es, wenn mehrere Gesellschafter, deren Geschäftsanteile isoliert betrachtet der Holdinggesellschaft nicht die Mehrheit der Stimmrechte vermitteln, die Geschäftsanteile in einem einheitlichen Übertragungsvorgang, d.h. einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage und einem darauf aufbauenden Übertragungsvertrag (Einbringungsvertrag), auf die Holdinggesellschaft übertragen.2 Sofern sich im Vermögen der GmbH inländisches Grundvermögen befindet, kann es zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer kommen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
2.123
Die Errichtung einer derartigen Holdingstruktur bietet bei der laufenden Besteuerung keinen spezifischen Vorteil im Vergleich zu einer Holdingstruktur, bei der die
2.124
1 S. hierzu 19. Aufl., § 2 Rz. 103 m.w.N. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 21.09; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG a.F. Rz. 191 f.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Tochtergesellschaft die Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat; etwas anderes kann sich ergeben, wenn eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft besteht (§§ 14, 17 KStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Wenn keine Organschaft besteht, ist eine Gewinnausschüttung der Tochter-GmbH an die Holding-GmbH im Ergebnis zu 95 % körperschaftsteuerfrei (§ 8b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG); das gilt auch für gewerbesteuerliche Zwecke. Die Aufwendungen der Holding-GmbH im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Tochter-GmbH sind unabhängig von einer Gewinnausschüttung steuerlich in vollem Umfang abzugsfähig (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG). Der Gewinn aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der Tochter-GmbH ist ebenfalls im Ergebnis zu 95 % körperschaftsteuerfrei (§ 8b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KStG); das gilt auch für gewerbesteuerliche Zwecke. Der Veräußerungsgewinn ist allerdings nur steuerfrei, soweit nicht § 8b Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG a.F. entgegensteht. Wenn die Holding-GmbH die Geschäftsanteile an der Tochter-GmbH, die eine natürliche Person durch qualifizierten Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG) ohne Aufdeckung stiller Reserven auf sie übertragen hat, innerhalb einer Sperrfrist von sieben Jahren seit der Übertragung (Einbringung) veräußert, findet eine nachträgliche (rückwirkende) Besteuerung des Einbringungsvorgangs statt (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG; sog. Einbringungsgewinn II). Der maßgebende Einbringungsgewinn verringert sich um ein Siebtel für jedes Zeitjahr, das seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufen ist (§ 22 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Auch auf der Ebene der übernehmenden HoldingGmbH können sich steuerrechtliche Konsequenzen ergeben (§ 23 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ergeben sich keine weiteren Nachteile im Vergleich zu einer Holdingstruktur, bei der die Tochtergesellschaft eine GmbH & Co. KG ist. d) Realteilung; Aufspaltung aa) GmbH & Co. KG 2.125
Eine GmbH & Co. KG kann ohne förmliche Liquidation aufgelöst werden, indem ihre Gesellschafter einzelne Teile des Vermögens übernehmen und fortführen. Zivilrechtlich ist diese Form der Auflösung als „Teilung in Natur“ nach §§ 145 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB („andere Art der Auseinandersetzung“) möglich. Zu ihrer Durchführung bedarf es einer Einzelübertragung aller Vermögensgegenstände und Schulden (Wirtschaftsgüter) des Gesamthandsvermögens. Ausnahmsweise ist auch eine Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG mit der Folge einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge denkbar, wenn die übernehmenden Gesellschafter selbst Personenhandelsgesellschaften oder Kapitalgesellschaften sind (§ 124 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwG), nicht dagegen bei einer Beteiligung natürlicher Personen.
2.126
Steuerrechtlich liegt in einem solchen Vorgang eine Realteilung. Eine Realteilung führt unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu einer Gewinnrealisierung aufgrund der Aufdeckung stiller Reserven, sondern ist ertragsteuerlich neutral (s. Rz. 9.270). Maßgebende Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 16 Abs. 3 Satz 2–4 EStG i.d.F. des UntStFG; sie gilt für Realteilungen seit dem Wirtschaftsjahr 2001 (§ 52 Abs. 34 Satz 4 EStG). Diese Regelung steht im Zusammenhang mit der wertungsgleichen Bestimmung des § 6 Abs. 5 Satz 2–5 EStG (s. Rz. 2.97 und im 62
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§2
Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
Einzelnen unter Rz. 11.329 ff.). Auch bei der Realteilung ist der Gesetzgeber nach der zwischenzeitlichen Verschärfung durch das StEntlG 1999/2000/2002 im Grundsatz wieder zur bis 1999 geltenden Rechtslage zurückgekehrt.1 Zu einer Gewinnrealisierung kommt es nach der Grundregel des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht, soweit im Zuge der Realteilung Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen des einzelnen Mitunternehmers übertragen werden und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Es sind dann die Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter zwingend fortzuführen. Ein Wahlrecht zum Ansatz des Teilwerts oder eines Zwischenwerts besteht ebenso wie bei § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht. Zu einem Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 Satz 7 und 8 EStG) kommt es dagegen bei einem sofortigen Übergang ins Privatvermögen. Von großer Bedeutung ist, dass die übertragenen Wirtschaftsgüter – wie schon bis 1999 – nicht die Qualität eines Teilbetriebs haben müssen. In konsequenter Fortführung der Ausweitung des § 6 Abs. 5 EStG erfasst auch § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter. Auch bei der Übernahme von Verbindlichkeiten durch die jeweiligen Mitunternehmer ist der Buchwert anzusetzen; es kommt also nicht zu einer Teilgewinnrealisierung. Insofern besteht allerdings ein Unterschied zur Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (s. Rz. 2.98).
2.127
§ 16 Abs. 3 Satz 3–4 EStG enthält Ausnahmen von der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG mit der Folge einer Gewinnrealisierung. Auch diese lehnen sich an die ähnlichen Regelungen in § 6 Abs. 5 Satz 4–6 EStG an, weisen jedoch im Einzelnen Unterschiede auf. Sofern bei der Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, ordnet § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG eine Sperrfrist von drei Jahren an. Werden die Wirtschaftsgüter innerhalb dieser Frist veräußert oder entnommen, ist für sie rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen. Das gilt allerdings nur, wenn es sich um Grund und Boden, Gebäude oder andere wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Die Vermeidung der Gewinnrealisierung durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz für den Übernehmenden ist hier allerdings im Gegensatz zu § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG nicht zugelassen. Ebenso beschränkt auf Realteilungen, bei denen einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, ordnet § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG eine Gewinnrealisierung an, soweit die Wirtschaftsgüter unmittelbar oder mittelbar auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse – insbesondere eine Kapitalgesellschaft – übertragen werden. Im Gegensatz zu § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG kommt es hier aber nicht darauf an, ob die Kapitalgesellschaft an dem Wirtschaftsgut vor der Übertragung bereits unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (s. Rz. 2.101).
2.128
Nach der früheren Rechtslage war die Anwendung der Grundsätze der Realteilung ferner anerkannt, wenn die Wirtschaftsgüter nicht auf die Mitunternehmer selbst übergehen, sondern diese zwei oder mehrere Folgegesellschaften gründen, die das aufgeteilte Betriebsvermögen übernehmen. Das galt sogar dann, wenn lediglich eine Gruppe von Gesellschaftern ausscheidet und eine neue Personengesellschaft
2.129
1 Zur alten Rechtslage vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 530.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
gründet, auf die ein Teil des Betriebsvermögens übertragen wird.1 Auch diese Möglichkeit soll nach § 16 Abs. 3 Satz 2–4 EStG wieder bestehen.2 2.130
Aufgrund der nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich ertragsteuerlich neutral möglichen Realteilung ergeben sich für die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter beträchtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu trägt insbesondere die nach dem UntStFG wieder mögliche Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter bei. Auch die Möglichkeit, bei der ertragsteuerneutralen Realteilung Verbindlichkeiten zu übernehmen, eröffnet zahlreiche Gestaltungen. Diese Flexibilität bei der Gestaltung ist insbesondere für mittelständische Unternehmen von großer Bedeutung. Die Realteilung ist dort ein wichtiges Instrument bei der Umstrukturierung des Unternehmens oder der Trennung von Gesellschafterstämmen.3 Soweit Gegenstand der Realteilung inländische Grundstücke sind, ist allerdings die (teilweise) Belastung mit Grunderwerbsteuer zu beachten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG); soweit der Gesellschafter, auf den das Grundstück im Zuge der Realteilung übergeht, am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist, fällt keine Grunderwerbsteuer an (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). bb) GmbH
2.131
Bei einer Kapitalgesellschaft und damit auch einer GmbH ist eine Auflösung ohne Abwicklung zivilrechtlich ausschließlich als Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG mit der Folge der partiellen Gesamtrechtsnachfolge möglich.4 Eine Auflösung unter Einzelübertragung aller Wirtschaftsgüter ist im Gegensatz zur GmbH & Co. KG nur im Wege einer förmlichen Liquidation möglich. Steuerrechtlich ist eine Aufspaltung nur unter den Voraussetzungen des § 15 UmwStG ohne Gewinnrealisierung unter Aufdeckung stiller Reserven möglich. Danach muss das Vermögen, das vom übertragenden auf die verschiedenen – mindestens zwei – übernehmenden Rechtsträger übergeht, jeweils als Teilbetrieb zu qualifizieren sein (§ 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).5 Durch dieses Erfordernis des Teilbetriebs besteht weitaus weniger Flexibilität als bei der Realteilung einer GmbH & Co. KG. Anders als bei dieser führt die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter durch den übernehmenden Rechtsträger zwingend zur Gewinnrealisierung. Abgesehen davon bestehen für alle Aufspaltungsvorgänge bestimmte Haltefristen, während bei der Realteilung die dreijährige Sperrfrist nur bei der Übertragung bestimmter einzelner Wirtschaftsgüter gilt (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). So tritt rückwirkend eine Gewinnrealisierung ein, wenn innerhalb von fünf Jahren Anteile einer an der Aufspaltung beteiligten Körperschaft veräußert werden, die – beurteilt auf der Grundlage der Teilwerte – mehr als 20 % der vorher an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen (§ 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG). Sofern sich im Vermögen der aufzuspaltenden Kapitalgesellschaft inländische Grundstücke befinden, ist die Belas1 BFH v. 8.7.1992 – XI R 51/89, BStBl. II 1992, 946 (948). 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 546 m.w.N. zur noch nicht abschließend geführten Diskussion; a.A. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 unter IV.1; Brandenberg, DStZ 2002, 595 (595 f.); s. im Einzelnen unter § 10 Rz. 9.274. 3 Vgl. auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 531. 4 Vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 21. 5 Vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 44 f.
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Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
tung mit Grunderwerbsteuer zu beachten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG); eine teilweise Befreiung – wie bei der Personengesellschaft nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG – tritt nicht ein. Die Aufspaltung einer GmbH ist somit nur unter sehr viel engeren Voraussetzungen möglich als die Realteilung einer GmbH & Co. KG. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die GmbH & Co. KG als flexibler im Vergleich zur GmbH.
2.132
4. Veräußerung; Erwerb a) Ausgangspunkt Auch die steuerlichen Folgen, die sich bei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an einer GmbH & Co. KG und der Veräußerung eines Geschäftsanteils an einer GmbH ergeben, sind unterschiedlich. Das gilt sowohl für den Verkäufer als auch den Käufer. Der nachfolgende Überblick verdeutlicht die wesentlichen Unterschiede. Dabei werden ausschließlich natürliche Personen als Gesellschafter betrachtet.
2.133
b) Gesellschaftsanteile an einer GmbH & Co. KG Der Verkäufer eines Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) an einer GmbH & Co. KG unterliegt mit dem Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Gemildert wird die Steuerbelastung des Veräußerungsgewinns lediglich durch die Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG), die zu einer Progressionsmilderung führen kann. Hat der Veräußerer im Zeitpunkt der Veräußerung (Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, ist darüber hinaus auf Antrag und begrenzt auf einen Betrag von 5 Mio. Euro eine Besteuerung mit 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, mindestens jedoch mit 14 %, möglich (§ 34 Abs. 3 EStG). Diese Regelung kann ein Steuerpflichtiger allerdings nur einmal im Leben in Anspruch nehmen (§ 34 Abs. 3 Satz 4 EStG). Außerdem kann dem Verkäufer unter denselben Voraussetzungen der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zugute kommen. Steuerlich ungünstig ist die Veräußerung lediglich eines Teils eines Gesellschaftsanteils. In diesem Fall gehört der Veräußerungsgewinn zum laufenden Gewinn (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EStG) mit der Folge, dass die zuvor genannten Vergünstigungen nicht eingreifen. Da ein Veräußerungsgewinn in vollem Umfang einkommensteuerpflichtig ist, ist auch ein Veräußerungsverlust grundsätzlich in voller Höhe ausgleichs- und abzugsfähig. Allerdings sind insoweit die Verlustverrechnungsbeschränkungen nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG zu beachten.
2.134
Der Veräußerungsgewinn unterliegt dagegen grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer, wenn der Gesellschafter den Anteil an der GmbH & Co. KG unmittelbar hält (§ 7 Satz 2 GewStG).1 Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teils eines Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) unterliegt dagegen – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – der Gewerbesteuer, da es sich um laufenden Ge-
2.135
1 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 71.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
winn handele (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EStG).1 Diese Auffassung ist abzulehnen, da § 7 Satz 2 GewStG als spezielle Regelung nicht zwischen der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils und eines Teils eines Mitunternehmeranteils unterscheidet.2 Soweit Gewerbesteuer anfällt, greift für die Einkommensteuer allerdings die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein (Gewerbesteueranrechnung).3 2.136
Für den Käufer bietet der Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH & Co. KG einen steuerlichen Vorteil, soweit der Kaufpreis den Buchwert der steuerlichen Kapitalkonten des Verkäufers übersteigt. Er kann den Kaufpreis – je nach der Struktur der Wirtschaftsgüter – in Abschreibungsvolumen umsetzen und dadurch seine Steuerbelastung verringern und seinen Cashflow erhöhen. Das ergibt sich daraus, dass ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft handelsrechtlich zwar ein Vermögensgegenstand, steuerrechtlich jedoch kein Wirtschaftsgut ist. Der Käufer eines Mitunternehmeranteils erwirbt deshalb steuerrechtlich – seiner Beteiligungsquote am Gesellschaftskapital (Festkapital) entsprechend – ideelle Anteile an den einzelnen zum Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehörenden Wirtschaftsgütern (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Soweit der Kaufpreis den Buchwert der steuerlichen Kapitalkonten des Verkäufers übersteigt, sind in einer positiven steuerlichen Ergänzungsbilanz die Buchwerte der bilanzierten und nichtbilanzierten immateriellen und materiellen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft – ggf. proportional – aufzustocken; die Obergrenze bildet der Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Eine etwaige Restgröße (Residualgröße) ist als Geschäftsoder Firmenwert zu erfassen. Je nach Struktur der Wirtschaftsgüter und abhängig von der (Rest-)Nutzungsdauer erhöhen sich auf diese Weise die Absetzungen für Abnutzung (Abschreibungen). Das Ergebnis der für den einzelnen Mitunternehmer fortzuschreibenden Ergänzungsbilanz ist diesem zuzurechnen. Ergibt sich aufgrund der Abschreibung ein Verlust aus der Ergänzungsbilanz, verringern sich die Einkünfte des Mitunternehmers aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG. Die erhöhte Abschreibung in der Ergänzungsbilanz wirkt sich auch gewerbesteuerlich aus, indem sie den Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft (§ 7 Satz 1 GewStG) verringert und damit deren Gewerbesteuerbelastung senkt.4 Für den Käufer besteht ein weiterer Vorteil darin, dass er im Fall der Fremdfinanzierung des Erwerbs die Schuldzinsen in vollem Umfang als Sonderbetriebsausgaben ansetzen kann.
2.137
Da beim Kauf von Gesellschaftsanteilen der Kaufpreis sinnvoll erst nach Einbeziehung der steuerlichen Folgen kalkuliert werden kann, finden die steuerlichen Vorund Nachteile für Veräußerer und Erwerber regelmäßig Eingang in die Verhandlun1 So OFD Düsseldorf v. 10.9.2002 – G 1421–19-St 132-K, FR 2002, 1151; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14. 2 Zur Problematik Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 24 Rz. 221; Füger/Rieger, DStR 2002, 1021 (1021 f.); Neyer, BB 2005, 577 (579). 3 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; s. im Einzelnen unter Rz. 6.687. 4 Vgl. Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 23 Rz. 5 ff., § 27 Rz. 1, 51 ff.; Gröger in Hölters, Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 8. Aufl. 2015, Rz. 4.134 f.
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Einzelne Aspekte außerhalb der laufenden Besteuerung
gen über den Kaufpreis.1 Beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH & Co. KG wird daher der Verkäufer versuchen, dem Käufer den steuerlichen Vorteil „mitzuverkaufen“, also einen höheren Kaufpreis durchzusetzen. Maßstab ist der voraussichtliche Barwert der Steuerersparnis für den Käufer. c) Geschäftsanteile an einer GmbH Der Gewinn aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH unterliegt regelmäßig ebenfalls der Einkommensteuer. Das gilt ohne Ausnahme für Beteiligungen, die in einem Betriebsvermögen gehalten werden. Aber auch die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen ist steuerpflichtig, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Stammkapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zumindest mit 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei sog. einbringungsgeborenen Anteilen i.S. des § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. besteht die Steuerpflicht unabhängig von der Beteiligungsquote. Geschäftsanteile, die eine Beteiligungsquote von weniger als 1 % vermitteln, werden nicht weiter behandelt.
2.138
Die Steuerpflicht wird bei Veräußerungen bis einschließlich des Jahres 2008 durch das Halbeinkünfteverfahren gemildert, nach dem die Hälfte des Veräußerungsgewinns steuerfrei bleibt (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) und c) i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG a.F.). An dessen Stelle tritt seit dem Jahr 2009 das Teileinkünfteverfahren, wonach 60 % des Veräußerungsgewinns steuerpflichtig und 40 % steuerfrei sind (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) und c) i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Das gilt auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer, wenn der Verkäufer die Geschäftsanteile im Betriebsvermögen hält. Sofern es sich um einbringungsgeborene Anteile handelt, greift das Halbeinkünfte- und seit dem Jahr 2009 das Teileinkünfteverfahren allerdings nur ein, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung eine Sperrfrist von sieben Jahren abgelaufen ist (§ 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 Buchst. a) EStG a.F.). Im Vergleich zur in vollem Umfang steuerpflichtigen Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH & Co. KG ist die Steuerbelastung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH dadurch grundsätzlich niedriger. Umgekehrt sind Verluste ebenfalls lediglich zur Hälfte (bis einschließlich des Jahres 2008) und i.H.v. 40 % seit dem Jahr 2009 steuerlich berücksichtigungsfähig (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) und c) i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Das gilt bei Geschäftsanteilen im Privatvermögen jedoch nicht, soweit § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG entgegensteht.
2.139
Auch beim Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH stellt sich für den Käufer die Frage, ob er den Kaufpreis in Abschreibungsvolumen umsetzen kann, soweit dieser den anteiligen Buchwert des Eigenkapitals der GmbH übersteigt. Grundsätzlich ist eine Abschreibung nicht möglich, da Anteilsrechte an Kapitalgesellschaften als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter nicht abschreibungsfähig sind. Bis zum Inkrafttreten des StSenkG standen dem Käufer verschiedene sog. Aufstockungsmodelle (Step-up-Modelle) zur Verfügung, durch die er sein Ziel dennoch erreichen konnte. Insbesondere durch das bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2000
2.140
1 Zu den vielfältigen Verknüpfungen zwischen steuerlicher Gestaltung und Kaufpreis des Unternehmens instruktiv Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 14. Aufl. 2010, Rz. 137 ff., 753 ff.
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anwendbare sog. Umwandlungsmodell konnte der Käufer einen Übernahmeverlust, der sich aufgrund eines Formwechsels (§§ 190 ff. UmwG) einer Kapitalgesellschaft in eine Personenhandelsgesellschaft – typischerweise einer GmbH & Co. KG – ergab, durch Aufstockung der Buchwerte in einer positiven steuerlichen Ergänzungsbilanz je nach der Struktur der Wirtschaftsgüter steuerlich nutzen (§ 4 Abs. 6 UmwStG a.F.).1 Durch das StSenkG sind die bisher angewandten Aufstockungsmodelle sämtlich untauglich geworden.2 So ist insbesondere dem Umwandlungsmodell durch § 4 Abs. 6 Satz 1 und 4 Halbs. 2 UmwStG die Grundlage entzogen worden. Danach bleibt ein Übernahmeverlust außer Ansatz. Auch andere Aufstockungsmodelle sind jedenfalls im Regelfall nicht gangbar.3 Beim Kauf von Geschäftsanteilen an einer GmbH ist es dem Käufer infolgedessen regelmäßig nicht mehr möglich, den Kaufpreis in Abschreibungsvolumen zu transformieren. Gleichzeitig profitiert der Käufer grundsätzlich vom Halbeinkünfte- oder Teileinkünfteverfahren. Ein Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ist auch nicht mehr möglich, um ein bei der Kapitalgesellschaft bestehendes Körperschaftsteuerminderungspotenzial zu mobilisieren (§ 10 Satz 1 und 2 UmwStG a.F. i.V.m. § 37 KStG). Wenn der Käufer den Erwerb der Geschäftsanteile fremdfinanziert, stellt sich die Frage, ob die Schuldzinsen abzugsfähig sind. Je nach der Rechtsform des Käufers bestehen gravierende Unterschiede. Ist der Käufer eine Körperschaft (Kapitalgesellschaft), sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar (vgl. § 8b Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 KStG). Ist der Käufer eine natürliche Person, die die Geschäftsanteile im Betriebsvermögen hält, sind die Schuldzinsen i.H.v. 60 % als Betriebsausgaben abziehbar (Teileinkünfteverfahren; § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Hält der Käufer die Geschäftsanteile dagegen im Privatvermögen, sind die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten abziehbar (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG). 2.141
Aufgrund der durch das StSenkG geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen beim Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH wird der Käufer versuchen, einen Abschlag vom Kaufpreis durchzusetzen. d) Fazit
2.142
Für den Verkäufer ist die Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH im Vergleich zur GmbH & Co. KG vorteilhaft. Aufgrund des Teileinkünfteverfahrens ist seine Steuerbelastung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH grundsätzlich deutlich geringer. Für den Käufer ist demgegenüber der Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH & Co. KG vorteilhaft. Nur in diesem Fall kann er den Kaufpreis, soweit er den anteiligen Buchwert der steuerlichen Kapitalkonten übersteigt, ggf. in Abschreibungsvolumen umsetzen und dadurch seine Steuerbelastung verringern. Die jeweiligen steuerlichen Vor- und Nachteile 1 Vgl. zum Umwandlungsmodell und zu den übrigen Aufstockungsmodellen nach bisherigem Recht ausführlich Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 28 Rz. 2 ff. 2 Vgl. Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 789 (790); Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 28 Rz. 2 ff. 3 Vgl. zu diesen Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 28 Rz. 9 ff.
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Erbschaft- und Schenkungsteuer
werden sich im Einzelfall bei der Höhe des auszuhandelnden Kaufpreises erhöhend oder mindernd auswirken.
V. Erbschaft- und Schenkungsteuer Die am 1.1.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerreform hat zu weit reichenden Änderungen bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behandlung unternehmerischen Vermögens geführt. Vor Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes spielte bei unternehmerischen Beteiligungen die jeweilige Rechtsform eine erhebliche Rolle.1 Das BVerfG hatte das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wegen der Ungleichbehandlung bei der Bewertung unternehmerischer Beteiligungen für verfassungswidrig erklärt.2.
2.143
Maßgebliches Bewertungsziel der neuen erbschaft- und schenkungsteuerlichen Unternehmensbewertung ist der Verkehrswert des Unternehmens bzw. von Anteilen an ihm (s. Rz. 8.130 ff.). Die Rechtsform eines Unternehmens hat auf seine Bewertung keinen Einfluss mehr. Eine Unterscheidung gibt es nur noch zwischen Gesellschaften mit und ohne Börsennotierung. Bei Börsennotierung gilt der niedrigste am Stichtag notierte Kurs (§ 11 Abs. 1 BewG). Alle nicht börsennotierten Unternehmen werden unabhängig von ihrer Rechtsform nach den gleichen Regeln bewertet (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und § 109 BewG). Sofern sich der Wert nicht aus zeitnahen Verkäufen ableiten lässt, ist der Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten (normales Ertragswertverfahren3) oder anhand einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Bewertungsmethode zu ermitteln. Dabei ist die Methode anzuwenden, die ein gedachter Käufer für die Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die Untergrenze des Werts bildet der Substanzwert (Mindestwert; vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Ist der gemeine Wert des Unternehmens nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten zu ermitteln, kann auch ein neu geschaffenes „vereinfachtes Ertragswertverfahren“ angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§ 199 BewG). Es handelt sich dabei um ein reines Ertragswertverfahren, welches eine Reihe von Pauschalierungen und Vereinfachungen (§§ 200 ff. BewG) enthält.
2.144
Diese Neuregelung hat den Gestaltungsspielraum der Steuerpflichtigen bei der Bewertung erheblich eingeschränkt. Das wesentliche Augenmerk bei der Nachfolgeplanung wird daher zukünftig darin bestehen, die vom Gesetz für die Übertragung von Unternehmensvermögen vorgesehenen Steuerbegünstigungen in Anspruch zu nehmen. Ausreichend ist hierfür nicht mehr, dass nach ertragsteuerlichen Kriterien Betriebsvermögen vorliegt, es muss vielmehr zusätzlich auf die unternehmerische Funktion des Betriebsvermögens geachtet werden; es darf sich nicht um sog. Ver-
2.145
1 Zur bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage s. 19. Aufl., § 2 Rz. 124 m.w.N., § 10 Rz. 97 ff. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192, unter C.II.1. der Gründe. 3 Unter dem normalen Ertragswertverfahren ist die Bewertungsmethode zu verstehen, welche die Betriebswirtschaftslehre und der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer entwickelt haben, dargestellt in IDW S 1, 60. Jg., WPg Supplement 3/2007, S. 11 ff.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
waltungsvermögen handeln. Außerdem ist – wie bisher – die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur dann begünstigt, wenn der Erblasser oder Schenker unmittelbar zu mehr als 25 % an der Gesellschaft beteiligt war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Deutlich verschärft wurden die von dem Erwerber zu erfüllenden „Wohlverhaltensregelungen“, um eine – ggf. erhebliche – Nachsteuer zu vermeiden. 2.146
Liegt begünstigtes Vermögen vor, kann der Erwerber grundsätzlich einen Verschonungsabschlag in Höhe von 85 % in Anspruch nehmen (§ 13b Abs. 4 ErbStG). Dies setzt voraus, dass das betroffene Vermögen zu nicht mehr als 50 % aus sog. Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Um den Verschonungsabschlag langfristig zu sichern, muss der Erwerber das Unternehmen für einen Zeitraum von fünf Jahren1 ohne Verwirklichung eines Nachsteuertatbestandes fortführen (§ 13a Abs. 5 ErbStG) und über den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum eine Lohnsumme in Höhe von 400 % der Ausgangslohnsumme2 erreichen (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Wird gegen die Behaltensfrist oder das Lohnsummenkriterium verstoßen, kommt es zu einer – anteiligen – Nachversteuerung. Stattdessen hat der Erwerber aber auch die Möglichkeit, zu einer vollständigen Verschonung zu optieren (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG). Dann darf die Verwaltungsvermögensquote allerdings nicht mehr als 10 % betragen (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG). Zudem verlängert sich die Nachsteuerperiode auf einen Zeitraum von sieben Jahren (§ 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG) und die Lohnsumme muss über den Sieben-Jahres-Zeitraum 700 % der Ausgangslohnsumme3 erreichen (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG).
2.147
Neben dem Verschonungsabschlag in Höhe von 85 % oder 100 % kann ein gleitender Abzugsbetrag in Höhe von 150 000 Euro in Anspruch genommen werden (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Er ist von dem Wert abzuziehen, der nach Abzug des Verschonungsabschlags verbleibt. Allerdings wird dieser Abzugsbetrag entsprechend dem Freibetragsmodell des § 16 Abs. 4 EStG bei größeren Vermögen abgeschmolzen und entfällt ab einem Wert des begünstigten Betriebsvermögens von 3 Mio. Euro vollständig.
2.148
Für die Übertragung betrieblichen Vermögens auf entferntere Verwandte oder familienfremde Personen sieht § 19a ErbStG – ebenso wie das alte Recht – eine Tarifbegrenzung vor. Dadurch wird der Teil des begünstigten Betriebsvermögens, der nicht aufgrund des Verschonungsabschlags steuerfrei bleibt, immer nach dem günstigen Steuersatz der Steuerklasse I besteuert (§ 19a Abs. 4 ErbStG).
2.149
Im Ergebnis sind durch die Neuregelung die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Vorteile der Personengesellschaft und damit der GmbH & Co. KG weitestgehend entfallen. Allerdings bietet die Personengesellschaft bei einer Beteiligungshöhe von bis zu 25 % gegenüber der Kapitalgesellschaft noch Vorteile, da die Begünstigungen für Betriebsvermögen ebenso wie die Tarifbegünstigung des § 19a ErbStG nicht von einer Mindestbeteiligungshöhe abhängig sind. Zudem kann bei Personengesellschaftsanteilen u.U. eine Steuerstundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG in Anspruch genommen werden, während es sich bei Kapitalgesellschaftsanteilen regelmäßig um steuerliches Privatvermögen handelt, so dass die Voraussetzungen für eine Stundung nicht vorliegen.4 1 2 3 4
Ursprünglich sieben Jahre (§ 37 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Ursprünglich sieben Jahre und 650 % der Ausgangslohnsumme (§ 37 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Ursprünglich zehn Jahre und 1000 % der Ausgangslohnsumme (§ 37 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 28 ErbStG Rz. 4.
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Betriebsaufspaltung
Das BVerfG hat durch Urteil vom 17.12.2014 das seit dem 1.1.2009 geltende Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht wegen der weitreichenden und undifferenzierten Verschonungsregelungen in Teilen für verfassungswidrig erklärt (s. Rz. 8.140 ff.).1 Der Gesetzgeber muss bis zum 30.6.2016 das Gesetz ändern und die verfassungsrechtlichen Mängel beheben (s. Rz. 8.140).
C. Betriebsaufspaltung I. Grundlagen; Begriffe Eine GmbH & Co. KG ist wirtschaftlich ein einheitliches Unternehmen, obwohl sie rechtlich aus zwei Gesellschaften besteht, nämlich der KG, die die unternehmerischen Aktivitäten betreibt, und der Komplementär-GmbH, die der Haftungsbeschränkung dient. Bei einer Betriebsaufspaltung ist demgegenüber ein einheitliches Unternehmen in zwei Unternehmen aufgespalten, und zwar typischerweise in ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft auf der einen Seite (sog. Besitzunternehmen; Besitz-Personengesellschaft) und ein hiervon zu unterscheidendes Betriebsunternehmen auf der anderen Seite, wobei hinsichtlich beider Unternehmen Personen- bzw. Beteiligungsidentität besteht.2 Das Besitzunternehmen hält das Anlagevermögen – insbesondere den Grundbesitz – und überlässt es dem Betriebsunternehmen entgeltlich zur Nutzung, und zwar typischerweise auf der Grundlage eines Pachtvertrages. Denkbar ist auch eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung. Das Betriebsunternehmen betreibt die unternehmerischen Aktivitäten. Es hat üblicherweise die Rechtsform einer GmbH (Betriebs-GmbH). In einem derartigen Fall handelt es sich um eine klassische (typische) Betriebsaufspaltung,3 deren zivil- und steuerrechtliche Rahmenbedingungen im Folgenden dargestellt und der GmbH & Co. KG gegenübergestellt werden. Auf die Darstellung von Sonderformen der Betriebsaufspaltung wird verzichtet.4
2.150
Die Begriffe Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sind strenggenommen irreführend. Das Besitzunternehmen ist Eigentümer der Wirtschaftsgüter, die es dem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlässt. Demgegenüber ist das Betriebsunternehmen als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Besitzer der ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter. Gleichwohl wird nachfolgend die übliche Terminologie verwandt.
2.151
1 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 = GmbHR 2015, 88 unter C.II.1. der Gründe. 2 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 800. 3 D. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 16; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 4; Kessler/Teufel, BB 2001, 17 (17 f.). 4 Zu nennen sind u.a. die „umgekehrte Betriebsaufspaltung“ und die „überlagerte Betriebsaufspaltung“, vgl. hierzu z.B. Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, A 10 ff.; Th. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 506 ff.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
II. Zivilrechtliche Aspekte 2.152
Der wesentliche zivilrechtliche Vorteil der Betriebsaufspaltung besteht darin, dass die von dem Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstände aus der Haftung für die Verbindlichkeiten der Betriebs-GmbH herausgehalten werden. Durch diese Struktur lässt sich also – zumindest grundsätzlich – eine Haftungsbeschränkung erreichen. Eine Insolvenz der Betriebs-GmbH lässt die Vermögenslage des Besitzunternehmens im Grundsatz unberührt. Eine Auswirkung auf die Vermögenslage des Besitzunternehmens konnte sich nach der früheren Rechtslage – bis zum Inkrafttreten des MoMiG – im Falle eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen bzw. im Falle eigenkapitalersetzender Gebrauchs- und Nutzungsüberlassung durch das Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen ergeben (§§ 32a, 32b GmbHG a.F. und Grundsätze der BGHRechtsprechung).1 Durch das MoMiG wird das Problem der Gesellschafterdarlehen und der Nutzungs- und Gebrauchsüberlassung durch Gesellschafter im Zuge der Abschaffung der §§ 32a, 32b GmbHG a.F. und aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG aus dem GmbH-Recht herausgelöst und im Insolvenzrecht geregelt (§ 135 Abs. 2 und 3 InsO; s. hierzu grundlegend unter Rz. 10.152 ff.).
2.153
Eine Ausnahme von der Haftungsbeschränkung kann sich ferner in den Fällen einer Haftung der Gesellschafter der Betriebs-GmbH aufgrund eines bestandsgefährdenden (existenzvernichtenden) Eingriffs ergeben, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Inhaber oder Gesellschafter des Besitzunternehmens in vorsätzlicher und sittenwidriger Weise in die Vermögenswerte oder Interessen der Betriebs-GmbH eingreifen (s. hierzu grundlegend unter Rz. 5.90 ff.).2
2.154
Eine grundsätzliche Haftungsbeschränkung – insbesondere in Bezug auf das Anlagevermögen – ist jedoch nicht nur im Rahmen einer Betriebsaufspaltung möglich. Auch bei der GmbH & Co. KG lässt sich eine Haftungsbeschränkung erreichen, indem die Gesellschafter ihre Vermögensgegenstände nicht auf (in) die Gesellschaft übertragen (einbringen), sondern entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen (Sonderbetriebsvermögen). In Bezug auf die Haftung bringt die Betriebsaufspaltung keinen spezifischen Vorteil mit sich, der sich nicht auch durch eine GmbH & Co. KG erreichen lässt.
III. Steuerliche Behandlung 1. Voraussetzungen 2.155
Steuerlich setzt die Betriebsaufspaltung eine sachliche und personelle Verflechtung voraus.3 Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn das Besitzunterneh1 Zu den Einzelheiten wird auf die 19. Aufl. verwiesen, § 7 Rz. 9 ff., 26; vgl. Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 1462 ff.; D. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 176 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen. 2 Vgl. D. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 179; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 1827 ff. 3 Auf welchen Rechtsgrundlagen die steuerliche Behandlung der Betriebsaufspaltung im Einzelnen beruht, ist umstritten, vgl. D. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 1 ff. und Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 22 X, S. 862 ff.
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§2
Betriebsaufspaltung
men der Betriebs-GmbH einzelne Wirtschaftsgüter entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlässt und es sich hierbei – bei funktionaler Betrachtung – um eine sog. wesentliche Betriebsgrundlage handelt.1 Das ist der Fall, wenn das Wirtschaftsgut entweder auf die besonderen betrieblichen Belange der Betriebs-GmbH zugeschnitten ist oder für die Betriebsführung zumindest ein besonderes Gewicht besitzt. Die personelle Verflechtung setzt voraus, dass das Besitzunternehmen und das Betriebsunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen sind.2 Das ist der Fall, wenn die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen können. Dies ist anzunehmen, wenn die Personen in beiden Unternehmen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen. Eine qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte ist nicht erforderlich.3 Im Gegensatz zu der Rechtslage bis zum 31.12.1998 lässt sich eine Betriebsaufspaltung bei einem bereits bestehenden einheitlichen Unternehmen nicht mehr ertragsteuerneutral dadurch begründen (oder erweitern), dass das zukünftige Besitzunternehmen einzelne Wirtschaftsgüter – insbesondere den Kundenstamm oder Patente u.a. – zum Buchwert auf die Betriebs-GmbH überträgt. Dies folgt aus § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG. Danach erhöhen sich im Falle der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter im Wege der verdeckten Einlage die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft um den Teilwert der eingelegten Wirtschaftsgüter. Es findet m.a.W. eine Gewinnrealisierung statt mit der Folge, dass etwaige stille Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern anlässlich der Überführung auf die BetriebsGmbH aufgedeckt werden.4 Dieses Problem stellt sich dagegen nicht, wenn anlässlich der Neugründung eines Unternehmens durch die Trennung zwischen Besitzunternehmen und Betriebs-GmbH von vornherein eine Betriebsaufspaltung errichtet wird.
2.156
2. Rechtsfolgen Liegen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor, erzielt nicht nur die Betriebsgesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb; unabhängig von ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit gilt das Gleiche für das Besitzunternehmen. Aus diesem Grunde unterliegt neben der Betriebsgesellschaft folglich auch das Besitzunternehmen der Gewerbesteuer. Handelt es sich bei dem Besitzunternehmen um eine Personengesellschaft, beziehen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG); dies gilt selbst für Gesellschafter, die nicht 1 Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung Rz. 316 ff.; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 141 ff. m.w.N.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 81, 87 ff.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 808 ff. m.w.N. 2 Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 343 ff.; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 98 ff.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 303 ff.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 820 ff. m.w.N. 3 Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 101 f.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 808 ff.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 315; im Überblick: Schulze zur Wiesche, WPg 2003, 90. 4 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 24; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 877 mit Gestaltungsvarianten.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
an der Betriebs-GmbH beteiligt sind.1 Die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH zählen zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Ist die Besitz-Personengesellschaft selbst Gesellschafter der Betriebs-GmbH, handelt es sich um Betriebsvermögen im Gesamthandsvermögen; anderenfalls zählen die Geschäftsanteile zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft.2
3. Vorteile und Nachteile 2.158
Aufgrund des Wegfalls der Vermögensteuer seit dem 1.1.1997 bietet die Betriebsaufspaltung im Vergleich zur reinen GmbH insoweit keinen Vorteil mehr.3 Abgesehen davon lassen sich durch eine Betriebsaufspaltung die steuerlichen Vorteile einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft andererseits miteinander kombinieren. Bei der laufenden Besteuerung besteht ein wesentlicher Vorteil der Betriebsaufspaltung darin, dass die Vergütungen für die GesellschafterGeschäftsführer der Betriebs-GmbH – soweit angemessen – als Betriebsausgabe mit Wirkung für die Körperschaft- und Gewerbesteuer abzugsfähig sind.4 Demgegenüber sind derartige Tätigkeitsvergütungen bei der GmbH & Co. KG Bestandteil der gewerblichen Einkünfte, so dass sich keine Minderung bei der Gewerbesteuer ergibt (s. Rz. 2.72). Das Gleiche gilt für Pensionszusagen an die Gesellschafter-Geschäftsführer, aufgrund deren bei der Betriebs-GmbH – anders als bei der GmbH & Co. KG – Pensionsrückstellungen mit steuerlicher Wirkung gebildet werden können.5 Die erhöhte Belastung der GmbH & Co. KG bei der Gewerbesteuer wird allerdings dadurch ausgeglichen, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) die Gewerbesteuer – das 3,8fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags – auf ihre persönliche Einkommensteuer anrechnen können (Steuerermäßigung gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; s. Rz. 6.681 ff.). Der vorstehend beschriebenen Entlastung der Betriebs-GmbH bei der Gewerbesteuer stehen allerdings die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen für die Miet- und Pachtaufwendungen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG für die Benutzung der beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter gegenüber, die sie von dem Besitzunternehmen gemietet oder gepachtet hat (s. Rz. 2.173). Gleichzeitig erhöht sich der Gewerbeertrag des Besitzunternehmens, ohne dass ein Kürzungstatbestand eingreift; der Inhaber des Besitzunternehmens oder die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft profitieren allerdings von der Gewerbesteueranrechnung gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG (s. Rz. 6.681 ff.). Die Betriebsauf1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 872. 2 Ausführlich zu den steuerlichen Folgen einer Betriebsaufspaltung Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 385; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 192 ff.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 478, 1116; im Überblick hierzu Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 869 ff. 3 Rund, GmbH-StB 2002, 234; im Ergebnis ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 57. 4 BFH v. 9.7.1970 – IV R 16/69, BStBl. II 1970, 722; Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 461; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, E 119 ff.; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 395. 5 Binz/Rauser, BB 1980, 897; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 1441 ff.; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 237 f.; Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 462.
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Betriebsaufspaltung
spaltung kann sich im Vergleich zur GmbH & Co. KG als nachteilig erweisen, wenn der Miet- oder Pachtzins für die Überlassung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens – insbesondere des Grundbesitzes – unangemessen hoch ist. Der überhöhte Miet- oder Pachtzins ist eine verdeckte Gewinnausschüttung, die das zu versteuernde Einkommen der Betriebs-GmbH nicht mindern darf (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Als vorteilhaft stellt sich die Betriebsaufspaltung im Vergleich zur GmbH & Co. KG überdies dann dar, wenn die Betriebs-GmbH profitabel ist und die Gewinne aus dem operativen Geschäft thesauriert werden sollen. In einem solchen Fall unterliegen die Gewinne der Betriebs-GmbH lediglich der – vergleichsweise geringen – Belastung mit Körperschaftsteuer von 15 % seit dem Jahr 2008 zzgl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer, während bei der GmbH & Co. KG neben der Gewerbesteuer wegen der ertragsteuerlichen Transparenz auch die regelmäßig höhere Belastung mit Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag der Gesellschafter (Mitunternehmer) anfällt (s. Rz. 2.38, 2.53 f., 2.62). Das gilt jedenfalls, wenn die Regelbesteuerung eingreift und die Gesellschafter nicht von der Steuerbegünstigung für nicht entnommene steuerliche Gewinne (Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG) Gebrauch machen. Wenn die Betriebs-GmbH ihren Gewinn dagegen an die Gesellschafter ausschüttet, erhöht sich die Gesamtsteuerbelastung, weil die Gewinnausschüttungen (Dividenden) bei den Gesellschaftern zu steuerpflichtigen Einkünften führen; für sie galt bis einschließlich des Jahres 2008 das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG a.F.). Seit dem Jahr 2009 gilt für sie das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) und Satz 2 EStG), weil die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH als Betriebsvermögen zu qualifizieren sind. Die Dividenden sind infolgedessen i.H.v. 60 % steuerpflichtig. In diesem Fall ist die Gesamtsteuerbelastung – bei der Betriebs-GmbH und ihren Gesellschaftern – höher als bei der GmbH & Co. KG. Es gelten also dieselben Überlegungen wie beim Belastungsvergleich zwischen der GmbH und der GmbH & Co. KG (s. Rz. 2.40 ff., 2.43, 2.53 f.). Als nachteilig kann sich demgegenüber erweisen, dass die Miet- und Pachtzinsen bei dem Inhaber des Besitzunternehmens oder den Gesellschaftern der Besitz-Personengesellschaft – je nach den persönlichen Verhältnissen – einem individuellen Steuersatz (Grenzsteuersatz) von bis zu 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag unterliegen. Dadurch kann es im Einzelfall zu einer hohen Belastung mit Einkommensteuer kommen. Sie lässt sich bei natürlichen Personen als Gesellschafter durch die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung für nicht entnommene steuerliche Gewinne (Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG) mildern (s. Rz. 6.188).
2.159
Dieser Vorteil der Betriebsaufspaltung kehrt sich allerdings ins Gegenteil um, wenn die Betriebs-GmbH über einen längeren Zeitraum Verluste erzielt. Bei der GmbH & Co. KG werden die Verluste aufgrund des Transparenzprinzips im Jahr ihrer Entstehung den Gesellschaftern zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG), die diese im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung mit anderen positiven Einkünften verrechnen können; dabei sind die Grenzen des § 15a EStG zu beachten (s. Rz. 6.391 ff.). Bei einer Betriebsaufspaltung sind die Verluste hingegen in der Betriebs-GmbH eingeschlossen; es besteht lediglich die Möglichkeit des Verlustrücktrags (zeitlich auf ein Jahr und der Höhe nach auf 1 Mio. Euro beschränkt; § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 1 EStG) und des Verlust-
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
vortrags (zeitlich und der Höhe nach bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus beschränkt auf 60 % des übersteigenden Betrags; § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 EStG; s. Rz. 2.64).1 Die auf Ebene der Betriebs-GmbH eingeschlossenen Verluste wirken sich insbesondere dann negativ aus, wenn das Besitzunternehmen aufgrund der Pachtzinsen in demselben Zeitraum zu versteuernde Gewinne erzielt. Diese negative Konsequenz lässt sich allerdings durch die Vereinbarung gewinn- oder umsatzabhängiger Pachtzinsen verringern oder vermeiden.2 Denkbar ist auch ein zeitweiser Verzicht auf zukünftige Pachtzinsen sowie Geschäftsführervergütungen.3 Bei einem Verzicht auf Pachtzinsen oder deren Verringerung auf eine Höhe, die nicht auf einem Fremdvergleich entspricht, sind die Einschränkungen zu beachten, die sich seit dem 1.1. 2015 für den Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben beim Besitzunternehmen ergeben (§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG n.F.; s. Rz. 2.162). 2.161
Bei einer Betriebsaufspaltung sind die Einschränkungen zu beachten, die sich für das Besitzunternehmen und damit auch die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft beim Abzug von Betriebsausgaben ergeben können. Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG sind u.a. Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit unter die Teileinkünfteregelung (§ 3 Nr. 40 EStG) fallenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abziehbar; 40 % sind nicht abziehbar, und zwar unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen. Es gilt also – parallel zu den Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen – das Teileinkünfteverfahren. Das ist bspw. für Finanzierungsaufwendungen – insbesondere bei der Finanzierung der Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH – und sonstige Aufwendungen des Inhabers des Betriebsunternehmens oder der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft im Zusammenhang mit den Geschäftsanteilen von Bedeutung. Im Falle einer Teilwertabschreibung auf die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) besteht die zuvor beschriebene Einschränkung des Abzugs der Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben ebenfalls. Das Gleiche gilt bei einem Veräußerungsverlust oder einer Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) mit Verlust. Das gilt jeweils unabhängig von der Beteiligungsquote des Gesellschafters der BetriebsGmbH, sofern er seine Geschäftsanteile in einem Betriebsvermögen hält.
2.162
Eine weitere Einschränkung ergibt sich mit Wirkung seit dem 1.1.2015 aus § 3c Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG n.F.4 Danach gilt die Beschränkung für den Abzug von Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben auf 60 % – parallel zu § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG – im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten, wenn das Darlehen oder die Sicherheit von einem Steuerpflichtigen gewährt wird, der zu mehr als 25 % am Grund- oder 1 Vgl. auch Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 418. 2 Zutreffend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 38; zur Frage der Angemessenheit der Pachtzinsvereinbarung vgl. im Einzelnen Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 81 ff. 3 Zu Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang vgl. Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, E 115 f. 4 Gesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417; zur Anwendung s. § 52 Abs. 5 Satz 2 EStG.
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Betriebsaufspaltung
Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war (§ 3c Abs. 2 Satz 2 EStG n.F.). Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte; dabei sind nur die eigenen Sicherungsmittel der Körperschaft zu berücksichtigen (§ 3c Abs. 2 Satz 3 EStG n.F.). Die vorstehenden Regelungen gelten entsprechend für Forderungen aus Rechtshandlungen, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind (§ 3c Abs. 2 Satz 4 EStG n.F.), d.h. Forderungen aufgrund einer Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Miet- und Pachtforderung; Forderung aus einem Leasing- oder Lizenzvertrag). Eine Teilwertabschreibung (oder ein Forderungsverzicht) auf eine im Betriebsvermögen gehaltene Darlehensforderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG)1 führt unter den genannten Voraussetzungen dazu, dass die damit verbundene Betriebsvermögensminderung nur zu 60 % abziehbar ist; 40 % sind nicht abziehbar. Die Aufwendungen für die Refinanzierung eines Darlehens sind unter den zuvor erläuterten Voraussetzungen ebenfalls von dem eingeschränkten Abzug als Betriebsausgabe erfasst. Diese Konsequenz lässt sich jeweils durch den Nachweis vermeiden, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen (Laufzeit; Verzinsung; Sicherheiten) gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte (§ 3c Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 EStG n.F.). Die zuvor beschriebene Einschränkung des Abzugs der Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben betrifft vor allem Fälle der Betriebsaufspaltung.2 Sie entspricht der früher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung3 und ist eine Reaktion auf die gegenteilige Rechtsprechung des BFH.4 Die Beschränkung des Abzugs von Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben gilt mit Wirkung seit dem 1.1.2015 ungeachtet eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den der Teileinkünfteregelung nach § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen darüber hinaus auch, soweit diese mit einer im Gesellschaftsverhältnis veranlassten unentgeltlichen Überlassung von Wirtschaftsgütern an diese Körperschaft oder bei einer teilentgeltlichen Überlassung von Wirtschaftsgütern mit dem unentgeltlichen Teil in Zusammenhang stehen und der Steuerpflichtige zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital dieser Körperschaft beteiligt ist oder war (§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG n.F.).5 Diese Einschränkung hat bspw. Bedeutung für die Absetzungen für Abnutzung (planmäßige Abschreibungen) auf unentgeltlich oder teilentgeltlich zur Nutzung an einer Kapitalgesellschaft überlassene Gebäude und Maschinen, Finanzierungsaufwendungen oder sonstige Aufwendungen (Erhaltungsmaßnahmen; öffentliche Abgaben), die der Gesellschafter trägt, sofern 1 Zu den Voraussetzungen vgl. BFH v. 14.10.2009 – X R 45/09, BStBl. II 2010, 274 (278); BFH v. 18.4.2012 – X R7/10, BStBl. II 2013, 791 (793). 2 Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/3017 v. 3.11.2014, S. 38. 3 BMF v. 8.11.2010 – IV C 6 - S 2128/07/10001, BStBl. I 2010, 1292 unter Nr. 2; anders jedoch BMF v. 23.10.2013 – IVC 6 - S 2128/07/10001, BStBl. I 2013, 1269 unter Tz. 10 f. als Reaktion auf die BFH-Urteile v. 18.4.2012 – X R 5/10, BStBl. II 2013, 785 (787 ff.) und v. 18.4.2012 – X R 7/10, BStBl. II 2013, 791 (796 ff.). 4 BFH v. 18.4.2012 – X R 5/10, BStBl. II 2013, 785 (787 ff.); BFH v. 18.4.2012 – X R 7/10, BStBl. II 2013, 791 (796 ff.). 5 Gesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417; zur Anwendung s. § 52 Abs. 5 Satz 2 EStG.
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2.163
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
er das jeweilige Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen hält. Diese Konsequenz lässt sich durch die Vereinbarung von Entgelten vermeiden, die einem Fremdvergleich standhalten. Die beschriebene Einschränkung des Abzugs von Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben betrifft gleichermaßen wiederum vor allem Fälle der Betriebsaufspaltung.1 Sie entspricht der früher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung2 und ist ebenfalls eine Reaktion auf die gegenteilige Rechtsprechung des BFH.3 2.164
Die Einschränkungen des Abzugs von Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG und die Verschärfungen nach § 3c Abs. 2 Sätze 2 bis 6 EStG n.F. mit Wirkung ab dem 1.1.2015 führen dazu, dass eine Betriebsaufspaltung steuerrechtlich weniger attraktiv ist als bisher. Die jeweiligen Aufwendungen der Gesellschafter (Mitunternehmer) einer GmbH & Co. KG, die bei ihnen Sonderbetriebsausgaben darstellen, sind demgegenüber vollständig als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das gilt allerdings nicht für Darlehensforderungen der Gesellschafter (Mitunternehmer) an die gewerbliche Mitunternehmerschaft (GmbH & Co. KG); sie sind steuerrechtlich aufgrund ihrer Eigenschaft als notwendiges Sonderbetriebsvermögen als Eigenkapital der Mitunternehmerschaft zu qualifizieren (korrespondierende Bilanzierung; s. Rz. 6.518, 6.525).
4. Fremdfinanzierung; Zinsschranke 2.165
Die bisherigen Beschränkungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung (§ 8a KStG a.F.)4 wurden mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 durch Regelungen ersetzt, die den Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben durch Einführung einer Zinsschranke generell einschränken (s. Rz. 2.74 ff.; Rz. 6.291 ff.). Gesetzliche Grundlage ist § 4h EStG. Die Regelungen über die Zinsschranke sind rechtsformunabhängig. Sie gilt daher sowohl für das Besitzunternehmen als auch für die Betriebs-GmbH. Ist das Besitzunternehmen eine Personengesellschaft und gewähren die Gesellschafter dieser ein Darlehen, handelt es sich bei den Zinserträgen um Sondervergütungen (Sonderbetriebseinnahmen) der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Da die Zinsaufwendungen den steuerlichen Gewinn der Besitz-Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) nicht mindern, fallen sie nicht unter § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG.5 Anders verhält es sich bei einer Darlehensgewährung durch Dritte, die nicht Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft sind. Gewähren die Gesellschafter der Betriebs-GmbH dieser ein Darlehen, handelt es sich bei den Zinserträgen ebenfalls um Sonderbetriebsein1 Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/3017 v. 3.11.2014, S. 38. 2 BMF v. 8.11.2010 – IV C 6 - S 2128/07/10001, BStBl. I 2010, 1292 unter Nr. 1; anders jedoch BMF v. 23.10.2013 – IV C 6 - S 2128/07/10001, BStBl. I 2013, 1269 Tz. 8 als Reaktion auf das BFH-Urteil v. 28.2.2013 – IV R 49/11, BStBl. II 2013, 802 (805) für Absetzungen für Abnutzung und Erhaltungsaufwendungen (substanzbezogene Aufwendungen), nicht dagegen für laufende Aufwendungen. 3 BFH v. 28.2.2013 – IV R 49/11, BStBl. II 2013, 802 (805) für Absetzungen für Abnutzung und Erhaltungsaufwendungen (substanzbezogene Aufwendungen), nicht dagegen für laufende Aufwendungen. 4 S. 19. Aufl., § 2 Rz. 63 ff., 136 ff.; § 8 Rz. 233 ff. 5 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07 10001, BStBl. II 2008, 718 Tz. 19.
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Betriebsaufspaltung
nahmen der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Da die Geschäftsanteile notwendiges Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen) des Besitzunternehmens (Besitz-Personengesellschaft) sind, stellen die Darlehensforderungen Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen) der Gesellschafter der Betriebs-GmbH dar. Bei der Betriebs-GmbH handelt es sich jedoch um ein eigenes Steuersubjekt. Die Zinsaufwendungen mindern ihren steuerlichen Gewinn. Das gilt unabhängig davon, ob ein Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft oder ein Dritter, der nicht an der Besitz-Personengesellschaft beteiligt ist, der BetriebsGmbH ein Darlehen gewährt. Auf die Qualifikation der Einkünfte beim Darlehensgeber kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG greift danach ein.1 Das Gleiche gilt bei einer Darlehensgewährung durch die Besitz-Personengesellschaft an die Betriebs-GmbH. Das gilt unabhängig davon, ob die Besitz-Personengesellschaft an der Betriebs-GmbH beteiligt ist. Die Zinsschranke hat somit im Zusammenhang mit der Betriebsaufspaltung nur Bedeutung im Fall der Darlehensgewährung durch Dritte, die nicht Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft sind. Anders als nach der bisherigen Rechtslage besteht kein grundlegender Unterschied zur GmbH & Co. KG.
2.166
Wenn die Voraussetzungen des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt sind und der negative Zinssaldo das verrechenbare EBITDA – 30 % des maßgeblichen korrigierten Einkommens – der GmbH übersteigt (§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG), sind die in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG geregelten Ausnahmen zu beachten. Die Zinsschranke ist nicht anzuwenden, wenn der negative Zinssaldo weniger als 3 Mio. Euro beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG; Freigrenze, s. Rz. 2.81). Unabhängig davon greift die Zinsschranke nicht ein, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG; fehlende Konzernzugehörigkeit, s. Rz. 2.82). Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt im Fall einer Betriebsaufspaltung – trotz des weiten Konzernbegriffs (§ 4h Abs. 3 Satz 6 EStG) – kein Konzern i.S. der Zinsschranke vor, sofern sich die Gewerblichkeit des Besitzunternehmens nur aufgrund einer personellen und sachlichen Verflechtung mit dem Betriebsunternehmen ergibt.2 Die Zinsschranke greift danach nicht ein, weil das Besitzunternehmen und die Betriebs-GmbH keinen Konzern bilden und daher auch keinem Konzern angehören, sofern sich die Konzernzugehörigkeit nicht aus anderen Gründen ergibt. Überzeugender ist es, im Fall einer Betriebsaufspaltung aufgrund des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens des Inhabers des Besitzunternehmens (oder der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft) und der Gesellschafter der BetriebsGmbH einen Betrieb i.S. des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG anzunehmen und infolgedessen eine Konzernzugehörigkeit zu verneinen.3 Die Regelung des § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG steht insoweit nicht entgegen. Bei einer klassischen Betriebsaufspaltung
2.167
1 Vgl. Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 253 f.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 742. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07 10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 63; Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 50. 3 Vgl. Loschelder in Schmidt, § 4h EStG Rz. 29; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 253 f.; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 745.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
greift die Zinsschranke – ebenso wie bei der typischen GmbH & Co. KG (s. Rz. 2.84) – im Ergebnis wegen fehlender Konzernzugehörigkeit nicht ein. Auf die weitere Ausnahme von der Zinsschranke im Fall eines Eigenkapitalvergleichs (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c); Konzernzugehörigkeit) kommt es folglich nicht an, sofern nicht aus anderen Gründen eine Konzernzugehörigkeit besteht. 2.168
Aus § 8a Abs. 2 und 3 KStG ergeben sich verschärfende Regelungen für den Fall einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Sie schränken die vorstehend beschriebenen Ausnahmen von der Zinsschranke unter bestimmten Voraussetzungen wieder ein (s. Rz. 2.91, 2.193). Bei einer Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffsberechtigter Dritter) der Betriebs-GmbH, der nicht das Besitzunternehmen (die Besitz-Personengesellschaft) und die Betriebs-GmbH beherrscht, kann die verschärfende Regelung des § 8a Abs. 2 KStG eingreifen. Das gilt unabhängig davon, ob der Gesellschafter an der Besitz-Personengesellschaft beteiligt ist. Die Regelung des § 8a Abs. 2 KStG greift ein, wenn der betreffende Gesellschafter zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der Betriebs-GmbH beteiligt ist und die auf ihn entfallenden Zinsaufwendungen mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der Betriebs-GmbH betragen. In diesem Fall greift die Zinsschranke gem. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein, obwohl der Betrieb – die Betriebs-GmbH – nicht zu einem Konzern gehört und infolgedessen der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG erfüllt ist (s. Rz. 2.91). Die verschärfende Regelung des § 8a Abs. 3 KStG setzt voraus, dass der Betrieb – die Betriebs-GmbH – zu einem Konzern gehört. Daran fehlt es aufgrund des Erfordernisses der sachlichen Verflechtung bei der klassischen Betriebsaufspaltung, sofern sich die Konzernzugehörigkeit nicht aus anderen Gründen ergibt. In einem derartigen Fall greift die Zinsschranke ein, wenn der betreffende Gesellschafter zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der Betriebs-GmbH beteiligt, jedoch nicht in den Konzernabschluss einzubeziehen ist, und die auf ihn entfallenden Zinsaufwendungen mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der Betriebs-GmbH oder eines anderen demselben Konzern angehörenden Rechtsträgers betragen. Das gilt, obwohl der Eigenkapitalvergleich (Escape-Klausel) gelingt und infolgedessen der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG erfüllt ist (s. Rz. 2.91).
2.169
Soweit die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG eingreift und die Ausnahmen nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG nicht entgegenstehen, sind die Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar, sofern nicht ein EBITDA-Vortrag besteht (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG; s. Rz. 2.76). Sie sind infolgedessen außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Der Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG ist zu beachten. Zu den Rechtsfolgen und zum Zinsvortrag s. im Einzelnen unter Rz. 2.92 ff. und Rz. 6.330 ff.
2.170
Aus der Zinsschranke (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG) ergeben sich keine gravierenden negativen Auswirkungen für die Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft durch ihre Gesellschafter im Fall einer Betriebsaufspaltung, sofern der Darlehensgeber gleichzeitig Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft (Mitunternehmer) ist. Die Betriebsaufspaltung wird dadurch im Vergleich zur GmbH & Co. KG nicht schlechter gestellt.
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Betriebsaufspaltung
5. Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung Wenn es sich sowohl bei dem Besitzunternehmen als auch bei der Betriebsgesellschaft um Personengesellschaften handelt sowie darüber hinaus die erforderliche sachliche Verflechtung zwischen der vermietenden Besitz-Personengesellschaft und der mietenden Betriebs-Personengesellschaft und die personelle Verflechtung zwischen den Gesellschaftern der Besitz- Personengesellschaft und der BetriebsPersonengesellschaft gegeben ist, besteht eine sog. mitunternehmerische Betriebsaufspaltung. In diesem Fall sind die vermieteten Wirtschaftsgüter steuerlich der vermietenden Besitz-Personengesellschaft und nicht der mietenden Betriebs-Personengesellschaft zuzuordnen; die Zuordnung zum eigenen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ist vorrangig vor der Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen der Betriebsgesellschaft.1 Das gilt nur im Falle einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch außerhalb einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, wenn es sich bei der gewerblichen oder gewerblich geprägten Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft um ganz oder teilweise personen- und beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaften handelt.2 Eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung hat bedeutsame Konsequenzen insbesondere für die Gewerbesteuer und die Steuerermäßigung (Gewerbesteueranrechnung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG, weil zwei selbständige Gewerbesteuersubjekte bestehen (s. Rz. 6.681 ff., 6.708).
2.171
IV. Besonderheiten bei der Gewerbesteuer 1. Schuldzinsen Die Betriebsaufspaltung kann mit Nachteilen bei der Gewerbesteuer verbunden sein. Die Betriebs-GmbH ist typischerweise aus haftungsrechtlichen Gründen nur mit einem geringen Eigenkapital ausgestattet. Dem steht regelmäßig ein vergleichsweise hoher Finanzierungsbedarf gegenüber. Sofern sich die Betriebs-GmbH die erforderlichen Finanzmittel nicht von Kreditinstituten beschaffen kann, stellen häufig entweder das Besitzunternehmen oder dessen Gesellschafter Darlehen zur Verfügung. Die Schuldzinsen sind gewerbesteuerlich dem Gewerbeertrag der Betriebs-GmbH hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG); sie erhöhen in Höhe eines Viertels den Gewerbeertrag, soweit der Betrag von 100 000 Euro überschritten ist (Freibetrag). Die Schuldzinsen führen beim Besitzunternehmen zu Betriebseinnahmen. Aufgrund der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens ergibt sich vielfach eine gewerbesteuerliche Zusatzbelastung. Das gilt sowohl, wenn das Besitzunternehmen selbst der Betriebs-GmbH das Darlehen gewährt hat, als auch dann, wenn die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft Darlehensgläubiger sind. In letzterem Fall gehören die Darlehensforderungen zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Besitz-Personengesellschaft mit der Folge, dass die Darlehenszinsen Sonderbetriebseinnahmen sind (§ 15 Abs. 1 Satz 1 1 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325; BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 42/98, BStBl. I 1998, 583; vgl. Th. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 514 ff.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 855 ff. m.w.N. 2 BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Sie unterliegen infolgedessen ebenfalls der Gewerbesteuer.1 Ein Kürzungstatbestand zugunsten des Besitzunternehmens greift nicht ein. Diese gewerbesteuerliche Zusatzbelastung wird durch die Gewerbesteueranrechnung (Steuerermäßigung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG entschärft, jedoch nicht vollständig vermieden. Die damit verbundene Steuerentlastung betrifft nur die Besitz-Personengesellschaft und ihre Gesellschafter, nicht dagegen die BetriebsGmbH. Das Problem lässt sich dadurch vermeiden oder verringern, dass die Darlehen unverzinslich oder niedrig verzinslich sind.2 Bei einem unverzinslichen Darlehen ist die Abzinsungspflicht der Betriebs-GmbH gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu beachten. Bei einem unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Darlehen sind zudem die Einschränkungen zu berücksichtigen, die sich seit dem 1.1.2015 für den Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben bei den Gesellschaftern der Besitz-Personengesellschaft ergeben (§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG n.F.; s. Rz. 2.162). Die vorstehend beschriebene gewerbesteuerliche Zusatzbelastung besteht bei der GmbH & Co. KG nicht.
2. Miet- und Pachtzinsen 2.173
Die Miet- und Pachtzinsen der Betriebs-GmbH für die beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mindern deren Gewerbeertrag. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG sind die Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu einem Fünftel und für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zur Hälfte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzuzurechnen. Die Summe der vorstehenden Aufwendungen erhöht in Höhe eines Viertels den Gewerbeertrag der Betriebs-GmbH, soweit sie den Betrag von 100 000 Euro übersteigt (Freibetrag). Diese Regelung gilt ab dem Erhebungszeitraum 2008. Anders als bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2007 kommt es für die Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen nicht darauf an, ob sie beim Empfänger der Gewerbesteuer unterliegen. Beim Besitzunternehmen handelt es sich bei den Miet- und Pachtzinsen um Betriebseinnahmen, die der Gewerbesteuer unterliegen. Ein Kürzungstatbestand zugunsten des Besitzunternehmens besteht nicht. Aus der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei der Betriebs-GmbH einerseits und der Gewerbesteuerbelastung beim Besitzunternehmen andererseits kann sich eine erhebliche gewerbesteuerliche Zusatzbelastung im Falle einer Betriebsaufspaltung ergeben. Dieses Problem lässt sich dadurch vermeiden oder verringern, dass das Besitzunternehmen die jeweiligen Wirtschaftsgüter der Betriebs-GmbH unentgeltlich oder zu einem verringerten Miet- oder Pachtzins zur Nutzung überlässt. In diesem Fall sind wiederum die Einschränkungen zu beachten, die sich seit dem 1.1.2015 für den Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben beim Besitzunternehmen ergeben (§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG n.F.; s. Rz. 2.162). Die beschriebene gewerbesteuerliche Zusatzbelastung wird allerdings durch die Gewerbesteueranrechnung (Steuerermäßigung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG gemildert. Die gewerbesteuerliche Zusatzbelastung besteht bei der GmbH & Co. KG im Fall der Vermie1 BFH v. 5.10.1972 – IV R 13/66, BStBl. II 1973, 26; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, E 71 ff. 2 Zutreffend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 36 ff.
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Betriebsaufspaltung
tung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern durch die Gesellschafter (Mitunternehmer) nicht. Die zuvor beschriebene gewerbesteuerliche Zusatzbelastung – sowohl bei hoher Fremdfinanzierung der Betriebs-GmbH durch das Besitzunternehmen oder die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft als auch im Zusammenhang mit den Mietund Pachtzinsen – besteht bei der GmbH & Co. KG nicht. Trotz der Milderung durch die Gewerbesteueranrechnung (Steuerermäßigung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Betriebsaufspaltung insofern nachteilig im Vergleich zur GmbH & Co. KG.
2.174
V. Gewinnrealisierung bei Beendigung Eine Betriebsaufspaltung kann gewollt oder ungewollt beendet werden. Sie endet, wenn entweder die personelle oder die sachliche Verflechtung wegfällt (zur personellen und sachlichen Verflechtung s. unter Rz. 2.155). Die personelle Verflechtung fällt weg, wenn die Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens sowohl im Besitzunternehmen als auch in der Betriebs-GmbH nicht mehr gewährleistet ist. Der Grund hierfür kann die Veräußerung der Gesellschaftsanteile am Besitzunternehmen (Besitz-Personengesellschaft) oder der Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH sein. Die personelle Verflechtung kann insofern auch als Folge eines nicht sachgerecht gestalteten Erbfalls oder einer nicht angemessen geplanten Schenkung enden. Die sachliche Verflechtung fällt weg, wenn das Besitzunternehmen der Betriebs-GmbH keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr zur Nutzung überlässt. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn die Betriebsgrundlagen zerstört oder durch das Besitzunternehmen veräußert werden. Eine sachliche Entflechtung tritt aber auch ein, wenn der Überlassungsvertrag zwischen Besitzunternehmen und Betriebs-GmbH endet.1
2.175
Die steuerlichen Folgen des Wegfalls der Betriebsaufspaltung sind gravierend. Es handelt sich um eine Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens (§ 16 Abs. 3 EStG) mit der Folge der zwangsweisen Gewinnrealisierung.2 Das gilt zunächst für die stillen Reserven des Besitzunternehmens, darüber hinaus aber auch für die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH. Sie befinden sich – sofern das Besitzunternehmen nicht an der Betriebs-GmbH beteiligt ist – im (Sonder-)Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft) und sind daher steuerlich verhaftet.3 Die Gewinnrealisierung tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob der Wegfall der personellen oder sachlichen Verflechtung auf einer Handlung der Gesellschafter beruht oder zwangsweise eingetreten ist. Nur in Ausnahmekonstellationen kann trotz Wegfalls der personellen oder sachlichen Verflechtung im Billigkeitswege auf eine Aufdeckung der stillen Reserven verzichtet werden.4
2.176
1 Zu einzelnen Fallgruppen, bei denen die personelle oder sachliche Verflechtung entfällt, vgl. Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 479 ff.; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, S. 275 ff. 2 Exemplarisch BFH v. 15.12.1988 – IV R 36/84, BStBl. II 1989, 363. 3 Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 487. 4 So ist die Finanzverwaltung bereit, auf die Aufdeckung der stillen Reserven zu verzichten, wenn der Wegfall der personellen Verflechtung darauf beruht, dass Kinder volljährig werden, deren Stimmrechte zuvor mit denen ihrer Eltern zusammengerechnet wurden, vgl.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2.177
Die Gefahr einer derartigen ungewollten Gewinnrealisierung besteht bei der GmbH & Co. KG im Gegensatz zur Betriebsaufspaltung – abgesehen vom Sonderbetriebsvermögen – grundsätzlich nicht. Insofern stellt sich die Betriebsaufspaltung im Vergleich zur GmbH & Co. KG als nachteilig dar. Die Gefahr einer ungewollten Gewinnrealisierung kann jedoch durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen ausgeschlossen werden.1 So kann eine Gewinnrealisierung dadurch vermieden werden, dass das Besitzunternehmen als gewerblich geprägte Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG geführt wird. Als Rechtsform für das Besitzunternehmen bietet sich insbesondere eine GmbH & Co. KG an. Die notwendige Struktur lässt sich problemlos dadurch erreichen, dass eine GmbH als KomplementärGmbH in die bestehende Besitz-Personengesellschaft – typischerweise eine GbR – eintritt, so dass eine GmbH & Co. KG entsteht. Ist eine natürliche Person Inhaber des Besitzunternehmens, lässt sich dieses Ziel dadurch erreichen, dass sie eine GmbH & Co. KG errichtet und zumindest die wesentlichen Betriebsgrundlagen – ertragsteuerlich neutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG (s. Rz. 11.312 ff.) – auf diese überträgt; denkbar ist auch eine Übertragung (Einbringung) des Betriebs nach § 24 Abs. 1 und 2 UmwStG. Sofern die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt sind, ist durch die gewerbliche Prägung sichergestellt, dass es auch dann nicht zu einer zwangsweisen Aufdeckung der stillen Reserven in den wesentlichen Betriebsgrundlagen und damit Gewinnrealisierung kommt, wenn die Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens in dem Besitzunternehmen und der Betriebs-GmbH nicht mehr gewährleistet ist. Auf die für die Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung kommt es in diesem Fall nicht mehr an.2 Das Gleiche gilt, wenn die sachliche Verflechtung wegfällt, weil die Nutzungsüberlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen endet. Bei Wegfall der personellen oder sachlichen Verflechtung stellt sich aber jeweils das Problem der Gewinnrealisierung bezüglich der Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH, weil die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen entfällt.3
2.178
Eine Betriebsaufspaltung lässt sich ohne Aufdeckung stiller Reserven dadurch beenden, dass der Inhaber des Besitzunternehmens oder die Gesellschafter der BesitzPersonengesellschaft den Betrieb – die Wirtschaftsgüter, die wesentliche Betriebsgrundlagen sind – oder die Mitunternehmeranteile auf (in) die Betriebs-GmbH im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage überträgt (einbringt) und diese die eingebrachten Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert ansetzt (§ 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 UmwStG). Wenn man die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH – bei funktionaler Betrachtung – als wesentliche Betriebsgrundlage des Besitzunternehmens oder der Besitz-Personengesellschaft qualifiziert,4 müssten die Geschäfts-
1 2 3 4
R 15.7 Abs. 8 i.V.m. R 16 Abs. 2 Satz 3 EStR 2012. Der BFH hält einen Verzicht auf die Aufdeckung stiller Reserven im Billigkeitswege für denkbar, wenn die entstehenden Steuerlasten den Bestand der Betriebsgesellschaft gefährden; vgl. BFH v. 15.12.1988 – IV R 36/84, BStBl. II 1989, 363 (365). Zu einzelnen Gestaltungen vgl. Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, G 36 ff. Vgl. z.B. Bauschatz in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 489; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, G 41. Vgl. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 420. BFH v. 4.7.2007 – X R 49/05, BStBl. II 2007, 772 (773); Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 70.
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Betriebsaufspaltung
anteile ebenfalls Gegenstand der Übertragung (Einbringung) sein1 mit der Folge, dass eigene Geschäftsanteile (oder Aktien) mit dem damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen entstehen (§§ 33 GmbHG, 71 AktG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Inhaber des Besitzunternehmens oder die Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft ihre Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH nicht mit auf (in) diese im Zuge der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage übertragen (einbringen).2 Voraussetzung ist, dass die jeweiligen Gesellschafter die zurückbehaltenen Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH auf Antrag (ausdrückliche Einverständniserklärung) nach §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UmwStG behandeln, d.h. als Anteile, die sie durch eine Sacheinlage erworben haben,3 mit der Folge, dass für sie die in diesen Regelungen enthaltenen Beschränkungen für die Übertragung und die Sperrfrist gelten. Diese sachliche Billigkeitsregelung hat folgenden doppelten Effekt:4 Zum einen ist die Übertragung (Einbringung) des Betriebs (Besitzunternehmen) oder der Mitunternehmeranteile (Besitz-Personengesellschaft) auf (in) die Betriebs-GmbH ohne Aufdeckung stiller Reserven möglich, ohne dass gleichzeitig die Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH mit zu übertragen (einzubringen) sind. Zum anderen führt die Entnahme der Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH aus dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens oder der Besitz-Personengesellschaft – trotz Beendigung der sachlichen Verflechtung – nicht zu einer Gewinnrealisierung bezüglich der Geschäftsanteile (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1, 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) EStG). Entscheidend ist die steuerrechtliche Behandlung der zurückbehaltenen und der durch die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage neu geschaffenen Geschäftsanteile durch die Gesellschafter nach § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 UmwStG.5 Ist Gegenstand der Übertragung (Einbringung) ein inländisches Grundstück, ist die Belastung der erwerbenden GmbH mit Grunderwerbsteuer zu beachten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GrEStG).
VI. Fazit Der wesentliche zivilrechtliche Vorteil der Betriebsaufspaltung – die Haftungsbeschränkung durch Ausgliederung von Vermögen aus der operativen Gesellschaft – lässt sich auch bei der GmbH & Co. KG erreichen, indem die Kommanditisten die erforderlichen Wirtschaftsgüter der Gesellschaft zur Nutzung überlassen (Sonderbetriebsvermögen). Derselbe Effekt lässt sich erreichen, wenn sich die jeweiligen Wirtschaftsgüter in einer personen- und beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaft – häufig ebenfalls eine GmbH & Co. KG – befinden und diese die Wirtschaftsgüter an die operativ tätige GmbH & Co. KG vermietet oder ver1 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 70. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 20.09; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 71. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 20.09; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 71. 4 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 71 f. 5 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG Rz. 71 f.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
pachtet oder eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung besteht. Der wesentliche steuerliche Vorteil der Betriebsaufspaltung im Vergleich zur GmbH & Co. KG liegt darin, dass sich durch sie die steuerlichen Vorteile der Kapitalgesellschaft einerseits und der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter andererseits kombinieren lassen. Das gilt vor allem, wenn die Betriebs-GmbH hohe Gewinne erzielt und diese thesauriert. Sie profitiert von dem Körperschaftsteuersatz von 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag. In einer Verlustsituation können sich allerdings Nachteile ergeben.1 Nachteilig wirken sich außerdem die ggf. hohe persönliche Einkommensteuerbelastung des Inhabers des Besitzunternehmens oder der Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft und die gewerbesteuerliche Zusatzbelastung aus. Außerdem sind die Einschränkungen beim Abzug von Betriebsausgaben zu beachten, die sich aus § 3c Abs. 2 EStG ergeben können. Aus der Zinsschranke ergeben sich dagegen grundsätzlich keine Nachteile im Vergleich zur GmbH & Co. KG. 2.180
Die Möglichkeit, die Vorteile einer Betriebsaufspaltung zu nutzen, existiert – neben den bereits bestehenden Betriebsaufspaltungen – nur für solche Unternehmen, die anlässlich ihrer Neugründung von vornherein eine Trennung zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebs-GmbH vornehmen. Die Aufspaltung eines bereits bestehenden Unternehmens – Personengesellschaft oder Einzelunternehmen – mit dem Ziel, eine Betriebsaufspaltung neu zu begründen, ist ohne die Aufdeckung stiller Reserven nicht möglich. Das folgt aus § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG. Deshalb hat die Betriebsaufspaltung erheblich an Bedeutung verloren; für die Zukunft ist sie keine sachgerechte Alternative zur GmbH & Co. KG.
D. GmbH & Still I. Zivilrechtliche Grundlagen 2.181
Eine stille Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Person als Gesellschafter an dem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt, die in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht (§ 230 Abs. 1 HGB). Der stille Gesellschafter ist am Gewinn und – bis zur Höhe der von ihm eingezahlten oder rückständigen Einlage – am Verlust des Handelsgewerbes beteiligt (§§ 231 Abs. 1, 232 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Beteiligung am Verlust kann ausgeschlossen werden (§ 231 Abs. 2 HGB). Bei Beendigung der stillen Gesellschaft erhält der stille Gesellschafter seine Einlage zurück (§ 235 Abs. 1 HGB). Bei einer Beteiligung als stiller Gesellschafter an einer GmbH ist allein die GmbH nach innen und außen Träger des Unternehmens (§ 230 Abs. 2 HGB). Der stille Gesellschafter ist am Unternehmen der GmbH beteiligt (Innenverhältnis), ohne ihr Gesellschafter zu sein (Außenverhältnis). Die Beteiligung am Unternehmen der GmbH beruht auf schuldrechtlicher Basis (Innengesellschaft). Zivilrechtlich kann die Beteiligung des stillen Gesellschafters als typisch stille Gesellschaft – Beteiligung am Gewinn und Verlust – oder atypisch stille Gesellschaft – über die 1 Steuerbelastungsvergleiche anhand von Modellrechnungen finden sich bei Kessler/Teufel, BB 2001, 17; Förster/Brinkmann, BB 2002, 1289; Ott, GStB 2003, 152.
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GmbH & Still
Beteiligung am Gewinn und Verlust hinaus Teilhabe an den stillen Reserven – ausgestaltet sein. Diese Unterscheidung, die in den §§ 230 ff. HGB nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt, hat vor allem Bedeutung für die steuerrechtliche Behandlung der stillen Gesellschaft. Die Besonderheit einer GmbH & Still besteht darin, dass der Gesellschafter einer GmbH sich zusätzlich als stiller Gesellschafter an dieser GmbH beteiligt. In der Insolvenz der GmbH kann der stille Gesellschafter seinen Anspruch auf Rückzahlung der Einlage, soweit sie den Betrag des auf ihn entfallenden Anteils am Verlust übersteigt, als Insolvenzforderung geltend machen (§ 236 Abs. 1 HGB). Ist er am Verlust nicht beteiligt, handelt es sich bei dem gesamten Anspruch auf Rückzahlung der Einlage um eine Insolvenzforderung. Sofern die von dem Gesellschafter der GmbH zusätzlich gewährte stille Einlage in ihrer Ausgestaltung einem Gesellschafterdarlehen entspricht, handelt es sich – um eine nachrangige Insolvenzforderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Unter diesen Voraussetzungen unterliegt die Rückgewähr der stillen Einlage der Insolvenzanfechtung, wenn die Rückzahlung in dem letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag stattgefunden hat (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Einzelheiten sind noch nicht abschließend geklärt.1 Unabhängig davon unterliegt die Rückgewähr der stillen Einlage unter den Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 und 2 InsO der Insolvenzanfechtung.
2.182
Der stille Gesellschafter tritt nach außen nicht in Erscheinung. Ihn trifft keine Haftung für die Verbindlichkeiten des Unternehmens (§ 230 Abs. 2 HGB). Dem stillen Gesellschafter steht nur ein begrenztes Kontrollrecht zu. Er ist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen (§ 233 Abs. 1 HGB).
2.183
II. Steuerrechtliche Folgen Steuerrechtlich ist die Unterscheidung zwischen der typisch stillen Gesellschaft – Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes – und der atypisch stillen Gesellschaft – über die Beteiligung am Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes hinaus Teilhabe an den stillen Reserven – von Bedeutung.2 Der typisch stille Gesellschafter hat steuerrechtlich die Stellung eines Fremdkapitalgebers, während der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist.
2.184
Bei einer typischen GmbH & Still erzielt der stille Gesellschafter, der seine Beteiligung im Privatvermögen hält, Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Der Gewinnanteil unterliegt der Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. Soli-
2.185
1 Vgl. Mock, DStR 2008, 1645 (1648 f.); ausführlich zur Anwendung der Regelungen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (nach den §§ 32a, 32b GmbHG a.F. oder den Grundsätzen der BGH-Rspr.) vor Inkrafttreten des MoMiG Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl. 2010, Rz. 17.7. 2 Allgemein zur GmbH & Still aus steuerrechtlicher Sicht vgl. Schoor/Natschke, Die GmbH & Still im Steuerrecht; Neu in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 13 Rz. 50 ff.; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl. 2010, Rz. 20.52, 21.61 ff.
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daritätszuschlag (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); sie hat seit dem Veranlagungszeitraum 2009 Abgeltungswirkung (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG). Bei der GmbH als selbständigem Steuersubjekt ist der Gewinnanteil als Betriebsausgabe abzugsfähig, mindert also die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer. Für Zwecke der Gewerbesteuer ist der Gewinnanteil des typisch Stillen dem Gewerbeertrag der GmbH allerdings zu einem Viertel wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. c) GewStG). Ist der stille Gesellschafter auch am Verlust beteiligt, so kann er den auf ihn entfallenden Verlust als Werbungskosten geltend machen.1 Dies gilt allerdings nur insoweit, als die Verluste beim Stillen nicht zu einem negativen Einlagekonto führen. In einem solchen Fall steht § 15a Abs. 1 EStG einer sofortigen Verlustberücksichtigung entgegen. Verluste, die ein negatives Einlagekonto entstehen lassen oder ein solches erhöhen, können nur mit zukünftigen Gewinnen aus der stillen Beteiligung verrechnet werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 i.V.m. § 15a EStG).2 Handelt es sich bei dem stillen Gesellschafter um eine Kapitalgesellschaft, sind Verluste unabhängig von der vorstehenden Regelung nur mit Gewinnen aus derselben stillen Beteiligung verrechenbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 6 und 7 EStG). Diese Regelung betrifft nicht natürliche Personen (§ 15 Abs. 4 Satz 8 EStG). 2.186
Ist der typische stille Gesellschafter selbst Gewerbetreibender und ist seine Beteiligung am Unternehmen eines anderen Gewerbetreibenden betrieblich veranlasst, dann gehört die Beteiligung zum Betriebsvermögen des Stillen. Auch in einem solchen Fall unterliegen seine Gewinn- und Verlustanteile – ggf. unter Beachtung des § 15a und des § 15 Abs. 4 Satz 6 und 7 EStG – der Einkommensbesteuerung und darüber hinaus der Gewerbesteuer. Die Einkommensteuer auf den Gewinnanteil wird durch Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag erhoben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); sie hat – anders als im Privatvermögen – keine Abgeltungswirkung. Im Gegensatz zu der bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2007 geltenden Rechtslage ist der Gewinnanteil des Stillen dem Gewerbeertrag der GmbH zu einem Viertel hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. c) GewStG). Diese gewerbesteuerliche Hinzurechnung ist also unabhängig davon, dass der Gewinnanteil beim typisch Stillen der Gewerbesteuer unterliegt, wenn er Gewerbetreibender ist; eine Kürzungsvorschrift greift nicht ein. Daraus ergibt sich folglich seit dem Erhebungszeitraum 2008 eine gewerbesteuerliche Zusatzbelastung.
2.187
Die atypische GmbH & Still ist eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; andere Gesellschaft). Sie wird steuerrechtlich im Wesentlichen der GmbH & Co. KG gleichgestellt mit der Folge, dass der stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Der Gewinnanteil wird dem atypisch stillen Gesellschafter im Zuge der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung zugerechnet. Er erzielt insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Das zu versteuernde Einkommen der GmbH ist um diesen Betrag gemindert. Wenn der atypische Stille eine natürliche Person ist, kann er von der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG für nicht entnom1 Zum Zeitpunkt der Geltendmachung vgl. Weber-Grellet in Schmidt, § 20 EStG Rz. 82 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 23.7.2002 – VIII R 36/01, BStBl. II 2002, 858.
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GmbH & Still
mene steuerliche Gewinne Gebrauch machen, sofern er den Gewinnanteil in der GmbH belässt. Gewerbesteuerlich profitiert er von der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG. Korrespondierend dazu wird dem atypisch stillen Gesellschafter auch sein Verlustanteil unmittelbar zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Allerdings ist auch hier die Beschränkung des Verlustausgleichs und -abzugs aufgrund der beschränkten Haftung des atypisch stillen Gesellschafters zu beachten (§ 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG). Der atypisch stille Gesellschafter kann den nichtausgleichs- oder abzugsfähigen Verlust lediglich mit zukünftigen Gewinnen aus seiner stillen Beteiligung verrechnen (§ 15a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG). Handelt es sich bei dem stillen Gesellschafter um eine Kapitalgesellschaft, sind Verluste unabhängig von der vorstehenden Regelung nur mit Gewinnen aus derselben stillen Beteiligung verrechenbar (§ 15 Abs. 4 Satz 6 und 7 EStG). Die Regelung betrifft nicht natürliche Personen (§ 15 Abs. 4 Satz 8 EStG). Die atypische GmbH & Still ist Gewerbesteuersubjekt. Gewerbesteuerlich besteht der Vorteil des Freibetrags nach § 11 Abs. 1 GewStG in Höhe von 24 500 Euro.1 Ferner besteht für den atypisch stillen Gesellschafter die Möglichkeit der Steuerermäßigung (Gewerbesteueranrechnung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er eine natürliche Person ist (s. Rz. 6.723).
2.188
III. Steuerliche Vorteile der GmbH & Still Der steuerliche Vorteil der typischen und der atypischen GmbH & Still im Vergleich zur GmbH & Co. KG liegt in Folgendem: Wenn die GmbH Gewinne erwirtschaftet, profitiert sie von dem vergleichsweise niedrigen Körperschaftsteuersatz von 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Solange sie die Gewinne nicht an die Gesellschafter ausschüttet, tritt bei ihnen keine Steuerbelastung ein. Die Steuerbelastung ist in diesem Falle niedriger als bei der GmbH & Co. KG, bei der die Gewinne den Gesellschaftern (Mitunternehmern) zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) und grundsätzlich unabhängig von der Art der Ergebnisverwendung – Entnahme oder Einbehalt besteuert werden. Bei der typischen oder atypischen GmbH & Still ist nur der auf den einzelnen Gesellschafter entfallende Gewinnanteil – entweder als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb – steuerpflichtig. Hierdurch lassen sich die steuerpflichtigen Einkünfte durch die Höhe der stillen Beteiligung so steuern, wie es die konkreten Umstände des Einzelfalles erfordern. Gehört die typisch stille Beteiligung zum Privatvermögen, erweist sich die Abgeltungsteuer als vorteilhaft. Allerdings muss der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters angemessen sein, d.h. einem Fremdvergleich standhalten. Ist der vereinbarte Gewinnanteil überhöht, so handelt es sich insofern um eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) mit der Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer erhöht.2
2.189
Insofern ist die GmbH & Still eine interessante Alternative zur GmbH & Co. KG.3 Die steuerliche Belastung eines Kommanditisten und eines atypisch stillen Gesell-
2.190
1 Vgl. BFH v. 2.8.1995 – I R 127/93, BStBl. II 1995, 764. 2 Vgl. BFH v. 12.12.1990 – I R 85/88, BFH/NV 1992, 59. 3 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 24 Rz. 24; Förster/Brinkmann, BB 2002, 1289 (1293 ff.).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
schafters ist allerdings identisch. Die GmbH & Still ist jedoch in einer Verlustsituation nachteilig, weil die Verluste in der GmbH eingeschlossen bleiben und – abgesehen von dem auf den stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteil – nicht wie bei der GmbH & Co. KG den Gesellschaftern (Mitunternehmern) unmittelbar zugerechnet werden.
IV. Fremdfinanzierung; Zinsschranke 2.191
Die bisherigen Beschränkungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung (§ 8a KStG a.F.)1 wurden mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 durch Regelungen ersetzt, die den Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben durch die Einführung einer Zinsschranke generell einschränken (s. Rz. 2.74 ff., Rz. 6.291 ff.). Gesetzliche Grundlage ist § 4h EStG. Zu den Zinsaufwendungen i.S. des § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG gehört auch der Gewinnanteil für die typisch stille Beteiligung, weil es sich hierbei um die Aufwendungen für die Überlassung von Fremdkapital handelt.2 Auf eine Mindestbeteiligungsquote kommt es – anders als nach § 8a Abs. 1 KStG a.F. – nicht an. Die Regelung gilt unabhängig davon, ob der typisch stille Gesellschafter gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist oder ob es sich um einen Dritten handelt. Im Fall einer atypisch stillen Beteiligung erzielt der atypisch stille Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG (andere Gesellschaft). Der steuerliche Gewinn der aus der GmbH einerseits und dem atypisch stillen Gesellschafter andererseits bestehenden Mitunternehmerschaft mindert sich infolgedessen nicht. Die Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 Satz 1 Satz 1 EStG greift deshalb nicht ein.3 Das gilt wiederum unabhängig davon, ob der atypisch stille Gesellschafter gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist oder es sich um einen Dritten handelt.
2.192
Soweit der Gewinnanteil für einen typisch stillen Gesellschafter zu einem negativen Zinssaldo der GmbH führt und dieser das verrechenbare EBITDA – 30 % des maßgeblichen korrigierten Einkommens – der GmbH übersteigt (§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG), greift die Zinsschranke grundsätzlich ein. Die Zinsschranke ist nicht anzuwenden, wenn die in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG geregelten Ausnahmen erfüllt sind (s. Rz. 2.79 ff., Rz. 6.293 ff.). Soweit die Zinsschranke nach § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG eingreift und die Ausnahmen nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG nicht entgegenstehen, sind die Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar, sofern nicht ein EBITDA-Vortrag besteht (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Sie sind dem Einkommen der GmbH außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Das gilt auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer. Auf der Ebene des typisch stillen Gesellschafters findet keine Umqualifizierung seiner Einkünfte statt; er erzielt im Privat- oder Betriebsvermögen steuerpflichtige Zinserträge (s. Rz. 2.92). Für Zinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahres, die nicht abgezogen werden dürfen, ist der Zinsvortrag zu beachten (§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG, s. Rz. 2.93 f.). 1 S. 19. Aufl., § 2 Rz. 63 ff., 160 ff.; § 8 Rz. 233 ff. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 11. 3 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 19.
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GmbH & Still
Aus § 8a Abs. 2 und 3 KStG ergeben sich verschärfende Regelungen für den Fall einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer Körperschaft und damit insbesondere einer Kapitalgesellschaft. Sie schränken die vorstehend beschriebenen Ausnahmen von der Zinsschranke (s. Rz. 2.91) unter bestimmten Voraussetzungen wieder ein. Die verschärfenden Regelungen in § 8a Abs. 2 und 3 KStG haben im Zusammenhang mit der GmbH & Still Bedeutung, wenn ein Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffsberechtigter Dritter) zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der GmbH beteiligt ist und gleichzeitig typisch stiller Gesellschafter ist. § 8a Abs. 2 KStG erfasst den Fall, in dem die GmbH nicht zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG) und ein Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffsberechtigter Dritter) zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der GmbH beteiligt und gleichzeitig typisch stiller Gesellschafter der GmbH ist. Sofern der Gewinnanteil des typisch stillen Gesellschafters und damit die Vergütungen für Fremdkapital an diesen Gesellschafter mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der GmbH betragen, greift die Zinsschranke gem. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein, obwohl der Betrieb – die GmbH – nicht zu einem Konzern gehört und infolgedessen der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG erfüllt ist. § 8a Abs. 3 KStG erfasst demgegenüber den Fall, in dem die GmbH zu einem Konzern gehört und ein Gesellschafter (nahestehende Person; rückgriffsberechtigter Dritter) zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der GmbH beteiligt ist, jedoch nicht in den Konzernabschluss einzubeziehen ist, und gleichzeitig die Stellung eines typisch stillen Gesellschafters hat. Sofern der Gewinnanteil des typisch stillen Gesellschafters und damit die Vergütungen für Fremdkapital an diesen Gesellschafter mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der GmbH oder eines anderen demselben Konzern angehörenden Rechtsträgers betragen, greift die Zinsschranke gem. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ein, auch wenn der GmbH der Eigenkapitalvergleich (Escape-Klausel) gelingt und daher der Befreiungstatbestand des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG erfüllt ist. Aus § 8a Abs. 2 und 3 KStG können sich somit – sowohl im Fall der Konzernunabhängigkeit als auch im Fall der Konzernzugehörigkeit – erhebliche Einschränkungen für die typische GmbH & Still ergeben, wenn ein Gesellschafter zu mehr als 25 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und gleichzeitig typisch stiller Gesellschafter ist.
2.193
Insgesamt haben die Beschränkungen, die sich aus der Zinsschranke im Fall der typisch stillen Gesellschaft ergeben, zur Folge, dass der spezifische Vorteil der GmbH & Still als Rechtsform – vor allem bei wesentlich (zu mehr als 25 %) am Stammkapital beteiligten Gesellschaftern – eingeschränkt ist. Das gilt insbesondere im Vergleich zur GmbH & Co. KG.
2.194
V. Ausländischer Gesellschafter Die typische GmbH & Still ist ein interessantes Gestaltungsinstrument für ausländische – beschränkt steuerpflichtige – Gesellschafter. Allerdings sind die Beschränkungen der Zinsschranke gem. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG zu beachten (s. Rz. 2.191 ff.). Wenn der stille Gesellschafter gleichzeitig wesentlich, d.h. zu mehr als 25 %, am Stammkapital der GmbH beteiligt ist, sind zuMueller-Thuns
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
sätzlich die verschärfenden Regelungen des § 8a Abs. 2 KStG (keine Konzernzugehörigkeit gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG) und des § 8a Abs. 3 KStG (Konzernzugehörigkeit der GmbH; erfolgreicher Eigenkapitalvergleich gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst c) EStG) anzuwenden (s. Rz. 2.91, 2.193). 2.196
Durch eine typische GmbH & Still lässt sich – vorbehaltlich der Zinsschranke – die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer verringern. Der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters unterliegt der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) EStG). Die meisten DBA behandeln die Einkünfte des typisch stillen Gesellschafters als Dividende, so dass dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht zusteht.1 Die GmbH hat Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag einzubehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); sie hat Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Kapitalertragsteuer ist ggf. auf die im Ausland zu entrichtende Steuer anrechenbar.
2.197–2.200
Einstweilen frei.
E. Besonderheiten bei der Familien-GmbH & Co. KG I. Allgemeines 2.201
Sind mehrere nahe Angehörige2 an einer Personengesellschaft beteiligt, spricht man regelmäßig von einer Familienpersonengesellschaft. Die Familienpersonengesellschaft unterliegt grundsätzlich den gleichen Vorschriften und Grundsätzen wie eine Personengesellschaft unter Beteiligung einander fremder Personen. Sie ist jedoch in steuerrechtlicher Hinsicht seit jeher einer kritischen Betrachtung nicht nur durch die Finanzverwaltung, sondern auch – allerdings mit abnehmender Tendenz – durch die Rechtsprechung des BFH ausgesetzt. Die Rechtsprechung trägt den innerhalb eines Familienverbundes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlich zulässiger Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung. Verträge zwischen nahen Angehörigen können nämlich auch ohne wirtschaftlichen Gehalt allein auf die Erzielung steuerlicher Vorteile angelegt sein; entgegen dem auf geschäftliche Beziehungen deutenden äußeren Bild können sie in Wirklichkeit auch privat veranlasste Zuwendungen des Steuerpflichtigen beinhalten (§ 12 Nr. 2 EStG), die der Einkommensverwendung zuzurechnen sind und folglich seine Einkünfte nicht mindern dürfen.3 Daher werden derartige Verträge steuerlich nur anerkannt, wenn bestimmte Zulässigkeitskriterien erfüllt sind. Danach müssen die Verträge ernsthaft gewollt, also in erster Linie rechtswirksam zustande gekommen sein (s. dazu Rz. 2.208 ff.), inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen 1 Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 10 Rz. 165. 2 Vgl. zur Begriffsbestimmung Bordewin, DB 1996, 1359 (1360 ff.); Stapperfend in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 851; FG Nds. v. 19.5.2003 – 1 K 202/98, EFG 2003, 1457 (1457), rkr. 3 BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 = GmbHR 2009, 672; BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2000, 186 (188) = GmbHR 2001, 152 m. Komm. Bickenbach.
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Familien-GmbH & Co. KG
(s. Rz. 2.222 ff.) und auch wie unter Dritten vollzogen werden (s. Rz. 2.235 ff.). Auch das BVerfG hält es aus den genannten Gründen für verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung an die Ernsthaftigkeit von Verträgen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen stellt.1 Allerdings folgt das BVerfG in seinen Urteilen aus den Jahren 1995/96 dem BFH in seiner bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung nicht uneingeschränkt, so dass die finanzgerichtliche Rechtsprechung in der Folgezeit die aufgestellten Kriterien in abgeschwächter Form angewendet hat. Es handelt sich nämlich bei diesen Kriterien nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern lediglich um Indizien, die im Rahmen der ausschlaggebenden Frage, ob die Vereinbarung zwischen den Angehörigen ernsthaft gewollt ist, zu prüfen sind.2 Für § 42 AO ist neben der Prüfung der Ernsthaftigkeit anhand der vom BFH geforderten Kriterien u.E. kein Platz mehr.3 Die o.g. allgemein für Verträge zwischen Angehörigen geltenden Grundsätze sind auch auf Gesellschaftsverhältnisse anzuwenden.4 Auch hier geht es nicht darum, das zivilrechtlich Vereinbarte aufzuheben. Das Steuerrecht folgt vielmehr nicht den Regelungen der zivil- bzw. gesellschaftsrechtlich wirksam zustande gekommenen Personengesellschaft, sofern die oben genannten Kriterien nicht erfüllt wurden. Im Fall von Gesellschaftsverhältnissen kann sich daraus steuerlich ergeben, dass das Gesellschaftsverhältnis im Ganzen, also dem Grunde nach, nicht anerkannt wird oder dass nur der Vereinbarung über die Gewinnverteilung (der Höhe nach) nicht gefolgt wird.5
2.202
Eine Ausprägung der Familienpersonengesellschaft ist die Familien-GmbH & Co. KG. Sie kommt typischerweise dadurch zustande, dass ein Eltern- oder Großelternteil sein Einzelunternehmen in die Gesellschaft einbringt6 und diese anschließend über die Komplementär-GmbH beherrscht, während die schenkweise in die Gesellschaft aufgenommenen Kinder bzw. Enkelkinder als Kommanditisten fungieren. Die eingangs genannten Grundsätze zwischen nahen Angehörigen gelten gleich-
2.203
1 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34; BVerfG v. 9.1.1996 – 2 BvR 796/91, Stbg 1997, 110; BVerfG v. 15.8.1996 – 2 BvR 3027/95, DB 1996, 2470. 2 Vgl. BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 (295 f.); einschränkend Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 747; BFH v. 22.2.2007 – IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20, wonach sich bei Nichtbeachtung der Formvorschriften die Indizwirkung verstärkt. Nach Auffassung des FG Nds. v. 19.5.2003 – 1 K 202/98, EFG 2003, 1457 (1458), rkr., kann den vertraglichen Gestaltungen durch die Angehörigenrechtsprechung nur dann die Anerkennung versagt werden, wenn sie zu einer Steuerminderung führen. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sind danach kein Selbstzweck. Bei der Berechnung der Steuerminderung sind alle Steuerarten in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. 3 Ebenso Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 106; Westerfelhaus, DB 1997, 2033 (2033). Er grenzt damit die Einkünfteerzielung von der Einkünfteverwendung ab. Vgl. auch Fuhrmann, KÖSDI 2005, 14784 (14785). Die h.M. ist anderer Ansicht: allgemein BFH v. 29.8.2007 – IX R 17/07, BStBl. II 2008, 502 (503 f.); BFH v. 22.4.1998 – X R 163/94, BFH/NV 1999, 24 (25); BFH v. 7.6.1994 – IX R 121/92, BFH/NV 1999, 912 (913): nur in Ausnahmefällen; Pezzer, DStZ 2002, 850 (850), als ultima ratio; R 15.9 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012 zur Gewinnverteilung, im Übrigen vgl. H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Allgemeines“. 4 BFH v. 1.2.1973 – IV R 61/72, BStBl. II 1973, 309; BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (799) = GmbHR 1986, 403; BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386. 5 Zur Gewinnverteilung vgl. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (6); BFH v. 22.8. 1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 (183). S. Rz. 2.248 ff. 6 Zu den Formen und ertragsteuerlichen Auswirkungen der Einbringung vgl. Rz. 8.94 ff.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
falls für eine Beherrschung über die Komplementär-GmbH, weil die Einschaltung der GmbH als Gesellschafterin der Familien-GmbH & Co. KG keine Gewähr dafür bietet, dass der Gesellschaftsvertrag wie unter Dritten zustande kommt und vollzogen wird.1 Die Zusammensetzung der an der Familien-GmbH & Co. KG Beteiligten hängt ganz von den individuellen Familienverhältnissen und Motiven ab. Es kommt also ebenso vor, dass Kommanditisten neben den Kindern oftmals auch der unternehmerisch tätige Elternteil oder nicht selten neben bzw. anstelle der Kinder andere Angehörige (Ehegatte, die Geschwister der Eltern oder deren Kinder) sind. Die Grenze zur Familien-GmbH & Co. KG wird dort zu ziehen sein, wo ein Interessengegensatz fehlt oder einseitig zugunsten von Familienangehörigen getroffene Vereinbarungen nicht verhindert werden können. Hierfür reicht mitunter eine mehrheitliche Beteiligung des übertragenden Angehörigen aus.2 Daneben kommen auch Erscheinungsformen vor, wonach die Eltern das betriebsnotwendige Anlagevermögen an eine neu gegründete Familien-GmbH & Co. KG verpachten oder ihre Kinder im Wege einer Unterbeteiligung Vermögen übertragen. Beliebt ist die Familien-GmbH & Co. KG schließlich auch in Gestalt einer vermögens- bzw. grundstücksverwaltenden Gesellschaft.3 Sehr häufig wird dem Übertragenden der Beteiligung ein (dingliches) Nießbrauchsrecht i.S.v. §§ 1030, 1068 ff. BGB bestellt (Vorbehaltsnießbrauch). Dadurch können die Eltern die Unternehmensnachfolge einleiten, ohne gleichzeitig das wirtschaftliche Substrat auf die Minderjährigen zu übertragen (zum Nießbrauch s. Rz. 2.230 und Rz. 8.87 ff., 8.150 f.). 2.204
Die Motive für die Begründung einer Familien-GmbH & Co. KG sind unterschiedlicher Natur, in der Regel ein Bündel sowohl aus zivilrechtlichen und steuerlichen als auch aus wirtschaftlichen und familiären Aspekten.4 Die (gewerbliche) GmbH & Co. KG eignet sich besonders für die (vorweggenommene) Erbfolge bzw. Unternehmensnachfolge, weil dadurch eine Zersplitterung des Vermögens innerhalb des Familienverbunds vermieden werden kann (s. zu den erbschaftsteuerlichen Regelungen Rz. 8.129 ff.). Das für die Kommanditgesellschaft geltende dispositive Gesellschaftsrecht erlaubt flexible Vertragsgestaltungen, die den fließenden Übergang des Familienbetriebs auf die nächste und übernächste Generation erleichtern. Zudem können die steuerlichen Begünstigungen der §§ 13a, 19a ErbStG (Verschonungsregelungen) in Anspruch genommen werden, ohne dass es auf eine Mindestbeteiligung wie bei Kapitalgesellschaften ankommt (s. § 13b Abs. 1 ErbStG, s. hierzu Rz. 8.77, 8.137). Dieser Aspekt kann noch an Gewicht gewinnen, wenn der Gesetzgeber im Nachgang zum Urteil des BVerfG vom 17.12.20145 auch eine Mindestbeteiligungsquote für den Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften 1 BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800) = GmbHR 1986, 403. 2 BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 = GmbHR 2009, 672. Abgrenzung bei nahen Angehörigen zur Frage der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 1 EStG, BFH v. 28.1.2015 – VIII R 8/14, BFH/NV 2015, 585. 3 Vgl. Beckervordersandfort/Sielker, ErbBstg 2014, 207 ff.; Rz. 8.77. 4 Auf das Motiv der Gründung kommt es bei der Anerkennung der Familienpersonengesellschaft nicht an, BFH v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 (183); BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800) = GmbHR 1986, 403. Sie kann folglich auch rein steuerlich motiviert sein. Vgl. H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Allgemeines“. 5 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 = GmbHR 2015, 88.
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Familien-GmbH & Co. KG
beschließen sollte. Ein Wegfall der Begünstigungen oder eine grundlegende Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts in diesem Bereich sind allerdings u.E. nicht zu befürchten (s. auch Rz. 8.145 ff.). Dem Vernehmen nach sollen punktuelle Änderungen den Vorgaben des BVerfG Genüge tun. Zu rechnen ist mit einer weiteren Begrenzung des sog. Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) und einer Ausdehnung der sog. Lohnsummenregelung auch auf Kleinstbetriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern. Eine Verschonungsbedarfsprüfung, die die Anwendung der Begünstigungen von der Bedürftigkeit der Beteiligten abhängig macht, ist zwar für Großunternehmen im Gespräch. Eine solche Regelung wäre indes unpraktikabel und gefährlich zugleich im Hinblick auf die schonungswürdige Unternehmensnachfolge, insbesondere wenn sie einhergeht mit einer hohen Bewertung nach den §§ 199 ff. BewG. Sie könnte zudem angesichts einer dadurch forcierten Ungleichbehandlung erneut verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen und ist daher im Ergebnis abzulehnen. Ob die GmbH & Co. KG im Bereich der (vorweggenommenen) Unternehmensnachfolge an Attraktivität einbüßen wird, bleibt abzuwarten. Übertragungen der Kommanditanteile unter Vorbehalt eines Nießbrauchs dürften von den Reformen nicht in entscheidendem Maße beeinträchtigt werden und damit weiterhin interessant bleiben, zumal der Nießbrauch bezogen auf steuerpflichtiges Vermögen als Verbindlichkeit abgezogen werden darf (s. aber den Gestaltungshinweis in Rz. 2.232). Als ein weiterer Beweggrund wird häufig die Verlagerung von elterlichen Einkünften auf die Kinder genannt, um unter Ausnutzung von Freibeträgen und des progressiven Einkommensteuertarifs die Steuerlast im Familienverbund zu senken (sog. Familiensplitting, zur Kritik s. Rz. 2.264). Dieses nicht nur von Vertretern der Finanzverwaltung angeführte Motiv dürfte indes zu vernachlässigen sein, da sich die steuerlichen Effekte in Grenzen halten. Gesellschaftsrechtlich sei ergänzend auf den Vorteil der Haftungsbeschränkung bei der GmbH & Co. KG verwiesen. Neben den rechtlichen Aspekten hat eine Teilhabe der Kinder am elterlichen Unternehmen den Vorteil, dass die Kinder mit ihrer Kapitalbeteiligung bereits an das elterliche Unternehmen gebunden sind und damit nach dem Leitbild des § 1626 Abs. 2 BGB u.U. früh Verantwortung zu tragen lernen. Auch zur Vorbereitung auf eine (spätere) Mitarbeit der Kinder im Unternehmen kann die Beteiligung förderlich sein. Zudem erhalten die Kinder oftmals über ihren Kapitalanteil die Möglichkeit, sich selbst zu unterhalten und die eigene Ausbildung zu finanzieren. Die Zahlung in Form der Zuweisung einer Einkunftsquelle ist in diesem Fall steuerlich vorteilhafter als die Zahlung aus dem eigenen versteuerten Einkommen der Eltern, was indes erfahrungsgemäß – wie erwähnt – nicht das Leitmotiv ist. Trotz der vorgenannten Motive besteht ein nahe liegendes und nachvollziehbares Interesse der Eltern, ihr Unternehmen weiterhin zu beherrschen und Machtbefugnisse erst sukzessive auf ihre Kinder zu verlagern. Sind die Kinder noch sehr jung (minderjährig), ist eine Mitwirkung an den Entscheidungsprozessen oder eine Mitarbeit im Unternehmen wenig sinnvoll. Darüber hinaus ist gerade zu einem solch frühen Zeitpunkt der Beteiligung völlig ungewiss, wie sie sich entwickeln und ob sie als spätere Führungskraft im Unternehmen geeignet sind. Es darf nämlich an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass der Wunsch der Eltern bzw. übertragenden Generation an der Fortsetzung des Unternehmens durch die nachfolgende Generation sehr häufig nicht in Erfüllung geht. Dabei gilt, je jünger die nachfolFatouros
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
gende Generation im Zeitpunkt der Teilhabe war, desto seltener kommt tatsächlich eine Nachfolge in der Unternehmensleitung in Betracht. Neben dieser Ungewissheit haben die Eltern das legitime Interesse, die eigene Altersversorgung sicherzustellen. Kennzeichnend für die Begründung von Familiengesellschaften ist ferner, dass die Eltern weiterhin über die entstandenen Gewinnanteile der Angehörigen verfügen und über deren Zufluss bestimmen können (vgl. zu den Ausprägungen Rz. 2.224). Die Finanzverwaltung und ihr folgend die Finanzgerichte sahen sich daher mit Gestaltungen konfrontiert, in denen zwar die von den Eltern angestrebten Vorteile durch Aufnahme der Kinder in das elterliche Unternehmen verwirklicht werden sollten, ansonsten aber wirtschaftlich alles beim Alten blieb bzw. trotz Übertragung noch kein endgültiger Zustand geschaffen wurde. Insbesondere haben die Eltern häufig den Bestand der Gesellschaft von ihrer jederzeit durchsetzbaren Entscheidung bzw. (Hinaus-)Kündigung abhängig gemacht. 2.206
Die Rechtsprechung verlangte daraufhin die eingangs skizzierten besonderen Kriterien für die Anerkennung von Familienpersonengesellschaften. Sie möchte diese Kriterien bei Familienpersonengesellschaften insbesondere auf Fälle einer Schenkung aus dem Vermögen der Eltern an die Kinder angewendet wissen, weil Fälle dieser Art nicht mit Gestaltungen einander Fremder vergleichbar sind.1 Die Schenkung kann entweder mit Barmitteln unter der Auflage der Beteiligung an der neu gegründeten bzw. bereits bestehenden Gesellschaft erfolgen oder durch Schenkung einer Beteiligung.2 Die für die Familienpersonengesellschaften entwickelten strengeren Anforderungen können nicht durch eine Barschenkung unter Auflage umgangen werden. Diese Art der Schenkung kommt der Schenkung der Beteiligung wirtschaftlich gleich.3 Das Kind hat in beiden Fällen keine eigene Dispositionsmöglichkeit. Diese fehlt dem Kind zunächst auch, wenn es in eine Familienpersonengesellschaft unter der Auflage aufgenommen wird, die offene Einlage aus zukünftigen Gewinnanteilen zu bedienen.4 Führen die Kinder der Familienpersonengesellschaft Kapital aus eigenen Mitteln zu, ist aber gleichwohl zu überprüfen, ob insbesondere die vereinbarte bzw. zugebilligte Gewinnverteilung angemessen ist (s. Rz. 2.262 ff.).5 Denn auch hierbei besteht die Gefahr, dass die Kinder in Wahrheit private Zuwendungen von den Eltern erhalten. Erwirbt ein Kind einen Gesellschaftsanteil von Todes wegen, besteht hingegen kein Anlass, die Stellung des Kindes und die Gewinnverteilungsabrede in Zweifel zu ziehen,6 es sei denn, dass die Bedingungen kurz vor dem Todeszeitpunkt in unangemessener Weise angepasst wurden. Der schenkweisen Aufnahme kann u.U. gleichstehen, wenn das Kind
1 BFH v. 4.6.1973 – IV R 26/68, BStBl. II 1973, 866 (867). 2 BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (326). 3 Schenkung und Eintritt in die Gesellschafterstellung werden als Einheit betrachtet und insgesamt nach den für Rechtsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen geltenden Grundsätzen beurteilt, vgl. BFH v. 18.12.1990 – VIII R 290/82, BStBl. II 1991, 391 (395); BFH v. 12.2. 1992 – X R 121/88, BStBl. II 1992, 468 (469); anders BFH v. 18.12.1990 – VIII R 1/88, BStBl. II 1991, 911. 4 BFH v. 1.2.1973 – IV R 9/68, BStBl. II 1973, 221 (223); BFH v. 1.2.1973 – IV R 138/67, BStBl. II 1973, 526 (528); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Verfügungsbeschränkungen“. 5 BFH v. 13.3.1980 – IV R 59/76, BStBl. II 1980, 437 (438) = GmbHR 1980, 306. 6 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8). Vgl. zur Gewinnverteilung Rz. 2.248 ff.
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die Mittel im Wege eines Darlehens zur Verfügung gestellt bekommt.1 Von Bedeutung sind schließlich auch die Rechtsverhältnisse zwischen der GmbH & Co. KG und den Angehörigen. Auch sie unterliegen einer besonderen Würdigung hinsichtlich ihrer Anerkennung.2 Für die steuerlich wirksame Begründung einer Familien-GmbH & Co. KG bedarf es der genauen Kenntnis der Anerkennungskriterien. Werden diese Kriterien nicht beachtet, läuft der Steuerpflichtige Gefahr, dass zwar die zivilrechtliche Umsetzung der Familien-GmbH & Co. KG gelingt, aber die steuerliche Anerkennung durch die Finanzverwaltung versagt wird. Die Folgen sind i.d.R. unangenehm (s. Rz. 2.243 ff.). Hinzu kommt die Komplexität des Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrechts, im Speziellen bei Nießbrauchsgestaltungen, bei denen ebenfalls in Einzelfragen Rechtsunsicherheit besteht. In vielen Fällen wird es sich daher empfehlen, die geplanten Schritte und vertraglichen Regelungen vor ihrer Umsetzung mit der Finanzverwaltung einvernehmlich abzustimmen3 und im Zweifel den sichersten Weg zu gehen. Es sollte aber in jedem Fall rechtzeitig ein Rechtsbeistand hinzugezogen werden, um neben den steuerlichen die zahlreichen zivilrechtlichen Notwendigkeiten zu befolgen. Die nachfolgenden Abschnitte sollen die Besonderheiten von Familiengesellschaften im Allgemeinen unter Berücksichtigung der speziellen Eigenarten der Familien-GmbH & Co. KG hervorheben. Dabei befassen sich die nachfolgenden Ausführungen in erster Linie mit der oben dargestellten typischen Familien-GmbH & Co. KG, also unter Beteiligung von minderjährigen, beschränkt geschäftsfähigen Kindern, die schenkweise als Kommanditisten in die Gesellschaft der Angehörigen aufgenommen wurden. Im Vordergrund steht die gewerblich tätige GmbH & Co. KG.
2.207
II. Kriterien der steuerlichen Anerkennung einer Familien-GmbH & Co. KG 1. Ernsthafte Gestaltung der vertraglichen Vereinbarungen Die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen hängt davon ab, ob sie ernsthaft vereinbart worden sind. Der BFH sieht die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung als gewahrt an, wenn alle Folgerungen daraus gezogen werden, ins-
1 BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (672); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Allgemeines“; Schulze zur Wiesche, WPg 1987, 433 (441). 2 Vgl. R 4.8 EStR 2012; u.a. BFH v. 18.12.1990 – VIII R 1/88, BStBl. II 1991, 911 (912); z.B. zur Betriebsaufspaltung vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 849, zur Organschaft vgl. Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 507. 3 Die Absprache sollte jedoch rechtssicher erfolgen. Dies könnte im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft i.S. des § 89 Abs. 2 AO geschehen, der allerdings gem. § 89 Abs. 3 bis 5 AO gebührenpflichtig ist. Unter Bezug auf die geplante Neuregelung durch das Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des BVerfG werden aber von der Finanzverwaltung zu §§ 13a, 13b ErbStG keine verbindlichen Auskünfte mehr erteilt, so BayLfSt v. 6.8.2015 – S 3700.2.1 - 11/2 St 34, DStR 2015, 2181.
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besondere wenn sie zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist.1 Die zivilrechtliche Gestaltung muss ferner klar und eindeutig sein.2 a) Klarheit und Eindeutigkeit 2.209
Um dem Kriterium der Klarheit und der Eindeutigkeit zu genügen, sollten die Gesellschaftsverträge in jedem Fall schriftlich abgefasst werden.3 Schriftliche Verträge erleichtern zudem in Streitfällen den Nachweis der getroffenen Vereinbarungen erheblich.4 Die schriftlich abgefassten Verträge sollten ferner alle bedeutsamen Sachverhalte regeln und nicht mehrdeutig ausgelegt werden können.5 Eine steuerliche Rückwirkung der (schriftlich) vereinbarten Vertragsklauseln ist grundsätzlich nicht möglich,6 es sei denn, es gelingt ausnahmsweise der Nachweis, dass der Gesellschaftsvertrag zu einem früheren Zeitpunkt mündlich abgeschlossen wurde und nunmehr lediglich schriftlich fixiert werden soll.7 b) Zivilrechtliche Wirksamkeit
2.210
Hinsichtlich der Frage, ob die Vereinbarung zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist, muss formal zwischen der Schenkung und der Begründung der Gesellschafterstellung des Minderjährigen unterschieden werden. Die Schenkung eines Kommanditanteils an die Kinder bedarf der notariellen Beurkundung nach § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach allgemeiner Meinung wird jedoch dieser Mangel des Schenkungsversprechens spätestens durch den Vollzug geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB).8 Dies gilt auch, sofern sich in dem Gesamthandsvermögen der KG Grundstücke be1 BFH v. 1.2.1973 – IV R 49/68, BStBl. II 1973, 307 (308); zu beachten sind u.a. BFH v. 13.7. 1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386 und BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 (295 f.); BMF v. 2.4.2007 – IV B 2 - S 2144/0, BStBl. I 2007, 441 (Nichtanwendungserlass) und BFH v. 22.2.2007 – IX 45/06, BFH/NV 2000, 1400 (1401), wonach sich bei Nichtbeachtung der Formvorschriften die Indizwirkung verstärkt. S. Rz. 2.219. 2 BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152. 3 Eine schriftliche Abfassung des Gesellschaftsvertrages ist bereits faktisch deshalb geboten, weil das Familiengericht, s. Rz. 2.212 ff., sowie ggf. der Registerrichter einen schriftlichen Vertrag verlangen werden. 4 Vgl. BFH v. 4.6.1991 – IX R 150/85, BStBl. II 1991, 838 (840); BFH v. 10.8.1988 – IX R 220/84, BStBl. II 1989, 137 (139); BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 (878); BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (328). 5 Eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ist grundsätzlich möglich, BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152; vgl. zu dieser Problematik BFH v. 18.3. 1964 – IV 86/63, BStBl. III 1964, 429 (430); BFH v. 29.1.1976 – IV R 102/73, BStBl. II 1976, 328 (331 f.); vgl. ferner zur Eindeutigkeit BFH v. 19.12.1979 – I R 176/77, BStBl. II 1980, 242 (244) und BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 (878). 6 BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (271). 7 BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (328). Zu mündlichen Verträgen vgl. Kulosa, DB 2014, 972 (973 m.w.N.). 8 OLG Frankfurt v. 15.4.1996 – 20 W 516/94, NJW-RR 1996, 1123 (1124) m.w.N.; BFH v. 13.9. 1956 – IV 317/55 U, BStBl. III 1956, 380 (381); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 747; unklar, aber aufgrund der Zitate nur auf die Innengesellschaft bezogen, BFH v. 8.3.1984 – I R 31/80, BStBl. II 1984, 623 (624). Anders (str.), wenn eine typische Unterbeteiligung an einem KG-Anteil übertragen wird, vgl. BGH v. 29.10.1952 – II ZR 16/52, BGHZ 7, 378 (379 ff.); BFH v. 8.8.1979 – I R 82/76, BStBl. II 1979, 768 (770). Vgl. auch Rz. 8.78 und zu Anteilen an der Komplementär-GmbH Rz. 8.79.
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finden.1 Wird allerdings die KG durch Einbringung des elterlichen Einzelunternehmens gegründet und bringt der Elternteil ein betrieblich genutztes Grundstück ein, dann ist eine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags geboten, sofern die Einbringung im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.2 Der Vollzug der Schenkung geschieht durch Abtretung (§§ 398, 413 BGB), Erfüllung einer Schenkungsauflage durch Einzahlung der Einlage, Zahlung der Einlage direkt durch die Eltern oder durch Umbuchung des Kapitalanteils.3 Aus Gründen des Nachweises sollte auch der Inhalt der Schenkung bzw. der Schenkungsgegenstand schriftlich und eindeutig festgehalten werden.4 Unterfallen die Minderjährigen der elterlichen Sorge gem. § 1626 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1629 Abs. 1 BGB (gesetzliche Vertretung), bedarf es nach gefestigter Rechtsprechung des BFH5 zur steuerlichen Anerkennung bzw. zivilrechtlich wirksamen Begründung der Gesellschafterstellung des Minderjährigen, die im Zuge der Schenkung eingeräumt wird, der Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB, wenn zumindest ein Elternteil6 ebenfalls Gesellschafter der GmbH & Co. KG ist.7 Die Eltern werden an der ihnen grundsätzlich obliegenden Vertretung gesetzlich gehindert, weil sich der elterliche Schutz wegen der Interessenkollision bei einer solchen Gesellschafterstruktur als unzulänglich erweist. Die bloße Möglichkeit eines Interessengegensatzes reicht nicht aus. Die Eltern schließen also den Gesellschaftsvertrag praktisch mit sich selbst ab und wären ohne Einschaltung eines Ergänzungspflegers imstande, sich im Verhältnis zum Kind in unangemessener Weise besser zu stellen. Rechtsgrundlage für eine solche Vorgehensweise ist das Verbot von Insichgeschäften gem. § 181 BGB (Selbstkontrahierungsverbot). Das Verbot findet jedenfalls auf die Gründung der Familien-GmbH & Co. KG Anwendung, da darin nicht lediglich ein rechtlicher Vorteil i.S. des § 107 BGB für den Minderjährigen zu sehen ist. Läge nämlich ein solcher Vorteil vor, bestünde keine Notwendigkeit, die Interessen des Kindes zu schützen. Umstritten ist, ob auch beim schenkweisen Beitritt in eine bestehende Familien-GmbH & Co. KG ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss, sofern ein Elternteil selbst an der Gesellschaft beteiligt ist. Nach wohl inzwischen überwiegender und vorzugswürdiger Auffassung ist die 1 Kanzleiter in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 311b BGB Rz. 14; OLG Frankfurt v. 15.4. 1996 – 20 W 516/94, NJW-RR 1996, 1123 (1123) m.w.N. 2 Stenger in Sudhoff, Unternehmensnachfolge, § 21 Rz. 15. 3 Vgl. K. Schmidt, BB 1990, 1992. 4 Vgl. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 (878); BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418); BFH v. 7.4.1976 – II R 87–89/70, BStBl. II 1976, 632 (zur Schenkungsteuer); hinsichtlich des Zivilrechts: K. Schmidt, BB 1990, 1992 (1994). 5 BFH v. 9.7.1987 – IV R 95/85, BStBl. II 1988, 245 (247); BFH v. 1.2.1973 – IV R 61/72, BStBl. II 1973, 309 (312). 6 Vgl. Huber in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1629 BGB Rz. 42; BGH v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708 f.; BFH v. 23.4.1992 – IV R 46/91, BStBl. II 1992, 1024 (1025); BFH v. 29.1.1976 – IV R 102/73, BStBl. II 1976, 328 (331). 7 H 4.8 EStH 2014, „Minderjährige Kinder“; ein Ergänzungspfleger ist bereits bei einer zeitlich vorgelagerten Schenkung unter der Auflage des Erwerbs eines Gesellschaftsanteils erforderlich, da die Auflage eine Belastung für das Kind darstellt, BFH v. 9.7.1987 – IV R 95/85, BStBl. II 1988, 245 (247). Schenken die Großeltern, ist in Bezug auf die Eltern §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB einschlägig.
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Schenkung dann rechtlich lediglich vorteilhaft, sofern die Übertragung erst mit Eintragung in das Handelsregister wirksam wird.1 Dabei sind aber die für die vorweggenommene Erbfolge im Übrigen getroffenen Regelungen in die Betrachtung mit einzubeziehen und daraufhin zu prüfen, ob sie einen rechtlichen Nachteil begründen.2 Angesichts der Komplexität sollte daher vorsichtshalber auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers hingewirkt werden.3 Sind mehrere Kinder an dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages beteiligt, ist für jedes Kind ein besonderer Ergänzungspfleger zu bestellen.4 Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist u.E. ebenfalls erforderlich, wenn die Eltern oder ein Elternteil selbst nicht als Kommanditisten an der Familien-GmbH & Co. KG beteiligt sind, sondern nur Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH halten und deren Geschäftsführer sind.5 2.212
Wenn der Minderjährige als Kommanditist Träger von Gesellschaftsvermögen sowie Mitinhaber des gemeinsamen Unternehmens und als solcher an dem gemeinsamen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts beteiligt wird, ist weiterhin nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB zur zivilrechtlichen Wirksamkeit der Begründung der Gesellschafterstellung des Minderjährigen eine Genehmigung durch das Familiengericht6 ein1 Eine Haftung nach § 176 Abs. 2 HGB kann so vermieden werden. Vgl. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 23; Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3026); Knothe in Staudinger, 13. Aufl. 2004, § 107 BGB Rz. 29; Werner, GmbHR 2006, 737 (739 f.), zumindest wenn der Minderjährige nicht auch als Gesellschafter an der Komplementär-GmbH beteiligt wird. Vgl. auch BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, DStR 2005, 1937 (1940) = BStBl. II 2005, 892; BFH v. 28.11.1973 – I R 101/72, BStBl. II 1974, 289 (290) zur typisch stillen Gesellschaft. Die Beurteilung, ob die unentgeltlich übertragene Gesellschafterstellung rechtlich lediglich vorteilhaft ist, richte sich allein nach den rechtlichen Folgen; die wirtschaftlichen Wirkungen haben dabei außer Betracht zu bleiben, vgl. BFH v. 31.10. 1989 – IX R 216/84, BStBl. II 1992, 506 (508) i.V.m. BGH v. 5.2.1971 – V ZR 91/68, MDR 1971, 380. A.A. BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 (232): Der Minderjährige erwerbe ein Bündel an Rechten und Pflichten. Ferner LG Aachen v. 21.6.1993 – 3 T 128/93, NJW-RR 1994, 1319 (1320 f.); OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 3 W 253/98, FamRZ 2000, 117 (119); Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1795 BGB Rz. 7; J. Schmitt in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 107 BGB Rz. 48; Saar in Erman, § 1795 BGB Rz. 9; Ivo, NWB 2007, Fach 18, 4497 (4499 u. 4505 f.). In der 20. Aufl. 2009 wurde noch ein Ergänzungspfleger beim Beitritt gefordert, s. § 2 Rz. 11. 2 Vgl. Menzel/Wolf, MittBayNot, 2010, 186 (188). 3 Ebenso Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3026). Tendenziell ist die Finanzverwaltung geneigt, die Gestaltung bzw. Übertragung auch ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers anzuerkennen, allerdings nur dann, wenn das Familiengericht die Mitwirkung des Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat. Vgl. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S-2253/07/ 10004, BStBl. I 2013, 1184 Rz. 5 zu Nießbrauchgestaltungen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. 4 Schwab in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1909 BGB Rz. 40; BFH v. 19.12.1979 – I R 176/77, BStBl. II 1980, 242 (244); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 747; anders für den Fall der Abtretung des Anteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge: OLG München v. 17.6.2010 – 31 Wx 70/10, ZEV 2010, 646 und Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3027), da die Minderjährigen nicht zueinander in Rechtsbeziehungen treten. 5 Ebenso Reimann, DNotZ 1999, 179 (197 f.); Hohaus, BB 2004, 1707 (1709); Werner, GmbHR 2006, 737 (739); vgl. auch BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800) = GmbHR 1986, 403. 6 Mit dem Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17.12.2008 wurde zum 1.9.2009 das Nebeneinander zwischen Familiengericht und Vormundschaftsgericht beendet. Nach § 151
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zuholen (s. Rz. 3.68 ff.).1 Das Erfordernis einer Genehmigung besteht nach § 1915 Abs. 1 BGB auch, wenn ein Ergänzungspfleger bestellt wurde, also die Eltern ebenfalls an der GmbH & Co. KG beteiligt sind. Beide Tatbestände sind voneinander unabhängig zu prüfen. Beschränkt sich der Gesellschaftszweck der GmbH & Co. KG auf die Verwaltung von Vermögen, ist nach dem Wortlaut des § 1822 Nr. 3 BGB eine solche Verpflichtung mangels Erwerbsgeschäfts nicht unmittelbar zu entnehmen.2 Praxishinweis: Ein Erwerbsgeschäft liegt nicht bereits deshalb vor, weil für die Verwaltung des privaten Vermögens die Rechtsform der Kommanditgesellschaft, mithin einer Handelsgesellschaft, gewählt wurde.3 Die Abgrenzung zwischen einer vermögensverwaltenden und einer ein Erwerbsgeschäft betreibenden GmbH & Co. KG ist mitunter schwierig. Prüfmaßstab ist eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Im Zweifel sollte daher die Einholung einer Genehmigung für die Übertragung der Anteile an einer vermeintlich vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG vorsichtshalber erwogen werden, um die steuerrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.4
2.213
Werden einem Minderjährigen bei der Gründung Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH schenkungsweise eingeräumt, ist die Vertretung der Minderjährigen durch die Eltern bzw. bei Beteiligung der Eltern an der Komplementär-GmbH durch einen Ergänzungspfleger erforderlich, weil die Beteiligung nicht lediglich
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FamFG ist das Familiengericht seit dem 1.9.2009 in Kindschaftssachen wie der elterlichen Sorge oder der Pflegschaft ausschließlich zuständig. Nach altem Recht (vor dem 1.9.2009) war die Zuständigkeitsverteilung umstritten, wenn Ergänzungspfleger die Minderjährigen gesetzlich vertraten. Vorzugswürdig war bereits seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes (KindRG) am 1.7.1998 das Familiengericht, ebenso: OLG Hamm v. 15.8. 2000 – 2 UF 320/00, FamRZ 2001, 717 (717). Teilweise ist noch immer von vormundschaftlicher Genehmigung die Rede, vgl. OLG Jena v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, RNotZ 2013, 636. Zur gerichtlichen Genehmigung vgl. BGH v. 30.4.1955 – II ZR 202/53, BGHZ 17, 160 (163 ff.); BGH v. 20.9.1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26 (26 f.). Sowohl die Gründung einer GmbH & Co. KG unter Beteiligung eines Minderjährigen als auch dessen Beitritt fallen nach wohl h.M. unter § 1822 Nr. 3 Alt. 3 BGB, gleichgültig, ob die Vorgänge entgeltlich oder unentgeltlich geschehen, vgl. Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 21 ff.; Saar in Erman, § 1822 BGB Rz. 13; vgl. auch Reimann, DNotZ 1999, 179 (190 f.), vgl. zum Eintritt BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 (231 f.); differenzierend Rust, DStR 2005, 1942 (1946 f.). Ablehnend für den Fall der schenkweisen Übertragung eines Kommanditanteils Menzel/Wolf, MittBayNot, 2010, 186 (188 f.). Steuerrechtlich: BFH v. 8.11.1972 – I R 227/70, BStBl. II 1973, 287 (287 u. 288); BFH v. 1.2.1973 – I R 49/68, BStBl. II 1973, 307 (308); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 747; die Finanzverwaltung fordert allgemein die Genehmigung, H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Familiengerichtliche Genehmigung“. Vgl. Götz in Palandt, § 1822 BGB Rz. 8; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 21 f.; OLG Jena v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, RNotZ 2013, 636; Erwerbsgeschäft i.S.v. § 1822 Nr. 3 BGB liegt aber nach OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 3 W 253/98, FamRZ 2000, 117 (119), vor, falls gewerblich genutzte Immobilien von erheblichem Wert verwaltet werden. Verwaltet die Gesellschaft ausschließlich das von dem Gesellschaftern selbst genutzte Wohnhaus, liegt kein Erwerbsgeschäft vor, OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 076/08, DNotZ 2009, 230 f.; vgl. auch OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, NZG 2008, 750 = GmbHR 2008, 1263. OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 076/08, DNotZ 2009, 230 (231). Vgl. Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707 (1709 f.); Rust, DStR 2005, 1942 (1943 f., 1947).
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rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB ist.1 Gleiches gilt auch bei Beschlüssen der Gesellschafter über Gesellschaftsgrundlagen (z.B. Satzungsänderungen) oder über die die Eltern betreffenden Rechtsverhältnisse.2 Erwirbt der Minderjährige unentgeltlich einen Geschäftsanteil an einer bestehenden GmbH, ist die Vertretung des Minderjährigen u.E. entbehrlich, sofern Haftungspflichten i.S.v. §§ 16 Abs. 2, 24, 31 Abs. 3 GmbHG in dem konkreten Fall nicht drohen.3 Dem wird in der Literatur teilweise entgegengehalten, im Interesse des Minderjährigen müsse eine potentielle Gefährdung ausreichen, zumal im Einzelfall nicht unmittelbar erkennbar sei, ob ein Haftungsrisiko bestehe.4 U.E. geht eine solche Forderung über den Schutzzweck der §§ 107, 181 BGB hinaus, da die theoretische Möglichkeit einer Inanspruchnahme noch keinen Rechtsnachteil darstellt.5 Angesichts der unsicheren Rechtslage empfiehlt es sich jedoch, grundsätzlich auf die Einbindung eines Ergänzungspflegers hinzuwirken, um den steuerrechtlichen Anforderungen zu genügen. Gleiches gilt, wenn dem Minderjährigen daneben Anteile an der KG eingeräumt werden.6 Vergleichbar sieht die Rechtslage bei der Frage aus, ob bzw. in welchen Fällen eine familiengerichtliche Genehmigung gem. §§ 1643 bzw. 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1822 BGB einzuholen ist. In Betracht kommen insbesondere die Tatbestände des § 1822 Nr. 3 und 10 BGB. Werden die Minderjährigen bereits bei der Errichtung der Komplementär-GmbH (mit-)beteiligt, steht die Einbindung des Familiengerichts u.E. außer Frage.7 Dies ergibt sich in erster Linie aus der § 1822 Nr. 10 BGB, kann aber auch Folge der Nr. 3 sein, wenn die Komplementär-GmbH originär oder die Kommanditgesellschaft ein Erwerbsgeschäft betreiben sollen. Bei der schenkweisen Übertragung von bestehenden Anteilen an der KomplementärGmbH ist die Genehmigung nach h.M. dann nicht erforderlich, wenn die oben genannten Haftungsrisiken nicht bestehen und infolgedessen § 1822 Nr. 10 BGB nicht einschlägig ist.8 2.215
Wie schon bei der Beteiligung des Minderjährigen an der Kommanditgesellschaft ist die Rechtslage und mit ihr der Wirkungsgrad des Minderjährigenschutzes im 1 Unstreitig, vgl. Emmerich in Scholz, § 2 GmbHG Rz. 42; Ulmer/Löbbe in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 2 GmbHG Rz. 84. 2 Vgl. Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 242; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, 1. Aufl. 2008, § 53 GmbHG Rz. 64. 3 Görner in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, § 15 GmbHG Rz. 125; noch weiter gehend Knothe in Staudinger, 13. Aufl. 2004, § 107 BGB Rz. 29. 4 Vgl. Rust, DStR 2005, 1942 (1947); Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3025 f.). Ablehnend auch Ulmer/Löbbe in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 2 GmbHG Rz. 84. 5 Vgl. BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, NJW 2005, 415 (418). 6 Vgl. zu den Haftungsrisiken im Wechselspiel beider Beteiligungen Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3026). 7 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1822 BGB Rz. 25, § 1795 BGB Rz. 7; Schmidt-Leithoff in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, § 2 GmbHG Rz. 12; Emmerich in Scholz, § 2 GmbHG Rz. 43 f. 8 Vgl. BGH v. 20.2.1989 – II ZR 148/88, BGHZ 107, 24 (25 ff.) = GmbHR 1989, 327. Dabei sei der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte um der Rechtssicherheit willen formal und nicht nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 17; Götz in Palandt, § 1822 BGB Rz. 10; Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 244; Reimann, DNotZ 1999, 179 (191). Anders bei einer späteren Veräußerung der Beteiligung durch den Minderjährigen, wenn diese 50 % übersteigt, BGH v. 28.1.2003 – X ZR 199/99, ZEV 2003, 375.
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Familien-GmbH & Co. KG
Rahmen der Genehmigungserfordernisse auch bei der Beteiligung an der (Komplementär-)GmbH in ihren Konturen umstritten. Entsprechend unterschiedlich legen erfahrungsgemäß die Familiengerichte die Vorschriften aus. Dabei ist es wenig tröstlich, dass sich Überlegungen zur GmbH häufig erübrigen, wenn der Minderjährige bereits an der KG beteiligt wird. Die auf Rechtssicherheit bedachte Beratungspraxis wird in den weit überwiegenden Fällen der Beteiligung eines Minderjährigen an der GmbH & Co. KG wohl oder übel bis zur endgültigen höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage auf die Einbindung des Familiengerichts und eines Ergänzungspflegers hinwirken. Dabei reicht es mitunter nicht aus, wenn das Familiengericht ein Negativtestat ausstellt, weil sich andere Gerichte nicht daran gebunden sehen.1 Die Finanzverwaltung könnte der Übertragung die Anerkennung verweigern mit der Begründung, es mangele an zivilrechtlichen Voraussetzungen. Eine Dauerpflegschaft, wie sie der BFH in früherer Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die zivilrechtliche Rechtslage verlangt hatte,2 ist inzwischen nach allgemeiner Ansicht nicht mehr erforderlich.3 Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass der Schutzzweck des § 181 BGB bei gewöhnlichen Gesellschafterbeschlüssen nicht zum Tragen komme und die Vorschrift deshalb nicht einschlägig sei.4 Denn bei einem gewöhnlichen Gesellschafterbeschluss ist das Ziel der verbandsinternen Willensbildung nach dem gesetzlichen Leitbild des § 705 BGB nicht in der Austragung individueller Interessengegensätze zu sehen, deren Zusammentreffen in derselben Person § 181 BGB verhindern soll, sondern in der Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks auf dem Boden der bestehenden Vertragsordnung. Eine Grenze wird man allerdings dort ziehen müssen, wo durch Gesellschafterbeschlüsse der Gesellschaftsvertrag der Familien-GmbH & Co. KG geändert werden soll und damit die Gefahr einer Interessenkollision ebenso wie bei der Begründung der Gesellschaft regelmäßig gegeben ist. Dies betrifft insbesondere Situationen, in denen jeder zulasten des anderen seine eigene Rechtsposition zu verstärken trachtet.5 Ob darüber hinaus die Änderungen des Gesellschaftsvertrages der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen, ist strittig.6 Vorsichtshalber sollte der Ergänzungspfleger auch in diesem Fall eine Genehmigung einholen oder alternativ im Einvernehmen mit der Finanzverwaltung darauf verzichten. Entsprechendes gilt bzgl. der Komplementär-GmbH für Beschlüsse der Gesellschafter 1 Vgl. den Urteilsfall des OLG München v. 17.6.2010 – 31 Wx 70/10, RNotZ 2010, 461. 2 BFH v. 1.2.1973 – IV R 49/68, BStBl. II 1973, 307 (308). 3 BFH v. 29.1.1976 – IV R 102/73, BStBl. II 1976, 328 (330) mit Verweis auf BGH v. 18.9.1975 – II ZB 6/74, BGHZ 65, 93 (95 ff.); BMF v. 19.12.1975 – IV B 2 - S 2241 - 117/75, BB 1976, 22. 4 Vgl. BGH v. 18.9.1975 – II ZB 6/74, BGHZ 65, 93 (96 ff.); Ellenberger in Palandt, § 181 BGB Rz. 11. Vgl. auch BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (761) = GmbHR 1988, 239. 5 BGH v. 26.1.1961 – II ZR 240/59, NJW 1961, 724 (725); BGH v. 18.9.1975 – II ZB 6/74, BGHZ 65, 93 (95 f.); Röll, NJW 1979, 627 (630). 6 Verneinend: BGH v. 20.9.1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26 (26 ff.); BGH v. 4.4.1968 – II ZR 26/67, DB 1968, 932; Engler in Staudinger, 13. Aufl. 2004, § 1822 BGB Rz. 68; bejahend Wagenitz in MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1822 BGB Rz. 28 m.w.N.; nur bei fundamentalen Änderungen: Götz in Palandt, § 1822 BGB Rz. 9; Stenger in Sudhoff, Unternehmensnachfolge, § 23 Rz. 7; OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 076/08, DNotZ 2009, 230 (231) bei Änderung des Gesellschaftszwecks unter gleichzeitiger Begründung eines Erwerbsgeschäfts.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
über Gesellschaftsgrundlagen (z.B. Satzungsänderungen) oder über die die Eltern betreffenden Rechtsverhältnisse, sofern ein Minderjähriger an ihr beteiligt ist. Auch hier ist § 181 BGB einschlägig, so dass es eines Ergänzungspflegers bedarf.1 Einer Genehmigung des Familiengerichts bedarf es hingegen nicht.2 Scheidet der Minderjährige aus der Familien-GmbH & Co. KG aus, sind die Genehmigungen durch den Ergänzungspfleger sowie das Familiengericht u.U. erneut notwendig.3 2.217
Nachträglich erteilte Genehmigungen sowohl durch das Familiengericht als auch durch den Ergänzungspfleger wirken zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück (§§ 1909, 1915 Abs. 1, 1829 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB). Bis zu ihrer Erteilung ist der Gesellschaftsvertrag schwebend unwirksam.4 Wird die Genehmigung versagt, ist das Rechtsgeschäft endgültig unwirksam. Steuerlich entfaltet die nachträglich erteilte Genehmigung grundsätzlich nur dann Rückwirkung, wenn sie unverzüglich nach Abschluss des genehmigungspflichtigen Gesellschaftsvertrages beantragt wurde.5 Ausnahmsweise kann eine nicht unverzüglich beantragte Genehmigung u.U. ebenfalls ausreichen.6
2.218
Erreicht das Kind die Volljährigkeit, kann es zivilrechtlich die Rechtsgeschäfte – sofern das Familiengericht und der Ergänzungspfleger diese noch nicht genehmigt haben – selber genehmigen bzw. die Genehmigung verweigern (§§ 108 Abs. 3, 1829 Abs. 3 BGB).7 Steuerlich ist das nur möglich, wenn zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Genehmigung eine kurze Zeitspanne liegt, betrieb1 Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 242; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, 1. Aufl. 2008, § 53 GmbHG Rz. 64; Schilken in Staudinger, 13. Aufl. 2004, § 181 BGB Rz. 25. 2 BGH v. 25.9.1972 – II ZR 5/71, WM 1972, 1368 (1370); Reimann, DNotZ 1999, 179 (198). Str., vgl. zur Rechtslage Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 28. 3 BGH v. 20.9.1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26 (27); OLG Karlsruhe v. 9.7.1973 – 11 W 87/72, NJW 1973, 1977 (1977 f.); zur Veräußerung von GmbH-Anteilen, Reimann, DNotZ 1999, 179 (204 ff.). 4 Vgl. BGH v. 21.10.1954 – IV ZR 93/54, BGHZ 15, 97 (99); BFH v. 5.3.1981 – IV R 150/76, BStBl. II 1981, 435 (437); zu den Genehmigungen bei Beteiligung an einer GmbH Emmerich in Scholz, § 2 GmbHG Rz. 44. 5 Zur familiengerichtlichen Genehmigung: BFH v. 1.2.1973 – IV R 49/68, BStBl. II 1973, 307 (308 f.); zur Genehmigung durch den Ergänzungspfleger: BFH v. 16.12.2008 – VIII 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120); BFH v. 23.4.1992 – IV R 46/91, BStBl. II 1992, 1024 (1025 f.); großzügiger: BFH v. 8.11.1972 – I R 227/70, BStBl. II 1973, 287 (288), der lediglich den vertragsgemäßen Vollzug fordert (allerdings wurde auch hier die familiengerichtliche Genehmigung unverzüglich beantragt). Auf eine Erteilung in einer dem gerichtlichen Geschäftsgang angemessenen Frist sollte es u.E. nicht ankommen. Kritischer zur steuerlichen Rückwirkung allerdings die Finanzverwaltung: H 4.8 EStH 2014, „Minderjährige Kinder“ und H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Familiengerichtliche Genehmigung“. R E 9.1 ErbStR 2011 steht dem u.E. nicht entgegen, da bei Verkehrsteuern Besonderheiten gelten, vgl. BFH v. 19.11. 1981 – II R 51/80, BStBl. II 1982, 168 (169). 6 S. BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386; BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 (295 f.); Nichtanwendungserlass BMF v. 2.4.2007 – IV B 2 - S 2144/0, BStBl. I 2007, 441, vgl. auch H 4.8 EStH 2014, „Minderjährige Kinder“; vgl. unten Rz. 2.219. Rückwirkung kann eine verspätete Genehmigung entfalten, wenn zunächst nur eine Negativauskunft des Gerichts vorlag, BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120). 7 Schutz bietet dem Minderjährigen auch § 1629a BGB, der bestimmt, dass sich die Haftung auf das bei Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränkt. Dazu und zum Sonderkündigungsrecht des Volljährigen i.S.v. § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB vgl. Rz. 8.223 i.V.m. §§ 133, 161 Abs. 2 HGB.
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Familien-GmbH & Co. KG
liche Gründe dafür vorliegen und damit keine besonderen steuerlichen Vorteile erstrebt werden.1 c) Bedeutung des § 41 Abs. 1 AO Fraglich ist aber, welche Konsequenzen steuerlich vor dem Hintergrund des § 41 AO zu ziehen sind, wenn der Vertrag unter nahen Angehörigen zivilrechtlich nicht wirksam begründet wurde. Gegen das Erfordernis der zivilrechtlich wirksamen Begründung spricht der eindeutige Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach ist die (zivilrechtliche) Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Die Vorschrift stellt auf die tatsächlichen Gegebenheiten ab und ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Dem stand die frühere höchstrichterliche Überzeugung entgegen, wonach bei Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen der Erfüllung der vom bürgerlichen Recht vorgeschriebenen Form wesentliche Bedeutung zukommt.2 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise werde gerade im Falle von Verträgen zwischen nahen Angehörigen im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung durch das Erfordernis der Einhaltung der gesetzlichen Form eingeschränkt. Wegen Formmangels zivilrechtlich nichtige Vereinbarungen sprächen folglich gegen die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen. Diese könne bei unwirksamen Gesellschaftsverträgen nicht vorliegen, weil aus einem zivilrechtlich unwirksamen Gesellschaftsverhältnis, das in Vollzug gesetzt werde, zwar möglicherweise dem Minderjährigen gewisse Rechte, keinesfalls aber irgendwelche Pflichten erwachsen können. Das FG Düsseldorf3 ging sogar einen Schritt weiter, indem es selbst bei einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 41 AO keine steuerlichen Folgerungen ziehen möchte, weil es Minderjährigen bereits an der Rechtsmacht und an der faktischen Durchsetzbarkeit fehle, um i.S. des § 41 AO das wirtschaftliche Ergebnis eines Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen zu können.4 Sie seien vielmehr von der Disposition der Eltern abhängig. § 41 AO fand somit bei Familienpersonengesellschaften nach langjähriger Rechtsprechung generell keine Anwendung.5
2.219
Diese streng an die Form gebundene Sichtweise bei Verträgen zwischen Familienangehörigen gilt jedoch inzwischen nicht mehr uneingeschränkt.6 Unter Bezug-
2.220
1 BFH v. 5.3.1981 – IV R 150/76, BStBl. II 1981, 435 (437 f.); siebeneinhalb Monate sind danach keine kurze Zeitspanne. Nur bis zu drei Monate dürften u.E. als „kurz“ gelten. Vgl. auch BFH v. 9.7.1987 – IV R 95/85, BStBl. II 1988, 245 (247). 2 BFH v. 13.9.1956 – IV 317/55, BStBl. III 1956, 380 (382); BFH v. 10.10.1957 – IV 25/57 U, BStBl. III 1957, 419 (420). 3 FG Düsseldorf v. 28.5.1986 – VI/X 178/79 E, EFG 1987, 331 (331 f.), rkr. 4 Diese Problematik deutete bereits der BFH v. 8.11.1972 – I R 227/70, BStBl. II 1973, 287 (288) an. 5 Offenbar wegen § 41 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 12 Nr. 2, 2 Abs. 1 EStG, vgl. Heuermann, DB 2007, 416 (418); Heuermann, DB 2007, 1267 (1267). 6 Vgl. BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386 (388); sehr weit ging der IX. Senat des BFH in seinem Urteil v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 ff.; aber: Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung, BMF v. 2.4.2007 – IV B 2 - S 2144/0, BStBl. I 2007, 441; davon trat u.E. der IX. Senat inzwischen zurück, BFH v. 22.2.2007 – IX R 45/06, BFH/NV 2007, 1400 f. = GmbHR 2007, 719 m. Komm. Hoffmann; in H 4.8 EStH 2014, „Minderjäh-
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nahme auf die o.g. richtungsweisenden Urteile des BVerfG1 sieht der BFH es inzwischen je nach den besonderen Umständen des Einzelfalles als unschädlich an, wenn Formvorschriften bei Abschluss von Verträgen zwischen nahen Angehörigen nicht beachtet worden sind, sofern die Vertragspartner aber einen ernsthaften Bindungswillen haben und abgeschlossene Verträge tatsächlich durchgeführt werden. Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung und damit die Beachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften stellen nämlich lediglich Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung über die Anerkennung dar.2 Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses dürfe nicht zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbstständigt werden, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses zur Folge habe.3 Notwendige Voraussetzung dafür ist, dass die Nichtbeachtung der Formvorschriften den Vertragspartnern nicht angelastet werden kann. Dies wiederum kann angenommen werden, wenn sich für den konkreten Fall die Anwendbarkeit der Formvorschriften nicht aus dem Gesetzeswortlaut, sondern nur im Wege erweiternder Auslegung oder eines Analogieschlusses ergibt, diese Auslegung oder Analogie sich nicht ohne weiteres aufdrängt, keine veröffentlichte Rechtsprechung existiert, die eine entsprechende Auslegung oder Analogie bejaht, und die analoge Anwendung der Formvorschriften auf vergleichbare Fälle auch in der allgemein zugänglichen Literatur nicht erörtert wird. Erkennen die Angehörigen die Unwirksamkeit oder hegen sie Zweifel an der Wirksamkeit, müssen sie ferner zeitnah die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderlichen Maßnahmen einleiten.4 Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen.5 Sie sieht aber keine Heilungsmöglichkeit mehr, wenn sich die Zivilrechtslage unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Der BFH indes ging inzwischen wieder einen Schritt zurück. Er spricht bei Nichtbeachtung der Formvorschriften von einer „verstärkten“ Indizwirkung gegen einen vertraglichen Bindungswillen.6 Bis auf wenige Ausnahmefälle verlangt der BFH und ihm folgend die Finanzverwaltung nach wie vor, dass die zivilrechtlichen Formvorschriften bei Abschluss von Verträgen zwischen Angehörigen beachtet werden. Praxishinweis: Es kann daher für die Praxis nur empfohlen werden, nicht nur die Verträge klar und eindeutig abzufassen, sondern auch die Formvorschriften genau zu befolgen. Ist die zivilrechtliche Rechtslage unsicher (z.B. Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung oder eines Ergänzungspflegers), sollte im Zweifel der sicherere Weg gewählt werden, zumal selbst schriftliche Aussagen der Gerichte, es sei kein Ergänzungspfleger notwendig, mitunter steuerrechtlich nicht anerkannt werden.7
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rige Kinder“, wird § 41 Abs. 1 AO explizit angesprochen; vgl. auch BFH v. 23.10.1996 – I R 71/95, BStBl. II 1999, 35 (37) = GmbHR 1997, 34 zu § 181 BGB, § 35 Abs. 4 GmbHG. U.a. BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 (36), s. Rz. 2.201. U.a. BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 (295). BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 (295). BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386 (388). S. BMF v. 2.4.2007 – IV B 2 - S 2144/0, BStBl. I 2007, 441. BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120); BFH v. 22.2.2007 – IX R 45/06, BFH/NV 2006, 1400 (1401) = GmbHR 2007, 719 m. Komm. Hoffmann. So zu Unrecht BFH v. 31.10.1989 – IX R 216/84, BStBl. II 1992, 506 (507); großzügiger BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120), der nach einer mündlichen Auskunft,
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Die nach den Vorgaben des BVerfG fortentwickelte, im Vergleich zur früheren Auffassung gelockerte Rechtsprechung des BFH ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie geht aber u.E. nicht weit genug. Es ist anzunehmen, dass die erforderlichen, zuvor dargestellten besonderen Anforderungen an einen unschädlichen Verstoß gegen die Formvorschriften zukünftig – wenn überhaupt – nur in ganz wenigen Ausnahmefällen vorliegen werden. Halten jedoch Verträge zwischen Angehörigen einem Fremdvergleich stand und werden sie tatsächlich in der vereinbarten Weise durchgeführt, ist nicht einzusehen, warum Verträge zwischen Angehörigen unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO z.B. nicht noch nachträglich vom Ergänzungspfleger oder vom Familiengericht mit steuerlicher Wirkung genehmigt werden dürfen.1 Ein ernsthafter Bindungswille ist den Beteiligten in der Regel nicht abzusprechen.
2.221
d) Fremdvergleich Nach ständiger Rechtsprechung des BFH haben die Gesellschaftsverträge unter nahen Angehörigen inhaltlich (sachlich) dem zu entsprechen, was unter fremden Dritten üblich ist.2 Dieser Fremdvergleich dient der Abgrenzung zwischen der betrieblichen bzw. Einkünftesphäre einerseits und der privaten Vermögenssphäre andererseits. Bei Rechtsverhältnissen zwischen fremden Dritten führt der natürliche Interessengegensatz regelmäßig dazu, dass eine private Veranlassung bei der Gestaltung von Verträgen ausscheidet. Ausgehend von den oben dargestellten Motiven (s. zuvor Rz. 2.204) liegt es bei der Aufnahme von minderjährigen Angehörigen in die Familien-GmbH & Co. KG oft nahe, dass die Vertragsbeziehungen im privaten Bereich wurzeln und eine ernst gemeinte Rechtsposition des Minderjährigen nicht angestrebt wird.3 Der Vergleich von Rechtsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen mit den üblicherweise zwischen fremden Dritten vereinbarten Rechtsgeschäften ist daher nach der Rechtsprechung unverzichtbar, um auf die wirkliche Veranlassung eines Rechtsgeschäfts schließen zu können.4
2.222
Ob der Abschluss des Gesellschaftsvertrags zwischen nahen Angehörigen unter Wahrung der (fremdüblichen) Interessen der Minderjährigen erfolgt oder (auch) auf privaten Erwägungen beruht, ist jedoch häufig nicht zweifelsfrei feststellbar. Die Absichten der Eltern hängen vielmehr von inneren Tatsachen ab, die zuverlässig nur unter Rückgriff auf die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten ermittelt werden können. Die Veranlassung kann daher nur anhand äußerlich erkennbarer
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ein Ergänzungspfleger sei nicht notwendig, keine nachteiligen steuerlichen Konsequenzen zog. Ebenso: Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12383 (12387 m.w.N.); Tiedtke/Möllmann, DStR 2007, 1940. Die nachträgliche Genehmigung des Ergänzungspflegers wäre z.B. auch im Fall des BFH v. 31.10.1989 – IX R 216/84, BStBl. II 1992, 506 (507) zulässig gewesen; vgl. auch BFH v. 3.3.1998 – VIII B 62/97, BFH/NV 1339 (1341) = GmbHR 1998, 902. BFH v. 20.2.1975 – IV R 62/74, BStBl. II 1975, 569 (571); BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (326); BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (671 f.); BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (187) = GmbHR 2001, 152; H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Allgemeines“; H 4.8 EStH 2014, „Fremdvergleich“. Dies entspricht dann einem Versprechen erst künftiger Kapitalübertragung, so die Finanzverwaltung, H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Allgemeines“. BFH v. 18.12.1990 – VIII R 290/82, BStBl. II 1991, 391 (394).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Merkmale beurteilt werden.1 Zu den äußeren Merkmalen als Beweisanzeichen können neben den vertraglichen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag auch andere Rechtsverhältnisse zählen.2 Damit hat man aber zunächst nur eine Bezugsgröße des Fremdvergleichs. Es fehlt noch die Aussage darüber, welche Regelungen unter fremden Dritten üblich sind. Was ein fremder Dritter vereinbaren würde, lässt sich hingegen nur schwer verallgemeinern. Da sich ein Dritter bei unentgeltlicher Aufnahme in die Gesellschaft auch zu seinen Einfluss und Gewinnanteil einschränkenden Regelungen bereit erklären würde,3 stellt die Rechtsprechung bei dem Fremdvergleich auf eine entgeltlich begründete Gesellschaft ab.4 Es ist zu überprüfen, ob sich auch ein Dritter unter den gegebenen Verhältnissen mit einer Einlage an der GmbH & Co. KG beteiligt hätte, wie dies die Kinder mit den von den Eltern zur Verfügung gestellten Mitteln getan haben.5 Ein Fremder würde sich beteiligen – so die Annahme des BFH –, wenn ihm wenigstens annähernd diejenigen Rechte eingeräumt werden, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB zukommen.6 Nur dann ist er als Mitunternehmer dem Einzelunternehmer in bestimmtem Umfang, wenn auch nicht vollends, gleichgestellt. Er muss sowohl Mitunternehmerrisiko als auch -initiative auf sich vereinigen. Dabei kann aber eines der beiden Merkmale stärker oder schwächer ausgeprägt sein (Typusbegriff des Mitunternehmers, s. Rz. 6.323 ff.).7 Fraglich ist, ob für die Annahme der Mitunternehmereigenschaft die Messlatte für die in die Familien-GmbH & Co. KG aufgenommenen Kinder höher liegt als bei einander fremden Gesellschaftern, weil ihre Rechtsstellung als Gesellschafter abweichend von den dispositiven Vorschriften des HGB regelmäßig ausgeprägt und einseitig zugunsten des bisherigen Inhabers des von der Familien-GmbH & Co. KG betriebenen Unternehmens gestaltet ist. Es stellt sich ferner die Frage, ob sich die Stellung des Kindes von der rechtlichen und tatsächlichen Stellung eines Empfängers laufender (Unterhalts-)Bezüge oder eines Abtretungsempfängers erheblich unterscheiden muss.8 Zwar liegt die Vermutung einer nicht ernsthaft gewollten Mitunternehmerschaft mangels Interessengegensatzes bei den Familienangehörigen näher als bei Zusammenschlüssen einander Fremder, eine Ungleichbehandlung zwischen minderjährigen Kommanditisten einer Familien-GmbH & Co. KG und fremden Kommanditisten ist jedoch nicht gerechtfertigt. Es ist daher dem BFH beizupflichten, wenn er eine Kommanditistenstellung verlangt, die wenigstens annäherungsweise dem Regelstatut des HGB entspricht, und in dem Fremdvergleich grundsätzlich keine familienspezifische 1 Dazu Heuermann, DB 2007, 1267. 2 Z.B. ein Pachtvertrag zwischen einem Elternteil und der KG, vgl. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 = GmbHR 1986, 403. 3 Vgl. BFH v. 11.7.1989 – VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92 (93). 4 BFH v. 20.2.1975 – IV R 62/74, BStBl. II 1975, 569 (571); BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (671 f.). 5 BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800) = GmbHR 1986, 403. 6 BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (188) = GmbHR 2001, 152; BFH v. 8.2. 1979 – IV R 163/76, BStBl. II 1979, 405 (408); BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (327); BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (664); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Allgemeines“. 7 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769) = GmbHR 1984, 355; BFH v. 10.11. 1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759) = GmbHR 1988, 239. 8 Vgl. BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (328).
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Familien-GmbH & Co. KG
Besonderheit erkennt.1 Als wirksames Vergleichskriterium für die Anerkennung der Familien-GmbH & Co. KG taugt dieses Kriterium daher nur bedingt, zumal Minderjährigen auch dann steuerlich die Stellung als Gesellschafter versagt werden kann, wenn ihre Stellung als Kommanditist dem Regelstatut des HGB entspricht.2 Es bilden sich aber in der Praxis typische Fallgestaltungen für Familienpersonengesellschaften heraus, die im Besonderen davon geprägt sind, dass einem Gesellschafter (Schenker) auf Kosten des oder der anderen (beschenkte Minderjährige) in ungewöhnlicher Art und Weise mehr Rechte eingeräumt werden, dieser einseitig bevorzugt oder ihm in der Gesamtschau eine besondere Machtstellung eingeräumt wird. Im Ergebnis wird in diesen Fällen die Mitunternehmerstellung der Minderjährigen steuerlich nicht anerkannt, unabhängig davon, worauf diese Rechtsfolge fußt (z.B. das wirtschaftliche Eigentum am Gesellschaftsanteil bleibt beim Schenker,3 Stellung entspricht nicht dem Regelstatut des HGB). Der Fremdvergleich ist also in einem umfassenderen Sinne zu verstehen. Er orientiert sich daran, ob die Rechtsstellung der Minderjährigen ausgeprägt und einseitig zugunsten des bisherigen Inhabers des von der Familien-GmbH & Co. KG betriebenen Unternehmens in einem Umfang beschränkt ist, wie dies bei einem zwischen Fremden begründeten Gesellschaftsverhältnis im Gesamtbild nicht üblich ist.4 Bei der Notwendigkeit einer solchen Gesamtbetrachtung überrascht es nicht, wenn sich in der Rechtsprechung eine Kasuistik entwickelt hat, die nach folgenden Indizien steuerlich die Zurechnung des Anteils an der Familien-GmbH & Co. KG zum Kind anzweifelt bzw. verneint: – Geschäftsführung verbleibt (mittelbar) bei den Eltern: sie können sich (als Gesellschafter der Komplementär-GmbH) auch bei außergewöhnlichen Handlungen weiterhin über die einfache Stimmenmehrheit5 in der Gesellschafterversammlung durchsetzen und über die Feststellung des Jahresabschlusses die Höhe des Gesellschaftsgewinns beeinflussen;6 dazu gehört u.a., den Gesellschaftsvertrag zu ändern oder die Gesellschaft aufzulösen;7 als Indiz gegen die Mitunternehmer1 BFH v. 25.6.1981 – IV R 135/78, BStBl. II 1981, 779 (780); BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759) = GmbHR 1988, 239. Vgl. zur Kommanditistenstellung nach dem Regelstatut des HGB Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 266 ff. und die Ausführungen unter Rz. 6.69 ff. 2 BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645 (648). 3 BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645; BFH v. 28.9.1995 – IV R 34/93, BFH/NV 1996, 314 = GmbHR 1996, 549. 4 BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800) = GmbHR 1986, 403. Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 875, hält einen Fremdvergleich nicht für erforderlich, sondern möchte auf die allgemeinen Merkmale des Mitunternehmerbegriffs abstellen. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Merkmale mag hinreichend sein. In ihrem Grenzbereich werden diese jedoch erst durch den dargestellten Fremdvergleich gebildet. 5 BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (672). Eine nicht auf bestimmte Angelegenheiten bezogene Mehrheitsklausel ist eng auszulegen. Sie betrifft daher nur laufende Geschäfte und ist folglich unschädlich, BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152; vgl. H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Verfügungsbeschränkungen“. Zu Mehrfachstimmrechten vgl. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800 f.) = GmbHR 1986, 403. 6 Vgl. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (800 f.) = GmbHR 1986, 403; vgl. auch BFH v. 1.2.1973 – IV R 61/72, BStBl. II 1973, 309 (312), obiter dictum. 7 BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760) = GmbHR 1988, 239; vgl. auch BFH v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 (763) = GmbHR 1989, 264; BFH v.
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stellung kann auch sprechen, wenn die Eltern jederzeit durch ungehinderte Aufnahme von weiteren Kommanditisten die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse herstellen können;1 auch die gesellschaftsvertraglich verankerte Verwaltung der Beteiligung durch einen Elternteil kann gegen die Mitunternehmerstellung sprechen;2 die Kontroll- und Widerspruchsrechte der §§ 166, 164 HGB sind den Kindern entzogen worden3 oder sie laufen aufgrund der Machtstellung der Eltern faktisch leer;4 die von den Eltern beherrschte Komplementär-GmbH unterliegt abweichend von §§ 112, 161 Abs. 2 HGB keinem Wettbewerbsverbot: sie könnte z.B. jederzeit ein Konkurrenzunternehmen gründen oder erwerben;5 keine dingliche Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen: die Kinder sind im Fall der Auflösung (Liquidation) der Gesellschaft nicht an den stillen Reserven (einschließlich Geschäftswert)6 beteiligt;7 Vermeidung eines endgültigen Zustandes: die Mitgliedschaften der Kinder werden nur befristet eingeräumt oder die Eltern (ggf. über die KomplementärGmbH) können durch Kündigung den Rückfall des Unternehmens an sich herbeiführen,8 wobei es eine Vertragsklausel erlaubt, die Kinder (Kommanditisten) 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152. Nach Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 875, reicht die bloße Änderungsmöglichkeit durch die Eltern nicht aus. Solange der Gesellschaftsvertrag tatsächlich nicht geändert wird, sollen die vereinbarten Regelungen wirksam sein. Zur Verteilung von Verwaltungs- und Stimmrechten bei Nießbrauchsgestaltungen vgl. Rz. 2.230 ff. BMF v. 5.10.1989 – B 2 - S 2241 - 48/89, BStBl. I 1989, 378. A.A. BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759) = GmbHR 1988, 239. Vgl. BFH v. 25.6.1981 – IV R 135/78, BStBl. II 1981, 779 f.; dies gilt nicht, wenn die Verwaltung der Beteiligung der elterlichen Vermögenssorge nach § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegt; u.E. zu allgemein gefasst: H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Verfügungsbeschränkungen“. BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417); zusammen mit der Einschränkung des Stimmrechts, BFH v. 11.7.1989 – VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92 (94); a.A. bezogen auf die Widerspruchsrechte BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759 f.) = GmbHR 1988, 239, Nichtanwendungserlass BMF v. 5.10.1989 – B 2 - S 2241 - 48/89, BStBl. I 1989, 378. BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (673); BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (664); BFH v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 (763) = GmbHR 1989, 264; BMF v. 5.10.1989 – B 2 - S 2241 - 48/89, BStBl. I 1989, 378. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (801) = GmbHR 1986, 403; BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417). BFH v. 15.10.1981 – IV R 52/79, BStBl. II 1982, 342 (343). BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417); BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760) = GmbHR 1988, 239; BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66–70/97, BStBl. II 2000, 183 (184 f.) = GmbHR 2000, 241; BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (188) = GmbHR 2001, 152. Grundsätzlich: BFH v. 1.2.1973 – IV R 9/68, BStBl. II 1973, 221 (222). S. aber Rz. 2.227. BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417); BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (672); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Kündigung“; vgl. BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/37, BStBl. II 1976, 324 (327) zur von vornherein befristeten Gesellschafterstellung (für die Zeit der voraussichtlichen Unterhaltsbedürftigkeit); dazu auch H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Befristete Gesellschafterstellung“ und H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Rückübertragungsverpflichtung“.
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Familien-GmbH & Co. KG
gegen eine Abfindung zum Buchwert hinaus zu kündigen (Ausschließungsrecht);1 unschädlich ist eine Kündigungsmöglichkeit bei Volljährigkeit des Kindes2 oder ein Rückfall, wenn das Kind vor den Eltern stirbt und selbst keine leiblichen Abkömmlinge hinterlässt;3 – faktisch einem Ausschließungsrecht gleichbedeutend ist, wenn die Eltern der Familien-GmbH & Co. KG jederzeit die Grundlage ihrer betrieblichen Betätigung entziehen können: die Eltern verpachten das wesentliche Betriebsvermögen an die Familien-GmbH & Co. KG, wobei der Pachtvertrag kurzfristig kündbar ist;4 – dem steht ebenfalls gleich, wenn die Eltern sich den uneingeschränkten, nicht auf bestimmte Ausnahmefälle beschränkten Widerruf der Schenkung vorbehalten;5 unschädlich ist dagegen die Vereinbarung gesetzlich ohnehin vorgesehener Widerrufsrechte wie Notbedarf (§ 528 BGB) und grober Undank (§ 530 Abs. 1 BGB);6 – es steht im Belieben der Komplementär-GmbH bzw. der Eltern, wann die Kinder über den Gewinn verfügen können (eingeschränktes Entnahmerecht, Verfügungsbeschränkungen): auf die Kinder entfallende Gewinne sind nur mit Genehmigung entnehmbar und/oder entweder in Form einer Erhöhung der Pflichteinlage7 bzw. nach Entnahme in Form von Darlehen der GmbH & Co. KG dauer1 Ein Ausscheiden zum Buchwert ist per se nicht unüblich und kann für den Fall der Kündigung durch einen Gesellschafter vereinbart werden, ohne dass die Mitunternehmerschaft in Frage steht, BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417); BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760 f.) = GmbHR 1988, 239; BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (188) = GmbHR 2001, 152. Schädlich ist eine solche Vereinbarung allerdings dann, wenn sie mit unüblichen Kündigungsklauseln verbunden wird (z.B. jederzeitige Hinauskündigung ohne weitere Voraussetzung) und nur die Kinder betrifft, vgl. BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (672); BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (664); BFH v. 15.10.1981 – IV R 52/79, BStBl. II 1982, 342, sofern keine Beteiligung am Firmenwert nach Sonderkündigung; BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (270 f.) zur Unterbeteiligung; strenger H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Buchwertabfindung“. S. auch Rz. 8.296. Eine Abfindung unterhalb des Buchwerts ist nicht zulässig, BGH v. 9.1. 1989 – II Z 83/88, NJW 1989, 2686. 2 BFH v. 23.6.1976 – I R 178/74, BStBl. II 1976, 678 (679); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Befristete Gesellschafterstellung“. 3 BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Rückfallklausel“: die Eltern haben in diesem Fall keine in Betracht zu ziehende Möglichkeit, den Rückfall herbeizuführen. Vgl. zu Rückfallklauseln Rz. 8.84 ff. 4 BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 = GmbHR 1986, 403. Als kurzfristig werden Fristen von einem halben Jahr und einem Jahr angesehen, was der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 584 Abs. 1 BGB entspricht. 5 BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 887 (887 f.); H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Rückübertragungsverpflichtung“, R 15.9 Abs. 2 EStR 2012; zurecht einschränkend Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 754 unter Verweis auf BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269, wonach eine Kündigung unschädlich ist, sofern die Minderjährigen eine Abfindung in Höhe eines angemessenen Anteils an den stillen Reserven einschließlich Geschäftswert erhalten; zur schenkungsteuerlichen Konsequenz BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034 (1036): Schenkungsteuer entsteht; H E 13b.5 ErbStH 2013, „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“. 6 BFH v. 27.1.1991 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637). S. auch Rz. 2.227. 7 Beginnt der Minderjährige mit einem Kapitalkonto von 0 Euro, so besteht in diesem Jahr bereits mangels (dinglicher) Beteiligung keine Mitunternehmerstellung, vgl. BFH v. 1.2.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
haft zur Verfügung zu stellen;1 ein eingeschränktes Entnahmerecht reicht aber grundsätzlich für sich nicht aus, um eine Mitunternehmerschaft nicht anzuerkennen, insbesondere dann, wenn es für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt;2 verbleibt den Kindern trotz (partieller) Verfügungsbeschränkung ein Entnahmerecht in Höhe des steuerlich angemessenen Gewinnanteils (s. Rz. 2.248 ff.), ist eine solche Vereinbarung u.E. unschädlich.3 2.225
Insbesondere seit den richtungsweisenden Urteilen des BVerfG (s. Rz. 2.201) hält es der BFH für sachgerecht, wenn nicht jede einzelne Abweichung einzelner Regelungen vom Fremdüblichen oder vom Regelstatut des HGB die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt.4 So kann z.B. die – isoliert betrachtet – schädliche Vertragsregelung, wonach dem minderjährigen Kommanditisten zeitlich unbegrenzt nur ein eingeschränktes Entnahmerecht zusteht, im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unschädlich sein.5 Erweist sich aber eine Klausel im Gesellschaftsvertrag als höchst ungewöhnlich und schwerwiegend, z.B. wenn die einfache Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bei allen Entscheidungen, also auch bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages, ausreicht, hilft auch nicht der Umstand, dass alle anderen Vereinbarungen fremdüblich sind.6 Auch eine trotz des Erfordernisses eindeutiger Verträge zwischen Familienangehörigen zulässige Vertragsauslegung schafft dann keine Abhilfe mehr.7 Entscheidender Gesichtspunkt ist bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit, ob mit der Aufnahme des Kindes ein endgültiger Zustand geschaffen wurde.8 Nur wenn eine Gestaltung dergestalt vorliegt, dass ein vorläufiger Zustand konstruiert wird, der jederzeit rückgängig gemacht werden kann, soll der Fremdvergleich gewährleisten, dass privat motivierte Zahlungen nicht der Einkünftesphäre zuzurechnen sind. Dabei sind an den Nachweis der Ernsthaftigkeit umso strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf einen vorläufigen Zustand bzw.
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1973 – IV R 9/68, BStBl. II 1973, 221 (222); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Verfügungsbeschränkungen“. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 (801) = GmbHR 1986, 403; BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (417); BFH v. 4.8.1971 – I R 209/69, BStBl. II 1972, 10 (11). BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (673). Alle Kommanditisten, die zugleich minderjährig waren, betreffende Entnahmebeschränkung, vgl. BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = GmbHR 1988, 239. Vgl. BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (327). BFH v. 7.5.1996 – IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196 (197); BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152; auch das BVerfG verlangt mehr Augenmaß bei der Prüfung, wie viel Gewicht einer abweichenden Vertragsklausel beizumessen ist, vgl. BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34; bereits vorher: BFH v. 4.6. 1991 – IX R 150/85, BStBl. II 1991, 838 (839), zum Darlehensvertrag. BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152; BFH v. 14.5. 2003 – X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547 (1548); vgl. allgemein H 4.8 EStH 2014, „Fremdvergleich“. BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (673). Vgl. zur Vertragsauslegung (bei einer Mehrheitsklausel) BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152. BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759) = GmbHR 1988, 239. Nach Binz/ Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 130, müsse es entscheidend darauf ankommen, dass der Kommanditist über eine eigenständige Einkunftsquelle verfüge und Herr seiner Leistungsbewirkung sei.
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Familien-GmbH & Co. KG
auf eine private Veranlassung hindeuten.1 Eine solche Veranlassung ist allerdings regelmäßig nicht anzunehmen, wenn gewisse Einschränkungen (Entnahmerecht, Kündigungsrecht oder Abfindung zum Buchwert) sowohl für die Kinder als auch für die Eltern gelten.2 Nicht fremdüblich ist nämlich nur die einseitige und in extremer Weise vorgenommene Beschränkung bestimmter Gesellschafter.3 Der Umstand, dass das Familiengericht dem Gesellschaftsvertrag zugestimmt hat, ist nicht ausschlaggebend für die steuerliche Beurteilung der Fremdüblichkeit, weil das Familiengericht lediglich eine vermögensmäßige Benachteiligung der Kinder im Rahmen der elterlichen Sorge ausschließen möchte.4 Gestaltungshinweis: Lassen die Gesamtumstände des Einzelfalles eine eindeutige Aussage nicht zu, können betriebliche Gründe wie z.B. die Einleitung der Unternehmensnachfolge für die Mitunternehmerstellung des Kindes sprechen.5 Dieser typischerweise nur bei Angehörigenverhältnissen maßgebende Aspekt sollte u.E. bei der Frage, ob die Kinder Mitunternehmer der Familien-GmbH Co. KG geworden sind, verstärkt in den Vordergrund gestellt werden. Die frühzeitige Beteiligung von Kindern kann nämlich dazu beitragen, das unternehmerisch gebundene Kapital bei Vollzug der Unternehmensnachfolge vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Mit einer frühzeitigen Unternehmensnachfolge ist allerdings immer das Risiko verbunden, dass die eigenen Nachkömmlinge nicht geeignet sind, das Familienunternehmen erfolgreich fortzuführen. Sind die Nachkommen noch minderjährig im Zeitpunkt ihrer Beteiligung, ist zudem eine Mitwirkung an den unternehmerischen Prozessen hinderlich. Diese Aspekte zwingen die Inhaber zur Vorsicht bei der Vertragsgestaltung im Rahmen der Unternehmensnachfolge ebenso wie bei der Prüfung des Fremdvergleichs.
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Um die Mitunternehmerstellung bei den Kindern in diesem Zusammenhang anzuerkennen, müssen jedoch u.E. folgende (Mindest-)Rechte bei den Kindern verbleiben:
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– die Kinder müssen gesellschaftsvertraglich über Kontroll- und Stimmrechte verfügen. Die Stimmrechte müssen zumindest eine Mitbestimmung bei wichtigen und über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Entscheidungen gewährleisten. Eine vom gesetzlich vorgesehenen Grundtypus der Einstimmigkeit (§§ 119 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB) abweichende Beschlussfassung ist dabei 1 BFH v. 7.5.1996 – IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196 (197); H 4.8 EStH 2014, „Fremdvergleich“. 2 BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (673) und BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (189) = GmbHR 2001, 152, bzgl. Entnahmerecht. 3 BFH v. 8.2.1979 – IV R 163/76, BStBl. II 1979, 405 (409); BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2000, 186 (188) = GmbHR 2001, 152. 4 BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418). 5 Allgemein BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418) und im Besonderen die Unternehmensnachfolge in den Mittelpunkt stellend BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = GmbHR 1988, 239; für die Unternehmensnachfolge müssen objektive Umstände sprechen, wie z.B. die Vertragsgestaltung oder eine hauptberufliche Mitarbeit des Minderjährigen, vgl. BFH v. 6.4.1979 – I R 116/77, BStBl. II 1979, 620 (621); BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (328); BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (759, 761) = GmbHR 1988, 239; BFH v. 14.5.2003 – X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547 (1549 f.); BFH v. 5.7.1979 – IV R 27/76, BStBl. II 1979, 670 (673); vgl. H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Alter des Kindes“; einschränkender BFH v. 15.10.1981 – IV R 52/79, BStBl. II 1982, 342 (344), bei Sonderkündigungsrecht ohne Beteiligung am Firmenwert.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
zulässig und empfehlenswert; eine Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung der Gesellschaft muss das Kind dann gegen sich wirken lassen, sofern diese Eingriffe durch eine konkrete Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt sind (str.).1 Halten die Eltern die Machtbefugnisse gleichwohl für zu weitgehend, können sie erwägen, sich Veto-Rechte bei bestimmten Entscheidungen einräumen zu lassen. Solche Rechte sind passiver Natur und werden von der Rechtsprechung in der Regel als unschädlich angesehen;2 – die Schenkung darf – soll die Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht verloren gehen – nicht verknüpft werden mit der Möglichkeit, die Schenkung jederzeit ohne Grund zu widerrufen (freier Widerruf)3; erlaubt sind aber Widerrufsrechte, die über §§ 528, 530 BGB hinaus gehen (Vorversterben, Drogen-, krankhafte Spielsucht, unberechtigte Verfügungen, Beitritt zu verfassungsrechtlich bedenklichen Vereinigungen, Insolvenz über das Vermögen des Kindes, Scheidung bei angeheirateten Familienmitgliedern4 usw.).5 Empfehlenswert und zulässig sind zudem Rücktritts- bzw. Widerrufsklauseln in Situationen, in denen sich das zukünftige Schenkungsteuerrecht mit Rückwirkung ändern kann6 oder falls bestimmte Begünstigungen von der Finanzverwaltung drohen nicht anerkannt zu werden. Nach § 29 ErbStG erhalten die Eltern im Fall des Rücktritts die Schenkungsteuer mit Ausnahme der Steuer für einen zwischenzeitlichen Nutzungsvorteil zurück. In Betracht kommt schließlich auch eine Nießbrauchsoption;7 – die Kinder müssen am Verlust der Familien-GmbH & Co. KG teilnehmen und Anspruch auf den anteiligen Gewinn haben.8 Die Einräumung inkongruenter 1 Vgl. zum Meinungsstand Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 78 m.w.N., zur Auflösung vgl. Rz. 79a. Die zivilrechtliche Rechtsprechung tendiert zu einer Ausdehnung der Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen, vgl. zuletzt BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, DStR 2014, 2403 ff. = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting. Vgl. auch BFH v. 16.12.2009 – II R 44/08, BFH/NV 2010, 690 (691 f.) = GmbHR 2010, 499. 2 Vgl. BFH v. 16.12.2009 – II R 44/08, BFH/NV 2010, 690 (692) = GmbHR 2010, 499; BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1121). 3 Anderenfalls erwirbt der Minderjährige mit dem Gesellschaftsanteil mangels Mitunternehmerstellung kein Betriebsvermögen. Gegenstand der Zuwendung ist stattdessen ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, vgl. H E 13b.5 ErbStH 2011, „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“; s. Rz. 2.224, 8.86. 4 OLG Karlsruhe v. 12.10.2006 – 9 U 34/06, NZG 2008, 680, rkr. 5 Vgl. Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (396) mit Verweis auf BFH v. 25.1.2001 – II R 52/98, BStBl. II 2001, 414 (= GmbHR 2001, 441) und gleichlautenden Ländererlass v. 15.5.2001, BStBl. I 2001, 350; Funke-Lachotzki, EStB 2003, 236 (238). 6 Wie aktuell im Nachgang des Urteils des BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 = GmbHR 2015, 88. 7 Vgl. BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1121). Danach ist diese Option selbst dann unschädlich, wenn die beschenkten Kinder die Eltern für den Fall des Nießbrauchs bevollmächtigen, sämtliche Mitgliedschaftsrechte für sie wahrzunehmen. S. dazu nachfolgend Rz. 2.230. Die Ausübung der Option sollte ebenfalls im Lichte des § 13a Abs. 5 ErbStG sorgfältig erwogen werden. 8 Eine Teilhabe an den stillen Reserven und am Geschäftswert ist bei vorzeitigem Ausscheiden des Gesellschafters nicht zwingend erforderlich; lediglich bei Auflösung der Gesellschaft, BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760 f.) = GmbHR 1988, 239. Umstritten insbesondere in Nießbrauchkonstellationen ist, ob und inwieweit es erforderlich ist, dass der Nießbraucher auch an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes teilhaben muss. In dem Sinne wohl die Rechtsprechung,
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Familien-GmbH & Co. KG
Gewinnbezugsrechte zugunsten der Eltern ist zwar grundsätzlich zulässig.1 Zu beachten ist dabei aber, dass eine solche Vereinbarung regelmäßig das eigentlich gewünschte schenkungsteuerliche Ziel verfehlt, da sich das überproportionale Bezugsrecht in der Bewertung des Kommanditanteils gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 199 ff., 97 Abs. 1a BewG niederschlägt. Zudem sind solche Vereinbarungen, die meist zur Sicherstellung der Altersversorgung getroffen werden, stets im Lichte der restriktiven Rechtsprechung zur steuerrechtlichen Gewinnverteilung bei Familienpersonengesellschaften zu sehen (s. Rz. 2.248 ff.). – obwohl der BGH inzwischen den Rahmen der Zulässigkeit einer Hinauskündigung erweitert hat, sofern ein sachlich rechtfertigender Grund für die Ausschlussmöglichkeit besteht2 – wozu u.E. die sinnvolle Unternehmensnachfolge gehört –, wird steuerlich die Mitunternehmerstellung in derartigen Fällen regelmäßig nicht anerkannt (s. Rz. 2.224).3 Ist eine angemessene Abfindung für diesen Fall vorgesehen, ist jedoch eine solche Klausel unschädlich.4 Angemessen ist u.E. eine Abfindung bereits dann, wenn sie eine empfindliche finanzielle Belastung darstellt und infolgedessen die Kündigung durch die Eltern wohl überlegt sein sollte und eine Kündigung durch die Kinder wenig attraktiv ist. Dies ist i.d.R. bereits der Fall, wenn nicht die „volle“ Abfindung vorgesehen ist, also neben der geleisteten Einlage und den stehen gelassenen Gewinnen abzüglich der nicht ausgeglichenen Verluste nur ein Anteil der grundsätzlich zustehenden stillen Reserven und des Firmenwertes vertraglich zugesichert wird. Eine solche Regelung sichert den Erhalt des Unternehmens und verhindert, dass auf Wachstum ausgerichtete Unternehmen Investitionen zurückstellen müssen.5 Ein Anteil von 10 % an den anteiligen stillen Reserven und am Firmenwert reichen nach Auffassung des BFH nicht aus,6 80 % erscheinen hinreichend,7 u.E. auch weniger: 50 %; auch eine Teilhabe an den während der Dauer der Beteiligung entstandenen stillen Reserven und am Firmenwert sollte u.E. ebenfalls genügen8 (str.)9. Die Abfindung kann u.E. zeitlich gestreckt über einen Zeitraum von bis zu
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vgl. BFH v. 1.10.2014 – II R 40/12, BFH/NV 2015, 500, und Küspert, FR 2014, 397. U.E. ist das nicht zwingend, da der Nießbraucher nach dem zivilrechtlichen Leitbild nicht von der Vermögenssubstanz, sondern nur von dessen Nutzung profitiert. Vgl. BFH v. 23.8.1990 – IV R 71/89, BStBl. II 1991, 172 = GmbHR 1991, 177. Zur inkongruenten Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften s. Rz. 2.267. Vgl. BGH v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, NJW 2005, 3644 ff. = GmbHR 2005, 1561 m. Komm. Hinderer/Sinewe; BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, NJW 2004, 2013; Ostermeyer/Riedel, BB 2006, 1662. Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 754 m.w.N. Ebenso Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 754 m.w.N. BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (760) = GmbHR 1988, 239, zur Beschränkung des Entnahmerechts. BFH v. 8.2.1979 – IV R 163/76, BStBl. II 1979, 405 (408): Es läge dann eine Abfindung vor, „die im wesentlichen dem Buchwert des Kapitalanteils entspricht.“ FG Köln v. 19.1.2005 – 11 K 844/04, EFG 2005, 673 (674); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c) cc). Wohl in diesem Sinne BFH v. 13.2.1962 – I 55/61 U, BStBl. III 1963, 84 f. Der BFH, Urteil v. 9.10.1986 – IV R 259/84, BFH/NV 1987, 567 (568), versagt dem Gesellschaftsvertrag die Anerkennung, wenn eine Hinauskündigung unter Abfindung zum Buchwert erfolgt. Er verlangt stattdessen die Abfindung zum „wahren Beteiligungswert“. Die Gewährung eines Zuschlags auf den Buchwert solle nicht genügen.
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10 Jahren ausgezahlt werden.1 Die einmalige Kündigungsmöglichkeit zum Buchwert bei Erreichung der Volljährigkeit oder zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. 21. Lebensjahr) könnte stattdessen in Erwägung gezogen werden. Möchten die Eltern eine Kündigung des Kindes ausschließen, um den Abfluss von Liquidität zu vermeiden, kann eine Mindestlaufzeit im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, in der eine Kündigung ausgeschlossen ist.2 Unter Verweis auf die „nachfolgefreundliche“ Entscheidung des BFH vom 10.11. 19873 ist es u.E. unschädlich, wenn das Widerspruchsrecht gem. § 164 HGB vollends und die Kündigung des Minderjährigen temporär ausgeschlossen sowie das Entnahmerecht temporär und der Höhe nach beschränkt werden. Solange im Gesamtbild der Verhältnisse und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zur Mitunternehmerstellung etc. ein endgültiger Zustand geschaffen wurde, sollte das Steuerrecht die Unternehmensnachfolge nicht einschränken sondern flankieren. U.E. ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Eltern einer pachtenden Familien-GmbH & Co. KG die betrieblichen Grundlagen kurzfristig entziehen können,4 solange die vorgenannten Mindestrechte den Kindern eingeräumt wurden. Die Unternehmensnachfolge wäre aber dann nicht vollendet worden, da die Minderjährigen nicht Teilhaber wesentlicher betrieblicher Grundlagen geworden wären. 2.228
Praxishinweis: Bei Aufnahme von Kindern in das elterliche Unternehmen sind neben Widerrufs- und Rücktrittsregelungen Abfindungsklauseln im Zusammenspiel mit Kündigungsklauseln ein wichtiger Bestandteil in der Gestaltungspraxis. Sie müssen nicht nur den zivil- und hohen steuerrechtlichen Anforderungen genügen, sondern sollten auch Lösungen vorsehen in Fällen, in denen bei Auseinandersetzung eine Einigung nicht zustande kommt (z.B. Schiedsgutachter). Steuerrechtlich ist die Mitunternehmerstellung der Kinder je nach Lage des Einzelfalles noch immer unklar5 bzw. umstritten und dürfte regelmäßig einer sorgfältigen Prüfung durch die Finanzverwaltung unterliegen. Es ist deshalb zu empfehlen, die eigene Vorgehensweise nötigenfalls mit der Finanzverwaltung im Wege einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO abzustimmen, um Unstimmigkeiten von vornherein auszuräumen.6
1 Vgl. zur zivilrechtlichen Gültigkeit einer solchen Regelung K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c) cc). 2 Sofern diese für alle Gesellschafter gilt, ist eine solche Kündigungsklausel unschädlich, vgl. BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (328 f.). Ist das Kündigungsrecht der Minderjährigen einseitig ausgeschlossen, ist Zurückhaltung geboten, vgl. BFH v. 8.2.1979 – IV R 163/76, BStBl. II 1979, 405 (408, 409). Vgl. aber BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = GmbHR 1988, 239, wonach eine Kündigung der Minderjährigen erst nach etwa 20 Jahren zulässig, die des Vaters aber auch erst nach Ablauf von 10 Jahren. 3 BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = GmbHR 1988, 239; vgl. aber BMF v. 5.10.1989 – B 2 - S 2241 - 48/89, BStBl. I 1989, 378. 4 Anders Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 758. S. auch Rz. 2.224. 5 Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 115: in Bezug auf die Beurteilung einzelner Merkmale. 6 Unter Bezugnahme auf die geplante Neuregelung durch das Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des BVerfG werden von der Finanzverwaltung zu §§ 13a, 13b ErbStG keine verbindlichen Auskünfte mehr erteilt, so BayLfSt v. 6.8.2015 – S 3700.2.1 - 11/2 St 34, DStR 2015, 2181.
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Familien-GmbH & Co. KG
Die vorgenannten Grundsätze gelten auch bei einer gewerblich geprägten Familien-GmbH & Co. KG i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.1 Zu beachten ist aber, dass gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit überwiegendem Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG nicht in den Genuss der Verschonungsregelungen des § 13a ErbStG gelangen und damit im Hinblick auf die vorweggenommene Erbfolge seit dem Inkrafttreten des ErbStRG2 und des AmtshilfeRLUmsG3 zunehmend an Attraktivität verloren haben (s. Rz. 8.77 sowie allgemein Rz. 6.15 ff.).
2.229
Hingegen von großer praktischer Bedeutung ist die Schenkung einer Gesellschaftsbeteiligung unter Vorbehaltsnießbrauch. Die Eltern (Nießbraucher) behalten sich an der verschenkten Kommanditbeteiligung der Kinder (Nießbrauchbesteller) einen lebenslänglichen und unentgeltlichen Vorbehaltsnießbrauch vor, nicht selten beschränkt auf eine bestimmte Quote (sog. Quotennießbrauch, auch in Gestalt eines Bruchteilsnießbrauchs; meist liegt die Quote für den Vorbehalt zwischen 80 % und 95 %). Dadurch beabsichtigen die Eltern, zunächst wirtschaftlich alles beim Alten zu belassen, die Kinder langsam an das Unternehmen heranzuführen und die eigene Altersversorgung sicherzustellen. Auch bei solchen Gestaltungen ist aber darauf zu achten, dass die Kinder Mitunternehmer geworden sind. Nur dann können die Begünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG gewährt werden.4 Dies ergibt sich für die Erwerberseite im Erbschafts- und Schenkungsteuerrecht, für das die ertragsteuerlichen Grundsätze gelten, aus dem Begünstigungszweck der §§ 13a, 13b ErbStG in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des § 13a Abs. 5 ErbStG.5 Erforderlich sind Mitunternehmerinitiative und -risiko, sodass die unter Rz. 2.223 f. genannten Abgrenzungskriterien grundsätzlich übertragbar sind. Als Richtschnur für die Anerkennung der Mitunternehmerstellung dient der Nießbrauch, der nach den Vorgaben des BGB ausgestaltet ist.6 Im Regelfall ist dann neben dem Nießbraucher auch der nießbrauchsbelastete (minderjährige) Gesellschafter Mitunternehmer, da letzterem ein Mitunternehmerrisiko verbleibt und er Mitunternehmerinitiative entfalten kann.7 Wird von den Vorgaben des BGB abgewichen, führt das indes steuerrechtlich nicht automatisch zum Wegfall der Mitunternehmerstellung.8 Stehen aber die mit der übertragenen Beteiligung verbundenen Stimm- und Mitverwaltungsrechte dem bisherigen Kommanditisten (Nießbraucher) in der Weise zu, dass er auch
2.230
1 Voraussetzung ist, dass sie bereits im Handelsregister eingetragen ist, da die Mitunternehmerschaft ertragsteuerlich erst in diesem Zeitpunkt entsteht. Schenkungsteuerlich handelt es sich ebenfalls um begünstigtes Betriebsvermögen, vgl. R E 13b.5 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011; Wachter in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl. 2014, § 13b ErbStG Rz. 33. Vgl. auch Geck, ZEV 2009, 601. 2 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 ff. 3 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 4 Die Mitunternehmerstellung ist unerheblich für den schenkungsteuerlichen Tatbestand der freigebigen Zuwendung, BFH v. 1.10.2014 – II R 40/12, BFH/NV 2015, 500. Liegt die Mitunternehmerstellung der Kinder nicht vor, liegt zwar eine Zuwendung vor. Die Begünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG werden indes nicht gewährt. 5 Vgl. BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 (635 f.) = GmbHR 2013, 839; BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. 2009, 312 (314). 6 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 (244 f.); BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 (636) = GmbHR 2013, 839. Vgl. zum Nießbrauch Rz. 8.87 ff. u. 8.150 ff. 7 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 (244 f.). Vgl. auch Götz, ZEV 2013, 430 ff. 8 Vgl. BFH v. 16.12.2009 – II R 44/08, BFH/NV 2010, 690 (693) = GmbHR 2010, 499.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
im Bereich der Grundlagengeschäfte die Rechte alleine ausüben kann, steht das der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchbestellers (Minderjährigen) mangels Mitunternehmerinitiative entgegen.1 An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn ein Erwerber alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist.2 Kritisch sind daher Gestaltungen, in denen sich die Eltern von Kindern bevollmächtigen lassen, die Stimm- und Mitverwaltungsrechte umfassend ausüben zu dürfen.3 U.E. sollten daher Stimmrechtsvollmachten nach Möglichkeit nicht erteilt werden4 bzw. auf Beschlüsse über die laufenden Geschäfte beschränkt werden. Strittig ist dabei noch immer, inwieweit sich die Eltern als Nießbraucher ein passives Zustimmungsrecht bzw. Widerrufsrecht für grundlegende Beschlüsse einräumen lassen dürfen. U.E. ist die Einräumung dieser Rechte unschädlich, wenn die Eltern ohne die Initiative der Kinder nicht handeln können.5 2.231
Entscheidend für die Inanspruchnahme der erbschafts- und schenkungsteuerlichen Vergünstigungen generell ist, dass die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt wird. Es reicht daher nicht aus, wenn die Kinder vor dem (Hinzu-)Erwerb bereits Kommanditist bzw. Mitunternehmer waren6 oder sich ihre Mitunternehmerstellung aus einem gleichzeitig übertragenen (unbelasteten) Kommanditanteil ergibt.7 Ist das Nießbrauchsrecht so ausgestaltet, dass der Nießbraucher ebenfalls als Mitunternehmer anzusehen ist, gehört ein von Todes wegen erworbener Nießbrauch als immaterielles Wirtschaftsgut des abnutzbaren Anlagevermögens ertragsteuerlich und damit erbschaftsteuerlich bzw. bewertungsrechtlich zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II.8 Wird dem überlebenden Elternteil gleichzeitig ein entsprechendes Nießbrauchsrecht unter der aufschiebenden Bedingung des Todes des unternehmerisch tätigen Elternteils bestellt, ist bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung das Nießbrauchsrecht mit dem Kapitalwert nach den §§ 13 bis 16 BewG der Besteuerung zugrunde zu legen.9 Mit dem Wegfall des § 25 ErbStG mindert der Nießbrauch den Wert des verschenkten Kommanditanteils.10 Dabei lebt aber wieder § 14 Abs. 2 BewG auf, der inner1 BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, BStBl. II 2010, 555 (557 f.) = GmbHR 2010, 669, zumindest nach § 41 Abs. 1 AO, also ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Wirksamkeit. 2 BFH v. 1.10.2014 – II R 40/12, BFH/NV 2015, 500, selbst wenn darüber hinaus zwischen der KG und dem Kind ein Beratungsvertrag abgeschlossen wurde. 3 BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 = GmbHR 2013, 839; die Tochter hat sich im Streitfall verpflichtet, von ihrem eigenen Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen, ersatzweise nach den Weisungen des Vaters zu handeln, und im Fall eines Verstoßes hatte der Vater die Möglichkeit, die Schenkung zu widerrufen. Vgl. auch BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 (314 f.) = GmbHR 2009, 386. Vgl. zur Unterbeteiligung BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 (633) = GmbHR 2008, 501. 4 Ebenso Wachter, DStR 2013, 1929 (1933). 5 So auch BFH v. 16.12.2009 – II R 44/08, BFH/NV 2010, 690 (692) = GmbHR 2010, 499. S. dazu Rz. 2.227. 6 BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, BStBl. II 2010, 555 (557) = GmbHR 2010, 669. 7 BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 = GmbHR 2013, 839. 8 BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, BStBl. II 2013, 210 (212, 216 f.) = GmbHR 2013, 278; koordinierter Ländererlass v. 2.11.2012 – 3-S-3811/30, BStBl. I 2012, 1101. 9 Koordinierter Ländererlass v. 2.11.2012 – 3-S-3811/30, BStBl. I 2012, 1101. 10 Zur Übergangsregelung vgl. § 37 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Greifen parallel die Vergünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG erfolgt je nach Höhe der Verschonung insoweit freilich nur ein anteiliger Abzug (15%, Verschonungsweg 1) oder kein Abzug (Verschonungsweg 2).
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Familien-GmbH & Co. KG
halb bestimmter zeitlicher Grenzen eine Nachsteuer durch Korrektur der Erbschaftsteuerfestsetzung vorsieht.1 Gestaltungshinweis: Obgleich die Einräumung eines (Vollrechts-)Vorbehaltsnießbrauchs an Gesellschaftsanteilen inzwischen zivilrechtlich anerkannt ist, sind viele Detailfragen sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich noch nicht abschließend geklärt.2 Die Gestaltungspraxis sollte dies ins Kalkül ziehen und durch geeignete vertragliche Regelungen gegensteuern. Ratsam ist zudem, sich die Mitunternehmerstellungen des Erwerbers und des Schenkers von der Finanzverwaltung verbindlich bestätigen zu lassen.3
2.232
Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheiten ist in der Gestaltungspraxis nach wie vor die unentgeltliche Übertragung des Kommanditanteils gegen Versorgungsleistungen gängig.4 Liegen die Voraussetzungen dafür vor, kann der Verpflichtete (Kinder) die Leistungen als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Buchst. a) EStG5 abziehen, während der Berechtigte (Elternteil) die wiederkehrende Bezüge gem. § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern hat. Diese Form der Unternehmensübergabe wird freilich nicht in Erwägung gezogen, wenn die Kinder noch minderjährig sind.
2.233
Die oben dargestellten Grundsätze zum Fremdvergleich bei der mitunternehmerischen GmbH & Co. KG gelten nach Auffassung des BFH mit gewissen Einschränkungen auch für nicht gewerbliche, vermögensverwaltende Familien-GmbH & Co. KG.6 Es kommt für die Frage der Einkünfteerzielung darauf an, dass die Gesellschafter den Tatbestand der Erzielung von Einkünften z.B. aus Vermietung und Verpachtung i.S.v. § 21 EStG in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verwirklichen, wenn folglich die GmbH & Co. KG Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist.7 Dabei muss der Vermieter nicht eine zeitlich gesicherte Rechtsposition an dem Wirtschaftsgut innehaben. Deshalb ist es für die Zurechnung der Einkünfte ohne Bedeutung, ob die Gesellschafter im Fall der Auflösung der Gesellschaft Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens haben. Die Position des schenkweise in die vermögensverwaltende Familien-GmbH & Co. KG aufgenommenen Kindes kann folglich im Rahmen des Fremdvergleichs nicht in gleicher Weise beurteilt werden wie bei Mitunternehmerschaften. Ausreichend ist, wenn das Kind in dem beschriebenen Umfang stimmberechtigt ist, über Kontrollrechte verfügt und an den Verlusten und Gewinnen der vermögensverwaltenden Familien-GmbH & Co. KG entsprechend seiner Beteiligungsquote teilnimmt.8
2.234
1 Dazu Götz, DStR 2009, 2233. 2 Vgl. zuletzt Götz, ZEV 2015, 84. 3 Vgl. aber bezogen auf die Vergünstigungen zu §§ 13a, 13b ErbStG, BayLfSt v. 6.8.2015 – S 3700.2.1 - 11/2 St 34, DStR 2015, 2181. 4 Ausführlich BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 2227; s. Rz. 8.92, 8.152 ff. 5 Vormals unter § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geregelt, worauf der Erlass der Finanzverwaltung Bezug nimmt. 6 Vgl. BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120 f.); bereits BFH v. 9.4.1991 – IX R 78/88, BStBl. II 1991, 809 (812). 7 BFH v. 31.10.1989 – IX R 216/84, BStBl. II 1992, 506 (507); v. 26.1.1999 – IX R 17/95, BStBl. II 1999, 360 (360). S. auch OFD Frankfurt v. 25.2.2015 – S 2253 A - 84 - St 213, LEXinform 5235507. 8 BFH v. 16.12.2008 – VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118 (1120 f.). Zu den formalen Anforderungen (Ergänzungspfleger, familiengerichtliche Genehmigung) s. Rz. 2.211 ff.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2. Tatsächliche Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen 2.235
Weitere Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Mitunternehmerstellung des insbesondere schenkweise in die Familien-GmbH & Co. KG aufgenommenen Kindes ist der tatsächliche Vollzug des Gesellschaftsvertrages. Die Rechtsprechung fordert daher, dass Gesellschaftsverträge zwischen Familienangehörigen nicht nur nach ihrem rechtlichen Gehalt, sondern auch in ihrer tatsächlichen Durchführung mit dem zwischen Fremden Üblichen übereinstimmen.1 Es müssen alle Konsequenzen aus den vertraglichen Vereinbarungen gezogen werden. So muss die vereinbarte Einlage des Minderjährigen auch tatsächlich in das Vermögen der Familien-GmbH & Co. KG gelangen.2 Der Gewinn muss entsprechend der vertraglichen Gewinnverteilung aufgeteilt werden3 und darf nicht etwa dem bisherigen Alleininhaber zukommen.4 Nur bei tatsächlicher Durchführung des Vereinbarten soll die notwendige Ernsthaftigkeit in der Weise unterstellt werden können, dass die Vertragsbeziehungen tatsächlich geschäftlich und nicht privat (Einkommensverwendung, § 12 EStG) begründet sind. Gleiches gilt im Übrigen für die Verteilung der Gewinnanteile der Komplementär-GmbH.5
2.236
Die Vermutung einer schädlichen Einkommensverwendung ergibt sich, wenn der beteiligte Elternteil nach außen erkennbar das Unternehmen wie ein Alleininhaber führt. Dies wiederum kann bereits dann der Fall sein, wenn die Vermögenssphären zwischen den Eltern und den Kindern nicht scharf genug getrennt werden.6 Ein Ergänzungspfleger ist für die Dauer der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nicht vorgeschrieben (s. Rz. 2.216), so dass ausschließlich den Eltern die Verwaltung des Kindesvermögens obliegt. Die ernsthafte Durchführung wird daher nicht in Frage gestellt, wenn die Eltern als gesetzlicher Vertreter die Gesellschafterrechte der minderjährigen Kinder im laufenden Geschäftsverkehr ausüben.7 Im Gegenteil, die Eltern sind sogar angehalten, die den Kindern eingeräumten Rechte wahrzunehmen, wobei sie bei deren Vertretung ihre eigenen Interessen denen der Kinder unterzuordnen haben.8 Verletzen sie in ungewöhnlicher Weise die Interessen des Kindes, kann dies gegen die ernsthafte Durchführung der Vereinbarungen sprechen.9 1 BFH v. 20.2.1975 – IV R 62/74, BStBl. II 1975, 569 (571); BFH v. 30.1.1980 – I R 194/77, BStBl. II 1980, 449 (449). Dieser Abschnitt kann daher noch dem Fremdvergleich zugeordnet werden. 2 BFH v. 1.2.1973 – IV R 9/68, BStBl. II 1973, 221 (222); auf den Fälligkeitszeitpunkt der Einlage (eines stillen Gesellschafters) stellt ab: BFH v. 14.5.2003 – X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547 (1550). 3 BFH v. 14.5.2003 – X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547 (1550); BFH v. 19.11.1990 – VIII B 101/89, BFH/NV 1991, 321, einschließlich jährlicher Ertragsabrechnung. 4 BFH v. 6.11.1964 – VI 210/63 U, BStBl. III 1965, 52 (53 f.); H 15.9 Abs. 1 EStH 2014, „Tatsächliche Gewinnaufteilung“. Zur steuerlichen Anerkennung der Gewinnverteilung s. Rz. 2.248 ff. 5 Vgl. BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 (308) = GmbHR 2003, 243. 6 Vgl. BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 (308) = GmbHR 2003, 243; H 4.8 EStH 2014, „Minderjährige Kinder“. 7 Ellenberger in Palandt, § 181 BGB Rz. 11. 8 BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 (761) = GmbHR 1988, 239. 9 Nach Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 865 i.V.m. 316, ist es generell unschädlich, wenn die Rechte nicht wahrgenommen werden.
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Familien-GmbH & Co. KG
Eine Vermischung i.S. einer gemeinsamen Verwaltung des von den Eltern verwalteten Vermögens des Kindes mit dem eigenen Vermögen ist tunlichst zu vermeiden.1 Die strikte Trennung der Vermögenssphären sollte in jedem Fall nachweisbar vollzogen werden. Dazu gehört zunächst als Teil der Umsetzung des Gesellschaftsvertrages die selbständige Führung der vertraglich vorgesehenen Gesellschafterkonten für die Kinder.2 Die Verbuchung auf einem Konto oder eine gemeinsame Entnahme sind typisch für die gemeinsame Lebensführung aus einer Kasse und sollten ebenso unterlassen werden.3 Schädlich ist ferner, wenn Eltern die Gewinnanteile der Kinder entnehmen und für eigene Zwecke verwenden.4 Andererseits kann der Vollzug des Gesellschaftsvertrages nicht schon dann in Frage gestellt werden, wenn das dem schenkweise aufgenommenen Kind als Gesellschafter eingeräumte Gewinnentnahmerecht von ihm tatsächlich nicht ausgeübt wird.5 Ein Zwang zur Entnahme besteht nicht, weil auch in Kommanditgesellschaften zwischen Fremden die Kommanditisten vielfach ihre Gewinnanteile aus verschiedenen Gründen (z.B. wirtschaftliche Situation des Unternehmens) nicht entnehmen.6 Allerdings sollte die Thesaurierung alle Gesellschafter treffen.7
2.237
Fraglich ist, welche Verwendungsmöglichkeiten den Eltern für die Gewinnanteile der minderjährigen Kinder eingeräumt werden bzw. ihnen verbleiben, ohne den tatsächlichen Vollzug und damit die Mitunternehmerstellung der eigenen Kinder zu gefährden. Dabei ist noch immer umstritten, ob die Verwendung der Gewinnanteile für den Unterhalt und die Ausbildung der minderjährigen Kinder steuerlich unschädlich ist. Der BFH erachtet in seinem Urteil vom 30.1.1980 eine solche Verwendung im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag als schädlich und hält ihr das einkommensteuerrechtliche Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 und 2 EStG entgegen.8 Werden die Zinszahlungen mit Unterhaltsleistungen verrechnet, gelangen sie also nicht zur Auszahlung an das Kind, dienen sie – so der BFH – im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, Unterhaltsleistungen zu finanzieren. Gleiches soll gelten, wenn die Darlehenszinsen zunächst gezahlt werden, anschließend aber für den Unterhalt der Kinder verbraucht werden.9 Selbst eine teilweise Verwendung des Ge-
2.238
1 Sind mehrere Kinder an der Familien-GmbH & Co. KG beteiligt, sollten die Vermögenssphären auch untereinander strikt getrennt werden, vgl. BFH v. 30.3.1999 – VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325 (1326). 2 Gefordert wird das Führen eines selbständigen Privatkontos (Kapitalkonto II o. III), vgl. Schulze zur Wiesche, WPg 1987, 433 (434), bzw. eines entsprechenden Guthabenskontos, BFH v. 18.3.1964 – IV 86/63 U, BStBl. III 1964, 429 (430). 3 BFH v. 30.3.1999 – VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325 (1326). 4 BFH v. 5.6.1986 – IV R 272/84, BStBl. II 1986, 802 (804) = GmbHR 1987, 116; BFH v. 30.3. 1999 – VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325 (1326). 5 BFH v. 29.1.1976 – IV R 102/73, BStBl. II 1976, 328 (331). 6 Vgl. zum Entnahmerecht Rz. 2.224 f. 7 Also insbesondere auch die Eltern bzw. ehemaligen Alleininhaber, vgl. BFH v. 18.10.1989 – I R 203/84, BStBl. II 1990, 68 (69). 8 BFH v. 10.8.1988 – IX R 220/84, BStBl. II 1989, 137 (140). Die Auffassung der Finanzverwaltung ist nicht ganz klar. Nach R 23 Abs. 4 Satz 5 EStR 1990 wurden die Grundsätze des Urteils übernommen; seit EStR 2003/5 bzw. EStH 2007 sind sie nicht mehr enthalten; vgl. auch Märkle, BB 1993, Beilage 2, 3. 9 BFH v. 10.8.1988 – IX R 220/84, BStBl. II 1989, 137 (140).
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winnanteils des Kindes für den Unterhalt sei in diesem Sinne schädlich.1 Das Niedersächsische FG überträgt diesen Grundsatz auch auf den Fall der schenkweisen Übertragung einer stillen Beteiligung auf das unterhaltsberechtigte Kind.2 Teile der Literatur möchten den Grundsatz zudem auf Familienpersonengesellschaften übertragen.3 Im Ergebnis wäre dann die Mitunternehmerstellung des Kindes insgesamt dem Grunde nach steuerlich nicht anzuerkennen. 2.239
Dieser Auffassung kann u.E. nicht gefolgt werden.4 Der BFH unterstellt dabei, dass trotz eigener Einkünfte des Kindes eine Unterhaltspflicht der Eltern nach wie vor besteht. Zivilrechtlich ist das u.U. nicht der Fall. Je nach Höhe der daraus erzielten eigenen Einkünfte bzw. Gewinnanteile und Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Kinder besteht insoweit zivilrechtlich kein Unterhaltsanspruch der Kinder mehr (§§ 1602 Abs. 2, 1649 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die steuerrechtliche Annahme bzw. Fiktion einer Unterhaltsverpflichtung der Eltern überzeugt nicht und ist weder vor dem Hintergrund von Missbrauchsüberlegungen haltbar noch mit Praktikabilitätserwägungen zu rechtfertigen. Auch mit der vom BFH angeführten wirtschaftlichen Betrachtungsweise lässt sich u.E. die Auffassung des BFH nicht stützen.5 Voraussetzung für die Ernsthaftigkeit der Beteiligung des Kindes an der Familien-GmbH & Co. KG ist, dass dem Kind die Gesellschafterstellung zuvor eingeräumt wurde und die Vereinbarungen dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprechen. Damit wurde den Kindern eine eigene Einkunftsquelle zunächst unstreitig übertragen, deren Erträge sie selbst zu versteuern haben. Die Eltern haben nunmehr nach §§ 1626 Abs. 1, 1649 Abs. 1 BGB die Pflicht, die Gewinnanteile nach dem in § 1602 BGB verankerten Prinzip der Eigenverantwortung, wonach jeder für seinen Lebensunterhalt grundsätzlich selbst zu sorgen hat,6 für das Kind und dessen Unterhalt zu verwenden. Sie haben ferner das Vermögen der Kinder während der Zeit der Minderjährigkeit uneigennützig zu verwalten, können es aber u.U. je nach Bedürftigkeit auch der (restlichen) Familie zugute kommen lassen (§ 1649 Abs. 2 BGB).7 Die Eltern unterstützen also den Minderjährigen lediglich im Rahmen seiner Einkommensverwendung.8 Der Schenkung an die Kinder mit nachfolgender Verwendung der Gewinnanteile für die Verpflegung usw. des Kindes kann dann kein schädlicher Gesamtplan i.S. eines vorprogrammierten Rückholverfahrens bereits verschenkten Vermögens zugrunde liegen. Vielmehr bestehen zivil1 BFH v. 30.1.1980 – I R 194/77, BStBl. II 1980, 449 (450), zum Darlehensvertrag. Vgl. auch Kulosa, DB 2014, 972 (973). 2 FG Nds. v. 25.8.1982 – IX 149/79, EFG 1983, 343 (344), rkr. 3 Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (270); wohl auch Bordewin, DB 1996, 1359 (1370); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 749. 4 Ebenso: Seer, DStR 1988, 600 (605); Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 388; Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12383 (12388); Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 15 EStG Rz. 869; nicht eindeutig BFH v. 30.3.1999 – VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325 (1326) und BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 (308) = GmbHR 2003, 243. 5 BFH v. 30.1.1980 – I R 194/77, BStBl. II 1980, 449 (450): Es käme auf den „wirtschaftlichen Erfolg“ an. 6 Born in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1602 BGB Rz. 1. 7 Gilt aber u.E. nur bei nach Übertragung des Vermögens einsetzender Bedürftigkeit; s. nachfolgend Rz. 2.240. Vgl. BFH v. 1.7.2003 – VIII R 45/01, BStBl. II 2004, 35 (36). 8 BFH v. 18.3.1964 – IV 86/63 U, BStBl. III 1964, 429 (430) hält eine solche Verwendung durch die Eltern für möglich, wenn klare Vereinbarungen darüber vorliegen. U.E. dürfte die gesetzliche Verpflichtung dafür ausreichend sein.
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Familien-GmbH & Co. KG
rechtlich und auch wirtschaftlich voneinander zu trennende Vorgänge.1 Die für die steuerliche Beurteilung entscheidende wirtschaftliche Betrachtungsweise kann daher zu keinem anderen Ergebnis führen: Die Eltern „verrechnen“ die Gewinnanteile mit den für die Verpflegung usw. des Kindes notwendigen Mitteln. Die Begründung der Gesellschafterstellung wäre ansonsten nur dann möglich, wenn die Eltern den Minderjährigen neben seiner Einkunftsquelle zusätzlich aus eigenen Mitteln unterstützen. Die Zahlungen dürften aber dann zumindest gem. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG keine Schenkungsteuer auslösen.2 Im Mittelpunkt der Frage der steuerlichen Schädlichkeit steht vielmehr die Art und Weise der Disposition durch die Eltern. Behalten die Eltern regelmäßig und unabhängig von der Höhe des Unterhaltsanspruchs des Kindes vollständig den erzielten Gewinnanteil der Kinder mit der Begründung ein, notwendige Mittel zur Verpflegung usw. des Kindes zur Verfügung zu haben, steht dies grundsätzlich der Anerkennung der Mitunternehmerstellung mangels ernsthaften Vollzugs entgegen.3 Ebenso könnte es sich darstellen, wenn die Eltern von Beginn an den Gewinnanteil des beteiligten Kindes nach § 1649 Abs. 2 BGB neben dem Kindesunterhalt auch noch für den eigenen Unterhalt oder den der minderjährigen unverheirateten Geschwister verwenden. Hier kann wirtschaftlich betrachtet die Zuordnung der Einkunftsquelle steuerlich versagt werden, weil die Eltern das zuvor verschenkte Vermögen im Grunde für sich benötigen. Niemand hat etwas zu verschenken, was zugleich in der Weise benötigt wird.4 Der für den Kindesunterhalt angesetzte Betrag sollte der Höhe nach angemessen und innerhalb bestimmter Altersstufen weitgehend konstant sein sowie nur die laufenden Kosten (für Beköstigung, Bekleidung, Unterkunft etc.) umfassen. Eine Verrechnung der Mittel mit den Gewinnanteilen, indem die Gewinnanteile vom Bankkonto der Gesellschaft direkt auf das elterliche Konto transferiert werden, ist zu vermeiden.5 Es könnte damit stets der Verdacht begründet werden, dass die Vereinbarungen nicht ernsthaft vollzogen werden. Stattdessen sollte der Betrag monatlich vom Bankkonto des Kindes abgebucht werden. Größere bzw. außergewöhnliche Anschaffungen (z.B. Moped) sind direkt vom Konto des Kindes zu begleichen.
2.240
Praxishinweis: Um zum Zeitpunkt der Beendigung der Vermögenssorge über die Verwaltung des Vermögens gem. § 1698 Abs. 1 BGB Rechenschaft ablegen zu können, sollten die Eltern eine Aufstellung der mit der Verwaltung des Vermögens verbundenen Einnahmen und Ausgaben und nötigenfalls frühzeitig ein Vermögensverzeichnis führen.6
2.241
1 A.A. BFH v. 26.3.1996 – IX R 51/92, BStBl. II 1996, 443 (444): § 42 AO bei Schenkung mit anschließender Darlehensvergabe an Elternteil. Vgl. aber für den Fall der Vermietung an das Kind bei gleichzeitiger Verrechnung des Mietzinses mit der Unterhaltsverpflichtung BFH v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224 (225 f.). 2 Ebenso Carlé/Lagemann, DStR 1976, 369; a.A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13 ErbStG Rz. 138. 3 Es bliebe unklar, ob sie als Vertreter der Kinder deren Vermögensinteressen wahrnehmen. Einschränkender BFH v. 1.7.2003 – VIII R 45/01, BStBl. II 2004, 35 (36), hinsichtlich vGA einer Kapitalgesellschaft. 4 Vgl. FG Nds. v. 25.8.1982 – IX 149/79, EFG 1983, 343 (343), rkr.; bzgl. Darlehensverträgen: BFH v. 31.7.2002 – X R 103/96, BFH/NV 2003, 26 (28). 5 Vgl. BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 (308) = GmbHR 2003, 243. 6 Vgl. BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 (308) = GmbHR 2003, 243.
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§2 2.242
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Der verbleibende Gewinnanteil des Kindes ist gem. § 1642 BGB mündelsicher anzulegen,1 wobei ein bestmöglicher Ertrag angestrebt werden sollte. Auch dieses Kindesvermögen ist i.S. einer strikten Trennung der Vermögenssphären auf eigenen Bankkonten der Kinder zu verwalten.2
III. Steuerliche Folgen der Nichtanerkennung 2.243
Ist der KG-Vertrag zivilrechtlich nicht wirksam begründet worden, bleibt es grundsätzlich bei der ursprünglichen Konstellation. Der unternehmerisch tätige Elternteil bleibt Alleinunternehmer.3 Ist das Gesellschaftsverhältnis zivilrechtlich wirksam begründet, ist jedoch die steuerliche Mitunternehmerschaft aufgrund des Fremdvergleichs oder fehlender tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen, stellt sich die Frage, ob die Einkünftezuweisungen an die beigetretenen Familienangehörigen steuerlich völlig irrelevant sind oder ob sie unter anderen steuerlich relevanten Gesichtspunkten aufrechterhalten werden können. Dabei wird nachfolgend zwischen den Rechtsfolgen bei den Kindern und den Eltern bzw. der Gesellschaft unterschieden.
2.244
In der Einräumung von Gewinnanteilen an nahe stehende Gesellschafter (Kinder), die nicht Mitunternehmer der Familien-GmbH & Co. KG geworden sind, ist i.d.R. eine Zuwendung i.S.v. § 12 Nr. 2 EStG4 zu sehen. Eine eigene Einkunftsquelle begründet bzw. erhält der Minderjährige nicht. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Stellung des Kindes in der Familien-GmbH & Co. KG der eines stillen Gesellschafters gleichkommt.5 Notwendig ist für die Annahme einer solchen Innengesellschaft, dass die Rechtsstellung des betreffenden Gesellschafters bzw. Kindes wenigstens annähernd die Rechte eines stillen Gesellschafters gem. §§ 230 ff. HGB umfasst und die Vereinbarungen nebst Durchführung ihrerseits den Erfordernissen genügen, die an Familienpersonengesellschaften gestellt werden.6 Liegen die Voraussetzungen vor, stellen die an den typisch stillen Gesellschafter bzw. Minderjährigen gezahlten Gewinnanteile bei ihm Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und bei der Gesellschaft Betriebsausgaben dar.
2.245
Tragen die Vereinbarungen zwischen den Eltern und den Kindern kein gesellschaftsrechtliches Element in sich, haben sie sich also nicht zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels verbunden, ist u.E. ebenfalls zu prüfen, ob die Vereinbarung als 1 Vgl. Seer, DStR 1988, 600 (604) m.w.N. 2 Dies gilt ebenso für Depotkonten. Auch alle Verfügungen, z.B. Kaufaufträge für festverzinsliche Wertpapiere, sind stets im Namen der Kinder auszuführen. 3 Vgl. zu den Konstellationen bei zivilrechtlicher Wirksamkeit Schulze zur Wiesche, WPg 1987, 433 (436 f.). 4 Vgl. BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418); BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (665); H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Allgemeines“. 5 BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418); BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (665); BFH v. 15.10.1981 – IV R 52/79, BStBl. II 1982, 342 (344); BFH v. 11.7.1989 – VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92 (94); BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (272); BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66–70/97, BStBl. II 2000, 183 = GmbHR 2000, 241; H 15.9 Abs. 4 EStH 2014, „Allgemeines“; Schulze-Osterloh, JbFStR 1978/79, 245 (254 f.); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 746; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 136. 6 BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 (665); vgl. zu den Anforderungen H 15.9 Abs. 4 EStH 2014, „Allgemeines“; BFH v. 8.3.1984 – I R 31/80, BStBl. II 1984, 623 (624 f.).
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Familien-GmbH & Co. KG
partiarisches Darlehen zu behandeln ist.1 Dies hätte ebenso wie bei der Annahme einer typisch stillen Beteiligung die Einordnung in eine andere Einkunftsart (§ 20 EStG) zur Folge.2 Ein partiarisches Darlehen kann aber nur in den seltenen Fällen angenommen werden, wenn sich die Zuwendung der Eltern in einem Forderungsrecht erschöpft. In einem Urteil entschied der BFH gegen die Umdeutung eines Gesellschafts- in einen Darlehensvertrag.3 An die Stelle eines wirksam abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages könne für die steuerliche Beurteilung nicht ein tatsächlich nicht existenter Darlehensvertrag gesetzt werden.4 Er begründete seine Auffassung damit, dass die steuerliche Beurteilung davon auszugehen habe, was die Steuerpflichtigen rechtsgültig vereinbart haben, und zwar auch dann, wenn die Vereinbarung aufgrund privater Veranlassung von dem abweicht, was unter fremden Dritten üblich ist.5 Dem ist u.E. nicht zuzustimmen. Für eine solch enge formalrechtliche Auslegung ist bei Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen kein Platz, sofern die übrigen spezifischen Kriterien für die Anerkennung von Rechtsverhältnissen zwischen Familienangehörigen vorliegen.6 Es kommt steuerlich nicht auf die Bezeichnung des Vertrags, also die Qualifikation durch die Vertragsparteien an,7 sondern unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles auf dessen Ausgestaltung bzw. wirtschaftlichen Gehalt.8 Soweit daher mit Abschluss eines rechtsgültigen KG-Vertrags nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise steuerlich die Tatbestandsmerkmale eines partiarischen Darlehens verwirklicht sind, ist ein schädliches Ausnutzen zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei Familienangehörigen ausgeschlossen. Es kann folglich nichts anderes gelten, als wenn von vornherein ein partiarisches Darlehen vereinbart worden wäre. Im Übrigen ist die Rechtsprechung insofern inkonsequent, als formal aus einem KG-Vertrag und aus einem Darlehensvertrag ohne weiteres eine stille Beteiligung hergeleitet werden kann.9 Wie die Stellung der verbleibenden Gesellschafter (Eltern) zu beurteilen ist, richtet sich danach, ob die Eltern oder ein Elternteil als Kommanditisten an der FamilienGmbH & Co. KG beteiligt sind. Ist dies zu bejahen, ist eine Kommanditgesellschaft zwischen ihnen und der Komplementär-GmbH steuerlich anzuerkennen. Sind ausschließlich Kinder Kommanditisten der Familien-GmbH & Co. KG und wird deren 1 Ebenso: Ritzrow, StBp 2003, 173 (177); in BFH v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359, spricht der BFH sich im Zusammenhang mit der Deutung eines Automatenaufstellungsvertrages für eine solche Abgrenzung aus; in Erwägung zog der BFH auch ein normales Darlehensverhältnis, BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416 (418) und BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66–70/97, BStBl. II 2000, 183 (184) = GmbHR 2000, 241; in diesem Sinne auch BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769) = GmbHR 1984, 355. 2 So der BFH v. 21.10.1992 – X R 99/88, BStBl. II 1993, 289 m.w.N. 3 BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (273) zu einer Unterbeteiligung. 4 Ebenso die Finanzverwaltung, H 15.9 Abs. 2 EStH 2014, „Umdeutung in Darlehensgewährung“, H 4.8 EStH 2014, „Umdeutung“. 5 Wohl unter Bezugnahme auf BFH v. 19.9.1974 – IV R 95/73, BStBl. II 1975, 141 (142). 6 A.A. Schulze-Osterloh, JbFStR 1978/79, 245 (257), der ein partiarisches Darlehen nur bei zivilrechtlicher Unwirksamkeit der Kommanditgesellschaft in Erwägung zieht. 7 BFH v. 8.3.1984 – I R 31/80, BStBl. II 1984, 623 (624); BFH v. 21.10.1992 – X R 99/88, BStBl. II 1993, 289 (291). 8 Vgl. BFH v 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359. 9 BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269 (272). Vgl. auch BFH v. 19.9.1974 – IV R 95/73, BStBl. II 1975, 141 (142); BFH v. 8.3.1984 – I R 31/80, BStBl. II 1984, 623 (624); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 259.
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2.246
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Eigenschaft als Mitunternehmer nicht anerkannt, können gleichwohl die Eltern u.U. verdeckte Mitunternehmer (s. Rz. 6.38 ff.) einer Innengesellschaft sein.1 Das ist z.B. der Fall, wenn die Eltern Rechtsbeziehungen in Form von Austauschverträgen (z.B. Pachtvertrag) zu der Familien-GmbH & Co. KG unterhalten, deren Ausgestaltung auf eine partnerschaftliche Gleichberechtigung gerichtet ist. Maßgebend ist der wirkliche Wille der Vertragschließenden.2 Eine verdeckte Mitunternehmerschaft kann bestehen, wenn dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH außergewöhnlich hohe gewinnabhängige Bezüge zustehen und dessen Geschäftsführungsbefugnisse weder nach dem Gesellschaftsvertrag noch nach dem Anstellungsvertrag eingeschränkt sind.3 Tritt der Geschäftsführer infolgedessen wie ein Alleingesellschafter auf, steht der verdeckten Mitunternehmerschaft auch nicht entgegen, dass eine Beteiligung am Verlust, den stillen Reserven und dem Geschäftswert der Familien-GmbH & Co. KG nicht vorgesehen ist, also das Mitunternehmerrisiko schwach ausgeprägt ist. Die von dem verdeckten Mitunternehmer erzielten Einkünfte sind dann ausnahmslos solche aus Gewerbebetrieb.4 Sind die Eltern weder Kommanditisten der Familien-GmbH & Co. KG noch verdeckte Mitunternehmer, bleibt es steuerlich bei dem ursprünglichen Einzelunternehmen oder ggf. bei der GmbH als Unternehmer. Die ggf. vorliegende stille Beteiligung bzw. das partiarische Darlehen des Kindes setzen je nach Konstellation beim Unternehmen bzw. bei der Eltern-GmbH & Co. KG an. 2.247
Wird die Beteiligung der Kinder und damit die Begründung einer eigenen Einkunftsquelle steuerlich nicht anerkannt, ist zu beachten, dass die Eltern weiterhin die gesamten Einkünfte zu versteuern haben. Da jedoch die Kinder zivilrechtlich in Höhe der vereinbarten Gewinnverteilung an den Erträgen partizipieren, ergibt sich für die Eltern zivilrechtlich ein Anspruch auf Ausgleich der auf diesen Teil gezahlten Steuern.5
IV. Angemessenheit der Gewinnverteilung 1. Allgemeines 2.248
Wird die Familienpersonengesellschaft nach den o.g. Kriterien steuerrechtlich dem Grunde nach anerkannt, erachtet es die Rechtsprechung gleichwohl als notwendig, die vereinbarte (handelsrechtliche) Gewinnverteilung zwischen den Eltern und den Kindern auf den Prüfstand zu stellen.6 Dies gilt ebenso für die Familien-GmbH & 1 2 3 4 5
Ebenso Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 767 i.V.m. 280 ff. BFH v. 5.6.1986 – IV R 272/84, BStBl. II 1986, 802 (804) = GmbHR 1987, 116. BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 (68) = GmbHR 1996, 131. Schulze zur Wiesche, DStR 1982, 671 (674). Felix/Streck, DB 1975, 2213 und Kapp, FR 1988, 352 (352) nehmen einen solchen Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage an, Crezelius, BB 1980, 1481 (1485) wegen § 812 BGB; a.A. Meincke, § 7 ErbStG Rz. 140. 6 BFH v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 (182); BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5. Solange die unterschiedliche Behandlung der Familienpersonengesellschaften gegenüber Gesellschaften unter Beteiligung fremder Dritter nicht willkürlich ist, verstößt sie nicht gegen die Grundrechte, vgl. BFH v. 9.10.2001 – VIII R 77/98, BStBl. II 2002, 460 (461).
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Familien-GmbH & Co. KG
Co. KG.1 Es wird danach im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung festgestellt, inwieweit die nach dem Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich mit der Beteiligung verbundenen und weitgehend frei bestimmbaren Gewinnanteile steuerrechtlich der Beteiligung als Einkunftsquelle zugeordnet werden können.2 Fraglich ist also, ob die Gewinnverteilungsabreden bei Familienpersonengesellschaften, bei denen einem nicht im Unternehmen tätigen Kind, gleich ob minderjährig oder volljährig, die Stellung als Mitunternehmer schenkweise eingeräumt wurde, auch unter Fremden in dieser oder ähnlicher Weise getroffen worden wären. Diesen Vergleich begründet die Rechtsprechung mit der den Steuergesetzen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise.3 Denn auch bei der Festlegung der Gewinnverteilung zwischen nahen Angehörigen, insbesondere zwischen Eltern und Kindern, fehle es regelmäßig an einem natürlichen Interessengegensatz, der dafür sorge, dass die vereinbarte Gewinnverteilung dem Beitrag des Gesellschafters zur Erreichung des Gesellschaftszwecks entspreche.4 Die Höhe der laut Gesellschaftsvertrag dem einzelnen Gesellschafter zugebilligten Gewinnanteile könne nur insoweit zur Annahme gewerblicher Einkünfte berechtigen, wie sie dem Gewicht seiner Mitunternehmerstellung im Verhältnis zur Mitunternehmerschaft und zur Mitunternehmerstellung der anderen Gesellschafter entspreche und danach Erträgnisse dieser Mitunternehmerstellung sind.5 Verdeckt könnten die Eltern den Kindern z.B. dadurch Einkommen zuwenden, indem sie sich Sonderleistungen gegenüber der Gesellschaft zu gering vergüten lassen. Die Motivation zur Aufnahme von Kindern sei zudem eine andere als bei der Beteiligung von fremden Dritten (s. zur Motivation Rz. 2.204 f.). Ein Unternehmer nehme einen Dritten in sein Unternehmen auf, wenn er neues Kapital benötigt, sich seine Mitarbeit sichern oder aus anderen betrieblichen Gründen eine Kapitalverflechtung vornehmen möchte.6 Derartige Gesichtspunkte seien i.d.R. bei einer schenkweisen Übertragung nicht bestimmend. Es kommt daher infolge der Angemessenheitsprüfung erneut zu einer Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung bei den Angehörigen. Die Finanzverwaltung folgt grundsätzlich der Rechtsprechung,7 behält sich jedoch darüber hinaus vor, die Gewinnverteilung als Missbrauch i.S.v. § 42 AO zu beurteilen, sofern sie in offensichtlichem Missverhältnis zu den Leistungen der Gesellschafter steht.8 Der Einkunftsquelle des Kindes sind also die Gewinnanteile nur insoweit zuzurechnen, als 1 Vgl. BFH v. 6.11.1991 – XI R 35/88, BFH/NV 1992, 452 (454); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 783; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (276). Dagegen wird zu Unrecht eingewandt, dass zwischen der Komplementär-GmbH, sofern die Eltern nur an ihr beteiligt sind, und den Kindern eine Einkommensverwendung mangels Unterhaltsverhältnisses nicht möglich ist, vgl. Felix/Streck, DStR 1975, 244 (246) und FR 1976, 107 (109); Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 207 f. 2 BFH v. 27.9.1973 – IV R 33/71, BStBl. II 1974, 51 (53). 3 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (7); der BFH sprach nach früherer Auffassung, Urt. v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 (183), in diesem Zusammenhang noch von einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten; die Finanzverwaltung tut dies noch heute, vgl. R 15.9 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012. 4 BFH v. 9.10.2001 – VIII R 77/98, BStBl. II 2002, 460 (461). 5 BFH v. 26.1.1976 – IV R 89/75, BStBl. II 1976, 374 (375 f.). 6 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8). 7 Vgl. H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Allgemeines“. 8 Vgl. R 15.9 Abs. 3 Satz 2 EStR 2012.
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sie durch seine Gesellschaftsbeteiligung bedingt sind. Sind fremde Dritte an der Familienpersonengesellschaft beteiligt, bedarf es i.d.R. keiner Angemessenheitsprüfung.1 Zu den Fremden dürften u.E. auch Gesellschafter unterschiedlicher Familienstämme zählen. Anders ist wohl diese Einschätzung zu werten, wenn einander fremde Gesellschafter oder Familienstämme jeweils ihre Kinder zu gleichen Bedingungen beteiligen und damit gleichgerichtete Interessen haben.2 Es läge nahe, die Prüfung der Angemessenheit im Rahmen des oben angestellten Fremdvergleichs (dem Grunde nach) einzubeziehen (s. oben Rz. 2.222 ff.). Im Unterschied zu den dort angewandten Maßstäben berührt die Frage der Angemessenheit der Gewinnverteilung allerdings nicht die Stellung des Minderjährigen als Mitunternehmer als solche. Aus dem Grund wird die Gewinnverteilung gesondert geprüft.3
2. Angemessenheitsprüfung 2.250
In seinem Grundsatzurteil vom 29.5.19724 hat der Große Senat des BFH ausführlich zu der Gewinnverteilung bei Familienpersonengesellschaften Stellung genommen. Er hat darin mangels Vergleichbarkeit mit Gestaltungen zwischen fremden Dritten u.a. eine prozentuale Rendite-Grenze in der Zuweisung von Gewinnanteilen an schenkweise aufgenommene, nicht mitarbeitende Kinder gezogen. Danach wird eine Gewinnverteilung im Allgemeinen nicht zu beanstanden sein, wenn der Gewinnverteilungsschlüssel eine durchschnittliche Rendite von nicht mehr als 15 % des tatsächlichen Werts der Beteiligung ergibt.5 Das Urteil des Großen Senats betrifft den Fall einer neu gegründeten KG, in das der bisherige Betriebsinhaber sein Einzelunternehmen unter Beteiligung seiner Kinder eingebracht hat. Die Angemessenheitsprüfung ist allerdings auch auf andere Entstehungsarten und Formen der Familienpersonengesellschaften anzuwenden (s. Rz. 2.206, 2.248). So ist auch der Gewinnanteil zu prüfen, der mit einer Beteiligung einer bereits bestehenden GmbH & Co. KG zusammenhängt, die schenkweise an das nicht mitarbeitende Kind übertragen wurde.6 Gleiches gilt für die atypisch stille Beteiligung und die atypisch stille Unterbeteiligung eines Angehörigen an der Familien-GmbH & Co. KG bzw. eines Anteils daran.7 Nachfolgend sollen die einzelnen, vom BFH auf1 BFH v. 6.11.1991 – XI R 35/88, BFH/NV 1992, 452 (454); zur Angemessenheitsprüfung abseits der Familiengesellschaften vgl. BFH v. 21.9.2000 – IV R 50/99, BStBl. II 2001, 299 (301). 2 Vgl. BFH v. 25.6.1981 – IV R 135/78, BStBl. II 1981, 779 (780). 3 Vgl. BFH v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 (183); BFH v. 15.10.1970 – IV 134/70 S, BStBl. II 1971, 262. 4 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (7). 5 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); vgl. zur vorherigen Rechtsprechung: BFH v. 25.7.1963 – IV 421/62 U, BStBl. III 1964, 3 (3 f.), der bereits 15 % als angemessen ansah, und BFH v. 15.10.1970 – IV R 134/70, BStBl. II 1971, 262 (263), wonach eine Verzinsung von mehr als 20 % unangemessen sei. 6 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 780 (783). 7 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5; BFH v. 29.3.1973 – IV R 56/70, BStBl. II 1973, 650 (654), wonach sich die tolerierte Rendite auf 12 % mindert, sofern der Angehörige nicht am Verlust beteiligt wird. Bei typischen stillen Gesellschaften beträgt die tolerierte Rendite 25 %, BFH v. 14.2.1973 – I R 131/70, BStBl. II 1973, 395 (396). Ist eine Verlustbeteiligung vorgesehen, sind sogar 35 % der Einlage angemessen, BFH v. 16.12.1981 – I R 167/78, BStBl. II 1982, 387; BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 = GmbHR 2009, 672. Zuletzt BFH v. 18.6.2015 – IV R 5/12, DStR 2015, 2229 ff. der die für die Gewinnvertei-
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gestellten, nicht immer leicht nachvollziehbaren Schritte zur Ermittlung einer angemessenen Gewinnverteilung bei Teilhabe eines schenkweise aufgenommenen, nicht mitarbeitenden Kindes an einer GmbH & Co. KG sowie die dabei verwendeten Begriffe erläutert werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Gewinnverteilung ist nach Auffassung des Großen Senats von dem Wesen der Gesellschaft und der Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft auszugehen. Denn diese Gesichtspunkte sind auch bei Gestaltungen zwischen Fremden bestimmend. Ein Fremdvergleich im eigentlichen Sinne scheitere aber an einer Vergleichsmöglichkeit, weil die schenkweise Aufnahme von Fremden nur ausnahmsweise vorkommen dürfte. Das Wesen der (Familien-)Personengesellschaft bestehe allgemein in dem Zusammenschluss der Gesellschafter zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB, §§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Die Gesellschafterstellung in der (Familien-)Personengesellschaft werde regelmäßig weniger durch die kapitalmäßige Beteiligung des Gesellschafters (Kapitaleinsatz) als vielmehr durch die personen- und persönlichkeitsgebundenen Beiträge der Gesellschafter, wie z.B. den Arbeitseinsatz, das Haftungsrisiko, einen angesehenen Namen, früher erbrachte Aufbauleistungen, Seniorität, Menschenführung usw. geprägt und bestimmt (unternehmerische Leistung). Ausgehend vom Gesamtgewinn der Gesellschaft werden jedoch nicht alle diese Beiträge (vorab) abgegolten. Nicht selten werde nur der Einsatz für die Geschäftsführung1 und das Haftungsrisiko vergütet sowie eine Verzinsung des Buchkapitals vorgenommen. Erbringen die Gesellschafter weitere typischerweise vergütete Leistungen unentgeltlich oder teilentgeltlich, ist im Rahmen der Angemessenheitsprüfung u.E. eine angemessene, also fiktive Vorabvergütung anzusetzen2 (s. Beispiel in Rz. 2.257), die den jeweiligen Gesellschaftern steuerlich zuzurechnen ist. Das gilt u.E. auch hinsichtlich etwaiger Sonderleistungen der Kinder. Es verbleibt anschließend ein Restgewinn, der im Rahmen der Angemessenheitsprüfung einzig zur Disposition steht.
2.251
Da der minderjährige Kommanditist über seine bloße Kapitalbeteiligung hinaus im Allgemeinen nichts zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks der Gesellschafter beiträgt, ist nach den Grundsätzen des Großen Senats des BFH eine Verteilung des Restgewinns allein nach dem vereinbarten handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel (z.B. Verhältnis der Festkapitalkonten) regelmäßig unangemessen, weil dabei die nicht in der Überlassung von Kapital bestehenden Beiträge der anderen Gesellschafter, die noch nicht (fiktiv) vergütet wurden, unzureichend Berücksichtigung finden.3
2.252
lung bei einer GmbH & Co. KG aufgestellten Rechtsgrundsätze bei einer atypischen Stillen in der Rechtsform einer GmbH & atypisch Still entsprechend angewendet wissen möchte (2232). Zur Unterbeteiligung vgl. BFH v. 9.10.2001 – VIII R 77/98, BStBl. II 2002, 460; H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Unterbeteiligung“. 1 Dazu gehört neben dem fixen Gehalt auch eine Gewinntantieme, vgl. BFH v. 25.7.1963 – IV 421/62 U, BStBl. III 1964, 3 (4); Westerfelhaus, DB 1997, 2033 (2035). 2 Vgl. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (7) und v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (330), der von „angemessenen“ Vorabvergütungen spricht. Hierunter fallen auch Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern (z.B. Grundstücken). Es ist dagegen nach dem Wortlaut des Urteils nicht erforderlich, bei der Ermittlung des (fiktiven) Restgewinns als Vorabvergütungen Zinsen für die Kapitalkonten anzusetzen, wenn die Gesellschafter eine solche Verzinsung vertraglich ausgeschlossen haben. 3 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); vgl. auch BFH v. 4.6.1973 – IV R 26/68, BStBl. II 1973, 866 (867 f.).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Die Angemessenheit des Gewinnanteils des Kommanditisten könne sich stattdessen nur nach dem tatsächlichen (gemeinen) Wert, auch wahrer Wert genannt, des Kapitalanteils richten, der wiederum unter Berücksichtigung der Bestimmungen des im Einzelfall geschlossenen Gesellschaftsvertrags zu ermitteln sei. Dazu sei in einem ersten Schritt erforderlich, den Gesamtwert des Unternehmens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages bzw. mit Aufnahme der Kinder zu bestimmen. Der Wert des Unternehmens umfasse die offenen und stillen Reserven der Wirtschaftsgüter, also die Teilwerte,1 einschließlich eines eventuell vorhandenen Geschäftswerts und anderer selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter. Es liegt nahe, dass die Durchführung einer detaillierten Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen für Zwecke der Gewinnverteilung nicht praktikabel ist. Ausreichend ist daher eine überschlägige Wertfeststellung nach einem allgemein anerkannten, vereinfachten Verfahren zur Unternehmensbewertung.2 Der BFH gibt nicht vor, welche Methode der Steuerpflichtige anzuwenden hat. Er verlangt eine nur überschlägige Feststellung des Werts i.S. einer bestmöglichen Praktikabilität.3 Dem genügt im Allgemeinen die von der Finanzverwaltung anerkannte Mittelwertmethode, wonach der Unternehmenswert aus dem Mittel zwischen Substanzund Ertragswert errechnet wird ([Substanzwert + Ertragswert]/2).4 U.E. ist auch eine vereinfachte Anwendung der Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Methoden zulässig.5 In diesem Zusammenhang werden in der Literatur darüber hinaus das Stuttgarter Verfahren6 und Methoden zur Berechnung des Geschäftswerts genannt.7 Auch das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren gem. §§ 199 ff. BewG8 kann herangezogen werden. Das Verfahren ist ebenso wie das Stuttgarter Verfahren vergangenheitsorientiert, führt aber teilweise zu überhöhten Werten. U.E. ist es aufgrund der Vorgaben des BFH nach wie vor zulässig, Berechnungsmethoden wie das Stuttgarter Verfahren anzuwenden, auch wenn die Finanzverwaltung regelmäßig auf das vereinfachte Ertragswertverfahren verweisen dürfte vor dem Hintergrund, dass das BVerfG unlängst rea1 BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (491). 2 Vgl. Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 421; Birkholz, BB 1974, 271 (275). 3 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492); BFH v. 16.6.1970 – II 95 - 96/64, BStBl. II 1970, 690 (693) zur Gesellschaftssteuer. 4 Vgl. OFD Karlsruhe v. 5.7.1972 – S 5000 A - St 352, DB 1972, 1701 (1702 f.); Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (277). Insbesondere bei substanzschwachen Unternehmen oder Branchen sollte der Ertragswert stärker gewichtet werden. Dies geschieht, indem der Ertragswert doppelt berücksichtigt wird ([1 × Substanzwert + 2 × Ertragswert]/3). 5 Vgl. dazu IDW Standard i.d.F. 2008, Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg Supplement 3/2008, 68 ff. S. zur Unternehmensbewertung auch OFD Rheinland v. 15.11.2007 – S 2244 - 1008 - St, GmbHR 2008, 112. S. zur Schenkungsteuer Rz. 8.130 ff. 6 Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 422; Sureth/Nordhoff, DB 2008, 305 (307 f.); Schulze zur Wiesche in Bordewin/Brandt, § 15 EStG Rz. 488; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (277); ebenso in Zweifelsfällen: OFD Karlsruhe v. 5.7.1972 – S 5000 A - St 352, DB 1972, 1701 (1702). 7 Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 6. Aufl. 1997, S. 1103, schlägt unter Bezugnahme auf BFH v. 11.10.1960 – I 229/59 U, BStBl. III 1960, 509, die sog. indirekte Methode zur Ermittlung des Geschäftswerts als Berechnungsmethode vor; vgl. zudem BFH v. 8.12. 1976 – I R 215/73, BStBl. II 1977, 409. 8 Eingeführt durch das ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 ff.
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listische Wertansätze einforderte. U.E. schlägt diese Forderung vorliegend nicht durch. Sie wird überlagert von Praktikabilitätserwägungen. Daher sollte es erlaubt sein, die Grundsätze unterschiedlicher Berechnungsmethoden zu verknüpfen, sofern das der sachgerechten Ermittlung des Unternehmenswerts dient und die allgemeinen Grundsätze eingehalten werden. Beispielsweise vereinigt die Mittelwertmethode sowohl die Bestimmung des Substanz- als auch des Ertragswerts. Bei Anwendung der Mittelwertmethode sind ausgehend von den Buchwerten des Anlage- und Umlaufvermögens abzüglich der Rückstellungen und Verbindlichkeiten die stillen Reserven in den einzelnen Wirtschaftsgütern sachgerecht zu schätzen. Weitgehende handelsbilanziell motivierte Vorsichtsgesichtspunkte sollten bei der Ermittlung des Substanzwerts aus Gründen der Objektivierung zurückstehen. Zur Berechnung des Ertragswerts ist ausgehend vom Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages bzw. mit Aufnahme der Kinder mittels einer Prognose unter vernünftiger kaufmännischer Beurteilung auf die Zukunft abzustellen. Vergangenheitswerte sind dabei ein Indiz für finanzielle Erwartungen; sie können jedoch in begründeten Fällen widerlegt werden. Der Ertragswert ermittelt sich als Barwert aus dem prognostizierten Durchschnittsgewinn und einem üblichen Kapitalisierungszinssatz.1 Der Kapitalisierungszinssatz erfasst neben einem Basiszinssatz einen Risikozuschlag und schwankt in der Praxis zwischen 8–15 %.2 Beispiel V möchte zu Beginn des Jahres 2015 seine Kinder T und S an seiner schuldenfreien GmbH & Co. KG beteiligen und fragt aus diesem Grund nach der Höhe des Unternehmenswertes. Die Wirtschaftsgüter der Familien-GmbH & Co. KG haben zu Beginn des Jahres 2015 einen Buchwert i.H.v. 500 000 Euro. Die stillen Reserven im aktivierten Anlagevermögen betragen ebenfalls 500 000 Euro. Daneben besteht ein selbst geschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut i.H.v. 1 000 000 Euro. Der u.a. anhand der Entwicklung der vergangenen Jahre sachgerecht prognostizierte durchschnittliche Gewinn beträgt 600 000 Euro. Als Kapitalisierungszinssatz sind 10 % angemessen. Auf welchen Betrag beläuft sich der nach der Mittelwertmethode vereinfacht ermittelte Unternehmenswert zum Zeitpunkt der Beteiligung der Kinder Anfang 2015?
Lösung 1. Substanzwert des Unternehmens:
Euro
Buchwert
500 000
Stille Reserven im aktivierten AV
500 000
Immaterielles Wirtschaftsgut (nicht aktiviert)
1 000 000
Gesamt
2 000 000
2. Ertragswert des Unternehmens: Durchschnittlicher Gewinn 600 000 E ‚ 10 % =
600 000 6 000 000
1 Anstelle eines Kapitalisierungszinssatzes können auch Multiplikatoren verwendet werden. Der Gewinnmultiplikator verhält sich entgegengesetzt zum Kapitalisierungszinssatz. Je höher der Zinssatz ist, desto geringer fällt der Multiplikator aus. Bei einem Zinssatz von 12,5 % beträgt er bspw. nur noch 8, bei einem Zinssatz von 10 % ist er gleich groß (10). 2 Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, 4. Aufl. 2002, S. 116 f. Die Finanzverwaltung hielt Anfang der 70er Jahre 12 % für angemessen, OFD Karlsruhe v. 5.7.1972 – S 5000 A - St 352, DB 1972, 1701 (1702). Vgl. auch Greif, StuW 1974, 97 (107).
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2.253
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
3. Unternehmenswert nach der Mittelwertmethode: Substanzwert
2 000 000
Ertragswert
6 000 000
Gesamt
8 000 000
Mittel (‚ 2), Ergebnis =
4 000 000
Betont man den Ertragswert stärker, ergibt sich ein Unternehmenswert in Höhe von 4,67 Mio. Euro: (2 Mio. + [2 × 6 Mio.]) ‚ 3.
2.254
Für die Ermittlung des Unternehmenswerts kann aber auch ein später erzielter Verkaufserlös des Unternehmens bzw. von Anteilen am Unternehmen als Anhaltspunkt herangezogen werden.1 Der Unternehmenswert enthält u.E. nicht das im Sonderbetriebsvermögen (SBV) befindliche Vermögen, da die Beziehungen zu den Gesellschaftern separat betrachtet und über (fiktive) Vorabvergütungen abgebildet werden (s. zuvor Rz. 2.251).2
2.255
Der Gesamtwert des Unternehmens müsse nach Auffassung des Großen Senats in einem zweiten Schritt auf die einzelnen Gesellschafter aufgeteilt werden. Bei der Ermittlung eines Verteilungsmaßstabes setze ein Fremdvergleich auf der Basis des Gesellschaftsvertrages an. Dem Kind könne nur der Teil des Gesamtwertes des Unternehmens zugeordnet werden, den ein Dritter für diese Beteiligung zu zahlen bereit wäre. Die Höhe dieses Wertes hänge maßgeblich davon ab, inwieweit das Kind an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens bei Auflösung, Liquidation oder beim Ausscheiden aus der Gesellschaft beteiligt sei.3 Sind die Kinder an den stillen Reserven sowie am Geschäftswert grundsätzlich beteiligt und ist diese Beteiligung im Gesellschaftsvertrag einheitlich für alle Gesellschafter geregelt, könne als Verteilungsmaßstab das Verhältnis der festen Kapitalanteile (Kapitalkonto I) herangezogen werden. Wird jedoch die vermögensmäßige Beteiligung der Kinder in den genannten Fällen einseitig eingeschränkt, seien auf den nach festen Kapitalanteilen verteilten Wert des Gesellschaftsanteils noch Abschläge vorzunehmen. Gleiches gelte, wenn das Entnahmerecht der Kinder eingeschränkt werde oder andere einseitige Beschränkungen bestünden, die einen Dritten dazu veranlassen würden, einen geringeren Preis für den Gesellschaftsanteil zu bezahlen.4 Räumt der Gesellschaftsvertrag den Eltern das Recht zur Übernahme des Gesellschaftsanteils zum Buchwert ein, kann als tatsächlicher Wert des Gesellschaftsanteils des Kindes selbst dann nur der anteilige Buchwert des Unternehmens herangezogen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Übernahmerechts gering erscheint.5 Die Abschläge sind sachgerecht zu schätzen. 1 BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (330). 2 SBV möchte berücksichtigen Kleine-Rosenstein, StuB 1999, 1027 (1030), sofern das SBV ebenfalls verschenkt wurde. 3 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8). 4 BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492); H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Beteiligung an den stillen Reserven“. 5 BFH v. 17.9.1973 – IV R 33/71, BStBl. II 1974, 51 (54); vgl. BFH v. 13.3.1980 – IV R 59/76, BStBl. II 1980, 437 (438 f.) = GmbHR 1980, 306; vgl. H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Buchwertabfindung“. Die Urteile und die Auffassung der Finanzverwaltung sind allerdings insoweit
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§2
Familien-GmbH & Co. KG
Als letzte Bezugsgröße diene nach Auffassung des Großen Senats des BFH der nachhaltig zu erwartende jährliche (fiktive) Gewinn, der nach den zum Zeitpunkt der Gewinnverteilungsvereinbarung bekannten Umständen und der sich aus ihnen für die Zukunft ergebenden wahrscheinlichen Entwicklung zu erwarten sei.1 Dieser fiktive Gewinn entspreche dem durchschnittlich prognostizierten Gewinn der dem Abschlussstichtag folgenden fünf Jahre.2 Ein derart langer Zeitraum sei deshalb notwendig, um den Einfluss von konjunkturellen Ertragsschwankungen auf die Berechnung weitestgehend auszuschalten. Der fiktive Gewinn werde anschließend ebenso wie der Restgewinn um angemessene Vorabvergütungen gemindert.3 Auf der Grundlage des prognostizierten Gewinns, des tatsächlichen Werts des Gesellschaftsanteils des Kindes und des Restgewinns lassen sich nunmehr die weiteren Schritte innerhalb der Angemessenheitsprüfung mathematisch nachvollziehen. Angemessen sei eine Gewinnbeteiligung, die zu einer marktüblichen Verzinsung des tatsächlichen Werts der Beteiligung des nicht mitarbeitenden Kindes führe und seiner Gesellschafterstellung bzw. seinem Beitrag für die Gesellschaft Rechnung trage. Die Gewinnverteilung sei nach Auffassung des Großen Senats des BFH in solchen Fällen regelmäßig dann nicht zu beanstanden, wenn der Gewinnverteilungsschlüssel eine durchschnittliche Rendite von nicht mehr als 15 % des tatsächlichen Werts der Beteiligung ergebe (s. Rz. 2.250).4 Abschließend sei der höchstmögliche Gewinnanteil (15 % des anteiligen Unternehmenswerts) in Relation zu dem nachhaltig zu erwartenden jährlichen (fiktiven) Gewinn zu setzen. Erst der daraus ermittelte Gewinnhundertsatz (prozentualer Gewinnanteil) werde mit dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel verglichen. Decken sich beide Sätze, sei die vereinbarte Gewinnverteilung nicht zu beanstanden. In den folgenden Jahren bedürfe es daher i.d.R. keiner weiteren Berechnung oder Prüfung mehr. Unterschreitet der ermittelte Gewinnhundertsatz die vereinbarte Gewinnverteilung, sei der Gewinnhundertsatz maßgebend. Fraglich ist, wie im umgekehrten Fall verfahren wird. Diese Situation kann eintreffen, wenn der prognostizierte Gewinn im Vergleich zum Gesamtwert des Unternehmens relativ gering ist. Gemessen an der Aufgabe der Angemessenheitsprüfung, nämlich einen fehlenden natürlichen Interessengegensatz zu kompensieren, könnte zunächst angenommen werden, dass der ermittelte (höhere) Gewinnhundertsatz entscheidend sei. Andererseits besteht nicht die Gefahr, dass zivilrechtlich zulässige Gestaltungen zur Erzielung steuer-
1 2
3 4
missverständlich, als aufgrund der darin erwähnten Kündigungsklauseln bereits die Mitunternehmerstellung der Kinder zweifelhaft wäre (Hinauskündigung gegen Buchwert), s. Rz. 2.224. Ob die „einfache“ Buchwertklausel, wonach der Ausscheidende zum Buchwert abgefunden wird, wenn er kündigt, die Berechnung des Unternehmenswerts zum Buchwert nach sich zieht, ist höchst zweifelhaft. Daher sollte u.E. lediglich ein Abschlag vorgenommen werden. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); BFH v. 19.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492). Zu erwartende Sondereffekte bleiben dabei unberücksichtigt, vgl. BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 (802 f.) = GmbHR 2009, 672. Vgl. H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Allgemeines“. Vgl. auch BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 (801 f.). Dieser Prognosegewinn dürfte dem prognostizierten Gewinn im Rahmen der Ermittlung des Ertragswerts entsprechen. Dadurch ergeben sich aber Korrelationen, s. Rz. 2.264. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 6. Aufl. 1997, S. 1100 (Beispiel); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 778. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Allgemeines“.
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2.256
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
licher Vorteile missbraucht werden. Aber auch, wenn man einen Interessengegensatz unterstellt, käme man nicht zu einem anderen Ergebnis. Ein Fremder würde bei einem ertragsschwachen Unternehmen nicht einseitig zugunsten des Kindes auf den ohnehin geringen Unternehmensgewinn verzichten. Somit ist u.E. der Anlass der Angemessenheitsprüfung weggefallen; auch Rechtsprechung und Finanzverwaltung verstehen den Gewinnhundertsatz lediglich als Höchstgrenze. Der Gewinnhundertsatz ist schließlich in den einzelnen Jahren nach der Schenkung bei der Bestimmung des steuerrechtlichen Gewinnanteils des Minderjährigen auf den (tatsächlichen) Restgewinn anzuwenden. 2.257
Ein Beispiel soll die schlechterdings verbal kaum darstellbaren Rechenschritte der Angemessenheitsprüfung verdeutlichen: Beispiel Die 48jährige M ist Inhaberin einer florierenden Einzelhandelskette. Der Unternehmenswert beträgt 2 Mio. Euro. Sie möchte zu Beginn des Jahres 2015 ihre beiden minderjährigen Kinder T und S im Rahmen der vorweggenommenen Unternehmensnachfolge an einer zu diesem Zweck gegründeten Familien-GmbH & Co. KG beteiligen. Die Kinder erhalten schenkweise Kommanditanteile im Nominalwert von jeweils 10 000 Euro. M bringt ihr Einzelunternehmen ein und erhält im Gegenzug einen Kommanditanteil mit einem festen Kapitalanteil von 80 000 Euro. Sie ist zugleich Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH, die wiederum kapitalmäßig nicht an der KG beteiligt ist. M ist zudem Geschäftsführerin der GmbH. Die Kinder T und S arbeiten im Unternehmen nicht mit. Ihre Beteiligungen reduzieren sich auf eine reine Kapitalbeteiligung. Im Fall der Liquidation sind sie ebenso wie M anteilig an den stillen Reserven sowie am Geschäftswert beteiligt. Im Fall ihrer Kündigung erhalten sie jedoch nur eine Abfindung in Höhe ihres Buchwertes. Eine solche Klausel ist für M nicht vorgesehen. Die Formalien im Zuge der Einräumung der Gesellschafterstellung (Ergänzungspfleger, Familiengericht usw.) werden eingehalten. Auf der Basis der Vergangenheit kalkuliert M im Jahre 2015 mit einem durchschnittlichen Gewinn nach Abzug von schuldrechtlich vereinbarten Vorabvergütungen bzw. einer Haftungsvergütung (zusammen 100 000 Euro) i.H.v. 500 000 Euro bis 2019. Angemessen wäre ein zusätzlicher Abzug i.H.v. 100 000 Euro als Vorabvergütung. Die Familien-GmbH & Co. KG erzielt im Jahr 2015 tatsächlich einen Gewinn i.H.v. 600 000 Euro, wobei die zusätzlichen Vorabvergütungen i.H.v. 100 000 Euro nicht aufwandswirksam berücksichtigt wurden (nur die schuldrechtlich vereinbarten 100 000 Euro wurden erfasst). Eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals wurde gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen. Welche Gewinnanteile werden den beiden Kindern T und S (Kommanditisten) steuerlich zugeordnet?
Lösung T und S sind trotz der vertraglichen Vereinbarung, wonach sie im Fall ihrer Kündigung zum Buchwert abgefunden werden können, Mitunternehmer der Familien-GmbH & Co. KG geworden.1 Sie erzielen somit grundsätzlich gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Ihr steuerlich anzuerkennender Anteil am tatsächlich erzielten Gewinn (600 000 Euro) errechnet sich wie folgt (in Euro): Gesamtwert des Unternehmens lt. Sachverhalt:
2 000 000
Der Verteilungsmaßstab richtet sich nach den festen Kapitalanteilen, da alle drei an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt sind. Daher ergeben sich folgende tatsächlichen Werte: 1 Vgl. BFH v. 7.11.2000 – VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 (188) = GmbHR 2001, 152.
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Familien-GmbH & Co. KG M (80 %)
1 600 000
T (10 %)
200 000
S (10 %)
200 000
Die einseitige Buchwertklausel im Fall der Kündigung durch T und S führt nach der hier vertretenen Auffassung nur zu einem Abschlag auf den vorläufigen Unternehmenswert (s. Rz. 2.255). Nach zulässiger Schätzung beträgt der Abschlag jeweils 30 000 Euro. Berechnung des angemessenen Gewinnanteils:1 Tatsächlicher Wert der Anteile von T und S je
170 000
15 % des tatsächlichen Werts des Anteils nachhaltig erwarteter jährlicher (fiktiver) Prognosegewinn (500 000 – 100 000)
25 500 400 000
Der höchstmögliche Gewinnanteil von 25 500 entspricht einem Gewinnhundertsatz von 6,38 % bezogen auf den nachhaltig prognostizierten Gewinn (25 500 × 100 ‚ 400 000 = 6,38 %). Dieser Gewinnhundertsatz bzw. maximale prozentuale Gewinnanteil ist in den Jahren nach Übertragung der Anteile an T und S grundsätzlich anzusetzen. Tatsächlicher Restgewinn (700 000 – 200 000 Vorabvergütungen, davon 100 000 fiktiv)
500 000
Anzuerkennender steuerlicher Gewinnanteil für T und S jeweils 6,38 %
31 900
Steuerlicher Gewinnanteil ohne Angemessenheitsprüfung: je 10 % von 600 000
60 000
Die steuerrechtliche Angemessenheitsprüfung führt in dem Beispielsfall fast zu einer Halbierung des handelsrechtlich den Kindern zustehenden Gewinnanteils. Ursächlich dafür sind zum einen die Verringerung des steuerlichen Gewinnverteilungsschlüssels (auf 6,38 %) und zum anderen die Berücksichtigung fiktiver Vorabvergütungen im Rahmen der Ermittlung des tatsächlichen Restgewinns. Da der tatsächliche höher als der erwartete Gewinn ist, partizipieren die Kinder anteilig auch steuerrechtlich an der (unerwarteten) Ertragssteigerung. Die aufgrund der Angemessenheitsprüfung ermittelte Gewinnverteilungsabrede wird nach Auffassung des BFH so lange verwandt, bis eine wesentliche Veränderung dergestalt eintritt, dass auch bei einer Gesellschaft unter fremden Dritten eine Revision des Gewinnverteilungsschlüssels vorgenommen würde.2
2.258
3. Besonderheiten Der BFH fordert u.a. in seinem Urteil vom 29.3.19733 noch eine weitere Stufe der Angemessenheitsprüfung, weil die Quote von 15 % nach wie vor unangemessen 1 Vgl. die Berechnung in BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492). 2 BFH v. 19.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (8); BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492); BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 (801 ff.); BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (330), bei Aufstockung des Kapitalkontos aus den Gewinnanteilen des Kindes; H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Veränderung der Gewinnverteilung“. 3 BFH v. 29.3.1973 – IV R 158/68, BStBl. II 1973, 489 (492); ebenso BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (330).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
sein könne und deshalb für Zwecke der Besteuerung ggf. weiter zu reduzieren sei. Er bezieht sich dabei auf das o.g. Grundsatzurteil des Großen Senats1 und führt aus, dass dem über den bloßen Kapitaleinsatz beteiligten Gesellschafter (Elternteil) ein angemessener Gewinn zur Abgeltung seiner Sonderleistungen und eine entsprechende Rendite (15 %) seines Kapitaleinsatzes garantiert werden müsse, der ihm bei Anwendung der o.g. Kriterien ggf. versagt geblieben sei. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Eine solche Schlussfolgerung lässt sich aus dem Urteil des Großen Senats nicht zwangsläufig ableiten. Nur im Fall einer überproportionalen Gewinnbeteiligung der Kinder kann eine weitere Anpassung ausnahmsweise angezeigt sein.2 2.260
Der ggf. im Wege der Angemessenheitsprüfung korrigierte Gewinnhundertsatz bleibt i.d.R. auch dann maßgeblich, wenn die tatsächlichen Ergebnisse niedriger ausfallen. Fraglich ist, wie ein eventuell entstehender Verlust behandelt wird. U.E. ist der Verlust bzw. ein durch den Abzug der angemessenen Vergütungen verbleibender Restverlust konsequenterweise gleichfalls nach diesem Schlüssel dem Kind zuzuweisen,3 da nicht der jährlich zugewiesene Anteil, sondern der Gewinnverteilungsschlüssel auf seine Angemessenheit zu untersuchen ist. Die Angemessenheit kann sich nicht danach richten, ob die Familien-GmbH & Co. KG in den auf die Abrede folgenden Jahren ein gutes oder schlechtes Geschäftsergebnis erzielt.4
2.261
Arbeitet das Kind im Unternehmen mit, hängt die Angemessenheit der Gewinnverteilung davon ab, in welchem Maße das geschieht und ob es dafür ein Entgelt erhält. Bei den diesem Kapitel zugrunde liegenden typischen Fällen, in denen die Kinder minderjährig sind, ist regelmäßig eine (nur geringfügige) Mitarbeit in untergeordneter Stellung denkbar. Auch wenn diese angemessen entlohnt wird, müssen nach Auffassung des BFH die oben dargestellten Grundsätze zur Gewinnverteilung in gleicher Weise gelten. Auch hier könne nicht allein auf den Kapitaleinsatz der Gesellschafter abgestellt werden,5 sondern es müsse ebenso eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt werden. Die Angemessenheitsprüfung sei auch durchzuführen, wenn die zukünftige Übernahme von Führungsaufgaben geplant ist.6 Arbeiten die Kinder im Unternehmen vollwertig mit, soll die Angemessenheitsprüfung nicht erforderlich sein.7 Dem ist insofern beizupflichten, als die Kinder eigene Einkünfte erzielen und dadurch die Motive der Ausnutzung der Steuerprogression oder der Gewährung versteckter Unterhaltszahlungen regelmäßig entfallen dürfte. Auch dürfte der Interessengegensatz zwischen den Eltern und den Kindern mit zunehmendem Alter stei1 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 unter IV.2.c) bb) und dd) der Gründe. 2 BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (329 f.): der vereinbarte Gewinnanteil des Kindes ist höher als der prozentuale Anteil am Gesamtkapital der KG; vgl. Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 6. Aufl. 1997, S. 1101 (Beispiel); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 778. 3 Ebenso Biergans, Einkommensteuer und Steuerbilanz, 6. Aufl. 1997, S. 1101, Fußnote 131; Gemeinhardt, BB 2012, 739 (746). 4 BFH v. 9.6.1994 – IV R 47–48/92, BFH/NV 1995, 103 (105) = GmbHR 1995, 239. 5 BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (329). 6 BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (329). 7 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (9), Umkehrschluss. Vgl. auch Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 781, sofern der mitarbeitende Kommanditist eine unternehmerische Leistung erbringt.
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Familien-GmbH & Co. KG
gen. Gefordert wird dann eine Angemessenheitsprüfung nach den für entgeltlich erworbene KG-Anteile maßgeblichen Grundsätzen.1 Erwerben die Kinder die Beteiligung von Todes wegen, entfällt eine Angemessenheitsprüfung unabhängig davon, ob an der Gesellschaft neben dem Erblasser Fremde beteiligt sind. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Gewinnabrede im Zusammenhang mit dem Erbgang bei gleichzeitiger Beteiligung anderer Angehöriger des Erben bewusst geändert wurde.2 Sofern das Kind die Beteiligung aus (teilweise) eigenen Mitteln erworben hat, soll ebenfalls eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen sein, weil auch in diesem Fall die Gefahr einer Einkommensverwendung durch die Eltern nach § 12 Nr. 2 EStG bestehe.3 Maßstab sei dann die unter fremden Dritten übliche Gestaltung.4 U.E. wird dabei nicht dem Umstand ausreichend Rechnung getragen, dass das Kind aufgrund der eigenen Mittel imstande ist, zumindest teilweise selbst für den eigenen Unterhalt aufzukommen. Zwar kann die Absicht einer privaten Einkommenszuwendung durch die Eltern nicht ausgeschlossen werden, das Motiv, Steuern innerhalb des Familienverbunds zu sparen, entfiele aber je nach den Umständen des Einzelfalles. Nach der hier vertretenen Auffassung, die die Anwendung der 15 %-Prüfung ablehnt (s. Rz. 2.264) wäre allenfalls zu hinterfragen, ob in dem Erwerb der Kommanditbeteiligung eine gemischte Schenkung zu erblicken wäre.
2.262
4. Rechtsfolgen Die nach der Prüfung der Angemessenheit der Gewinnverteilungsabrede den Kindern steuerrechtlich vorenthaltenen Gewinnanteile werden den anderen Gesellschaftern (Eltern) zugerechnet, sofern nicht auch bei ihnen Begrenzungen zu beachten sind, und fließen in Gestalt von privaten Zuwendungen (§ 12 Nr. 2 EStG) den Kindern im Rahmen der Einkommensverwendung der Eltern zu.5 Sind als Kommanditisten ausschließlich Kinder an der Familien-GmbH & Co. KG beteiligt, sind die unangemessenen Gewinnanteile vorbehaltlich einer verdeckten Mitunternehmerschaft der Eltern der Komplementär-GmbH zuzurechnen,6 sofern die Eltern die FamilienGmbH & Co. KG über diese Gesellschaft beherrschen. Insoweit entstehen verdeckte Gewinnausschüttungen.7 Umgekehrt müssen die Kinder ihrer eigenen Besteuerung 1 2 3 4
Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 781 i.V.m. 785. Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 784. BFH v. 4.6.1973 – IV R 26/86, BStBl. II 1973, 866 (867). BFH v. 4.6.1973 – IV R 26/86, BStBl. II 1973, 866 (867); BFH v. 13.3.1980 – IV R 59/76, BStBl. II 1980, 437 (438) = GmbHR 1980, 306; H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Eigene Mittel“; vgl. auch Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 785. 5 BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 (7 f.); BFH v. 27.9.1973 – IV R 33/71, BStBl. II 1974, 51 (53); BFH 13.3.1980 – IV R 59/76, BStBl. II 1980, 437 (438) = GmbHR 1980, 306; BFH v. 5.11.1985 – VIII R 275/81, BFH/NV 1986, 327 (329); BFH v. 6.11.1991 – XI R 35/88, BFH/NV 1992, 452 (454); H 15.9 Abs. 3 EStH 2014, „Allgemeines“. 6 BFH v. 6.11.1991 – XI R 35/88, BFH/NV 1992, 452 (454); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 783; Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 431; a.A. Felix/Streck, FR 1976, 107 (109); Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 207 f. 7 Vgl. BFH v. 23.8.1990 – IV R 71/89, BStBl. I 1991, 172 = GmbHR 1991, 177, umgekehrt können verdeckte Einlagen anzunehmen sein; fraglich ist, wie das Urteil des BFH v. 18.6.2015 – IV R 5/12, DStR 2015, 2229 (2232) in diesem Zusammenhang einzuordnen ist. Wacker in
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die ihnen infolge der steuerlich korrigierten Gewinnverteilung zugerechneten (geminderten) Ergebnisse unterwerfen. Hinzu kommen deren Sonderbetriebsergebnisse. Im Übrigen sind u.E. auch alle weiteren steuerlichen Konsequenzen aus der korrigierten Gewinnverteilung zu ziehen. So erhöhen bzw. mindern sich in entsprechendem Umfang die Anteile der Eltern und Kinder am Gewerbesteuer-Messbetrag i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, da nicht pauschal der handelsrechtliche Gewinnverteilungsschlüssel anzusetzen ist, sondern der steuerlich anerkannte Schlüssel maßgebend ist.1 Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG findet entsprechend Abs. 1 Sätze 1 und 2 auf den steuerlich maßgebenden Mitunternehmeranteil Anwendung,2 bei den Minderjährigen also auf den ggf. geminderten Gewinnanteil. In Ausnahmefällen kann daher infolge der Korrektur des Gewinnanteils die Thesaurierungsbegünstigung für den Minderjährigen entfallen, wenn dadurch die Grenzen i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht überschritten werden. Die Einkommensverwendung durch die Eltern hat auch schenkungsteuerliche Folgen. Das Schenkungsteuerrecht bewertet das verschenkte Übermaß an Gewinnbeteiligung nach § 7 Abs. 6 ErbStG unabhängig von dem Gesellschaftsanteil bzw. der angemessenen Gewinnbeteiligung wie ein separates Wirtschaftsgut. Wann ein Übermaß an Gewinnbeteiligung vorliegt, ist nach den o.g. einkommensteuerlichen Grundsätzen zu beantworten.3 Liegen jedoch triftige Gründe (gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen oder solche anderer Art) für eine höhere Beteiligung des Kindes vor, die zur Annahme einer Gegenleistung für das eingeräumte Übermaß berechtigen, scheidet eine unentgeltliche Zuwendung aus.4 Zivilrechtlich ergibt sich bei einer von der handelsrechtlichen Gewinnverteilung abweichenden Zurechnung aufgrund der veränderten Steuerbelastung ein Ausgleichsanspruch der Eltern (s. Rz. 2.247).5
5. Kritik an der Korrektur der Gewinnverteilung bei Angehörigen 2.264
Die 15 %-Prüfung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Finanzverwaltung stieß in der Literatur teilweise auf Akzeptanz,6 in erster Linie jedoch auf Ablehnung.7 In der Tat sprechen gewichtige Argumente gegen die Angemessenheitsprüfung: – Zunächst leidet die Aussagekraft der Angemessenheitsprüfung unter der Tatsache, dass sich die einzelnen Parameter aufgrund der Schätzungsbreite, die sich
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Schmidt, § 15 EStG Rz. 783; Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 430 u. 431; Mannhold, FR 1976, 369 (370 f.). Vgl. allgemein zur vGA-Problematik Rz. 6.230 ff. sowie Schulze zur Wiesche, WPg 1987, 433 (439 ff.). BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Rz. 21; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 9; s. Rz. 6.188 ff. Vgl. R E 7.8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. Vgl. BFH v. 4.4.1967 – II 143/62, BStBl. III 1967, 490. Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 202. Schmidt, FR 1974, 529 (531); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 779; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (275 f.). Kanzler, DStZ 1996, 117 (119); Westerfelhaus, DB 1997, 2033 (2035); Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12383 (12390 f.); Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 109; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 196 ff.; Raupach/Schenking in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG Rz. 171; differenzierend Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 263 f.
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insbesondere in zahlreichen Berechnungsmethoden des Unternehmenswertes äußert, relativ frei bestimmen lassen und sich folglich das gewünschte Ergebnis u.U. konstruieren lässt.1 Dies betrifft im Rahmen der Unternehmensbewertung in erster Linie den Kapitalisierungszinssatz. Gleiches gilt für den nachhaltig erwarteten Ertrag, der unter Berücksichtigung der Vergangenheitsdaten geschätzt werden muss.2 Ferner hängen die einzelnen Parameter teilweise voneinander ab (Ertragswert, prognostizierter Gewinn), was zu Ungereimtheiten führen kann. Daran dürfte sich selbst dann nichts ändern, wenn die Finanzverwaltung generell die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens gem. §§ 199 ff. BewG und damit eine einheitliche Berechnungsmethode zum Zwecke der Ermittlung des wahren Werts der Beteiligung fordert. Es verbleiben im Rahmen der Berechnungsmethode zu viele Schätzparameter (wie sind z.B. Abschläge zu bestimmen, s. Rz. 2.255). Die 15 %-Prüfung ist sehr kompliziert. Das führt häufig zu Missverständnissen in der praktischen Anwendung durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater, aber auch bei der Finanzverwaltung. Der feste Renditesatz von 15 % führt automatisch zu einem Vergleich des Gesellschaftsverhältnisses mit einem Darlehen.3 Er ist zudem über alle Unternehmen und Branchen hinweg willkürlich festgesetzt worden und entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Die 15 %-Prüfung ist nicht nur deswegen sehr streitanfällig. Wann ist z.B. der Zeitpunkt gegeben für eine Neuberechnung des Gewinnhundertsatzes? Neben diesen systemimmanenten Schwachstellen stellt sich die Frage, ob die Angemessenheitsprüfung überhaupt notwendig und verhältnismäßig ist. Zahlreiche Sonderleistungen, die die Eltern ggf. gegenüber der GmbH & Co. KG erbringen, unterliegen einer gesonderten Angemessenheitsprüfung und werden bereits im Rahmen der Berechnung des Restgewinns berücksichtigt, also auch solche, die nicht gesellschaftsvertraglich oder schuldrechtlich vereinbart werden (s. Rz. 2.251). Die Angemessenheitsprüfung erscheint aus diesem Blickwinkel entbehrlich. Die 15 %-Prüfung basiert auf wackligen Begründungsansätzen. Einerseits sei es nach Auffassung des BFH nicht möglich, die Gewinnverteilung bei der FamilienGmbH & Co. KG nach Maßgabe eines Fremdvergleichs zu korrigieren (s. Rz. 2.250), da die schenkweise Übertragung einer Beteiligung unter Fremden nicht vorkomme, andererseits werden auch bei der 15 %-Prüfung einzelne Parameter anhand eines Fremdvergleichs bestimmt bzw. davon beeinflusst (s. Rz. 2.255). Es verwundert daher nicht, wenn der Eindruck entsteht, dem BFH sei weniger an einem dogmatisch sauberen Ansatz gelegen, „als vielmehr daran, einzelfallorientiert unerwünschten Steuersparmodellen und steuerlichen Extremgestaltungen … entgegenzuwirken.“4
1 Vgl. dazu Breidenbach, DB 1980, Beilage 20, 3; Greif, StuW 1974, 97 (107 f.). Vgl. auch zu den Berechnungsmethoden Sureth/Nordhoff, DB 2008, 305 ff. 2 Wenn der Substanzwert als Konstante angesehen werden kann, gilt: je niedriger der prognostizierte Ertrag ist und je höher der Substanzwert ausfällt, desto höher ist der angemessene Gewinnhundertsatz, der seinerseits durch die tatsächliche Beteiligungshöhe begrenzt wird. 3 Vgl. Wolf, DB 1973, 95 (97); Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 200. 4 So zutreffend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 198.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
– Verschenken die Eltern ihren Anteil an der Kommanditgesellschaft, entledigen sie sich dieser Einkunftsquelle. Halten die Ausgestaltung der Übertragung des Anteils und der Gesellschaftsvertrag dem Fremdvergleich stand, besteht kein Anlass mehr, diesen Vorgang steuerlich zu sanktionieren, indem Kriterien wie z.B. die gute Menschenführung oder die frühere Aufbauarbeit des Elternteils, die nicht Gegenstand einer Sondervergütung sind, im Rahmen der 15 %-Prüfung zu einer Einkommensverlagerung auf die Eltern führen. Beides hat sich werterhöhend auf den verschenkten KG-Anteil ausgewirkt. Trotzdem noch eine Angemessenheitsprüfung in Gestalt der 15 %-Prüfung vorzunehmen, hieße also im Fall einer Korrektur, die Schenkung der Eltern steuerlich insoweit nicht anzuerkennen.1 – Verhindert werden soll in erster Linie eine temporäre Verlagerung der Einkunftsquelle auf die Kinder, um lediglich die Einkommensteuerprogression auszunutzen und damit die familiäre Steuerbelastung über einen gewissen Zeitraum zu senken. Die Verhinderung von temporären Gestaltungen wäre im Fall einer nahezu unumkehrbaren, dem Fremdvergleich standhaltenden Vermögensübertragung erreicht und bedürfte folglich keiner Korrektur der Gewinnverteilung. Auch die fiskalischen Einbußen der stets als Motiv unterstellten Ausnutzung der Steuerprogression sind trotz eines Spitzensteuersatzes in Höhe von 45 % relativ gering. Die Kurve der Einkommensteuerprogression ist seit dem Grundsatzurteil des Großen Senats (s. Rz. 2.250) deutlich flacher geworden. Pro Kind beträgt der Steuervorteil nicht mehr als 20 000 Euro p.a. Gemessen am bürokratischen Aufwand, der infolge der Angemessenheitsprüfung der Höhe nach – und auch dem Grunde nach – entsteht, steht der befürchtete Steuerausfall in keinem Verhältnis. 2.265
Aus den genannten Gründen sollte auf die 15 %-Prüfung verzichtet werden. Ausreichend ist u.E. eine Angemessenheitsprüfung dem Grunde und der Höhe nach lediglich für die typischerweise unter Fremden vergüteten Sonderleistungen, auf die die Eltern im Anschluss an die Übertragung möglicherweise bewusst vezichtet haben. Allenfalls bei disquotalen Gewinnvereinbarungen ist u.U. eine Korrektur gerechtfertigt. Diese kann aber ohne eine 15 %-Prüfung erfolgen.
6. Gewinnverteilung der Komplementär-GmbH 2.266
In typischen Fällen, in denen die Komplementär-GmbH nicht kapitalmäßig an der Familien-GmbH & Co. KG beteiligt ist, kann die Prüfung der Angemessenheit der Gewinnverteilung bei der Komplementär-GmbH regelmäßig vernachlässigt werden, ganz gleich, ob die Kinder an ihr beteiligt werden oder nicht. Es stellt sich hierbei vielmehr die Frage, ob im Verhältnis zur Familien-GmbH & Co. KG die Übernahme der Geschäftsführung und des Haftungsrisikos angemessen vergütet werden (s. dazu Rz. 6.174 ff.).2 Aber selbst dann, wenn Eltern und Kinder an der Komplementär-GmbH und diese wiederum vermögensmäßig an der FamilienGmbH & Co. KG beteiligt ist, tritt anstelle der allgemeinen Regelungen keine Angemessenheitsprüfung, wie sie bei der Familien-KG üblicherweise ansetzt. Ist die Stellung der Kinder als Gesellschafter der Komplementär-GmbH dem Grunde nach anzuerkennen, steht ihnen das Gewinnbezugsrecht entsprechend ihres Anteils am 1 In dem Sinne auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 199. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 152 ff.
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§2
Familien-GmbH & Co. KG
Stammkapital zu (§ 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Schüttet die Komplementär-GmbH ihre Gewinne aus, erzielen die Gesellschafter grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG, die entweder der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG) oder (auf Antrag) dem Regeltarif nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG) unterliegen. Auf diese Weise partizipieren die Kinder an einer vermögensmäßigen Beteiligung der indes meist von den Eltern beherrschten Komplementär-GmbH. Sofern sich die Eltern ein „Nutzungsrecht“ an den Erträgen der Kinder vorbehalten haben, kann eine Einkommenszuordnung zu den Eltern angezeigt sein.1 Dies berührt aber mehr die Frage, ob die Vereinbarungen tatsächlich vollzogen werden (vgl. dazu Rz. 2.235 ff.). Eine Verlagerung von Einkünften auf die Kinder über von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende inkongruente Gewinnausschüttungen der GmbH ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nach wie vor nicht ohne weiteres möglich. Zwar sind inkongruente Gewinnausschüttungen gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG zivilrechtlich und damit auch steuerrechtlich auf der Grundlage einer Satzungsoder allgemeinen Öffnungsklausel2 in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH grundsätzlich zulässig.3 Die Finanzverwaltung hat jedoch deren ertragsteuerliche Anerkennung abweichend und ausgehend von der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 19.8.19994 nicht uneingeschränkt akzeptiert.5 Sie verlangt unter Zugrundelegung der besonderen Umstände des Einzelfalls für eine Abweichung vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel beachtliche wirtschaftlich vernünftige, außersteuerliche Gründe. Anderenfalls sieht die Finanzverwaltung darin ein Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.6 Solche Gründe liegen vor, wenn der überproportional am Gewinn der Gesellschaft partizipierende Gesellschafter besondere Leistungen für die Komplementär-GmbH erbringt, z.B. unentgeltlich die Geschäftsführung übernommen hat. Diese Leistungen werden jedoch von den (minderjährigen) Kindern i.d.R. nicht erbracht. Eine Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung dürfte folglich wenig Aussicht auf Erfolg haben, insbesondere dann, wenn hinter dem Übermaß offenkundig eine reine Schenkungsabsicht steckt.7 In der Praxis zu beobachten sind auch die umgekehrten Konstellationen, in denen die Eltern Geschäftsanteile verschenken und sich ein überquotales Gewinnbezugsrecht vorbehalten. Diese als Alternative zum Vorbehaltsnießbrauch gewählte und der Altersversorgung dienende Vermögensübertragung genießt eine höhere Akzeptanz bei 1 Vgl. BFH v. 14.10.2002 – VIII R 42/01, BFH/NV 2003, 307 f. = GmbHR 2003, 243. 2 BayObLG v. 23.5.2001 – 3Z BR 31/01, GmbHR 2001, 728 (728 f.). 3 Zuletzt bestätigt vom BFH v. 4.12.2014 – IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495 m.w.N. = GmbHR 2015, 274; vgl. auch Groh, DB 2000, 1433. 4 BFH v. 19.8.1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43 (44 f.) = GmbHR 1999, 1258; vgl. auch BFH v. 28.6.2006 – I R 97/05, GmbHR 2006, 1206 m. Komm. Roser. 5 Das BMF-Schreiben v. 17.12.2013 – IV C 2 - S 2750-a/11/10001, BStBl. I 2014, 63, löst den Nichtanwendungserlass, BMF v. 7.12.2000 – IV A 2 - S 2810 - 4/00, BStBl. I 2001, 47 = GmbHR 2001, 88 ab, ohne substantiell den Charakter des Nichtanwendungserlasses verändert zu haben. 6 BMF v. 17.12.2013 – IV C 2 - S 2750-a/11/10001, BStBl. I 2014, 63; s. auch FG BW v. 7.5.2008 – 13 K 146/04, EFG 2008, 1206 (1206), rkr., mit Anm. Wüllenkemper. 7 Vgl. BFH v. 4.5.2012 – VIII B 174/11, BFH/NV 2012, 1330, der im Streitfall die Auffassung des FG bestätigte, wonach aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ein Gestaltungsmissbrauch bei einer Familiengesellschaft vorliegen
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2.267
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
der Finanzverwaltung, insbesondere wenn die Eltern im Gegenzug unentgeltliche Leistungen erbringen oder andere besondere Gründe vorliegen.1 2.268
Zu beachten sind auch die schenkungsteuerlichen Auswirkungen inkongruenter Gewinnausschüttungen. Während die finanzgerichtliche Rechtsprechung darin keine freigebige Zuwendung erkennt, da eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendung das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung ausschließt,2 hat sich die Finanzverwaltung bisher eine Besteuerung „in Fällen einer nicht leistungsbezogen bestimmten disquotalen Gewinnausschüttung“ vorbehalten.3 Es ist aber u.E. davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung der Rechtsprechung folgt, nachdem sie die Urteile für allgemein anwendbar erklärte.4 Schließlich sei erwähnt, dass die Finanzverwaltung bei der Bewertung von Geschäftsanteilen unter Bezug auf § 97 Abs. 1b Satz 1 BewG das Ausstattungsmerkmal des disquotalen Gewinnbezugsrechts unberücksichtigt lässt.5 Das kann sich als vorteilhaft im Rahmen der vorweggenommenen Unternehmensnachfolge erweisen.
2.269
Alternativ zur Vereinbarung disquotaler Gewinnbezugsrechte könnte erwogen werden, die Geschäftsanteile unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen (und zu einem späteren Zeitpunkt darauf zu verzichten) oder sich im Zuge der Übertragung die zu diesem Zeitpunkt ggf. vorhandenen offenen Reserven vorzubehalten.6 Einstweilen frei.
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1
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kann, wenn die Gewinnverteilung in einem deutlichen Missverhältnis zur Höhe der Geschäftsanteile steht. Im Streitfall ging es um die Ausnutzung von Verlustvorträgen, was als Motiv aber grundsätzlich unschädlich ist für solche Gestaltungen. Gleiches sollte für inkongruente Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit spartenbezogener Zuordnung von Unternehmensteilen gelten, sog. Tracking Stocks. Vgl. auch FG BW v. 7.5.2008 – 13 K 146/04, EFG 2008, 1206 (1206), rkr., mit Anm. Wüllenkemper. Vgl. zu Sonderleistungen der Eltern an die Familien-GmbH BFH v. 28.3.2000 – VIII R 68/96, BFH/NV 2000, 1278 = GmbHR 2000, 942; BFH v. 25.7.2000 – VIII R 35/99, BStBl. II 2001, 698 (702) = GmbHR 2001, 119. Soll die Regelung über das disquotale Gewinnbezugsrecht nur temporär für die Zeit gelten, bis die Kinder eine eigene unternehmerische Leistung im „Unternehmen“ erbringen, ist Vorsicht geboten, weil die Finanzverwaltung darin ein Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO erkennen möchte, BMF v. 17.12.2013 – IV C 2 - S-2750a/11/10001, BStBl. I 2014, 63. BFH v. 27.8.2014 – II R 44/13, BFH/NV 2014, 2000 = GmbHR 2014, 1332; BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930 = GmbHR 2013, 486. FinMin Baden-Württemberg, koordinierter Ländererlass v. 14.3.2012 – 3 - S - 3806/4, BStBl. I 2012, 331, Rz. 2.6.4. Veröffentlicht auf der Internetseite des BMF am 17.4.2015; dazu LEXinform 0170906. FinMin Baden-Württemberg, koordinierter Ländererlass v. 5.6.2014 – 3 S-3102/17, BStBl. I 2014, 882, Rz. 1.10. Zu beachten ist aber das Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834), das eine rechtsprechungsdurchbrechende Erfassung inkongruenter Gewinnverteilungen vorsieht (§ 97 Abs. 1b SAtz 4 BewG n.F.). Letzteres war im Streitfall vereinbart worden im Rahmen einer Anteilsveräußerung, s. BFH v. 4.12.2014 – IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495 = GmbHR 2015, 274. Der BFH ließ offen, ob es sich in dieser Konstellation im Ausschüttungsfall überhaupt um eine inkongruente Gewinnausschüttung handelt. Gestaltungen dieser Art genießen allerdings gemeinhin noch keine Akzeptanz. Sie sollten daher mit Vorsicht ins Kalkül gezogen werden.
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§2
Publikums-KG
F. Besonderheiten der Publikums-KG I. Überblick Eine Ausprägung der GmbH & Co. KG ist die sog. Publikums-KG. Sie hatte ihre Entstehung in dem für Anleger als Kommanditisten bestehenden Vorteil der zivilrechtlichen Haftungsabschirmung und dem steuerrechtlichen Vorteil unmittelbarer Gewinn- und insbesondere Verlustzurechnung, da die Publikums-KG nicht selbst, sondern nur ihre Gesellschafter Steuersubjekt sind. Als erstes hatte die Rechtsprechung die Notwendigkeit gesehen, abweichende oder ergänzende Rechtsgrundsätze für hierdurch abweichende Interessenlagen und die hierdurch entstehende Schutzbedürftigkeit der Kommanditisten zu entwickeln. Publikums-KG wurden als Kapitalanlagemöglichkeiten im so genannten Grauen Markt lange Zeit nicht reguliert. Mit Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) vom 4.7.2013 am 22.7.2013 sind gesetzliche Sonderregelungen geschaffen worden, die für eine erstmalige aufsichtsrechtliche Regulierung sorgen und die gemäß der gesetzlichen Anordnung in ihrem Anwendungsbereich die Bestimmungen des HGB verdrängen.
2.281
Eine Publikums-KG ist nach der Rechtsprechung des BGH dadurch charakterisiert, dass sie auf die Beteiligung einer unbestimmten Vielzahl erst noch zu werbender Gesellschafter angelegt ist, die sich nur (kapitalmäßig) an ihr beteiligen und mehr oder weniger zufällig zusammengeführt werden; zwischen den Kapitalanlegern untereinander sowie zwischen ihnen und den Gründergesellschaftern (Initiatoren) bestehen regelmäßig keine persönlichen oder sonstigen Beziehungen, wie sie für Personengesellschaften, die dem gesetzlichen Leitbild entsprechen, typisch sind.1 Dass der Gesellschaft erst wenige Gesellschafter angehören, lässt sie noch nicht zur typischen KG werden, wenn sie auf die Aufnahme einer Vielzahl von Gesellschaftern angelegt ist.2 Die Gesellschafter werden zumeist durch Prospekte oder Anzeigen geworben und treten dann einem vorformulierten Gesellschaftsvertrag bei. Der Begriff der Publikums-KG weist damit eine gewisse Unschärfe auf. Zu prüfen ist, ob die genannten Merkmale in einer Weise vorliegen, dass die Gesellschafter als schutzbedürftige Anleger anzusehen sind; unverzichtbar ist die Ausrichtung auf eine Vielzahl von Gesellschaftern bzw. Anlegern.3
2.282
Eine solche Publikums-KG unterliegt den Regelungen des KAGB, wenn sie ein Investmentvermögen schafft. Gemäß § 1 Abs. 1 KAGB ist ein Investmentvermögen jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Eine Publikums-KG kann so die Voraussetzungen einer offenen oder geschlossenen Investmentkommanditgesellschaft gem. §§ 124 ff. oder §§ 149 ff. KAGB erfüllen und erhält dann einen zusätzlichen gesetzlichen Rahmen, der die Regelungen des HGB und die von der bisherigen Rechtsprechung entwickel-
2.283
1 Vgl. nur BGH v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238 (241); BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (940). 2 Vgl. BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, WM 1988, 23 (25). 3 M. Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 123.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
ten Grundsätze verdrängt, sofern sie den spezialgesetzlichen Regelungen widersprechen. 2.284
Ermittlung anzuwendender Normen GmbH & Co. KG Auf kapitalmäßiger Beteiligung einer Mehrzahl von noch zu werbenden Gesellschaften ohne persönliche Verbindung angelegt?
ja
Inländisches Investmentvermögen? ja nein
Offenes Investmentvermögen, also inbesondere Recht zur Rückgabe von Anteilen?
N
or m al eK
G -R eg du K el n ab rc G h w R R eg ei s c de he pr elu rP n .e n ub de ntw gen lik Re ic um cht ke s-K ssä lte G tze
nein
§§ 160 ff. HGB
§§ 160 ff. HGB modifiziert durch Rspr. zur Publikum-KG
ja nein
Geschlossene Investment KG
Offene Investment KG
§§ 149–161 KAGB §§ 160 ff. HGB + Rspr. Grundsätze, soweit sie nicht KAGB widersprechen
Spezielle Regelungen: §§ 124–138 KAGB Allgemeine Regelungen: §§ 160 ff. HGB
Publikums-Investment KG
Spezialinvestment KG
Wie aus dem vorstehenden Schaubild ersichtlich, ist die wesentliche Weichenstellung der Begriff des Investmentvermögens. Regelmäßig wird eine Publikums-KG nach den Charakteristika des BGH als Investmentvermögen qualifiziert werden können. Als solches muss sie zukünftig regelmäßig dem KAGB genügen, da es sich sonst um ein unerlaubtes Investmentgeschäft handelt, gegen das die BaFin nach §§ 15, 16 KAGB einschreiten kann und das gem. § 339 KAGB für die Initiatoren strafbar sein kann. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, den Anlegerschutz auf den Grauen Markt zu erstrecken. Die Weichenstellung hin zu einer Publikums-KG, die nur den Sonderregelungen der Rechtsprechung unterliegt, ist im Wesentlichen das Tatbestandsmerkmal „kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors“. Ist die Publikums-KG also operativ tätig, ist sie kein Investmentvermögen und unterliegt nicht dem KAGB. Ob die Rechtswirklichkeit tatsächlich dauerhaft zu diesem Nebeneinander von Investment-Publikums-KG (im Folgenden Invest-KG) und Rechtsprechungs-Publikums-KG (im Folgenden Publikums-KG) führen wird, wird abhängig sein von der Entwicklung von 144
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§2
Publikums-KG
trennscharfen Kriterien für eine „nicht operative Tätigkeit außerhalb des Finanzsektors“, besonderen steuerlichen Verlustzuweisungsmöglichkeiten und nicht zuletzt den Renditen der beiden Alternativen. Die Einführung des KAGB im Jahr 2013 hat zunächst zu einem Einbrechen des geschlossenen Fondsgeschäfts mit Privatanlegern geführt; es wird eine Marktbereinigung auf der Anbieterseite erwartet.1 Das KAGB sieht in § 2 Abs. 5 unter anderem Erleichterungen für die Kapitalverwaltungsgesellschaften vor, die inländische geschlossene Alternative Investmentfonds (z.B. Immobilien) verwalten (z.B. als interne Kapitalverwaltungsgesellschaft in Form der Komplementärgesellschaft) und die dabei verwalteten Vermögensgegenstände einschließlich Leverage nicht den Wert von 100 Millionen Euro überschreiten. Eine Senkung des Schwellenwerts von 100 Millionen Euro unterliegt noch der politischen Diskussion.2 Bei den Invest-KG wird weiter nach dem Gesellschafter-/Anlegerkreis unterschieden. Werden nur professionelle oder semiprofessionelle Anleger i.S.v. § 1 Abs. 19 Nr. 32 und 33 KAGB zugelassen, handelt es sich um Spezialinvestmentvermögen, alle übrigen sind Publikumsinvestmentvermögen. Der Bereich der Spezialinvestmentvermögen in Form von Kommanditgesellschaften soll an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden, da die Interessenlage mit wenigen und professionell agierenden Gesellschaftern sich deutlich unterscheidet vom Ausgangspunkt für die Schaffung der Sonderregelungen für Publikums-KG. Des Weiteren sollen die Unterscheidungen zwischen offenen und geschlossenen Publikumsinvestmentgesellschaften in der Form der Kommanditgesellschaft nicht besprochen werden. Bei einer offenen Invest-KG muss der Anleger seine Beteiligung mindestens einmal jährlich zurückgeben können. Daraus folgen abweichende Regelungen zur geschlossenen Invest-KG, die im Wesentlichen darauf abheben, in welche Vermögensgegenstände investiert werden darf, welche Anlagegrenzen eingehalten werden müssen, welche Prospektbestimmungen Anwendung finden und anderes. Im Übrigen darf eine offene Invest-KG nur als Spezialinvestmentvermögen agieren, also sich nur an professionelle oder semiprofessionelle Anleger richten. Der Gesellschafterkreis wird deshalb kleiner bleiben und die agierenden Personen sind geschult. Die Situation entspricht nicht der Schutzbedürftigkeit einer großen Anzahl nicht organisierter Privatanleger. Wird im Folgenden also von der Invest-KG gesprochen, so soll sich dies auf die geschlossene Publikumsinvestment-Kommanditgesellschaft gem. §§ 139, 149 bis 161 KAGB beziehen.
2.285
Bisher leiteten die Initiatoren und Manager des Projekts die Publikums-KG typischerweise als Geschäftsführer und waren zumeist auch alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Nicht selten beschränkte sich ihr Beitrag allein auf die Projektauswahl und die Leitung sowie Abwicklung ohne jede Kapitalbeteiligung. Das Interesse der Kommanditisten (Anleger) war und ist dagegen typischerweise auf eine Kapitalanlage und die eventuell damit verbundenen Steuervorteile gerichtet. Mit Einführung der § 15a, 2b EStG a.F.3 und § 15b EStG (anwendbar seit
2.286
1 FERI Gesamtmarktstudie der Beteiligungsmodelle 2014 v. 23.4.2014, FERI EuroRating Services AG. 2 Boxberger/Röder in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 2 Rz. 37. 3 Vgl. für die Anwendbarkeit § 52 Abs. 4 EStG und Seeger in Schmidt, 25. Aufl. 2006, § 2b EStG Rz. 26.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
VZ 2006 oder Vertriebsbeginn ab dem 11.11.2005, vgl. § 52 Abs. 25 EStG) ist der Aspekt der Steuervorteile jedoch in seiner Bedeutung zurückgetreten. Auf die Wahl des Unternehmensgegenstandes und die Projektleitung wollen die Anleger typischerweise keinen Einfluss nehmen. Ihnen ist es i.d.R. gleichgültig, ob die gewünschte Rendite im Schiffsbau, im Immobilienbau, in Windkraftanlagen oder in der Filmproduktion und -verwertung erwirtschaftet wird.1 Das Anlegerinteresse an der konkreten Tätigkeit der Publikums-KG erwacht häufig erst in der Krise der Gesellschaft. Diese Anlegermotivation steht in einer großen Abweichung zum gesetzgeberischen Leitbild der personalistisch strukturierten Kommanditgesellschaft. Sie ist eher der Anlegermotivation zum Erwerb einer Aktie oder eines anderen Wertpapiers vergleichbar. Der Charakter der Kapitalanlage im Gegensatz zur unternehmerischen Beteiligung stand für den Gesetzgeber schließlich so weit fest, dass er sich bei Schaffung des KAGB entschloss, die Möglichkeiten der AIFM-Richtlinie2 zu nutzen und eigene gesetzliche Regelungen für die Invest-KG zu schaffen, die den offenen Fonds entsprechen, soweit die Natur von offenen und geschlossenen Anlagen nicht Unterschiede gebieten.3 2.287
Da die Gesellschaftsverträge einer Publikums-KG und Invest-KG vorformuliert sind und keine Vertragsverhandlungen stattfinden, unterliegen sie abweichenden gesetzlichen Vorschriften bzw. einer gerichtlichen Inhaltskontrolle (s. dazu Rz. 2.296 ff.). Die Kommanditisten werden durch die sog. Prospekthaftung in ihrem Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospekte und Werbematerialien geschützt (s. dazu Rz. 2.352 ff.); der oftmals beträchtlichen Gesellschafteranzahl und der damit verbundenen Inflexibilität der Gesellschaft wird durch verfahrensrechtliche Erleichterungen (s. dazu unter Rz. 2.311) und durch eine Beschlusskontrolle im Einzelfall Rechnung getragen, die den Bestimmtheitsgrundsatz ersetzt (s. dazu unter Rz. 2.303 f.). Der Kapitalanlagecharakter hat schließlich zu einem abweichenden Haftungsregime bei der Invest-KG geführt (Rz. 2.309 und 2.310).
2.288
Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Invest-KG die der Publikums-KG zukünftig übertreffen wird und dass die gesetzlichen Regelungen auf die Verfassung von und Rechtsprechung zu Publikums-KG ausstrahlen werden. Ob und welche Bedeutung die Publikums-KG neben der Invest-KG noch haben wird, ist derzeit schwer erkennbar und abhängig davon, wie die BaFin die Kriterien für das Investmentvermögen verfeinern wird, welche größenabhängigen Erleichterungen bestehen werden und wie diese vom Markt akzeptiert werden. Deshalb soll im Folgenden zunächst die Invest-KG dargestellt werden. Für ausführlichere Darstellungen zur Publikums-KG sei auf die 20. Auflage verwiesen.
1 S. zu den steuerlichen Besonderheiten Rz. 2.379 ff.; vgl. hierzu BMF v. 5.8.2003 – IV A 6-S 2241–81/03, BStBl. I 2003, 406. 2 Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. Nr. L 174 v. 1.7.2011, S. 1. 3 Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, Einleitung 6.
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§2
Publikums-KG
II. Gesellschaftsvertrag Bei der Invest-KG hat der Gesellschaftsvertrag der Schriftform zu genügen (§ 150 Abs. 1 KAGB). Der Gesellschaftsvertrag hat einen Mindestinhalt, Unternehmensgegenstand darf nur die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel nach einer festgelegten Anlagestrategie zur gemeinsamen Kapitalanlage zum Nutzen der Anleger sein. Ein insolventer Gesellschafter oder ein Gesellschafter, dessen Gläubiger die Gesellschaft gekündigt haben, muss aus der Invest-KG ausscheiden; abweichende Regelungen zu § 131 Abs. 3 Nr. 2 und 4 HGB sind nicht zulässig. Die Anlagebedingungen sind nicht Teil des Gesellschaftsvertrages, teilen aber seine Behandlung bezüglich Veröffentlichung, Aushändigung oder einer sonstigen Weise wie er zur Verfügung gestellt wird (§ 151 KAGB). Bei einer intern verwalteten Invest-KG, also einer Investmentgesellschaft, die keine externe Verwaltungsgesellschaft bestellt hat, § 1 Abs. 12 KAGB, was der Regelfall sein dürfte, muss ein Beirat gesellschaftsvertraglich vorgesehen und gebildet werden, der die Geschäftsführung bei der Umsetzung der Anlagebedingungen überwacht (§ 153 Abs. 3 KAGB). Hinsichtlich der Firmierung ist in Abweichung von § 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB nach § 157 KAGB der Rechtsformzusatz „geschlossene Investmentkommanditgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung erforderlich. Handelt es sich bei der Komplementärin um eine GmbH, so muss die Firma einen entsprechenden Hinweis enthalten.1
2.289
Für die Vertragsgestaltung ist davon auszugehen, dass § 150 Abs. 3 KAGB allgemein wirkende Standards setzt, dass also Ladungen zu Gesellschafterversammlungen unter vollständiger Angabe der Beschlussgegenstände in Textform zu erfolgen haben und ein schriftliches Ergebnisprotokoll der Gesellschafterversammlung zu fertigen und an alle Kommanditisten zu verteilen ist. Fragen zur Minderheiteneinberufungskompetenz und zu Einladungsfristen sind auch im KAGB nicht geregelt. Sie sollten in Anlehnung an die aktienrechtlichen Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Dagegen bedarf der Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG wie bei der „typischen“ KG grundsätzlich keiner besonderen Form. Eine Beurkundung ist nach den allgemeinen Regeln dann nötig, wenn sich z.B. ein Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zur Übertragung eines Grundstückes verpflichtet (§ 311b Abs. 1 BGB). Bei der Invest-KG hingegen gilt ein Sacheinlagenverbot (§ 152 Abs. 7 KAGB). Hieraus folgt ein dem § 19 Abs. 4 GmbHG entsprechendes Verbot der verdeckten Sacheinlage, um Bewertungsschwierigkeiten zu Lasten der Anleger zu vermeiden.2
2.290
Charakteristikum der Publikums-KG ist, dass sich nach Gründung eine ungewisse Vielzahl noch unbestimmter Gesellschafter (Anleger) als Kommanditisten beteiligen soll. Deshalb können die subjektiven Vorstellungen der Gründer beim Vertragsschluss bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrages keine Berücksichtigung finden. Der Gesellschaftsvertrag ist objektiv auszulegen.3 Heranzuziehen ist des-
2.291
1 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 266. 2 Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 32. 3 H.M.; BGH v. 7.6.1999 – II ZR 278/98, NJW 1999, 3113 (3115) m.w.N.; BGH v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, NJW 2011, 921 (923) Rz. 12; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 115; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. B Rz. 23.
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halb allein der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, der aus sich heraus auszulegen ist. Eine systematische Vertragsauslegung und eine am Gegenstand der Gesellschaft ausgerichtete Auslegung sind hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Lediglich die subjektiven Vorstellungen der Gründer bleiben außer Betracht.1 2.292
Bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrages der Publikums-KG gilt der Bestimmtheitsgrundsatz nicht.2 Der Bestimmtheitsgrundsatz besagte, dass im Gesellschaftsvertrag die Gegenstände, für die eine Mehrheitsentscheidung zugelassen werden soll, hinreichend deutlich bezeichnet werden müssen.3 Ansonsten muss zum Schutze der Minderheitsgesellschafter einstimmig Beschluss gefasst werden. Im Interesse des Anlegers müssen bei einer Publikums-KG hingegen Mehrheitsentscheidungen erleichtert möglich sein. Auch wenn der Beschlussgegenstand im Gesellschaftsvertrag nicht eindeutig bezeichnet wurde, kann über ihn durch Mehrheitsentscheidung beschlossen werden (s.u. IV. Mehrheitsbeschlüsse Rz. 2.303).
2.293
Ebenfalls aus Anlegerschutzgesichtspunkten gilt das Transparenzgebot, d.h. Regelungen, die Gesellschafter belasten, müssen hinreichend deutlich aus dem Gesellschaftsvertrag ersichtlich sein. So gehen Unklarheiten bei der gesellschaftsvertraglichen Formulierung der Nachschusspflichten zu Lasten der Gesellschaft. Sind die Nachschusspflichten nicht eindeutig und für den eintretenden Kommanditisten transparent, so sind sie nicht wirksam vereinbart.4
2.294
Bei der Invest-KG sind die gleichen Grundsätze anzuwenden, denn gem. § 149 Abs. 1 Satz 2 KAGB gelten ergänzend die Regelungen des HGB und wegen der entsprechenden Interessenlage kann auf die Grundsätze der Publikums-KG zurückgegriffen werden.
2.295
Gestaltungshinweis: Das KAGB hat eine allgemeine firmenrechtliche Beschränkung eingeführt. § 3 Abs. 1 und 3 KAGB bewirken faktisch eine Sperre für den Begriff „Investment“ in der Firma, sofern die Gesellschaft nicht eine Kapitalverwaltungsgesellschaft oder Investmentkommanditgesellschaft i.S. des KAGB ist, denn der Begriff „Gesellschaft“ taucht zwangsläufig offen oder als KG in der Firma auf, so dass die Registergerichte und Industrie- und Handelskammern solche Firmen nicht mehr genehmigen bzw. eintragen. Des Weiteren ist dringend eine Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wer die Gesellschaft in Liquidation vertritt. Fehlt es an einer Regelung und fehlt es am Liquidationsbeschluss, weil zum Beispiel die Gesellschaft durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelöst wird, so werden gem. §§ 161 Abs. 2, 146 Abs. 1 Satz 1, 150 Abs. 1 HGB sämtliche Gesellschafter zur Vertretung gemeinsam berechtigt (und verpflichtet).5 Der Komplementär ist nicht länger einzelvertre1 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 115. 2 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. 34. 3 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, DStR 2007, 494 = GmbHR 2007, 437; BGH v. 24.11.2008 – II ZR 116/08, GmbHR 2009, 306; BGH v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, DStR 2012, 808; fortgeführt durch BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168 = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting. 4 So auch Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 116; vgl. für die Publikums-GbR BGH v. 23.1.2006 – II ZR 126/04, DStR 2006, 621; KG v. 8.12.2006 – 14 U 43/05, DStR 2007, 1267; OLG Stuttgart v. 31.3.2010 – 14 U 20/09, DB 2010, 1058. 5 OLG Dresden v. 15.2.2012 – 17 W 1163/11, 17 W 1164/11, RNotZ 2012, 290 (291).
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tungsberechtigt. Insbesondere bei Immobiliengesellschaften kommt es oft zu der Situation, dass der Insolvenzverwalter Grundstücke freigibt, die dinglich in dem Maße belastet sind, dass ein Verwertungsertrag für die Masse nicht zu erwarten ist; also zum Beispiel mit einer Grundschuld zugunsten einer Bank belastet sind, deren valutierender Betrag über den Verwertungserlös hinausgeht. Bei Freigabe vertritt die Gesellschaft nicht mehr der Insolvenzverwalter, sondern die Liquidatoren vertreten sie. Fehlt es hier an einer Regelung, ist das Grundstück faktisch nicht zu veräußern.
III. Inhaltskontrolle Unabhängig davon, ob der u.U. fachkundige Anleger eine für ihn ungünstige Vertragsbestimmung hätte erkennen können, unterwirft die Rechtsprechung die einzelnen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages einer Publikums-KG ähnlich Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle.
2.296
Ausgangspunkt des BGH ist dabei die Überlegung, dass sich die Anleger angesichts eines vorformulierten Vertragswerkes darauf verlassen dürfen, dass die Gründer und Initiatoren des Projektes bei dessen Vorbereitung nicht einseitig und ausschließlich ihre Interessen verfolgen, indem sie unter Ausnutzung der für ganz andere Beteiligungsverhältnisse eingeräumten Vertragsgestaltungsfreiheit die vom Gesetzgeber für Massengesellschaften bereitgestellten Organisationsformen meiden, um Regelungen zu schaffen, die den Anleger in einer der rechtlichen Wertung widersprechenden Weise rechtlos stellen.1 Der Anleger hat keine Einflussmöglichkeit, seine Entscheidung reduziert sich auf die Abschlussfreiheit. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass jeder neue Gesellschafter regelmäßig auch sonst nur die Wahl hat, dem Gesellschaftsvertrag in der vorliegenden Form beizutreten oder nicht.2 Das Bedürfnis nach einer Inhaltskontrolle entsteht jedoch aus dem Spannungsverhältnis zwischen der personengesellschaftsrechtlich strukturierten Publikums-KG einerseits und den Interessen der Anleger andererseits. Deren Interessen entsprechen der Situation bei einer Kapitalgesellschaft, ohne dass jedoch zu ihren Gunsten die Minderheiten-, Kapital- und Gläubigerschutzvorschriften einer Kapitalgesellschaft gelten. Die hieraus folgende Inhaltskontrolle wird an den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichtet,3 die Tatbestandsmerkmale des § 305 BGB müssen somit nicht zwingend gegeben sein, obwohl sie nicht durch § 310 Abs. 4 BGB ausgeschlossen wären. Die Rechtsprechung orientiert sich dabei in vorsichtiger Anlehnung an den Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts, und zwar insbesondere des Aktienrechts.
2.297
So hat sie eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung für unwirksam erklärt, die die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Aufsichts-
2.298
1 BGH v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238 (241); BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (941). 2 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 124. 3 BGH v. 10.10.1983 – II ZR 213/82, WM 1983, 1407 = GmbHR 1984, 201; BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, WM 1988, 23 (25); BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (940); BGH v. 10.6.1991 – II ZR 247/90, NJW 1991, 2906 (2907).
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rats auf unter fünf Jahre abkürzte (vgl. § 116 i.V.m. § 93 Abs. 6 AktG).1 Ebenso für unwirksam erachtet wurde das der Komplementär-GmbH einseitig eingeräumte Recht, die Kommanditbeteiligungen nach freiem Ermessen zu übernehmen.2 Nichtig ist ferner eine Bestimmung, nach der ein nicht der Gesellschaft angehörender Geschäftsführer aus wichtigem Grunde nur mit qualifizierter Mehrheit abberufen werden kann.3 Gleiches gilt für die Bestimmung, nach der ein Gesellschafter-Geschäftsführer nur mit Zustimmung aller Gesellschafter abberufen werden darf.4 In beiden Fällen reicht zur Abberufung des Geschäftsführers stattdessen die einfache Mehrheit.5 2.299
Unwirksam ist ferner eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die den Gründungsgesellschaftern (Initiatoren) eine Sperrminorität bei der Ersetzung des von ihnen eingesetzten Geschäftsführers und bei der Wahl der den Geschäftsführer kontrollierenden Aufsichtsratsmitglieder sichert.6
2.300
Nicht zu beanstanden ist dagegen die Verpflichtung der Kommanditisten, beim Beitritt pauschalierte Verzugszinsen zu zahlen, wenn sie die kalendermäßig festgelegten Termine für die Einzahlung der Zeichnungsbeträge nicht einhalten, selbst wenn ein Schaden der KG dadurch nicht entsteht.7 Denn in der Sicherstellung der pünktlichen Einzahlung liegt ein sachlicher Grund für die Zinsregelung; die Interessen der Anleger werden dadurch nicht unangemessen beeinträchtigt, da diese den Verzugszinsen durch pünktliche Zahlung entgehen können.8 Zulässig ist ebenfalls eine Regelung, wonach die ordentlichen Gerichte erst angerufen werden dürfen, wenn ein Schlichtungsversuch des Beirats gescheitert ist, es sei denn, die Anrufung der Gerichte ist unangemessen erschwert.9
2.301
Die Inhaltskontrolle greift auch dann ein, wenn die Anleger nur mittelbar über einen Treuhandkommanditisten an der Publikums-KG beteiligt sind.10 Danach ist eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die den persönlich haftenden Gesellschaftern einseitig das Recht einräumt, die treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligungen nach freiem Ermessen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu übernehmen, unwirksam.11 1 BGH v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238 (244) = GmbHR 1975, 155. 2 BGH v. 3.5.1982 – II ZR 78/81, BGHZ 84, 11 (14) = DB 1982, 1866; BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (941 ff.). 3 BGH v. 22.3.1982 – II ZR 74/81, WM 1982, 583 (584). 4 BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, WM 1988, 23 (25 f.). 5 Vgl. BGH v. 22.3.1982 – II ZR 74/81, WM 1982, 583 (584); BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, WM 1988, 23 (26). 6 BGH v. 10.10.1983 – II ZR 213/82, WM 1983, 1407 = GmbHR 1984, 201. 7 BGH v. 12.6.1991 – 3 StR 155/91, BB 1991, 1814 (1815 f.). 8 BGH v. 12.6.1991 – 3 StR 155/91, BB 1991, 1814 (1816). 9 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 55/76, NJW 1977, 2263 = WM 1977, 997 (998); einen Überblick über den Stand der in der Literatur diskutierten Klauseln gibt Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 128. 10 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (941); so schon in der Berufungsinstanz OLG München v. 14.1.1987 – 7 U 3828/86, DB 1987, 979; unentschieden für Beitritt eines Verbrauchers BGH v. 13.12.2011 – II ZR 6/09, DB 2012, 168 Rz. 50; sowie BGH v. 23.4. 2012 – II ZR 75/10, DB 2012, 1679 Rz. 33. 11 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (942).
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Publikums-KG
Die Inhaltsvorgaben für den Gesellschaftsvertrag bei einer Invest-KG sind detaillierter. Nichtsdestotrotz kann aber bei Lücken und in Zweifelsfällen auf die Grundsätze zur Publikums-KG zurückgegriffen werden, sofern dadurch nicht den spezialgesetzlichen Vorgaben widersprechende Ergebnisse erreicht werden.1 Mithin scheidet eine Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages bei einer Invest-KG nicht von vornherein aus, jedoch dürfte sie bedingt durch die ausführlichen den Anleger schützenden Bestimmungen des KAGB seltener relevant werden.2
2.302
IV. Mehrheitsbeschlüsse Das gesetzliche (dispositive) Leitbild der in §§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB vorgesehenen Einstimmigkeit macht eine Publikums-KG handlungsunfähig. Mehrheitsentscheidungen sind faktisch notwendig. Um die Publikums-KG trotz ihrer meist zahlreichen Gesellschafter auch in Krisenzeiten handlungsfähig zu halten, gilt der Bestimmtheitsgrundsatz nicht.3 Der Bundesgerichtshof prüft Mehrheitsentscheidungen zweistufig, und zwar zum einen die formelle Legitimation der Mehrheitsentscheidung und zum anderen die materielle Wirksamkeit.4 Eine Mehrheitsentscheidung ist danach formell legitimiert, wenn es eine dahingehende Vereinbarung der Gesellschafter ergibt, also eine ausdrückliche Anführung des Beschlussgegenstandes in einem Katalog von Beschlussgegenständen im Gesellschaftsvertrag oder eine umfassende oder auslegungsfähige Mehrheitsklausel bis hin zu einer konkludenten Vereinbarung der Mehrheitszuständigkeit.5 Die Auslegung erfolgt anhand objektiver Maßstäbe (s. Rz. 2.291). Für die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages empfiehlt es sich gleichwohl, detailliert die Beschlussgegenstände und die erforderlichen Mehrheiten zu definieren. Die Festlegung der erforderlichen Mehrheiten sollte auf die aktienrechtlichen Regelungen zurückgreifen, also für Vertragsänderungen eine qualifizierte Mehrheit von 3/4 des vertretenen Gesellschaftskapitals in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 2 AktG vorsehen.
2.303
In den §§ 149 bis 161 KAGB finden sich keine Regelungen zu Mehrheitserfordernissen, so dass die vorgenannten Grundsätze auch für die Invest-KG subsidiär gelten dürften.
2.304
Allerdings sind die Befugnisse der Mehrheit nicht grenzenlos.6 Der BGH prüft einen formell legitimierten Mehrheitsbeschluss auf materielle Unwirksamkeit dahingehend, ob in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters eingegriffen wurde und ob dieser Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betrof-
2.305
1 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 141. 2 Vgl. M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 266 u. 141. 3 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168 (2171) = GmbHR 2014, 1303. Vgl. zur Abgrenzung des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Kernbereichslehre Rz. 4.158 ff. und kritisch zur neuen Rechtsprechung Altmeppen, NJW 2015, 2065. 4 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168 (2172) m.w.N. aus der vorgehenden Rechtsprechung = GmbHR 2014, 1303. 5 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168 (2171) = GmbHR 2014, 1303. 6 Generell sind als Grenzen zu nennen: Unverzichtbare und unentziehbare Kommanditistenrechte; Dietrich, Die Publikums-Kommanditgesellschaft und die gesellschaftsrechtlich geschützten Interessen, S. 73 ff.; Picot, BB 1993, 13 (17 f.).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
fenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist.1 In der Literatur wird teilweise weiterhin die Grenze insbesondere von Gesellschaftsvertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluss bei einem Eingriff in den Kernbereich der Gesellschafterrechte gezogen.2 Die bisherige Kasuistik dürfte gleichwohl weiterhin Bestand haben, so darf die Mehrheit einzelne Gesellschafter nicht ohne deren Zustimmung ungleich behandeln3 oder ihnen erhöhte (Leistungs-)Pflichten auferlegen.4 Die rückwirkende Beseitigung eines bereits entstandenen Zinsanspruchs eines Gesellschafters ist unzulässig.5 2.306
Besonderer Streitpunkt sind Kapitalerhöhungen und Nachschüsse in Krisenzeiten. Kapitalerhöhungen außerhalb der Krise durch Mehrheitsbeschluss sind wirksam, soweit die Gesellschafter zur Teilnahme berechtigt, aber nicht verpflichtet sind und das Recht zur Teilnahme jedem Gesellschafter entsprechend seiner Beteiligung eingeräumt wird.6 Anders ist die Situation in der Krise zu beurteilen. Unter dem Stichwort Sanieren oder Ausscheiden wird die Situation diskutiert, dass die Gesellschaft ohne neue Mittel liquidiert werden müsste, aber durch Zuführung neuer Geldmittel sehr wahrscheinlich saniert werden könnte. Die Gesellschafter, die sich an einer solchen Sanierung nicht durch neues Geld beteiligen, würden gleichwohl von einer von den übrigen Gesellschaftern finanzierten Sanierung profitieren. Denn gelingt die Sanierung der Gesellschaft, sind alle Kommanditanteile wieder werthaltig. Allerdings haben nur die zuschießenden Gesellschafter etwas zur Sanierung beigetragen und ein zusätzliches Risiko getragen. Die nicht sanierungswilligen Gesellschafter können gleichsam als „Trittbrettfahrer“ von den Geldbeiträgen und der Risikobereitschaft ihrer Mitgesellschafter profitieren. Der BGH hat deshalb für eine Publikums-OHG entschieden, dass die nicht sanierungswilligen Gesellschafter vor die Wahl gestellt werden können, entweder die Sanierung mitzutragen oder aus der OHG gegen Zahlung des aktuellen Auseinandersetzungsfehlbetrages auszuscheiden.7 Allerdings hebt die Begründung auf die abweichende persönliche Haftung der OHG-Gesellschafter ab. Denn aufgrund der Minderung der vollen persönlichen Haftung gem. §§ 735 BGB, 105 Abs. 3 HGB würde ein nicht sanierungsbereiter OHG-Gesellschafter auf Kosten der Geldmittel nachschießenden Mitgesellschafter unzumutbar bessergestellt. Durch sein Ausscheiden wurde er im entschiedenen Fall hingegen nicht schlechter gestellt, als er zu diesem Zeitpunkt stand, da seine Verlusttragungspflicht bei fortzuführender Gesellschaft geringer war als im sofortigen Liquidationsfall.
2.307
Auch bei der Publikums-KG konnte bislang eine fehlende Zustimmung eines Gesellschafters zu Vertragsänderungen als unschädlich angesehen werden, wenn der 1 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168 (2172) m.w.N. aus der vorgehenden Rechtsprechung = GmbHR 2014, 1303. 2 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 143. 3 Ausführlich zum Gleichbehandlungsgrundsatz in der Publikums-KG Picot, BB 1993, 13 (15 f.). 4 BGH v. 14.5.1956 – II ZR 229/54, BGHZ 20, 363 (369) = GmbHR 1956, 172. 5 BGH v. 27.1.1975 – II ZR 130/73, WM 1975, 662 (663). 6 Vgl. BGH v. 24.11.1975 – II ZR 89/74, BGHZ 66, 82 = GmbHR 1976, 269; dazu Wiedemann, ZGR 1977, 690. 7 BGH v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, NJW 2010, 65 = GmbHR 2010, 32 m. Komm. Ulrich; OLG Stuttgart v. 11.7.2013 – 19 U 11/13, BB 2013, 2127; Wagner, NZG 2009, 1378.
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§2
Publikums-KG
Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, der Änderung zuzustimmen.1 In diesem Fall müssen die Mitgesellschafter in der Publikums-KG ihn nicht erst auf Zustimmung verklagen, um eine wirksame Änderung des Gesellschaftsvertrages herbeizuführen; die pflichtwidrig abgegebene Stimme wird vielmehr so behandelt, als ob sie entsprechend der bestehenden Treueverpflichtung abgegeben worden wäre. Ob und wann die Rechtsprechung zum Fall des Sanierens oder Ausscheidens übertragbar ist, wann also aufgrund Treuepflicht verlangt werden kann, entweder mit der Mehrheit zu sanieren oder aus der Publikums-KG auszuscheiden, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Unmittelbar vergleichbar erscheint die Situation, in der die Außenhaftung der Kommanditisten durch Rückgewähr der Hafteinlage gem. § 172 Abs. 4 HGB wiederaufgelebt ist oder wegen anfänglicher Nichtleistung der Hafteinlage besteht. Diese Situation dürfte nicht selten vorliegen, da regelmäßig in der Anfangsphase Ausschüttungen an die Anleger vorgenommen werden, die nicht Gewinne darstellen, sondern nur Liquiditätsüberschussausschüttungen (s. zur Zulässigkeit auch Rz. 2.347). Aber auch in dem Fall, dass keine Hafteinlagenrückzahlung vorgenommen wurde, würde im Fall einer Krise und einer Sanierung durch die Mehrheit der Kommanditisten, der nicht sanierende Kommanditist ohne eigenes Risiko von den Geldmitteln der anderen profitieren. Zwar kann jeder Kommanditist darauf vertrauen, nur bis zur Höhe seiner Hafteinlage (oder einer gegebenenfalls höheren Pflichteinlage) in Anspruch genommen zu werden. Dieser Grundsatz ist allen Kommanditisten vorab bekannt. Gleichwohl folgt daraus kein Anspruch, ohne eigenes Risiko von Leistungen der Mitgesellschafter zu profitieren. Will man den Sanierungserfolg ausschließlich den Kommanditisten zukommen lassen, die die Sanierung finanzieren, so besteht auch in der KG die Notwendigkeit, die nicht sanierungsbereiten Kommanditisten herausdrängen zu können.2 Vorrang haben allerdings immer die Regelungen des Gesellschaftsvertrages, die vorsehen können, dass der Gesellschaftsanteil der nicht teilnehmenden Kommanditisten nur verwässert wird, diese Kommanditisten jedoch nicht ausgeschlossen werden.3
2.308
Bei der Invest-KG ist die Rückzahlung der Hafteinlage (Haftsumme) ohne Zustimmung des Anlegers ausgeschlossen (§ 152 Abs. 2 KAGB). Die Geschäftsführung hat deshalb bei beabsichtigten Liquiditätsüberschussausschüttungen vorab den Anleger über das Aufleben der Haftung zu informieren. Aus dem Anlegerschutzgedanken des KAGB ist diese Bestimmung nicht dispositiv, was ausschließen dürfte, dass im Gesellschaftsvertrag Liquiditätsüberschussausschüttungen, die die Hafteinlage zurückgewähren, konkret vorgesehen werden und der Anleger bei Beitritt zur Gesellschaft diesen bis zu einer bestimmten Höhe bereits vorab zustimmt. Bei einem Verstoß, also einer Auszahlung an den Anleger, die ein Wiederaufleben der Außen-
2.309
1 BGH v. 5.11.1984 – II ZR 111/84, GmbHR 1985, 152 = WM 1985, 195; BGH v. 19.11.1984 – II ZR 102/84, GmbHR 1985, 188 (189 f.) = WM 1985, 256 (257). 2 So auch Dorka/Derwald, NZG 2010, 694 (695); a.A. Reul in Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 2012, N. Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, Rz. 269. 3 BGH v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, NZG 2011, 510 (513) = GmbHR 2011, 529 m. Komm. Ulrich; so auch BGH v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, NJW 2015, 2882 (2884) Rz. 23.
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haftung zur Folge hat, ohne dass seine Zustimmung vorab eingeholt worden ist, kann Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen inklusive des nicht dispositiven Gesetzes verlangt werden.1 Der Gesetzestext stellt wegen der sprachlichen Verknüpfung mit § 172 Abs. 4 HGB nur auf die wiederauflebende Außenhaftung ab. Ist der Schutzzweck der Hinweispflicht, den Anleger darüber aufzuklären, dass er unter Umständen den erhaltenen Betrag nicht dauerhaft behalten kann, so wäre dieser Hinweis auch bei einer Zahlung eines Betrages, der die Pflichteinlage herabmindert, zu leisten. Denn es dürfte dem Anleger gleichgültig sein, ob er das Geld an Dritte oder an die Gesellschaft selbst zurückgewähren muss.2 Auf diese Unterscheidung kommt es allerdings nur an, soweit die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage (Haftsumme) geringer ist als die gegenüber der Gesellschaft vereinbarte Pflichteinlage. Schadensersatzverpflichteter ist der handelnde Geschäftsführer, auch wenn eine Bestimmung vergleichbar dem § 43 Abs. 1 und 3 GmbHG fehlt. Fraglich ist allerdings, wie ein dem Grunde nach gegebener Schadensersatzanspruch der Höhe nach zu bestimmen ist. Da der erlangte Betrag auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen wäre, verbleiben wohl nur Schäden aus ansonsten anders finanzierten Dispositionen des Anlegers, also durch das enttäuschte Vertrauen auf den dauernden Behalt des Geldes entstandene Schäden. Eine Nachschusspflicht ist insoweit ausgeschlossen, als dass § 707 BGB bei einer Invest-KG nicht dispositiv ist (§ 152 Abs. 3 Satz 4 und 5 KAGB). Dies schließt hingegen nicht aus, dass eine nach dem erforderlichen Hinweis erfolgte Teilauszahlung der Pflichteinlage wieder durch die Gesellschaft zurückgefordert werden kann. Denn das Wiederauffüllen der Pflichteinlage nach deren Herabminderung durch Auszahlung ist kein Verlustausgleich. Überdies sind gesellschaftsvertragliche Regelungen möglich, wonach nicht durch Gewinn gedeckte Liquiditätsausschüttungen Rückforderungsansprüche begründen.3 Ebenso unberührt bleiben freiwillige Kapitalerhöhungen.4 2.310
Auch die Rechtsprechung zum Sanieren oder Ausscheiden dürfte – sofern man ihre Übertragbarkeit auf die GmbH & Co. KG, wie hier vertreten, überhaupt annimmt – auf die Invest-KG Anwendung finden.5 Zwar erklärt § 152 Abs. 3 Satz 5 KAGB, dass Vereinbarungen unwirksam sind, die dem Ausschluss der Verpflichtung zur Erhöhung der Pflichteinlage oder Ergänzung der Pflichteinlage entgegenstehen. § 152 Abs. 3 Satz 2 KAGB schließt eine Verpflichtung aus, Verluste auszugleichen. Daraus folgt aber nicht die Pflicht, die Gesellschaft in der Krise zu liquidieren. Dies würde dem Anlegerschutzgedanken des KAGB widersprechen. Bei der Konstellation des Sanierens oder Ausscheidens beschließt die Mehrheit der Anleger, freiwillig Mittel in die Gesellschaft zu geben. Die Mehrheit kann die Minderheitsgesellschafter nicht zur Teilnahme an der Mittelzuführung verpflichten. Sie hat aber gleichsam ein Sonderkündigungsrecht gegenüber den nicht teilnehmenden Min1 Lorenz in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 127 Rz. 5, § 152 Rz. 12. 2 So auch Lorenz in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 18 und 19. 3 Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 21; BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, DB 2013, 1406. 4 Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 21. 5 A.A. M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 192.
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Publikums-KG
derheitsgesellschaftern, wenn diese nicht teilnehmen. Der Minderheitsgesellschafter wird somit vor die Wahl gestellt, an der Mittelzuführung teilzunehmen oder gegen sein aktuelles Auseinandersetzungsguthaben auszuscheiden. Verneint man diese Möglichkeit, wäre die Geschäftsführung der Invest-KG wohl zu einer Liquidation veranlasst, weil es faktisch schwierig sein wird, Anleger zeitnah zu einer Mittelzuführung zu veranlassen, wenn ihnen später nicht der daraus hoffentlich resultierende Sanierungserfolg proportional zukommt. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies, dass im Gesellschaftsvertrag (und im Prospekt) geregelt werden muss, wie bei einer freiwilligen Mittelzuführung im Falle einer zu definierenden Krise verfahren werden soll.1 Dem Anleger muss bei Beitritt erkennbar sein, ob er im Falle der Krise damit zu rechnen hat, vor die Wahl gestellt zu werden, neue Mittel bereitzustellen oder auszuscheiden oder neue Mittel bereitzustellen oder eine Verwässerung seines Gesellschaftsanteils zu dulden. Die Nichtigkeit von Beschlüssen, betreffen sie Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder nicht, ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln im Wege der Feststellungsklage2 gegen alle übrigen Gesellschafter geltend zu machen.3 Dies kann bei der Publikums-KG zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. U.U. müsste der Gesellschafter die Gesellschaft erst einmal auf Bekanntgabe der Gesellschafterliste verklagen, um eine ordnungsgemäße Feststellungsklage einreichen zu können. Faktisch hätte damit der einzelne Anleger keinen zumutbaren Weg zur Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen.4 Deshalb kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses gegen die Gesellschaft gerichtet werden soll.5 Entgegen der Ansicht des BGH6 ist die Klage in Analogie zu den aktienrechtlichen Anfechtungsvorschriften (§ 246 Abs. 2 Satz 1 AktG) auch ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung gegen die Publikums-KG zu richten,7 da ansonsten der einzelne Anleger Mehrheitsentscheiden faktisch schutzlos gegenüberstünde und die Mehrheit keine klare Frist hätte, nach deren Ablauf ein Beschluss nicht mehr angefochten werden kann.8 Für die Vertragsgestaltung folgt hieraus, dass ausdrücklich auf das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht Bezug genommen werden sollte. 1 Auch M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 192, sieht bei der Invest-KG die Möglichkeit, die Sanieren oder Ausscheiden Grundsätze gesellschaftsvertraglich zu implementieren. 2 BGH v. 7.6.1999 – II ZR 278/98, NJW 1999, 3113 (3114); eine Anfechtungsklage gegen (Mehrheits-)Beschlüsse ist selbst bei Publikumsgesellschaften nicht zulässig und kann auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag eingeführt werden; vgl. dazu K. Schmidt, DB 1993, 2167 (2168) m.w.N. 3 BGH v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, NJW 2011, 2578 (2578) = GmbHR 2011, 539 m. Komm. Münnich; BGH v. 15.6.1959 – II ZR 44/58, BGHZ 30, 195; Gaul, DStR 2009, 804 (806) m.w.N. 4 OLG Celle v. 26.8.1998 – 9 U 56/98, NZG 1999, 64. 5 Vgl. BGH v. 15.11.1982 – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350 (353) = GmbHR 1983, 297; BGH v. 7.6. 1999 – II ZR 278/98, NJW 1999, 3113 (3115); OLG Rostock v. 30.7.2008 – 1 U 32/08, GmbHR 2009, 321; BGH v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, NJW 2011, 2578 = GmbHR 2011, 539 m. Komm. Münnich. 6 BGH v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, NJW 2011, 2578 (2578) = GmbHR 2011, 539 m. Komm. Münnich; BGH v. 7.6.1999 – II ZR 278/98, NJW 1999, 3113 (3115). 7 Vgl. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 139 m.w.N. 8 Gaul, DStR 2009, 804 (809).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
V. Organisation der Publikums-KG und Invest-KG 2.312
Die Geschäfte der Publikums-KG werden regelmäßig durch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geführt. Die Gesellschaft kann aber auch einen beliebigen Dritten oder einen Kommanditisten mit der Geschäftsführung und/oder Vertretung betrauen und mit Vollmacht ausstatten. Der Grundsatz der Selbstorganschaft steht dem solange nicht entgegen, wie nicht sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind.1 Oft ist es aus steuerlichen Gründen notwendig, einem Kommanditisten die Befugnis zur Geschäftsführung zu übertragen, um bei der Publikums-KG die gewerbliche Prägung zu beseitigen und beispielsweise so die Einkünfte als solche aus Vermögensverwaltung in Form von Vermietung und Verpachtung qualifizieren zu können (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).2
2.313
Die Geschäftsführung der Invest-KG hat aus mindestens zwei Personen zu bestehen (§ 153 Abs. 1 KAGB). Dies gilt auch als Mindestgeschäftsführerzahl der Komplementär-GmbH (§ 153 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Die Geschäftsführer müssen zuverlässig sein und die erforderliche fachliche Eignung haben. Die BaFin kann die Abberufung verlangen, wenn sie der Meinung ist, die geforderten Merkmale liegen nicht vor (§ 153 Abs. 3 und 5 KAGB). Die Invest-KG wird regelmäßig keine externe Person mit der Verwaltung beauftragen, als so genannte intern verwaltete geschlossene Publikumsinvestmentkommanditgesellschaft hat sie zwingend einen Beirat zu bilden, der die Geschäftsführung überwacht. Die Beiratsmitglieder müssen nach ihrer Persönlichkeit und Sachkunde Gewähr dafür bieten, dass die Interessen der Anleger, also der Kommanditisten, gewahrt werden. Bestellung und Ausscheiden von Beiratsmitgliedern sind der BaFin anzuzeigen. Der Beirat hat die Umsetzung der Anlagebedingungen zu überwachen (§ 153 Abs. 3 KAGB). Er unterliegt den aktienrechtlichen Sorgfalts- und Haftungsregelungen (§§ 153 Abs. 3 Satz 2, 18 Abs. 2 Satz 4 und 3 Satz 2 KAGB).
2.314
In der Publikums-KG ist die Bildung eines Beirats fakultativ, es wird häufig durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung im GmbH-Vertrag, KG-Gesellschaftsvertrag oder in beiden ein besonderes Gremium zur Überwachung der Geschäftsführung geschaffen.3 Für dieses Aufsichtsgremium werden verschiedene Bezeichnungen verwendet, z.B. „Beirat“, „Aufsichtsrat“, „Gesellschafterausschuss“ oder „Verwaltungsrat“. Bei diesen Gremien handelt es sich um echte Gesellschaftsorgane, die von der Gesellschafterversammlung gewählt werden und deren Mitglieder dem Wohl der gesamten Gesellschaft verpflichtet sind. Sie haften der Gesellschaft gegenüber für die Erfüllung der durch den Gesellschaftsvertrag auferlegten Pflichten.4 Sowohl die Haftungsgrundlage als auch der Haftungsmaßstab wird nach der h.M. aus der entsprechenden Anwendung der Haftung des Auf-
1 BGH v. 22.1.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292; BGH v. 16.11.1981 – II ZR 213/80, WM 1982, 40 (41); für den Immobilienfonds auch BGH v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, NJW 2011, 2040 (2041 f.). 2 Vgl. R 15.8 Abs. 6 EStR 2012. 3 Vgl. hierzu umfassend Hüffer, ZGR 1980, 320. 4 BGH v. 7.3.1983 – II ZR 11/82, BGHZ 87, 84 = DB 1983, 1249; BGH v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, WM 1979, 1425 (1426) = AG 1980, 109; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 167; BGH v. 22.10.1984 – II ZR 2/84, NJW 1985, 1900.
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Publikums-KG
sichtsrats in einer Aktiengesellschaft hergeleitet (§ 116 i.V.m. § 93 AktG).1 Die entsprechende Anwendung des AktG ergibt sich aus dem Gedanken des Anlegerschutzes und des Kommanditisteninteresses an einer rein kapitalmäßigen Beteiligung. Hier ist eine Ausstrahlungswirkung der Regelungen betreffend die Invest-KG zu erwarten, für die in §§ 153 Abs. 3 Satz 2, 18 Abs. 2 Satz 4 KAGB verschiedene aktienrechtliche Aufsichtsratsbestimmungen ausdrücklich für anwendbar erklärt werden; insbesondere § 116 AktG. Die Herabsetzung des Haftungsmaßstabes auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gem. § 708 BGB kann den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums wegen des mangelnden persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen den zahlreichen Gesellschaftern nicht gewährt werden.2 Wann eine haftungsbegründende Pflichtverletzung der Mitglieder des Aufsichtsgremiums vorliegt, hat sich an der Funktion des jeweiligen Aufsichtsgremiums zu orientieren. Zwar ist die Überwachung der Geschäftsführung regelmäßig Aufgabe der Mitglieder des Aufsichtsgremiums. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede Geschäftsführungsmaßnahme zu überwachen und jedes risikogeneigte Geschäft zu unterbinden wäre. Risikoreiche Geschäfte gehören zum Alltag in einem kaufmännisch geführten Unternehmen.3 Schlägt die Risikobereitschaft des Managements jedoch in Leichtfertigkeit um, muss das Aufsichtsgremium mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eingreifen.4 Zur Sicherstellung einer kontinuierlichen und effektiven Kontrolle muss das Aufsichtsgremium die Geschäftsführung zu regelmäßiger Berichterstattung anhalten und auf der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Aufstellung der Jahresabschlüsse bestehen, wozu auch deren Überprüfung durch unabhängige Sachverständige gehören kann. Gegenüber den Kommanditisten haben die Mitglieder des Aufsichtsgremiums zumindest dann einen Bericht über ihre Tätigkeit zu geben, wenn Kompetenzen der Kommanditisten auf sie verlagert worden sind.5
2.315
Eine Invest-KG ist gerade nicht operativ kaufmännisch tätig. Der Überwachungsmaßstab des Beirats sind die Anlagebedingungen. Wie eng deshalb die Überwachung sein muss, hängt von den Anlagebedingungen ab. Da als Beiratsmitglieder nur Personen mit besonderer Sachkunde zugelassen sind, dürfte ihre Einbeziehung zu Entscheidungen der Geschäftsführung häufiger zu erwarten sein.
2.316
Verletzen die Mitglieder des Aufsichtsgremiums in der Publikums-KG ihre Überwachungspflichten schuldhaft, so können sie von der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Die entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG anzuwendende Umkehr der Darlegungslast wirkt im Schadensersatzprozess zu Lasten des Mitglieds des Aufsichtsgremiums.6 Da Aufgabe der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Publikums-KG regelmäßig die Überwachung der Geschäftsführung ist, können sie kein Mitverschulden der Gesellschaft oder der Ge-
2.317
1 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 = GmbHR 1978, 236. 2 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (209) = GmbHR 1978, 236; BGH v. 7.3.1983 – II ZR 11/82, NJW 1983, 1675 (1676). 3 Vgl. BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (213) = GmbHR 1978, 236. 4 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (213 f.) = GmbHR 1978, 236. 5 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 166. 6 BGH v. 7.11.1977 – II ZR 43/76, NJW 1978, 425; BGH v. 7.3.1983 – II ZR 11/82, NJW 1983, 1675 (1676) m.w.N.; Neumann/Böhme, DB 2007, 844 (846).
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schäftsführung einwenden. Weder Fehler der Geschäftsführer noch ungeeignete, aber durch die Gesellschafter ausgewählte Mitglieder des Aufsichtsgremiums können ein Mitverschulden begründen.1 2.318
Die Ersatzpflicht der Mitglieder des Aufsichtsgremiums ist ausgeschlossen, wenn die schädigende Handlung der zu überwachenden Geschäftsführer auf einem Beschluss der Gesellschafterversammlung beruht oder von dieser später gebilligt worden ist.2 Dies gilt allerdings nicht, wenn das Aufsichtsgremium beim Zustandekommen des jeweiligen Beschlusses pflichtwidrig gehandelt hat,3 etwa indem es versäumt hat, die Gesellschaftsversammlung vollständig über den Beschlussgegenstand zu informieren.
2.319
Der Schadensersatzanspruch gegen die Mitglieder des Aufsichtsgremiums steht der Gesellschaft zu und kann grundsätzlich auch nur von ihr geltend gemacht werden. Allerdings können die Gesellschafter den Anspruch im eigenen Namen für den Fall geltend machen, dass die Geschäftsführer den Anspruch nicht im Namen der Gesellschaft durchsetzen wollen.4 Die Klage ist aber auf Leistung des Schadensersatzes an die Gesellschaft zu richten.5
2.320
Der Schadensersatzanspruch verjährt in entsprechender Anwendung des § 116 i.V.m. § 93 Abs. 6 AktG und § 52 Abs. 1 GmbHG in fünf Jahren6 ab der Entstehung des Anspruchs. Die Kenntnis des Anspruchsberechtigten ist für den Beginn des Fristlaufs nicht erforderlich.7
2.321
Neben der Überwachungstätigkeit kann dem Aufsichtsgremium auch die Kompetenz zur Mitwirkung bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Änderungskompetenz selbst ergänzend übertragen werden.8 Bei großen Gesellschaften empfiehlt sich eine derartige Regelung. Die Gesellschaft wird dadurch in die Lage versetzt, auf veränderte Rahmenbedingungen, etwa auf Änderungen in der Praxis der Finanzverwaltung, in der Rechtsprechung oder der Steuergesetzgebung schnell und sachkundig zu reagieren. Wegen des Grundsatzes der Verbandssouveränität ist diese Kompetenzübertragung, soweit Nichtgesellschafter Mitglieder des Aufsichtsgremiums sind, nur dann zulässig, wenn sie die ursprüngliche Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zur Vertragsänderung nicht verdrängt, sondern lediglich neben sie tritt.9 Die Gesellschafterversammlung kann also im Bedarfsfalle die Änderungen des Gesellschaftsvertrags durch das Aufsichtsgremium modifizieren oder wieder rückgängig machen. 1 2 3 4 5
6 7 8 9
Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 167 m.w.N. BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (217). BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 (217). Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 167; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 158. Vgl. nur BGH v. 21.2.1983 – II ZR 128/82, WM 1983, 555 (557); BGH v. 22.10.1984 – II ZR 2/84, WM 1984, 1640 (1641); BGH v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, WM 1987, 13 (16); BGH v. 19.1.1987 – II ZR 158/86, WM 1987, 425 (426); BGH v. 29.6.1987 – II ZR 173/86, WM 1987, 1193 (1195) = GmbHR 1988, 56 (58). Vgl. BGH v. 7.3.1983 – II ZR 11/82, NJW 1983, 1675 (1676); in zehn Jahren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind. Koch in Hüffer, § 93 AktG Rz. 37. A.A. M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 215 m.w.N. BGH v. 19.11.1984 – II ZR 102/84, WM 1985, 256 (257) = GmbHR 1985, 188 (189).
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Die Auswahl der Beiratsmitglieder in der Invest-KG orientiert sich an der Hauptaufgabe, die Anlagebedingungen zu überwachen. Ob der zwingend einzurichtende Beirat der Invest-KG daneben noch andere Aufgaben übertragen bekommen kann, ist zweifelhaft, wenn so die Gefahr besteht, den gesetzlichen Überwachungsauftrag zu verwässern. Die Sinnhaftigkeit der Übertragung weiterer Aufgaben wird angezweifelt.1
2.322
Von dem vorbeschriebenen Aufsichtsgremium zu unterscheiden ist ein Gesellschafterausschuss, der nur die partikularen Interessen einer Gruppe von Gesellschaftern der Publikums-KG gegenüber vertreten soll (Gruppenbeirat). Zu denken ist hier in erster Linie an einen Kommanditistenausschuss. Der Kommanditistenausschuss leitet seine Rechte von der Rechtsstellung der Kommanditisten ab. Die Mitglieder eines solchen Ausschusses sind nicht auf das gemeinsame Gesellschaftsinteresse verpflichtet, der Ausschuss ist dementsprechend kein Gesellschaftsorgan. Die Komplementär-GmbH muss dem Kommanditistenausschuss deshalb nur diejenigen Rechte zugestehen, die durch Gesetz und den Gesellschaftsvertrag auch den einzelnen Kommanditisten zustehen. Verletzt ein Mitglied des Kommanditistenausschusses seine den Kommanditisten gegenüber bestehenden Pflichten, steht der daraus resultierende Schadensersatzanspruch nicht dem einzelnen Kommanditisten, sondern stets allen Kommanditisten gemeinsam zu.2
2.323
VI. Beitritt und Austritt 1. Beitritt als Kommanditist Der Beitritt in eine Personengesellschaft wird regelmäßig durch einen Vertrag des Beitretenden mit den bisherigen Gesellschaftern vollzogen. Die Beteiligung der gesamten bisherigen Gesellschafter ist für die Publikums-KG praktisch nicht durchführbar. Aus diesem Grunde wird im Gesellschaftsvertrag der Publikums-KG häufig die Komplementär-GmbH oder die KG selbst bevollmächtigt, im Namen der Gesellschafter den Vertrag mit dem Beitretenden abzuschließen. Zulässig ist auch eine gesellschaftsvertragliche Ermächtigung der Gesellschaft oder der Komplementärin, den Aufnahmevertrag im eigenen Namen abzuschließen.3
2.324
Der Beitritt zur Publikums-KG ist unter einer aufschiebenden Bedingung möglich. Der Anleger kann sich auf diese Weise das Recht vorbehalten, von einer Beteiligung an der Gesellschaft wieder Abstand zu nehmen, wenn etwa die Finanzierung der Einlage scheitern sollte4 oder die Finanzverwaltung die im Prospekt vorgesehenen Verlustzuweisungen an die Gesellschafter nicht anerkennen will.5 Letzteres kann zu praktischen Schwierigkeiten führen, wenn die Verlustzuweisungen erst auf-
2.325
1 Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 153 Rz. 7. 2 Vgl. BGH v. 21.2.1983 – II ZR 128/82, WM 1983, 555 (557). 3 BGH v. 14.11.1977 – II ZR 95/76, NJW 1978, 1000; BGH v. 1.3.2011 – II ZR 16/10, WM 2011, 792 (793); M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 146; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 57 II 1a); a.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 142. 4 Vgl. hierzu BGH v. 19.11.1984 – II ZR 47/84, WM 1985, 125. 5 Vgl. hierzu BGH v. 22.1.1979 – II ZR 185/78, WM 1979, 612 (613).
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grund von Feststellungen einer Betriebsprüfung und eines eventuell nachfolgenden finanzgerichtlichen Verfahrens nicht anerkannt werden. Deshalb werden sich weder Initiatoren einer Publikums-KG noch Anleger zur Aufnahme solcher Bedingungen in den Aufnahmevertrag bereitfinden. 2.326
Bei der Invest-KG wird der Eintritt eines Kommanditisten erst mit der Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 152 Abs. 4 KAGB). Insofern ist die unbeschränkte Haftung des Kommanditisten für die zwischen seinem Eintritt in die Gesellschaft und seiner Eintragung in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 176 Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für den originären Beitritt als auch bei einem abgeleiteten Erwerb von einem anderen Kommanditisten.1 Die bisher in der Vertragspraxis übliche Vereinbarung des Eintritts aufschiebend bedingt auf die Eintragung in das Handelsregister ist damit obsolet. Vor Eintragung der Gesellschaft können die Anleger/Kommanditisten dem Geschäftsbeginn nicht zustimmen (§ 152 Abs. 5 KAGB). Mithin unterliegen die Kommanditisten einer Invest-KG nicht der Haftung nach § 176 Abs. 1 HGB. Regelmäßig wird die Invest-KG zunächst gegründet und in das Handelsregister eingetragen werden, bevor Anleger als Kommanditisten eingeworben werden; die praktische Reichweite der Regelung dürfte damit begrenzt sein.
2.327
Bisweilen verpflichten sich die Anleger im Beitrittsvertrag über die Kommanditeinlage hinaus noch zur Gewährung eines Darlehens an die Publikums-KG oder zur Übernahme einer stillen Beteiligung (sog. gesplittete Einlage, s. dazu Rz. 10.191). Steuerliche Vorteile für den Anleger ergeben sich hieraus kaum. Allerdings kann über die Zinszahlung dem Anleger eine Mindestrendite gewährleistet werden. Auch haftungsrechtlich ergeben sich aus der gesplitteten Einlage gegenüber der einfachen Kommanditeinlage kaum Vorteile: Nach den Änderungen durch das MoMiG kann der Anleger zwar vor Antrag auf Insolvenzeröffnung seinen Darlehensbetrag zurückfordern. Wird er aber durch die Gesellschaft befriedigt, so ist die Rückzahlung anfechtbar, wenn sie innerhalb eines Jahres vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Wird die Rückzahlung angefochten, so muss der Anleger den Betrag zur Insolvenzmasse zurückzahlen, sein Anspruch wird eine nachrangige Insolvenzforderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Problematisch für die Publikums-KG ist hingegen, ob ein solches Darlehen gem. §§ 32 Abs. 1, 1 Abs. 1 KWG ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft ist.2 Dies ist abhängig davon, wie man die Einschränkungen des Rückzahlungsanspruchs bewertet (s. Rz. 2.329).
2.328
Zu den weiteren Einschränkungen, die sich aus der Qualifikation als Finanzplandarlehen ergeben s. Rz. 10.191 ff.3
2.329
Eine weitere Einschränkung der Rechte aus dem Darlehensvertrag ergibt sich für den Anleger aus seiner Doppelstellung als Darlehensgeber und Kommanditist. Aus seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Kommanditist kann es ihm u.U. verwehrt sein, die Zins- und Tilgungszahlung von der Gesellschaft einzufor1 Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 23. 2 Ausführlich hierzu Fischer, WM 2014, 1709 ff.; BaFin Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand März 2014, www.bafin.de, Merkblätter. 3 Vgl. zu dieser Frage die 19. Aufl. 2005, § 2 Rz. 248 ff.
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dern, wenn deren finanzielle Situation angespannt ist.1 Die Zins- und Tilgungszahlungen sind dem Kommanditisten auf jeden Fall gem. § 177a, 130a Abs. 1 Satz 3 HGB zu verweigern, wenn dadurch die KG zahlungsunfähig würde. Diese Leistungsverweigerungsrechte könnten den Rückzahlungsanspruch als lediglich bedingten Rückzahlungsanspruch qualifizieren, so dass der erlaubnispflichtige Einlagentatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht gegeben wäre. Das die Praxis prägende Merkblatt der BaFin lässt diese Rückzahlungseinschränkungen nicht genügen, die Gesellschaft bedürfte mithin einer Erlaubnis nach dem KWG, um die Darlehen entgegenzunehmen.2 Die BaFin spricht ausdrücklich die Publikums-KG an: „(…) Dagegen werden Gelder, die eine auf den Beitritt einer unbestimmten Vielzahl von Kapitalanlegern ausgerichtete und kapitalistisch strukturierte Kommanditgesellschaft (sog. Publikums-KG) von ihren Gesellschaftern direkt oder indirekt, z.B. über eine Treuhandkommanditistin, als Darlehen annimmt, entsprechend dem tatsächlichen Gehalt der Geldüberlassung in der Regel bankaufsichtsrechtlich als unbedingt rückzahlbare Gelder zu qualifizieren sein. Dies wird insbesondere dann gelten, wenn das der Publikums-KG gewährte Darlehen zu der unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Einlage des Gesellschafters außer Verhältnis steht. Das gleiche gilt auch für solche kapitalistisch strukturierten Gesellschaften in anderer Rechtsform, die darauf ausgerichtet sind, Kapitalgeber als Anlagegesellschafter aufzunehmen.(…).“ Eine gesplittete Einlage dürfte damit für die Publikums-KG im Gegensatz zur sonstigen GmbH & Co. KG faktisch nicht mehr vereinbart werden. Da die Invest-KG ohnehin der Regulierung durch die BaFin unterliegt, ist dort die Durchsetzung der Rechtsansicht der BaFin faktisch umfassend gegeben.
2.330
2. Mittelbare Beteiligung über einen Treuhänder (echte Treuhand) Häufig sind die Anleger in der Publikums-KG nur mittelbar über einen Treuhandkommanditisten an der Gesellschaft beteiligt. Über die Zwischenschaltung eines Treuhandkommanditisten wollen die Initiatoren eine frühzeitige Bündelung der Kommanditisteninteressen in einer Hand erreichen. Dies hat zur Folge, dass nicht der Anleger, sondern allein der Treuhänder Gesellschafter der Publikums-KG wird und die Anleger regelmäßig auch nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen in das Gesellschaftsverhältnis einbezogen werden.3 Steuerrechtlich sind die Anleger Mitunternehmer, sofern ihnen ausreichende Weisungsrechte gegenüber dem Treuhänder zustehen.4 Die Anleger trifft regelmäßig keine Haftung im Außenverhältnis.5
2.331
Im Innenverhältnis können die Anleger (Treugeber) zur Gesellschaft so gestellt werden, als ob sie Kommanditisten seien.6 Eine solche Stellung ist insbesondere
2.332
1 OLG Koblenz v. 5.4.1984 – 6 U 218/83, WM 1984, 1051 (1052). 2 BaFin Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand März 2014, Rz. 5 lit b); www.bafin.de, Merkblätter. 3 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 135/87, WM 1988, 939 (941). 4 Rödder, DB 1988, 195 (200). 5 Für den Treuhänder einer Publikums-GbR BGH v. 11.11.2008 – XI ZR 468/07, BB 2009, 461. 6 BGH v. 13.5.1953 – II ZR 157/52, BGHZ 10, 44 (49 f.); BGH v. 30.3.1987 – II ZR 163/86, NJW 1987, 2677.
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dann anzunehmen, wenn der Gesellschaftsvertrag der Publikums-KG von vornherein eine mittelbare Beteiligung erst noch zu werbender Anleger vorsieht und das Gesellschaftsverhältnis des Treuhänders in der Weise mit dem Treuhandverhältnis verzahnt wird, dass bestimmte Rechte und Pflichten der Anleger schon im Gesellschaftsvertrag geregelt sind und im Treuhandvertrag lediglich wiederholt werden.1 2.333
Sollen die Anleger im Einzelfall dem Treuhänder als Gesellschafter zustehende Rechte nach dem Gesellschaftsvertrag selbst ausüben dürfen, verstößt diese Regelung ausnahmsweise nicht gegen das Abspaltungsverbot, da alle Gesellschafter dem vorab zugestimmt haben.2
2.334
Die treuhänderische Ausübung der Gesellschafterrechte der Anleger durch den Treuhänder vollzieht sich auf der Grundlage eines Auftrags bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§§ 662, 675 BGB). Um die Interessen der Anleger unbefangen und unvoreingenommen wahrnehmen zu können, muss der Treuhänder von der Geschäftsführung der Gesellschaft unabhängig sein.3 Der Treuhänder hat sich einen Überblick über die rechtlichen und finanziellen Grundlagen der Gesellschaft zu verschaffen und ist verpflichtet, im Interesse der Anleger seine Kommanditistenrechte – insbesondere eventuell bestehende Kontroll- oder Überwachungsbefugnisse – wahrzunehmen. Kann oder will er zu den rechtlichen und finanziellen Grundlagen der Gesellschaft keine Aussage treffen, so hat er dies gegenüber den Anlegern offenzulegen. Seine Pflichten gegenüber den Anlegern umfassen auch die vorvertragliche Zeit.4
2.335
So muss der Treuhänder das Anlagemodell darauf untersuchen, ob ihm Anlagegelder vorenthalten und damit seiner Mittelverwendungskontrolle entzogen werden könnten.5 Ist im Prospekt eine „Mittelverwendungskontrolle“ angekündigt, so muss der Treuhänder spätestens nach Anmeldung der KG zum Handelsregister das Verfahren der Mitteleinzahlung und -verwendung daraufhin prüfen, ob Missbrauchsmöglichkeiten bestehen.6 Diese abstrakte Kontrolle hat bereits vor dem Abschluss von Treuhandverträgen mit Anlegern zu geschehen. Entdeckt der Treuhänder solche Missbrauchsmöglichkeiten, muss er auf Abänderung des Anlagemodells hinwirken. Kann er eine Abänderung nicht durchsetzen, muss er aus der KG ausscheiden oder die Werbung mit dem Prospekt verbieten. Anderenfalls haftet er späteren Anlegern.
2.336
Schließlich muss er die Anleger über alle für die Beteiligung wesentlichen Umstände informieren. So muss der Treuhandkommanditist über nicht im Prospekt 1 BGH v. 30.3.1987 – II ZR 163/86, NJW 1987, 2677; OLG Köln v. 13.5.2002 – 16 U 65/01, NZG 2003, 28 (29). 2 BGH v. 30.3.1987 – II ZR 163/86, NJW 1987, 2677; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 III 3c); Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. B Rz. 162. 3 BGH v. 22.1.1979 – II ZR 178/77, BGHZ 73, 294 (298 f.) = GmbHR 1979, 156; BGH v. 17.12. 1979 – II ZR 240/78, WM 1980, 401 (402); Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. B Rz. 156. 4 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 18/01, NZG 2003, 86; BGH v. 13.7.2006 – III ZR 361/04, DStR 2007, 131. 5 BGH v. 24.7.2003 – III ZR 390/02, BB 2003, 1923 (1924). 6 BGH v. 24.7.2003 – III ZR 390/02, BB 2003, 1923 (1924).
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§2
Publikums-KG
ausgewiesene, aber ihm bekannte Vertriebsprovisionen informieren, die an ein Unternehmen fließen, an dem einer der Gesellschafter der Komplementärin maßgeblich beteiligt ist.1 Versäumt er dies, hat er für einen dem Anleger aus diesem Versäumnis entstehenden Schaden einzustehen, es sei denn, er hätte den Anleger individuell darauf hingewiesen, dass eine nähere Prüfung des durch die Gesellschaft erworbenen Objektes durch ihn nicht erfolgt ist.2 Eine formularmäßige Erklärung, das Treugut nicht zu prüfen oder geprüft zu haben, ist allerdings nicht zulässig.3 Der Treuhandvertrag darf keine Rechte und Pflichten des Treuhänders begründen, die dieser aufgrund Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nicht wahrnehmen darf. Mit Wirkung zum 1.7.2008 hat das Rechtsdienstleistungsgesetz das Rechtsberatungsgesetz abgelöst. An der grundlegenden Problematik hat das nichts verändert.4 Ein ausgeschlossene Tätigkeiten umfassender Treuhandvertrag ist nach §§ 2 und 3 RDG i.V.m. § 134 BGB nichtig.5 Die Nichtigkeit umfasst auch die für den Anleger abgegebene Beitrittserklärung umfassen. Seine Rechte und Pflichten an der Gesellschaft müssten nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft abgewickelt werden.6 Die Rückforderung der Treuhandvergütung kann aber als unzulässige Rechtsausübung ausgeschlossen sein, insbesondere für Treuhandverträge, die vor dem Jahr der Rechtsprechungsänderung (2000) abgeschlossen wurden.7
2.337
Der Treuhandvertrag kann, sofern er für die Vielzahl der Anleger vorformuliert ist, nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen gem. §§ 305 ff. BGB überprüft werden.8
2.338
Eine grobe Pflichtverletzung berechtigt den Anleger, das Treuhandverhältnis als Dauerschuldverhältnis fristlos zu kündigen.9 Eine grobe Pflichtverletzung ist z.B. die Weiterleitung der Einlage durch den Treuhänder an die Gesellschaft, ohne dass er die Mittelfreigabevoraussetzungen überprüft hat.10 Im Fall der Kündigung muss entweder ein neuer Treuhänder bestimmt werden oder die Gesellschaftsbeteiligung unmittelbar vom Treugeber (Anleger) übernommen werden.11 Bestehen diese Möglichkeiten nach dem Gesellschaftsvertrag oder dem Treuhandvertrag nicht, so kann der Anleger sich insgesamt von seiner Beteiligung lösen.12
2.339
Das KAGB hat diese bisherige Vertragswirklichkeit eines Treuhandkommanditisten für die Invest-KG aufgegriffen und in § 152 Abs. 1 KAGB ausdrücklich geregelt.
2.340
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
BGH v. 29.5.2008 – III ZR 59/07, BB 2008, 1529. BGH v. 24.5.1982 – II ZR 124/81, NJW 1982, 2493. BGH v. 13.7.2006 – III ZR 361/04, DStR 2007, 131. Vgl. Rehberg, BB 2011, 453 ff. Vgl. zum RBerG BGH v. 18.3.2003 – XI ZR 188/02, NJW 2003, 2088; BGH v. 26.3.2003 – IV ZR 222/02, BB 2003, 1035. Vgl. zum RBerG BGH v. 16.12.2002 – II ZR 109/01, BB 2003, 217 (219). Vgl. zum RBerG BGH v. 1.2.2007 – III ZR 281/05, DB 2007, 513 (514). BGH v. 13.7.2006 – III ZR 361/04, DStR 2007, 131; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 125; a.A. (für Kontrolle nach § 242 BGB) Roth in Baumbach/ Hopt, Anh § 177a HGB Rz. 80. BGH v. 22.1.1979 – II ZR 178/77, BGHZ 73, 294 (299). BGH v. 10.6.1991 – II ZR 247/90, NJW 1991, 2906 (2907). Vgl. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 111. BGH v. 22.1.1979 – II ZR 178/77, BGHZ 73, 294 (300).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Die Regelung hebt die Trennung für das Innenverhältnis zwischen Anleger, Treuhandkommanditisten und Gesellschaft auf. Der mittelbar beteiligte Anleger gilt im Verhältnis zur Gesellschaft und zu den übrigen Gesellschaftern als Kommanditist. Einkommensteuerlich sollte damit seine Mitunternehmerstellung abgesichert sein. Allerdings trifft den Anleger nicht die Außenhaftung gem. §§ 128, 171 ff. HGB. Übertragung und Belastung des mittelbaren Kommanditanteils können abweichend geregelt werden wie die eines unmittelbaren Kommanditanteils. Nach § 80 Abs. 3 KAGB kann ein Treuhandkommanditist als Verwahrstelle (vormals Depotbank) die dieser obliegenden Aufgaben wahrnehmen.1
3. Fehlerhafter Beitritt, Kündigung des Gesellschafters 2.341
Wurde ein Anleger durch eine arglistige Täuschung zum Beitritt in die Publikums-KG bewogen, kann er seine Beitrittserklärung zwar nicht durch Anfechtung rückwirkend rückgängig machen. Ihm steht jedoch das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund zu; er kann auf diese Weise seine Stellung als Kommanditist mit Wirkung für die Zukunft beenden. Mit Zugang der Kündigungserklärung scheidet der Anleger gem. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB aus der Gesellschaft aus. Eine eventuelle gesellschaftsvertragliche Kündigungsfrist muss er nicht gem. § 131 Abs. 3 Satz 2 HGB abwarten. Ein rückwirkendes Ausscheiden ist nicht möglich, auch nicht, wenn die Beitrittserklärung von Anfang an gem. § 134 BGB nichtig war.2 Ist die Komplementär-GmbH berechtigt, Beitrittserklärungen neuer Anleger anzunehmen, kann die außerordentliche Kündigung auch ihr gegenüber erklärt werden.3
2.342
Da die Anleger oft über Außendienstmitarbeiter oder gesonderte mobile Vertriebsorganisationen geworben werden, kann der Beitritt den Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes bzw. nunmehr der §§ 312b, 355 ff. BGB unterliegen.4 Zwar hat der Vertrag über einen Gesellschaftsbeitritt grundsätzlich keine entgeltliche Leistung zum Gegenstand, wenn der Zweck des Beitritts aber vorrangig in der Anlage von Kapital besteht und nicht darin, Mitglied der Gesellschaft zu werden, ist der Beitrittsvertrag einer entgeltlichen Leistung zumindest gleichzusetzen.5 Die Rechtsfolge ist ein Rückgewähranspruch nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft,6 im Ergebnis damit ein Anspruch auf die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens zum Stichtag des Wirksamwerdens der Widerrufserklärung. Wurde zusammen mit dem Beitritt ein Darlehensvertrag zur Finanzie1 S. BaFin-Merkblatt: Treuhänder als Verwahrstelle nach § 80 Abs. 3 KAGB-E v. 18.7.2013, Gz. WA 41-Wp 2137–2013/0080. 2 BGH v. 16.12.2002 – II ZR 109/01, BB 2003, 217 (219); m.w.N. M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 148. 3 BGH v. 27.2.1975 – II ZR 77/73, WM 1975, 536 (537); BGH v. 9.2.1976 – II ZR 65/75, WM 1976, 447. 4 Die Empfehlung durch einen Steuerberater ist ggf. ein Haustürgeschäft, welches aber nicht der kreditgewährenden Bank zuzurechnen ist, BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 348/07, WM 2008, 1593 (1595 f.); Vorinstanz OLG Bamberg v. 31.5.2007 – 1 U 171/06, DB 2007, 2253 (2254). 5 BGH v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, ZIP 2004, 2319 (2320); ähnlich EuGH v. 15.4.2010 – Rs. C-215/08, NZG 2010, 501, Leitsatz 1. 6 Vgl. EuGH v. 15.4.2010 – Rs. C-215/08, NZG 2010, 501, Leitsatz 2; BGH v. 12.7.2010 – II ZR 292/06, NZG 2010, 990.
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Publikums-KG
rung des (treuhänderisch gehaltenen) Gesellschaftsanteils geschlossen, wird es sich regelmäßig um ein verbundenes Geschäft i.S. des § 358 BGB handeln. Ist der Darlehensbetrag vor Wirksamwerden des Widerrufs abredegemäß dem Treuhänder oder direkt der Publikums-KG ausgezahlt worden, hat der Anleger in entsprechender Anwendung des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB seinen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an das Kreditinstitut abzutreten, um im Gegenzug von seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen frei zu werden bzw. bereits geleistete Zahlungen zurückzuerhalten. Der Anleger muss sich seine realisierten Gewinnanteile und Steuervorteile anspruchsmindernd anrechnen lassen, da er sonst nach Rückabwicklung einer kreditfinanzierten Gesellschaftsbeteiligung besser stehen würde, als er ohne die Gesellschaftsbeteiligung stünde.1 Ist der getäuschte Anleger nur mittelbar über einen Treuhänder an der Publikums-KG beteiligt, so muss die Rückabwicklung des Beitrittes in zwei Schritten geschehen. Zunächst kündigt der getäuschte Anleger das Treuhandverhältnis gegenüber dem Treuhänder. Danach kann der Treuhänder die für den Fall des Austritts eines Anlegers gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Konsequenzen ergreifen; so kann er bspw. für die treuhänderisch gehaltene Beteiligung das außerordentliche Kündigungsrecht gegenüber der Gesellschaft ausüben.2 Der Gesellschaftsvertrag kann für die Kündigung oder den Austritt eines Anlegers dem Treuhandkommanditisten das Recht gewähren, seine Kommanditeinlage in Höhe der Beteiligung des Anlegers herabzusetzen.
2.343
Wenn die Täuschung gegenüber allen Kommanditisten vorliegt, so dass jeder Kommanditist eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund mit der Folge des Ausscheidens aus der Gesellschaft aussprechen könnte, ist es geboten, entgegen § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB den Kommanditisten kein Kündigungsrecht zuzugestehen, da in dieser Situation die zuletzt kündigenden Kommanditisten das Insolvenzrisiko der Gesellschaft tragen würden. In dieser Konstellation erscheint es angemessen, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB einschränkend auszulegen und gemäß der früheren Rechtsprechung allein eine Auflösungsklage zuzulassen.3 Befindet sich die Gesellschaft bereits in der Abwicklung, soll das Kündigungsrecht ebenfalls entfallen.4
2.344
Im Regelfall wird der getäuschte Anleger jedoch erst in der Insolvenz der Gesellschaft von der arglistigen Täuschung erfahren. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Gesellschaft vor der Kündigung gem. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB aufgelöst. Es kann dahinstehen, ob der Kommanditist in diesem Falle gemäß früherer Ansicht5 sein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund verliert. Denn durch die Kündigung wird der Anspruch des Kommanditisten auf Rückgewähr seiner Einlage nicht zu einer Masseforderung. Vielmehr ist der Kommanditist auf den Teil des Auseinandersetzungsguthabens nach Durchführung des Insol-
2.345
1 BGH v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06, DStR 2007, 2075 (2077). 2 BGH v. 22.1.1979 – II ZR 178/77, BGHZ 73, 294 (301); Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 141. 3 Vgl. BGH v. 28.11.1977 – II ZR 235/75, BGHZ 70, 61 (66 f.). 4 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 148. 5 BGH v. 11.12.1978 – II ZR 41/78, WM 1979, 160 (161).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
venzverfahrens zu verweisen. Dies wird in den meisten Fällen dazu führen, dass der Kommanditist seine Einlage vollständig verliert. 2.346
Die Invest-KG hat mit § 305 Abs. 7 KAGB eine spezialgesetzliche Regelung für Widerrufsrechte. Allerdings wird für geschlossene Investmentvermögen auf die Regelungen des BGB verwiesen. Die Anwendung der verbraucherschützenden Vorschriften des BGB auf einen fehlerhaften Beitritt zu einer Invest-KG ist möglich und bewirkt, dass auf den Beitritt die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung finden mit der Folge eines Kündigungsrechts mit Wirkung für die Zukunft, auch wenn § 305 Abs. 7 KAGB die Rechtsfolgenseite nicht eindeutig bestimmt.1 Sowohl der EuGH als auch der BGH haben in ihren Urteilsgründen betont, dass die verbraucherschützenden Vorschriften (damals HaustürWG) angewendet werden können, weil gerade eine Kapitalanlage beabsichtigt war und keine echte Gesellschaftsbeteiligung. Invest-KG, also geschlossene Publikums-Investmentkommanditgesellschaften (s. Rz. 2.283 f.), bilden genau eine solche Kapitalanlage ab. Gleichzeitig bewirkt das KAGB gerade eine Regulierung des ehemals Grauen Kapitalmarkts und hat eine bedeutende präventive Wirkung. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein Rückgriff auf allgemeine verbraucherschützende Vorschriften zukünftig in Bezug auf Invest-KG nicht mehr so häufig nötig sein wird, da sich der Vertrieb von geschlossenen Fonds insbesondere wegen der detaillierten Vorschriften zum Vertrieb verändert (§ 295 KAGB).
4. Abwicklung der Beteiligung bei Austritt 2.347
Ist der Anleger aus der Gesellschaft ausgeschieden, muss zur Ermittlung seines etwaigen Abfindungsanspruches eine Abschichtungsbilanz aufgestellt werden, in die alle Vermögensgegenstände und Schulden der Gesellschaft mit dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Ausscheidens einzustellen sind.2 Eine Regelung über die Ermittlung des Abfindungsanspruches sollte in jedem Fall in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Die nach diesen Regeln aufgestellte Abschichtungsbilanz weist dem Anleger einen Kapitalanteil zu, der entweder positiv oder negativ sein kann. Der Kapitalanteil wird mit der vertraglichen Pflichteinlage3 des Anlegers verrechnet, woraus sich dessen Abfindungsanspruch ergibt. Die Verrechnung erfolgt regelmäßig nach folgendem Prinzip: – Ergibt sich ein positiver Kapitalanteil, sind dem Kommanditisten seine geleistete Kommandit(Pflicht-)einlage und sein Gewinnanteil vorbehaltlich besonderer Abfindungs- und Auseinandersetzungsregelungen im Gesellschaftsvertrag zu leisten. Ein positiver Kapitalanteil ergibt sich, wenn auf den Kommanditisten über seine Einlage hinausgehende Vermögenswerte entfallen. Sollte bei einem positiven Kapitalanteil die Kommandit(Pflicht-)einlage noch nicht geleistet worden sein, kann der ausgeschiedene Kommanditist sie grundsätzlich verweigern.4 – Ergibt sich hingegen ein negativer Kapitalanteil, ist der Kommanditist (bzw. an seiner Stelle der Treuhänder) nicht zu einem Ausgleich verpflichtet, wenn er 1 2 3 4
Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 305 Rz. 48. BGH v. 17.11.1980 – II ZR 242/79, WM 1981, 452. Begrifflichkeit vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 161 HGB Rz. 4; Gehling, BB 2011, 73 (74). BGH v. 19.12.1977 – II ZR 179/77, WM 1978, 299 (300).
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Publikums-KG
seine Pflichteinlage bereits vollständig geleistet hatte (§ 167 Abs. 3 HGB). Ist sein Kapitalanteil negativ, ohne dass der Kommanditist seine Einlage vollständig geleistet hatte, ist er zum Ausgleich des negativen Kapitalanteils verpflichtet, allerdings nur bis zu der Höhe seiner rückständigen Pflichteinlage (§ 167 Abs. 3 HGB). Umstritten ist, ob Gleiches gilt, wenn der Kommanditist zunächst seine Pflichteinlage voll geleistet hat und anschließend ihm ein Teil seiner Pflichteinlage zurückgezahlt wurde und der Gesellschaftsvertrag zwar die Auszahlung regelt, aber zu einer eventuellen Rückzahlung an die Gesellschaft schweigt (sog. Gewinnunabhängige Auszahlungen, Liquiditätsüberschussauszahlungen). Teilweise wird eine Rückzahlungsverpflichtung aus ungerechtfertigter Bereicherung angenommen, teilweise werden die GmbH-Regelungen über Vorabausschüttungen vorgeschlagen.1 Nicht selten wird in wirtschaftlich schwachen Jahren der Publikums-KG aus Liquiditätsüberschüssen ausgezahlt, um zumindest liquiditätsmäßig eine prospektgerechte Ausschüttung vorzunehmen. Der BGH bejaht eine Rückzahlungspflicht der geminderten Pflichteinlage nur dann, wenn eine entsprechende (gesellschafts-)vertragliche Abrede vorliegt.2 Es gebe keine Pflicht zu Nachschüssen, und Auszahlungen seien nicht ohne weiteres als Darlehen zu werten.3 Diese Rechtsprechung ist nicht unproblematisch, da sie im Krisenfall mit den Grundsätzen des Sanierens oder Ausscheidens kollidieren kann und im Falle der Beendigung einer Gesellschaft mit Verlust diejenigen Kommanditisten benachteiligt, die ihre Pflichteinlage nicht zurückgezahlt erhalten haben. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies, dass es sowohl einer Regelung bedarf, ob und wie Liquiditätsüberschüsse gewinnunabhängig ausgezahlt werden dürfen, als auch einer Regelung, ob und wann eine deswegen geminderte Pflichteinlage wieder aufzufüllen ist. Besteht eine gesellschaftsvertragliche Regelung, nach der gewinnunabhängige Auszahlungen, die die Pflichteinlage gemindert haben, an die Gesellschaft zurückzuzahlen sind, so kann dies maximal bis zum Betrag der Pflichteinlage gelten. Entspricht die Pflichteinlage der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme, so lebt die Außenhaftung des Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern wieder auf, wenn die Pflichteinlage/Haftsumme durch gewinnunabhängige Auszahlungen an ihn gemindert wurde (§ 172 Abs. 4 HGB).4 Eine vertragliche Regelung braucht es hierzu nicht, da die Außenhaftungsregelung nicht dispositiv ist. Zwar schützt die Regelung des § 172 Abs. 5 HGB den Kommanditisten, der Auszahlungen in gutem Glauben als Gewinn bezieht. Sein Behaltensrecht setzt aber eine falsche Bilanz voraus, die er als solche nicht erkennen konnte; er ist nicht bereits dahingehend geschützt, dass er mangels Bilanzkenntnis die Auszahlung gutgläubig als Gewinn entgegengenommen hat, wenn die Auszahlung in der Bilanz aber nicht als Gewinnauszahlung gekennzeichnet ist.5
1 2 3 4 5
Streitstand bei Priester DStR 2013, 1786 (1788) Rz. 3.1. BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, DStR 2013, 1295 (1297). BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, DStR 2013, 1295 (1299). BGH v. 5.5.2008 – II ZR 105/07, ZIP 2008, 1175. BGH v. 20.4.2009 – II ZR 88/08, ZIP 2009, 1222 (1223).
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2.349
Bei der Invest-KG darf die Einlage nur zurückgezahlt oder herabgemindert werden, wenn der betroffene Kommanditist zustimmt (§ 152 Abs. 2 KAGB). Bei Beteiligung über einen Treuhänder muss neben diesem auch der Anleger zustimmen (§ 152 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 KAGB). Die Regelung soll den Anleger davor schützen, dass eine ohne entsprechenden Hinweis ihm gegenüber erfolgende Zahlung an ihn, die Außenhaftung aufleben lässt. Ist die Pflichteinlage höher als die Haftsumme, kommt es nicht unbedingt zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung. Gleichwohl soll die Hinweispflicht gegenüber dem Anleger auch dann gelten. Genau wie ein über einen Treuhandkommanditisten beteiligter Anleger soll er darauf hingewiesen werden, dass ihm der ausgezahlte Betrag unter Umständen nicht endgültig verbleiben kann.1 Stimmt der Anleger der Auszahlung sodann zu, besteht keine Notwendigkeit, ihn vor einer Rückzahlungsverpflichtung zu schützen. Die Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen einer Rückzahlungspflicht von gewinnunabhängigen Auszahlungen, die die Pflichteinlage herabgemindert haben (s. Rz. 2.347), ist nicht entsprechend anwendbar. Nach § 152 Abs. 6 Satz 1 KAGB sind aus einer Invest-KG ausscheidende Kommanditisten von einer Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen.
2.350
Der Ausgleichsverpflichtung kann der Kommanditist sich nicht ohne weiteres durch Berufung auf eine Täuschung im Rahmen seiner Beitrittsverhandlungen entziehen. Zwar würden die Mitgesellschafter grundsätzlich für durch sie bei den Beitrittsverhandlungen gemachte unrichtige Angaben nach den Regeln der culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB) haften. Diese Haftung würde sich gem. § 278 BGB auch auf Personen erstrecken, die die Mitgesellschafter beim Vertragsschluss als ihre Erfüllungsgehilfen einsetzen. Jedoch liegen die Angaben bei den Beitrittsverhandlungen regelmäßig außerhalb des Einflussund Verantwortungsbereichs der Mitgesellschafter (Anleger) in Publikumsgesellschaften, so dass sie im Ergebnis nicht für falsche Angaben im Rahmen der Beitrittsverhandlungen haftbar gemacht werden können.2
2.351
Ist der Anleger ausschließlich in Verbindung mit einem Treuhandkommanditisten getreten, so haftet nur dieser für falsche Angaben im Rahmen des Beitritts durch Abschluss des Treuhandvertrages.3
VII. Prospekthaftung 1. Allgemeines 2.352
Der Anleger hat i.d.R. keine eigenen Informationsmöglichkeiten über die geplanten Tätigkeiten der Gesellschaft. Er ist darauf angewiesen, sich anhand eines Prospekts über das Projekt zu unterrichten oder auf die Angaben von Anlagevermittlern zu vertrauen. Die Haftungsgrundlagen unterscheiden sich. Die frühere zivilrechtliche von der Rechtsprechung entwickelte Prospekthaftung unterschied 1 Ebenso Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 152 Rz. 19. 2 Vgl. BGH v. 14.12.1972 – II ZR 82/70, NJW 1973, 1604 (1605); OLG Stuttgart v. 8.1.2001 – 6 U 57/00, WM 2001, 1667 (1673) m.w.N. 3 OLG Hamburg v. 30.12.1999 – 11 U 201/99, NZG 2000, 658; BGH v. 8.10.2009 – III ZR 207/07, ZIP 2010, 288.
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Publikums-KG
zwischen der Prospekthaftung im engeren und der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Nach dem Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28.10.2004 bestand seit dem 1.7.2005 eine Prospektpflicht. In §§ 13, 13a VerkaufsprospektG wurde ein spezialgesetzlicher Prospekthaftungstatbestand geschaffen. Seit dem 1.6.2012 regelt das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) die Prospektpflicht (§§ 6 ff. VermAnlG) und die Prospekthaftung (§§ 20 und 21 VermAnlG). Bei der Invest-KG sind Prospektpflicht und Prospekthaftung im KAGB geregelt; § 268 KAGB betrifft die Prospektpflicht; § 306 KAGB beinhaltet die Prospekthaftung.
2.353
Hieraus ergibt sich ein nebeneinander geltendes und ein sich verdrängendes Normengefüge. Die Regelungen des KAGB gehen als Spezialgesetz den Regelungen des VermAnlG vor. Sowohl die Regelungen des KAGB als auch des VermAnlG verdrängen die Regelungen der zivilrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne.1 Die Prospekthaftung im engeren Sinne richtete sich gegen diejenigen, die einen Prospekt erstellen und dergestalt verwandten, dass sie ein typisiertes Vertrauen in Anspruch nahmen.2 Die durch die Rechtsprechung entwickelte Prospekthaftung im weiteren Sinne richtet sich gegen Vermittler oder Vertreter, die eigenes persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und sich bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufklärungspflichten bei Abschluss eines Prospekts bedienen und sich damit dessen Informationen zu Eigen machen.3 Da eigenes Vertrauen in Anspruch genommen wird, also ein Vertrauen, welches über die Vorlage des Prospekts hinausgeht, bleibt es bei der bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 und 311 Abs. 3 BGB, falls dieses Vertrauen enttäuscht wird. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne kann also neben die spezialgesetzlichen Haftungstatbestände treten.
2.354
2. Spezialgesetzliche Prospekthaftung aus §§ 20, 21 VermAnlG Gem. § 6 VermAnlG besteht eine Prospektpflicht für im Inland öffentlich angebotene, nicht in Wertpapieren verbriefte Vermögensanlagen, also gem. § 1 VermAnlG Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), oder Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds. Letztere dürfen keine Invest-KG sein, weil die Prospektvorschriften des KAGB für solche spezieller sind.
2.355
Kleinvermögensanlagen mit einem Gesamtvolumen der angebotenen Anteile von unter 100 000 Euro in 12 Monaten und Publikumsgesellschaften, von denen weniger als 20 Anteile angeboten werden oder deren Mindestzeichnung pro angebotenem Anteil und Anleger 200 000 Euro oder mehr beträgt, sind von der Prospektpflicht ausgenommen. Der Verkaufsprospekt muss alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um Anlegern eine zutreffende Beurteilung des Emittenten der 1 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 152; Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 306 Rz. 54. 2 Vgl. hierzu die 19. Aufl. 2005, § 2 Rz. 269 bis 278. 3 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 153.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Vermögensanlagen und der Vermögensanlagen selbst zu ermöglichen. Bestehen die Vermögensanlagen aus Anteilen an einem Treuhandvermögen und besteht dieses ganz oder teilweise aus einem Anteil an einer Gesellschaft, so muss der Verkaufsprospekt auch die entsprechenden Angaben zu dieser Gesellschaft enthalten (§ 7 VermAnlG). Der Prospekt muss bei der BaFin hinterlegt werden (§ 14 VermAnlG) und darf erst veröffentlicht werden, wenn die BaFin die Veröffentlichung gebilligt hat (§ 8 VermAnlG). Daneben kann eine Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer nach dem Standard IDW S 4 vorab erfolgen.1 Die BaFin muss eine Entscheidung über die Billigung der Veröffentlichung innerhalb von 20 Werktagen mitteilen. Wenn sie Unterlagen nachfordert, weil Informationen unvollständig sind, soll sie dies bereits nach 10 Tagen mitteilen. Prüfungsmaßstab der BaFin ist die Vollständigkeit des Verkaufsprospekts einschließlich der Kohärenz und Verständlichkeit seines Inhalts. 2.357
Daneben ist ein Vermögensanlagen-Informationsblatt von nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten zu erstellen und zur Billigung einzureichen und mit zu hinterlegen (§ 13 VermAnlG). Es muss die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlagen in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise enthalten. Es besteht eine Aktualisierungspflicht während der Dauer des öffentlichen Angebots.
2.358
Anspruchsinhaber ist der Erwerber der Gesellschaftsanteile, und zwar entweder unmittelbar oder mittelbar über einen Treuhänder. Er muss seine Beteiligung nach Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und während der Dauer des öffentlichen Angebots spätestens jedoch innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot der Vermögensanlagen im Inland erworben haben. Liegt gar kein von der BaFin gebilligter Prospekt vor, muss der Erwerb innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot erfolgt sein. Anspruchsinhaber können damit auch Zweit- und Dritterwerber sein, die innerhalb der vorgenannten Fristen die Gesellschaftsbeteiligung erworben haben. Wegen des praktisch weiterhin nicht existierenden Zweitmarkts für Beteiligungen an Publikumsgesellschaften hat diese Anspruchserweiterung geringe Bedeutung.
2.359
Anspruchsverpflichtet sind gesamtschuldnerisch die Personen, die für den Verkaufsprospekt die Verantwortung übernommen haben, und diejenigen, von denen der Erlass des Verkaufsprospekts ausgeht. Den Prospekt erlässt, wer nach außen erkennbar die Verantwortung für ihn übernimmt, also insbesondere als Anbieter auftritt.2 Ferner sind die Personen anspruchsverpflichtet, von denen der Prospekt ausgeht, d.h. die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind. Im Fokus stehen damit weiter die Initiatoren der Publikums-KG, mit deren Wissen und Wollen und auf deren Initiative ein Prospekt in Verkehr gebracht wird. Dies ist kapitalmarktrechtlich zu bewerten, so dass die Gründungsgesellschafter nicht unbedingt umfasst sind.
2.360
Personen mit besonderem Sachverstand, wie z.B. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, werden entgegen der früheren Rechtsprechung zur Prospekthaftung im en1 Vgl. Küting, DStR 2006, 1007; der Standard wurde mit Stand 6.12.2013 IDW ES 4 überarbeitet und ist als Entwurf auf der Website des IDW www.idw.de zum Download verfügbar. 2 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2014, § 5 Prospekthaftung Rz. 256, 257.
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Publikums-KG
geren Sinne nicht in den Kreis der Anspruchsverpflichteten einbezogen.1 Geben sie beispielsweise Gutachten ab, die unter namentlicher Nennung im Prospekt verwandt werden, so übernehmen sie dennoch nicht die Gesamtverantwortung für den Prospekt. Ebenso wenig geht von diesen Personen der Erlass des Prospekts aus.2 Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Problematik auf eine ausdrückliche Kodifizierung einer Haftung von Personen mit besonderem Sachverstand (Expertenhaftung) verzichtet.3 Eine Haftung der Person mit besonderem Sachverstand kann sich auch nicht aus der Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – der Anleger – ergeben.4 Die Begründung der Rechtsprechung für eine ergänzende Anwendung in der Zeit vor Geltung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes waren die unterschiedlichen Zielrichtungen der Prospekthaftung und des Rechtsinstituts des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter,5 wohl vor allem aber motiviert durch die unterschiedlichen Verjährungsregeln. Letzteres Argument hat seine Bedeutung verloren. Grundlegende Voraussetzung für die Haftung bei fehlerhaftem Prospekt ist danach, dass die für die Beurteilung der Vermögensanlage oder des Emittenten wesentlichen Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Als wesentliche Angaben sind diejenigen anzusehen, die für die Anlageentscheidung eines verständigen, durchschnittlichen Prospektlesers erheblich sind.6 Entscheidend für die Beurteilung ist somit das zu Grunde gelegte Normbild des Empfängers und wieviel geschäftliche Erfahrung hier unterstellt werden kann. Unrichtig ist eine Angabe, wenn sie nicht der Wahrheit entspricht. Da auch Wertungen und Prognoseentscheidungen Bestandteil des Prospekts sein müssen, ist nicht auf den Zeitpunkt des Prozesses, sondern auf den Zeitpunkt ex ante also der Prospektveröffentlichung, abzustellen.
2.361
Zwischen der Unrichtigkeit oder dem sonstigen Prospektfehler und der Beteiligung des Anlegers an der Publikums-KG muss eine haftungsbegründende Kausalität bestehen. Gemäß § 20 Abs. 4 Nr. 1 VermAnlG findet eine Beweislastumkehr hierfür insofern statt, dass der Anspruchsverpflichtete nachweisen muss, dass die Beteiligung nicht aufgrund des Verkaufsprospekts erworben wurde.
2.362
Wird bereits kein durch die BaFin gebilligter Prospekt veröffentlicht, ergibt sich ein entsprechender Haftungsanspruch aus § 21 VermAnlG. Ein anderes Dokument kann nicht als Prospekt angesehen werden, da ausdrücklich auf einen fehlenden Prospekt i.S. des § 6 VermAnlG verwiesen wird (formaler Prospektbegriff). Auf ein Verschulden des Anspruchsverpflichteten kommt es nicht an. Der Anspruch kann nur abgewehrt werden, wenn der Anspruchsverpflichtete nachweisen kann, dass der Anleger die Pflicht, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte. Eine Vereinbarung, durch die ein Haftungsanspruch wegen fehlendem Prospekt im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam.
2.363
1 2 3 4 5 6
M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 165 m.w.N. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 193. M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 165 m.w.N. Dagegen Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 193. BGH v. 8.6.2004 – X ZR 283/02, NJW 2004, 3420 (3421). M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 158 m.w.N.
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2.364
Die Unvollständigkeit des Prospekts stellt einen Unterfall der Unrichtigkeit dar, da für die Beurteilung der Vermögensanlage alle wesentlichen Angaben gemacht werden müssen. Unrichtig sind Tatsachenangaben, wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen. Werturteile und Prognosen sind unrichtig, wenn sie zum Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots der Vermögensanlage nicht durch Tatsachen gedeckt oder nicht kaufmännisch vertretbar sind.
2.365
Gem. §§ 11 und 13 VermAnlG besteht eine Aktualisierungspflicht der Angaben im Prospekt und Vermögensanlagen-Informationsblatt während der Dauer des öffentlichen Angebots. Nach § 7 Abs. 3 VermAnlG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über den Inhalt eines Verkaufsprospekts zu erlassen. Die bisherige Verordnung (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung – VermVerkProspV v. 16.12.2004) bot einen Vollständigkeitsmaßstab.
2.366
Gem. § 20 Abs. 3 VermAnlG scheidet aber eine Prospekthaftung des Anspruchsverpflichteten aus, wenn er nachweisen kann, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts nicht kannte und seine Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Er trägt die Darlegungslast für ein fehlendes Verschulden.
2.367
Als Rechtsfolge des bisherigen Prospekthaftungsanspruchs im engeren Sinne war der Vertrauensschaden des Anlegers zu ersetzen.1 Nunmehr kann gem. §§ 20, 21 VermAnlG der Anleger allein die Übernahme der Beteiligung durch den Anspruchsverpflichteten zum ersten Erwerbspreis zuzüglich der üblichen Kosten verlangen oder, wenn er die Beteiligung weiterveräußert haben sollte, die Differenz zu seinem geringeren Veräußerungspreis. Ausgangsgröße für die Schadensberechnung ist somit der Betrag, den der Anleger aufgewandt hat, um die Kommanditbeteiligung zu erwerben. Darüber hinausgehende Schadensposten sind damit nicht möglich. Denn da es sich nicht um einen allgemeinen Schadensersatzanspruch handelt, kann der Anleger keinen entgangenen Gewinn bei anderweitiger Anlage geltend machen, aber er muss sich auch nicht seine Vorteile, die mit der Beteiligung in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, anrechnen lassen (z.B. Steuervorteile).
2.368
Problematisch ist allerdings die Durchführung. Ist Anspruchsverpflichteter kein Gesellschafter der Publikums-KG, müssen die übrigen Gesellschafter der Übertragung auf einen neuen Gesellschafter zustimmen. Dies könnte noch durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung aufgefangen werden. Ist Anspruchsverpflichteter aber die Publikums-KG selbst, müsste diese gleichsam einen eigenen Anteil übernehmen, was im Personengesellschaftsrecht als Gesamthandsgemeinschaft nicht vorgesehen ist. Deshalb ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Übertragung auf die Gesellschaft als Austrittskündigung zu werten.2 Allerdings kann die Gegenleistung der Gesellschaft nicht im Abfindungsguthaben (s. Rz. 2.347 ff.) bestehen, sondern hat sich wegen der Regelung des VermAnlG am Erwerbspreis zu orientieren. Der Kommanditanteil des austretenden Gesellschafters geht unter und wächst den übrigen Gesellschaftern an. Des Weiteren ist wegen der schadensersatzrechtlichen Vorgaben eine nachfolgende Gesellschafterhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 1 BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, NJW 1992, 228 (230). 2 Ebenso mit Streitstanddarstellung M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 168.
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HGB ausgeschlossen.1 Problematisch ist dies aus Gläubigerschutzgesichtspunkten und unter dem Aspekt der Gesellschaftergleichbehandlung, da potentiell alle Kommanditisten von einem Prospekthaftungstatbestand betroffen sein können. Der Ausschluss der Kommanditistenhaftung gem. §§ 171, 172 HGB benachteiligt Gläubiger, die auf Handelsregistereintragungen oder veröffentlichte Bilanzen vertraut haben. Dadurch, dass die Gesellschaft dem Austretenden den Erwerbspreis zu erstatten hat, werden die Gesellschafter benachteiligt, die später ihre Ansprüche geltend machen, denn das Gesellschaftsvermögen wird vermutlich überproportional gemindert. Ein „Windhundrennen“ bezüglich des Prospekthaftungsanspruchs wird befördert. Denn Prospekthaftungsansprüche werden wirtschaftlich nur dann geltend gemacht werden, wenn der Erwerbspreis über dem aktuellen Abfindungsguthaben liegt oder die Publikums-KG erkennbar wirtschaftliche Schwierigkeiten hat. Ein zufriedenstellender Ausgleich zwischen Gesellschaftsrecht und Anlegerschutz ist bislang noch nicht entwickelt worden. De lege ferenda könnte vorgesehen werden, dass für den Fall, dass sich der Anspruch gegen die Gesellschaft selbst richtet, anstelle einer Austrittskündigung allein die Auflösungsklage zur Anspruchsdurchsetzung zugelassen wird. Der Anspruch verjährt nach drei Jahren nach dem Schluss des Jahres der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Fehlers des Prospekts, spätestens nach zehn Jahren seit Veröffentlichung des Prospekts. Bei fehlendem Prospekt unterliegt der Anspruch ebenfalls der Regelverjährung gem. §§ 195 ff. BGB. Weder das VermAnlG noch das KAGB enthalten spezialgesetzliche Verjährungsregelungen.2
2.369
3. Prospekthaftung wegen Enttäuschung persönlichen Vertrauens (Prospekthaftung im weiteren Sinne) Das VermAnlG und das KAGB haben die Prospekthaftung im engeren Sinne ersetzt.3 Wegen der früheren kurzen Verjährungsfrist der Prospekthaftung im engeren Sinne wendete die Rechtsprechung die Anspruchsgrundlage der culpa in contrahendo (c.i.c.) gegen Personen an, die ihrer Verpflichtung zur Aufklärung der Anleger dadurch nicht nachgekommen sind, dass sie sich den fehlerhaften Prospekt zu eigen gemacht haben (Prospekthaftung im weiteren Sinne). Während die Anspruchsverpflichteten der Prospekthaftung im engeren Sinne für den eigenen fehlerhaften Prospekt haften, hafteten die Anspruchsverpflichteten bei der Prospekthaftung im weiteren Sinne für die schuldhafte Verwendung eines fremden fehlerhaften Prospekts. Die weiter bestehende Prospekthaftung im weiteren Sinne richtet sich somit gegen Personen, die persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und sich der Informationen eines fehlerhaften Prospekts schuldhaft bedienen, z.B. Anlagevermittler, Anlageberater oder Kreditinstitute. Generell können Prospekte nicht völlig unkritisch verwandt werden. Inwieweit eine Plausibilitätskontrolle bei Prospekten nach dem KAGB überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Die Pro-
1 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 168 m.w.N. 2 S. hierzu Horbach in MünchHdb. GesR, Bd. II, 4. Aufl. 2014, § 69 Rz. 142 – 144; Suchomel, NJW 2013, 1126 (1128, 1129). 3 M. Casper in Großkomm. HGB, Bd. 4, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 152.
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spekthaftung im weiteren Sinne soll neben die Prospekthaftung des KAGB treten können.1 2.371
Dieses persönliche Verschulden bei Vertragsabschluss traf z.B. den Treuhandkommanditisten, der den Beitrittsvertrag mit dem Anleger geschlossen hatte und dabei den fehlerhaften Prospekt verwendete.2 Eine Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c.) konnte die Initiatoren und Gründungsgesellschafter einer Publikums-KG treffen, wenn sie selber keine Verhandlungen führten. Schalteten sie für die Vertragsverhandlungen mit den Anlegern Vertriebspersonen ein, so verletzten sie die ihnen obliegenden Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten, weil sie sich sowohl eigenes Verschulden als auch gem. § 278 BGB ein Verschulden der Personen zurechnen lassen müssen, die sie zum Abschluss des Beitrittsvertrags ermächtigt haben.3
2.372
Die Rechtsfolge ist ein allgemeiner Schadensersatzanspruch, gerichtet auf den Ersatz des entstandenen Vertrauensschadens.
4. Haftung des Anlagevermittlers und des Kreditgebers 2.373
Ist dem Anleger durch den Beitritt in eine Publikums-KG ein Schaden entstanden, wird er stets auch prüfen, ob er Schadensersatz von einem eventuell tätig gewordenen Anlagevermittler bzw. Anlageberater oder, im Falle der Finanzierung der Beteiligung mittels eines Kredits, vom finanzierenden Kreditinstitut verlangen kann. Dies umso mehr, wenn er erkennen muss, dass sein eventueller sonstiger Anspruchsverpflichteter die Gesellschaft selbst wäre, die wahrscheinlich die Ansprüche mehrerer Gesellschafter nicht wird befriedigen können (vgl. zur Problematik der Gesellschaft als Anspruchsverpflichtete aus Prospekthaftung gemäß VermAnlG Rz. 2.368).
2.374
Ansprüche gegen den Anlageberater bzw. den Anlagevermittler können sich aus Vertrag, aus der Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen oder aus unerlaubter Handlung ergeben. Stellung und Aufgaben eines Anlagevermittlers und eines Anlageberaters sind dabei unterschiedlich. Ihre Pflichtenkreise decken sich nicht. Überschneidungen sind möglich, wobei der jeweilige Pflichtenumfang nicht allgemein, sondern nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls zu bestimmen ist.4 Allgemein gilt, dass der mit einem Anlagevermittler geschlossene Vertrag lediglich auf Auskunftserteilung abzielt, wobei der Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet ist, die für den Anlageentschluss des Anlegers von besonderer Bedeutung sind.5 Demgegenüber ist die Beratung dadurch gekennzeichnet, dass über die bloße Aufklärung hinaus ein Rat, d.h. eine fachmännische Bewertung und Empfehlung, erteilt wird.6 Eine mögliche Haftung ist an diesen Vorgaben zu messen. Allgemein gilt jedoch, dass ein Vertrag über die Erteilung von Auskünften oder ein Beratungsvertrag nicht dazu dient, dem
1 2 3 4 5 6
Paul in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 2014, § 306 Rz. 55. BGH v. 7.7.2003 – II ZR 18/01, NZG 2003, 867. BGH v. 3.2.2003 – II ZR 233/01, DStR 2003, 1494 (1495). BGH v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, Rz. 12 (nach juris) = WM 1993, 1238 (1239). BGH v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, Rz. 14 (nach juris) = WM 1993, 1238 (1239). BGH v. 18.11.2003 – XI ZR 322/01, Rz. 15 (nach juris) = WM 2004, 172 (173).
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Publikums-KG
Anleger das Anlagerisiko abzunehmen.1 Der Anleger soll vielmehr in die Lage versetzt werden, eine informierte Anlageentscheidung zu treffen. Anknüpfungspunkt für eine Haftung kann daher sinnvollerweise nur die Richtigkeit und Vollständigkeit der für die Anlageentscheidung erforderlichen Informationen und allenfalls deren sorgfältige Auswertung, hingegen nicht die „Richtigkeit“ oder „Unrichtigkeit“ einer erteilten Empfehlung oder eine unterbliebene Anlageempfehlung sein.2 Wenn die Beteiligung des Anlegers über ein Kreditinstitut finanziert wird, ist dieses nicht verpflichtet, den Anleger über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierenden Anlagegeschäfts sowie über Gefahren und Risiken der Verwendung des Darlehens aufzuklären.3 Das Kreditverwendungsrisiko liegt vielmehr beim Darlehensnehmer. Das Kreditinstitut darf davon ausgehen, dass der Anleger selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient hat,4 was auch bei geschäftsunerfahrenen Kunden gilt.5 Eine Aufklärungspflicht ergibt sich erst dann, wenn das Kreditinstitut über seine Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, es einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Anleger schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn es sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn es in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.6
2.375
Kommt es allerdings im Zusammenhang mit der Anlageentscheidung zu einer Beratung durch die Mitarbeiter der Bank, so kann – auch nur konkludent – ein Beratungsvertrag zustande kommen. Aus dem Beratungsvertrag ist die Bank verpflichtet, aktuelle und umfassende Informationen über das Anlageobjekt mitzuteilen, die ein zutreffendes Bild der Beteiligung offenbaren, so dass der Anleger in der Lage ist, eine sachgerechte Anlageentscheidung zu treffen.7 Fehlt es jedoch an einem unmittelbar persönlichen Kontakt zwischen Bank und Anlageinteressent, so scheidet die Annahme eines (stillschweigend) geschlossenen, die Geldanlage selbst betreffenden Beratungsvertrages regelmäßig aus. Denn ein in den Vertrieb der Anlage eingeschalteter Vermittler hat in der Regel keine Vollmacht, für die Bank einen Beratungsvertrag zu schließen.8 Auch muss sich die Bank im Bereich der vorvertraglichen Aufklärungspflichten ein Fehlverhalten eines Anlagevermittlers – auch wenn dieser zugleich den Kredit vermittelt – durch unrichtige Angaben über die Kapitalanlage nicht gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Vielmehr wird der im Rahmen von Kapitalanlagen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht
2.376
1 v. Heymann/Edelmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 4 Rz. 93. 2 v. Heymann/Edelmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 4 Rz. 93. 3 BGH v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, Rz. 11 (nach juris) = BGHZ 156, 49; BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, Rz. 41 (nach juris) = WM 2006, 1194 (1199). 4 BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, Rz. 41 (nach juris) = WM 2006, 1194 (1199). 5 OLG Stuttgart v. 12.1.2000 – 9 U 155/99, Rz. 45 (nach juris) = WM 2000, 292 (294). 6 BGH v. 14.6.2004 – II ZR 393/02, Rz. 52 (nach juris) = WM 2004, 1529 (1539); BGH v. 16.5. 2006 – XI ZR 6/04, Rz. 41 (nach juris) = WM 2006, 1194, (1199 Rz. 41). 7 BGH v. 13.1.2004 – XI ZR 355/02, Rz. 19 (nach juris) = MDR 2004, 520. 8 BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 194/02, Rz. 26 (nach juris) = WM 2004, 1221 (1224).
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eingeschalteten Bank nur insoweit tätig, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft.1 Möglicherweise falsche Erklärungen zum Wert des Anlageobjekts und zur monatlichen Belastung betreffen dabei nicht den Darlehensvertrag, sondern die Gesamtwirtschaftlichkeit des Anlagegeschäfts und liegen damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank.2 2.377
Hat das Kreditinstitut auf das Anlageobjekt bezogene Beratungspflichten oder auf das Anlageobjekt bezogene vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, so ist der Anleger nach dem Grundsatz der Naturalrestitution so zu stellen, als hätte er von dem beanstandeten Geschäft nichts gehört. Der Anleger muss daher den Kredit nicht zurückzahlen, sondern nur seinen Fondsanteil bzw. – nach dessen Kündigung – seinen Abfindungsanspruch an das Kreditinstitut abtreten, das seinerseits die Rückerstattung von Zins- und Tilgungsleistungen an den Kreditnehmer und Anleger – abzüglich der nach dem Prinzip der Vorteilsausgleichung anzurechnenden Fondsausschüttungen und Steuervorteile – schuldet.3
2.378
Bilden Darlehens- und Beitrittsvertrag verbundene Verträge i.S. des § 358 Abs. 3 BGB, so kann der Anleger gem. § 359 BGB die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit ihm gegen den Unternehmer Einwendungen aus dem Beitrittsvertrag zustehen. Hat der Anleger seine auf den Abschluss des Beitrittsvertrages oder des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung – etwa, weil er nicht ordnungsgemäß über das ihm gem. § 126 InvG oder gem. § 495 BGB zustehende Widerrufsrecht belehrt wurde – wirksam widerrufen, so schlägt dieser Widerruf gem. § 358 Abs. 1 und 2 BGB auf den jeweils anderen Vertrag durch. Beide Verträge bleiben rechtlich selbständig, sind jedoch gem. §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 BGB nach den rücktrittsrechtlichen Bestimmungen rückabzuwickeln. Beim finanzierten Erwerb eines Gesellschaftsanteils ist der Anleger in Folge des Widerrufs des Darlehensvertrages nicht zur Darlehensrückzahlung, sondern lediglich zur Übertragung seiner aus dem finanzierten Anteilserwerb erwachsenden Rechte verpflichtet, damit der Darlehensgeber diese gegebenenfalls gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann; zugleich kann er die Erstattung sämtlicher von ihm auf das Darlehen bereits erbrachten Leistungen verlangen.4
VIII. Steuerrechtliche Besonderheiten 1. Allgemeines 2.379
Der Anleger, der sich als Gesellschafter einer Publikums-KG beteiligt hat, erzielt aus seiner Beteiligung regelmäßig als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG. Eine nicht gewerblich tätige Publikums-KG kann als vermögensverwaltende Gesellschaft strukturiert werden. Dazu muss ein nicht persönlich haftender Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt sein.5 Wird seine Beteiligung über einen Treuhand1 2 3 4 5
BGH v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, Rz. 63 (nach juris) = WM 2006, 1199 (1202). BGH v. 23.3.2004 – XI ZR 194/02, Rz. 33 (nach juris) = WM 2004, 1221 (1224). BGH v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, Rz. 31 (nach juris) = WM 2006, 1066 (1071). BGH v. 1.3.2011 – II ZR 297/08, Rz. 18 (nach juris) = MDR 2011, 801 (802). R 15.8 Abs. 6 EStR 2012.
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Publikums-KG
kommanditisten treuhänderisch für den Anleger gehalten, so wird ihm gleichwohl gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO der Einkünfteanteil zugerechnet, wenn er die einem Kommanditisten entsprechenden Rechte vertraglich vereinbart hat, er also im Ergebnis durch den Vertrag im Innenverhältnis wie ein unmittelbar beteiligter Gesellschafter gestellt ist.1 Die Behandlung seiner Einkünfte entspricht grundsätzlich der Behandlung einer gewöhnlichen Kommanditbeteiligung einschließlich der Beschränkungen des § 15a EStG ausschließlich wiederum der Regelungen, die voraussetzen, dass derjenige, dem der Anteil zuzurechnen ist, im Handelsregister eingetragen ist (z.B. § 15a Abs. 1 Satz 2 u. 3 EStG). Es gibt jedoch einige verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Besonderheiten, die vornehmlich aus der Tatsache resultieren, dass Publikums-KG insbesondere für solche Vorhaben eingesetzt wurden, die für den Anleger eine Verlustzuweisung in den ersten Jahren der Unternehmung generieren sollten.
2.380
Gemäß § 1 Abs. 1b Nr. 2 und § 18 InvStG unterliegen geschlossene Publikumsinvestmentkommanditgesellschaften den allgemeinen Besteuerungsregeln.2
2.381
2. Verfahrensrechtliche Besonderheiten Verfahrensrechtlich wird der dem Anleger zuzurechnende Anteil am Gewinn und Verlust der Publikums-KG gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO im Wege einer einheitlichen und gesonderten Feststellung bestimmt. Die einheitliche und gesonderte Feststellung erfolgt durch das Betriebsfinanzamt der Publikums-KG. Wegen des Verfahrens der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses der Publikums-KG kommt es zu Verzögerungen bei der Einarbeitung der Daten in die Einkommensteuererklärung der einzelnen Anleger. Um den Anlegern gleichwohl zeitnah eine – vorläufige – Möglichkeit der Nutzung des ihnen aus der Publikums-KG zustehenden Verlustes zu ermöglichen, nimmt das Betriebsfinanzamt der Publikums-KG eine Vorprüfung vor, in der es die durch die Publikums-KG glaubhaft gemachten Verluste ermittelt.3 Innerhalb von sechs Monaten nach vollständiger Vorlage aller Unterlagen durch die Publikums-KG soll das Betriebsfinanzamt das Ergebnis der Vorprüfung den Wohnsitzfinanzämtern der einzelnen Anleger mitteilen.4 Die einzelnen Anleger können unter Hinweis auf die ermittelten voraussichtlichen Verluste die Herabsetzung ihrer Einkommensteuervorauszahlung bzw. eine Lohnsteuerermäßigung beantragen (§§ 37 Abs. 3, 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) EStG). Durch die Reduzierung der Einkommensteuervoraus- bzw. Lohnsteuerzahlungen erhält der Anleger einen Liquiditätsvorteil, den er zur Finanzierung der Beteiligung einsetzen kann und auf den bei dem Vertrieb der Beteiligung an der Publikums-KG im Allgemeinen hingewiesen wird.
2.382
Neben dieser verfahrenstechnischen Besonderheit treten bei Publikums-KG materiell-rechtliche Problemkreise auf.
2.383
1 BMF v. 1.9.1994 – IV B 3-S 2253a-15/94, BStBl. I 1994, 604 Rz. 2. 2 BMF v. 12.2.2015 – IV C 1 – S 1980-1/14/10004, BStBl. I 2015, 185. 3 BMF v. 13.7.1992 – IV A 5-S 0361–19/92, BStBl. I 1992, 404, geändert durch BMF v. 28.6. 1994 – IV A 4-S 0361–14/94, BStBl. I 1994, 420 Rz. 3 f. 4 BMF v. 13.7.1992 – IV A 5-S 0361–19/92, BStBl. I 1992, 404 Rz. 3. 1. 8.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
3. Materiell-rechtliche Probleme a) Einkunftserzielungsabsicht 2.384
Bei einer Publikums-KG findet eine zweistufige Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht statt.1 Die Einkunftserzielungsabsicht ist ein allen sieben Einkunftsarten immanentes Tatbestandsmerkmal, um steuerlich relevante Einnahmen/Gewinne bzw. Werbungskosten/Verluste zu bestimmen. Die Einkunftserzielungsabsicht setzt eine positive Ergebnisprognose und eine einkommensteuerrechtliche Relevanz der Tätigkeit voraus. Eine einkommensteuerrechtliche Relevanz fehlt nur dann, wenn es sich bei der Tätigkeit um eine solche handelt, die dem Bereich der allgemeinen Lebensführung oder der Freizeitgestaltung zuzuordnen ist. Dies ist bei einer Beteiligung an einer Publikums-KG regelmäßig nicht der Fall.
2.385
Die Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht reduziert sich deshalb in der Regel auf die Prüfung einer positiven Ergebnisprognose, d.h. eines Totalgewinns innerhalb eines Prognosezeitraums. Der Prognosezeitraum wird generell bei ca. 30 Jahren angesetzt.2 Die Finanzverwaltung kann bei Immobilien einen Zeitraum von 100 Jahren annehmen.3 Die Unternehmung der Publikums-KG muss deshalb grundsätzlich geeignet sein, innerhalb des Prognosezeitraums auf der Grundlage ihrer Kapitalstruktur einen Gewinn zu erwirtschaften.
2.386
Eine gleiche Prüfung wird für die Ebene des einzelnen Anlegers noch einmal durchgeführt, da dessen Gewinnprognose von der der Publikums-KG abweichen kann. Finanziert z.B. ein Anleger seine Beteiligung vollumfänglich durch Darlehen, so könnte es trotz einer positiven Einkunftserzielungsabsicht auf Ebene der Publikums-KG an der Einkunftserzielungsabsicht auf Ebene des Anlegers fehlen, da seine Finanzierungskosten die Einnahmen aus der Beteiligung dauerhaft übersteigen. In diesem Falle wäre der Anleger nicht als Mitunternehmer zu qualifizieren, und er könnte folglich seine Verluste aus der Beteiligung steuerlich nicht geltend machen. Gleiches kann gelten, wenn der Anleger planmäßig nur eine begrenzte Zeit Gesellschafter der Publikums-KG ist. b) Verlustverrechnungsverbote
2.387
Ist die Einkunftserzielungsabsicht auf Ebene der Gesellschaft und auf Ebene des Anlegers gegeben, so kann dem Anleger die Geltendmachung von negativen Einkünften gem. § 52 Abs. 4 i.V.m. § 2b EStG a.F. oder § 15b EStG mit der Folge versagt werden, dass die negativen Einkünfte nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen und auch nicht vor- oder zurückgetragen werden können. Die negativen Einkünfte werden verrechnet mit künftigen positiven Einkünften, die aus Verlustzuweisungsgesellschaften (§ 52 Abs. 4 i.V.m. § 2b EStG a.F.) oder die zukünftig aus „derselben Einkunftsquelle“ erzielt werden (§ 15b EStG). 1 BFH v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BFH/NV 2001, 523 (526). 2 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 27 und Rz. 30. 3 BMF v. 14.10.2002 – IV C 3-S 2253–77/02, BStBl. I 2002, 1039 (1040) i.V.m. BMF v. 23.7. 1992 – IV B 3-S 2253–29/92, BStBl. I 1992, 434; Leitfaden betr. Einkunftserzielung bei Vermietung und Verpachtung v. 5.9.2014 LfSt Bayern, Stand: September 2014, BeckVerw 288429.
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§2
Publikums-KG
aa) Verlustzuweisungsgesellschaft nach § 52 Abs. 4 i.V.m. § 2b EStG a.F. § 2b EStG a.F. ist weiterhin für Einkünfte aus einer Publikums-KG, die als Verlustzuweisungsgesellschaft qualifiziert wird, anzuwenden, wenn der Anleger die Beteiligung nach dem 4.3.1999 und vor dem 11.11.2005 erworben hat (§ 52 Abs. 4 EStG). Eine Verlustzuweisungsgesellschaft soll nach dem äußerst ungenauen Gesetzeswortlaut dann vorliegen „wenn nach dem Betriebskonzept der Gesellschaft (…) die Rendite auf das einzusetzende Kapital nach Steuern mehr als das Doppelte dieser Rendite vor Steuern beträgt und ihre Betriebsführung überwiegend auf diesem Umstand beruht oder wenn Kapitalanlegern Steuerminderungen durch Verlustzuweisungen in Aussicht gestellt werden (§ 2b Satz 3 EStG a.F.).“ Durch die Ungenauigkeit des Gesetzeswortlautes ist eine Unsicherheit in der Anwendung entstanden, die durch das BMF-Schreiben vom 5.7.20001 beseitigt werden sollte.
2.388
bb) Verlustverrechnungsverbot wegen Steuerstundungsmodell-Charakter der Publikums-KG Gem. § 15b EStG können Verluste aus der Beteiligung an einer Publikums-KG nur noch mit Einkünften aus der Beteiligung an derselben Publikums-KG verrechnet werden. § 15b EStG ist auf Beteiligungen an Publikums-KG anzuwenden, bei denen der Beitritt nach dem 10.11.2005 erfolgt ist.2 Die Publikums-KG ist als Steuerstundungsmodell zu qualifizieren, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung der Beteiligung an ihr steuerliche Vorteile durch die Zuweisung negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Das vorgefertigte Beteiligungskonzept muss dazu die Möglichkeit bieten, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen, wobei die prognostizierten Verluste 10 % des eingesetzten Eigenkapitals übersteigen müssen. Das Verlustverrechnungsverbot des § 15b EStG ist auch auf alle vermögensverwaltenden Einkünfte, wie z.B. aus Vermietung und Verpachtung, anzuwenden.3 Ein schädliches Steuerstundungsmodell soll regelmäßig nach Ansicht der Finanzverwaltung vorliegen, wenn Anleger sich an einem geschlossenen Fonds in Form einer Publikums-KG beteiligen und in der Anfangsphase steuerliche Verluste zugewiesen bekommen. Insbesondere Medienfonds, Gamefonds, New-Energy-Fonds, LebensversicherungsZweitmarktfonds und geschlossene Immobilienfonds sollen Steuerstundungsmodelle abbilden.4 Für die Modellhaftigkeit eines Steuerstundungsmodells soll die Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen typisch sein. Es gilt eine anlegerbezogene Betrachtungsweise.5 Der nichtausgleichsfähige Verlust wird jährlich durch das für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Publikums-KG zuständige Betriebsfinanzamt gesondert festgestellt (§ 15b Abs. 4 EStG).
1 BMF v. 5.7.2000 – IV A 5-S 2118b-111/00, BStBl. I 2000, 1148, neu gefasst durch BMF v. 22.8.2001 – IV A 5-S 2118b-40/01, BStBl. I 2001, 588. 2 § 52 Abs. 25 EStG. 3 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241–6/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Einleitung; ergänzend BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, DStR 2008, 561. 4 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241–6/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 7. 5 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241–6/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 8.
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2.389
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
c) Hersteller- oder Erwerbereigenschaft der Publikums-KG aa) Allgemeines 2.390
Unabhängig von der Qualifikation der Anleger einer Publikums-KG als Mitunternehmer oder Gemeinschafter hat die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum einheitlichen Vertragswerk (sog. Vertragsgeflechtsrechtsprechung)1 zum Anlass genommen, Grundsätze für die Qualifizierung von Publikums-KG als sog. Erwerber- oder Herstellerfonds festzulegen. Nach der Vertragsgeflechtsrechtsprechung werden Zahlungen in der Investitionsphase (z.B. Bauphase der Immobilie) nicht als Betriebsausgabe/Werbungskosten anerkannt, sondern den Anschaffungskosten hinzugerechnet. Zwar werden diese Ausgaben in gesonderten Verträgen vereinbart (z.B. Baubetreuungsvertrag, Finanzierungsverträge, Mietgarantievertrag o.Ä.), jedoch sollen diese Ausgaben aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller Verträge im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Eigentums an der Immobilie stehen.2 Die Publikums-KG kann deshalb die Aufwendungen, obwohl sie in gesonderten Verträgen vereinbart wurden, nicht als Betriebsausgaben ansetzen, sondern muss sie insgesamt als Anschaffungskosten des Gebäudes behandeln. Der Abzug der Ausgaben erfolgt dann zeitlich gestreckt über die Abschreibungsperiode des Objektes. Die Finanzverwaltung hat die Kriterien, unter denen eine Publikums-KG als Hersteller- oder als Erwerberfonds zu qualifizieren ist, insbesondere im sog. 5. Bauherrenerlass und im sog. Medienfondserlass niedergelegt (s. dazu Rz. 2.391, 2.393). bb) Bauherrenerlass (Fondserlass)
2.391
Der sog. 5. Bauherrenerlass gilt im Grundsatz für alle geschlossenen Fonds außer Medienfonds.3 Danach wird auf der Ebene der Publikums-KG entschieden, ob Aufwendungen, die die Gesellschaft trägt, Herstellungskosten, Anschaffungskosten oder Betriebsausgaben sind. Der 5. Bauherrenerlass bleibt damit auf der vom Großen Senat des BFH entwickelten Linie der Einheitstheorie, nach der die handelsrechtliche Selbständigkeit der Personengesellschaft auch im Steuerrecht gilt. Auf der Ebene der Publikums-KG wird die Einkunftsart bestimmt, die Ermittlung des Gewinns/Verlusts vorgenommen4 und den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet. Entscheidend ist deshalb, ob die Publikums-KG einzelne Aufwendungsarten als Betriebsausgaben unmittelbar absetzen darf oder ob die Aufwendungen den Anschaffungskosten zugeschlagen werden und über die Nutzungsdauer des Objektes abgeschrieben werden (Beispiele für die in einzelnen Verträgen festgelegten Aufwendungen sind Zwischenfinanzierungszinsen in der Bauphase, Damnum, Baubetreuungskosten, Konzeptionierungskosten usw.). Grundsätzlich soll die Publikums-KG als Erwerber des Objekts anzusehen sein, mit der Folge, dass alle – wenn auch in gesonderten Verträgen vereinbarten – Aufwendungen den Anschaffungskosten zuzurechnen sind, wenn der Initiator den Anlegern der Gesellschaft ein einheitliches Vertragswerk vorgibt und die Anleger in ihrer gesellschaftsrecht1 BFH v. 7.8.1990 – IX R 70/86, BStBl. II 1990, 1024; BFH v. 8.5.2001 – IX R 10/96, BStBl. II 2001, 720. 2 BFH v. 8.5.2001 – IX R 10/96, BStBl. II 2001, 720. 3 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, DStR 2003, 1974 Rz. 31. 4 Heß, DStR 2003, 1953 (1955) m.w.N.
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§2
Publikums-KG
lichen Verbundenheit keine Möglichkeit besitzen, auf dieses Vertragswerk Einfluss zu nehmen.1 In diesem Fall spricht man von einem Erwerberfonds. Etwas anderes soll nur gelten, wenn den Anlegern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit wesentliche Einflussmöglichkeiten zustehen, die erheblich über die Mitwirkungsrechte eines Kommanditisten hinausgehen, die zur Anerkennung der Mitunternehmereigenschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben sein müssen.2 Das von den Initiatoren vorgegebene Konzept muss durch die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit in wesentlichen Teilen abgeändert werden können. Erst wenn die Anleger derart starke Mitwirkungsrechte haben, kann die Eigenschaft der Publikums-KG als Erwerber und damit die Qualifizierung aller Aufwendungen als Anschaffungskosten durchbrochen werden. Die Anleger müssten z.B. durch einen Beirat, den sie jedoch erst bilden dürfen, nachdem mindestens 50 % des prospektierten Kapitals eingezahlt worden sind, so starke Mitspracherechte haben, dass sie die durch die Initiatoren vorgegebene Konzeption ändern könnten. In diesem Fall spricht man von einem Herstellerfonds. Da die starke Betonung der Einflussmöglichkeiten der Anleger dem bisherigen tatsächlichen Erscheinungsbild einer Publikums-KG widerspricht, handelt es sich im Bereich der vorkonzeptionierten Fondsmodelle in Form einer Publikums-KG regelmäßig um einen Erwerberfonds. Eine ähnliche Einschränkung der Möglichkeit, Verluste insbesondere in der Anfangsphase der Unternehmung den Anlegern zuzuweisen, hat die Finanzverwaltung für den Medienbereich vorgenommen (s. dazu im Folgenden Rz. 2.393 ff.).
2.392
cc) Medienfondserlass3 Eine ähnliche Einschränkung der Möglichkeit, Verluste insbesondere in der Anfangsphase der Unternehmung den Anlegern zuzuweisen, hat die Finanzverwaltung für den Medienbereich vorgenommen. Die Mehrzahl der Medienfonds setzt das Kapital der Anleger in der Filmproduktion ein. Durch die Filmproduktion wird bei der Publikums-KG ein immaterielles Wirtschaftsgut in Form der verschiedenen Rechte an Filmen hergestellt. Gem. § 5 Abs. 2 EStG können die diversen Filmrechte zunächst nicht bei der Publikums-KG aktiviert werden. In der Produktionsphase fallen jedoch erhebliche Betriebsausgaben in Form der Produktionskosten (z.B. Schauspielergagen, technische Kosten, Personalkosten etc.) an. Ist der Film fertig produziert, können die diversen Rechte lizenziert werden. Aus den Vermarktungsverträgen der Rechte am Film fließen der Publikums-KG Einnahmen zu. Durch das Verbot der Aktivierung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 EStG) entstehen deshalb für die Anleger in der Anfangsphase beträchtliche Verlustzuweisungsmöglichkeiten. Gleiche Modelle ließen sich bei der Entwicklung von Software (Gamefonds) oder Medikamenten erreichen. Der Medienerlass stellt verschärfte Anforderungen, wann die Publikums-KG als Hersteller des Filmes anzusehen ist (Herstellerfonds). Die Publikums-KG muss wesentliche Einflussmöglichkeiten auf die Filmproduktion haben. Der Medienfonds ist als Herstellerfonds zu qualifizieren, wenn die Anleger in ihrer 1 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, DStR 2003, 1974 Rz. 33. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, DStR 2003, 1974 Rz. 34. 3 BMF v. 5.8.2003 – IV A 6-S 2241-81/03, BStBl. I 2003, 406.
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2.393
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit als Publikums-KG rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, wesentliche Teile des Filmkonzeptes zu verändern. Sie müssen effektiven Einfluss auf die Auswahl des Filmstoffs, des Drehbuchs, der Besetzung, des Drehplans u.a. haben.1 Diese von der Finanzverwaltung bewusst verschärften Kriterien sollen dazu führen, dass Medienfonds im Grundsatz als Erwerberfonds qualifiziert werden müssen. Die Publikums-KG hätte, da sie nicht über ausreichende Einflussmöglichkeiten auf die eigentliche Filmproduktion verfügt, kein selbst geschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut, sondern würde die Rechte an dem Film als abgeleitetes Recht mit den Anschaffungskosten aktivieren müssen. Es käme nicht zu dem sofortigen Abzug der Produktionskosten als Betriebsausgabe, sondern zu einer Abschreibung über zehn Jahre.2 Ein weiteres Problem stellen Vereinbarungen dar, wonach das Lizenzentgelt für die Filmverwertung durch eine Bank gleichsam garantiert würde, z.B. durch eine Schuldübernahme der Lizenzzahlungspflichten.3 Hierdurch soll das wirtschaftliche Risiko der Filmverwertung weggefallen bzw. auf den Filmverwerter übergegangen sein. d) Besonderheiten der Publikumsgesellschaft als vermögensverwaltende Gesellschaft 2.394
Wirtschaftliche Ausformungen einer Publikums-KG als vermögensverwaltende Gesellschaft sind insbesondere Private-Equity- oder Venture-Capital-Fonds. Eine GmbH & Co. KG erzielt Einkünfte aus Vermögensverwaltung, wenn sie keine gewerbliche Tätigkeit ausübt und ihre gewerbliche Prägung dadurch beseitigt hat, dass mindestens einem Kommanditisten Geschäftsführungsbefugnis übertragen wurde.4 Der Anleger wird steuerlich so behandelt, als habe er anteilig das entsprechende Wirtschaftsgut selbst erworben oder veräußert (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). aa) Private-Equity-Erlass5
2.395
Private-Equity-Fonds in der Form einer Publikums-KG erwerben Anteile an Kapitalgesellschaften, unterstützen deren Geschäftsmodell durch Know-how oder Finanzierungsleistungen und veräußern ihre Beteiligungen regelmäßig nach drei bis fünf Jahren. Im Rahmen privater Vermögensverwaltung konnten die Veräußerungsgewinne außerhalb der §§ 17, 23 EStG steuerfrei bzw. können der Privilegierung der Abgeltungsteuer zugänglich sein. Für die Beurteilung der nach § 17 EStG maßgebenden Beteiligungsgröße ist nicht auf die Beteiligung der Publikums-KG an der Portfolio-Gesellschaft abzustellen, sondern auf die durchgerechnete Beteiligungsgröße des Anlegers. Voraussetzung für dieses Fondsmodell ist, dass die Publikums-KG als vermögensverwaltend zu behandeln ist und ihre unterstützenden Leistungen für die Portfolio-Gesellschaften, an denen sie beteiligt ist, sie nicht als gewerblich tätig erscheinen lassen.6 Wesentlich für die Beurteilung der Tätigkeit 1 BMF v. 5.8.2003 – IV A 6-S 2241-81/03, BStBl. I 2003, 406 Rz. 10. 2 S. zur Abschreibung Radau, DStR 2003, 1278. 3 Vgl. Streitstand bei Watermeyer/Knobbe in Prinz/Hoffmann, Beck’sches Hdb. der PersGes., 4. Aufl. 2014, § 17 Rz. 132. 4 R 15.8 Abs. 6 EStR 2012. 5 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6-S 2240–153/03, BStBl. I 2004, 40. 6 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6-S 2240–153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 21; OFD Frankfurt a.M. v. 1.12.2006 – S 2241 A-67-St 210, DB 2007, 22 (24).
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§2
Publikums-KG
als nicht gewerbliche Beteiligungsverwaltung ist unter anderem, dass die Publikums-KG keine eigene Organisation mit Marktkenntnissen einsetzt, keine Kurzfristbeteiligungen hält, ihre Veräußerungserlöse nicht reinvestiert, keine Bürgschaften übernimmt und sich nicht am aktiven Management der Portfolio-Gesellschaften beteiligt;1 die Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen ist hingegen zulässig.2 Verbindliche Auskünfte zu Zweifelsfragen können erteilt werden.3 Da die steuerliche Bedeutung nach Abschaffung der Behaltensfrist für Anteile an Kapitalgesellschaften in § 23 a.F. EStG und der Neuregelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zwischen vermögensverwaltend gehaltenen Gesellschaftsanteilen und gewerblich gehaltenen Gesellschaftsanteilen abgenommen hat, ist fraglich, ob die Unterscheidungskriterien nun regulatorisch herangezogen werden können (s. Rz. 2.283). Ein gewerblicher Private-Equity-Fonds könnte als ein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors gelten und deswegen kein Investmentvermögen darstellen. Er unterläge nicht der Regulierung nach dem KAGB. Auch für diese vermögensverwaltenden Publikums-KG gelten die Regeln des Bauherrenerlass (s. Rz. 2.391), wonach alle Aufwendungen, die auf den Erwerb der Beteiligungen gerichtet sind, den Anschaffungskosten zuzuordnen sind.4 Der Abzug von weiteren Werbungskosten im Zusammenhang mit der Beteiligung ist für den Anleger eingeschränkt, da das Geschäftsmodell darauf abzielt, nur einen Teil der Fondseinkünfte durch Dividenden o.Ä. zu erzielen, einen nicht unerheblichen Teil der Fondseinkünfte aber durch steuerfreie Veräußerungsgewinne. Die Finanzverwaltung versagt regelmäßig den Abzug als Werbungskosten von Aufwendungen bei Private-Equity-Fonds, die nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen sind.5
2.396
bb) Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften in der Form der Publikums-KG Das Wagniskapitalbeteiligungsgesetz6 ist am 24.12.2013 außer Kraft getreten. Seine wirtschaftliche Bedeutung war gering. Vgl. hierzu die Ausführungen in der 20. Aufl. 2009, § 2 Rz. 2.371.
2.397
e) Erbschaftsteuerliche Behandlung von treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen Die erbschaftsteuerlichen Auswirkungen der Vererbung von Beteiligungen an Publikums-KG, die über einen Treuhänder gehalten werden, unterlagen bezüglich ihrer Bewertung einer regen Diskussion in Rechtsprechung und Verwaltung.7 Problematisch war ursprünglich, ob sie den Bewertungsregeln unterliegen, die erbschaftsteuerlich für die Gegenstände des Gesamthandsvermögens Anwendung fanden, 1 Vgl. für weitere Einzelheiten BMF v. 16.12.2003 – IV A 6-S 2240–153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7 bis 17; ergänzend OFD Magdeburg v. 5.4.2006 – S 2240-58-St 214, DStR 2006, 1505 (1506); OFD Frankfurt a.M. v. 16.2.2007 – S 2241 A-67-St 220, GmbHR 2007, 671 (672). 2 Zu Einzelheiten OFD München v. 15.10.2004 – S 2241-55 St 41/42, DB 2005, 77; FM Saarland v. 7.10.2004 – B/2-2-110/2004-S 2240. 3 OFD München v. 15.10.2004 – S 2241–55 St 41/42, DB 2005, 77. 4 OFD Rheinland v. 8.1.2007 – S 2241 1002-St 222, DB 2007, 135 (136). 5 OFD Frankfurt a.M. v. 1.12.2006 – S 2241 A - 67 - St 210, DB 2007, 22 (23). 6 BT-Drucks. 16/6311 v. 7.9.2007; BR-Drucks. 567/1/07 v. 11.9.2007. 7 BFH v. 25.10.2001 – II R 39/98, DStR 2001, 656; FinMin Bayern v. 14.6.2005 – 34 - S 3811 035 - 25199/05, DStR 2005, 1231.
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2.398
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
z.B. Betriebsvermögensbegünstigung, oder ob sie als Verschaffungsanspruch mit dem gemeinen Wert anzusetzen waren.1 Problematisch war anschließend, inwieweit sie begünstigtes Vermögen i.S. des § 13b i.V.m. § 13a ErbStG vermitteln konnten. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts2 vom 17.12. 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Regelung der §§ 13a ff. ErbStG ist die bevorstehende gesetzliche Neuregelung abzuwarten (s. hierzu Rz. 8.140 ff.). Handelt es sich um eine vermögensverwaltende Publikums-KG, wird regelmäßig die Beteiligung als Sachleistungsanspruch mit dem gemeinen Wert anzusetzen sein.3 Der Treuhandkommanditist einer Immobilien-KG ist gem. § 33 ErbStG gehalten, die Treugeberstellung eines verstorbenen Anlegers dem ErbschaftsteuerFinanzamt anzuzeigen.4 2.399–2.410
Einstweilen frei.
G. Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG 1. Einleitung 2.411
Die nachfolgende Darstellung der vermögensverwaltenden – nicht gewerblichen – GmbH & Co. KG befasst sich ausschließlich mit einer steuerrechtlichen Ausprägung der GmbH & Co. KG, da die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG keine eigenständige Rechtsform im zivil- bzw. handelsrechtlichen Sinne darstellt. Bei ihrer Gründung kommt dem Zivilrecht gleichwohl eine nicht unbedeutende Rolle zu, denn die zivilrechtliche Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags entscheidet steuerrechtlich darüber, ob es sich um eine vermögensverwaltende oder um eine sog. mitunternehmerische GmbH & Co. KG handelt. Diese auf das Gesellschaftsrecht abstellende Besonderheit beruht auf § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, der die sog. gewerbliche Prägung einer Personengesellschaft regelt (dazu Rz. 2.419). Danach liegt steuerrechtlich eine Mitunternehmerschaft unabhängig davon vor, ob sie eine gewerbliche Tätigkeit tatsächlich ausübt. Entscheidend ist, dass an ihr ausschließlich ein oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind.
2.412
Praxishinweis: Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG konstituiert sich in der Regel dadurch, dass neben der GmbH mindestens ein Kommanditist die Geschäftsführungsbefugnis erhält. Um eine gewerbliche Prägung zu vermeiden und eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG zu begründen, ist bereits der Gesellschaftsvertrag entsprechend auszugestalten.
2.413
Für die vermögensverwaltende Personengesellschaft steuerrechtlich kennzeichnend ist die Erzielung von sog. Überschusseinkünften i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 1 FinMin Baden-Württemberg v. 16.2.2007 – S 3806/51, DStR 2007, 627; Lüdicke, DStR 2007, 1116; OFD Münster u. Rheinland v. 30.3.2007, DStR 2007, 1125. 2 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 = GmbHR 2015, 88. 3 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz, § 7 Rz. 63. 4 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz, § 33 Rz. 5.
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Fatouros
§2
Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG
Nr. 2 EStG, allerdings ohne dass eine gewerbliche Prägung vorliegt oder eine Abfärbung gewerblicher Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erfolgt. Voraussetzung für die einkommensteuerrechtliche Relevanz ist auch bei diesen Tätigkeiten, dass sie mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen werden.1 Zu den in gesamthänderischer Verbundenheit erzielten Überschusseinkünften zählen in erster Linie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG und solche aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 EStG. In Veräußerungsoder Übertragungsfällen erzielt die Personengesellschaft Einkünfte gem. § 20 Abs. 2 EStG sowie sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG.2 Bei dem Vermögen der Gesellschaft handelt es sich steuerrechtlich im Unterschied zur mitunternehmerischen Personengesellschaft um Privatvermögen und nicht um Betriebsvermögen, was indes nichts an der steuerrechtlichen Grundstruktur ändert, wonach die Personengesellschaft als transparent anzusehen ist, also die Personensteuern (ESt, KSt) auf die Überschüsse der Personengesellschaft bei den Gesellschaftern erhoben werden (s. dazu Rz. 2.417).
2.414
Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG kommt im Wirtschaftsleben häufig vor und ist ein beliebtes Vehikel in der Gestaltungspraxis. Sie wird bevorzugt gewählt bei Fondsstrukturen (Immobilienfonds, Private Equity Fonds, Investmentfonds etc.), bei Joint Venture-Vorhaben und bei der Vermögensanlage und -verwaltung innerhalb des Familienverbunds. Neben der Haftungsbegrenzung bietet die Rechtsform einen gesellschaftsrechtlichen Rahmen, um steuerliches Privatvermögen gemeinschaftlich in optimaler Weise zu verwalten.3
2.415
Der Gründung einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG stehen nicht die Regelungen des Handels- und Gesellschaftsrechts entgegen. Nach §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB kann auch die Rechtsform der Kommanditgesellschaft in Betracht gezogen werden, wenn eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit in gesamthänderischer Verbundenheit beabsichtigt ist. Sie wird ausweislich des § 105 Abs. 2 Satz 1 HGB mit Eintragung in das Handelsregister zur Handelsgesellschaft.4
2.416
2. Einkünftequalifikation a) Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG als eigenständiges Steuerrechtssubjekt Die Rechtszuständigkeit des Verbundes der Gesellschafter im Rahmen der (vermögensverwaltenden) Personengesellschaft (gesamthänderischen Bindung) be1 Bei Überschusseinkünften wird auch von Überschusserzielungsabsicht gesprochen. Die Einkünfteerzielungsabsicht muss sowohl auf der Ebene der Gesellschaft als auch auf Ebene des Gesellschafters gegeben sein, vgl. BFH v. 9.3.2011 – IX R 50/10, BStBl. II 2011, 704 (705). 2 Die Verwirklichung des Tatbestands des § 22 Nr. 1 EStG ist die Ausnahme. Land- und forstwirtschaftliche sowie selbständige Einkünfte stellen nach der hier vertretenen Auffassung keine Einkünfte dar, die von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft verwirklicht werden, ebenso Kemcke/Schäffer in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2013, Teil 3 Rz. 16. Zur Sonderstellung des § 17 EStG s. Rz. 2.420. 3 Vgl. zur GmbH & Co. KG im Allgemeinen Binz/Sorg, GmbHR 2011, 281. 4 Zu beachten ist, dass die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten erst mit der Eintragung begrenzt wird.
Fatouros
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2.417
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
schränkt sich auf die Qualifikation und die Ermittlung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Sie ist aber nicht selbst Subjekt der Einkommensbesteuerung, also weder einkommensteuerpflichtig noch körperschaftsteuerpflichtig. Sie ist nur insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit der Gesellschaft Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind. Solche Merkmale sind insbesondere die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart (§§ 20–23 EStG) und das Erzielen von Gewinn oder Überschuss im Rahmen dieser Einkunftsart.1 Die insoweit reichende Eigenschaft der vermögensverwaltenden Personengesellschaft als Steuerrechtssubjekt lässt indes die Grundentscheidung der §§ 1, 2 EStG und § 1 KStG unberührt, dass Subjekte der Personensteuern allein die einzelnen Gesellschafter sind. Umgekehrt haben die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschafter der vermögensverwaltenden Personengesellschaft grundsätzlich keinen Einfluss auf die Einkünftequalifikation auf Ebene der Gesellschaft. b) Bestimmung der vermögensverwaltenden Tätigkeiten 2.418
Was unter einer vermögensverwaltenden Tätigkeit zu verstehen ist, ist gesetzlich nur unzureichend definiert. Während sich im Einkommensteuerrecht keine Definition findet, beschreibt § 14 Satz 3 AO als negatives Tatbestandsmerkmal der gewerblichen Tätigkeit, wann eine vermögensverwaltende Tätigkeit regelmäßig gegeben ist. In diesem Sinne liegt nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung2 und nach Auffassung der Finanzverwaltung3 Vermögensverwaltung vor, wenn sich die Betätigung noch als Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenen Substanzwerten darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. Bei manchen Betätigungen fällt die Abgrenzung zwischen gewerblicher Betätigung und Vermögensverwaltung nicht leicht. Dann ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.4 Besondere Abgrenzungsprobleme zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ergeben sich u.a. bei der Vermietung von Wohn- und Gewerbeeinheiten, wenn der Vermieter Zusatzleistungen erbringt, bei der Veräußerung von Grundstücken (gewerblicher Grundstückshandel),5 beim Wertpapierhandel und bei der Betätigung von Private Equity Fonds oder im Rahmen anderer Fondsstrukturen. Hierzu ist eine umfangreiche Rechtsprechung ergangen (s. Rz. 2.394 ff.). 1 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 unter C.III.3.a = GmbHR 1984, 355. Vgl. OFD Frankfurt v. 25.2.2015 – S 2253 A - 84 - St 213, LEXinform 5235507, zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. 2 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 unter C. III.1. der Gründe, m.w.N.; BFH v. 3.7.1995, GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (619). 3 R 15.7 Abs. 1 EStR 2012. 4 BFH v. 11.10.2012 – IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538. Zur Abgrenzung vermögensverwaltender Einkünfte untereinander s. Rz. 2.441. 5 S. u.a. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 47 ff.
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Wie bereits zuvor dargestellt (s. Rz. 2.411 ff.), kann aber die Betätigung der Personengesellschaft selbst dann steuerlich als gewerblich einzustufen sein, wenn sie im Wesentlichen oder vollständig originär vermögensverwaltend ist. Eine solche Umqualifikation in gewerbliche Einkünfte sehen die Vorschriften des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Abfärbung bei teilweiser gewerblicher Betätigung)1 und § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (gewerbliche Prägung) vor. Die gewerbliche Prägung setzt eine Personengesellschaft voraus, die keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (s. Rz. 6.15 ff.).
2.419
Ebenfalls fingiert werden gewerbliche Einkünfte gem. § 17 EStG bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, sofern die Anteile im Privatvermögen gehalten werden und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung irgendwann eine Beteiligung von mindestens 1 % vorgelegen hat.2 Den Tatbestand dieser wegen § 20 Abs. 2 EStG an sich entbehrlichen Vorschrift auslösen kann auch eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, was indes nicht zur Folge hat, dass diese gewerblich (infiziert) wird (s. zur Zurechnung von Einkünften gem. § 17 EStG an die Gesellschafter nachfolgend Rz. 2.421 ff.). Zur Abgrenzung einzelner vermögensverwaltender Tätigkeiten untereinander vergleiche Rz. 2.441.
2.420
c) Bruchteilsbetrachtung Insbesondere bei der Verwirklichung der Veräußerungstatbestände der §§ 17 EStG, 20 Abs. 2 und §§ 22 Nr. 2, 23 EStG unter Berücksichtigung entgeltlicher Übertragungen von Wirtschaftsgütern (z.B. Beteiligungen, Grundstücke) zwischen Gesellschaftern und vermögensverwaltender Personengesellschaft stellt sich die Frage, wem die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft ertragsteuerlich zuzuordnen sind. In Betracht kommen die Gesamthand in ihrem rechtlichen Verbund oder der einzelne Gesellschafter der GmbH & Co. KG. Durchgesetzt hat sich Letzteres. Wird die Gesamthand für steuerliche Zwecke außer Betracht gelassen und das einzelne Wirtschaftsgut anteilig den Gesellschaftern zugerechnet, spricht man von der Bruchteilsbetrachtung, die in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO verankert ist.3 Damit wird die Gesamthandsgemeinschaft steuerlich der zivilrechtlichen Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) gleichgestellt.4 Gemäß dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Wann die Zurechnung in Bruchteilen erforderlich ist, entscheidet sich nach dem Zweck der konkreten steuerrechtlichen Norm.
2.421
Hält eine vermögensverwaltende Personengesellschaft Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Gesamthandsvermögen, ist nach herrschender Meinung die Bruch-
2.422
1 S. ausführl. Rz. 6.5 ff. 2 Aus Gründen der Praktikabilität werden Einkünfte gem. § 17 EStG begrifflich den Überschusseinkünften zugerechnet. 3 Ausführlich Wacker, DStR 2005, 2014 ff. 4 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686 = GmbHR 2000, 1059.
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teilsbetrachtung bei der Anwendung des § 17 EStG erforderlich.1 Die Anteile sind den Gesellschaftern so zuzurechnen, als ob sie an den Anteilsrechten unmittelbar in Höhe ihres Bruchteils berechtigt wären. Maßgebend für die Ermittlung der anteiligen Beteiligungsquoten ist allein der Gewinnverteilungsschlüssel.2 Beispiel 2.423
Die vermögensverwaltende AB-GmbH & Co. KG hält in ihrem Gesamthandsvermögen 1,2 % der Geschäftsanteile und Stimmrechte an der C-GmbH. An der AB-GmbH & Co. KG sind die Kommanditisten A und B zu je 50 % beteiligt. Die Komplementär-GmbH ist vermögensmäßig nicht an der AB-GmbH & Co. KG beteiligt. Veräußert die AB-GmbH & Co. KG ihren Geschäftsanteil an der C-GmbH, wird der Tatbestand des § 17 EStG nicht verwirklicht, da kein Mitberechtigter i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG relevant – mit mindestens 1 % des Stammkapitals – beteiligt war.
Abwandlung Anders verhält es sich, wenn A darüber hinaus einen Geschäftsanteil an der C-GmbH i.H.v. 0,4 % unmittelbar halten würde. In diesem Fall wäre A an der C-GmbH relevant beteiligt.3 A hätte das auf ihn entfallende Veräußerungsergebnis zu versteuern.
2.424
Praxishinweis: Zwar erfasst § 17 EStG nur Anteile an Kapitalgesellschaften, die im Privatvermögen gehalten werden. Für die Frage, ob eine relevante Beteiligung von mindestens 1 % vorliegt, sind aber im Betriebsvermögen gehaltene Anteile hinzuzurechnen.4
2.425
Die Bruchteilsbetrachtung hat zur Folge, dass bei der Veräußerung eines Gesamthandsanteils an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft an einen Dritten eine Veräußerung des auf den Mitberechtigten entfallenden Anteils der zum Gesamthandsvermögen gehörenden Beteiligung vorliegt.5 Beispiel
2.426
Siehe zuvor Rz. 2.423 (Abwandlung): Die AB-GmbH & Co. KG behält ihre Beteiligung an der C-GmbH, aber A veräußert seinen Kommanditanteil an der AB-GmbH & Co. KG. Da A relevant an der C-GmbH beteiligt ist, erzielt er mit dem Verkauf gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG. Mit dem Kommanditanteil veräußert A den auf ihn entfallenden Bruchteil von 0,60 % an der zum Gesamthandsvermögen gehörenden Beteiligung an der C-GmbH.
2.427
Schließlich ist die Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft von einem Mitberechtigten auf die Gesamthand insoweit keine Veräußerung, als ihm 1 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686 = GmbHR 2000, 1059; BFH v. 7.4.1976 – I R 75/73, BStBl. II 1976, 557; H 17 Abs. 2 EStH 2014 „Gesamthandsvermögen“; Wacker in Schmidt, § 17 EStG Rz. 55; Wacker, DStR 2005, 2014 (2015 m.w.N.); Gosch in Kirchhof, § 17 EStG Rz. 25; Vogt in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 17 EStG Rz. 275; Eilers/ R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17 EStG Rz. 102. 2 Gosch in Kirchhof, § 17 EStG Rz. 25. 3 Vgl. BFH v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312. 4 H 17 Abs. 2 EStH 2014 „Anteile im Betriebsvermögen“ unter Verweis auf BFH v. 10.11. 1992 – VIII R 40/89, BStBl. II 1994, 222 = GmbHR 1994, 271, 334. 5 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686 = GmbHR 2000, 1059; H 17 Abs. 2 EStH 2014 „Gesamthandsvermögen“.
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die Beteiligung nach der Übertragung zuzurechnen ist.1 Insoweit liegt nämlich steuerrechtlich kein Rechtsträgerwechsel vor. Der Gesellschafter bleibt in Höhe seiner Beteiligungsquote an der vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG steuerrechtlich nach wie vor (Mit-)Eigentümer der eingebrachten Beteiligung. Anschaffungsvorgänge liegen nur insoweit vor, als sich die Anteile der Gesellschafter an der Beteiligung gegenüber der bisherigen Beteiligungsquote erhöht haben.2 Beispiel Siehe zuvor Rz. 2.423 (Abwandlung): Die AB-GmbH & Co. KG behält ihre Beteiligung an der C-GmbH, aber A veräußert seine unmittelbar gehaltene Beteiligung an der C-GmbH an die AB-GmbH & Co. KG.
2.428
Eine Veräußerung liegt anteilig nur in Höhe der Beteiligungsquote des B vor (50 %). Insoweit erzielt A Einkünfte nach § 17 Abs. 1 EStG, da er vor Übertragung relevant an der C-GmbH beteiligt ist. Die AB-GmbH & Co. KG kann auf ihrer Seite nur in Höhe des hälftigen Veräußerungspreises Anschaffungskosten für die Beteiligung ansetzen.
Entsprechendes gilt, wenn Wirtschaftsgüter von der Gesamthand auf einen Gesellschafter übertragen werden.3 Im Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte gem. §§ 20 Abs. 2, 22 Nr. 2 i.V.m. 23 EStG ist umstritten, ob die Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO Anwendung findet. Teilweise wird dies für erforderlich gehalten.4 Begründet werden kann dies mit dem Gesetzeszweck der Vorschriften, wonach bei bestimmten Wirtschaftsgütern Wertsteigerungen (bei § 23 EStG innerhalb festgelegter Fristen) der Besteuerung unterworfen werden sollen. In diese Richtung gehen § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG, die die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft der Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gleichstellen. Ohne § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG (und damit § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG) wäre nach anderer Auffassung aufgrund der rein zivilrechtlichen (sachenrechtlichen) Wertung der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht berührt in Fällen, in denen ein An1 BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 (326) zu Grundstücken; Vogt in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 17 EStG Rz. 279; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, 1383 Rz. 8; BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142 bezogen auf eine Zebragesellschaft, s. dazu Rz. 2.433 f. 2 BFH v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679 (680). 3 Wacker in Schmidt, § 17 EStG Rz. 113. Vgl. aber zur Realteilung ohne Ausgleichszahlung BFH v. 9.9.1996 – IV R 74/95, BStBl. II 1996, 599, unter Verweis auf die Grundsätze zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837 unter C.II.2a). Es mag indes nicht unmittelbar einleuchten, warum bei einer Realteilung nicht ein Tausch angenommen werden kann als Ausfluss der Bruchteilsbetrachtung, sondern analog zur Erbengemeinschaft der Gesellschafter im Ergebnis die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Gesellschaft entsprechend § 11a Abs. 1 Satz 1 EStDV übernimmt. 4 BFH v. 20.4.2004 – IX R 5/02, BStBl. II 2004, 987 (988) zu § 23 EStG bei Erwerb eines Miterbenanteils; BFH v. 21.1.2014 – IX R 9/13, BFH/NV 2014, 745, obiter dictum; vgl. auch FG Düsseldorf v. 14.1.2015 – 15 K 2051/12 F, EFG 2015, 522 (Rev. eingelegt, Az. IX R 10/15); Kemcke/Schäffer in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2013, Teil 3 Rz. 147, 191; Wacker, DStR 2005, 2014 (2016 f.) zu § 23 EStG; BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205 (206) zur Übertragung eines Grundstücks auf die Gesellschaft.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
teilseignerwechsel innerhalb der Haltefrist erfolgt.1 Mischfälle, bei denen sich Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsguts auf unterschiedlichen Ebenen (Gesellschaft, Gesellschafter) abspielen, lassen sich indes nicht ohne weiteres unter den Wortlaut der §§ 20 Abs. 2 Satz 3, 23 Abs. 1 Satz 4 EStG subsummieren.2 Gleichwohl erfordern die Vorschriften auch die Berücksichtigung solcher Konstellationen,3 um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen. Beispiel 2.430
An der inländischen AB-GmbH & Co. KG sind seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2004 die unbeschränkt steuerpflichtigen A und B (natürliche Personen) als Kommanditisten vermögensmäßig zu jeweils 50 % beteiligt. Die Komplementär-GmbH ist folglich vermögensmäßig nicht an ihr beteiligt. Im Gesamthandsvermögen der AB-GmbH & Co. KG befindet sich ein Grundstück, das laut Kaufvertrag am 1.1.2005 angeschafft worden ist. Am 15.6. 2013 veräußert B seinen Kommanditanteil an C. Die AB-GmbH & Co. KG veräußert das Grundstück mit Kaufvertrag vom 15.1.2015 an einen Dritten. Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt die Veräußerung der Beteiligung durch B als Veräußerung des (anteiligen) Grundstücks. Da sich aber die Anschaffung des Grundstücks durch die Gesellschaft im Jahr 2005 und die Veräußerung des Kommanditanteils bzw. des anteiligen Grundstücks in 2013 auf unterschiedlichen Ebenen abgespielt haben, ist u.E. insoweit die Anwendung der Bruchteilsbetrachtung erforderlich, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen. Der Teilakt der Veräußerung ist nach der Bruchteilsbetrachtung B anteilig zuzurechnen mit der Folge, dass B im Jahr 2013 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt. In gleicher Weise stellt sich die Situation im Jahr 2015 für C dar. Der Erwerb der Beteiligung im Jahr 2013 stellt sich für ihn gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als Anschaffung des anteiligen Grundstücks dar. Mit der Veräußerung des Grundstücks durch die Gesellschaft realisiert C Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG ist folglich auf Ebene des Gesellschafters auch auf Teilakte anwendbar; es müssen nicht Anschaffung und Veräußerung der Beteiligung zugleich auf Ebene des Gesellschafters erfolgen, um in dessen Anwendungsbereich zu gelangen. A hingegen hat im Jahr 2015 keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu versteuern, da der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung (jeweils durch die Gesellschaft) des auf ihn entfallenden Bruchteils am Grundstück mehr als zehn Jahre beträgt.
2.431
Praxishinweis: Sowohl auf Ebene der Gesellschafter als auch auf Ebene der GmbH & Co. KG ist bei Veräußerungsvorgängen i.S.v. §§ 20 Abs. 2, 22 Nr. 2 i.V.m. 23 EStG Vorsicht geboten. Nicht selten wird in Fällen des § 23 EStG bei Verkäufen durch die Gesellschaft übersehen, dass einzelne Gesellschafter innerhalb der zehnjährigen Haltefrist beigetreten sind. Insbesondere wenn die Gesellschaft mehrere 1 Nach dieser Ansicht böten die Vorschriften ohne diese Ergänzungen keine gesetzliche Grundlage dafür, die objektive Seite steuerrechtlicher Tatbestandsverwirklichung umzugestalten. Die Bruchteilsbetrachtung gestatte nicht, z.B. die Veräußerung einer gesamthänderischen Beteiligung an einem Grundstück in eine Veräußerung eines Grundstücks umzuqualifizieren. Vgl. BFH v. 10.7.1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997, 678; BFH v. 4.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992, 211; Koenig in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 39 AO Rz. 77. 2 So auch Peter, DStR 1999, 1337 (1339 m.w.N.), der § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht auf Mischfälle angewendet wissen möchte. Auch Glenk in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 23 EStG Rz. 81, hält die Anwendung auf Mischfälle nach dem Wortlaut für zweifelhaft. 3 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 91 zu § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG; Weber-Grellet in Schmidt, § 20 EStG Rz. 149, § 23 EStG Rz. 47; Kemcke/Schäffer in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2013, Teil 3 Rz. 149; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG Rz. 537; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 23 EStG Rz. 241.
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Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG
Grundstücke veräußert, bei denen zwischen Anschaffung und Veräußerung durch die Gesellschaft mehr als zehn Jahre vergangen sind, kann es für den oder die betroffenen Gesellschafter ungeachtet der Frage der Gewerblichkeit „ein böses Erwachen“ geben. Die Finanzverwaltung möchte die Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht auf Fälle der von den §§ 20, 23 EStG erfassten Wirtschaftsgüter anwenden.1 Sofern der Erwerb und die Veräußerung durch die Gesellschaft erfolgen, verwirkliche die vermögensverwaltende Personengesellschaft die Tatbestände der §§ 20 Abs. 2, 23 EStG selbst. Im Übrigen hält sie die Regelungen in § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als ausreichende Rechtsgrundlage, mithin die Bruchteilsbetrachtung nicht für „erforderlich“, um eine steuerliche Erfassung der übrigen Veräußerungsvorgänge zu gewährleisten.
2.432
d) Zebragesellschaften Befindet sich die Beteiligung an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft bei einzelnen (oder allen) Gesellschaftern in einem Betriebsvermögen, spricht man von einer sog. Zebragesellschaft.2 Gesellschafter der Zebragesellschaft können neben privat beteiligten Gesellschaftern sowohl Kapitalgesellschaften sein, deren Einkünfte gem. § 8 Abs. 2 KStG kraft Rechtsform gewerblich sind, als auch andere Gewerbetreibende (gewerblicher Einzelunternehmer, gewerblich tätige und geprägte Personengesellschaften). Besonderheiten ergeben sich für die gewerblich beteiligten Gesellschafter bezüglich der ihnen zuzurechnenden Einkünfte. Die Zebragesellschaft bleibt zwar eine vermögensverwaltende Gesellschaft und erzielt weiterhin Überschusseinkünfte i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die auf die betrieblich beteiligten Gesellschafter entfallenden Überschusseinkünfte sind jedoch auf Ebene der Gesellschafter in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren. Die gemäß der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO den gewerblich beteiligten Gesellschaftern zuzurechnenden Wirtschaftsgüter sind folglich betrieblich verhaftet, wodurch Wertsteigerungen sämtlicher Wirtschaftsgüter unabhängig von den Grenzen des § 23 EStG steuerverstrickt sind. Veräußert die Zebragesellschaft beispielsweise ein Grundstück nach mehr als 10 Jahren, ist der Veräußerungsgewinn oder -verlust, der anteilig auf die gewerblich beteiligten Gesellschafter entfällt, in deren Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Dem betrieblich beteiligten Gesellschafter stehen aber auf der anderen Seite die Steuervergünstigungen zu, die Betriebsvermögen voraussetzen. Entsteht z.B. bei der Veräußerung des Grundstücks ein Gewinn, stehen dem betrieblich Beteiligten, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt, grundsätzlich die Vorteile des § 6b EStG zu. Bei Leistungsbeziehungen zwischen dem betrieblich beteiligten Gesellschafter und der Zebragesellschaft ist zu beachten, dass die Zebragesellschaft nach wie vor Überschusseinkünfte erzielt und kein eigenes Betriebsvermögen unterhält. Daher sind die Vorschriften des § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht anwendbar. 1 OFD Frankfurt v. 7.8.2014 – S 2256 A - 41 - St 213, DB 2014, 2139. Sie subsummiert Mischfälle unter § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG. Vgl. auch BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/10/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 73 ff. 2 Vgl. u.a. BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142.
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§2 2.434
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Die Zebragesellschaft selbst wird nicht dadurch zu einem Gewerbebetrieb, weil an ihr teilweise oder ausschließlich Gesellschafter beteiligt sind, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten.1 Der Gewerbesteuer unterliegen vielmehr die gewerblich beteiligten Gesellschafter. Für die Frage, ob bei diesen die Hinzurechnungs- (§ 8 GewStG) und Kürzungsvorschriften (§ 9 GewStG) für Vorgänge der Zebragesellschaft Anwendung finden, sollte es u.E. infolge der Bruchteilsbetrachtung darauf ankommen, ob die Vorschriften die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen der Gesellschafter voraussetzen. Ist das der Fall, sollte der Anwendung der Vorschriften nicht entgegenstehen, dass die Wirtschaftsgüter u.U. nur anteilig erfasst werden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zum Gewerbebetrieb des Gesellschafters kann jedenfalls angenommen werden, weil nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts die Vermögenswerte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft anteilig zum Betriebsvermögen des Gesellschafters der Zebragesellschaft gehören.2 Vor dem Hintergrund überzeugt das Urteil des BFH v. 19.10.20103 zur Kürzungsvorschrift nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht, wonach einer Komplementärin die Kürzungsvorschrift für ihr von einer grundbesitzenden vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG zuzurechnender Grundbesitz versagt blieb, weil es sich nicht ausschließlich um „eigenen“ Grundbesitz handele. Hierbei ist u.E. nicht, wie der BFH meint, die „zivilrechtliche Grundlegung“ zwingend maßgebend, sondern es wäre durchaus vertretbar, entsprechend § 20 Abs. 1 GewStDV nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu entscheiden mit der Folge, dass bezogen auf den anteiligen Grundbesitz der Zebragesellschaft die Kürzung zulässig ist.4
3. Einkünfteermittlung a) Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten 2.435
Verwirklicht die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit die Tatbestände der Überschusseinkunftsarten gem. §§ 20–23 EStG, hat sie ihre Einkünfte gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG als Überschuss der Einnahmen (§ 8 EStG) über die Werbungskosten (§ 9 EStG) zu ermitteln. Ihr sind dann die Einnahmen und Werbungskosten sachlich zuzurechnen. In zeitlicher Hinsicht bestimmt sich die Zurechnung der Einnahmen und Werbungskosten nach § 11 EStG. Es gilt also das Zufluss- und Abflussprinzip.5 Seit 2009 verdrängt die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach bei Einkünften aus Kapitalvermögen unter dem Regime der Abgeltungsteuer § 20 Abs. 9 EStG vorbehaltlich der Regelung des § 32d Abs. 2 EStG an die Stelle des § 9 EStG tritt, die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
1 BFH v. 7.2.1985 – IV R 31/83, BStBl. II 1985, 372. 2 BFH v. 11.7.1996 – IV R 103/94, BStBl. II 1997, 39 = GmbHR 1997, 86. 3 BFH v. 19.10.2010 – I R 67/09, BStBl. II 2011, 367. Ebenso FG Hess. v. 7.5.2012 – 8 K 2580/11, LEXinform 5014229 (Rev. eingelegt, Az. IV R 24/12). 4 Ebenso FG Berlin-Bdb. v. 6.5.2014 – 6 K 6322/13, EFG 2014, 1420 (Rev. eingelegt, Az. IV R 26/14). 5 Der Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 2 EStG wird hingegen abweichend vom Zuflussprinzip ereignisbezogen analog zum Betriebsvermögensvergleich ermittelt, BFH v. 29.6. 1995 – VIII R 69/93, BStBl. II 1995, 725 = GmbHR 1995, 836.
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Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG
EStG. Ein Werbungskostenabzug ist danach insoweit grundsätzlich nicht möglich.1 Eine weitere Sonderregelung, die in § 2 Abs. 2 EStG nicht erwähnt wird, ist in § 20 Abs. 4 EStG enthalten. Die Vorschrift regelt die Gewinnermittlung der Veräußerungsfälle des § 20 Abs. 2 EStG. Erzielt die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG neben den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind die Werbungskosten nötigenfalls aufzuteilen, da Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich abzugsfähig sind. Da die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG Überschusseinkünfte erzielt, ergeben sich für sie keine steuerlichen Buchführungspflichten. Eine originäre steuerliche Buchführungspflicht, wie sie in § 141 AO normiert ist, betrifft nur gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte. Auch die sich aus den §§ 238 ff. HGB für die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG ergebenden handelsrechtlichen Buchführungspflichten haben anders als bei den Gewinneinkünften keinen Einfluss auf die Art der steuerlichen Einkünfteermittlung. Aus ihnen kann keine steuerliche Buchführungspflicht nach § 140 AO abgeleitet werden, da für die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten die handelsrechtlichen Bücher und Aufzeichnungen nicht „von Bedeutung sind“.2 Daraus folgt, dass für die Gesellschaft zwei unterschiedliche Ergebnisse ermittelt werden müssen. In der Praxis wird regelmäßig aufbauend auf der handelsrechtlichen Buchführung der Jahresabschluss erstellt und aus ihm die steuerliche Überschussrechnung abgeleitet (zur Publizität s. Rz. 7.39, 7.42 ff.). Eine solche Überleitungsrechnung erfordert einen Übergang von der periodengerechten Abgrenzung nach den Bilanzierungsgrundsätzen hin zur Überschussrechnung nach dem Zufluss- und Abflussprinzip und wird insbesondere dann, wenn die Abgrenzungsbuchungen zahlreich sind, als misslich erachtet. Es empfiehlt sich daher, die handelsrechtlichen Abgrenzungsbuchungen zu separieren oder in anderer Weise in der Buchführung kenntlich zu machen.
2.436
Wie bereits § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG verdeutlicht (siehe Rz. 2.435), sind die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Überschusseinkünfte ungeachtet des Umstands zu beachten, dass die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG den jeweiligen Tatbestand in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verwirklicht. Zu diesen Besonderheiten zählt § 21 Abs. 1 Satz 2
2.437
1 Ein Abzug soll selbst dann nicht zulässig sein, wenn die Werbungskosten auf vor dem 1.1. 2009 zugeflossene Erträge entfallen und danach keine Erträge aus dieser Quelle mehr zufließen, vgl. BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S-2252/10/10013, BStBl. I 2012, 953, Rz. 322; BFH v. 1.7.2014 – VIII R 53/12, BStBl. II 2014, 975 = GmbHR 2014, 1275 und BFH v. 2.12.2014 – VIII R 34/13, BFH/NV 2015, 570; diese Auffassung vermag vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks der Abgeltungsteuer nicht zu überzeugen. Der Steuerpflichtige konnte die Alt-Erträge nicht der Abgeltungsteuer unterwerfen und unterliegt trotzdem dem Abzugsverbot für nachlaufende Werbungskosten. Diese Ungleichbehandlung ist u.E. auch nicht mit dem Gedanken der mit der Einführung der Abgeltungsteuer bezweckten Vereinfachung der Besteuerung von Kapitalerträgen zu rechtfertigen. Nach dem Urteil des FG Köln v. 22.7.2014 – 8 K 1937/11, EFG 2014, 1880, hat der VIII. Senat des BFH nochmals Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen (Rev. eingelegt, Az. VIII R 42/14). S. auch das anhängige Verfahren beim BVerfG, 2 BvR 878/15, zu dieser Rechtsfrage. 2 Kemcke/Schäffer in Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2013, Teil 3 Rz. 51 f.; Wichmann, Stbg. 2015, 5 m.w.N.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
EStG, der die sinngemäße Anwendung der §§ 15a und 15b1 EStG anordnet. Dadurch soll eine Gleichbehandlung mit gewerblichen Einkünften erreicht werden.2 2.438
§ 15a EStG regelt die Verlustnutzung bei einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft und beschränkt diese auf eine gegenwärtige Vermögenseinbuße oder -gefährdung durch Haftung (s. zu § 15a EStG Rz. 6.391).3 Soweit der Verlust nicht ausgeglichen oder abgezogen werden darf (sog. verrechenbarer Verlust), mindert er nach § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind. Die sinngemäße Anwendung des § 15a EStG – wohlbemerkt nur auf negative Einkünfte nach § 21 EStG – bereitet insofern Schwierigkeiten, als die Vorschrift ein (negatives) Kapitalkonto voraussetzt, das im Wege eines Bestandsvergleichs (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 EStG) ermittelt wird. Da die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG keine Steuerbilanz aufstellt und hierfür alternativ nicht das handelsrechtliche Kapitalkonto des Gesellschafters herangezogen werden kann, ist für jeden Gesellschafter zwecks Ermittlung des individuellen Verlustausgleichsvolumens ein fiktives Kapitalkonto zu führen, das den Grundsätzen des § 15a EStG weitestgehend entsprechen soll.4 Dabei ist von den geleisteten Einlagen auszugehen. Diese sind um spätere Einlagen sowie um die positiven Einkünfte der Vorjahre zu erhöhen und um die Entnahmen und negativen Einkünfte der Vorjahre zu vermindern.5 Da §§ 15a Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 1 Satz 2 EStG unabhängig von der Einkunftsart formuliert sind und die Verrechenbarkeit mit künftigen Überschüssen allein an die gesellschaftsrechtliche Beteiligung knüpft, sind alle Überschüsse verrechnungsfähig, die mit der Beteiligung in Zusammenhang stehen.6 Diese Überschüsse können aus anderen Überschusseinkünften einschließlich etwaigen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen resultieren. Das gilt auch für Gewinne aus Kapitalvermögen, ganz gleich, ob sie der Abgeltungsteuer unterliegen oder nicht.7 Die Verrechnung mit diesen Einkünften scheitert nicht daran, dass die Einkünfte einem gesonderten Steuertarif unterliegen oder umgekehrt deren Verluste nicht mit Überschüssen anderer Einkünfte ausgeglichen werden dürfen.
2.439
Praxishinweis: Die von der Rechtsprechung bestätigten Grundsätze zur Verlustverrechnung i.S. des § 15a EStG eröffnen einerseits den Gesellschaftern neue Gestaltungsmöglichkeiten. So könnte erwogen werden, gewinnträchtige Einkunftsquellen auf die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG zu übertragen, sofern die Gesellschaft über ausreichende verrechenbare (Alt-)Verluste nach § 15a EStG verfügt. Andererseits wird man bemüht sein, etwaige Nachteile zu vermeiden, z.B. unter Umständen eine Verrechnung der Verluste mit der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitalerträgen. Bei all den Überlegungen ist aber Vorsicht geboten, 1 2 3 4 5
Vgl. BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 13. S. Rz. 2.389. BFH v. 2.9.2014 – IX R 52/13, GmbHR 2015, 213 = BFH/NV 2015, 381. BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167. Kulosa in Schmidt, § 21 EStG Rz. 111. BFH v. 8.9.1992 – IX R 335/87, BStBl. II 1993, 281. Hinzugerechnet und abgezogen werden die steuerpflichtigen Überschusseinkünfte. Dazu zählen auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, vgl. BFH v. 15.10.1996 – IX R 72/92, BStBl. II 1997, 250. Eine Überleitung zum Bestandsvergleich (Steuerbilanz) erfolgt nicht. 6 BFH v. 2.9.2014 – IX R 52/13, GmbHR 2015, 213 = BFH/NV 2015, 381. 7 H 21.2 EStH 2014 „Sinngemäße Anwendung des § 15a EStG“.
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Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG
weil die Materie sehr komplex und aktuell ungewiss ist, welche Schlüsse die Finanzverwaltung aus dem Urteil vom 2.9.20141 zieht. Das gilt auch im Hinblick auf die Berechnung des fiktiven Kapitalkontos sowie verfahrensrechtlich (s. dazu Rz. 2.446 f.). Bei Aufwendungen, die wirtschaftlich durch die Beteiligung des Gesellschafters verursacht sind und in dessen originärem Interesse von diesem alleine getragen werden, handelt es sich um sog. Sonderwerbungskosten. Sonderwerbungskosten sind z.B. Finanzierungskosten für den Erwerb der Beteiligung. Diese finden nicht Eingang in die Einkünfteermittlung der vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG, sind also nicht aufzuteilen, sondern allein dem betreffenden Gesellschafter im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung zuzurechnen.2 In gleicher Weise verhält es sich mit Sondereinnahmen, die ein Gesellschafter persönlich erhält. Auch Sondereinnahmen müssen durch die Beteiligung verursacht sein und dürfen nicht in einem unmittelbaren Veranlassungszusammenhang mit einer Tätigkeit der Gesellschaft stehen.
2.440
Die von der vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG erzielten Einkünfte sind voneinander abzugrenzen, da diese teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen. Werden z.B. Werbungskosten nicht den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet, sondern der Veräußerung des Grundstücks, wirken sie sich steuerlich nicht aus, wenn die 10-jährige Haltefrist überschritten und damit die §§ 22, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht einschlägig sind. Die Bedeutung der Einkünfteabgrenzung hat sich seit Einführung der Abgeltungsteuer weiter erhöht und ist zurückzuführen auf den gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG und das für diese Einkünfte verankerte Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG sowie auf die eingeschränkten Verlustabzugsmöglichkeiten. Grundlage für die Einkünfteabgrenzung sind die gesetzlichen Konkurrenzklauseln in §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1, 3 und 23 Abs. 2 EStG.3 Sie erläutern indes nicht, wie die eigentliche Abgrenzung vorzunehmen ist. Die Zuweisung von Einnahmen und Werbungskosten zu den einzelnen Überschusseinkünften bestimmt sich nach deren Veranlassung. Dies geschieht in Zweifelsfällen wie z.B. bei Zinseinnahmen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.4 Ein genereller Grundsatz, wonach Zinseinnahmen aus der Anlage der aus der Vermietung erzielten Überschüsse aufgrund ihrer Eigenart stets den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen ist verdrängen, existiert u.E. nicht.5
2.441
1 BFH v. 2.9.2014 – IX R 52/13, GmbHR 2015, 213 = BFH/NV 2015, 381. 2 Vgl. OFD Frankfurt v. 25.2.2015 – S 2253 A - 84 - St 213, LEXinform 5235507. 3 § 20 Abs. 8 EStG soll als lex specialis im Verhältnis zur allgemeinen Regelung in § 21 Abs. 3 EStG vorrangig die Einkünfte zuweisen, vgl. BFH v. 21.6.1994 – IX R 57/89, BFH/NV 1995, 106. 4 Einzelfälle zur Abgrenzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und der Einkünfte aus Kapitalvermögen vgl. BFH v. 8.12.1992 – VIII R 78/89, BStBl. II 1993, 301 (Guthabenzinsen aus Bausparverträgen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) und BFH v. 8.2.1983 – VIII R 163/81, BStBl. II 1983, 355 (Abschlussgebühren für Bausparverträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung). 5 Gleichwohl wird der Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei der Kapitalanlage in der Regel getrennt, vgl. BFH v. 15.3.2000 – I R 69/99, BStBl. II 2000, 355.
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Zu prüfen ist, ob der Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung tatsächlich gelöst bzw. überlagert wurde und damit eine weitere Erwerbsquelle hinzugetreten ist. Die Rechtsprechung leitet die Zuordnung von Einnahmen und Werbungskosten zu den einzelnen Überschusseinkunftsarten ebenfalls aus dem Veranlassungsprinzip ab. Gefordert wird ein wirtschaftlicher, mithin innerer und objektiver Zusammenhang.1 In dem eingangs genannten Beispiel zur Veräußerung eines Grundstücks ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht (mehr) gegeben, soweit ein Geldzufluss allein oder ganz überwiegend durch die Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsguts veranlasst ist. Vor diesem Hintergrund schließen sich die Regelungen des § 21 EStG und § 23 EStG aus.2 2.442
Praxishinweis: Zu den Werbungskosten bei den Einkünften nach § 23 EStG zählen im Fall der Veräußerung eines Grundstücks nicht nur die unmittelbar dadurch ausgelösten Notar-, Grundbuch- und Maklerkosten, sondern ebenfalls regelmäßig die sog. Vorfälligkeitsentschädigung, die im Fall der vorzeitigen Ablösung von Darlehen von den Kreditinstituten erhoben wird. Der bestehende – durch die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Anschaffungskosten einer der Vermietung dienenden Immobilie begründete – wirtschaftliche Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit wird überlagert bzw. ersetzt von einem neuen, durch die Veräußerung ausgelösten Veranlassungszusammenhang.3 Gern übersehen wird, dass auch bei klassischen laufenden Kosten wie z.B. Reparaturkosten oder Schuldzinsen der Abzug versagt werden kann, sofern die Kosten zu einem Zeitpunkt geleistet werden, in dem der Entschluss über die Veräußerung des Grundstücks nachweislich getroffen worden ist.4 b) Einkünftefeststellung
2.443
Nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte sowie deren Verteilung auf die Gesellschafter jeweils getrennt im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu erfassen. Im Rahmen dieser Feststellung ist auch über die Art der erzielten Einkünfte zu entscheiden.5 Wie dies bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, insbesondere in Gestalt einer Zebragesellschaft, zu erfolgen hat, war lange Zeit selbst unter den einzelnen Senaten des BFH umstritten.6 Im Kern ging es in dieser Streitfrage darum, auf welcher Ebene die endgültige Qualifikation und daraus abgeleitet die Höhe der Einkünfte der Gesellschafter festgestellt bzw. ermittelt werden sollte. Getrieben wurde diese Diskussion von dem Wunsch nach einem für alle Beteiligten praktikablen Verfahren, das sich in das vorhandene Verfahrensrecht ein1 Vgl. BFH v. 27.7.2004 – IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188; BFH v. 13.1.2015 – IX R 13/14, BFH/NV 2015, 889. 2 BFH v. 13.1.2015 – IX R 13/14, BFH/NV 2015, 889. 3 BFH v. 11.2.2014 – IX R 42/13, BStBl. II 2015, 633. BMF v. 27.7.2015 – IV C 1 – S-2211/11/10001, BStBl. I 2015, 581 Tz. 2.5. 4 Zu Reparaturkosten vgl. BFH v. 23.1.1990 – IX R 17/85, BStBl. II 1990, 465; zu Schuldzinsen vgl. BFH v. 16.6.2004 – X R 22/00, BStBl. II 2005, 91. Zur insoweit zu berücksichtigenden Bruchteilsbetrachtung vgl. BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl. II 2015, 639. 5 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 unter C.1. 6 Vgl. Darstellung in Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 203.
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betten lässt. Teilweise wurde für Zebragesellschaften ein mehrstufiges Feststellungsverfahren verlangt, bei dem die Finanzämter der Gesellschaft und der Gesellschafter die Besteuerungsgrundlagen des Gesellschafters wechselseitig verbindlich feststellen sollten (sog. Ping-Pong-Lösung).1 Gefordert wurden zudem Verfahrensweisen, wonach die ausschließliche und endgültige Feststellung der Einkünfte des Gesellschafters auf Ebene der (Zebra-)Gesellschaft erfolgen müsse2 oder – im Gegenteil – auf Ebene des Gesellschafters.3 Die Finanzverwaltung legte sich frühzeitig auf ein zweistufiges Verfahren fest, bei dem die Überschusseinkünfte zunächst auf Ebene der Gesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt werden. Erst auf Ebene des einzelnen Gesellschafters soll anschließend überprüft werden, ob die festgestellten Überschusseinkünfte in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren und in welcher Höhe sie festzustellen sind.4 Der Ping-Pong-Lösung erteilte die Finanzverwaltung eine Absage, weil sie befürchtete, dass die Umsetzung der Lösung das Besteuerungsverfahren komplizieren und praktische Probleme aufwerfen werde.5 Gleiches galt hinsichtlich der Lösung, die Umqualifizierung bereits auf Ebene der Zebragesellschaft vorzunehmen.6
2.444
Der Große Senat des BFH hat sich mit Beschluss vom 11.4.20057 der Auffassung der Finanzverwaltung und des IX. Senats des BFH angeschlossen, wonach auf Ebene der Personengesellschaft nur die von ihr verwirklichten Einkünfte festgestellt werden. Außerhalb der Beteiligung hinzutretende Tatbestandsmerkmale seien dabei nicht zu berücksichtigen. Sie gehörten nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids. Die Entscheidung des Großen Senats ist nachvollziehbar, da nur auf diese Weise – worauf er selbst hinweist – verfahrensrechtlich die größtmögliche Praktikabilität und Verfahrensökonomie bei den Finanzämtern gewährleistet ist.
2.445
Gesondert und einheitlich für jeden Kommanditisten festgestellt werden auch die verrechenbaren Verluste, die gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG unter sinngemäßer Anwendung des § 15a EStG ermittelt werden (s. dazu Rz. 2.438). Dies ergibt sich aus § 15a Abs. 4 EStG. Dabei handelt es sich um einen neben die Feststellung nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO tretenden selbständigen Verwaltungsakt, die zwar miteinander verbunden werden, aber gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind.8 Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte i.S. der §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist dabei Grundlagenbescheid i.S.v. §§ 171 Abs. 10 Satz 1, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO für die Feststellung i.S.
2.446
1 BFH v. 11.12.1997 – III R 14/96, BStBl. II 1999, 401. Dem III. Senat folgend BFH v. 4.11.1999 – XI B 25/99, BFH/NV 2000, 306. 2 Vgl. u.a. BFH v. 11.7.1996 – IV R 103/94, BStBl. II 1997, 39 = GmbHR 1997, 86. Dem IV. Senat folgend BFH v. 4.10.2001 – I B 53/01, BFH/NV 2002, 308. 3 BFH v. 30.10.2002 – IX R 80/98, BStBl. II 2003, 167, Vorlagebeschluss für den Großen Senat, s. Rz. 2.445. 4 BMF v. 29.4.1994 – IV B 2 - S-2241 - 9/94/IV A 4 - S 0361 - 11/94, BStBl. I 1994, 282. 5 Nichtanwendungserlass BMF v. 8.6.1999 – IV C 2 - S-2241 - 35/99, BStBl. I 1999, 592. 6 Nichtanwendungserlass BMF v. 27.12.1996 – IV B 2 - S-2241 - 78/96, BStBl. I 1996, 1521. 7 GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679. 8 BFH v. 7.9.2006 – IX B 199/05, BFH/NV 2007, 75. S. auch BFH v. 23.10.1989 – GrS 2/87, BStBl. 1990, 327, bezüglich Feststellungsbescheiden, die mehrere Feststellungen enthalten.
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des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG. Ebenso ist aber auch der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlusts i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG Grundlagenbescheid für den weiteren Verwaltungsakt der Feststellung der bei den Veranlagungen der Kommanditisten anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte, da er Bindungswirkung hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit des Verlusts entfaltet.1 2.447
Bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern gelten Besonderheiten. Werden die Veräußerungstatbestände des § 23 EStG oder des § 20 Abs. 2 EStG ausschließlich von der Gesellschaft selbst verwirklicht, sind diese einheitlich und gesondert festzustellen.2 Eine solche Tatbestandsverwirklichung liegt aber nur vor, wenn sowohl das Anschaffungs- als auch das Veräußerungsgeschäft von der Gesellschaft getätigt worden ist. Wird die Tatbestandsverwirklichung jedoch zumindest teilweise von dem Gesellschafter bzw. Feststellungsbeteiligten ausgelöst (Anschaffung und Veräußerung der Beteiligung durch den Gesellschafter, Anschaffung und Veräußerung auf unterschiedlichen Ebenen, sog. Mischfälle), sind die Einkünfte nicht im Feststellungsverfahren der Gesellschaft, sondern im Verfahren über die Einkommensfestsetzung des Gesellschafters festzustellen und zu berücksichtigen (s. dazu zuvor Rz. 2.432).3 In dem Fall verwirklichen die Gesellschafter den Tatbestand der Einkünfteerzielung nämlich nicht gemeinsam. Die Besteuerungsgrundlagen teilt das Feststellungsfinanzamt für diese Zwecke dem Finanzamt des Gesellschafters nachrichtlich mit. Das Finanzamt des Kommanditisten hat dabei u.E. auch die Verrechnung etwaiger Überschüsse mit verrechenbaren Verlusten entsprechend §§ 15a, 21 Abs. 1 Satz 2 EStG vorzunehmen (s. dazu Rz. 2.438 f., 2.446).4 Zu Besonderheiten bei der Publikums-KG s. Rz. 2.382.
2.448
Anders verfahren wird bei Tatbeständen des § 17 EStG. Aus der Bruchteilsbetrachtung folgert die Finanzverwaltung, dass diese Veräußerungsvorgänge nicht Gegenstand einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sein können.5 Danach ist stets im Rahmen der persönlichen Steuerfestsetzung der Feststellungsbeteiligten zu prüfen, ob gewerbliche Einkünfte nach § 17 EStG erzielt worden sind.6
2.449
Ferner finden Sondereinnahmen und Sonderwerbungskosten7 sowie die Kapitalertragsteuer8 einschließlich der Zuschlagsteuern Eingang in die gesonderte und einheitliche Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Sparerfreibeträge gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können auf Ebene der Gesellschaft nicht berücksich1 BFH v. 22.6.2006 – IV R 31, 32/05, BStBl. II 2007, 687. 2 Vgl. BFH v. 21.1.2014 – IX R 9/13, BFH/NV 2014, 745; OFD Frankfurt v. 7.8.2014 – S 2256 A - 41 - St 213, DB 2014, 2139 Rz. 2. 3 BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/20/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 72 ff.; OFD Frankfurt v. 7.8.2014 – S 2256 A - 41 - St 213, DB 2014, 2139. 4 Verfahrensrechtlich stellt sich indes die Frage, wer das (fiktive) Kapitalkonto zu ermitteln hat und wie die Feststellung des verrechenbaren Verlusts ggf. berichtigt wird. Geht das Ping-Pong-Spiel von Neuem los? 5 H 17 Abs. 2 EStH 2014 „Gesamthandsvermögen“; OFD Frankfurt v. 7.8.2014 – S 2256 A 41 - St 213, DB 2014, 2139 Rz. 15. 6 Bezüglich des Ausgleichs positiver Einkünfte nach § 17 EStG mit gesondert festgestellten verrechenbaren Verlusten nach §§ 21 Abs. 1 Satz 2, 15a EStG s. Rz. 2.438 f., 2.446 und 2.447. 7 Vgl. BFH v. 23.4.1991 – IX R 303/87, BFH/NV 1991, 653. 8 BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/20/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 287.
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Einheitsgesellschaft
tigt werden, Freistellungsaufträge mithin nicht erteilt werden.1 Auch die Inanspruchnahme der Veranlagungsoption gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG wird auf der Ebene der Gesellschafter im Veranlagungsverfahren entschieden.2 Praxishinweis: Häufig werden Sonderwerbungskosten nicht in der Feststellungserklärung angegeben. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Mitunter werden die Gesellschafter weder darüber informiert, dass die Steuererklärung erstellt wird, noch aufgefordert, entsprechende Angaben zu machen. Dies kann empfindliche Folgen haben, wenn ein Feststellungsbescheid in Bestandskraft erwächst.3 Aus dem Grund sollte der steuerliche Berater hierauf rechtzeitig sein Augenmerk richten. Einstweilen frei.
2.450
2.451–2.460
H. Besondere Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG I. Einheitsgesellschaft Wesensmerkmal der sog. Einheits-GmbH & Co. KG („Einheitsgesellschaft“) ist, dass die KG Alleingesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH ist. Die Komplementär-GmbH ist damit persönlich haftende Gesellschafterin der KG und gleichzeitig deren Tochtergesellschaft.4
2.461
In der personen- und beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG bedarf es eines nicht unerheblichen kautelarjuristischen Aufwands, um die Rechtsverhältnisse in der KG und der Komplementär-GmbH aufeinander abzustimmen und die Gesellschaftsverträge miteinander zu verzahnen.5 Durch entsprechende Klauseln in den Gesellschaftsverträgen von KG und GmbH muss bspw. geregelt werden, dass in der geschäftsführenden Komplementär-GmbH und der unternehmenstragenden GmbH & Co. KG stets identische Beteiligungsverhältnisse bestehen sollen und in beiden Gesellschaften die Willensbildung nach möglichst gleichen Regeln statt-
2.462
1 BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/20/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 286, 289. 2 BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/20/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 72. 3 Vgl. BFH v. 23.8.2011 – IX R 8/11, BFH/NV 2012, 2, wonach die nachträgliche Feststellung von Sonderwerbungskosten im Rahmen eines Ergänzungsbescheids gem. § 179 Abs. 3 AO nicht möglich ist. Sonderwerbungskosten können nachträglich nur durch Änderung der Feststellungsbescheide unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. i.V.m. § 181 Abs. 1 AO berücksichtigt werden. 4 Zur Einheitsgesellschaft u.a. Bahnsen, GmbHR 2001, 186; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 1 ff.; Esch, BB 1991, 1129; Hahn, Die Beschlussfassung in der GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft, 2004; Jorde/Götz, BB 2005, 2718; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. 9 ff.; Schäfers, GmbH-Stpr 2010, 198; K. Schmidt, ZIP 2007, 2193; K. Schmidt in FS H.P. Westermann, 2008, S. 1425 ff.; Spiegelberger in Liber amicorum Mock, 2009, S. 303 ff.; Werner, DStR 2006, 706 sowie bereits Schilling in FS Barz, 1974, S. 67 ff.; Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co., 1967, S. 47 ff. und Ippen, Die GmbH & Co. KG als Inhaberin sämtlicher Geschäftsanteile ihrer allein persönlich haftenden Gesellschafterin, 1967. 5 S. zur Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG Rz. 3.187 ff.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
findet. Harmonisierungs- und Verzahnungsbedarf besteht insbesondere wegen der unterschiedlichen erbrechtlichen Behandlung von Kommanditanteil und GmbHGeschäftsanteil. Aber auch auf weiteren Gebieten, wie bspw. bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Dritter in die Beteiligung, bei Auflösungsklagen und (Hinaus-)Kündigung oder für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters besteht in der typischen GmbH & Co. KG insoweit Handlungsbedarf. Das Gleiche gilt für Regelungen zur Vinkulierung oder zu Vorkaufsrechten. 2.463
Harmonisierung und Verzahnung der Vertragswerke sind entbehrlich, wenn alle Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH von der GmbH & Co. KG gehalten werden. Die Kommanditisten sind dann nicht mehr unmittelbar, sondern nur noch mittelbar über ihre Beteiligung an der KG an der Komplementär-GmbH beteiligt. Sie halten damit nicht mehr zwei, sondern nur noch eine Gesellschaftsbeteiligung. Anteilsübertragungen finden dann nur noch auf Ebene der KG statt. Da nur noch Kommanditanteile übertragen werden, erübrigen sich komplizierte Regelungen zur Herstellung und Wahrung der Beteiligungsidentität bei GmbH und GmbH & Co. KG. Die Gefahr, dass es bspw. im Erbgang zu unterschiedlichen Beteiligten oder zu unterschiedlichen Beteiligungsquoten an GmbH und KG kommt, ist ausgeschlossen. Die Satzung der GmbH kann äußerst knapp gehalten werden, da sie mit der KG nur noch einen einzigen Gesellschafter hat. Die für das Zusammenwirken der Gesellschafter entscheidenden Regelungen sind nur noch bei der KG zu treffen und folgen somit dem wesentlich flexibleren Recht der Kommanditgesellschaft. Da nach Bildung der Einheitsgesellschaft bei einem Gesellschafterwechsel nur noch der Kommanditanteil übertragen wird, entfällt zudem die Verpflichtung, Anteilsübertragungen notariell zu beurkunden.
2.464
Auch wenn in der Literatur die Konstruktion der Einheitsgesellschaft recht unterschiedlich aufgenommen wurde,1 ist ihre Zulässigkeit heute unbestritten.2 Die Themen Gläubigerschutz und Willensbildung, die früher als entscheidende Gesichtspunkte gegen die Einheitsgesellschaft vorgebracht wurden, sind nach heutigem Rechtsverständnis auch in der Einheitsgesellschaft handhabbar.
1. Gläubigerschutz 2.465
Gegen die Einheitsgesellschaft wurden Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes erhoben.3 Die Gläubiger der KG, denen die Komplementär1 So wird sie z.B. von Schilling in FS Kunze, 1969, S. 197, als Vereinheitlichungsmodell gefeiert, während K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3e), sie als „hypertrophe Rechtskonstruktion“ bezeichnet hat, bei der die Fantasie der Kautelarjuristen mit dem Gesellschaftsrecht durchgegangen sei. Inzwischen ist die Einheitsgesellschaft aber auch für K. Schmidt eine intelligente „und am Ende sogar ganz einfache Gestaltung“, s. hierzu K. Schmidt, ZGR 2011, 108 ff. 2 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 = GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner, sowie BFH v. 9.5.1985 – IV R 76/83, GmbHR 1986, 64. Auch der Gesetzgeber geht von der Zulässigkeit der Einheitsgesellschaft aus, was insbesondere in § 172 Abs. 6 HGB und § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB zum Ausdruck kommt. Aus dem Schrifttum bspw. Bahnsen, GmbHR 2001, 186; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 1 ff.; Esch, BB 1991, 1129; Jorde/ Götz, BB 2005, 2718; Werner, DStR 2006, 706 und damals bereits wohlwollender K. Schmidt, ZIP 2007, 2193 sowie K. Schmidt in FS H.P. Westermann, 2008, S. 1425 ff. 3 Eltermann, GmbHR 1973, 207; Gonella, DB 1965, 1615.
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Einheitsgesellschaft
GmbH nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG haftet, haben einen Anspruch auf Aufbringung und Erhaltung sowohl des Stammkapitals der GmbH als auch auf das Haftkapital der KG. Das eine darf nicht durch das andere erbracht werden.1 Beide Haftungsmassen müssen unabhängig von einander aufgebracht werden und erhalten bleiben.2 Mit den bestehenden gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften für die GmbH und den Bestimmungen über die Erbringung und Rückgewähr der Kommanditeinlage ist dies aber auch bei der Einheitsgesellschaft gewährleistet, so dass ein ausreichender Gläubigerschutz gegeben ist. Zunächst einmal bestimmt § 172 Abs. 6 HGB, dass ein Kommanditist seine Hafteinlage nicht dadurch erbringen kann, dass er seine Anteile an der KomplementärGmbH auf die GmbH & Co. KG überträgt. Die Vorschrift verbietet nicht die Übertragung der GmbH-Geschäftsanteile auf die KG, stellt aber klar, dass der Kommanditist seine Hafteinlage dadurch nicht erbringen kann. Damit ist sichergestellt, dass das Haftkapital der KG zusätzlich zum Stammkapital der GmbH zu erbringen ist. Das Gleiche gilt für den Fall, dass sich die GmbH zunächst mit einer Geldeinlage am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt und die KG diese Einlage sodann zum Erwerb der GmbH-Anteile verwendet. Zu Recht weisen Binz/Sorg3 darauf hin, dass ein derartiger Vorgang nur die Reihenfolge des § 172 Abs. 6 HGB vertauscht und damit auch unter diese Vorschrift zu subsumieren ist. Zudem würde ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorliegen und schließlich ist eine kapitalmäßige Beteiligung der Komplementärin an der Einheitsgesellschaft weder erforderlich noch zweckmäßig.4
2.466
Ist die GmbH – wie üblich – am Festkapital und Vermögen der KG nicht beteiligt und erwirbt die KG, die über die Hafteinlagen hinaus über kein weiteres Vermögen verfügt, von ihren Kommanditisten die Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH, so wird den Kommanditisten mit der Zahlung des Entgelts aus dem KGVermögen ihre zuvor eingezahlte Kommanditeinlage (Hafteinlage) zurückgewährt, was zum Wiederaufleben der Haftung der Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB führt.5 Ein entgeltlicher Erwerb der GmbH-Anteile durch die GmbH & Co. KG ist nur dann haftungsunschädlich für die Kommanditisten, wenn die KG das Entgelt aus Vermögen erbringt, das ihr über die Haftsummen der Kommanditisten hinaus zur Verfügung steht.
2.467
Dem Gläubigerschutz dient zudem § 264c Abs. 4 HGB.6 Nach § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB hat die GmbH & Co. KG in der Form der Einheitsgesellschaft in ihrer Bilanz die Anteile an ihrer Komplementärin unter den Bilanzposten A.III.1 (Anteile an verbundenen Unternehmen) oder A.III.3. (Beteiligungen) zu aktivieren. Wenn – wie üblich – die Leitungsmacht allein bei der GmbH & Co. KG liegt, dann ist die KG als Mutterunternehmen der GmbH anzusehen und der Bilanzausweis der An-
2.468
1 Schilling in FS Barz, 1974, S. 74. 2 Bahnsen, GmbHR 2001, 186; Hunscha, Die GmbH & Co. KG als Alleingesellschafterin ihrer Komplementärin, 1974, S. 48 ff.; Mertens, NJW 1966, 1054. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 33. 4 Götze in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, III 9 Anm. 6. 5 Schilling in FS Barz, 1974, S. 75. 6 Die Vorschrift wurde durch das KapCoRiLiG v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154, speziell im Hinblick auf die Einheitsgesellschaft eingeführt.
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teile an der Komplementärin hat unter dem Posten „Anteile an verbundenen Unternehmen“ zu erfolgen. Werden unter diesem Posten Anteile an verschiedenen Unternehmen bilanziert, so sollte dem Umstand, dass es sich um Anteile an der eigenen Komplementärin handelt, entweder durch einen gesonderten Ausweis dieser Anteile oder durch eine Angabe im Anhang Rechnung getragen werden.1 § 264c Abs. 4 Satz 2 HGB schreibt zudem vor, dass in Höhe der aktivierten Anteile an der eigenen Komplementär-GmbH ein passiver Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile zu bilden ist. Zutreffend weisen Förschle/Hoffmann2 darauf hin, dass die Vorschrift teleologisch auf den Fall zu reduzieren ist, dass die GmbH am Festkapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Ist die Komplementärin hingegen nicht am Kapital der KG beteiligt, so besteht bei der KG nicht die Gefahr eines zu hohen Eigenkapitalausweises, so dass die Bildung eines Ausgleichspostens nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich ist.3 Für die Bildung des passiven Sonderpostens – so er erforderlich ist – ist § 272 Abs. 4 HGB entsprechend anzuwenden. Der Sonderposten ist also entweder aus Rücklagen oder aus dem Jahresüberschuss zu bilden. Haben die Kommanditisten die GmbH-Anteile an die KG verkauft und dadurch ihre Kommanditeinlage teilweise zurückerhalten, ist es sachgerecht, die Dotierung des Ausgleichspostens zulasten ihrer Kapitalanteile vorzunehmen.4 Schließlich sind nach § 264c Abs. 2 Satz 9 HGB nicht geleistete Hafteinlagen im Anhang anzugeben. Wurde den Kommanditisten über den käuflichen Erwerb ihrer GmbH-Anteile ein Teil ihrer Kommanditeinlagen zurückgewährt, so ist dies im Anhang als nicht geleistete Hafteinlage anzugeben.5 2.469
Vielfach ist das Stammkapital der Komplementär-GmbH nicht voll eingezahlt, da die Komplementärin i.d.R. keinen eigenen Finanzbedarf hat. In diesem Fall haftet nach Bildung der Einheitsgesellschaft die GmbH & Co. KG als Erwerberin der GmbH-Anteile für die Einzahlung der noch ausstehenden Einlagen (§ 16 Abs. 2 GmbHG). Da für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB die Komplementär-GmbH haftet, würde dies im Endeffekt dazu führen, dass die Komplementär-GmbH selbst für die Erfüllung der Einlageverbindlichkeit ihrer Gesellschafterin – der KG – einstehen müsste. Im Ergebnis würde damit der Haftungsfonds der GmbH zum Nachteil der Gläubiger verkürzt. Nach zutreffender Meinung6 haften daher in der Einheitsgesellschaft die Kommanditisten gegenüber der GmbH persönlich und gesamtschuldnerisch, soweit die KG ihre Einlageverbindlichkeit bei der GmbH nicht aus freiem – die Haftsummen übersteigendem – Vermögen erbringen kann.7 1 2 3 4
Zeyer, BB 2008, 1442 (1443). Förschle/Hoffmann in Beck’scher Bilanzkomm., § 264c HGB Rz. 86 f. Ebenso Zeyer, BB 2008, 1442 (1444). Förschle/Hoffmann in Beck’scher Bilanzkomm., § 264c HGB Rz. 84; Zeyer, BB 2008, 1442 (1445). 5 Zeyer, BB 2008, 1442 (1445). 6 Schilling in FS Barz, 1974, S. 75; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl. 2005, § 161 HGB Rz. 36; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 38 ff.; Fleck in FS Semler, 1993, S. 115 (120). 7 Nach a.A. soll der Erwerb nach § 33 Abs. 1 GmbHG nichtig sein; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 96; Hunscha, Die GmbH & Co. KG als Alleingesellschafterin ihrer Komplementärin, 1974, S. 100 ff.; Ippen, Die GmbH & Co. KG als Inhaberin sämtlicher Geschäftsanteile an ihrer allein persönlich haftenden Gesellschafterin, 1967, S. 75 ff.; Eltermann, GmbHR 1973, 208.
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Gestaltungshinweis: Um die vorstehenden Haftungs- und Bilanzierungsprobleme zu vermeiden, sollten die GmbH-Gesellschafter ihre Einlagen dort vollständig erbringen und die GmbH-Geschäftsanteile sodann ohne Gegenleistung und zusätzlich zur Erbringung ihrer Hafteinlagen auf die GmbH & Co. KG übertragen.
2.470
Ist die KG von Anfang an als Einheitsgesellschaft gewollt, so errichten die späteren Kommanditisten zunächst die GmbH. Da bereits die Vor-GmbH komplementärfähig ist, kann unmittelbar im Anschluss an den notariellen Gründungsakt der Gesellschaftsvertrag der KG geschlossen werden. Sodann werden bei der KG die Hafteinlagen erbracht und die Kommanditisten treten ihre GmbH-Geschäftsanteile an die KG ab. Wird die Verpflichtung der Kommanditisten zur Übertragung ihrer GmbH-Geschäftsanteile in den Gesellschaftsvertrag der KG aufgenommen, so ist dieser nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG beurkundungspflichtig. Der Formmangel wird allerdings durch die notarielle Abtretung der Geschäftsanteile geheilt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG).
2.471
2. Willensbildung Als alleiniger Gesellschafterin der Komplementär-GmbH stehen der GmbH & Co. KG in der Einheitsgesellschaft alle Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH zu. Da die GmbH & Co. KG ihrerseits durch die Komplementärin vertreten wird, führt dies dazu, dass die Komplementär-GmbH die Gesellschafterrechte aus den Anteilen an ihrem Stammkapital selbst ausübt.1
2.472
Die Wahrnehmung der Rechte aus den Geschäftsanteilen an der Komplementärin durch die Geschäftsführer eben dieser Komplementär-GmbH hätte allerdings zur Folge, dass die Geschäftsführer bspw. dazu berufen wären, in der Gesellschafterversammlung der GmbH über ihre eigene Bestellung, Entlastung und Abberufung sowie über die Ausgestaltung ihrer eigenen Dienstverträge zu entscheiden. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung müssten sie sich selbst gegenüber ausüben. Der darin liegende Interessenkonflikt ist offenkundig. Im Schrifttum wird dieser Konflikt z.T. dadurch gelöst, dass die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Komplementärin unter Hinweis auf das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG verneint und sie insoweit den Kommanditisten zugewiesen wird.2 Der BGH hingegen geht davon aus, dass in der Einheitsgesellschaft die der KG als Alleingesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH zustehenden Rechte in Ermangelung einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung durch die organschaftlichen Vertreter der GmbH (also deren Geschäftsführer) wahrgenommen werden.3 Dies mag zwar dogmatisch konsequent sein, dürfte jedoch in den seltensten Fällen dem Willen und den Interessen der Beteiligten entsprechen, denn regel-
2.473
1 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 = GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner; Esch, BB 1991, 1129; OLG Hamburg v. 22.3.2013 – 11 U 27/12, ZIP 2013, 881 = GmbHR 2013, 580; Werner, DStR 2006, 706 (707). 2 Bülow, DB 1982, 527 (531); Esch, BB 1991, 1129; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 2 Rz. 55; Schilling in FS Barz, 1974, S. 72 f.; Pauli, ZErb 2008, 217; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3e); Werner, DStR 2006, 706 (707). 3 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 = GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner. Dazu Gehrlein, BB 2007, 1915 und Werner, GmbHR 2007, 1035. Ebenso OLG Hamburg v. 22.3.2013 – 11 U 27/12, ZIP 2013, 881 = GmbHR 2013, 580.
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mäßig ist es nicht die Absicht der Kommanditisten, mit der Übertragung ihrer Anteile an der Komplementär-GmbH auf die KG den Handlungsspielraum der (Fremd-)Geschäftsführer zu erweitern und sie zu Richtern in eigener Sache zu machen.1 Vielmehr wollen die Kommanditisten auch nach Bildung der Einheitsgesellschaft die Herrschaft über die Komplementär-GmbH nicht aus der Hand geben.2 Darüber hinaus stößt die Auffassung des BGH jedenfalls dort an ihre Grenzen, wo nur ein GmbH-Geschäftsführer bestellt ist oder sich die GmbH-Geschäftsführung dem Willen der Kommanditisten widersetzt, denn die Kommanditisten wären in einem solchen Fall nicht in der Lage, einem unliebsamen Geschäftsführer Weisungen zu erteilen oder ihn auszuwechseln. Sie wären auch dann nicht in der Lage, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, wenn der amtierende Geschäftsführer sein Amt niederlegt oder verstirbt. Unzutreffend ist insofern der Vergleich der Einheitsgesellschaft mit einer Einmann-GmbH,3 bei welcher der Alleingesellschafter auch gleichzeitig Geschäftsführer ist. Bei der Einpersonen-GmbH obliegt dem Gesellschafter-Geschäftsführer die für die GmbH maßgebliche Willensbildung. Es kann also nicht zu einem Interessenwiderstreit kommen, wenn er in der Gesellschafterversammlung der GmbH über seine eigene Bestellung und Anstellung beschließt. Bei der Einheitsgesellschaft hingegen findet die entscheidende Willensbildung auf Ebene der Kommanditisten statt, daher ist es hier nicht sachgerecht, wenn die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH die Gesellschafterrechte bei der Komplementärin wahrnimmt. 2.474
Gestaltungshinweis: Da der BGH davon ausgeht, dass in der Einheitsgesellschaft von Gesetzes wegen die GmbH-Geschäftsführer die Gesellschafterrechte aus den Anteilen an der Komplementärin ausüben, muss durch gesellschaftsvertragliche Regelungen für ein sachgerechtes Verfahren der Willensbildung und Stimmrechtsausübung in der Einheitsgesellschaft Sorge getragen werden.
2.475
Die Befangenheitsproblematik lässt sich für eine Vielzahl der Fälle dadurch lösen, dass die GmbH-Satzung bei der Komplementärin neben der Gesellschafterversammlung ein weiteres Organ, bspw. einen Beirat, installiert und ihm die Ausübung der Gesellschafterrechte zuweist.4 Damit kann sichergestellt werden, dass die Geschäftsführer nicht selbst über ihre Bestellung und Abberufung, über die Ausgestaltung ihrer Dienstverträge oder sonst in eigenen Angelegenheiten entscheiden. Allerdings kann die Gesellschafterversammlung der GmbH nicht vollständig durch ein anderes Organ ersetzt werden.5 Das gilt insbesondere für strukturändernde Beschlüsse wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages, Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz oder die Auflösung der Gesellschaft.6 Ein vollständiger Ausschluss der GmbH-Geschäftsführer bei der Beschlussfassung in der 1 Ebenso K. Schmidt in FS H.P. Westermann, 2008, S. 1425 (1436). 2 Ebenso Esch, BB 1991, 1129 (1130); K. Schmidt, ZIP 2007, 2192 (2196). 3 Dieser Vergleich wird insbesondere von Gehrlein, BB 2007, 1915 und Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 12 bemüht. 4 Für eine solche Beiratslösung insbes. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 97; Pickhardt-Poremba/Hechler, GmbHR 2004, 1383 (1385) sowie Riegger/ Götze in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, III 9 Anm. 13. 5 So aber Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 99. 6 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 60.
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GmbH kann also durch das Beiratsmodell nicht erreicht werden. Zudem trägt die Einsetzung eines dritten Organs neben den Gesellschafterversammlungen von GmbH und GmbH & Co. KG nicht zur Erleichterung der Abläufe und zur Vereinfachung der Struktur bei. Zum Teil wird vorgeschlagen, das Abstimmungsverhalten der GmbH-Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung der GmbH dadurch dem Willen der Kommanditisten zu unterwerfen, dass die GmbH mit der GmbH & Co. KG einen Stimmbindungsvertrag abschließt, der das Abstimmungsverhalten der GmbH-Geschäftsführung in der Gesellschafterversammlung der GmbH regelt.1 Fraglich ist aber, wer die Weisungen für die Stimmabgabe erteilen soll. Da es sich um eine Weisung der GmbH & Co. KG an die Geschäftsführung der Komplementärin handelt, müsste die Zuständigkeit bei den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH liegen. Das Befangenheitsproblem wäre damit nicht gelöst. Soll das Weisungsrecht bei den Kommanditisten liegen, müssten diese Vertragspartner des Stimmbindungsvertrages sein. Doch selbst dann bleibt unklar, was geschieht, wenn die GmbH-Geschäftsführung den Stimmbindungsvertrag kündigt.
2.476
Sachgerechter ist es, wenn durch Gesellschafterbeschluss oder den Gesellschaftsvertrag der KG den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH die Ausübung des Stimmrechts aus den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und es stattdessen den Kommanditisten übertragen wird.2 Überwiegend wird angenommen, dass es sich dabei um eine rechtsgeschäftliche Vollmacht handele, da die Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung der KG ausgeschlossen sind (§ 170 HGB).3 Eine rechtsgeschäftliche Vollmacht löst das Rechtsproblem jedoch nicht zufriedenstellend, denn eine solche Vollmacht könnte durch die GmbH-Geschäftsführer jederzeit wieder entzogen werden.4 Zudem stünde der GmbH-Geschäftsführung das Recht zu, den bevollmächtigten Kommanditisten Weisungen zu erteilen, obwohl der Einfluss der Geschäftsführer auf die Stimmrechtsausübung durch die Vollmachtslösung gerade ausgeschlossen werden soll.5 Geht man von einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht aus, so ist durch entsprechende Regelungen in den Gesellschaftsverträgen sicherzustellen, dass ein Vollmachtswiderruf oder die Erteilung einer Weisung durch die Geschäftsführung faktisch unmöglich gemacht wird, bspw. indem die Entziehung der Vollmacht nur aus wichtigem Grund zugelassen und die Ausübung der Gesellschafterrechte aus den GmbHAnteilen an eine entsprechende Weisung der Kommanditisten gebunden wird.6
2.477
Die geschilderten Probleme stellen sich aber nur, wenn man eine rechtsgeschäftliche Vollmacht annimmt. So richtig dies auch für den Regelfall ist, in dem eine KG sich an einer anderen Gesellschaft beteiligt und dort als Gesellschafterin ihr Stimmrecht ausübt, ist die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht aber
2.478
1 Jorde/Götz, BB 2005, 2718 (2721). 2 Beispiele für solche Formulierungen vgl. Esch, BB 1991, 1129 (1131). 3 Bahnsen, GmbHR 2001, 186 (187); Esch, BB 1991, 1129 (1131); Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 99 Fn. 236; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 59. 4 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 21. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 23. 6 In diesem Sinne Götze in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, III 9 Anm. 13.
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fraglich, wenn es um die Ausübung von Gesellschafterrechten bei der eigenen Komplementärin geht. Hier erscheint die Annahme eines gesellschaftsrechtlichen Aktes, nämlich die Selbstbestimmung der Gesellschafter über die Machtteilhabe als innergesellschaftlicher Vorgang, sachgerechter.1 Die Gesellschafter der KG haben kraft ihrer Verbandsautonomie die Möglichkeit, sich einzelne Vertretungshandlungen vorzubehalten. Die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der GmbH durch die Kommanditisten als gesellschaftsrechtliche Maßnahme liegt mangels Drittbezugs außerhalb des Vertretungsverbotes nach § 170 HGB.2 Auch ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot, nach welchem das Stimmrecht von der Gesellschafterstellung nicht getrennt werden darf,3 liegt nicht vor, da die Kommanditisten insoweit die KG als Anteilseignerin vertreten. 2.479
In der Praxis haben sich sowohl auf der Grundlage der Vollmachtslösung als auch unter der Annahme, die Gesellschafter der KG hätten sich durch einen gesellschaftsrechtlichen Akt die Ausübung der Gesellschafterrechte bei der GmbH vorbehalten, verschiedene Gestaltungen entwickelt, wie sich die Willensbildung und die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der GmbH tatsächlich vollziehen. Üblicherweise wird dazu zunächst eine Versammlung der Kommanditisten abgehalten, die festlegt, in welcher Weise die Gesellschafterrechte aus den GmbH-Anteilen auszuüben sind. Sodann wird dieser Wille durch alle Kommanditisten oder einige von ihnen in der Gesellschafterversammlung der GmbH umgesetzt. Diese Vorgehensweise trägt mit einer strikten Trennung zwischen der Willensbildung auf Ebene der Kommanditisten und der Umsetzung dieses Willens in der anschließenden Gesellschafterversammlung der GmbH dem Umstand Rechnung, dass auch in der Einheitsgesellschaft mit der GmbH und der GmbH & Co. KG zwei rechtlich selbständige Gesellschaften existieren.
2.480
Aufgabe der Vertragsgestaltung ist es, diese Abläufe soweit aufeinander abzustimmen und miteinander zu verzahnen, dass die Interessen der Kommanditisten bei der Willensbildung und -durchsetzung in der Einheitsgesellschaft möglichst optimal gewahrt werden. Dazu wird zunächst einmal die Gesellschafterversammlung der KG auf die Kommanditisten konzentriert. Dies geschieht, indem das Stimmund Teilnahmerecht der Komplementär-GmbH in der Gesellschafterversammlung der KG ausgeschlossen wird.4 Die Willensbildung auf Ebene der KG vollzieht sich 1 So auch Hahn, Die Beschlussfassung in der GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft, 2004, S. 106; Schilling in FS Barz, 1974, S. 71 (73); Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl. 2005, § 161 HGB Rz. 35. Teilweise wird von einem gesellschaftlichen Akt sui generis gesprochen, so Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 24; Carlé/Carlé, GmbHR 2001, 100; Werner, DStR 2006, 706 (708). A.A. ausdrücklich Gehrlein, BB 2007, 1915. 2 Bahnsen, GmbHR 2001, 186; Jorde/Götz, BB 2005, 2718; Werner, DStR 2006, 706 (708) sowie K. Schmidt in FS H.P. Westermann, 2008, 1425 (1439), der für eine teleologische Reduktion des § 170 HGB im Fall der Einheitsgesellschaft eintritt. A.A. ausdrücklich Gehrlein, BB 2007, 1915. 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4. 4 Der Ausschluss des Stimmrechts ist nach BGH v. 24.5.1993 – II ZR 73/92, GmbHR 1993, 591 bei der personenidentischen GmbH & Co. KG selbst im Kernbereich zulässig. Für die Einheitsgesellschaft kann daher nichts anderes gelten, da auch bei ihr hinter beiden Gesellschaften letztendlich dieselben Interessenträger stehen. Das Gleiche gilt für die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung. Ebenso K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 21 und 34.
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damit in einer reinen Kommanditistenversammlung. Wenn nun der Gesellschaftsvertrag der KG und ergänzend die GmbH-Satzung die Ausübung der Gesellschafterrechte bei der Komplementär-GmbH ebenfalls den Kommanditisten zuweisen, dann werden die Gesellschafterversammlungen der KG und ihrer Komplementär-GmbH von denselben Personen gebildet. Stimmt man auch die sonstigen Formalien für die Einberufung und Durchführung der beiden Gesellschafterversammlungen aufeinander ab, so können diese simultan abgehalten werden. Das insbesondere von Schilling1 und K. Schmidt2 ausgegebene Ziel der de-facto-Einheitsversammlung ist damit erreicht.3 Die Willensbildung in der KG und die Beschlussfassung in der GmbH finden damit quasi in ein und demselben Akt statt. Formaljuristisch ist aber nicht zu verkennen, dass es sich bei GmbH und GmbH & Co. KG auch in der Form der Einheitsgesellschaft um zwei rechtlich selbständige Gesellschaften handelt. Auch wenn die beiden Gesellschafterversammlungen simultan abgehalten werden, ist rechtlich zwischen den Gesellschafterbeschlüssen der GmbH und der KG zu unterscheiden. Dies bedeutet insbesondere, dass ggf. unterschiedliche formale Anforderungen an die Gesellschafterbeschlüsse zu beachten sind.4 Zu beachten ist weiterhin, dass die KG als Alleingesellschafterin das Stimmrecht aus den GmbH-Geschäftsanteilen stets einheitlich ausübt, so dass in der Gesellschafterversammlung der GmbH alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Damit gesetzliche Mehrheitserfordernisse dadurch nicht unterlaufen werden, ist im KG-Vertrag zu regeln, dass für die vorangehende Willensbildung in der Kommanditistenversammlung insofern die Mehrheitserfordernisse gelten, wie sie für die Gesellschafterversammlung der GmbH vorgeschrieben sind.5 Formulierungsvorschlag für den Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG: § … Geschäftsführung und Vertretung durch die Kommanditisten (1) Soweit die Gesellschaft Geschäftsanteile an ihrer Komplementärin hält, sind statt der Komplementärin die Kommanditisten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geschäftsführungsbefugt. Im Rahmen dieser Geschäftsführungsbefugnis ist jeder Kommanditist einzeln zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Komplementärin verpflichtet sich, insoweit von ihrer Vertretungsbefugnis nur nach Weisung der Kommanditisten Gebrauch zu machen. (2) Die Kommanditisten üben ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis in der Weise aus, dass sie über die betreffende Maßnahme Beschluss fassen. Der Beschluss der Kommanditisten beinhaltet zugleich die entsprechende, einstimmige Ausübung der Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen an der Komplementärin; ggf. wird zudem ein Kommanditist bestimmt, der die beschlossene Maß1 Schilling in FS Barz, 1974, S. 72 f. 2 K. Schmidt, ZIP 2007, 2193 (2196) sowie K. Schmidt in FS H.P. Westermann, 2008, 1425 (1441 ff.). 3 Ebenso Bahnsen, GmbHR 2001, 186. 4 Relevant dürfte dies wohl nur für Satzungsänderungen bei der GmbH sein, die aber in der Einheitsgesellschaft selten vorkommen werden. Zu beachten ist ferner die Protokollierung nach § 48 Abs. 3 GmbHG, die aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. 5 Ebenso Bahnsen, GmbHR 2001, 186 (187).
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nahme bei der Komplementärin unter Wahrung der erforderlichen Form ausführt. Bei Beschlussgegenständen, die in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin einer qualifizierten Mehrheit bedürfen, ist auch für die Beschlussfassung der Kommanditisten diese qualifizierte Mehrheit erforderlich. (3) Die Beschlüsse der Kommanditisten werden in Kommanditistenversammlungen gefasst, falls nicht alle Kommanditisten mit einer Beschlussfassung in anderer Weise einverstanden sind. Für die Einberufung und Abhaltung der Kommanditistenversammlung sowie die Beschlussfassung gelten die Bestimmungen über die Gesellschafterversammlung entsprechend. 2.482
Ergänzend sollte auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH die Ausübung der Rechte aus den Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH, soweit gesetzlich zulässig, den Kommanditisten zuweisen. Zudem werden die GmbH-Geschäftsführer, sofern sie nicht zugleich Kommanditisten sind, im Gesellschaftsvertrag der GmbH angewiesen, ohne eine entsprechende Weisung der Kommanditisten nicht an den Gesellschafterversammlungen von GmbH und GmbH & Co. KG teilzunehmen und Gesellschafterrechte auszuüben. Formulierungsvorschlag für den Gesellschaftsvertrag der Komplementär-GmbH:
2.483
§ … Geschäftsführung und Vertretung (…) Soweit die Geschäftsanteile an der Gesellschaft von einer Kommanditgesellschaft gehalten werden, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Gesellschaft ist, wird die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen an der Gesellschaft, soweit dies gesetzlich zulässig ist, den Kommanditisten der Kommanditgesellschaft übertragen. Die Geschäftsführer dürfen, sofern sie nicht zugleich Kommanditisten der … GmbH & Co. KG sind, ohne eine entsprechende Weisung der Kommanditisten der … GmbH & Co. KG nicht an den Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft und der … GmbH & Co. KG teilnehmen oder sonstige Gesellschafterrechte bei diesen Gesellschaften ausüben.
3. Mitbestimmung 2.484
Die GmbH & Co. KG ist als Kommanditgesellschaft selbst nicht mitbestimmungspflichtig. Der Mitbestimmung kann aber die Komplementär-GmbH unterliegen (s. dazu Rz. 4.175 ff.). Hat eine GmbH & Co. KG mehr als 2 000 Arbeitnehmer, werden diese der Komplementär-GmbH gem. §§ 1, 4 MitbestG zugerechnet und es ist dort ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden. § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG findet auch auf die GmbH & Co. KG in der Form der Einheitsgesellschaft unmittelbare Anwendung, weil die Vorschrift eine bloß mittelbare Beteiligung der Kommanditisten an der Komplementärin genügen lässt.1 Eine Mitbestimmung nach dem DrittelbG kommt nur dann in Betracht, wenn die Komplementär-GmbH selbst mehr als
1 Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 13 f.; Oetker in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 4 MitbestG Rz. 4 und Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 17.
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§2
Einheitsgesellschaft
500 Arbeitnehmer hat, insofern gelten für die Einheitsgesellschaft keine Besonderheiten.
4. Steuerrecht Die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen der Komplementär-GmbH für die GmbH & Co. KG sind, wenn sie gegen Entgelt bzw. Aufwendungsersatz geleistet werden, umsatzsteuerpflichtig (s. dazu Rz. 6.765 ff.). Aus dieser Umsatzsteuerpflicht entsteht nur dann keine finanzielle Belastung, wenn die GmbH & Co. KG zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ist der Vorsteuerabzug bei der KG ausgeschlossen, so führt die an die Komplementär-GmbH zu zahlende Vergütung auf Ebene der GmbH & Co. KG zu einer Definitivbelastung mit Umsatzsteuer. Diese Belastung kann vermieden werden, indem zwischen der GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gebildet wird.1 Die GmbH & Co. KG fungiert dann als Organträger und die Komplementär-GmbH als Organgesellschaft. Die dafür erforderliche finanzielle Eingliederung, also der Besitz der Anteilsmehrheit durch den Organträger, ist bei der Einheitsgesellschaft gegeben. Auch die organisatorische Eingliederung liegt vor, da die Tätigkeit der Organgesellschaft in das wirtschaftliche Gesamtkonzept der GmbH & Co. KG eingegliedert ist. Schließlich kommt eine vom Willen des Organträgers (also der KG) abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Gesellschafterrechte bei der KomplementärGmbH von den Kommanditisten wahrgenommen werden (s. Rz. 2.472 ff.). KG und Komplementär-GmbH bilden schließlich eine wirtschaftliche Einheit. Ihre Tätigkeiten sind aufeinander abgestimmt, so dass auch die wirtschaftliche Eingliederung gegeben ist. Die Finanzverwaltung geht daher im Regelfall bei der Einheitsgesellschaft von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus.2 Die zwischen der KG und ihrer Komplementärin getätigten Binnenumsätze unterliegen in diesem Fall nicht der Umsatzsteuer.
2.485
Fraglich ist, ob die Ausübung der Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH durch die Kommanditisten die gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entfallen lässt.3 Erzielt die GmbH & Co. KG keine gewerblichen Einkünfte i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, so kommen gewerbliche Einkünfte nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Betracht (sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft). Das setzt u.a. voraus, dass zur Geschäftsführung der GmbH & Co. KG nur die persönlich haftende Gesellschafterin (also die Komplementär-GmbH) oder Nichtgesellschafter befugt sind. Ist neben der Komplementär-GmbH ein Kommanditist zur Geschäftsführung berufen, so ist dies für die gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG schädlich. Wenn – wie vorstehend vorgeschlagen – in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementärin im Hinblick auf die Wahrnehmung der Rechte aus ihren eigenen
2.486
1 BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, Rz. 6, BStBl. I 2007, 936. 2 S. Abschnitt 2.8 Abs. 2 Satz 5 UStAE. 3 S. dazu Carlé/Carlé, GmbHR 2001, 100; Pickhardt-Poremba/Hechler, GmbHR 2004, 1383; Werner, DStR 2006, 706 sowie jüngst Wachter, GmbHR 2015, 178 und FG Münster v. 28.8. 2014 – 3 K 744/13 F (nrkr., Az. BFH: II R 60/14), GmbHR 2015, 221.
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Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Geschäftsanteilen ausgeschlossen und diese stattdessen den Kommanditisten übertragen wird, so könnte man bei wortgetreuer Subsumtion unter § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu dem Ergebnis kommen, dass es sich nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt, weil Geschäftsführungsaufgaben nicht nur von der Komplementär-GmbH, sondern auch von den Kommanditisten wahrgenommen werden. Es besteht mithin das Risiko, dass die Einheitsgesellschaft als geprägeschädlich angesehen werden könnte.1 Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des BFH2 nur eine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis der Kommanditisten geprägeschädlich ist und es sich bei der Ausübung der Rechte aus den GmbH-Geschäftsanteilen in der Einheitsgesellschaft hingegen um eine rechtsgeschäftliche Geschäftsführungsbefugnis bzw. eine Geschäftsführungsbefugnis sui generis handelt.3 Die Ersatzzuständigkeit der Kommanditisten stellt lediglich eine Sonderregelung dar; generell bleibt es auch in der Einheitsgesellschaft bei der organschaftlichen Vertretung durch die Komplementär-GmbH. Die Komplementär-GmbH prägt damit auch in der Einheitsgesellschaft die Personengesellschaft im Sinne der BFH-Rechtsprechung. Sie bestimmt ihre Tätigkeit und führt ihre Geschäfte, dabei spielt es keine Rolle, wer Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist und wer die Gesellschafterrechte ausübt.4 2.487
Gestaltungshinweis: In kritischen Fällen kann dem Risiko einer eventuellen Geprägeschädlichkeit dadurch begegnet werden, dass auf das Beiratsmodell5 oder die Variante mit dem Stimmbindungsvertrag zwischen GmbH und GmbH & Co. KG zurückgegriffen wird.
2.488
Ertragsteuerlicher Vorteil der Einheitsgesellschaft ist, dass steuerliches Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten in Gestalt der Anteile an der Komplementär-GmbH vermieden wird. Damit ist ausgeschlossen, dass es bspw. im Erbfall zu einer steuerlichen Entstrickung dieses Sonderbetriebsvermögens und der damit verbundenen Aufdeckung von stillen Reserven kommen kann.
II. Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG 2.489
Die haftungsrechtlichen Vorteile einer GmbH & Co. KG lassen sich auch durch eine Typenverbindung in der Form der „ausländischen juristischen Person & Co. KG“ erreichen. Die Rolle der Komplementär-GmbH übernimmt bei dieser Gestaltung eine ausländische Kapitalgesellschaft.6 Die Praxis kennt diese Mischform aus 1 S. dazu Carlé/Carlé, GmbHR 2001, 100 und die Auffassung der Finanzverwaltung in FG Münster v. 28.8.2014 – 3 K 744/13 F (nrkr., Az. BFH: II R 60/14), GmbHR 2015, 221. 2 BFH v. 23.5.1996 – IV R 87/93, BStBl. II 1996, 523 = GmbHR 1997, 468, 947. 3 In diesem Sinne Carlé/Carlé, GmbHR 2001, 100; Ettinger/Eberl, GmbHR 2004, 548 (552); Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (395); Spiegelberger in Iiber amicorum Mock, 2009, S. 303 (312 f.). 4 Ebenso Wachter, GmbHR 2015, 178 und FG Münster v. 28.8.2014 – 3 K 744/13 F (nrkr., Az. BFH: II R 60/14), GmbHR 2015, 221. 5 Nach R 15.8 Abs. 6 Satz 4 f. EStR 2012 führt jedenfalls das Beiratsmodell nicht zum Verlust der gewerblichen Prägung. 6 Zur ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG vgl. u.a. Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249; Duys, Auslands-Kapitalgesellschaft & Co. KG, 2001; Ebenroth/Auer, DNotZ 1990, 139; Grothe, Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co.“, 1989; Haidinger, Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG“, 1990; Klöhn/Schaper, ZIP 2013, 49; Kowalski/Bormann,
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§2
Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG
deutscher Kommanditgesellschaft und ausländischer Komplementärin insbesondere als Ltd. & Co. KG, B.V. & Co. KG sowie als S.à.r.l. & Co. KG.
1. Allgemeine und besondere Rechtsfähigkeit der Komplementärgesellschaft Voraussetzung für die Gründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG ist, dass die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft nach deutschem internationalen Privatrecht allgemein rechtsfähig ist.1 Darüber hinaus muss die ausländische Kapitalgesellschaft über die sog. besondere Rechtsfähigkeit (Komplementärfähigkeit) verfügen.
2.490
a) Allgemeine Rechtsfähigkeit Damit die ausländische Kapitalgesellschaft Komplementärin einer deutschen KG sein kann, muss sie die allgemeine Rechtsfähigkeit besitzen, also in Deutschland international-privatrechtlich als juristische Person anerkannt sein.
2.491
Eine ausländische Gesellschaft, die die Komplementärstellung in einer deutschen KG ausübt, wird ihren allgemeinen Verwaltungssitz in Deutschland haben. Die Verlegung des Verwaltungssitzes aus dem Gründungsstaat nach Deutschland wirft die Frage auf, nach welchem Recht sich die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft sodann beurteilt. In Deutschland gingen Rechtsprechung und h.M. lange Zeit von der sog. Sitztheorie aus.2 Danach ist das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat, für die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft maßgeblich. Für nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften hatte dies zur Folge, dass sie nach einer Sitzverlegung nach Deutschland nicht mehr als juristische Personen, sondern als (nicht-)rechtsfähige Personenvereinigungen oder als Einzelunternehmen qualifiziert wurden.3
2.492
Der EuGH hat in seiner Überseering-Entscheidung jedoch festgestellt, dass eine nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründete Kapitalgesellschaft in jedem Mitgliedstaat als solche anzuerkennen ist.4 Dementsprechend beurteilen nunmehr auch der BGH und die ganz h.M. die Rechtsfähigkeit einer aus einem anderen EU-
2.493
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GmbHR 2005, 1045; Schlichte, DB 2006, 87; Süß, GmbHR 2005, 673; Teichmann, ZGR 2014, 2020 ff.; Wachter, GmbHR 2006, 79; Werner, GmbHR 2005, 288. Zur Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG Meining/Kruschke, GmbHR 2008, 91 sowie BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, GmbHR 2007, 669 zur gewerblichen Prägung einer KG durch eine ausländische Komplementärin. Eine Übersicht über die ausländischen Wettbewerber der GmbH geben Mellert, BB 2006, 8; Müller/Müller, GmbHR 2006, 583; Müller/Müller, GmbHR 2006, 640 sowie Wachter, GmbHR 2005, 717. Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 11; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 VII 2. BGH v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318; BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, NZG 2000, 926 = GmbHR 2000, 715. Vgl. zudem die Nachweise bei Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 5. Aufl. 2010, IntGesR Rz. 5, 337 und 400. BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181; BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 = GmbHR 1986, 351; BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, ZIP 2002, 1763 = GmbHR 2002, 1021. EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, GmbHR 2002, 1137; bestätigt in EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 „Inspire Art“, GmbHR 2003, 1260.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Mitgliedstaat nach Deutschland zuziehenden Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates (sog. Gründungstheorie).1 Damit ist höchstrichterlich geklärt, dass jedenfalls Gesellschaften, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates rechtswirksam als Kapitalgesellschaft gegründet wurden, auch nach einer Verlagerung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland die allgemeine Rechtsfähigkeit besitzen. Das Gleiche gilt für Gesellschaften aus einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und für die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (sog. EFTA-Staaten), da auch insoweit die europäische Niederlassungsfreiheit greift.2 2.494
Umstritten ist, ob sich nunmehr auch die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Nicht-EU- bzw. EWR- oder EFTA-Staates gegründet wurde, nach der Gründungstheorie bestimmt oder ob insoweit weiterhin die Sitztheorie maßgeblich ist.3 Der dazu vor einiger Zeit vorgelegte Gesetzentwurf für eine entsprechende Änderung des EGBGB sieht vor, dass ausnahmslos alle Gesellschaften dem Recht des Staates unterliegen, in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen sind.4 Damit würde einheitlich für alle nach Deutschland zuziehenden Gesellschaften die Gründungstheorie gelten. Ob und wann dieser Entwurf Gesetz werden wird, ist derzeit allerdings nicht absehbar.
2.495
In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung geht die h.M. derzeit von einer eingeschränkten Form der Sitztheorie in Deutschland aus. Danach gilt auch weiterhin grundsätzlich die Sitztheorie. Eine Ausnahme davon gilt nur für den Zuzug von Gesellschaften, die in einem EU-, EWR oder EFTA-Staat wirksam gegründet wurden; auf diese Gesellschaften ist das Recht ihres Gründungsstaats anzuwenden und sie besitzen auch nach einer Sitzverlegung ins Inland die allgemeine Rechtsfähigkeit.5 Zudem hat der Gesetzgeber in § 4a GmbHG und § 5 AktG nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften die Möglichkeit eingeräumt, ihren Sitz über die Grenze ins Ausland zu verlegen; auch insofern gilt somit die Gründungstheorie.
2.496
Für alle Gesellschaften aus Drittstaaten, welche weder der EU, der EWR oder der EFTA angehören noch durch Staatsverträge hinsichtlich der Niederlassung solchen 1 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, ZIP 2003, 718 = GmbHR 2003, 527 m. Komm. Stieb; BGH v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, DStR 2004, 1841 = GmbHR 2004, 1225; BGH v. 13.10. 2004 – I ZR 245/01, DStR 2004, 2113 = GmbHR 2005, 51. 2 OLG Frankfurt a.M. v. 28.5.2003 – 23 U 35/02, IPrax 2004, 56; Wachter, GmbHR 2005, 717. 3 S. dazu u.a. BayObLG v. 20.2.2003 – 1Z AR 160/02, RIW 2003, 387; OLG Hamburg v. 30.3. 2007 – 11 U 231/04, BB 2007, 1519 = GmbHR 2007, 763 m. Komm. Ringe; OLG Hamm v. 26.5.2006 – 30 U 166/05, BB 2006, 2487 = GmbHR 2006, 1163; Altmeppen, NJW 2004, 97; Binz/Mayer, BB 2005, 2361; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233; Kindler, NZG 2003, 1086; Paefgen, ZIP 2004, 2283; Stieb, GmbHR 2003, 529. Für Gesellschaften, die nach US-amerikanischem Recht gegründet wurden, leitet der BGH im Falle einer Sitzverlegung nach Deutschland ihre Rechtsfähigkeit aus Art. XXV Abs. 5 Satz 3 des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages von 1954 (BGBl. II 1956, 487) ab, vgl. BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, DStR 2003, 948 = GmbHR 2003, 534 und BGH v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, GmbHR 2004, 1225. 4 S. den RefE eines Gesetzes zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen des Privatrechts v. 7.1.2008. Dazu bspw. Schneider, BB 2008, 566. 5 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (2412) = GmbHR 2009, 138 m. Komm. Wachter; OLG Hamburg v. 30.3.2007 – 11 U 231/04, GmbHR 2007, 763 m. Komm. Ringe; Gottschalk, ZIP 2009, 948; Kindler, IPrax 2009, 189 (190); Paefgen, WM 2009, 529 (531).
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§2
Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG
Gesellschaften gleichgestellt sind, gilt damit weiterhin die Sitztheorie.1 Nach einer Sitzverlegung ins Inland kommt auf sie deutsches Gesellschaftsstatut zur Anwendung, so dass die Gesellschaften dann als deutsche GbR, oHG oder bei nur einem Gesellschafter als Einzelunternehmen zu qualifizieren sind.2 b) Besondere Rechtsfähigkeit Um die Stellung des Komplementärs in einer deutschen KG übernehmen zu können, muss die ausländische Kapitalgesellschaft zudem über die besondere Rechtsfähigkeit verfügen. Die besondere Rechtsfähigkeit liegt vor, wenn es der Gesellschaft sowohl nach ihrem Gesellschaftsstatut als auch nach deutschem Recht erlaubt ist, die Komplementärstellung in einer KG deutschen Rechts zu übernehmen, wenn sie mit anderen Worten komplementärfähig ist.3
2.497
Das Recht des ausländischen Gründungsstaates wird regelmäßig nicht regeln, ob die Kapitalgesellschaft sich an einer deutschen KG als persönlich haftender Gesellschafter beteiligen darf. Einem etwaigen Verbot der Übernahme der persönlichen Haftung und Geschäftsführung in einer nach dem Recht des Gründungsstaates gegründeten Gesellschaft lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass damit zugleich auch die Beteiligung an einer – aus der Sicht des Gründungsstaates – ausländischen Kommanditgesellschaft unzulässig sein soll.4
2.498
Verneint wurde zum Teil jedoch die besondere Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften nach dem deutschen KG-Recht; eine Beteiligung der ausländischen Gesellschaft verstoße gegen Grundprinzipien des deutschen Gesellschaftsrechts.5 Die ganz h.M. geht hingegen davon aus, dass auch eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts in Deutschland komplementärfähig ist.6 In § 161 Abs. 1 HGB ist lediglich normiert, dass bei mindestens einem Gesellschafter der KG „eine
2.499
1 Thiermann, ZIP 2011, 988 (992). 2 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, GmbHR 2009, 138 m. Komm. Wachter. 3 Vgl. BayObLG v. 21.3.1986 – 3 Z 148/85, GmbHR 1980, 305 (307); Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 105 HGB Rz. 94. Burgard in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 19 HGB Rz. 20; Ebenroth/Eyles, DB 1988, Beilage 2, 18 f.; Großfeld in Staudinger BGB, IntGesR, 13. Aufl. 1998, Rz. 297 ff. 4 So zutr. OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, DB 1989, 1076 = GmbHR 1990, 348 für eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Gem. Art. 594 Abs. 2 des Schweizer Obligationenrechts können nur natürliche Personen unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft sein. Dieser Auffassung hat sich auch das OLG Stuttgart in seinem Beschluss v. 30.3.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, 1004 (1006) = GmbHR 1995, 530, angeschlossen. Nach Auffassung von Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 11, kommt es auf das Heimatrecht der ausländischen Gesellschaft überhaupt nicht an. 5 AG Bad Oeynhausen v. 15.3.2005 – 16 AR 15/05, GmbHR 2005, 692 (aufgehoben durch LG Bielefeld v. 11.8.2005 – 24 T 19/05, GmbHR 2006, 89); Ebke, ZGR 1984, 245 (265 ff.); Großfeld in Staudinger BGB, IntGesR, 13. Aufl. 1998, Rz. 303 ff.; Ebenroth/Eyles, DB 1988, Beilage 2, 16 ff. Differenzierend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 VII 2, der eine ausländische Kapitalgesellschaft als Komplementärin nur zulassen will, wenn das ausländische Recht im Hinblick auf diese Kapitalgesellschaft einen dem deutschen GmbH-Recht gleichwertigen Gläubigerschutz gewährleistet. 6 Vgl. BayObLG v. 21.3.1986 – BReg. 3 Z 148/85, GmbHR 1986, 305 (307 ff.) für die englische Ltd.; OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, GmbHR 1990, 348 für die schweizerische AG; OLG Stuttgart v. 30.3.1995 – 8 W 355/93, ZIP 1995, 1004 (1005) = GmbHR 1995, 530 für die schweizerische GmbH; LG Bielefeld v. 11.8.2005 – 24 T 19/05, GmbHR 2006, 89 für die
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Beschränkung der Haftung nicht stattfindet“. Diese Voraussetzung kann eine ausländische Kapitalgesellschaft genauso erfüllen wie eine deutsche GmbH oder AG. Ob bei der Komplementärgesellschaft ein bestimmtes Haftkapital vorhanden ist und inwieweit dies durch gesetzliche Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln gesichert ist, ist nach den §§ 161 ff. HGB für die Gründung und Beteiligung an einer KG unerheblich.1 2.500
Eine Erschwerung der Durchsetzung der Komplementärhaftung infolge der Beteiligung einer ausländischen Kapitalgesellschaft an der KG ist bei der Beurteilung der „besonderen Rechtsfähigkeit“ ebenso unbeachtlich wie bei der – unzweifelhaft zulässigen – Übernahme einer Komplementärstellung durch eine natürliche Person mit im Ausland belegenem Wohnsitz und Vermögen.
2.501
Darüber hinaus wäre es jedenfalls auch europarechtlich unzulässig, den in den Mitgliedstaaten der EU existierenden Formen von Kapitalgesellschaften die Fähigkeit zur Übernahme der Komplementärstellung in einer deutschen KG zu versagen.2 Mit der in Art. 49 und 54 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit ist es unvereinbar, einer nach dem Recht eines EU-Staates wirksam gegründeten Gesellschaft die Beteiligung als Komplementärin an einer deutschen KG zu versagen. Daraus folgt ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das es dem deutschen Gesetzgeber verbietet, Gesellschaften aus anderen EU-Staaten im Hinblick auf die Beteiligung an einer deutschen KG anders zu behandeln als nach deutschem Recht gegründete Gesellschaften.3
2. Verwaltungssitz der KG 2.502
Schließen die ausländische Kapitalgesellschaft und die zukünftigen Kommanditisten den Gesellschaftsvertrag, so können sie nur dann eine dem deutschen Gesellschaftsrecht unterliegende KG gründen, wenn für das Gesellschaftsstatut dieser Gesellschaft deutsches Recht zur Anwendung kommt.4 Das Gesellschaftsstatut der deutschen Personengesellschaft bestimmt sich nach dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft.5 Die Bestimmungen des HGB kommen somit nur zur Anwendung, wenn sich der tatsächliche Sitz der KG in Deutschland befindet.
2.503
Der tatsächliche Verwaltungssitz einer Gesellschaft befindet sich dort, wo ihre Geschäfte geführt werden. Entscheidend ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.6 Dies ist bei einer Kapitalgesellschaft & Co. KG der Ort, an dem die Geschäftsführung der Komplementärin ihre Tätigkeit ausübt. Bei der auslän-
1 2 3 4 5 6
englische Ltd.; OLG Frankfurt a.M. v. 24.4.2008 – 20 W 425/07, NZG 2009, 560 für die englische Ltd.; Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 11; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 105; Kowalski/Bormann, GmbHR 2005, 1045; Schlichte, DB 2006, 87; Süß, GmbHR 2005, 673; Ulmer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 105 HGB Rz. 94; Wachter, GmbHR 2006, 79; Werner, GmbHR 2005, 288. Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 11; Schlichte, DB 2006, 87 (88). LG Bielefeld v. 11.8.2005 – 24 T 19/05, GmbHR 2006, 89 (90); Schlichte, DB 2006, 87 (90). Schlichte, DB 2006, 87 (91); Werner, GmbHR 2005, 288 (290). Jerger, ZfIR 2012, 582; Thiermann, ZIP 2011, 988. Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 514. BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, GmbHR 1986, 351; Krafka in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 13h HGB Rz. 12.
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Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG
dischen Kapitalgesellschaft & Co. KG kommt es also darauf an, wo die ausländische Komplementär-Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz hat.1 Wenn die als Komplementärin fungierende ausländische Kapitalgesellschaft auf der Basis der EuGH-Rechtsprechung in einem EU-, EWR- oder EFTA-Staat2 wirksam gegründet wurde und sodann ihren tatsächlichen Sitz nach Deutschland verlegt hat, liegt auch der Verwaltungssitz der mit ihr als Komplementärin gegründeten Personengesellschaft in Deutschland. Auf die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG kommt dann aufgrund ihres tatsächlichen Sitzes in Deutschland das deutsche Gesellschaftsrecht zur Anwendung.3
2.504
Hat die ausländische Kapitalgesellschaft, die als Komplementärin fungieren soll, ihren Verwaltungssitz hingegen im Ausland, so richtet sich das Gesellschaftsstatut der zu gründenden Gesellschaft nicht nach deutschem Recht. Dies hat zur Folge, dass die Parteien in dieser Konstellation keine KG nach deutschem Recht gründen können.4 Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ist allenfalls eine Gesellschaft nach ausländischem Recht entstanden.5 Da es für das anwendbare Gesellschaftsstatut auf den tatsächlichen Verwaltungssitz und nicht auf den Sitz gemäß Gesellschaftsvertrag ankommt, ist es unerheblich, welchen statutarischen Sitz die Gründer im Gesellschaftsvertrag vereinbart haben.6 Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, für das Personengesellschaftsrecht eine § 4a GmbHG und § 5 AktG entsprechende Vorschrift einzuführen. Daher ist davon auszugehen, dass eine Personenhandelsgesellschaft allein über ihren statutarischen Sitz nicht das deutsche Gesellschaftsstatut wählen kann. Bei Diskrepanz zwischen dem im Handelsregister eingetragenen und dem tatsächlichen Sitz ist letzterer maßgeblich.7
2.505
Tritt die ausländische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland erst später in eine bereits nach deutschem Recht gegründete KG ein, bspw. indem die bisherige Komplementär-GmbH ihren Gesellschaftsanteil auf die ausländische Gesellschaft überträgt, so führt dies zur Verlegung des Sitzes der KG über die Grenze und damit zur Auflösung der deutschen KG.8 Dem steht auch nicht die EuGHRechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit entgegen, denn jeder Herkunftsstaat darf auch danach selbst entscheiden, wie er seine Gesellschaftsformen ausgestaltet und ob er diesen Gesellschaften den Wegzug ermöglicht.9
2.506
1 2 3 4 5 6 7 8
9
Teichmann, ZGR 2014, 220 (228). Oder in den USA, s Rz. 2.494. Thiermann, ZIP 2011, 988 (989). Jerger, ZfIR 2012, 582 (583); Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 576; Thiermann, ZIP 2011, 988 (993). Jerger, ZfIR 2012, 582 (583); Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358 (1359); Thiermann, ZIP 2011, 988 (993). BGH v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 999; Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 526. BGH v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 999; Jerger, ZfIR 2012, 582 (584). BGH v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 999 (1000); Kieninger in MünchHdb. GesR, Bd. VI, § 52 Rz. 24 f.; Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 526; Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 106 HGB Rz. 28 und 30. A.A. Thiermann, ZIP 2011, 988 (991 ff.). A.A. Roth in Baumbach/Hopt, Einl vor § 105 HGB Rz. 29 und Märtens in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 106 HGB Rz. 14. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 „Cartesio“, Slg. I 2008, 9641 = GmbHR 2009, 86 m. Komm. Meilicke; Klöhn/Schaper, ZIP 2013, 49 (55); Schall/Barth, NZG 2012, 414 (418).
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
3. Firmierung 2.507
Für die Firmierung der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG gelten zunächst einmal dieselben firmenrechtlichen Grundsätze wie bei der GmbH & Co. KG (s. dazu Rz. 3.75 ff.). Die Firma muss also einen Zusatz enthalten, der die Rechtsform der Gesellschaft erkennen lässt. Regelmäßig erfolgt dies durch den Zusatz „& Co. KG“.
2.508
Darüber hinaus muss aus der Firma erkennbar sein, dass die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters beschränkt ist. Aus der Firma der KG muss also hinreichend deutlich werden, dass es sich bei ihrer Komplementärin um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt. Dies kann durch die vollständige Bezeichnung der Rechtsform geschehen (bspw. X private limited company & Co. KG). Anerkannt ist aber auch, dass die ausländische Rechtsform durch eine allgemein verständliche Abkürzung bezeichnet werden kann (bspw. X Ltd. & Co. KG). Zum Teil wird vertreten, dass darüber hinaus in der Firma noch auf das Land hinzuweisen ist, in dessen Register die Komplementärin eingetragen und nach dessen Recht sie gegründet ist.1 Da derartige Anforderungen jedoch auch dann nicht bestehen, wenn die ausländische Gesellschaft im eigenen Namen und für eigene Rechnung am deutschen Rechtsverkehr teilnimmt, ist nicht ersichtlich, warum für die Übernahme der Komplementärstellung die Angabe eines Länderkennzeichens erforderlich sein sollte.2 Zudem dürften sich derartige Forderungen für EU-Gesellschaften bereits aus Gründen des Gemeinschaftsrechts verbieten.
4. Anmeldung und Eintragung der KG 2.509
Die Errichtung der KG ist gem. §§ 161 Abs. 2, 106, 108 HGB von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (s. dazu Rz. 3.171 ff.).
2.510
Bei einer GmbH & Co. KG ist lediglich die Vertretungsbefugnis der KomplementärGmbH anzumelden und nicht auch noch die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer, denn deren Vertretungsmacht kann dem Handelsregister der Komplementärin entnommen werden. Zwar ist auch bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG der Verweis auf das Register der ausländischen Komplementärin möglich, allerdings finden sich dort nicht immer Angaben zur Vertretungsbefugnis der Organmitglieder. Die Vertretungsbefugnis bei der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG könnte dann nicht durch Einsicht in die Register nachgewiesen werden. Im Interesse des Rechtsverkehrs geht die herrschende Meinung daher davon aus, dass in einem solchen Fall nicht nur die ausländische Komplementärgesellschaft, sondern auch die Vertretungsbefugnis ihrer Organmitglieder in das Handelsregister der deutschen KG einzutragen ist.3 1 So OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, GmbHR 1990, 348 zur „AG schweizerischen Rechts & Co. KG“. 2 Heidinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 19 HGB Rz. 30 ff. 3 BayObLG v. 21.3.1986 – BReg. 3Z 148/85, GmbHR 1986, 305; OLG Dresden v. 21.5.2007 – 1 W 52/07, GmbHR 2007, 1160; LG Stade v. 6.9.2007 – 8 T 7/07, GmbHR 2007, 1160; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 50.
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§2
Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG
Bei der Anmeldung muss die Existenz der ausländischen Komplementärgesellschaft durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden; nachzuweisen ist zudem die Bestellung der Organmitglieder und ihre Vertretungsmacht.1 Ausländische Urkunden bedürfen der Legalisation bzw. müssen nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation mit einer Apostille versehen sein.
2.511
5. Eintragung der ausländischen Komplementärgesellschaft in das deutsche Handelsregister Erwirbt ein ausländisches Unternehmen einen Kommanditanteil an einer deutschen KG, so führt dies noch nicht zur Begründung einer Zweigniederlassung in Deutschland.2 Auch die Übernahme der Komplementärstellung in einer KG durch eine nach ausländischem Recht wirksam gegründete Kapitalgesellschaft führt für diese per se noch nicht zur Entstehung einer Zweigniederlassung in Deutschland und somit auch nicht zu einer diesbezüglichen Registerpflicht.3 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass eine KG mit deutschem Gesellschaftsstatut nicht gegründet werden kann und dass eine bestehende KG nach dem Eintritt der ausländischen Komplementärin als aufgelöst gilt, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz der Komplementärin und damit der Verwaltungssitz der KG im Ausland liegt (s. dazu Rz. 2.505 f.).
2.512
Wenn die ausländische Komplementärin hingegen eine sachliche und personelle Ausstattung in Deutschland hat, die als selbständige Organisationseinheit zu qualifizieren ist, dann ist in Deutschland eine Zweigniederlassung gegeben, die gem. §§ 13d und 13e HGB in das deutsche Handelsregister eingetragen werden muss.4 Der Anwendbarkeit der §§ 13d ff. HGB steht auch nicht entgegen, dass die ausländische Komplementärin mit der Verlegung ihres Sitzes nach Deutschland hier tatsächlich ihre Haupt- und nicht ihre Zweigniederlassung hat; §§ 13d bis 13g HGB sind vielmehr richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft auch mit deren tatsächlichen Verwaltungssitz zusammenfallen kann.5
2.513
Anmeldepflichtig sind die Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft in vertretungsberechtigter Anzahl. Die Anmeldung hat in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen; die Existenz der ausländischen Gesellschaft und die Vertretungsberechtigung
2.514
1 OLG Dresden v. 21.5.2007 – 1 W 52/07, GmbHR 2007, 1156 m. Komm. Wachter. 2 Roth in Roth/Altmeppen, § 4a GmbHG Rz. 76; Wachter, GmbHR 2006, 79 (80). 3 OLG Frankfurt v. 24.4.2008 – 20 W 425/07, GmbHR 2008, 707; Kessler, DStR 2005, 2101 (2106). 4 LG Wiesbaden v. 15.10.2007 – 12 T 9/07, GmbHR 2008, 364; Kowalski/Bormann, GmbHR 2005, 1045 (1046); Wachter, GmbHR 2006, 79 (80); Werner, GmbHR 2005, 288 (289); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (9). A.A. OLG Frankfurt a.M. v. 24.4.2008 – 20 W 425/07, GmbHR 2008, 707; Süß, GmbHR 2005, 673. 5 KG Berlin v. 18.11.2003 – 1 W 444/02, GmbHR 2004, 116; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1937 (1939); Bayer in Lutter/Hommelhoff Anh. I zu § 4a GmbHG Rz. 10 ff.; Teichmann, ZGR 2011, 639 (671); Werner, GmbHR 2005, 288 (289); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (4). Nach a.A. folgt die Verpflichtung zur Handelsregistereintragung in Deutschland aus § 33 Abs. 2 HGB analog; vgl. BayObLG v. 21.3.1986 – BReg. 3 Z 148/85, GmbHR 1986, 305 (308); Süß, GmbHR 2005, 673 (674).
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
sind nachzuweisen. Die Anmeldung muss gem. § 184 Satz 1 GVG in deutscher Sprache erfolgen. Der Inhalt der Anmeldung richtet sich nach § 13e HGB. 2.515
Das Registergericht kann die Eintragung der KG nicht davon abhängig machen, dass zunächst die Zweigniederlassung der ausländischen Komplementärin in Deutschland eingetragen wird.1 Allerdings folgt aus der Anmeldung der KG zum deutschen Handelsregister, dass nach Auffassung der Beteiligten die KG dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegt. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn die KG ihren Sitz im Inland hat, was wiederum bedeutet, dass ihre Geschäfte von Deutschland aus geführt werden. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die ausländische Komplementärin ihre Geschäftsführung nach Deutschland verlegt hat. Mit der Handelsregisteranmeldung erlangt das Register also i.d.R. Kenntnis von der Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft in Deutschland, so dass es die Anmeldung der Zweigniederlassung gegebenenfalls nach § 14 HGB, §§ 388 ff. FamFG mit einem Zwangsgeld erzwingen kann.2 Im Eintragungsverfahren sind diverse Unterlagen zur Existenz und zur Vertretung der ausländischen Gesellschaft beizubringen.3
2.516
Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG wird durch die ausländische Komplementärin vertreten und diese durch ihre Organe. Die ausländische Komplementärin kann vom Verbot des § 181 BGB befreit werden, nicht aber ihre Organe.4
2.517
Für die Zweigniederlassung gilt deutsches Firmenrecht.5 Bei der Eintragung der Zweigniederlassung ist insbesondere § 30 Abs. 3 HGB zu beachten, d.h. die Firma der Zweigniederlassung muss sich von anderen Firmen am gleichen Ort und damit auch von der Firma der KG deutlich unterscheiden.
6. Vor- und Nachteile 2.518
Durch den Einsatz einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Komplementärin einer deutschen KG kann u.U. der Gründungsaufwand für die Komplementärin verringert werden, sei es durch geringere Anforderungen an das Mindestkapital der Gesellschaft oder geringere Gründungskosten bspw. für Notar und Register. Auch finden die Regelungen des GmbHG zu Kapitalaufbringung und -erhaltung auf die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG keine entsprechende Anwendung. Allerdings stellt das deutsche Recht seit der Änderung des GmbHG durch das MoMiG mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ebenfalls eine Kapitalgesellschaft zur Verfügung, die ohne Mindestkapital und mit geringen Kosten gegründet werden kann. Kapitalaufbringung und Gründungskosten dürften daher kein Grund mehr für den Rückgriff auf eine ausländische Kapitalgesellschaft als Komplementärin sein.
1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 50; Süß, GmbHR 2005, 673 (674); Wachter, GmbHR 2006, 79 (80); a.A. Kowalski/Bormann, GmbHR 2005, 145 (1046); Werner, GmbHR 2005, 288 (291). 2 Wachter, GmbHR 2006, 79 (81). 3 Übersicht bei Melchior, AnwBl. 2011, 20 ff. und Süß, DNotZ 2005, 180 ff. 4 OLG Frankfurt a.M. v. 19.2.2008 – 20 W 263/07, GmbHR 2009, 214, 1198; Bayer in Lutter/ Hommelhoff, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 26 und 51; Wachter, GmbHR 2006, 79 (83). 5 OLG München v. 7.3.2007 – 31 Wx 92/06, GmbHR 2007, 979.
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§2
Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG
Vorteile bieten sich dort, wo sich das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates im Vergleich mit dem deutschen GmbH-Recht als weniger streng darstellt. Zu beachten ist, dass das ausländische Recht nur für das Gesellschaftsstatut der ausländischen Komplementärin gilt. Insbesondere die Vorschriften des deutschen Insolvenz- und Deliktsrechts sind jedoch nicht dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen, sondern gelten für alle Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben.1 Namentlich die in § 15a InsO normierte Insolvenzantragspflicht unterfällt nicht dem Gesellschaftsstatut, sondern ist nach inzwischen h.M. insolvenzrechtlicher Natur.2 Es gilt mithin das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen3 hat. Somit haftet ein director einer nach ausländischem Recht gegründeten Komplementärin, die ihren Sitz nach Deutschland verlegt hat, im Falle der Insolvenzverschleppung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO und kann sich dementsprechend auch strafbar machen.4
2.519
Da die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG mit Sitz in Deutschland eine deutsche KG ist, gilt für sie das deutsche Gesellschaftsstatut, insbesondere gelten die §§ 171, 172 HGB. Des Weiteren gilt auch bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG das Zahlungsverbot aus §§ 130a Abs. 1, 161 Abs. 2, 177a HGB.5 Allein das Ausschüttungsverbot nach §§ 30, 31 GmbHG analog findet – da gesellschaftsrechtlicher Natur – auf die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG keine Anwendung.6 Dies dürfte ohne praktische Relevanz sein, weil die ausländische Komplementärin i.d.R. ohnehin nur über ein geringes gezeichnetes Kapital verfügt.
2.520
Seit der Ergänzung des § 13e Abs. 3 HGB um einen Verweis auf die Bestellungsverbote aus § 6 Abs. 2 GmbHG eignet sich die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht mehr als Ausweichgestaltung für Personen, denen nach deutschem GmbH-Recht die Geschäftsführung einer GmbH untersagt ist, denn nunmehr müssen auch die Organe der ausländischen Kapitalgesellschaft bei der Anmeldung der Zweigniederlassung zum deutschen Handelsregister versichern, dass in ihrer Person keine Bestellungshindernisse gegeben sind.
2.521
Auch die Registerpublizität lässt sich mit der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht vermeiden, denn auch für diese Rechtsform gelten uneingeschränkt die §§ 264a ff., 325a HGB.7
2.522
Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Wahl einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Komplementärin aus dem Umstand, dass damit neben dem deutschen KG-Recht stets auch das ausländische Gesellschaftsrecht der Komplementärin zu beachten ist. Dies dürfte regelmäßig zu einem erhöhten Beratungs-
2.523
1 Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 501; Klöhn/Schaper, ZIP 2013, 49 (59). 2 Goette, DStR 2005, 197 (201); Haas, NZG 2010, 495; Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 661; Klöhn/Schaper, ZIP 2013, 49 (51). 3 Sog. Center of Main Interests, COMI, vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 EuInsVO. 4 LG Kiel v. 20.4.2006 – 10 S 44/05, GmbHR 2006, 710 m. Komm. Leutner/Langner; Hadding/Kießling, WM 2009, 154 (153); Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rz. 669; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 58 f. 5 Klöhn/Schaper, ZIP 2013, 49 (51 f.). 6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 53. 7 Wachter, GmbHR 2006, 79.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
aufwand führen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die ausländische Kapitalgesellschaft i.d.R. in ihrem Gründungsstaat bestimmte Register- und Publizitätspflichten zu beachten hat, bei deren Verletzung nicht unerhebliche Strafen bis hin zur Zwangsliquidation drohen. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass die Gesellschaft sowohl in ihrem Gründungsstaat als auch in Deutschland zur Aufstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen verpflichtet sein kann, deren Erstellung nicht zwingend denselben Regeln folgen muss. Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der notwendigen Abstimmung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von KG und Komplementärin (s. dazu Rz. 3.187 ff.). Die Regelungen über Beschlussmehrheiten dürften ebenso schwer in Einklang zu bringen sein wie Nachfolge-, Einziehungs- und Kündigungsregelungen. Klagen gegen Gesellschafterbeschlüsse sind ggf. vor ausländischen Gerichten zu führen.1 Besondere Probleme stellen sich zudem, wenn Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft in einen Nachlass fallen. Eine gewisse Erleichterung dürfte insofern die Bildung einer Einheitsgesellschaft (s. Rz. 2.461 ff.) schaffen, indem die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die KG übertragen werden.2 Ein besonderes Haftungsrisiko ergibt sich, wenn es zur (Zwangs-)Löschung der ausländischen Kapitalgesellschaft im dortigen Register kommen sollte, denn diese ist dann zwar im Gründungsstaat erloschen, besteht aber in Deutschland als sog. Rest- oder Spaltgesellschaft fort.3 Diese Restgesellschaft unterliegt grundsätzlich deutschem Recht und ist – je nach Anzahl der Gesellschafter – als oHG oder Einzelunternehmen zu qualifizieren, was stets die persönliche Haftung des Gesellschafters auch für die Verbindlichkeiten der KG zur Folge hat. 2.524
Entscheidender Vorteil einer KG mit einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Komplementärin kann es sein, dass diese Rechtsform nicht der Mitbestimmung nach dem deutschen Mitbestimmungsgesetz unterliegt.4 In § 1 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 MitbestG ist definiert, welche Gesellschaften der Mitbestimmung unterliegen. Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG ist von diesen Regelungen nicht erfasst. Zwar wurde in der Literatur eine analoge Anwendung des für die GmbH & Co. KG einschlägigen § 4 MitbestG diskutiert,5 nach überwiegender Ansicht fehlt es dafür aber bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.6 Eine analoge Anwendung ist selbst dann nicht veranlasst, wenn die ausländische Komplementärin ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat.7 Darüber hinaus lässt bei vielen ausländischen Kapitalgesellschaften das nationale Gesellschaftsrecht die Bildung eines Aufsichtsrats nicht zu.8 1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Frankfurt a.M. v. 3.2.2010 – 21 U 54/09, GmbHR 2010, 529. Ebenso Wachter, GmbHR 2006, 79 (85). OLG Hamm v. 11.4.2014 – I - 12 U 142/13, NJW-RR 2014, 995. So zutr. BayObLG v. 21.3.1986 – BReg. 3Z 148/85, GmbHR 1986, 305 (308); Meilicke/Meilicke, § 1 MitbestG Rz. 3; Müller, BB 2006, 837 (841); Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 158 ff. V. Halen, WM 2003, 571 (577) m.w.N. Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249 (257) m.w.N.; Oetker in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 1 MitbestG Rz. 5; Thüsing, ZIP 2004, 381 (382); Ulmer/Habersack in Hanau/Ulmer, MitbestG, 2. Aufl. 2006, § 4 MitbestG Rz. 11. Oetker in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 4 MitbestG Rz. 1; Ulmer/Habersack in Hanau/Ulmer, MitbestG, 2. Aufl. 2006, § 4 MitbestG Rz. 11; Raiser/ Veil, § 1 MitbestG Rz. 5b. Werner, GmbHR 2005, 288 (294).
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§2
Stiftung & Co. KG
III. Doppelstöckige GmbH & Co. KG Die doppelstöckige oder auch mehrstufige GmbH & Co. KG ist ein Gebilde, bei dem an einer KG als Komplementärin oder – was der Regelfall ist – als Kommanditistin eine weitere GmbH & Co. KG beteiligt ist.1
2.525
Die handelsrechtliche Anerkennung der doppelstöckigen GmbH & Co. KG bereitete früher Schwierigkeiten, wenn die Komplementär-GmbH & Co. KG (KG I) keine andere Funktion als die Übernahme der persönlichen Haftung in der KG II ausübte, denn die Übernahme der persönlichen Haftung allein reichte nicht aus, um ihr die Eigenschaft als Vollkaufmann zuzusprechen.2 Es war vielmehr erforderlich, dass bei der Komplementär-GmbH & Co. KG (KG I) außer der Haftungsübernahme der Betrieb eines Grundhandelsgewerbes in vollkaufmännischer Art zum Geschäftsgegenstand gehörte.3 Durch das Handelsrechtsreformgesetz wurde dieses Erfordernis hinfällig, denn nunmehr steht auch den rein vermögensverwaltenden Gesellschaften nach § 105 Abs. 2 HGB die Rechtsform der KG offen.4
2.526
IV. Stiftung & Co. KG Bei einer Stiftung & Co. KG handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, bei der eine rechtsfähige Stiftung als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert.5 Der Stiftung obliegen damit Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft (§§ 164, 170 HGB). Die Stiftung & Co. KG ist in ihrer rechtlichen Ausgestaltung eng mit der GmbH & Co. KG verwandt, so dass nachfolgend nur auf die spezifischen Besonderheiten dieser Rechtsform eingegangen wird.
2.527
1. Komplementär-Stiftung Rechtsgrundlagen der rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts sind die §§ 80–88 BGB sowie das jeweilige Landesstiftungsrecht. Die rechtsfähige Stiftung ist eine juristisch selbstständige Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck gewidmet ist. Sie entsteht gem. § 80 Abs. 1 BGB durch das Stiftungsgeschäft und die konstitutive staatliche Anerkennung. Der Stifter hat einen Rechtsanspruch auf die stiftungsrechtliche Anerkennung, wenn die formalen Anforderungen an das Stiftungsgeschäft gewahrt wurden, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert ist und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet (§ 80 Abs. 2 BGB). 1 Vgl. zur mehrstöckigen GmbH & Co. KG auch Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 9; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 51 Rz. 15 ff. 2 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 100; Tillmann, DB 1986, 1319 (1322); K. Schmidt, DB 1990, 94. 3 K. Schmidt, DB 1990, 93. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 3 f); Schlitt, NZG 1998, 581; Roth in Baumbach/ Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 9. 5 Zur Stiftung & Co. KG insbesondere Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 1 ff.; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. VI, § 82; Hävelmann, Die Stiftung & Co. KG als Unternehmensnachfolge, 2006; Höfner-Byok, Die Stiftung & Co. KG, 1996; Nietzer/Stadie, NJW 2000, 3457.
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
2.529
Im Stiftungsgeschäft legt der Stifter die Stiftungssatzung fest, die alle wesentlichen Elemente der Stiftung bestimmt. § 81 Abs. 1 Satz 3 BGB nennt die inhaltlichen Mindestanforderungen an die Stiftungssatzung. In der Satzung sind danach insbesondere Name, Sitz und Zweck der Stiftung anzugeben. Darüber hinaus sind Art und Höhe des Stiftungskapitals anzugeben und es sind Regelungen zur Bildung des Stiftungsvorstands zu treffen. Sinnvoll ist es, darüber hinaus weitere Regelungen zur Struktur und zum Wirken der Stiftung zu treffen. Das Stiftungsrecht lässt hier einen weiten Gestaltungsspielraum.
2.530
Bei der Festlegung des Stiftungszwecks ist zu beachten, dass sich der Zweck der Stiftung wegen des Verbots der Selbstzweckstiftung1 nicht in der Erhaltung und Verwaltung eines Unternehmens erschöpfen darf.2 Die unternehmerische Tätigkeit der Stiftung darf vielmehr immer nur das Mittel zur Verwirklichung eines fremdnützigen Stiftungszwecks sein. Eine Stiftung, deren einziger Zweck es ist (analog zur Komplementär-GmbH), das eigene Vermögen zu verwalten und als persönlich haftende Gesellschafterin einer Stiftung & Co. KG zu fungieren, ist mit den Grundsätzen des Stiftungsrechts nicht vereinbar.3 Aus diesem Grunde müssen der Stiftung über die Wahrnehmung der Komplementärfunktion hinaus in der Stiftungssatzung weitere Zwecke zugewiesen werden, wie bspw. die Förderung der Unternehmerfamilie, Fortführung des Unternehmens im Interesse des Stifters oder die Ausübung der Geschäftsführung im Familieninteresse.4
2.531
Es kann sich empfehlen, die Komplementär-Stiftung als sog. Familienstiftung auszugestalten. Eine Familienstiftung ist gegeben, wenn die Stiftung ihrem Zweck nach ausschließlich oder überwiegend den Interessen der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien dienen soll.5 Die Ausrichtung auf die Familieninteressen stellt zum einen sicher, dass es sich bei der Stiftung nicht um eine unzulässige Selbstzweckstiftung handelt, zum anderen wird die Familienstiftung in den meisten Bundesländern weitgehend von der staatlichen Stiftungsaufsicht freigestellt.6 Letzteres ist bei einer unternehmensleitenden Stiftung wie der Komplementär-Stiftung von großem Wert, da andernfalls aufgrund der Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Stiftungsaufsicht unternehmerische Entscheidungen nur schwerfällig oder gar nicht umgesetzt werden können.
2.532
Die Stiftung wird vom Stifter mit dem Stiftungsvermögen ausgestattet. Ein bestimmtes Mindestkapital ist nicht vorgeschrieben. Die Höhe des Stiftungsvermögens richtet sich vielmehr nach dem Stiftungszweck, denn Anerkennungsvoraussetzung ist nach § 80 Abs. 2 BGB, dass die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert ist. Für die Übernahme der Komplementärstellung in der Stiftung & Co. KG benötigt die Stiftung kein nennenswertes Vermögen. Die Not1 2 3 4 5
Eingehend dazu Reuter in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, §§ 80, 81 BGB Rz. 105 ff. Hüttemann, ZHR 167 (2003), 35 (60 f.). Nietzer/Stadie, NJW 2000, 3457 (3459). Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 19; Hennerkes/Schiffer/Fuchs, BB 1995, 209. Vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 StiftG Bln; § 2 Abs. 2 StiftG Bbg; § 17 Satz 2 StiftG Brm; § 21 Abs. 1 StiftG Hess; § 19 StiftG SH. 6 Vgl. § 10 Abs. 2 StiftG Bln; § 4 Abs. 3 Satz 2 StiftG Bbg; § 17 Satz 2 StiftG Brm; § 5 Abs. 1 Satz 2 StiftG Hbg; § 21 Abs. 2 StiftG Hess; § 10 Abs. 2 StiftG Nds; § 6 Abs. 3 StiftG NW; § 9 Abs. 1 Satz 3 StiftG RP; § 10 Abs. 3 StiftG Saar; § 19 Satz 2 StiftG SH.
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§2
Stiftung & Co. KG
wendigkeit eines höheren Stiftungsvermögens kann sich aber aus den weiteren Stiftungszwecken ergeben. Die im Stiftungsgeschäft festgelegten Regelungen sind verbindlich und nur in Ausnahmefällen Änderungen zugänglich, wobei stets der Wille des Stifters maßgeblich bleibt. Die Stiftung ist im Hinblick auf das von der KG betriebene Unternehmen über die Komplementärstellung in der Lage, eine Garantiefunktion für den Stifterwillen zu erfüllen, so dass das Unternehmen im Geiste des Gründers weitergeführt wird.1 Die Stiftung gewährleistet somit Unternehmenskontinuität. Während sich in Personen- und Kapitalgesellschaften die aktuellen Gesellschafter über den Willen des Unternehmensgründers hinwegsetzen können, ist dies bei einer Stiftung grundsätzlich nicht möglich. Satzungsänderungen sind nur zulässig, soweit sie vom Stifter zugelassen wurden, und sie dürfen dem erklärten oder mutmaßlichen Stifterwillen nicht widersprechen. Der Wille des Stifters, wie er sich in der Stiftungssatzung manifestiert, ist der Disposition entzogen. Selbst der Stifter ist nicht mehr in der Lage, die im Stiftungsgeschäft getroffenen Vorgaben später wieder zu ändern. Mit einer Stiftung & Co. KG kann die Unternehmensfortführung i.S. des Unternehmensgründers dauerhaft gesichert werden. Mit dieser „Ewigkeitsgarantie“ ist die Stiftungslösung im Vorteil gegenüber der Dauertestamentsvollstreckung, die spätestens nach 30 Jahren enden muss. Daher ist die Stiftung & Co. KG ein Gestaltungsmittel, das insbesondere bei der Regelung und Planung der Unternehmensnachfolge zum Einsatz kommt. Der Stifter hat die Möglichkeit, dem Stiftungsvorstand durch die Stiftungssatzung präzise Vorgaben für die Unternehmenspolitik und -führung zu machen. Bei der konkreten Ausgestaltung der Stiftungssatzung ist allerdings zu beachten, dass zu enge Vorgaben für die Unternehmensführung den Weg für notwendige Anpassungen des Unternehmens an eine geänderte wirtschaftliche Situation verstellen können.
2.533
2. Gesellschaftsvertrag Die Stiftung kann erst dann Komplementärin einer KG werden, wenn sie durch den Akt der staatlichen Anerkennung Rechtsfähigkeit erlangt hat.2 Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages, sei es durch Neugründung oder Eintritt in eine KG, kann also erst erfolgen, wenn die Errichtung der Stiftung abgeschlossen ist.
2.534
Eine Garantie für die dauerhafte Beachtung des Stifterwillens ist zunächst nur bei der Komplementär-Stiftung gegeben. Der Gesellschaftsvertrag der Stiftung & Co. KG lässt grundsätzlich eine Abänderung der dort vom Unternehmensgründer getroffenen Vorgaben zu. Um hier Friktionen zu verhindern, sollte der Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft bestimmen, dass in der KG wesentliche Entscheidungen nur mit Zustimmung der Stiftung gefällt werden können.
2.535
Da den Kommanditisten das Recht zur Kündigung ihres Kommanditanteils nicht genommen werden kann, muss sichergestellt sein, dass die Kündigung gem. § 131 Abs. 3 HGB nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt. Zudem sollte über die Ausgestaltung der Kündigungsfristen und der Abfindungsansprüche dem Interesse am
2.536
1 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 36 f. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 24; Schulze zur Wiesche, WPg 1988, 128 (129).
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§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Fortbestand des Unternehmens Rechnung getragen werden. Ergänzt werden kann dies noch mit einer Vinkulierung der Kommanditanteile sowie Andienungs- und Vorkaufsrechten zugunsten der Stiftung. 2.537
Da die Stiftung keine Mitglieder oder Gesellschafter hat, stellt sich bei der Stiftung & Co. KG nicht die Notwendigkeit, die Satzung der Komplementärin und der Kommanditgesellschaft zu verzahnen, um bspw. die Beteiligungsidentität sicherzustellen.
3. Stiftungsvorstand 2.538
Geschäftsführung und Vertretung der Stiftung & Co. KG erfolgen gem. §§ 164, 170 HGB durch die Stiftung. Die Stiftung ihrerseits wird durch ihren Vorstand geführt und vertreten (§§ 86, 26 BGB). Neben dem Vorstand kann die Stiftung noch über weitere Organe, beispielsweise einen Aufsichtsrat oder Beirat, verfügen. Zwingend ist dies aber nicht. Mindestorgan ist allein der Vorstand. Der Vorstand kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen. Auch der Stifter selbst kann Organ der Stiftung sein. In der Stiftungssatzung ist zu regeln, wie und von wem die Mitglieder des Vorstands bestellt werden. Es bietet sich an, für diesen Zweck einen Beirat oder Aufsichtsrat bei der Stiftung zu installieren. Der Stifter kann entscheiden, ob er dieses Organ mit Vertretern der Kommanditisten oder mit anderen Personen besetzen möchte, falls es ihm auf eine unabhängige und fachkundige Auswahl und Überwachung des Vorstands ankommt. Zudem kann er in der Satzung die Kriterien festlegen, nach denen die Vorstandsmitglieder auszuwählen sind.
2.539
Die Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands ist ein wesentliches Merkmal der Stiftung & Co. KG. Bei ihr wird eine völlige Trennung von Unternehmensführung und Ertragsberechtigten erreicht. Dies gilt einerseits für die Kommanditisten, andererseits auch für etwaige Destinatäre der Stiftung. Sie haben keine Möglichkeit, Einfluss auf den Stiftungsvorstand zu nehmen, es sei denn, dies ist ihnen gemäß Stiftungssatzung vorbehalten. Die Stiftung & Co. KG bietet sich somit an, wenn die Führung des Unternehmens und die Gesellschafterstellung auseinandergehalten werden sollen. Mit der Stiftung & Co. KG wird bspw. erreicht, dass die Erben als Kommanditisten nur Nutznießer des Betriebsvermögens sind, während die Unternehmensführung in andere, sachverständige Hände gelegt wird. Die Kommanditisten haben nicht die Möglichkeit, die Unternehmensführung auszutauschen. Die Rechte der Kommanditisten richten sich einzig und allein nach dem Gesellschaftsvertrag der KG. Auf die Stiftung, ihren Vorstand und ihre Verfassung können sie keinen Einfluss nehmen. Sofern nicht gesellschaftsvertraglich anders geregelt, haben die Kommanditisten allein das Widerspruchsrecht des § 164 Satz 1 HGB, welches zudem auf Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt ist, die über den gewöhnlichen Betrieb der KG hinausgehen. Da § 164 HGB dispositiv ist, können die Kommanditistenrechte durch den KG-Vertrag sowohl erweitert als auch weiter eingeschränkt werden.
2.540
Die Vorstandsmitglieder einer Stiftung sind keine Arbeitnehmer. Für sie besteht daher keine Beitragspflicht zur Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung.
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§2
AG & Co. KG
4. Steuerrecht Die Stiftung & Co. KG gilt steuerlich nicht als gewerblich geprägte Personengesellschaft und ermöglicht so eine gewerbesteuerfreie Vermögensverwaltung sowie eine gewerbesteuerfreie Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit.
2.541
5. Mitbestimmung Die Stiftung & Co. KG unterliegt nicht der Mitbestimmung, denn § 4 MitbestG findet auf solche Kommanditgesellschaften keine Anwendung, deren Komplementär nicht zu den in § 1 Abs. 1 MitbestG aufgezählten Kapitalgesellschaften gehört. Da die Stiftung in § 1 Abs. 1 MitbestG nicht genannt ist, ist die Stiftung & Co. KG mitbestimmungsfrei.1 Auch eine Konzernzurechnung nach § 5 Abs. 1 MitbestG kommt nicht in Betracht, da der Unternehmensträger der Zurechnung eine in § 1 Abs. 1 MitbestG genannte Rechtsform haben muss. Das DrittelbG findet auf die Stiftung ebenfalls keine Anwendung.
2.542
V. AG & Co. KG Die AG & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine Aktiengesellschaft (AG) ist.2 Insbesondere nachdem der Gesetzgeber die Vorschriften für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis gelockert hat, ist die Aktiengesellschaft als Komplementärin eine Alternative zur GmbH geworden. In ihrer rechtlichen Ausgestaltung gleicht die AG & Co. KG der GmbH & Co. KG, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann. Die Besonderheiten, die sich daraus ergeben, dass eine AG als Komplementärin fungiert, sind nachfolgend dargestellt.
2.543
1. Komplementär-AG Im Vergleich zur Gründung einer GmbH ist die AG-Gründung wesentlich aufwändiger. Zunächst ist die notarielle Feststellung der Satzung durch die Gründungsgesellschafter erforderlich (§ 23 Abs. 1 AktG); auch die Gründung als Ein-Personen-AG ist zulässig. Sodann sind der erste Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer zu bestellen. Die Bestellung bedarf jeweils der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG). Der Aufsichtsrat hat den ersten Vorstand zu bestellen, welcher dann wiederum die Einlagen einfordern muss. Weiterhin ist von den Gründern ein Gründungsbericht zu erstatten (§ 32 AktG) und es ist eine Gründungsprüfung durch die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat durchzuführen (§ 33 AktG). Unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 AktG ist zusätzlich eine Prüfung der Gründung durch einen externen Prüfer erforderlich. Die AG entsteht mit 1 LG Dortmund v. 25.3.2010 – 18 O 95/09 AktE, ZIP 2010, 2152; Seibt, ZIP 2011, 249. 2 Zur AG & Co. KG insbesondere Beckmann, Die AG & Co. KG, 1992; Beckmann, DStR 1995, 296; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 51 ff.; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rz. 11 ff.; Schindhelm/Wilde, GmbHR 1993, 411.
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2.544
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
ihrer Eintragung in das Handelsregister (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG). In der Zeit zwischen der notariellen Feststellung der Satzung und der Handelsregistereintragung besteht die Gesellschaft als sog. Vor-AG; diese ist bereits komplementärfähig, so dass der Gesellschaftsvertrag der AG & Co. KG unmittelbar nach der Satzungsfeststellung gegründet werden kann. Das Grundkapital der AG muss mindestens 50 000 Euro betragen und muss auf volle Euro lauten. 2.545
Die AG verfügt zwingend über eine dreigliedrige Organisationsstruktur mit gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten. Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan ist der Vorstand, der in eigener Verantwortung die Gesellschaft leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und sie im Rechtsverkehr vertritt (§ 78 Abs. 1 AktG). Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat kontrolliert, der ihn bestellt und abberuft; auch eine etwaige Befreiung der Vorstandsmitglieder vom Wettbewerbsverbot fällt in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats.1 Die Aktionäre üben ihre Rechte in der Hauptversammlung aus, die den Aufsichtsrat beruft. Im Vergleich zur GmbH & Co. KG ist mit dem Aufsichtsrat der Komplementärin also zwingend ein weiteres Organ zu schaffen.
2.546
Vom Gesetz abweichende Satzungsbestimmungen sind bei der AG nur zulässig, soweit dies vom Gesetz ausdrücklich zugelassen wird (sog. Grundsatz der Satzungsstrenge, vgl. § 23 Abs. 5 AktG). Ergänzende Satzungsbestimmungen kommen zudem nur dort in Betracht, wo das Gesetz keine abschließende Regelung trifft. Dabei enthält das Aktienrecht wesentlich mehr Formalien als das GmbHG, so dass sich die Abläufe in der AG weit weniger flexibel gestalten lassen als in der GmbH.
2.547
Als Komplementärin obliegt der AG die Geschäftsführung und Vertretung der AG & Co. KG. Die AG wird ihrerseits durch ihren Vorstand vertreten. Wesentlicher Unterschied zur GmbH ist die Weisungsfreiheit des Vorstands. Weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat sind befugt, durch Weisungen in die eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands einzugreifen. Allein für bestimmte Arten von Geschäften kann die Zustimmung des Aufsichtsrats im Innenverhältnis vorgesehen werden (§ 111 Abs. 4 AktG). Die Rechtsstellung des Vorstands der Aktiengesellschaft unterscheidet sich damit erheblich von der Rechtsstellung eines GmbH-Geschäftsführers. Der Vorstand ist unabhängig (§ 76 Abs. 1 AktG); der Geschäftsführer hingegen ist weisungsgebunden (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG). Die Weisungsunabhängigkeit des Vorstands der Komplementärin ist ein besonderes Merkmal der AG & Co. KG. Die gesetzlich verankerte Machtstellung des Vorstands führt zu einer stärkeren Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene, die gesellschaftsvertraglich noch dadurch unterstützt werden kann, dass das Widerspruchsrecht der Kommanditisten nach § 164 HGB abbedungen wird. Dies erleichtert die Führung des Unternehmens, da die Gesellschafter der KG kaum Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen können. Auch die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre der Komplementär-AG sind im Vergleich zu den Rechten der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH erheblich reduziert. Etwaige Konflikte unter den Gesellschaftern wirken sich damit i.d.R. nicht unmittelbar auf der Führungsebene aus, was insbesondere bei Gesellschaften mit verschiedenen Familienstämmen und einem heterogenen Gesellschafterkreis eine unabhängig von etwaigen Streitigkeiten funktionierende Geschäftsführung ermöglicht. Aus die1 BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, GmbHR 2009, 881.
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§2
AG & Co. KG
sem Grunde empfiehlt sich die AG & Co. KG insbesondere bei Unternehmen, bei denen sich die Mehrzahl der Gesellschafter eher als Kapitalanleger denn als tätiger Unternehmer versteht. Anders als bei der GmbH & Co. KG, bei der sich aus der drittschützenden Wirkung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ein Wettbewerbsverbot auch für den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ergibt, besteht bei der AG & Co. KG weder aus § 112 HGB noch aus § 88 AktG ein Wettbewerbsverbot für den AG-Vorstand gegenüber der KG.1 Das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB trifft nur die Komplementär-AG, nicht aber ihre Vorstandsmitglieder.
2.548
Ein weiterer Unterschied zwischen AG & Co. KG und GmbH & Co. KG besteht in der arbeits- und sozialrechtlichen Stellung der Geschäftsleiter. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gelten grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer. Für sie besteht daher keine Beitragspflicht zur Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung. Für Geschäftsführer einer GmbH ist dagegen zu differenzieren. Diese sind, wenn sie Minderheitsgesellschafter oder Fremdgeschäftsführer sind, i.d.R. Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Sinne.
2.549
Im Gegensatz zum Geschäftsführer der GmbH & Co. KG kann der Anstellungsvertrag mit einem Vorstandsmitglied der Komplementär-AG nicht mit der KG abgeschlossen werden. Eine solche Gestaltung würde gegen §§ 76 Abs. 1, 84 Abs. 1, 23 Abs. 5 AktG verstoßen.
2.550
Bei der AG ist der Gesellschafterwechsel leichter durchführbar als bei der GmbH, da es für eine Übertragung der Aktien einer notariellen Beurkundung nicht bedarf. Grundsätzlich sind die Aktien frei und formlos übertragbar. Stehen bei der GmbH & Co. KG die Übertragung des Kommanditanteils und des GmbH-Geschäftsanteils im Zusammenhang, so erstreckt sich die Formbedürftigkeit der Anteilsübertragung auch auf den Kommanditanteil. Bei der AG & Co. KG hingegen können sowohl die Aktien als auch die Kommanditanteile formlos übertragen werden. Dies spart nicht nur Kosten, sondern macht den Gesellschafterwechsel auch wesentlich flexibler. Allerdings kann in der AG-Satzung vorgesehen werden, dass die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (vinkulierte Namensaktien, § 68 Abs. 2 AktG).
2.551
2. Gesellschaftsverträge Wegen des für die AG geltenden Grundsatzes der Satzungsstrenge kann eine Angleichung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von AG und AG & Co. KG regelmäßig nur dadurch erreicht werden, dass die KG aktienrechtliche Regelungen übernimmt. Damit besteht bei der AG & Co. KG wesentlich weniger Gestaltungsspielraum als bei der GmbH & Co. KG. Wesentliche Gestaltungsaufgabe bei der personenidentischen AG & Co. KG ist es, durch entsprechende Regelungen sicherzustellen, dass die Beteiligungsidentität gewahrt und wiederhergestellt wird. Bei Verfügungen unter Lebenden kann die Personenidentität durch die Vinkulierung der Aktien gesichert werden. Sie ist die einzige Möglichkeit, die freie Übertragbarkeit der Aktien zu beschränken. Die Übertragbarkeit der Aktien ist dann von der 1 BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, GmbHR 2009, 881.
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2.552
§2
Rechtsformvergleich und besondere Erscheinungsformen
Zustimmung des Vorstandes abhängig. Die Entscheidungsbefugnis kann aber auch auf den Aufsichtsrat übertragen werden. Die Satzung kann vorsehen, dass diese Zustimmung nur dann erteilt wird, wenn auch eine entsprechende KG-Beteiligung übertragen wird. Im Gesellschaftsvertrag der KG kann die Übertragung von Anteilen grundsätzlich von der Zustimmung der Gesellschafter abhängig gemacht werden, oder sie wird unter die Bedingung gestellt, dass der Veräußerer gleichzeitig seine Aktien an der Komplementär-AG auf denselben Erwerber überträgt. Schwieriger gestaltet sich die Wahrung der Beteiligungsidentität bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen (Sonderrechtsnachfolge in der KG, Erbengemeinschaft in der AG), einem Ausscheiden durch Kündigung (nur in der KG zulässig) oder dem Ausschluss eines Gesellschafters (Ausschlussgrund ggf. nur in einer Gesellschaft gegeben). Für diese Fälle sind Maßnahmen vorzusehen, die die Beteiligungsidentität nachträglich wieder herstellen. In der AG-Satzung kommt dazu allein die Einziehung der Aktien in Betracht (§ 237 Abs. 1 AktG). Im Gesellschaftsvertrag der KG kann der Ausschluss des betreffenden Gesellschafters vorgesehen werden. 2.553
Im Hinblick auf diese Verzahnungsproblematik und die Beteiligungsidentität kann sich auch bei der AG & Co. KG die Bildung einer Einheitsgesellschaft empfehlen.1
3. Mitbestimmungsrecht 2.554
Die AG & Co. KG ist als Kommanditgesellschaft selbst nicht mitbestimmungspflichtig. Mitbestimmungspflichtig kann jedoch – wie bei der GmbH & Co. KG (s. dazu Rz. 4.175 ff.) – die Komplementärin sein. Dies ist der Fall, wenn die AG & Co. KG mehr als 2 000 inländische Arbeitnehmer hat; dann erfolgt kraft Zurechnung eine paritätische Mitbestimmung auf Ebene der Komplementär-AG (§ 4 Abs. 1 MitbestG). Da die Komplementär-AG regelmäßig nicht über mehr als 500 Arbeitnehmer verfügen wird, scheidet eine Mitbestimmung nach dem DrittelbG in der Regel aus. Unerheblich ist, ob die AG & Co. KG über mehr als 500 Arbeitnehmer verfügt, weil das DrittelbG eine Zurechnung der Arbeitnehmer zur Komplementärin nach dem Muster des § 4 Abs. 1 MitbestG nicht kennt.
VI. SE & Co. KG 2.555
Die SE & Co. KG2 ist eine Kommanditgesellschaft, mit einer Europäischen Gesellschaft (SE, Societas Europaea) als persönlich haftendem Gesellschafter. Diese Gestaltungsform erfreut sich zunehmender Beliebtheit, weil sie im Vergleich zur AG & Co. KG die Möglichkeit einer monistischen Binnenverfassung bietet und zudem mitbestimmungsrechtliche Vorteile aufweist.
2.556
Seit Ende 2004 gibt es als weitere Form der Kapitalgesellschaft die Rechtsform der SE. Der Rechtsrahmen für diese Gesellschaftsform wird durch die europäische SE-VO3 vorgegeben und für den jeweiligen Sitzstaat durch ein nationales Ausfüh1 Esch, BB 1991, 1129 (1131); Schindhelm/Wilde, GmbHR 1993, 411 (415); mit Bedenken wegen § 71d Satz 2 AktG Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 65 ff. 2 Dazu u.a. Blaum in Westermann, Handbuch Personengesellschaften, § 57 Rz. 3375 ff. 3 EG-Verordnung Nr. 2157/01, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1 ff.
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§2
SE & Co. KG
rungsgesetz konkretisiert.1 Dementsprechend unterscheiden sich die SE je nach Sitzstaat. Als Komplementärin kommt sowohl eine deutsche SE als auch eine ausländische SE in Betracht. Die ausländische SE muss allerdings zur Gründung einer KG deutschen Rechts ihren Sitz nach Deutschland verlegen, damit sich der Ort der Geschäftsleitung der KG im Inland befindet. Für die Gründung der SE gilt ein numerus clausus der Gründungsformen. Die Gründungsgesellschafter müssen einen Bezug zu mindestens zwei EWR-Staaten aufweisen. Natürlichen Personen ist die Gründung einer SE versagt. Die SE ist juristische Person. Sie entsteht mit der Eintragung im Handelsregister. Ihr Kapital muss mindestens 120 000 Euro betragen. Das Kapital ist in Aktien zerlegt und die Haftung eines Aktionärs ist auf das von ihm gezeichnete Kapital beschränkt. Die Firma der Gesellschaft muss den Zusatz „SE“ führen. Im Hinblick auf die Organ(isations)struktur der SE kann zwischen zwei Modellen gewählt werden. Das dualistische Modell nach §§ 15 ff. SEAG entspricht im Wesentlichen dem System der deutschen AG mit einem Leitungs- und einem Aufsichtsorgan. Das monistische System (§§ 20 ff. SEAG) ist mit der angelsächsischen Board-Struktur vergleichbar. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass die geschäftsführenden Direktoren im monistischen Modell den Weisungen des Verwaltungsrats unterliegen, während im dualistischen Modell (gleich der deutschen AG) der Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung führt und der Aufsichtsrat lediglich die Geschäftsführung überwacht, sie aber nicht anweisen kann. Bei der Verzahnung der Satzung der SE und des Gesellschaftsvertrages der SE & Co. KG ergeben sich keine Unterschiede zur AG & Co. KG, s. daher Rz. 2.552.
2.557
Auf die SE findet weder das MitbestG noch das DrittelbG Anwendung. Damit greift insbesondere auch § 4 Abs. 1 MitbestG nicht, so dass die SE & Co. KG – im Gegensatz zur GmbH & Co. KG und der AG & Co. KG – insofern mitbestimmungsfrei ist. Für die Beteiligung der Arbeitnehmer bei der SE gilt vielmehr das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG). Danach muss bei der Gründung der SE mit den Arbeitnehmervertretungen der an der Gründung beteiligten Gesellschaften sowie deren Tochtergesellschaften eine Vereinbarung über die Arbeitnehmerbeteiligung einschließlich der Mitbestimmung getroffen werden. Wenn diese Gesellschaften arbeitnehmerlos sind, kann die Notwendigkeit der Arbeitnehmerbeteiligung entfallen.2 Wird vor Erreichen der Schwellenwerte von 500 bzw. 2 000 (zurechenbaren) Arbeitnehmern eine GmbH bzw. AG & Co. KG in eine SE & Co. KG umgestaltet, so bestimmt sich das Mitbestimmungsregime dauerhaft danach, was im Zeitpunkt der Umwandlung gilt; es bleibt also auch bei einem nachfolgenden Überschreiten der Schwellenwerte bei dem vorherigen (ggf. mitbestimmungsfreien) Zustand.3
2.558
1 In Deutschland durch das SEEG v. 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675 ff. 2 AG Düsseldorf v. 16.1.2006 – HRB 52618 - V 2157/01, ZIP 2006, 287. 3 Blaum in Westermann, Handbuch Personengesellschaften, § 57 Rz. 3394a ff.
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§3 Gründung A. Gesellschaftsrecht 3.1
Eine GmbH & Co. KG wird gegründet, indem ihre Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag abschließen.1 Die GmbH & Co. KG ist keine eigene Rechtsform, sondern eine Kommanditgesellschaft i.S. der §§ 161 ff. HGB mit der Besonderheit, dass die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters von einer GmbH eingenommen wird. Somit besteht neben der KG stets eine weitere Gesellschaft, nämlich die Komplementär-GmbH. Auch wenn beide Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, handelt es sich rechtlich um zwei eigenständige Gesellschaften, die jeweils ihrem eigenen Gesellschaftsrecht folgen. Für die GmbH & Co. KG gilt KG-Recht; für die Komplementär-GmbH gilt GmbH-Recht. Bei der Vertragsgestaltung ist daher darauf zu achten, dass diese unterschiedlichen Regularien aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden (s. Rz. 3.187 ff.).
I. Komplementär-GmbH 3.2
Zur Gründung der GmbH & Co. KG wird zunächst einmal die GmbH benötigt, die in der Kommanditgesellschaft die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters (des Komplementärs) übernehmen soll. Dazu kann entweder auf eine bereits bestehende GmbH zurückgegriffen werden oder die GmbH wird eigens zum Zwecke der KG-Gründung neu errichtet.
1. Vorrats- oder Mantel-GmbH 3.3
Wird auf eine bereits bestehende GmbH zurückgegriffen, so ist zu beachten, dass dieser aus ihrem „Vorleben“ Verbindlichkeiten und Risiken anhaften können. Will man derartige Risiken ausschließen und bleibt nicht genug Zeit für eine Neugründung, so empfiehlt sich der Erwerb einer unbelasteten Vorrats-GmbH. Sowohl bei der erneuten Verwendung eines inaktiven, gebrauchten GmbH-Mantels (also einer GmbH, die nur noch eine „leere Hülse“ ist, weil sie ihre unternehmerische Tätigkeit bereits zuvor vollständig eingestellt hat)2 als auch bei der erstmaligen Aktivierung einer Vorrats-GmbH muss dies dem Registergericht angezeigt werden, denn der Bundesgerichtshof sieht in beiden Fällen eine wirtschaftliche Neugründung und wendet daher die Gründungsvorschriften zur Kapitalausstattung der GmbH auf diese Fälle analog an.3 Der Geschäftsführer der GmbH muss daher bei der (Re-)Aktivierung einer bereits bestehenden GmbH dem Registergericht die wirtschaftliche Neugründung offenlegen und zudem entsprechend § 8 Abs. 2 1 Wann die Gesellschaft als KG wirksam entsteht, hängt von den betreffenden Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag und davon ab, ob sie ein Handelsgewerbe betreibt, s. dazu Rz. 3.223. 2 BGH v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, GmbHR 2010, 474 m. Komm. Ulrich. 3 BGH v. 12.7.2011 – II ZR 71/11, GmbHR 2011, 1032 m. Komm. Bayer; BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, GmbHR 2003, 227 m. Komm. Peetz und BGH v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, GmbHR 2003, 1125 m. Komm. Peetz.
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§3
Komplementär-GmbH
Satz 1 GmbHG versichern, dass die Einlagen bewirkt sind und zu seiner freien Verfügung stehen. Bei einer „gebrauchten“ GmbH ist oft fraglich, ob eine solche Versicherung abgegeben werden kann. Unterbleibt die Versicherung, so haften die Gesellschafter für eine etwaige Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, in dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Betätigung erstmals nach außen in Erscheinung tritt.1 Diese sog. Unterbilanzhaftung ist eine auf den Geschäftsanteil rückständige Leistung i.S.v. § 16 Abs. 2 GmbHG, für die der Erwerber des Geschäftsanteils neben dem Veräußerer haftet.2 Darüber hinaus kommt eine Haftung des Geschäftsführers analog § 11 Abs. 2 und § 9a Abs. 1 GmbHG in Betracht.3
2. Neugründung In der Mehrzahl der Fälle wird die Komplementär-GmbH im Vorfeld der KG-Gründung neu errichtet. Die Gründung einer GmbH kann durch eine oder mehrere Personen erfolgen (§ 1 GmbHG). Gründer kann jede natürliche oder juristische Person, jede Personenhandelsgesellschaft (OHG und KG) und jede Gesamthandsgemeinschaft (Außen-GbR, Partnerschaft, Erbengemeinschaft) sein.4 Die Gründung vollzieht sich in fünf Schritten: – – – – –
3.4
Abschluss des Gesellschaftsvertrages, Bestellung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführer, Leistung auf die Geschäftsanteile, Anmeldung zum Handelsregister, Eintragung im Handelsregister und Bekanntmachung.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH (auch Satzung genannt) bedarf gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB, §§ 6 ff. BeurkG). Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. Die gleichzeitige Anwesenheit aller Gesellschafter vor dem Notar ist nicht erforderlich; vielmehr können die Gründer ihre Erklärungen auch nacheinander oder vor verschiedenen Notaren abgeben. Die Unterzeichnung der Gründungsurkunde kann durch einen Bevollmächtigten erfolgen, allerdings bedarf die Vollmacht gem. § 2 Abs. 2 GmbHG der notariellen Form (Beglaubigung reicht aus). Zählt der Vertreter selbst zu den Gründern oder vertritt er mehrere Gesellschafter, so muss er zudem von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sein.
3.5
Seit dem MoMiG sieht § 2 Abs. 1a GmbHG eine standardisierte GmbH-Gründung unter Verwendung des sog. Musterprotokolls vor. Allerdings ist die GmbH-Satzung
3.6
1 BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, GmbHR 2012, 630 ff. sowie dazu u.a. Bachmann, NZG 2012, 579 ff.; Jeep, NZG 2012, 1209 ff.; Tavakoli, NJW 2012, 1855 ff.; Ulmer, ZIP 2012, 1265 ff.; Zölter-Petzhold, NJW-Spezial 2012, 335 ff. 2 BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, GmbHR 2012, 630 ff. Eine zusätzliche Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG kommt hingegen nicht in Betracht, s. Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197 (203 f.); Kuszlik, GmbHR 2012, 882 (886); a.A. Hüffer, NZG 2011, 1257 (1259). 3 BGH v. 12.7.2011 – II ZR 71/11, NZG 2011, 1066 = GmbHR 2011, 1032 m. Komm. Bayer. 4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 2 GmbHG Rz. 7 ff.
Lüke
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§3
Gründung
gemäß Musterprotokoll auf den gesetzlichen Mindestinhalt beschränkt und lässt keinen Raum für eine Anpassung der Regelungen an den konkreten Einzelfall. Regelungen zur Ergänzung oder Abänderung der gesetzlichen Vorschriften, bspw. für den Erbfall oder zur Wahrung der Beteiligungsidentität bei GmbH und KG, sind bei dieser Gründungsvariante nicht möglich. Damit lässt das Musterprotokoll die bei der GmbH & Co. KG dringend gebotene Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG1 nicht zu. Seine Verwendung ist für die Gründung der Komplementär-GmbH daher nicht zu empfehlen. Der einzige Vorteil bei der Verwendung des Musterprotokolls liegt ohnehin nur in der kostenrechtlichen Privilegierung durch § 105 Abs. 6 GNotKG, wonach bei Verwendung des Musterprotokolls der Mindestgeschäftswert für die Notargebühren von 25 000 Euro keine Anwendung findet. Diese Regelung wirkt sich jedoch nur dann aus, wenn die Komplementär-GmbH nicht mit dem Mindestkapital von 25 000 Euro, sondern als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) i.S.v. § 5a GmbHG gegründet wird,2 und selbst dann ist der finanzielle Unterschied äußerst gering. 3.7
Mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages ist die GmbH als solche noch nicht entstanden; dazu ist vielmehr zusätzlich noch ihre Eintragung im Handelsregister erforderlich. Mit dem Notarakt besteht die Gesellschaft aber bereits als sog. Vor-GmbH. Als solche kann sie schon am Rechtsverkehr teilnehmen, insbesondere kann sie mit den Kommanditisten den Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG abschließen.
3.8
Soll ein Minderjähriger oder ein Geschäftsunfähiger Gesellschafter der Komplementär-GmbH werden, so muss er beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§§ 1626 Abs. 1 Satz 1, 1629 Abs. 1 bzw. § 1773 oder § 1896 BGB). Darüber hinaus ist die Genehmigung der Satzung durch das Familien- oder Betreuungsgericht erforderlich (§ 1643 Abs. 1 bzw. § 1908i i.V.m. § 1822 Nr. 3 BGB). Wird der gesetzliche Vertreter selbst auch Gesellschafter oder werden von ihm weitere Gesellschafter vertreten, so ist er gem. § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, denn die GmbH-Gründung ist wegen der daraus resultierenden Pflichten (Einlagepflicht, Verlustdeckungs- bzw. Unterbilanzhaftung etc.) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.3 Anstelle des gesetzlichen Vertreters ist in solchen Fällen gem. § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen; auch in diesem Fall ist die gerichtliche Genehmigung der Satzung durch das Familiengericht erforderlich (§ 1915 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1822 Nr. 3 BGB sowie §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 5 FamFG).
3.9
Praxishinweis: Da die Schenkung eines voll eingezahlten GmbH-Geschäftsanteils für den Beschenkten lediglich rechtlich vorteilhaft ist, ist § 181 BGB in einem solchen Fall seinem Normzweck nach nicht anwendbar.4 Um sich die Einschaltung eines Ergänzungspflegers und des Familiengerichts zu ersparen, kann es sich anbieten, dass der gesetzliche Vertreter die GmbH zunächst allein gründet und dann 1 Zur Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG s. Rz. 3.187 ff. 2 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1209). Zur UG (haftungsbeschränkt) als Komplementärin s. Rz. 3.43 ff. 3 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 1 GmbHG Rz. 25. 4 BGH v. 20.2.1989 – II ZR 148/88, GmbHR 1989, 327; Heinrichs in Palandt, § 181 BGB Rz. 9.
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§3
Komplementär-GmbH
nach Handelsregistereintragung der GmbH einen voll eingezahlten Geschäftsanteil an den nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen schenkt.
3. Gesellschaftsvertrag (Satzung) Der Gesellschaftsvertrag der GmbH muss gem. § 3 Abs. 1 GmbHG die Firma und den Sitz der Gesellschaft, den Gegenstand des Unternehmens, den Betrag des Stammkapitals sowie die Zahl und die Nennbeträge der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile ausweisen (Mindestinhalt).
3.10
a) Firma Die Firma ist der Name, unter dem die GmbH im Rechtsverkehr auftritt. Die Firma der GmbH kann Personen-, Sach- oder Fantasiefirma sein. Die Gründer sind in der Wahl der Firma grundsätzlich frei. Allerdings müssen sie die allgemeinen Firmengrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit und den Grundsatz der Firmenwahrheit beachten (s. Rz. 3.75 ff.). Die Firma einer GmbH muss gem. § 4 GmbHG die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (z.B. „GmbH“ oder „Gesellschaft mbH“) enthalten. Die Firma der Komplementär-GmbH muss seit dem Handelsrechtsreformgesetz1 nicht mehr Bestandteil der KG-Firma sein; Besonderheiten im Hinblick auf die beabsichtigte Firmierung der GmbH & Co. KG sind daher bei der Wahl der GmbH-Firma nicht zu beachten.2
3.11
b) Sitz Der Sitz der GmbH ist der Ort, den der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft bestimmt. Dieser sog. Satzungssitz muss gem. § 4a GmbHG im Inland liegen. Seit der Änderung des GmbHG durch das MoMiG3 besteht jedoch die Möglichkeit, dass die GmbH einen von ihrem Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitz hat. Der Verwaltungssitz ist der Ort, an dem sich die Geschäftsleitung der GmbH befindet; er kann auch im Ausland liegen.4
3.12
Dabei ist allerdings zu beachten, dass nach derzeitiger Rechtslage eine GmbH, deren Geschäftsleitung sich nicht in Deutschland befindet, regelmäßig nicht Komplementärin einer deutschen KG sein kann. Denn wenn der einzige Komplementär seinen tatsächlichen Verwaltungssitz im Ausland hat, dann liegt nahe, dass auch die tatsächliche Hauptverwaltung der KG, also der Ort, an dem die grundlegenden
3.13
1 Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. 2 Nach dem alten Firmenrecht (§ 19 Abs. 2 HGB a.F.) hatte die Firma einer KG den Namen wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters zu enthalten; die Namen anderer als der persönlich haftenden Gesellschafter durften in die Firma der KG nicht aufgenommen werden (§ 19 Abs. 4 HGB a.F.). Die Firma der Komplementär-GmbH war damit entscheidend für die Firma der GmbH & Co. KG. 3 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen („MoMiG“) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 4 RegE MoMiG v. 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 65. Ausführlich dazu Leitzen, NZG 2009, 728 ff.
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§3
Gründung
Entscheidungen der Unternehmensleitung in Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, im Ausland liegt.1 Wegen der nach deutschem Internationalen Gesellschaftsrecht derzeit noch geltenden (eingeschränkten) Sitztheorie2 kann eine deutsche KG ihren (Verwaltungs-)Sitz jedoch nicht im Ausland haben.3 Der EuGH hat in seinem „Cartesio“-Urteil festgestellt, dass diese Rechtsfolge nicht gegen EURecht verstößt.4 Jeder Staat kann danach selbst bestimmen, welche Voraussetzungen eine Gesellschaft erfüllen muss, um nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet zu werden. Die Gründungsregeln des nationalen Rechts – einschließlich der Anknüpfung an das nationale Territorium – sind eine Vorfrage, die Niederlassungsfreiheit ist erst betroffen, wenn eine wirksam gegründete Gesellschaft anschließend ihren Sitz verlegen will.5 3.14
Liegt der Verwaltungssitz der Komplementär-GmbH im Ausland, so hat dies zur Folge, dass sich das Gesellschaftsstatut der zu gründenden Kommanditgesellschaft nicht nach deutschem Recht richtet und die Parteien in dieser Konstellation keine KG i.S.v. §§ 161 ff. HGB gründen können.6 Mit Abschluss des KG-Vertrages würde allenfalls eine Gesellschaft nach ausländischem Recht entstehen.7 Da es für das anwendbare Gesellschaftsstatut auf den tatsächlichen Verwaltungssitz und nicht auf den Sitz gemäß Gesellschaftsvertrag ankommt, ist es unerheblich, welchen statutarischen Sitz die Gründer im Gesellschaftsvertrag der KG vereinbart haben.8 Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, für das Personengesellschaftsrecht eine § 4a GmbHG und § 5 AktG entsprechende Vorschrift einzuführen, daher ist davon auszugehen, dass eine Personenhandelsgesellschaft allein über ihren statutarischen Sitz nicht das deutsche Gesellschaftsstatut wählen kann.9 Vielmehr ist der tatsächliche Sitz der Gesellschaft im Inland existenzbegründendes und -erhaltendes Tatbestandsmerkmal für eine KG nach deutschem Recht.10 1 Ehinger, BB 2006, 2701; Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358 (1362). 2 Bestätigt durch BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 „Trabrennbahn“, DStR 2009, 59 = GmbHR 2009, 138. 3 Bormann/König, DNotZ 2008, 652; Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 5. Aufl. 2010, IntGesR Rz. 576; Leitzen, NZG 2009, 728. Nach Thiermann, ZIP 2011, 988 (993), soll es jedoch möglich sein, dass eine nach deutschem Recht gegründete KG sodann ihren Verwaltungssitz in das Ausland verlegen kann und dennoch als deutsche KG fortbesteht. 4 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 „Cartesio“, GmbHR 2009, 86; zu beachten ist allerdings, dass die Bundesregierung bereits seit längerem eine Änderung von Art. 10 EGBGB plant, nach welcher auch in Deutschland die Gründungstheorie gelten soll, vgl. RefE v. 7.1.2008 für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen; s. dazu C. Schneider, BB 2008, 566. Danach könnte auch eine deutsche KG ihren Verwaltungssitz im Ausland haben, entscheidend soll dann allein sein, dass sie in ein deutsches Register eingetragen ist. 5 Teichmann in Süß/Wachter, Hdb. d. int. GmbH-Rechts, 2. Aufl. 2011, § 4 Rz. 45 f. 6 Jerger, ZfIR 2012, 582 (583); Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 5. Aufl. 2010, IntGesR Rz. 576; Thiermann, ZIP 2011, 988 (993). 7 Jerger, ZfIR 2012, 582 (583); Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358 (1359); Thiermann, ZIP 2011, 988 (993). 8 BGH v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 999; Kindler in MünchKomm. BGB, Bd. 11, 5. Aufl. 2010, IntGesR Rz. 526. 9 Ebenso Goette, DStR 2009, 63; Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545. A.A. Roth in Baumbach/Hopt, § 106 HGB Rz. 8. 10 Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (547).
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§3
Komplementär-GmbH
c) Unternehmensgegenstand Der im Gesellschaftsvertrag wiederzugebende Unternehmensgegenstand muss den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der GmbH klar und deutlich erkennen lassen.1 Die Angabe des Unternehmensgegenstands dient der Information des Rechtsverkehrs; er wird im Handelsregister eingetragen und veröffentlicht. Die Beschreibung des Unternehmensgegenstands im Gesellschaftsvertrag dient zudem der Prüfung des Registergerichts, ob die GmbH einem erlaubten oder erlaubnispflichtigen Zweck nachgeht, und schließlich begrenzt der Unternehmensgegenstand im Innenverhältnis den Handlungsrahmen der Geschäftsführung.2 Im Gesellschaftsvertrag der Komplementär-GmbH muss auf die Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung in einer Personenhandelsgesellschaft hingewiesen werden. Es ist nach h.M. nicht erforderlich, dass zur weiteren Konkretisierung der Unternehmensgegenstand der KG wiedergegeben wird.3 Allerdings ist die KG hinreichend konkret zu bezeichnen („Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung in der X-GmbH & Co. KG.“).4
3.15
d) Stammkapital Das Gesetz sieht für die GmbH in § 5 Abs. 1 GmbHG ein Mindeststammkapital in Höhe von 25 000 Euro vor. Jeder höhere, auf volle Euro lautende Betrag ist zulässig.
3.16
Das Stammkapital ist in Geschäftsanteile aufgeteilt, die von den GmbH-Gesellschaftern gegen Einlage übernommen werden. Der einzelne Geschäftsanteil muss mindestens einen Euro betragen und auf volle Euro lauten (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Ein Gesellschafter kann bei Errichtung der GmbH auch mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). In der Gründungssatzung sind das Stammkapital und die Geschäftsanteile gesondert auszuweisen, dabei ist anzugeben, welcher Gesellschafter Geschäftsanteile in welchem Nennbetrag übernommen hat (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. Die Angaben zu den einzelnen Geschäftsanteilen und die namentliche Nennung ihrer Übernehmer können in späteren Fassungen der Satzung auch ohne formelle Satzungsänderung entfallen, weil es sich insoweit nur formell um einen Satzungsbestandteil, materiell aber um Übernahmeerklärungen handelt.5 Die Geschäftsanteile sind mit laufenden Nummern zu versehen und jedem Gesellschafter sind die konkreten Num-
3.17
1 BGH v. 3.11.1980 – II ZB 1/79, BGHZ 78, 311 = GmbHR 1981, 188. 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II.3.b). 3 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 3 GmbHG Rz. 9; Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 13; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 15 Rz. 7; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 3 GmbHG Rz. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 III 2; a.A. noch BayObLG v. 15.12.1975 – 2 Z 53/75, NJW 1976, 1694; inzwischen hat das BayObLG allerdings zu erkennen gegeben, dass es an dieser Auffassung wohl nicht mehr festhalten wird, vgl. BayObLG v. 22.6.1995 – 3Z BR 71/95, GmbHR 1995, 722 und BayObLG v. 19.1.1996 – 3Z BR 345/95, GmbHR 1996, 360. 4 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 3 GmbHG Rz. 9; Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 13; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 56. 5 BayObLG v. 13.11.1996 – 3Z BR 168/96, GmbHR 1997, 73; OLG Hamm v. 27.1.1984 – 15 U 416/83, Rpfleger 1984, 274; Müller, GmbHR 1997, 923; Priester in Scholz, § 53 GmbHG Rz. 23.
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§3
Gründung
mern der von ihm übernommenen Geschäftsanteile zuzuordnen. Die nummernmäßige Zuordnung muss jedoch nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten sein, vielmehr genügt eine entsprechende Zuordnung in der gem. § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG zum Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste. 3.18
Aus der Übernahme des Geschäftsanteils folgt die Verpflichtung eines jeden Gründers zur Leistung der Einlage auf die von ihm übernommenen Geschäftsanteile. Die Einlage entspricht dem jeweiligen Nennbetrag des Geschäftsanteils. Sie kann in der Form einer Bar- oder Sacheinlage erbracht werden. Es gilt der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Danach kann der Gesellschafter von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Einlage weder befreit werden noch kann die Einlage erlassen oder gestundet werden. Auch die Aufrechnung mit Ansprüchen des Gesellschafters gegenüber der GmbH ist grundsätzlich nicht zulässig. Das Gleiche gilt für die Annahme einer anderen Leistung an Erfüllungs Statt.1
3.19
Die Anforderungen an die wirksame Erbringung einer Bareinlage wurden durch das MoMiG wesentlich entschärft. Die Rechtsprechung verneinte bis dahin die Erfüllung der Bareinlageverpflichtung, wenn der Einlagebetrag im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Erbringung der Bareinlage als Darlehen oder ohne besonderen Rechtsgrund wieder an den Gesellschafter zurückgezahlt wurde.2 Seit dem MoMiG gilt für die Kapitalaufbringung hingegen eine bilanzielle Betrachtungsweise. Wenn durch die zeitnahe Rückzahlung der Bareinlage an deren Stelle eine Forderung gegen den Gesellschafter tritt, handelt es sich bilanziell um einen bloßen Aktivtausch. Nach § 19 Abs. 5 GmbHG tritt damit auch bei einem Hin- und Herzahlen des Einlagebetrages Befreiung von der Einlageschuld ein, wenn die aus der Rückzahlung der Einlage resultierende Forderung der GmbH gegen ihren Gesellschafter vollwertig und jederzeit fällig ist bzw. durch fristlose Kündigung von der GmbH jederzeit fällig gestellt werden kann. Für die Frage, ob die Forderung gegen den Gesellschafter werthaltig ist, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Einlage an ihn zurückgezahlt wurde. Ist die Forderung nicht voll werthaltig, so kommt eine Anrechnung mit dem geringeren Wert nicht in Betracht; die Einlage ist dann vielmehr insgesamt nicht wirksam erbracht.3 Ist eine Rückzahlung der Bareinlage an den Gesellschafter beabsichtigt oder hat er sie vor der Handelsregisteranmeldung bereits zurückerhalten, so muss dies von dem Geschäftsführer im Rahmen der Handelsregisteranmeldung nach § 8 Abs. 2 GmbHG offengelegt werden (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG). Damit wird erreicht, dass das Registergericht bei Zweifeln die Vollwertigkeit der mit der Rückzahlung begründeten Forderung gegen den Gesellschafter prüfen kann.4 Wird die Rückgewähr der Einlage nicht offengelegt oder werden dazu falsche Angaben gemacht, so kann dies für den Geschäftsführer zivil- und strafrechtliche Folgen haben (s. u.a. §§ 9a, 43 Abs. 3, 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). 1 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 19 GmbHG Rz. 12 ff. 2 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 263/06, GmbHR 2008, 818 = DStR 2008, 1653; BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, DB 2006, 772 = GmbHR 2006, 477 m. Komm. Langner; BGH v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, DB 2004, 1199 = GmbHR 2004, 896 m. Komm. Müller/Bünau. 3 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1453). 4 OLG Schleswig v. 9.5.2012 – 2 W 37/12, GmbHR 2012, 908. Das Gericht kann dazu u.a. die Vorlage des Darlehensvertrages und eines Belegs für die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs einfordern.
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§3
Komplementär-GmbH
Mit der Gesetzesänderung in § 19 Abs. 5 GmbHG ist auch die lange Zeit umstrittene Frage entschieden worden, ob in einer GmbH & Co. KG die KomplementärGmbH die ihr als Barmittel zugeflossenen Einlagen als Darlehen an die GmbH & Co. KG weitergeben kann.1 Zur Rechtslage vor dem MoMiG hatte der BGH noch entschieden, dass die Stammeinlage des GmbH-Gesellschafters wegen eines unzulässigen Hin- und Herzahlens nicht wirksam erbracht sei, wenn die Mittel aus der Bareinlage umgehend als Darlehen an eine von den einzahlenden GmbH-Gesellschaftern ebenfalls beherrschte GmbH & Co. KG weitergeleitet wurden.2 Diese Rechtsprechung ist mit der Neufassung der §§ 19 Abs. 5 und 30 Abs. 1 GmbHG durch das MoMiG überholt.3 Nunmehr ist gesetzlich geregelt, dass eine Einlage auch dann wirksam erbracht ist, wenn sie alsbald an den Gesellschafter oder einen von ihm benannten Dritten zurückgezahlt wird, vorausgesetzt, die GmbH erlangt dadurch einen vollwertigen Rückgewähranspruch, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung der Gesellschaft jederzeit fällig gestellt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen ist es daher nicht mehr zu beanstanden, wenn die Komplementär-GmbH ihr Stammkapital als Darlehen an die GmbH & Co. KG weiterreicht. Die darin bestehende mittelbare Rückzahlung an die GmbH-Gesellschafter ist bei bilanzieller Betrachtung unschädlich, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen die GmbH & Co. KG werthaltig ist und sofort fällig gestellt werden kann.4 Maßgeblich für die Werthaltigkeit ist der Zeitpunkt der Darlehensauszahlung. Das Vermögen der GmbH & Co. KG muss in diesem Moment ausreichen, um alle fälligen Forderungen ihrer Gläubiger zu erfüllen.5 Wurde die Vereinbarung über die Darlehensgewährung und die damit verbundene mittelbare Rückzahlung der Einlage schon vor dem Bewirken der Einlage getroffen oder ist die mittelbare Rückzahlung noch vor Anmeldung der GmbH & Co. KG zum Handelsregister erfolgt, so ist ein entsprechender Hinweis in der Handelsregisteranmeldung6 erforderlich (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG).
3.20
Soll eine Sacheinlage geleistet werden, müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag, mit dem er auf die Einlageverpflichtung angerechnet werden soll, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Zudem müssen die Gesellschafter in einem Sachgründungsbericht die Bewertungsmaßstäbe offenlegen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG). Auch die Einbringung einer Geldforderung gegen Dritte stellt eine Sacheinlage dar.7 Vor der Anmeldung der GmbH
3.21
1 Dafür: OLG Jena v. 28.6.2006 – 6 U 717/05, ZIP 2006, 1534 = GmbHR 2006, 940 m. Komm. Werner; Ivo, EWiR 2007, 237; Priester, EWiR 2006, 497; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 123. Dagegen: OLG Hamm v. 31.10.2006 – 27 U 81/06, ZIP 2007, 226; Werner, GmbHR 2006, 942. 2 BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, GmbHR 2008, 203. 3 Wanner-Laufer, NJW 2014, 36. 4 OLG Schleswig v. 9.5.2012 – 2 W 37/12, GmbHR 2012, 908. 5 Diese Grundsätze gelten auch bei bereits bestehenden GmbH & Co. KG, denn gem. § 3 Abs. 4 EGGmbHG ist § 19 Abs. 5 GmbHG rückwirkend anzuwenden. Entscheidend ist auch in diesem Fall, dass die Forderung der GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG im Zeitpunkt der Weiterleitung der Einlage jederzeit durchsetzbar und werthaltig war. 6 S. dazu die Musterformulierung bei Wachter, GmbHR Sonderheft Oktober 2008, 5 (9). Ratsam dürfte es zudem sein, der Anmeldung den Darlehensvertrag zum Nachweis der jederzeitigen Fälligkeit (= Recht der GmbH zur fristlosen Kündigung) beizulegen. 7 Vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 5 GmbHG Rz. 17.
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§3
Gründung
zum Handelsregister müssen alle Sacheinlagen den Geschäftsführern der GmbH vollständig zur freien Verfügung stehen (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Erreicht der Wert der Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, muss der betroffene Gesellschafter den Fehlbetrag in Geld an die GmbH zahlen (§ 9 Abs. 1 GmbHG). 3.22
Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, wenn zwar formell eine Bareinlage vereinbart und geleistet wurde, die Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung aber einen Sachwert erhalten hat, bspw. weil sie im nahen Zusammenhang mit der Bareinlage einen Vermögensgegenstand von dem Gesellschafter erworben hat. Die Rechtsprechung hat dies vor Inkrafttreten des MoMiG als Umgehung der gesetzlichen Sacheinlagevorschriften gewertet und die Unwirksamkeit sowohl des schuldrechtlichen als auch des dinglichen Geschäfts angenommen.1 Als Folge daraus war nicht nur die Bareinlage nicht wirksam erbracht, sondern auch der Vertrag über den Erwerb des Sachwerts war unwirksam, was im Ergebnis dazu führen konnte, dass der betreffende Gesellschafter seine Einlage ggf. doppelt leisten musste. Diese Rechtsprechung wurde als unbillig kritisiert.2 Der Gesetzgeber hat sich dieser Kritik angenommen. Nunmehr bestimmt der durch das MoMiG eingeführte § 19 Abs. 4 GmbHG, dass die Verträge über die verdeckte Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrem dinglichen Vollzug wirksam sind und der Wert der verdeckten Sacheinlage im Sinne einer Differenzhaftung auf die Verpflichtung zur Geldeinlage anzurechnen ist. Allerdings trägt der Gesellschafter die Beweislast für den Wert der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 Satz 5 GmbHG). Trotz dieser Erleichterung wird durch die Neuregelung die vorsätzliche verdeckte Sacheinlage als Gestaltungsmittel nicht erlaubt. Da nach § 19 Abs. 4 Satz 4 GmbHG die Wertanrechnung der verdeckten Sacheinlage erst nach Eintragung der GmbH erfolgt, kann der Geschäftsführer im Falle einer vorsätzlichen verdeckten Sacheinlage nämlich nicht nach § 8 Abs. 2 GmbHG bei der Anmeldung versichern, dass die Einlagepflicht ordnungsgemäß erfüllt worden sei.3 Gibt der Geschäftsführer vorsätzlich eine falsche Versicherung ab, so verwirklicht er damit den Straftatbestand des § 82 GmbHG.4 Die Beweislast dafür, dass er die Einlage erbracht hat, trägt der Gesellschafter. Dies gilt auch dann, wenn seit der Einzahlung eine längere Zeit vergangen ist. Dem Gesellschafter kommen keine Beweiserleichterungen zugute.5 e) Weitere Regelungen
3.23
Über den Mindestinhalt hinaus besteht keine Regelungspflicht. Allerdings empfiehlt es sich, im Gesellschaftsvertrag der Komplementär-GmbH zusätzlich jedenfalls noch Regelungen zur Übertragung und Vererbung der Geschäftsanteile zu tref1 BGH v. 10.11.1958 – II ZR 3/57, BGHZ 28, 314 (319); BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951 = GmbHR 1998, 588; BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, ZIP 2003, 211 = GmbHR 2003, 231; BGH v. 9.7.2007 – II ZR 62/06, NJW 2007, 3425. 2 Zur Kritik an dieser Rechtsprechung u.a. Fastrich, DStR 2006, 656; Krieger, ZGR 1996, 674. 3 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1210). 4 S. dazu Schnurbein, GmbHR 2010, 568–576. 5 OLG Jena v. 9.4.2013 – 2 U 905/12, ZIP 2013, 1378.
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§3
Komplementär-GmbH
fen. Darüber hinaus gilt es, die Regelungen in der GmbH-Satzung mit den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co. KG abzustimmen und zu verzahnen. Vor diesem Hintergrund ist eine vereinfachte GmbH-Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls gem. § 2 Abs. 1a GmbHG für die Gründung einer Komplementär-GmbH nicht sinnvoll. GmbH-Geschäftsanteile sind nach der gesetzlichen Grundregel frei übertragbar. Dies entspricht in der Mehrpersonengesellschaft i.d.R. nicht dem Willen der Gesellschafter. Aus diesem Grund wird regelmäßig in der GmbH-Satzung durch eine Vinkulierungsklausel angeordnet, dass die Geschäftsanteile nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter übertragen werden können. Sind die Kommanditisten der GmbH & Co. KG und die Gesellschafter der Komplementär-GmbH identisch und soll dies so bleiben, ist durch gesellschaftsvertragliche Regelungen sicherzustellen, dass diese Beteiligungsgleichheit in KG und Komplementär-GmbH auch im Fall von Anteilsübertragungen gewahrt bzw. wieder hergestellt wird. Dazu muss zunächst einmal geregelt werden, welches Beteiligungsverhältnis maßgeblich sein soll; im Regelfall ist dies die Beteiligung an der GmbH & Co. KG. Dann wäre im KG-Vertrag die Verpflichtung zu normieren, dass im Falle eines Anteilsübergangs auch ein entsprechender Anteil des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH mit zu übertragen ist. Allerdings führt dies wegen § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG dazu, dass der Gesellschaftsvertrag der KG notariell zu beurkunden ist.
3.24
Gestaltungshinweis: Will man die notarielle Beurkundung des KG-Vertrages vermeiden, sollte die Verpflichtung zur Mitübertragung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH nur in der (ohnehin zu beurkundenden) GmbH-Satzung normiert werden. Im KG-Vertrag wird dann zwar auch das Erfordernis der Beteiligungsidentität aufgestellt, anstatt der Verpflichtung zur Mitübertragung ist dort jedoch vorzusehen, dass die Zustimmung zur Übertragung des KG-Anteils nur erteilt wird, wenn gleichzeitig mit dem KG-Anteil auch ein entsprechender Anteil an der Komplementär-GmbH übertragen wird und die Gesellschaft die Übertragung des Kommanditanteils verlangen kann, sofern der betreffende Gesellschafter nicht auch (mit gleicher Quote) an der Komplementärin beteiligt ist.
3.25
GmbH-Geschäftsanteile sind frei vererblich. Die freie Vererbbarkeit der Geschäftsanteile ist zwingend; eine abweichende Regelung durch die Satzung ist nicht möglich. Anders als bei der rechtsgeschäftlichen Anteilsübertragung kann der Übergang der GmbH-Geschäftsanteile auf einen unerwünschten Rechtsnachfolger von Todes wegen weder durch eine Vinkulierung der GmbH-Anteile noch durch die bei der KG möglichen Klauseln (Fortsetzungsklausel oder qualifizierte Nachfolgeklausel) verhindert werden.
3.26
Gestaltungshinweis: In der GmbH-Satzung sollte eine Regelung vorgesehen werden, mit welcher ein Übergang eines Geschäftsanteils auf Personen, die nach dem Willen der Gesellschafter nicht nachfolgeberechtigt sein sollen, wieder korrigiert werden kann. Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass die Einziehung des Geschäftsanteils für diesen Fall auch gegen den Willen des betreffenden Anteilseigners zugelassen wird. Sinnvollerweise wird die Einziehungsklausel noch durch eine Übertragungsklausel ergänzt, nach welcher die übrigen Gesellschafter statt der Einziehung verlangen können, dass der Betreffende seine Geschäftsanteile auf eine von ihnen oder der Gesellschaft benannte Person überträgt. Alternativ zu
3.27
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§3
Gründung
gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Beteiligungsgleichheit kommt die Bildung einer sog. Einheitsgesellschaft in Betracht. Ausführlich dazu Rz. 2.461 ff.
4. Geschäftsführer 3.28
Die Gründer berufen im Gründungsakt den oder die Geschäftsführer der GmbH. Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Auch Kommanditisten der GmbH & Co. KG können Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sein. § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG stellen besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Geschäftsführers. Personen, denen ein Gewerbe- oder Berufsverbot auferlegt wurde, kommen ebenso wenig als Geschäftsführer in Betracht wie solche, die wegen bestimmter vorsätzlich begangener Straftaten (insbesondere Insolvenzstraftaten, falsche Angaben nach § 82 GmbHG, Betrugsdelikte, Untreue und Vorenthalten von Arbeitsentgelt)1 verurteilt worden sind und deren rechtskräftige Verurteilung noch nicht mehr als fünf Jahre zurückliegt.
3.29
Ausländer können wie Inländer Geschäftsführer sein; das Gesetz stellt keine Anforderungen an Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sprachkenntnisse.2 Nach inzwischen h.M. kommt es auch nicht darauf an, dass die jederzeitige rechtmäßige Einreise des Geschäftsführers nach Deutschland gesichert ist.3
3.30
Soll der Geschäftsführer berechtigt sein, die GmbH auch bei Rechtsgeschäften mit sich selbst zu vertreten, so muss er dafür von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden. Die Befreiung kann im Einzelfall oder generell erteilt werden. Ist die Befreiung nicht bereits im Gesellschaftsvertrag der GmbH normiert, so ist ein entsprechender Gesellschafterbeschluss erforderlich. Die generelle Befreiung des Geschäftsführers einer GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB durch Beschluss der Gesellschafter setzt allerdings voraus, dass die Satzung eine solche Befreiung zulässt.4 Bei der GmbH & Co. KG ist darüber hinaus auch noch für Rechtsgeschäfte zwischen der GmbH und der GmbH & Co. KG eine entsprechende Regelung zu treffen (s. Rz. 3.125). Da die KG durch die GmbH vertreten wird, greift für Rechtsgeschäfte zwischen dem Vertretenen (der KG) und dem Vertreter (GmbH) § 181 BGB. Die Gesellschafter der GmbH müssen daher den GmbH-Geschäftsführer für Geschäfte zwischen der GmbH und der KG vom Verbot der Mehrfachvertretung befreien, denn der Geschäftsführer vertritt einerseits die GmbH und andererseits als Organ der Komplementär-Gesellschaft die KG.5 Zudem muss die 1 Verurteilungen wegen anderer Delikte, bspw. Urkundenfälschung oder Steuerhinterziehung, führen dagegen nicht zur Disqualifizierung eines Geschäftsführers. 2 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 6 GmbHG Rz. 14. 3 OLG München v. 17.12.2009 – 31 Wx 142/09, GmbHR 2010, 210; OLG Zweibrücken v. 9.9. 2010 – 3 W 70/10, GmbHR 2010, 1260; s. dazu auch Schodder, EWiR 2010, 247–248; Ries, NZG 2010, 298–300; Heßeler, GmbHR 2009, 759–761. A.A. bspw. noch OLG Celle v. 2.5. 2007 – 9 W 26/07, GmbHR 2007, 657. 4 KG v. 21.3.2006 – 1 W 252/05, GmbHR 2006, 653. 5 Nach OLG Stuttgart v. 18.10.2007 – 8 W 412/07, BB 2007, 2428 = GmbHR 2007, 1270, genügt es dazu nicht, die Geschäftsführer für Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und allen Gesellschaften, an denen die Gesellschaft als Komplementärin beteiligt ist, von § 181
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Lüke
§3
Komplementär-GmbH
KG dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der GmbH selbst die Mehrfachvertretung gestatten; eine Befreiung durch die Gesellschafterversammlung der GmbH reicht dazu nicht aus.1
5. Handelsregisteranmeldung und -eintragung Die Geschäftsführer melden die GmbH zur Eintragung in das Handelsregister an. Die Anmeldung bedarf der notariellen Beglaubigung. Sie ist von sämtlichen Geschäftsführern zu unterzeichnen und an das Registergericht zu richten, in dessen Bezirk die GmbH ihren Satzungssitz hat. Die Anmeldung darf im Fall der Bargründung erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil mindestens ein Viertel der nominellen Einlage eingezahlt ist und die Summe der Bareinlagen mindestens 12 500 Euro erreicht (§ 7 Abs. 2 GmbHG).2 Sacheinlagen müssen vor der Anmeldung vollständig geleistet sein (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Die Einlagen müssen an die GmbH i.G. geleistet werden und endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung stehen (§ 8 Abs. 2 GmbHG). Der Anmeldung ist die notarielle Gründungsurkunde mit dem Gesellschaftsvertrag und der Geschäftsführerbestellung sowie eine Liste beizufügen, aus der sich Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der Gesellschafter sowie die Nennbeträge und laufenden Nummern der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile ergibt (§ 8 Abs. 1 GmbHG). In der Anmeldung sind ferner eine inländische Geschäftsanschrift sowie Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer anzugeben (§ 8 Abs. 4 GmbHG). Die Geschäftsanschrift muss in Deutschland liegen und ist mit Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort anzugeben. Sie wird im Handelsregister bekannt gemacht und ist damit jederzeit online abrufbar.
3.31
Das Registergericht prüft, ob die GmbH ordnungsgemäß errichtet und angemeldet ist und ob die erforderlichen Einlagen geleistet wurden. Zur Beschleunigung des Eintragungsverfahrens gilt seit dem MoMiG, dass das Registergericht nur bei erheblichen Zweifeln Nachweise über die Einlagenleistung verlangen kann und bei einer Sacheinlage die Werthaltigkeitskontrolle darauf zu beschränken hat, ob eine „nicht unwesentliche“ Überbewertung vorliegt (§§ 9c, 8 Abs. 2 Satz 2 GmbHG).
3.32
Die GmbH entsteht mit ihrer Eintragung im Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Sie rückt damit ipso jure in die Rechtspositionen ein, die bis dahin der Vor-GmbH zuzuordnen waren. In das Handelsregister werden die Firma und der (Satzungs-)Sitz der GmbH, eine inländische Geschäftsanschrift, der Unternehmensgegenstand, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und der oder die Geschäftsführer eingetragen; eingetragen wird zudem, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben (§ 10 Abs. 1 GmbHG). Diese Daten sind für jeden unter www.handelsregister.de abrufbar.
3.33
BGB zu befreien. Eine hinreichende Erkennbarkeit des Umfangs der Befreiung sei vielmehr nur dann gegeben, wenn die Firmen der Gesellschaften, auf die sich die Befreiung bezieht, ausdrücklich genannt werden. 1 BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, DB 1972, 475; Schramm in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 181 BGB Rz. 50. 2 Seit dem MoMiG ist mit der Streichung von § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG a.F. die früher vorgeschriebene Sicherheitsleistung für die ausstehende Einlage bei der Einpersonengründung entfallen.
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§3
Gründung
II. GmbH & Co. KG 3.34
Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft (KG), also gilt für sie in erster Linie das Recht der KG, das in den §§ 161–177a HGB geregelt ist. Über die Verweisungen in § 161 Abs. 2 HGB und § 105 Abs. 3 HGB finden zudem die für die oHG und die GbR geltenden Vorschriften Anwendung.
3.35
Gestaltungshinweis: Das Gesetzesrecht der Personenhandelsgesellschaften ist antiquiert. Da es aber weitgehend dispositiv ist, ist es in der Rechtspraxis üblich und ratsam, die gesetzlichen Bestimmungen durch angemessene gesellschaftsvertragliche Regelungen zu ersetzen.
1. Gesellschafter 3.36
Zur Gründung einer KG sind mindestens zwei Gesellschafter erforderlich. Kennzeichnend für die KG ist, dass bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft auf einen bestimmten Betrag beschränkt ist, während mindestens ein anderer Gesellschafter unbeschränkt haftet (§ 161 Abs. 1 HGB). Im Gesellschaftsvertrag ist anzugeben, wer unbeschränkt haftender Komplementär und wer auf seine Haftsumme beschränkt haftender Kommanditist ist. a) Komplementär aa) GmbH
3.37
In der GmbH & Co. KG fungiert eine GmbH (die Komplementär-GmbH) als persönlich haftender Gesellschafter. Die Zulässigkeit der Übernahme der persönlichen Haftung in einer Kommanditgesellschaft durch eine GmbH wurde bereits durch das Reichsgericht anerkannt1 und ist, wie sich aus zahlreichen Gesetzesbestimmungen (vgl. §§ 19 Abs. 2, 125a Abs. 1, 130a, 172 Abs. 6, 177a HGB) ergibt, heute nicht mehr zweifelhaft. Indem eine GmbH die Stellung des Komplementärs übernimmt, wird eine allseitige Haftungsbeschränkung erreicht, denn die GmbH haftet gem. § 13 Abs. 2 GmbHG nur mit ihrem Vermögen und die Kommanditisten haften gem. § 171 Abs. 1 HGB beschränkt auf ihre Einlage.
3.38
Die Aufgabe der Komplementär-GmbH erschöpft sich i.d.R. in der Haftungsübernahme sowie der Geschäftsführung und Vertretung der GmbH & Co. KG. Sie übernimmt regelmäßig keine (Pflicht-)Einlage und ist am Gesellschaftskapital und Vermögen sowie an Gewinn und Verlust der KG nicht beteiligt. bb) Vor-GmbH
3.39
Bis zu ihrer Eintragung im Handelsregister existiert die GmbH als solche nicht. Mit Abschluss des notariellen Vertrages über ihre Gründung entsteht allerdings die sog. Vorgesellschaft, die als Vor-GmbH bezeichnet wird. Sie stellt ein Rechtsgebilde sui generis dar, das mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ipso jure 1 RG v. 4.7.1922 – II B 2/22, RGZ 105, 101.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
zur GmbH wird. Die Vor-GmbH ist rechtsfähig und voll handlungsfähig.1 Auf die Vor-GmbH finden die Vorschriften des GmbHG Anwendung, soweit sie nicht gerade die Eintragung im Handelsregister voraussetzen.2 Die Vor-GmbH, vertreten durch Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Anzahl, kann mit Zustimmung aller Gesellschafter uneingeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen.3 Die dabei eingegangenen Rechtsbeziehungen gehen mit allen Rechten und Pflichten mit der Registereintragung automatisch auf die GmbH über. Seit der Entscheidung des BGH vom 9.3.19814 ist auch die Komplementärfähigkeit einer Vor-GmbH anerkannt. Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co. KG ist somit bereits unmittelbar nach der notariellen Beurkundung der GmbH-Gründung möglich. Die Geschäftsführung der Vor-GmbH ist zum Abschluss des KG-Vertrages allerdings nur dann berechtigt, wenn ein diesbezüglicher einstimmiger Beschluss der GmbH-Gesellschafter vorliegt, der insbesondere dann anzunehmen ist, wenn alle GmbH-Gründer bei Abschluss des KG-Vertrages mitwirken.5 Zu beachten ist, dass der Geschäftsführer der Vor-GmbH gem. § 11 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten persönlich unbeschränkt haftet, die er vor der Registereintragung im Namen der (Vor-)GmbH rechtsgeschäftlich6 begründet hat (sog. Handelndenhaftung). Handelt der Geschäftsführer einer Komplementär-VorGmbH im Namen der Kommanditgesellschaft und löst er hierdurch die Haftung der Vor-GmbH nach § 128 HGB aus, so haftet er auch für diese Verbindlichkeiten bis zur Eintragung der GmbH persönlich nach § 11 Abs. 2 GmbHG.7 Die Handelndenhaftung erlischt mit Eintragung der GmbH im Handelsregister.
3.40
cc) Vorgründungsgesellschaft Die Vor-GmbH ist von der sog. Vorgründungsgesellschaft zu unterscheiden. Die Vorgründungsgesellschaft entsteht, sobald sich die späteren GmbH-Gründer im Vorfeld der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages auf die Errichtung einer GmbH verständigt haben. Die Vorgründungsgesellschaft ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder – falls sie ein Handelsgewerbe betreibt – eine oHG. Seit der BGH die Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt 1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 5. 2 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 (273); Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 6 f. 3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 14. Nach a.A. haben die Geschäftsführer sogar ohne Zustimmung der Gesellschafter uneingeschränkte Vertretungsmacht i.S.v. § 37 Abs. 2 GmbHG, vgl. dazu K. Schmidt in Scholz, § 11 GmbHG Rz. 72. 4 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129. Ebenso BGH v. 12.11.1984 – II ZB 2/84, GmbHR 1985, 153. 5 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 57; Möhrle in MünchHdb. KG, § 2 Rz. 44; a.A. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. Rz. 71, die von einer unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht der Geschäftsführer der VorGmbH i.S.v. § 37 Abs. 2 GmbHG ausgehen. 6 Nach h.M. gilt die Handelndenhaftung nur für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten, s. Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 27 m.w.N. Für Verbindlichkeiten, die kraft Gesetzes entstehen, bspw. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, gilt § 11 Abs. 2 GmbHG nicht, BFH v. 16.7.1996 – VII R 133/95, GmbHR 1997, 187; BSG v. 28.2.1986 – 2 RU 21/85, GmbHR 1986, 228 = ZIP 1986, 645. A.A. Schwab, NZG 2012, 481. 7 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (146) = GmbHR 1981, 114.
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3.41
§3
Gründung
hat,1 kann auch diese Komplementärin einer KG sein.2 Somit kommt auch die Vorgründungsgesellschaft als Komplementärin in Betracht.3 Im Gegensatz zur VorGmbH, die mit Eintragung zur GmbH wird, ist die Vorgründungsgesellschaft weder mit der späteren GmbH noch mit der Vor-GmbH identisch, insbesondere findet keine automatische Rechtsnachfolge statt, so dass nach Gründung der GmbH die Komplementärin auszutauschen ist. Zu beachten ist, dass die Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft persönlich und unbeschränkt gem. § 128 HGB (analog) für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Wenn eine Vorgründungsgesellschaft als Komplementärin fungiert, haften ihre Gesellschafter somit persönlich und unbeschränkt für alle Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG. Diese Haftung geht – anders als bei der Vor-GmbH – nicht ipso jure mit der Handelsregistereintragung der GmbH auf diese über. 3.42
Gestaltungshinweis: Wegen dieses Haftungsrisikos ist die Gründung der KG noch vor dem Notartermin zur Errichtung der GmbH nicht zu empfehlen. Kann der Notartermin nicht abgewartet werden, so sollte besser auf eine Vorrats-GmbH als Komplementärin zurückgegriffen werden. dd) Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
3.43
Seit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG steht dem Rechtsverkehr mit der sog. Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) eine Sonderform der GmbH zur Verfügung, die mit einem Stammkapital ab einem Euro gegründet werden kann (§ 5a Abs. 1 GmbHG). Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Für sie gelten das gesamte GmbHG und alle die GmbH betreffenden sonstigen Regelungen des deutschen Rechts. Im Vergleich zur „normalen“ GmbH sieht jedoch § 5a GmbHG verschiedene Erleichterungen gegenüber dem allgemeinen GmbH-Recht vor, die darauf abzielen, die deutsche GmbH im Wettbewerb mit ausländischen Rechtsformen, wie insbesondere der britischen Private Limited Company, zu stärken.4
3.44
§ 5a Abs. 1 GmbHG lässt es zu, dass eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ohne Einhaltung des für die klassische GmbH erforderlichen Mindeststammkapitals von 25 000 Euro gegründet wird. Da die GmbH mindestens einen Geschäftsanteil haben muss, dessen Nennbetrag auf volle Euro zu lauten hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), kann die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit einem Stammkapital von nur einem Euro gegründet werden. Da die Gründungskosten, die i.d.R. der Gesellschaft belastet werden, bei rd. 300 Euro liegen, wäre eine Ein-Euro-Gesellschaft regelmäßig bereits im Moment ihrer Registereintragung überschuldet und damit insolvenzreif. Sofern die Aufbringung der Gründungs- und etwaiger Anlaufkosten aber durch ein entsprechendes Stammkapital oder anderweitig (etwa durch Darlehen mit Rangrücktritt) sichergestellt ist, steht 1 BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, WM 2001, 1764 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung. 2 LG Berlin v. 8.4.2003 – 102 U 6/03, GmbHR 2003, 719. 3 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 57. A.A. Götze in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 GesellschaftsR, III 7. Anm. 3. 4 Seibert, GmbHR 2007, 673 (675); Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114 ff.
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§3
GmbH & Co. KG
mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) eine haftungsbeschränkte Rechtsform zur Verfügung, die mit nur wenigen hundert Euro gegründet werden kann.1 Die UG (haftungsbeschränkt) kann in einer KG die Stellung des Komplementärs übernehmen.2 Die UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG stellt damit eine sinnvolle Alternative zur Ltd. & Co. KG dar, bei welcher die Schwierigkeiten, die aus einem Rechtsträger ausländischer Rechtsform resultieren, vermieden werden. Da die Komplementärgesellschaft i.d.R. nur einen geringen Kapital- und Liquiditätsbedarf hat, wird sich auch bei nur geringem Stammkapital das Problem einer Unterkapitalisierung nicht stellen. In Anbetracht der Tatsache, dass aber auch eine GmbH bereits mit der Einzahlung von 12 500 Euro gegründet werden und die GmbH dieses Geld darlehensweise an die GmbH & Co. KG überlassen kann (s. Rz. 3.20), dürften die Fälle, in denen eine UG (haftungsbeschränkt) als Komplementärin entscheidende Vorteile gegenüber der GmbH besitzt, nur von geringer Bedeutung sein.3 Abzuraten ist – wie auch im Falle der GmbH-Gründung (s. Rz. 3.23) – davon, die UG (haftungsbeschränkt) nach § 2 Abs. 1a GmbHG im vereinfachten Verfahren unter Verwendung des Musterprotokolls zu errichten, weil dann die notwendige Verzahnung von Satzung und KG-Vertrag nicht möglich ist.
3.45
Zum Schutze des Rechtsverkehrs darf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ohne Einhaltung des Mindeststammkapitals gegründet wird, nicht die Rechtsformbezeichnung „GmbH“ tragen. Der Rechtsformzusatz in der Firma der Gesellschaft muss vielmehr „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ lauten.4 Darüber hinaus ist die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) verpflichtet, 25 % ihres jeweiligen – um einen etwaigen Verlustvortrag geminderten – Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen (§ 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Diese Rücklage darf nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags oder eines Verlustvortrags verwendet werden (§ 5a Abs. 3 Satz 2 GmbHG). Die Pflicht zur Rücklagenbildung entfällt erst, wenn eine Kapitalerhöhung auf mindestens 25 000 Euro durchgeführt wurde.5 Danach kann die Gesellschaft auch den Rechtsformzusatz in ihrer Firma in „GmbH“ ändern (§ 5a Abs. 5 GmbHG). Abweichend von der „normalen“ GmbH muss bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zudem das Stammkapital bei der Gründung voll aufgebracht werden,
3.46
1 Da das Gesetz die Unterschreitung des Mindeststammkapitals ausdrücklich nur bei „Gründung“ einer Gesellschaft zulässt, kommt eine nachträgliche Herabsetzung des Stammkapitals einer GmbH unter den Betrag von 25 000 Euro bei gleichzeitiger Umfirmierung in eine UG (haftungsbeschränkt) nicht in Betracht; ebenso Seibert, GmbHR 2007, 673 (675); Wälzholz, GmbHR 2008, 843 (844); Wachter, GmbHR Sonderheft Oktober 2008, 25 (26). 2 Inzwischen h.M.: Hennrichs, NZG 2009, 1161, 1166; Müller, ZGR 2012, 81–112; Priester in FS Roth, 2011, S. 573, 583. A.A. noch Wachter, Stbg 2008, 554 (556) und Veil, ZGR 2009, 641. 3 A.A. Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497 ff., die den „Untergang der GmbH & Co. KG zu Gunsten der UG & Co. KG“ erwarten. 4 KG Berlin v. 8.9.2009 – I W 244/09, BB 2010, 20; OLG Hamburg v. 2.11.2010 – 11 W 84/10, GmbHR 2011, 657. 5 OLG München v. 23.9.2010 – 31 Wx 149/10, NZG 2010, 1303–1305; Seibert, GmbHR 2007, 673 (676).
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§3
Gründung
und es kann nur durch Bar- und nicht als Sacheinlage erbracht werden (§ 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG). 3.47
Zum Teil sind Zweifel an der Komplementärfähigkeit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) erhoben worden.1 Begründet wurde dies damit, dass eine UG (haftungsbeschränkt) als Komplementärin ihrer gesetzlichen Pflicht zur Rücklagenbildung nicht genügen könne, wenn sie – wie allgemein üblich – am Gewinn der KG nicht beteiligt ist und nur eine pauschale Haftungsvergütung erhält. Dies überzeugt nicht. Auch die Aktiengesellschaft muss gem. § 150 AktG eine gesetzliche Rücklage bilden, dennoch ist es unstreitig, dass eine AG ohne weiteres Komplementärin sein kann. § 5a GmbHG beschränkt die Sonderform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nicht auf solche Gesellschaften, die alljährlich die gesetzlich vorgeschriebene Gewinnrücklage bilden können. Vielmehr muss die Rücklage nur dann gebildet werden, wenn tatsächlich Gewinn entstanden ist. Nur weil eine Gesellschaft aller Wahrscheinlichkeit nach keinen oder nur geringen Gewinn erzielen wird, ist ihr die Sonderform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nicht verschlossen.2 Insbesondere ist § 5a Abs. 3 GmbHG kein Verbotsgesetz, das zur Nichtigkeit des KG-Vertrages führt, wenn der Komplementär-GmbH in diesem kein eigener Gewinnanteil zugewiesen wird.3 Ebenso wenig folgt aus § 5a Abs. 3 GmbHG, dass der UG (haftungsbeschränkt) als Komplementärin zwingend ein Anteil am Gewinn der KG zustehen muss.4 § 5a Abs. 3 GmbHG gewährt auch keinen anderweitigen Zahlungsanspruch der UG (haftungsbeschränkt) gegen die KG.5
3.48
Zu beachten ist jedoch, dass eine KG mit einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Komplementärin nicht als „GmbH & Co. KG“ firmieren darf. Eine solche Firmierung würde den Rechtsschein erwecken, dass jedenfalls das Mindeststammkapital der GmbH als Haftungsmasse eingesetzt wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Richtigerweise muss die KG daher (in Anlehnung an die Firmenbildung bei der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG, s. dazu Rz. 2.507 f.) als „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) & Co. KG“ bzw. als „UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG“ firmieren.6
3.49
Der UG (haftungsbeschränkt) ist von der UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG eine angemessene Haftungsvergütung für die Übernahme der Komplementärstellung zu zahlen.7 Dabei kann im Gegensatz zur GmbH & Co. KG nicht auf die Höhe des
1 Gehrlein, Der Konzern 2007, 771 (779); Schnitter, GStB 2008, 109 (111); Veil, GmbHR 2007, 1080; Wachter, GmbHR Sonderheft Oktober 2008, 25 (33, 87, 88). 2 Ebenso Hirte, NZG 2008, 761 (763); Heeg, DB 2009, 719 (722); Heckschen, DStR 2009, 166 (171); Stenzel, NZG 2009, 168. 3 Ebenso Kock/Vater/Mraz, BB 2009, 848 und Stenzel, NZG 2009, 168 (171). 4 So aber Schäfer, ZIP 2011, 53 (58) und Veil, GmbHR 2007, 1080 (1084). 5 So aber Müller, ZGR 2012, 81 (111), der dazu auf §§ 30, 31 GmbHG analog zurückgreifen will. 6 KG v. 8.9.2009 – 1 W 244/09, GmbHR 2009, 1281 m. Komm. Omlor/Spies = NZG 2009, 1159; dazu Wachter, NZG 2009, 1263–1265. 7 Würde hierauf verzichtet, so läge darin bei Personenidentität von UG-Gesellschaftern und Kommanditisten eine verdeckte Gewinnausschüttung, vgl. BFH v. 25.4.1968 – VI R 279/66, BStBl. II 1968, 741 ff.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
Stammkapitals abgestellt werden. Die Haftungsvergütung sollte zwischen 500 und 1 000 Euro liegen. ee) Ausländische Kapitalgesellschaft Auch eine ausländische Kapitalgesellschaft kann Komplementärin einer deutschen KG sein. Siehe dazu die ausführliche Darstellung unter Rz. 2.489 ff.
3.50
b) Kommanditist Neben dem Komplementär muss die KG mindestens einen weiteren Gesellschafter haben. Bei diesem muss die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft auf einen bestimmten Betrag begrenzt sein, er ist dann Kommanditist.
3.51
Kommanditist kann jeder sein, der Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Als Kommanditisten kommen daher neben natürlichen und juristischen Personen auch die Personenhandelsgesellschaften (oHG und KG) sowie die Partnerschaftsgesellschaft in Betracht. Seit der Entscheidung des BGH vom 16.7.20011 kann auch eine nach außen auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Kommanditistenstellung übernehmen;2 für den nichtrechtsfähigen Verein kann dann nichts anderes gelten.3 Die Innen-GbR, die stille Gesellschaft, die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft können hingegen nicht Gesellschafter einer Personen(handels)gesellschaft sein.4
3.52
c) Unteilbarkeit der Beteiligung Ein Gesellschafter kann an derselben KG nicht gleichzeitig als Komplementär und als Kommanditist beteiligt sein.5 Anders als bei der GmbH kann ein Kommanditist grundsätzlich auch nicht mit mehreren nebeneinander stehenden Kommanditanteilen an einer KG beteiligt sein; die Übernahme weiterer Anteile führt vielmehr aufgrund der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft zur Vereinigung der Einlagen und damit zur Erhöhung der bestehenden Kommanditeinlage.6 1 BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, WM 2001, 1764 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung. 2 Im Anschluss an BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, WM 2001, 1764, hat der Gesetzgeber § 162 Abs. 1 HGB um einen Satz 2 ergänzt, der ausdrücklich klarstellt, dass eine GbR Kommanditist sein kann, vgl. BGBl. I 2001, 3423. In das Handelsregister der KG sind neben der GbR auch deren Gesellschafter mit Namen, Geburtstag und Wohnort einzutragen. Nach LG Berlin v. 8.4.2003 – 102 U 6/03, GmbHR 2003, 719 kann eine GbR auch Komplementärin einer „GbR & Co. KG“ sein; s. dazu Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 28; Bergmann, ZIP 2003, 2231 und Schmidt/Bierly, NJW 2004, 1210. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 28 f.; Möhrle in MünchHdb. KG, § 2 Rz. 61. 4 BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 (für die Erbengemeinschaft); BayObLG v. 22.1.2003 – 32 BR 238/02, 32 BR 239/02, 32 BR 240/02, NZG 2003, 431 (für die eheliche Gütergemeinschaft); Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 29. 5 BGH v. 1.6.1987 – II ZR 259/86, BGHZ 101, 123 (129) = GmbHR 1987, 466; BayObLG v. 10.3.2000 – 3Z BR 385/99, ZIP 2000, 1214; Eckardt, NZG 2000, 449; Ulmer, ZHR 167 (2003), 103 (116). A.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 4 f. 6 OLG Hamm v. 1.12.1998 – 15 W 404/98, GmbHR 1999, 543 = NZG 1999, 344; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 2 Rz. 12 f.; a.A. Priester, DB 1998, 55.
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3.53
§3 3.54
Gründung
Allerdings gibt es von dem Grundsatz der einheitlichen Mitgliedschaft Ausnahmen. Eine Anteilsvereinigung unterbleibt, wenn einer von zwei in der Hand des Gesellschafters zusammentreffenden Kommanditanteilen einen Drittbezug aufweist, der Anlass gibt, seine Selbständigkeit gegenüber dem anderen Anteil zu respektieren.1 Eine solche, die Anteilsvereinigung hindernde Sonderzuordnung bildet die Vorerbschaft; erhält ein Kommanditist einen weiteren Kommanditanteil als Vorerbe seines verstorbenen Mitgesellschafters, so verfügt er über zwei voneinander zu trennende Kommanditanteile.2 Eine Sonderzuordnung des hinzuerworbenen Kommanditanteils ist zudem für den Fall anerkannt, dass ein bereits bestehender eigener Anteil mit einem ererbten Anteil zusammentrifft, der der Testamentsvollstreckung unterliegt.3 Das Gleiche gilt, wenn der geerbte Anteil der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz unterfällt.4 Eine getrennte Zuordnung der Kommanditanteile ist zudem erforderlich, wenn ein Anteil mit einem Nießbrauch oder Pfandrecht belastet ist.5 Schließlich erfolgt eine die Anteilsvereinigung hindernde Sonderzuordnung im Fall der offenen Treuhand, d.h. wenn ein Gesellschafter neben einem eigenen Anteil einen weiteren Anteil als Treuhänder für einen intern als Mitgesellschafter behandelten Treugeber hält.6 Die Sonderzuordnung des weiteren Kommanditanteils sorgt dafür, dass an diesem Anteil gesonderte Rechte und Pflichten bestehen können. Das bedeutet auch, dass das Stimmrecht aus beiden Anteilen nicht zwingend einheitlich ausgeübt werden muss. d) Erscheinungsformen
3.55
Die in der Praxis am häufigsten anzutreffende Form der GmbH & Co. KG ist die personengleiche GmbH & Co. KG. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Gesellschafter der GmbH mit den Kommanditisten der GmbH & Co. KG identisch sind. Regelmäßig sind nicht nur die Gesellschafter, sondern auch ihre Beteiligungsquoten in beiden Gesellschaften identisch.
3.56
In bestimmten Fällen kann es aber auch sinnvoll sein, wenn Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG unterschiedliche Gesellschafter haben (sog. personenverschiedene GmbH & Co. KG). Diese Gestaltung wird insbesondere gewählt, wenn 1 OLG Schleswig v. 2.12.2005 – 2 W 141/05, ZIP 2006, 615 (617); Baumann, BB 1998, 230; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 5; Lüttge, NJW 1994, 8; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 78; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 63. 2 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431; Lüttge, NJW 1999, 8; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 78. 3 BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, GmbHR 1996, 362; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, ZIP 1986, 912; Steinbeck, DB 1995, 761; Schmidt-Diemitz in FS Sigle, 2000, S. 395; Ulmer/ Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 64. 4 OLG Hamm v. 2.3.1998 – 8 U 246/96, ZEV 1999, 234 (236). 5 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 5; Kanzleiter, DNotZ 1999, 442; Ulmer, ZHR 167 (2003), 103 (114 f.); Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 63; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 I 2b) bb), S. 1313. Dagegen allerdings BGH v. 20.4.1972 – II ZR 143/69, BGHZ 58, 316 und OLG Düsseldorf v. 14.9.1998 – 3 Wx 209/98, NJW-RR 1999, 619. 6 Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 63; zweifelnd K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 78.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
die Trennung von Kapital und Geschäftsführung gewollt ist. Die GmbH-Gesellschafter haben über die Bestellung der Geschäftsführer und ihr Weisungsrecht gegenüber den GmbH-Geschäftsführern die Herrschaft über die Geschäftsführung, während sich die Funktion der Kommanditisten auf die der Kapitalgeber beschränkt. Eine solche Gestaltung kann sich insbesondere bei Familiengesellschaften oder bei Gesellschaften mit großem oder häufig wechselndem Gesellschafterkreis anbieten. Die GmbH & Co. KG kann auch als Einpersonen-GmbH & Co. KG gegründet und geführt werden. So kann eine Person zunächst als alleiniger Gesellschafter die Komplementär-GmbH gründen (§ 1 GmbHG) oder erwerben und schließt sodann handelnd sowohl im eigenen Namen als auch als von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der GmbH einen KG-Vertrag, wonach die GmbH die Komplementärstellung und er selbst die Kommanditistenstellung übernimmt. Wegen der Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ist im Falle der Einpersonen-GmbH & Co. KG nach Abschluss des KG-Vertrages unverzüglich eine Niederschrift über die Vornahme dieses Rechtsgeschäfts aufzunehmen. Die Anerkennung der Einpersonen-GmbH & Co. KG steht heute außer Zweifel.1 Dem Erfordernis, dass eine Personengesellschaft mehrere Gesellschafter haben muss, wird sie gerecht, weil auch bei der Einpersonen-GmbH & Co. KG rechtstechnisch zwei Gesellschafter vorhanden sind, nämlich die Komplementär-GmbH und der Kommanditist.
3.57
Eine besondere Gestaltungsvariante der GmbH & Co. KG ist die sog. Einheitsgesellschaft (s. dazu ausführlich unter Rz. 2.461 ff.), bei der die KG Alleingesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH ist. Die Einheitsgesellschaft macht Regelungen zur Wahrung und Wiederherstellung der Beteiligungsidentität in GmbH und GmbH & Co. KG entbehrlich. Zudem müssen Anteilsübertragungen nicht notariell beurkundet werden.
3.58
2. Vertragsschluss Eine GmbH & Co. KG wird wie jede andere KG durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages errichtet. Es gelten die allgemeinen Regeln über den Vertragsschluss (§§ 145 ff. BGB). Eine gleichzeitige Abgabe der auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrages gerichteten Willenserklärungen ist nicht erforderlich.2 Stellvertretung ist nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 164 ff. BGB) zulässig. Die Vollmacht zur Vertretung eines Gesellschafters bei der Gründung bedarf keiner besonderen Form.3
3.59
Beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages der KG wird die Komplementär-GmbH i.d.R. durch ihren oder ihre Geschäftsführer vertreten. Falls ein Geschäftsführer zugleich Kommanditist werden soll, muss er in der GmbH-Satzung oder durch Beschluss der GmbH-Gesellschafter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden.4 Bei einer personengleichen GmbH & Co. KG liegt in der Mitwirkung aller
3.60
1 Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 51 Rz. 1 m.w.N. 2 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 14. 3 Etwas anderes gilt gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB für eine Vollmacht, die auch die Anmeldung der GmbH & Co. KG beim Handelsregister umfassen soll, s. dazu auch Rz. 3.173. 4 BGH v. 15.1.1968 – II ZR 221/65, BB 1968, 481.
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§3
Gründung
GmbH-Gesellschafter an der KG-Gründung zugleich die Befreiung der GmbH-Geschäftsführung vom Verbot des § 181 BGB.1 Allerdings muss die GmbH-Satzung die Möglichkeit zur Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot auch vorsehen. 3.61
Eine GmbH & Co. KG kann auch dadurch entstehen, dass eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in eine bestehende KG oder in eine oHG unter „Umwandlung“ dieser in eine KG eintritt. Die Aufnahme der Komplementär-GmbH macht einen Aufnahmevertrag, der seiner Natur nach Gesellschaftsvertrag ist, erforderlich. Der Vertrag wird nicht etwa zwischen der Komplementär-GmbH und der Gesellschaft geschlossen, sondern vielmehr zwischen der GmbH und allen anderen Gesellschaftern.
3.62
Die Kommanditisten können die Komplementär-GmbH ermächtigen, Aufnahmeverträge mit weiteren Kommanditisten mit Wirkung für alle Gesellschafter abzuschließen.2 In den Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften wird vielfach mit einer solchen Ermächtigung gearbeitet. a) Form
3.63
Für den Abschluss des KG-Vertrages ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben; der Gesellschaftsvertrag der KG kann daher schriftlich, in elektronischer Form oder in Textform, aber auch formfrei (mündlich) und sogar durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden.3 Eine Beurkundung des Gesellschaftsvertrages ist auch dann nicht erforderlich, wenn der Gesellschaftszweck in dem Erwerb, der Verwaltung und Verwertung von Grundstücken besteht. Etwas anderes kann sich jedoch aus allgemeinen Formvorschriften ergeben, bspw. wenn sich ein Gesellschafter in dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, ein Grundstück (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) oder einen GmbH-Geschäftsanteil (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) auf die Gesellschaft zu übertragen, oder wenn im Gesellschaftsvertrag die Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines Geschäftsanteils normiert wird.4 Notarieller Beurkundung bedarf der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG ferner, wenn dieser für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters die Verpflichtung zur Abtretung seines Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH vorsieht (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Ist eine Formvorschrift einschlägig, so bedarf der gesamte KG-Vertrag der besonderen Form.5 Ein Formmangel führt – vorbehaltlich einer Heilung z.B. nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG oder durch Bestätigung gem. § 141 BGB – zur Nichtigkeit der betreffenden Klausel.6 Entgegen § 139 BGB führt die Nichtigkeit einzelner Klauseln im Zweifel jedoch nicht zur Unwirksamkeit des gesamten KG-Vertrages.7 1 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 157/76, NJW 1978, 160; BGH v. 24.5.1976 – II ZR 164/74, NJW 1976, 1538. 2 So BGH v. 14.11.1977 – II ZR 95/76, GmbHR 1978, 64. 3 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 14 und 22. 4 Zur Formbedürftigkeit eines Vertrages, mit dem jemand einer Kommanditgesellschaft beitritt, deren Zweck es ist, ihren Mitgliedern Eigentumswohnungen zu verschaffen, vgl. BGH v. 10.4.1978 – II ZR 61/77, GmbHR 1978, 251. 5 BGH v. 10.4.1978 – II ZR 61/77, BB 1978, 726. 6 BGH v. 9.2.1970 – II ZR 76/68, NJW 1970, 1540. 7 BGH v. 16.11.1981 – II ZR 213/80, NJW 1982, 877 (879); Koller in Koller/Kindler/Roth/ Morck, § 105 HGB Rz. 26.
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§3
GmbH & Co. KG
b) Minderjährige, beschränkt Geschäftsfähige, Geschäftsunfähige Jede natürliche Person kann Gesellschafter einer KG sein. Dies gilt auch für Geschäftsunfähige und beschränkt geschäftsfähige Personen. Bei ihnen sind lediglich Besonderheiten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte durch ihre gesetzlichen Vertreter zu beachten.
3.64
aa) Vertretung durch gesetzlichen Vertreter oder Ergänzungspfleger Minderjährige und alle anderen nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Kommanditisten müssen beim Abschluss des KG-Vertrages von ihrem gesetzlichen Vertreter vertreten werden, denn aufgrund des aus der Gesellschafterstellung folgenden Bündels von Rechten und Pflichten ist der Abschluss des Gesellschaftsvertrages nie lediglich rechtlich vorteilhaft.1 Gesetzliche Vertreter sind insbesondere der Vormund und der Betreuer. Gesetzliche Vertreter ihrer noch nicht volljährigen Kinder sind grundsätzlich beide Eltern (§§ 1626, 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB).2
3.65
Wird ein gesetzlicher Vertreter selbst Gesellschafter der KG, so ist er durch das Verbot der Mehrfachvertretung gem. §§ 181 Alt. 1, 1795 Abs. 2, 1629 Abs. 2 BGB beim Abschluss des KG-Vertrages von der Vertretung ausgeschlossen, denn die Übernahme einer Kommanditbeteiligung bei Gründung ist wegen der damit verbundenen Pflichten (u.a. Erbringung der Einlage) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.3 Da der andere Elternteil das Kind nicht allein vertreten kann,4 greift das Vertretungsverbot bereits, wenn neben dem Minderjährigen auch nur ein Elternteil Gesellschafter der KG werden soll. Dasselbe gilt gem. § 181 Alt. 2 BGB, wenn ein Elternteil bei der Gründung der KG mehrere Kinder vertritt oder zugleich als Geschäftsführer für die Komplementär-GmbH handelt. Anstelle des durch § 181 BGB verhinderten gesetzlichen Vertreters ist für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages ein Ergänzungspfleger (§§ 1908, 1909 BGB) zu bestellen.5 Zuständig für dessen Bestellung ist das Familiengericht (§ 1915 Abs. 1 BGB). Auch der Ergänzungspfleger unterliegt den Beschränkungen des § 181 BGB, so dass für den Fall, dass mehrere Minderjährige an der Gesellschaft beteiligt werden sollen, ein eigener Ergän-
3.66
1 Ellenberger in Palandt, § 107 BGB Rz. 2, 4. 2 Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, so vertritt er nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Kind allein. Hat das minderjährige Kind einen Vormund, wird es gem. §§ 1773, 1793 BGB durch diesen gesetzlich vertreten. 3 OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 3 W 253/98, NZG 1999, 717; LG Aachen v. 21.6.1993 – 3 T 128/93, NJW-RR 1994, 1319; BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 1937; Hohaus/ Eickmann, BB 2004, 1707; Phieler/Schulte, MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 14; Rust, DStR 2005, 1942. Dies gilt jedenfalls für die KG-Gründung auch dann, wenn dem Minderjährigen die Mittel zur Erbringung seiner Einlage oder die Kommanditeinlage geschenkt werden, denn davon bleiben alle übrigen aus der Gesellschafterstellung folgenden Pflichten unberührt; ebenso LG Aachen v. 21.6.1993 – 3T 128/93, NJW-RR 1994, 1319; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 24; Ivo, NWB Fach 18 S. 4497; a.A. Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025; Weinbrenner, FPR 2009, 265–269 und Werner, GmbHR 2006, 737. 4 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225; Diederichsen in Palandt, § 1629 BGB Rz. 6; Werner, GmbHR 2006, 737. 5 BGH v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708.
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§3
Gründung
zungspfleger für jedes Kind zu bestellen ist.1 Die Person des Ergänzungspflegers wird durch das Gericht ausgewählt; es ist dabei an Vorschläge nicht gebunden. Der Ergänzungspfleger wird mit einem konkreten Wirkungskreis (Vertretung des Minderjährigen bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages) bestellt. Nach Vornahme dieses Rechtsgeschäfts erlischt seine Vertretungsbefugnis; eine Dauerpflegschaft kommt nicht in Betracht.2 3.67
Handelt beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages trotz eines Vertretungsverbots der gesetzliche Vertreter, so ist der Vertrag gem. § 177 BGB schwebend unwirksam.3 Die Wirksamkeit des Vertrages kann herbeigeführt werden, indem ein (nachträglich bestellter) Ergänzungspfleger oder der volljährig Gewordene ihn genehmigt.4 Die Genehmigung wirkt zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Steuerlich wird die Rückwirkung jedoch i.d.R. nicht anerkannt.5 bb) Genehmigung durch das Familiengericht
3.68
Unabhängig von der Frage der Vertretung (also unabhängig davon, ob gesetzliche Vertreter oder Ergänzungspfleger handeln) ist für die Gründung einer GmbH & Co. KG unter Beteiligung eines Minderjährigen die Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch das Familiengericht erforderlich, wenn die GmbH & Co. KG ein Erwerbsgeschäft betreibt.6 Die Genehmigungsbedürftigkeit folgt aus §§ 1822 Nr. 3, 1643 Abs. 1 BGB. Danach ist für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, „der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird“, die gerichtliche Genehmigung erforderlich. Ein Erwerbsgeschäft liegt vor, wenn der Gegenstand des Unternehmens eine regelmäßige und auf selbständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit ist, die mit dem Willen zur Gewinnerzielung ausgeübt wird und auf eine gewisse Dauer angelegt ist.7 Vom Wortlaut nicht erfasst ist damit die private Vermögensverwaltung. Daher ist bei einer rein vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG § 1822 Nr. 3 BGB nicht einschlägig und damit eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich.8 Allerdings ist die Rechtsprechung bei der Annahme einer ge1 BayObLG v. 16.12.1958 – 1 Z 69/58, FamRZ 1959, 125; OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 3 W 253/98, NZG 1999, 717; Lohse/Triebel, ZEV 2000, 337; Reimann, DNotZ 1999, 179. Nach OLG München v. 17.6.2010 – 31 Wx 70/10, NZG 2010, 862 kann bei einer Übertragung von Kommanditanteilen eines Elternteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge ein Ergänzungspfleger mehrere minderjährige Kinder vertreten; bei der Gründung ist dies nicht zulässig. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 27; Rust, DStR 2005, 1942. 3 Werner, GmbHR 2006, 737. 4 Ivo, NWB Fach 18, 4497 (4500). 5 BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 1937; Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707; zu Ausnahmen s. BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294. 6 BGH v. 30.4.1955 – II ZR 202/53, NJW 1955, 1067; OLG Frankfurt v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, ZEV 2008, 607 = GmbHR 2008, 1262 m. Komm. Werner; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 21. 7 BayObLG v. 6.7.1995 – 1Z BR 157/94, FamRZ 1996, 119; Diederichsen in Palandt, § 1822 BGB Rz. 5. 8 OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, GmbHR 2008, 1263 m. Komm. Werner; OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 76/08, GmbHR 2008, 1264 m. Komm. Werner; OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 3 W 253/98, NZG 1999, 717; LG Münster v. 18.7.1996 – 5 T 383/96,
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
nehmigungsfreien privaten Vermögensverwaltung sehr zurückhaltend und nimmt bspw. auch bei der Verwaltung, Vermietung und Verwertung gewerblicher Immobilien ein Erwerbsgeschäft i.S.v. § 1822 Nr. 3 BGB an.1 Zwar liegt nicht bereits deshalb ein Erwerbsgeschäft vor, weil für die Vermögensverwaltung die Rechtsform der KG gewählt wurde, sofern jedoch eine umfangreichere Verwaltungstätigkeit erforderlich ist, kann bereits die Grenze zum Erwerbsgeschäft überschritten sein.2 Praxishinweis: Aufgrund der schwierigen Abgrenzung zwischen genehmigungsfreier privater Vermögensverwaltung und genehmigungspflichtigem Erwerbsgeschäft sollte in Zweifelsfällen vorsorglich die gerichtliche Genehmigung eingeholt werden.3
3.69
Das für die Genehmigung zuständige Gericht ist das Familiengericht.4 Durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)5 wurde mit Wirkung zum 1.9.2009 die Zuständigkeit für alle Angelegenheiten Minderjähriger beim Familiengericht konzentriert. Das Familiengericht ist seitdem gem. §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG sowohl für die Fälle zuständig, in denen die Eltern den Minderjährigen bei der Gründung einer Gesellschaft vertreten haben (s. § 151 Nr. 1 FamFG), als auch für die Genehmigung eines durch den Ergänzungspfleger geschlossenen Gesellschaftsvertrages (s. § 151 Nr. 5 FamFG). Örtlich zuständig ist das Familiengericht bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 152 Abs. 2 FamFG).
3.70
Ob die Genehmigung erteilt wird, hängt vom Wohl und Interesse des Minderjährigen ab. Entscheidend ist, dass der Vertrag nach Abwägung aller Vor- und Nachteile insgesamt für den Minderjährigen vorteilhaft ist. Soll der Minderjährige die Stellung eines Kommanditisten erhalten, ist dies regelmäßig der Fall, wenn ihm die zu leistende Einlage schenkweise zugewandt wird.6 Die gerichtliche Genehmigung wirkt zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück. Diese Rückwirkung wird – im Gegensatz zur Genehmigung durch den Ergänzungspfleger oder den volljährig Gewordenen (s. dazu Rz. 2.218) – auch steuerlich anerkannt, wenn die Genehmigung unverzüglich nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages beantragt wird.7
3.71
Praxishinweis: In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise vertreten, dass die Schenkung eines voll eingezahlten Kommanditanteils an einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG für den beschenkten Minderjährigen lediglich rechtlich
3.72
1 2 3 4 5 6 7
FamRZ 1997, 842; Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 21. OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 76/08, GmbHR 2008, 1264 m. Komm. Werner; BayObLG v. 5.3.1997 – 1 BR 210/96, DNotZ 1998, 495. OLG München v. 6.11.2008 – 31 Wx 76/08, GmbHR 2008, 1264 m. Komm. Werner: kein Erwerbsgeschäft bei der Verwaltung einer selbstgenutzten Immobilie. Ivo, NWB Fach 18 S. 4497, 4501; Rust, DStR 2005, 1942 (1943). OLG Hamm v. 15.8.2000 – 2 UF 320/00, NJW-RR 2001, 437; Diederichsen in Palandt, § 1643 BGB Rz. 3; Servatius, NJW 2006, 334. FamFG v. 17.12.2008, BGBl. I 2008, 2586. OLG Bremen v. 24.2.1999 – 4 UF 16/99, NZG 1999, 588. Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707 (1712); Ivo, NWB Fach 18, 4497 (4502).
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§3
Gründung
vorteilhaft sei, wenn die Schenkung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des neuen Kommanditisten in das Handelsregister steht.1 Die bei Gründung notwendige Einschaltung eines Ergänzungspflegers und die ggf. erforderliche familiengerichtliche Genehmigung könnten also vermieden werden, wenn die Eltern die GmbH & Co. KG alleine gründen und anschließend voll eingezahlte Kommanditanteile an ihre Kinder schenken. c) Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages 3.73
Ist im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes geregelt, so wird dieser im Innenverhältnis der Gesellschafter mit seinem Abschluss wirksam. Den Parteien steht es aber frei, einen späteren Zeitpunkt für das Inkrafttreten zu vereinbaren oder die Wirksamkeit des Vertrages von einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung abhängig zu machen. Eine Rückbeziehung des Gesellschaftsvertrages hat lediglich schuldrechtliche Bedeutung unter den Gesellschaftern, d.h., sie stellen sich dadurch so, als hätte die Gesellschaft schon zu einem früheren Zeitpunkt begonnen.2 Mit dem Wirksamwerden des Vertrages gilt im Innenverhältnis der Gesellschafter das Recht der Kommanditgesellschaft, selbst wenn die KG im Außenverhältnis erst mit der Handelsregistereintragung oder der Aufnahme des Geschäftsbetriebes entstehen sollte. Zur Entstehung der Gesellschaft im Außenverhältnis s. Rz. 3.175 ff.
3. Gesellschaftsvertrag a) Firma 3.74
Die Firma ist der Name, unter dem ein Kaufmann am Rechtsverkehr teilnimmt (§ 17 HGB). Sie ist in das Handelsregister einzutragen. Das zum 1.7.1998 in Kraft getretene Handelsrechtsreformgesetz3 hat das Firmenrecht grundlegend liberalisiert und vereinfacht.4 Entgegen der früheren Rechtslage bestehen heute keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen der Firmenbildung bei einer Personenhandelsgesellschaft und einer Kapitalgesellschaft. Es kommt allein darauf an, dass die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmensträgers geeignet ist, Unterscheidungskraft besitzt, den Rechtsverkehr nicht irre führt und den nach § 19 HGB vorgeschriebenen Rechtsformzusatz enthält. aa) Prinzipien der Firmenbildung
3.75
Um den Rechtsträger individualisieren zu können, muss die Firma zur Kennzeichnung geeignet sein (sog. Namensfähigkeit) und Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs. 1 HGB; Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit, auch Firmenklarheit 1 OLG Jena v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, ZEV 2013, 521; OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, GmbHR 2008, 1263 = ZEV 2008, 608. 2 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 16. 3 HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. 4 Dazu Jung, ZIP 1998, 677; Kögel, BB 1997, 793; Bockelmann, GmbHR 1998, 57.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
genannt). Die Firma ist zur Kennzeichnung geeignet, wenn die gewählte Bezeichnung Namensfunktion hat. Namensfunktion haben Worte, auch wenn es sich um Fantasieworte handelt. Bildzeichen (bspw. ein Herz, ein Baum oder ein Tier) haben für sich allein hingegen keine Namensfunktion, auch wenn es für sie ein aussprechbares Wort gibt.1 Auch eine bloße Ziffernfolge stellt kein hinreichendes Kennzeichnungs- und Unterscheidungskriterium dar, weil die Zahl alleine nicht hinreichend individualisierend ist.2 Buchstabenkombinationen haben dann Namensfunktion, wenn die Firma aussprechbar und damit artikulierbar ist.3 Eine Buchstabenkombination muss nicht als Wort aussprechbar sein, um als Firmenbestandteil anerkannt zu werden.4 Wegen der Eintragungsnotwendigkeit muss die Firma in lateinischen oder anderen allgemein anerkannten Schriftzeichen schriftlich darstellbar sein.5 Die Firma hat Unterscheidungskraft, wenn sie geeignet ist, die Assoziation zu einem bestimmten Unternehmen herzustellen. Daran fehlt es bei der Verwendung von Allgemeinbegriffen.6 Reine Branchen- oder Gattungsbezeichnungen („Druckerei“, „Fun“, „Video-Rent“) sind nicht ausreichend. Sie können aber durch das Hinzusetzen geographischer Bezeichnungen oder von Eigen- oder Fantasienamen ausreichend individualisiert werden („Druckerei Peter Müller“, „Bonner Zeitungsdruckerei“).7 Dass in der durch die geographische Bezeichnung betroffenen Region weitere Unternehmen mit demselben Geschäftsgegenstand ansässig sind oder sich in Zukunft ansiedeln könnten, steht der Eignung eines so gebildeten Namens i.S. des § 18 Abs. 1 HGB nicht entgegen. Maßstab für die Unterscheidungskraft ist die im Handelsregister eingetragene Firma, nicht die im Geschäftsverkehr verwendete Kurzform. Jede Firma muss sich von den an demselben Ort bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden (§ 30 Abs. 1 HGB). Zudem darf keine Verwechselungsgefahr mit anderen Unternehmen bestehen (sog. Firmenausschließlichkeit). Die ältere Firma genießt Vorrang.
3.76
Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen (§ 18 Abs. 2 HGB; Grundsatz der Firmenwahrheit bzw. Irreführungsverbot). Das Verbot betrifft den Firmenkern und die Firmenzusätze. Auf eine Täuschungs-
3.77
1 BGH v. 6.7.1954 – II ZR 167/52, BGHZ 14, 159; KG v. 23.5.2000 – 1 W 247/99, BB 2000, 1958 = GmbHR 2000, 1101; Hopt in Baumbach/Hopt, § 18 HGB Rz. 4. 2 KG Berlin v. 17.5.2013 – 12 W 51/13, ZIP 2013, 1769. 3 BGH v. 8.12.2008 – II ZB 46/07, GmbHR 2009, 249; Hopt in Baumbach/Hopt, § 18 HGB Rz. 4; Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 18 HGB Rz. 28; Heidinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 18 HGB Rz. 17 sowie OLG Celle v. 6.7.2006 – 9 W 61/06, DB 2006, 1950, wonach nicht aussprechbaren Buchstabenaneinanderreihungen keine Namensfunktion zukommt. 4 So BGH v. 8.12.2008 – II ZB 46/07, GmbHR 2009, 249 zur HM & A GmbH & Co. KG. 5 Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 18 HGB Rz. 28. 6 BayObLG v. 1.7.2003 – 3Z BR 122/03, GmbHR 2003, 1003; Roth in Koller/Kindler/Roth/ Morck, § 18 HGB Rz. 4. 7 OLG München v. 28.4.2010 – 31 Wx 117/09 „Münchner Hausverwaltung GmbH“, DStR 2010, 991; KG Berlin v. 11.9.2007 – 1 W 81/07 „Autodienst-Berlin Limited“, GmbHR 2008, 35; OLG Frankfurt v. 10.1.2005 – 20 W 106/04 „Hessen-Nassauische Grundbesitz Aktiengesellschaft“, DB 2005, 1732.
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§3
Gründung
absicht kommt es nicht an.1 Irreführend ist bspw. der Firmenbestandteil „Manufaktur“, wenn das Unternehmen die Produkte nicht selbst herstellt.2 Irreführend sind Firmenzusätze, die einen unzutreffenden Eindruck über die Größe und Bedeutung des Unternehmens erwecken (bspw. „international“).3 Firmenzusätze können irreführend sein, wenn sie auf einen nicht vorhandenen amtlichen Charakter des Unternehmens hindeuten; diese Gefahr besteht namentlich bei der Verwendung des Zusatzes „Institut“.4 Zu Fehlvorstellungen führen kann eine Firma, die auf eine nicht vorhandene fachliche Kompetenz oder Qualifikation hindeutet. Die Bezeichnung „Treuhand“ deutet bspw. auf die Besorgung fremder Vermögensangelegenheiten in eigenem Namen und auf eine besondere Qualifikation hierzu hin.5 Auch akademische Titel (Dr., Prof., Ing.) können irreführend sein, wenn kein Gesellschafter diesen Titel führt oder ein im Ausland verliehener Titel in den Verleihungsvoraussetzungen dem deutschen Titel nicht gleichwertig ist.6 3.78
Unzulässig sind derartige Firmenbestandteile jedoch nur, wenn die irreführenden Angaben für die angesprochenen Verkehrskreise „wesentlich“ sind.7 Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB darf das Registergericht die Eignung zur Irreführung zudem nur dann beanstanden, wenn sie „ernstlich“ ist. Das Erfordernis der Wesentlichund Ernstlichkeit führt dazu, dass sich registerrechtliche Beanstandungen auf die offensichtlichen Fälle beschränkt. Dies führt allerdings dazu, dass eine Firmierung auch bei registerrechtlicher Zulässigkeit in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht erfolgreich angegriffen werden kann.8 bb) Die Firma der GmbH & Co. KG
3.79
Seit dem Handelsrechtsreformgesetz kann eine Personenhandelsgesellschaft von Anfang an und nach freier Wahl eine Personen-, Sach- oder Fantasiefirma haben; auch eine Kombination dieser Firmen (sog. Mischfirma) ist zulässig. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Firmenrechts (Kennzeichnungseignung; Unterscheidungskraft, Irreführungsverbot). Insbesondere ist es nicht mehr erforderlich, dass die Firma der KG der Firma der Komplementär-GmbH entlehnt ist.9 Wird jedoch die Firma der GmbH ohne jede Änderung in die KG-Firma übernommen und haben beide Gesellschaften ihren Sitz an demselben Ort, so ergibt sich ein Konflikt mit § 30 Abs. 1 HGB, wonach sich jede neue Firma von allen an demselben Ort bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden muss. Diese Vorschrift findet auch auf das Verhältnis der Komplementär-GmbH
1 2 3 4 5 6 7 8 9
BayObLG v. 13.6.1997 – 3Z BR 61/97, GmbHR 1997, 1063 = BB 1997, 1707. BayObLG v. 3.4.1985 – 3 Z 233/84, MDR 1985, 677 noch vor dem HRRefG. OLG Frankfurt v. 3.5.2011 – 20 W 533/10, NZG 2011, 1234–1237. Vgl. KG Berlin v. 26.10.2011 – 25 W 23/11, NZG 2012, 272. Vgl. BayObLG v. 23.2.1989 – 3 Z 136/88, GmbHR 1989, 291; zu den weiteren Beispielen „Invest“ und „Steuerberatungsgesellschaft“ s. Bokelmann, GmbHR 1987, 177 (181). Vgl. OLG Köln v. 12.3.2008 – 2 Wx 5/08, DNotZ 2009, 140; LG Stuttgart v. 31.7.2008 – 33 O 15/08 KfH, WRP 2009, 496. Dazu bspw. OLG Stuttgart v. 8.3.2012 – 8 W 82/12, GmbHR 2012, 571; OLG Dresden v. 21.4.2010 – 13 W 295/10, NZG 2010, 1237. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 39; K. Schmidt, NJW 1998, 2167. So bis zum HRefG noch § 19 Abs. 2 HGB a.F.
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§3
GmbH & Co. KG
zur GmbH & Co. KG Anwendung.1 Der auf das Gesellschaftsverhältnis in der KG hinweisende Zusatz „& Co. KG“ ist allein nicht geeignet, die Verwechslungsgefahr hinreichend zu bannen.2 Die Praxis behilft sich dadurch, dass in die Firma der Komplementär-GmbH zusätzlich ein Firmenbestandteil wie z.B. „Besitz-“, „Beteiligungs-“, „Geschäftsführungs-“ oder „Verwaltungs-“(Gesellschaft) aufgenommen wird.3 Fraglich ist, inwiefern die Firma einer GmbH & Co. KG auch den Namen eines Kommanditisten oder eines Nichtgesellschafters enthalten darf. Nach früherem Recht war dies unzulässig. Nach heutiger Rechtslage kommt es allein darauf an, ob die Firma den Irreführungstatbestand des § 18 Abs. 2 HGB verwirklicht. Wenn eine Personenhandelsgesellschaft seit dem HRefG auch eine Sach- oder Fantasiefirma führen darf, ist nicht ersichtlich, warum der Name eines Kommanditisten oder Nichtgesellschafters in der Firma irreführend sein sollte. Schließlich darf sich seit dem Wegfall des § 19 Abs. 4 HGB a.F. der Geschäftsverkehr nicht mehr darauf verlassen, dass eine Namensangabe in der Firma den persönlich haftenden Gesellschafter bezeichnet.4 Der Name eines Kommanditisten oder eines Nichtgesellschafters in der Firma einer GmbH & Co. KG ist daher grundsätzlich nicht irreführend.
3.80
Nach altem Firmenrecht hatte die Firma einer KG einen „die Gesellschaft kennzeichnenden Zusatz“ zu enthalten (§ 19 Abs. 1 HGB a.F.). Da lediglich auf das Vorhandensein einer Gesellschaft hinzuweisen war, genügten auch Zusätze wie „& Sohn“, „& Cie“ oder „& Co.“. Ein Hinweis auf die konkrete Rechtsform der Kommanditgesellschaft war nicht erforderlich.5 Das jetzige Recht schreibt hingegen vor, dass die Firma einen Zusatz zu enthalten hat, der die Rechtsform eindeutig erkennen lässt. Für die Kommanditgesellschaft besagt § 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB, dass die Firma den Rechtsformzusatz „Kommanditgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (bspw. „KG“ oder „KommanditG“) führen muss.6 Altfirmen mussten bis zum 31.3.2003 entsprechend angepasst werden (Art. 38 Abs. 1 EGHGB), anderenfalls droht eine Rechtsscheinhaftung.
3.81
Nimmt – wie in der GmbH & Co. KG üblich – neben der Komplementär-GmbH keine natürliche Person und auch keine Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter die Komplementärstellung ein, muss die Firma der KG einen Zusatz erhalten, der die Haftungsbeschränktheit des Komplementärs kennzeichnet (§ 19 Abs. 2 HGB).7 Der typische Zusatz zur
3.82
1 BGH v. 14.7.1966 – II ZB 4/66, BGHZ 46, 7. 2 BGH v. 14.7.1966 – II ZB 4/66, BGHZ 46, 7. 3 Zustimmend BGH v. 16.3.1981 – II ZB 9/80, BGHZ 80, 353 (356) = GmbHR 1981, 292; Hopt in Baumbach/Hopt, § 19 HGB Rz. 36. 4 OLG Saarbrücken v. 25.2.2006 – 5 W 42/06–14, DB 2006, 1002; OLG Karlsruhe v. 24.2.2010 – 11 Wx 15/09, GmbHR 2010, 1096; OLG München v. 8.11.2012 – 31 Wx 415/12, ZIP 2012, 2393; Heidinger, DB 2005, 815; Roth in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 18 HGB Rz. 15c)dd). A.A. Kögel, RPfleger 2011, 17 (19). 5 Vgl. die 18. Aufl. 2005 Rz. 226; Hopt in Baumbach/Hopt, 29. Aufl. 1995, § 19 HGB Rz. 5. 6 Exakt aus diesem Grunde trägt dieses Buch seit der 19. Aufl. den Titel „Handbuch GmbH & Co. KG“, nachdem es bis zur 18. Aufl. noch „Handbuch der GmbH & Co.“ hieß. 7 So bereits vor dem Inkrafttreten des nahezu gleich lautenden § 19 Abs. 5 HGB a.F. BGH v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216 ff. = GmbHR 1974, 151.
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§3
Gründung
Kennzeichnung der Haftungsbeschränkung lautet „GmbH & Co. KG“. Dieser Zusatz wird im Rechtsverkehr gemeinhin so verstanden, dass bei dieser Kommanditgesellschaft keine natürliche Person, sondern eine GmbH unbeschränkt haftet.1 3.83
Ein Vertauschen der Reihenfolge der Kennzeichnungsbestandteile – etwa „Alfred Müller KG GmbH & Co.“ – verwirrt und wird daher den Anforderungen des § 19 Abs. 2 HGB nicht gerecht.2 Auch darf der Zusatz „& Co.“ nicht weggelassen werden (z.B. „Alfred Müller GmbH KG“).3 Unzulässig ist ferner die Trennung der Zusätze „GmbH“ und „KG“ durch einen Sachfirmenbestandteil (z.B. „Johann H. GmbH Holzbau KG“)4 und die Verbindung von drei Rechtsformzusätzen der Art „Meier & Cie GmbH Co. KG“5 oder „W & R KG GmbH & Co. KG“.6 In diesen Fällen kann der Eindruck entstehen, persönlich haftender Gesellschafter sei nicht nur die GmbH, sondern noch eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als unbeschränkt haftendem Gesellschafter. Aus dem gleichen Grunde ist auch die Firma „H.M. & Sohn GmbH & Co. KG“ unzulässig; der Zusatz „& Sohn“ deutet auf eine zusätzliche unbeschränkt haftende natürliche Person hin.7 Entspricht die Firma nicht dem Gebot des § 19 Abs. 2 HGB, kann sich daraus im Einzelfall eine Rechtsscheinhaftung des oder der Gesellschafter ergeben. cc) Firmenkontinuität
3.84
Tritt eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in eine bereits bestehende Personengesellschaft oder in ein einzelkaufmännisches Unternehmen ein, so kann die bisherige Firma der Personengesellschaft bzw. des Einzelkaufmanns grundsätzlich unverändert fortgeführt werden (§ 24 Abs. 1 HGB). Allerdings ist zu beachten, dass auch in diesem Fall die Firma einen Zusatz erhalten muss, der die Haftungsbeschränkung in der GmbH & Co. KG kennzeichnet (§ 19 Abs. 2 HGB). Der Grundsatz der Firmenkontinuität (§ 24 Abs. 1 HGB) wird insoweit im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs eingeschränkt. Lautete die einzelkaufmännische Firma „Maschinenfabrik Alfred Müller“, so muss sie nach der Umwandlung in eine GmbH & Co. KG „Maschinenfabrik Alfred Müller GmbH & Co. KG“ lauten. Diese Firma darf auch dann geführt werden, wenn der Gesellschafter Alfred Müller der Gesellschaft nicht oder nicht mehr angehört und die Komplementär-GmbH eine ganz andere Firma führt. Zu beachten ist, dass die GmbH & Co. KG die Firma nur insoweit unverändert fortführen darf, als diese – bezogen auf die Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG – keine irreführenden Zusätze enthält. 1 OLG Frankfurt v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326; OLG Karlsruhe v. 24.2.2010 – 11 Wx 15/09, GmbHR 2010, 1096–1098; Quinke in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 3 Rz. 81 m.w.N. 2 Eingehend Bokelmann, GmbHR 1987, 177 u. Bokelmann, GmbHR 1994, 356; ausführlich auch Heidinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 19 HGB Rz. 21–25; Quinke in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 3 Rz. 82 m.w.N. 3 OLG Stuttgart v. 29.4.1977 – 8 W 573/76, MDR 1977, 758. 4 BGH v. 24.3.1980 – II ZB 8/79, GmbHR 1980, 299. 5 OLG Oldenburg v. 24.1.1979 – 5 Wx 30/78, GmbHR 1979, 112. 6 BGH v. 13.10.1980 – II ZB 4/80, GmbHR 1981, 58. 7 So BGH v. 12.11.1984 – II ZB 2/84, GmbHR 1985, 153.
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§3
GmbH & Co. KG
dd) Firmenzeichnung im Geschäftsverkehr Für die Firmenzeichnung im Geschäftsverkehr enthält das HGB keine Regelungen. In der Praxis wäre es äußerst umständlich, wenn der Geschäftsführer stets darauf hinweisen müsste, dass er die Komplementär-GmbH und diese wiederum die GmbH & Co. KG vertritt. Für die Rechtswirksamkeit der für die GmbH & Co. KG abgegebenen Willenserklärungen ist dies auch nicht notwendig.1 Es genügt vielmehr jede Zeichnung, aus der für Dritte erkennbar wird, dass der Unterzeichnende für die GmbH & Co. KG handeln will.2 Dabei muss der Geschäftsführer nicht unbedingt offenlegen, dass er lediglich als Organ der Komplementär-GmbH und diese für die GmbH & Co. KG tätig wird.3 Ausreichend ist die Unterschrift des Geschäftsführers unter der Firma der GmbH & Co. KG.
3.85
ee) Angaben auf Geschäftsbriefen Gem. § 125a Abs. 1 i.V.m. § 177a Satz 1 HGB müssen auf allen Geschäftsbriefen der GmbH & Co. KG, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, folgende Angaben gemacht werden:
3.86
– Rechtsform und Sitz der KG, – Registergericht und Registernummer der KG, – Firma der persönlich haftenden Gesellschafterin (also der Komplementär-GmbH). Darüber hinaus sind zur Komplementär-GmbH noch die nach § 35a GmbHG vorgeschriebenen Angaben zu machen (§ 125a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 177a Satz 2 HGB); dies sind:
3.87
– Rechtsform und Sitz der GmbH, – Registergericht und Registernummer der GmbH, – Geschäftsführer und – soweit vorhanden – Vorsitzender des Aufsichtsrats, jeweils mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen. Angaben zu den Kommanditisten sind nicht erforderlich. Beispiel: Die Angaben auf den Geschäftsbriefen der Alfred Müller GmbH & Co. KG aus Köln müssen demnach wie folgt lauten.
3.88
Rechtsform Kommanditgesellschaft; Sitz Köln; Registergericht AG Köln, HRA 1234; pers. haftende Gesellschafterin Alfred Müller Verwaltungsgesellschaft mbH; Sitz Köln; Registergericht AG Köln, HRB 4321; Geschäftsführer Alfred Müller.
Der Begriff des Geschäftsbriefs ist weit auszulegen. Durch das EHUG4 wurde im Gesetzestext ausdrücklich klargestellt, dass es auf die Form des Briefes nicht an1 2 3 4
Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 108 HGB Rz. 11. Vgl. BGH v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216 (221) = GmbHR 1974, 151. BGH v. 13.5.1974 – II ZR 167/72, BB 1974, 759. Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister v. 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553.
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3.89
§3
Gründung
kommt (§ 125a Abs. 1 Satz 1 HGB: „gleichviel welcher Form“). Geschäftsbriefe sind somit alle nicht bloß mündlich gemachten Angaben über geschäftliche Angelegenheiten nach außen. Auch eine E-Mail ist Geschäftsbrief. Die Mitteilung muss an einen bestimmten Empfänger gerichtet sein.1 Gemäß §§ 125a Abs. 1, 177a i.V.m. § 37a Abs. 2 HGB bedarf es der Angaben lediglich dann nicht, wenn es sich um Mitteilungen oder Berichte im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung handelt, die üblicherweise auf Vordrucken ergehen, in die lediglich die Angaben des Einzelfalls eingesetzt werden. Ausgenommen von dieser Erleichterung sind jedoch Bestellscheine (§§ 125a Abs. 2, 177a i.V.m. § 37a Abs. 3 HGB). 3.90
Werden die Angaben auf den Geschäftsbriefen nicht oder nicht vollständig gemacht bzw. werden die Angaben aufgrund einer Veränderung unrichtig, kann das Registergericht die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH mit einem Zwangsgeld belegen (§ 125a Abs. 2 i.V.m. § 37a Abs. 4 HGB). Im Einzelfall kann auch eine Rechtsscheinhaftung oder eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.2 b) Sitz
3.91
Sitz der GmbH & Co. KG ist der Ort, an dem sich die Geschäftsführung befindet. Entscheidend ist, wo tatsächlich die für die Kommanditgesellschaft wesentlichen Geschäftsleitungsmaßnahmen ergriffen werden; dies ist der Ort der Hauptverwaltung, also regelmäßig der Verwaltungssitz der Komplementär-GmbH.3 Die Gesellschafter können den Sitz nicht frei bestimmen; eine Unterscheidung zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz gibt es bei der KG nicht. Eine vom tatsächlichen Sitz abweichende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der KG ist ebenso unbeachtlich, wie eine vom tatsächlichen Sitz abweichende Eintragung im Handelsregister.
3.92
Die KG ist bei dem für den Ort ihres Sitzes zuständigen Registergericht zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§§ 161 Abs. 2, 106 Abs. 1 HGB, s. dazu Rz. 3.171 ff.). Anders als die GmbH kann die GmbH & Co. KG nach derzeitiger Rechtslage ihren Verwaltungssitz nicht im Ausland haben (s. Rz. 2.502 ff.).4
3.93
Nach dem Sitz der KG bestimmt sich neben dem zuständigen Registergericht insbesondere ihr allgemeiner Gerichtsstand (§ 17 Abs. 1 ZPO). c) Gegenstand des Unternehmens
3.94
Zweck der KG ist gem. § 161 Abs. 1 HGB der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma. Handelsgewerbe ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, das Unternehmen erfordert nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. Gewerbebetrieb ist jede planmäßige und auf Dauer angelegte, selbständige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit am Markt, die nicht freier Beruf, Land- oder Forstwirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Verwaltung des eigenen Ver1 2 3 4
Roth in Baumbach/Hopt, § 125a HGB Rz. 7. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 53. KG v. 16.4.2012 – 25 W 39/12, ZIP 2012, 1668. Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358. S. auch Leitzen, NZG 2009, 728–733.
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§3
GmbH & Co. KG
mögens ist.1 Die Tätigkeit muss nach außen erkennbar am Markt in Erscheinung treten und darf nicht gesetzes- oder sittenwidrig sein. Übt die Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch nicht gewerbliche Tätigkeiten aus, so richtet sich die Einordnung des Geschäftsbetriebs nach dem Gesamtbild, also danach, welche Tätigkeiten den Schwerpunkt bilden und für die Gesellschaft prägend sind.2 Damit kommt bspw. bei Ingenieursleistungen auch eine (ausschließlich oder überwiegend) gewerbliche Tätigkeit in Betracht.3 Rechtsanwälte, Patentanwälte und Ärzte üben hingegen schwerpunktmäßig einen freien Beruf aus, ihnen ist die Rechtsform der KG daher verwehrt.4 Eine Ausnahme ergibt sich jedoch aufgrund spezialgesetzlicher Regelung in § 49 Abs. 2 StBerG und § 27 Abs. 2 WPO für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, denen damit die KG als Rechtsform auch dann eröffnet ist, wenn die gewerbliche Treuhandtätigkeit nicht den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet.5
3.95
Aber auch eine Gesellschaft, deren Unternehmen keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (sog. Kleingewerbe) oder die nur die Verwaltung des eigenen Vermögens zum Gegenstand hat, kann KG sein. Eine solche Gesellschaft wird gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB allerdings erst dadurch zur KG, dass die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen wird. Bis dahin ist die Gesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB begründet lediglich eine Eintragungsoption, aber keine Eintragungspflicht.
3.96
Der Gegenstand des Unternehmens bestimmt den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis (§§ 161 Abs. 2, 116 HGB). Der Komplementär darf nach §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 1 HGB nur solche Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der KG mit sich bringt. Damit gibt der Gesellschaftszweck der GmbH & Co. KG den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH den Handlungsrahmen vor. Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, ist gem. §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB ein Beschluss sämtlicher KG-Gesellschafter erforderlich.6 Erforderlich ist dann ein einstimmiger Beschluss aller Gesellschafter; die Vorschrift ist jedoch dispositiv, so dass der Gesellschaftsvertrag Beschlussfähigkeit und -quorum abweichend regeln kann.7
3.97
Gestaltungshinweis: Je konkreter die Umschreibung des Unternehmensgegenstands im Gesellschaftsvertrag ist, desto leichter ist es, die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis zu bestimmen.
3.98
1 Hopt in Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rz. 12 ff. 2 BGH v. 18.7.2011 – AnwZ (Brfg) 18/10, GmbHR 2011, 1036 m.w.N.; Kindler in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, § 1 HGB Rz. 39. 3 OLG Zweibrücken v. 30.8.2012 – 3 W 99/12, NZG 2013, 105. 4 BGH v. 18.7.2011 – AnwZ (Brfg) 18/10, GmbHR 2011, 1036 = NZG 2011, 562, sowie BVerfG v. 6.12.2011 (1 BvR 2280/11, GmbHR 2012, 341 m. Komm. Römermann = NZG 2012, 343) zur Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG. 5 BGH v. 15.7.2014 – II ZB 2/13, ZIP 2014, 2030 = GmbHR 2014, 1194 m. Komm. Römermann; dazu Hensseler/Markworth, NZG 2015, 1 ff. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 2. 7 Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 116 HGB Rz. 9.
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§3
Gründung
d) Gesellschafter, Beiträge, Einlagen, Haftsummen 3.99
Wesensmerkmal der Kommanditgesellschaft ist, dass bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage begrenzt ist. Im Gesellschaftsvertrag der KG ist daher festzulegen, welcher Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt und welcher Gesellschafter lediglich beschränkt haftet.
3.100
Durch den Gesellschaftsvertrag der KG verpflichten sich die Gesellschafter gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 705 BGB, die Erreichung des gemeinsamen (Gesellschafts-)Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Diese Förderung erfolgt in Form der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beiträge. Es steht den Gesellschaftern frei, Art und Umfang dieser Beiträge zu bestimmen. Beiträge, die in das Gesellschaftsvermögen der KG geleistet werden und dort zu einer Mehrung der Haftungsmasse führen, werden als Einlagen bezeichnet.1 Da die Einlagen zu einer Mehrung des KG-Vermögens führen müssen, kommen als Gegenstand der Einlage nur bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) in Betracht, die in das Eigentum der Gesellschaft übertragen werden können. Dienstleistungen des Gesellschafters können zwar Gesellschafterbeitrag i.S.v. § 705 BGB sein, sind aber nicht einlagefähig.2 aa) Haftsumme und Pflichteinlage
3.101
Hinsichtlich der Einlagen der Kommanditisten ist zwischen der im Handelsregister einzutragenden Haftsumme (auch Hafteinlage genannt) und der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Pflichteinlage zu unterscheiden.
3.102
Die Haftsumme bezeichnet die Höhe des Betrages, bis zu dem der Kommanditist den Gläubigern der KG unmittelbar mit seinem gesamten Vermögen haftet, sofern er nicht eine haftungsbefreiende Einlage in das Gesellschaftsvermögen der KG geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HGB). Die Haftsumme muss immer auf einen bestimmten Geldbetrag lauten und ist zur Eintragung im Handelsregister anzumelden. Sie wird eingetragen, aber nicht bekannt gemacht (§ 162 Abs. 1 und 2 HGB). Der Gesellschaftsgläubiger, der sich Kenntnis über die Höhe der Hafteinlagen der einzelnen Kommanditisten verschaffen will, muss das Handelsregister einsehen.3
3.103
Die Pflichteinlage kennzeichnet den Geldbetrag oder sonstigen Vermögensgegenstand, den der Kommanditist gemäß Gesellschaftsvertrag (d.h. im Innenverhältnis) als Beitrag i.S.v. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 705 BGB in das Gesellschaftsvermögen zu leisten hat. Die im Außenverhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft geltende Haftsumme kann die im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern vereinbarte Pflichteinlage über- oder unterschreiten. Wird im Gesellschaftsvertrag nur die Haftsumme festgesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Kommanditist in dieser Höhe eine Geldeinlage als Pflichteinlage zu leisten hat.
1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II 3; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 706 BGB Rz. 4. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 109 HGB Rz. 6. 3 Elektronisch abrufbar unter www.handelsregister.de.
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§3
GmbH & Co. KG
Für die Aufbringung des Kommanditkapitals gelten die §§ 171, 172 HGB, die eine sehr flexible Handhabung der Kapitalaufbringung zulassen. Weder für die Gründung und Registereintragung noch für die Aufnahme und die Durchführung des Geschäftsbetriebs ist die Einzahlung des Kommanditkapitals erforderlich; nicht einmal ein Mindestbetrag ist einzuzahlen. Die einzige Sanktion, die das Gesetz an die fehlende Aufbringung des Kommanditkapitals knüpft, besteht darin, dass der Kommanditist, soweit er seine Hafteinlage noch nicht erbracht hat, den Gläubigern der Gesellschaft persönlich haftet.
3.104
Leistet der Kommanditist eine Einlage, indem er einen bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstand in das Vermögen der KG überträgt, erlischt gem. § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB insofern seine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.1 Entsprechen sich Haftsumme und Pflichteinlage, hat der Kommanditist auch im Innenverhältnis keinen weiteren Beitrag zu erbringen.
3.105
Soll die GmbH & Co. KG alle Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH halten (sog. Einheitsgesellschaft), ist zu beachten, dass die Kommanditisten ihre (Haft-)Einlage nicht haftungsbefreiend durch die Einbringung der GmbH-Anteile erbringen können (§ 172 Abs. 6 HGB) (s. hierzu Rz. 2.466).
3.106
Im Gesellschaftsvertrag kann vereinbart werden, dass die Gesellschafter insgesamt oder einzelne von ihnen überhaupt keine Vermögenswerte als Pflichteinlage in das Gesellschaftsvermögen zu leisten haben.2 Da jeder Gesellschafter den Gesellschaftszweck nur in irgendeiner Weise fördern muss, genügt jeder Beitrag im weitesten Sinne, der zur Erreichung des Gesellschaftszwecks geeignet ist. Allein die Beteiligung als Komplementär oder Kommanditist mit der Folge der (beschränkten) persönlichen Haftung kann einen ausreichenden Beitrag darstellen, wenn dadurch die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und somit der gemeinsame Zweck gefördert wird. Allerdings ist zu beachten, dass ein Kommanditist, der keine Einlage leisten muss, stets der (auf seine Haftsumme beschränkten) unmittelbaren Haftung gem. § 171 Abs. 1 HGB ausgesetzt ist.
3.107
Soweit nicht vertraglich etwas anderes vereinbart ist, ist die (Pflicht-)Einlage nach § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Eine ausstehende Geldeinlage ist gem. §§ 161 Abs. 2, 111 HGB mit 5 % p.a. zu verzinsen, ohne dass die Voraussetzungen des Verzugs vorliegen müssen.
3.108
bb) Geld- oder Sacheinlage Für die Leistung der Pflichteinlage wird vom Gesetz nicht zwischen Geld- oder Sacheinlage unterschieden. Entscheidend ist allein die tatsächliche Wertzuführung.3 Auch ein Wechsel von der Bar- zur Sacheinlage und umgekehrt ist bei der KG problemlos möglich.
1 Die unmittelbare Haftung lebt allerdings wieder auf, wenn die Einlage später wieder an ihn zurückgezahlt werden sollte (§ 172 Abs. 4 HGB), s. dazu Rz. 5.61 ff. 2 V. Falkenhausen/Schneider in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 17 Rz. 9 ff. 3 BGH v. 8.7.1995 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21 = NJW 1985, 2947.
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3.109
§3
Gründung
3.110
Gegenstand der Pflichteinlage können alle bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) sein.1 Sie müssen durch Übereignung der Sache oder Abtretung des Rechts auf die KG übertragen (= in die KG eingelegt) werden. Bilanzierungsfähig ist ein Vermögensgegenstand auch dann, wenn der KG das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO übertragen wird, so insbesondere bei einer Einbringung dem Werte nach (Einbringung quoad sortem), also wenn der Gesellschafter zwar nach außen Rechtsinhaber bleibt, der Vermögensgegenstand aber aufgrund schuldrechtlicher Abrede als Teil des Gesellschaftsvermögens behandelt wird.2 Erforderlich ist dann aber, dass die Gesellschaft aufgrund dinglicher (bspw. Nießbrauch oder Dienstbarkeit) oder schuldrechtlicher (Ausschluss der Kündigung, Befugnis zur Verwertung) Absicherung eine Rechtsposition erlangt, die ihr auf Dauer die Substanz und den Ertrag des Vermögensgegenstands sichert.3
3.111
Dienstleistungen oder einfache (ungesicherte) Gebrauchsüberlassungen des Gesellschafters an die KG stellen zwar Beitragsleistungen i.S.v. §§ 705, 706 Abs. 3 BGB, aber keinen einlagefähigen Vermögensgegenstand dar, weil sie nicht aktiviert werden können. Es findet daher auch keine Anrechnung dieser Leistungen auf die Hafteinlage des Kommanditisten statt.4 Sind die Leistungen nach § 705 BGB als Beiträge des Gesellschafters geschuldet, kann die haftungsbefreiende Einlage mangels eines Vergütungsanspruchs auch nicht durch Verrechnung von Gehalts-, Mietzins- oder Pachtzinsforderungen mit der Einlageforderung erbracht werden.
3.112
Bei Sacheinlagen muss im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, bis zu welchem Betrag sie auf die Einlageverpflichtung angerechnet werden. Im Innenverhältnis sind die Gesellschafter bei der Bewertung der Sacheinlage frei.5 Haftungsbefreiung nach § 171 HGB tritt aber immer nur bis zur Höhe des wirklichen Wertes (Zeitwertes) der Sacheinlage ein.6 Entscheidend ist hier der objektive Wert in dem Zeitpunkt, in dem die Sacheinlage in das Vermögen der Gesellschaft gelangt. Eine Überbewertung der Sacheinlage führt dazu, dass der Gesellschafter zwar im Innenverhältnis von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Pflichteinlage frei wird, er aber den Gläubigern der Gesellschaft weiter in Höhe der Differenz zwischen seiner Haftsumme und dem objektiven Wert der Sacheinlage haftet.7 Ein Sachgründungsbericht – wie bei der GmbH – ist nicht erforderlich. Allerdings trägt der Gesellschafter die Beweislast für den Wert seiner Sacheinlage, so dass es sich aus diesem Grunde empfiehlt, die Werte zu dokumentieren.
3.113
Zahlt der Kommanditist die Einlage auf ein Konto der Komplementär-GmbH ein, ist die Einlage erst erbracht, wenn das Konto später auf die GmbH & Co. KG umgeschrieben wird. Damit entfällt auch erst mit der Umschreibung die Haftung des 1 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften, S. 195 ff.; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 9. 2 Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 105 HGB Rz. 189. 3 BGH v. 6.11.1995 – II ZR 164/94, GmbHR 1996, 296 = NJW 1996, 458; Strohn in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB Rz. 54. 4 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 171 HGB Rz. 127; a.A. Roth in Baumbach/Hopt, § 109 HGB Rz. 7. 5 Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB Rz. 56. 6 Vgl. nur BGH v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319 (329); BGH v. 18.11.1976 – II ZR 129/75, WM 1977, 167; BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21. 7 K. Schmidt, ZGR 2012, 565 (575 f.).
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§3
GmbH & Co. KG
Kommanditisten, vorausgesetzt, das Konto weist im Zeitpunkt der Umschreibung einen Habensaldo in Höhe der Haftsumme aus.1 Der Kommanditist wird von seiner Haftung aber auch dann frei, wenn er Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG begleicht; die Haftungsbefreiung tritt unabhängig vom objektiven Wert der Gläubigerforderung stets zum Nominalbetrag der Gläubigerforderung ein.2 Obwohl der Kommanditist durch die Begleichung der Gläubigerforderung im Außenverhältnis von seiner Haftung frei wird, hat er durch die Zahlung an den Gläubiger seine Pflichteinlage noch nicht geleistet. Die Pflichteinlage erbringt der Kommanditist vielmehr erst, indem er mit seinem aus der Gläubigerbefriedigung resultierenden Erstattungsanspruch aus § 110 HGB gegen die Einlageforderung der GmbH & Co. KG aufrechnet.3 Aus den vorgenannten Grundsätzen ergibt sich, dass ein Kommanditist im Unterschied zum GmbH-Gesellschafter seine Einlage auch durch Zahlung auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft erbringen kann. Leistet der Kommanditist seine Einlage durch Zahlung auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft, so erlischt mit der Einzahlung die Einlageschuld, wenn die Gesellschaft – ggf. im Rahmen einer Kreditlinie – frei über den Betrag verfügen kann; wird die Valuta hingegen von der Bank dauerhaft vereinnahmt, so hat der Kommanditist mit der Zahlung eine Gesellschaftsschuld beglichen, so dass er mit seinem Erstattungsanspruch nach § 110 HGB gegen die Einlageforderung aufrechnen kann.4
3.114
Die Übertragung einer Geldforderung gegen einen Dritten stellt eine Sacheinlage dar,5 mit der Folge, dass eine vollständige Haftungsbefreiung nur bei entsprechender Werthaltigkeit der Forderung eintritt. Ähnlich ist die Rechtslage, wenn eine Geldeinlage vereinbart ist und der Kommanditist später gegenüber der Einlageforderung der KG mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung die Aufrechnung erklärt. Eine Haftungsbefreiung tritt auch dann nur in Höhe des wirklichen Wertes (Zeitwertes) der Gegenforderung ein.6 Die Forderung des Kommanditisten gegen die Gesellschaft ist nur werthaltig, wenn die GmbH & Co. KG im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung über Mittel verfügt, um nicht nur die Forderungen des Kommanditisten, sondern alle anderen gegen sie gerichteten fälligen Forderungen zu erfüllen.7 Für die Werthaltigkeit seiner Forderung ist der aufrechnende Kommanditist darlegungs- und beweispflichtig. Der Kommanditist kann sich demnach – im Gegensatz zu den sonstigen Schuldnern der KG – keinen Vorteil dadurch verschaffen, dass er in der Krise der KG Forderungen gegen die Gesellschaft mit einem erheblichen Wertabschlag (Disagio) aufkauft und anschließend gegen die Einlageforderung der KG aufrechnet. Diese Ungleichbehandlung des Kommanditisten
3.115
1 OLG Hamm v. 31.1.1995 – 7 U 92/94, GmbHR 1995, 457. 2 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21 = NJW 1985, 2947 (2948). 3 BGH v. 14.6.1984 – III ZR 110/83, NJW 1984, 2291; BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21 = NJW 1985, 2947 (2948); Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 8. 4 OLG Dresden v. 24.6.2004 – 7 W 554/04, DB 2004, 1770 = GmbHR 2004, 1156; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB Rz. 43. 5 Vgl. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 55. 6 So BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 171 HGB Rz. 143; a.A. noch BGH v. 3.3.1969 – II ZR 222/67, BGHZ 51, 391 (394 f.). Vgl. auch OLG Hamm v. 7.10.1992 – 8 U 21/92, GmbHR 1993, 817. 7 OLG Köln v. 17.12.1993 – 19 U 169/93, GmbHR 1994, 633 = OLGR Köln 1994, 98.
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§3
Gründung
gegenüber den übrigen Schuldnern der KG rechtfertigt sich aus der Verantwortung des Kommanditisten für die effektive Aufbringung des der Gesellschaft zugesagten Kommanditkapitals. Zwar steht es den Parteien frei, durch entsprechende Vereinbarungen die Aufrechnung auszuschließen, jedoch kann aus einer Formulierung im Gesellschaftsvertrag, wonach Kommanditeinlagen in voller Höhe durch Bareinzahlung an die Gesellschaft zu erbringen sind, nicht ohne weiteres auf ein Aufrechnungsverbot geschlossen werden.1 3.116
Der Kommanditist kann seine Pflicht- und Hafteinlage auch durch eine Umbuchung erbringen. Bei der Umbuchung wird die Einlage eines anderen Gesellschafters der KG auf das Konto des Kommanditisten umgebucht. Wenn der leistende Gesellschafter zur Entnahme des Betrages von seinem Gesellschafterkonto berechtigt war, erlöschen in Höhe des umgebuchten Betrages die Einlageverpflichtung und die Außenhaftung des empfangenden Kommanditisten.2 Der Umbuchung gleichzustellen ist die Fortführung der Einlage des ehemaligen Komplementärs, wenn der nunmehrige Kommanditist der KG zuvor als persönlich haftender Gesellschafter angehörte und – etwa im Zuge der Umwandlung der KG in eine GmbH & Co. KG – in die Kommanditistenstellung gewechselt ist.3
3.117
Die Haft- und Pflichteinlage des Kommanditisten kann auch durch Stehenlassen von Gewinnen erbracht werden. Voraussetzung ist aber, dass der Gewinnanteil dem Kommanditisten gutgeschrieben und nicht in die Rücklage eingestellt worden ist. Auch wird durch stehen gelassene Gewinne die Haft- und Pflichteinlage dann nicht erbracht, wenn und soweit der Gewinn zur Wiederauffüllung eines durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgeminderten Kapitalanteils verwandt werden muss.4 cc) Einlagensplitting
3.118
Als Einlagensplitting oder Finanzplankredit wird eine Konstellation bezeichnet, in der der Kommanditist der Gesellschaft als Beitrag i.S.v. §§ 705 BGB, 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB neben der Kommanditeinlage die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens verspricht. Die Darlehensauszahlung hat dann ihren Rechtsgrund nicht (nur) in dem Darlehensvertrag, sondern in der Gesellschafterstellung.5 Entscheidend für die Abgrenzung ist, ob die Darlehensmittel der Sache nach den Charakter von Eigenkapital haben sollen.6 Wenn danach das Darlehen Teil der Einlage ist, befreit erst die Darlehensauszahlung an die KG den Kommanditisten nach § 171 HGB von seiner persönlichen Haftung. Tilgungs- und Zinszahlungen der KG an den Kommanditisten können dann zum Wiederaufleben der Haftung nach
1 OLG Hamm v. 7.10.1992 – 8 U 21/92, GmbHR 1993, 817. 2 BGH v. 21.5.1973 – II ZR 22/72, BB 1973, 862; OLG Köln – 16 Wx 184/75, OLGZ 1976, 306 (308); OLG Hamburg v. 25.11.1982 – 6 U 60/82, ZIP 1983, 59 (61); Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 171 HGB Rz. 87 f. 3 Vgl. hierzu Saßenrath, Die Umwandlung von Komplementär- in Kommanditbeteiligungen, S. 31 f.; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 171 HGB Rz. 88. 4 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 57. 5 Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB Rz. 62. 6 BGH v. 14.12.1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31 (41).
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§3
GmbH & Co. KG
§ 172 Abs. 4 HGB führen.1 Im Innenverhältnis der Gesellschafter wird das Darlehen nicht auf den Kapitalanteil i.S. des § 167 Abs. 2 HGB angerechnet.2 Auch bei einer Vielzahl von Gesellschafterdarlehen oder sehr hohen Darlehensbeträgen betreibt die KG kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft.3 dd) Beitrag und Einlage der Komplementär-GmbH Die Komplementär-GmbH ist die persönlich haftende Gesellschafterin der KG. Sie kann, muss aber nicht notwendig eine Einlage in die KG leisten. Typischerweise übernimmt die Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG keine Einlage und ist am Vermögen und Ertrag der Gesellschaft nicht beteiligt. Der Beitrag der GmbH besteht dann allein in der Führung der Geschäfte der GmbH & Co. KG, ihrer Vertretung und der Übernahme der unbeschränkten persönlichen Haftung.
3.119
Eine etwaige Einlage der Komplementär-GmbH in die KG kann aus ihrem ganzen Vermögen oder einem Teil ihres Vermögens bestehen. Je nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der KG kann die Einlage in Geld oder als Sacheinlage erbracht werden. Die Komplementäreinlage wird nicht in das Handelsregister eingetragen. Hat die GmbH vor der Gründung der GmbH & Co. KG bzw. vor ihrem Eintritt in die KG bereits einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten, so kann es zweckmäßig sein, nur das Umlaufvermögen als Einlage auf (in) die GmbH & Co. KG zu übertragen (einzubringen), das Anlagevermögen aber bei der GmbH zu belassen und an die GmbH & Co. KG zu verpachten.
3.120
ee) Nachschusspflicht und gespaltene Beitragspflicht Vor der Auflösung der Gesellschaft sind die Gesellschafter einer KG nach dem gesetzlichen Leitbild des § 707 BGB zu Nachschüssen, die über die vereinbarte Pflichteinlage hinausgehen, nicht verpflichtet. § 707 BGB gilt über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB auch für die KG. Da die Erhöhung des ursprünglich vereinbarten Beitrags nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich ist, können derartige Nachschusspflichten der Gesellschafter nur mit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters beschlossen werden.4 Etwas anderes gilt allerdings, falls der Gesellschaftsvertrag eine sog. Nachschussklausel enthält, nach welcher auch eine Mehrheitsentscheidung die Gesellschafter zur Leistung von Nachschüssen verpflichten kann. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine durch Mehrheits1 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, BGHZ 104, 33 (38) = GmbHR 1988, 301. 2 Huber, ZGR 1988, 1 (21); Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB Rz. 64. 3 Die BaFin hat dies durch Merkblatt v. 11.3.2014 „Hinweise zum Einlagengeschäft“ klargestellt, nachdem die Rechtsfrage im Anschluss an BGH v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 „Winzergelder“, ZIP 2013, 966, kontrovers diskutiert worden war. 4 BGH v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, DStR 2007, 865; BGH v. 5.3.2007 – II ZR 282/05, GmbHR 2007, 535 m. Komm. Werner. Zu beachten ist allerdings, dass der Gesellschafter aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht im Ausnahmefall und unter engen Voraussetzungen verpflichtet sein kann, entweder einer Beitragserhöhung (Sanierung) zuzustimmen oder aus der Gesellschaft auszuscheiden, BGH v. 9.6.2015 – ZR II 420/13, NZG 2015, 995; BGH v. 19.10.2009 – II ZR 240/08 „Sanieren oder Ausscheiden“, GmbHR 2010, 32; ebenso OLG Stuttgart v. 11.7.2013 – 19 U 11/13, ZIP 2013, 1661 und OLG Düsseldorf v. 27.6.2014 – I-16 U 149/13, ZIP 2014, 2183.
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3.121
§3
Gründung
beschluss begründete Nachschusspflicht eine qualifizierte gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel voraus, die eindeutig ist und Ausmaß und Umfang der möglichen zusätzlichen Belastungen erkennen lässt, was insbesondere auch die Angabe einer objektiv bestimmbaren Obergrenze oder die Festlegung sonstiger Kriterien erfordert, die das Risiko einer Beitragserhöhung eingrenzen.1 Damit ist eine Klausel, die Nachschussverpflichtungen für den Fall zulässt, dass „die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht decken“ oder die Nachschusspflicht auf den „anteiligen Ausgleich von Unterdeckungen“ begrenzt, nicht ausreichend und daher unwirksam.2 3.122
Mangels einer nachträglichen Erhöhung der vertraglich vereinbarten Beiträge ist § 707 BGB nicht einschlägig, wenn der Gesellschaftsvertrag neben der eigentlichen Einlage von vornherein die Erbringung zusätzlicher künftiger Beiträge vorsieht (sog. gespaltene Beitragspflicht). Die Zulässigkeit einer solchen Aufspaltung der Beitragspflicht ist anerkannt.3 Für die Wirksamkeit einer derartigen Klausel gilt das Gleiche, wie für die Nachschussklausel.4 Die Gesellschafter müssen auch bei einer aufschiebend bedingten Beitragspflicht das Ausmaß und den Umfang der möglichen zusätzlichen Belastung bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages erkennen können. Dafür ist die Angabe einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien zur Begrenzung des Erhöhungsrisikos erforderlich.5 Ist die gesellschaftsvertragliche Regelung über die künftigen Beiträge wirksam, so ist für deren Einforderung – im Gegensatz zur Nachschussklausel – kein Gesellschafterbeschluss mehr erforderlich. Vielmehr fällt dies in die Zuständigkeit der Geschäftsführung. e) Gesellschafterkonten
3.123
§ 120 Abs. 2 HGB sieht vor, dass Gewinne und Verluste dem Kapitalanteil gutgeschrieben und belastet werden. Das Gesetz geht also von variablen Kapitalanteilen der Gesellschafter aus. Dem entsprechend nur ein einziges variables Gesellschafterkonto einzurichten hat sich allerdings aus vielfachen Gründen als unzweckmäßig erwiesen, insbesondere dann, wenn sich Stimmrechte und Gewinnanteil nach dem Kapitalanteil bemessen. Die Praxis hat daher diverse Zwei- oder Mehrkontenmodelle entwickelt (ausführlich dazu Rz. 7.83 ff.). Welches Kontenmodell für die GmbH & Co. KG gelten soll, ist im Gesellschaftsvertrag zu regeln. f) Geschäftsführung und Vertretung
3.124
Zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung der GmbH & Co. KG ist gem. §§ 161 Abs. 2, 114 ff., 125 ff. HGB die Komplementär-GmbH berufen. Sie handelt nach § 35 GmbHG durch ihre Geschäftsführung. Die Frage, ob ein Geschäftsführer 1 BGH v. 23.1.2006 – II ZR 126/04, DStR 2006, 621; BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, GmbHR 2007, 437. 2 BGH v. 23.1.2006 – II ZR 306/04, DStR 2006, 624. 3 BGH v. 3.12.2007 – II ZR 36/07, NZG 2008, 336; BGH v. 4.7.2005 – II ZR 354/03, DStR 2005, 1579. 4 Wertenbruch, DStR 2007, 1680 (1682); Wilde, NZG 2012, 215. 5 BGH v. 5.11.2007 – II ZR 230/06, DStR 2008, 112; BGH v. 3.12.2007 – II ZR 304/06, DStR 2008, 1248; BGH v. 23.1.2006 – II ZR 126/04, NZG 2006, 379.
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§3
GmbH & Co. KG
Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht hat, ist somit auf Ebene der GmbH zu regeln. Für Rechtsgeschäfte zwischen der GmbH & Co. KG und ihrer KomplementärGmbH gilt § 181 BGB. Dem Vertreter ist es danach verboten, im Namen des Vertretenen mit sich selbst (Selbstkontrahierung) oder mit sich als Vertreter eines Dritten (Mehrfachvertretung) ein Rechtsgeschäft vorzunehmen. Solche Rechtsgeschäfte – bspw. die Gewährung eines Darlehens durch die GmbH an die KG – sind daher nur dann wirksam, wenn der Vertretene (also die KG) den Vertreter (also die GmbH) von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Das Gleiche gilt für Rechtsgeschäfte zwischen der KG und dem GmbH-Geschäftsführer, so bspw. wenn der Anstellungsvertrag zwischen dem Geschäftsführer und der KG abgeschlossen werden soll.1 Auch wenn die KG in diesem Fall nur mittelbar durch den Geschäftsführer vertreten wird, ist anerkannt, dass § 181 BGB auch in diesem Fall Anwendung findet.2 Somit muss die KG neben der GmbH auch deren Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.3 Dies kann durch Gesellschafterbeschluss im Einzelfall oder durch eine generelle Befreiung durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftervertrag der GmbH & Co. KG erfolgen.4
3.125
Formulierungsbeispiel (Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG): Die Komplementärin und ihre Geschäftsführung sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
3.126
Zudem muss die GmbH ihren Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien, da dieser bei Geschäften zwischen GmbH und KG sonst dem Verbot der Mehrfachvertretung unterliegt.5
3.127
Die Kommanditisten sind nach h.M. zwar von der Geschäftsführung und organschaftlichen Vertretung der KG ausgeschlossen (§§ 164, 170 HGB),6 bei Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, haben sie allerdings ein Widerspruchsrecht (§ 164 HGB). Das Widerspruchsrecht der Kommanditisten kann gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen werden. Allerdings kann eine Beschränkung der Kommanditistenrechte die steuerliche Anerkennung ihrer Mitunternehmerstellung gefährden. Häufig wird die Befugnis der Geschäftsführung intern durch einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte eingeschränkt. Die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH darf solche Geschäfte dann nur vornehmen, wenn sie dazu zuvor die Zustimmung
3.128
1 2 3 4
So im Fall von BGH v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, GmbHR 2014, 817 m. Komm. Brötzmann. BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, NJW 1972, 623. Höpfner, NZG 2014, 1174; Sultmann, MittBayNot 2011, 1 (11 ff.). Ausführlich dazu Blasche/König, NZG 2012, 812. Die Befreiung kann in das Handelsregister der KG eingetragen werden, OLG Hamm v. 21.2.1983 – 15 W 87/82, DB 1983, 982; BayObLG v. 7.4.2000 – 3Z BR 77/00, NZG 2000, 684. 5 OLG Köln v. 22.2.1995 – 2 Wx 5/95, DB 1995, 2412. 6 BGH v. 25.5.1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, 367; OLG Frankfurt v. 26.9.2005 – 20 W 192/05, GmbHR 2006, 265; Roth in Baumbach/Hopt, § 170 HGB Rz. 1 m.w.N.; a.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 170 HGB Rz. 10 ff.; Bergmann, ZIP 2006, 2064.
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§3
Gründung
der Gesellschafterversammlung eingeholt hat. Ein solcher Katalog kann sowohl auf Ebene der Komplementär-GmbH als auch auf Ebene der KG implementiert werden. Bedeutsam wird die Wahl des Zustimmungsgremiums nur dann, wenn nicht alle Kommanditisten zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind. g) Gesellschafterversammlung 3.129
Das Gesetz enthält für die KG keine Vorschriften über die Durchführung von Gesellschafterversammlungen. Sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, können Beschlüsse formfrei und sogar durch schlüssiges Verhalten gefasst werden. Zur Streitvermeidung ist es i.d.R. sinnvoll, im Gesellschaftsvertrag Regelungen für die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und die Beschlussfassung der Gesellschafter zu treffen.1 Sinnvollerweise werden diese Bestimmungen mit den Regelungen in der Satzung der Komplementär-GmbH harmonisiert.
3.130
Regeln zur Beschlussfähigkeit schützen vor Zufallsbeschlüssen durch Gesellschafterversammlungen, in denen nur wenige Gesellschafter anwesend oder vertreten sind. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass Minderheitsgesellschafter Beschlüsse nicht dadurch verhindern können, dass sie der Gesellschafterversammlung fernbleiben.
3.131
Gestaltungshinweis: Dies wird dadurch gewährleistet, dass nach einer beschlussunfähigen Gesellschafterversammlung zu einer weiteren Gesellschafterversammlung eingeladen wird, die dann ohne Rücksicht auf die Zahl der Stimmen der anwesenden oder vertretenen Gesellschafter beschlussfähig ist.
3.132
Das Stimmrecht und das Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung stehen dem Gesellschafter grundsätzlich nur höchstpersönlich zu.2 Will man die Möglichkeit der Vertretung in der Gesellschafterversammlung eröffnen, ist dies im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Das Gleiche gilt für die Frage, ob ein Gesellschafter in Begleitung eines Beraters an der Gesellschafterversammlung teilnehmen kann.
3.133
Die Komplementär-GmbH wird in der Gesellschafterversammlung durch ihre Geschäftsführung vertreten. Sofern ein Geschäftsführer gleichzeitig Kommanditist ist, muss § 181 BGB beachtet werden, denn der Geschäftsführer nimmt an der Gesellschaftsversammlung der KG sowohl im eigenen Namen als auch als Vertreter der GmbH teil.3 Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB muss insofern allerdings durch die Gesellschafterversammlung der GmbH erfolgen.
3.134
Wenn alle Gesellschafter einverstanden sind, können Gesellschafterbeschlüsse auch außerhalb von Gesellschafterversammlungen gefasst werden. Insbesondere kommt eine schriftliche, telefonische oder telegrafische Abstimmung oder Beschlussfassung in Textform (insbesondere durch Fax oder E-Mail) in Betracht. Auch hierzu sollte der Gesellschaftsvertrag entsprechende Regeln treffen.
1 Zur Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG s. Rz. 4.127 ff. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 5. 3 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 89.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
Gestaltungshinweis: In der personengleichen GmbH & Co. KG unterscheiden die Gesellschafter unter Umständen nicht trennscharf zwischen Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen der GmbH und Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen der KG. Es empfiehlt sich daher, die Regelungen der beiden Gesellschaftsverträge so weit wie möglich anzugleichen (bspw. für Einberufung, Beschlussfähigkeit, Beschlussfassung, Mehrheitserfordernisse) und damit die Abhaltung gemeinsamer Gesellschafterversammlungen von GmbH und KG zu ermöglichen.1
3.135
h) Gesellschafterbeschlüsse Gesellschafterbeschlüsse (s. dazu auch Rz. 4.153 ff.) sind in der KG nach §§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB einstimmig zu fassen. Der Gesellschaftsvertrag kann aber auch Mehrheitsbeschlüsse zulassen. Die frühere Rechtsprechung hatte derartigen Mehrheitsklauseln Grenzen gesetzt, indem sie unter den Schlagwörtern Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre2 forderte, dass Beschlussgegenstände, für welche das Mehrheitsprinzip gelten sollte, sich mit hinreichender Bestimmtheit aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben müssten.3 Zudem sah sie einen Kernbereich mitgliedschaftlicher Grundrechte, in den durch Mehrheitsbeschluss – selbst wenn die gesellschaftsvertragliche Regelung dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen sollte – ohne die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nicht eingegriffen werden konnte.4
3.136
Die neue BGH-Rechtsprechung hat Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre ausdrücklich zugunsten einer Zwei-Stufen-Prüfung aufgegeben.5 Auf der ersten Stufe wird nunmehr ganz formell geprüft, ob der betreffende Beschlussgegenstand nach dem Gesellschaftsvertrag einstimmig oder mit Mehrheit beschlossen werden kann, also ob und inwiefern das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt wurde. Erst auf der zweiten Stufe erfolgt dann eine materielle Beschlusskontrolle, indem geprüft wird, ob die Mehrheitsentscheidung gegen die gesellschafterliche Treuepflicht verstößt oder in ein (absolut oder relativ) unentziehbares Mitgliedschaftsrecht eingreift und daher zum Schutze der Minderheit bzw. des einzelnen Gesellschafters keinen Bestand haben kann.6 Erst auf dieser zweiten Stufe geht es um den Minderheiten- oder Individualschutz.
3.137
Für die Vertragspraxis bedeutet dies, dass es nicht mehr erforderlich ist, in den Gesellschaftsvertrag einen detaillierten Katalog der Geschäfte aufzunehmen, über die
3.138
1 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 93. 2 BGH v. 15.6.1987 – II ZR 261/86, NJW 1988; 411; BGH v. 13.3.1978 – II ZR 63/77, NJW 1978, 1382. Ausführlich zu Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre Rz. 4.158 ff. 3 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, GmbHR 2007, 437. 4 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, GmbHR 2007, 437; K. Schmidt, ZGR 2008, 1 (18 f.); Holler, DB 2008, 2067 (2068); Priester, DStR 2008, 1386 (1389). 5 BGH v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, GmbHR 2013, 197; BGH v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, GmbHR 2013, 194; BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, GmbHR 2014, 1303. 6 BGH v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, GmbHR 2013, 197; BGH v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, GmbHR 2013, 194; BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, GmbHR 2007, 437; BGH v. 24.11.2008 – II ZR 116/08 „Schutzgemeinschaft II“, NZG 2009, 183 = GmbHR 2009, 306 m. Komm. Gottschalk; Schäfer, ZGR 2013, 237 ff.; Wertenbruch, NZG 2013, 641.
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§3
Gründung
mit Mehrheit zu beschließen ist. Es genügt vielmehr eine allgemeine Mehrheitsklausel, so bspw. wenn der Gesellschaftsvertrag „für alle Beschlussangelegenheiten“ die Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsieht.1 Dass der betreffende Gegenstand durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann, muss sich jedenfalls durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergeben. Nur wenn bestimmte Entscheidungen nach dem Willen der Gesellschafter einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden sollen, wäre dies ausdrücklich zu regeln; dies gilt auch für Grundlagen- oder ungewöhnliche Geschäfte.2 Im Gesellschaftsvertrag kann zudem die Zustimmung zu einem Mehrheitseingriff in ein relativ unentziehbares Recht in antizipierter Form erteilt werden;3 sie ist nicht bereits in der Zustimmung zu einer allgemeinen Mehrheitsklausel zu sehen.4 3.139
Sollen Mehrheitsbeschlüsse zulässig sein, so muss der Gesellschaftsvertrag bestimmen, welche Art von Mehrheit erforderlich ist. Dabei ist zunächst zwischen einfacher Mehrheit (50 % + eine Stimme) und qualifizierter Mehrheit (2/ 3- oder 3/4 -Mehrheit oder anderes Quorum) zu unterscheiden. Festzulegen ist ferner, ob es auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit) oder auf die in der Gesellschaft insgesamt vorhandenen Stimmen (absolute Mehrheit) ankommen soll. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine näheren Regelungen, so entscheidet im Zweifel die einfache absolute Mehrheit.5
3.140
Gestaltungshinweis: Falls dies nicht gewollt ist, sollte im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auf die „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ abgestellt werden. Ein Optimum an Rechtssicherheit und Gestaltungsökonomie wird erreicht, indem für die Frage der Mehrheiten auf das GmbH-Recht verwiesen wird („Die erforderlichen Mehrheiten bestimmen sich nach dem Recht der GmbH“).6 Zudem wäre damit ein sinnvoller Gleichlauf von KG und Komplementär-GmbH hergestellt.
3.141
Lässt der Gesellschaftsvertrag Mehrheitsbeschlüsse zu, so ist im Zweifel die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter („nach Köpfen“) zu berechnen. Der Gesellschaftsvertrag kann anordnen, dass sich abweichend davon die Anzahl der Stimmen nach dem Anteil des Gesellschafters am Festkapital bestimmt.
3.142
Im Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmt werden, dass einzelne Gesellschafter ein im Verhältnis zu ihrer Beteiligung erhöhtes Stimmrecht besitzen oder vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.7 Der Ausschluss des Stimmrechts findet allerdings dort seine Grenze, wo der Kernbereich der Rechte des Gesellschafters betroffen ist. Auch wenn derartige Gestaltungen gesellschaftsrechtlich ohne weiteres zulässig sind, ist zu beachten, dass eine nicht unerhebliche Beschränkung der Gesellschafterrechte steuerlich zur Versagung der Mitunternehmerstellung führen kann.
1 So bspw. in BGH v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, NZG 2012, 393. 2 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, GmbHR 2014, 1303. 3 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, GmbHR 2007, 437; BGH v. 5.3.2007 – II ZR 282/05, GmbHR 2007, 535 m. Komm. Werner; Schäfer, ZGR 2013, 237 (253 f.). 4 Wertenbruch, NZG 2013, 641. 5 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 23. 6 So K. Schmidt, ZGR 2008, 1 (12 f.). 7 BGH v. 14.5.1956 – II ZR 29/54, BGHZ 20, 363; BGH v. 24.5.1993 – II ZR 73/92, WM 1993, 1371 = GmbHR 1993, 591.
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§3
GmbH & Co. KG
Bei einer GmbH & Co. KG, bei der sich das Stimmrecht nach dem Anteil des Gesellschafters am Festkapital richtet, stellt sich die Frage, ob und inwiefern die am Festkapital nicht beteiligte Komplementär-GmbH dadurch vollständig vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Ein solcher Ausschluss ist zweifelhaft, sofern der Kernbereich der Rechtsstellung des Gesellschafters betroffen ist. An derartigen Abstimmungen muss sie also zumindest mit einer Stimme teilnehmen. Allein im Fall der beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG, d.h., wenn die Gesellschafter der KG gleichzeitig die Gesellschafter der GmbH sind, kann das Stimmrecht der Komplementär-GmbH vollständig ausgeschlossen werden, denn hinter der beteiligungsidentischen Komplementär-GmbH können keine Interessen stehen, die nicht bereits durch die Kommanditisten vertreten sind.1 Zu beachten ist, dass der Komplementär-GmbH auch bei vollständigem Ausschluss ihres Stimmrechts alle übrigen Gesellschafterrechte in vollem Umfang zustehen.
3.143
Gestaltungshinweis: In der beteiligungsgleichen GmbH & Co. KG ist es zulässig, die Komplementär-GmbH von der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung auszuschließen und diese als reine Kommanditistenversammlung durchzuführen.2 Eine solche Gestaltung bietet sich an, wenn man den Fremdgeschäftsführer der GmbH aus der Gesellschafterversammlung heraushalten möchte.
3.144
Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse in einer KG sind i.d.R. nichtig. Das Recht eines Gesellschafters, die Nichtigkeit im Klagewege feststellen zu lassen, ist grundsätzlich nicht verzichtbar und nicht fristgebunden. Das Klagerecht kann allenfalls verwirkt werden, wenn die Klageerhebung zu lange herausgezögert wird. Es empfiehlt sich, aus Gründen der Rechtssicherheit in den Gesellschaftsvertrag eine Frist aufzunehmen, innerhalb derer die Klage erhoben werden muss. Die Klagefrist darf die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht unterschreiten.3
3.145
i) Haftungsvergütung, Auslagenersatz Eine Komplementär-GmbH, die nach dem Gesellschaftsvertrag keine Einlage leistet, muss aus steuerlichen Gründen neben dem Ersatz ihrer Auslagen ein Entgelt für die Übernahme des Haftungsrisikos erhalten.4 Andernfalls liegt auf Ebene der GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Eine jährliche Haftungsvergütung zwischen 1 % und 5 % ihres Stammkapitals dürfte regelmäßig angemessen sein.5
3.146
Entstehen der Komplementär-GmbH im Rahmen der Geschäftsführung Auslagen und Kosten, so sind ihr diese von der KG zu erstatten. Dies gilt insbesondere für die Vergütung des GmbH-Geschäftsführers, sofern sein Anstellungsvertrag nicht unmittelbar mit der KG abgeschlossen wurde. Zu beachten ist, dass der Leistungsaus-
3.147
1 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 73/92, WM 1993, 1371 = GmbHR 1993, 591; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 90, 92; K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 21. 2 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 89. 3 BGH v. 13.2.1995 – II ZR 15/94, GmbHR 1995, 303; Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 32. 4 Zur Frage, ob es sich dabei um eine umsatzsteuerbare Leistung handelt, s. Rz. 6.776. S. hierzu auch BFH v. 3.3.2011 – V R 24/10, BStBl. II 2011, 950 = GmbHR 2011, 610 sowie BMF v. 14.11.2011 – IV D 2 - S 7100/7/10028:003. 5 Götze in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 GesellschaftsR, III 7 Anm. 9.
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§3
Gründung
tausch zwischen der Komplementär-GmbH und der KG der Umsatzsteuer unterliegt (s. Rz. 6.770 ff.). j) Geschäftsjahr, Jahresabschluss 3.148
Die KG ist Kaufmann. Sie kann daher ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr haben. Die Gesellschafter sind frei, dies bereits bei der Gründung so festzulegen. Eine nachträgliche Umstellung vom Kalenderjahr auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr ist hingegen nur mit dem Einverständnis des Finanzamts zulässig (§§ 4a Abs. 1 Satz Nr. 2 Satz 2 EStG, 8b Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStDV).
3.149
Bei einer GmbH & Co. KG, bei der nur eine GmbH persönlich haftender Gesellschafter ist, finden gem. § 264a HGB auf den Jahresabschluss die Vorschriften Anwendung, die für Kapitalgesellschaften gelten. Die GmbH & Co. KG hat daher einen Jahresabschluss mit Anhang aufzustellen und darüber hinaus grundsätzlich einen Lagebericht vorzulegen. Der Jahresabschluss ist innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres aufzustellen (§§ 264 Abs. 1 Satz 2, 264a Abs. 1 HGB); die Frist verlängert sich für kleine Gesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) auf sechs Monate. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist Angelegenheit der Komplementär-GmbH. Seine Feststellung fällt hingegen in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung1 der KG und wird regelmäßig von einer allgemeinen Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt.2 k) Ergebnisverteilung, Entnahmen
3.150
Nach dem Gesetz werden in einer KG aus einem Gewinn zunächst die Kapitalanteile mit je 4 % verzinst, dann wird der darüber hinausgehende Gewinn in einem „angemessenen Verhältnis“ verteilt (§ 168 HGB). Diese Regelung ist nicht praxistauglich und wird daher regelmäßig abbedungen. Die Verwendung des Jahressüberschusses kann vollständig oder teilweise im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, indem dort bspw. festgelegt wird, dass ein bestimmter Prozentsatz des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt und der Rest als (sofort) entnahmefähiger Gewinn den Gesellschafter-Verrechnungskonten (Privatkonten) gutgeschrieben wird. Einer gesonderten Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung bedarf es dann nicht mehr. Der Gesellschaftsvertrag kann die Entscheidung über die Verwendung des Jahresüberschusses aber auch vollständig der Gesellschafterversammlung überlassen. Zum Schutz des Entnahmeinteresses der Minderheitsgesellschafter kann dort vorgesehen werden, dass eine Thesaurierung des Gewinns oder von Teilen des Gewinns nur einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann; soll bereits ein einfacher Mehrheitsbeschluss ausreichen, so ist jedenfalls eine gesellschaftsvertragliche Regelung erforderlich, die Ausmaß und Grenzen der Mehrheitsmacht festlegt.3 1 BGH v. 13.2.1980 – II ZR 88/79, BGHZ 76, 339. 2 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, BGHZ 170, 283 = GmbHR 2007, 437 unter Aufgabe der bis dahin gegenteiligen Auffassung. 3 A.A. Priester, DStR 2007, 28 (31) nach dessen Auffassung auch für die Ergebnisverteilung eine einfache Mehrheitsklausel genügt. S. dazu auch Wahlers/Orlikowski-Wolf, ZIP 2012, 1161 ff.
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§3
GmbH & Co. KG
Gestaltungshinweis: Die gesetzlichen Regelungen in §§ 122, 169 HGB sind antiquiert und sollten daher abbedungen werden. Dabei gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Entnahmerecht vertraglich zu regeln. Typisch ist eine Regelung, die die freie Entnahme eines bestimmten Prozentsatzes des auf den Gesellschafter entfallenden Gewinns zulässt. Das Entnahmerecht kann auch einen durch Gesellschafterbeschluss festgelegten monatlichen Fixbetrag vorsehen. Welche Entnahmeklausel im Einzelfall zweckmäßig und sachgerecht ist, hängt von den Umständen ab. Dabei ist insbesondere entscheidend, ob und in welcher Höhe die Gesellschafter ihren Lebensunterhalt aus den Erträgen bestreiten.
3.151
Berücksichtigt werden muss stets, dass dem Gesellschafter der auf ihn entfallende Gewinnanteil auch dann steuerlich zugeflossen ist, wenn er ihn nach der Beschlussfassung der Gesellschafter oder dem Gesellschaftsvertrag nicht entnehmen darf. Es ist streitig, ob den Kommanditisten ohne eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ein Entnahmerecht für Steuerzahlungen zusteht. Teilweise wird das Steuerentnahmerecht aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht hergeleitet.1 Dem wird entgegengehalten, dass das Gesetz kein Steuerentnahmerecht neben dem Anspruch aus § 122 HGB kenne und die Zubilligung eines solchen Anspruchs damit einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag bedürfe.2 Aus diesem Grunde muss zumindest ein Steuerentnahmerecht im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein.
3.152
l) Verfügung über Gesellschaftsanteile Gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 719 Abs. 1 BGB sind Verfügungen über einen Gesellschaftsanteil an einer Kommanditgesellschaft oder über Teile davon nur zulässig, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft ist also per se vinkuliert. Ist im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, muss die Zustimmung in jedem Einzelfall eingeholt werden. Der Gesellschaftsvertrag kann aber auch in antizipierter Form Übertragungen und sonstige Verfügungen für bestimmte Fälle (bspw. Übertragung auf Abkömmlinge oder Mitgesellschafter) oder generell ohne gesonderte Zustimmung zulassen. Ist eine Zustimmung im Einzelfall gewollt, sollte im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, mit welcher Mehrheit die Entscheidung zu treffen ist, und ob der betroffene Gesellschafter stimmberechtigt ist.
3.153
Zur Wahrung der Beteiligungsgleichheit bei GmbH und GmbH & Co. KG kann die Befugnis zur Verfügung über den Kommanditanteil an die Bedingung geknüpft werden, dass gleichzeitig eine gleich hohe Beteiligung an der Komplementär-GmbH auf den Erwerber übertragen wird. Eine solche Klausel ist allerdings gem. § 15 Abs. 4 GmbHG formbedürftig, d.h., der Gesellschaftsvertrag der KG muss notariell beurkundet werden.
3.154
1 OLG München v. 30.6.1993 – 7 U 6765/92, DB 1994, 1465 (1466); Ganßmüller, Das Steuerentnahmerecht der Gesellschafter der oHG und KG, S. 38 ff.; Großfeld, NJW 1986, 955 (958); Roth in Baumbach/Hopt, § 120 HGB Rz. 17; Priester in FS Quack, 1991, S. 394; Buck, DB 1995, 35. 2 Goerdeler in FS Werner, 1984, S. 153, 162; sowie BGH v. 26.3.1990 – II ZR 123/89, ZIP 1990, 1327 (1328) und BGH v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, GmbHR 1996, 456.
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§3 3.155
Gründung
Zusätzlich oder alternativ zum Zustimmungsvorbehalt kann im Gesellschaftsvertrag ein Vorkaufsrecht der Mitgesellschafter vorgesehen werden, falls ein Gesellschafter beabsichtigt, seinen Gesellschaftsanteil zu veräußern. Mit dem Vorkaufsrecht haben es die übrigen Gesellschafter selbst in der Hand, die Aufnahme eines neuen Gesellschafters oder eine Quotenverschiebung zu verhindern. Denkbar ist auch eine Anbietungspflicht (Andienungspflicht) des veräußerungswilligen Gesellschafters. m) Vererbung von Gesellschaftsanteilen
3.156
Gem. § 177 HGB wird die KG beim Tod eines Kommanditisten mit seinen Erben fortgesetzt, es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist etwas anderes bestimmt. Die gesellschaftsvertragliche Praxis unterscheidet insofern zwischen der Fortsetzungsklausel, der allgemeinen Nachfolgeklausel (gesetzlicher Regelfall nach § 177 HGB), der qualifizierten Nachfolgeklausel und der Eintrittsklausel (s. dazu Rz. 8.177 ff.). Insbesondere kann die Vererblichkeit des Kommanditanteils durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ausgeschlossen oder an bestimmte persönliche Eigenschaften des Erben oder Vermächtnisnehmers geknüpft werden. Nur soweit der Gesellschaftsanteil gesellschaftsrechtlich vererblich gestellt ist, kommt eine Rechtsnachfolge von Todes wegen in den Gesellschaftsanteil überhaupt in Betracht. Das Gesellschaftsrecht hat insofern Vorrang vor dem Erbrecht.
3.157
Im Fall der GmbH & Co. KG ist zu berücksichtigen, dass für die Rechtsnachfolge von Todes wegen in den Kommanditanteil und in den Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH unterschiedliche gesetzliche Regelungskonzepte bestehen. Die Vererblichkeit des GmbH-Geschäftsanteils kann – anders als bei der KG – in der Satzung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Zudem tritt – anders als bei der KG – bei mehreren Erben hinsichtlich des GmbH-Geschäftsanteils keine Einzel- bzw. Sonderrechtsnachfolge ein, sondern der Geschäftsanteil fällt ungeteilt in das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft. Sollen am Ende GmbH- und KG-Anteil an dieselben Personen gelangen, ist eine sorgfältige Abstimmung beider Gesellschaftsverträge untereinander und der Gesellschaftsverträge mit den testamentarischen Regelungen erforderlich (s. dazu Rz. 8.189).
3.158
Die Anordnung der Testamentsvollstreckung kann sowohl den Interessen der Erben als auch den Interessen der verbleibenden Gesellschafter entsprechen. Allerdings kommt die Ausübung von Testamentsvollstreckerrechten bei einem Kommanditanteil nur in Betracht, wenn alle Gesellschafter zustimmen.1
3.159
Gestaltungshinweis: Die Zustimmung zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch einen Testamentsvollstrecker sollte bereits im Gesellschaftsvertrag erklärt werden. n) Ausscheiden und Ausschluss eines Gesellschafters
3.160
Gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 HGB scheidet ein Gesellschafter im Falle seines Todes, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, bei eigener Kündigung und bei Kündigung seines Anteils durch einen Privatgläubiger kraft Gesetzes aus 1 BGH v. 3.7.1989 – II ZR 1/89, NJW 1989, 3152.
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§3
GmbH & Co. KG
der Gesellschaft aus. Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB können im Gesellschaftsvertrag weitere Gründe vorgesehen werden, welche zu einem Ausscheiden des Gesellschafters führen. Schließlich kann das Ausscheiden gem. § 131 Abs. 3 Nr. 6 HGB durch Beschluss der Gesellschafter (Ausschluss) herbeigeführt werden. Der betreffende Gesellschafter hat in diesem Fall kein Stimmrecht. Möglich ist es sogar, das Recht zum Ausschluss eines Mitgesellschafters einem bestimmten Gesellschafter oder bestimmten Gesellschaftern zuzuweisen.1 Für den Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss ist grundsätzlich ein sachlicher Grund erforderlich.2 Soll der Ausschluss eines Gesellschafters ohne sachlichen Grund möglich sein (sog. Hinauskündigung), so bedarf dies einer ausdrücklichen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag. Zudem ist die Hinauskündigung nur ausnahmsweise aus besonderen Umständen des Einzelfalls zulässig.3 Bei Vorliegen eines Ausscheidenstatbestands scheidet der Gesellschafter ohne weiteren Übertragungsakt aus der KG aus. Sein Gesellschaftsanteil wächst den übrigen Gesellschaftern an. Es gelten die §§ 738-740 BGB. Daher hat der ausgeschiedene Gesellschafter grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seines Gesellschaftsanteils. Der Gesellschaftsvertrag kann im Interesse der verbleibenden Gesellschafter und der Gesellschaft eine davon abweichende Regelung zur Ermittlung und Höhe der Abfindung festlegen. Zum Ausscheiden und Ausschluss eines Gesellschafters s. auch Rz. 8.163 ff. Gestaltungshinweis: Bei einer GmbH & Co. KG ist für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der KG an eine parallele Regelung in der GmbH-Satzung zu denken.
3.161
o) Kündigung Ist eine KG für unbestimmte Zeit eingegangen, kann die Gesellschaft nach §§ 161 Abs. 2, 132 HGB mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres formlos gekündigt werden. In der Praxis wird diese Regelung regelmäßig abbedungen, indem zum einen eine längere Kündigungsfrist bestimmt und zum anderen die Kündigung vor einem gewissen Zeitpunkt ausgeschlossen wird. Zudem wird i.d.R. festgelegt, dass die Kündigung schriftlich bzw. durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen hat.
3.162
Ein vollständiger Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist hingegen nicht zulässig (§ 723 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB). Nicht ausgeschlossen werden kann zudem das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund.
3.163
Nach §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB hat die ordentliche Kündigung zur Folge, dass der kündigende Gesellschafter mit Ablauf der Kündigungsfrist aus der Gesellschaft ausscheidet und die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fort-
3.164
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 140 HGB Rz. 30. 2 BGH v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, GmbHR 1989, 117; BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, NJW 1990, 2622; Gehrlein, NJW 2005, 1969. 3 BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, DStR 2004, 826; BGH v. 14.3.2005 – II ZR 153/03, GmbHR 2005, 620 m. Komm. Werner; BGH v. 19.9.2005 – II ZR 173/05, DStR 2005, 1913; BGH v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, DStR 2007, 1216; Roth in Baumbach/Hopt, § 140 HGB Rz. 31; Sosnitza, DStR 2006, 99; Verse, DStR 2007, 1822.
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§3
Gründung
gesetzt wird. Da dies gesetzlich geregelt ist, hat eine sog. Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag nur deklaratorischen Charakter. p) Abfindung 3.165
Von Gesetzes wegen ist für den aus einer KG ausscheidenden Gesellschafter eine Abfindung zum Verkehrswert vorgesehen (§ 738 BGB). Wegen der Höhe der Abfindung besteht jedoch Vertragsfreiheit. Grundsätzlich sind daher Klauseln zulässig, die eine Abfindung unterhalb des Verkehrswerts vorsehen. Dies gilt auch für die sog. Buchwertklausel, die eine Ermittlung der Abfindung allein nach den bilanziellen Werten (insbesondere ohne stille Reserven, Firmenwert und laufende Geschäfte) vorsieht (s. hierzu ausführlich Rz. 8.280 ff.).
3.166
Im Interesse des Fortbestands der Gesellschaft und zur Schonung der Liquidität des Unternehmens wird die Höhe der Abfindung in Gesellschaftsverträgen vielfach beschränkt. Zudem werden Regelungen zur Ermittlung und Fälligkeit der Abfindung getroffen. Allerdings ist eine Abfindungsregelung, durch die das Kündigungsrecht eines Gesellschafters unverhältnismäßig eingeschränkt wird, gem. § 723 Abs. 3 BGB nichtig. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen der gesellschaftsvertraglichen Abfindung, bspw. zum Buchwert der Beteiligung, und dem Verkehrswert des Anteils bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein grobes Missverhältnis besteht.1 Entsteht dieses grobe Missverhältnis erst im Laufe der Zeit, so ist die Abfindungsregelung zwar nicht nichtig, sie ist nach der Rechtsprechung des BGH jedoch dahingehend auszulegen, dass eine Erhöhung der vertraglichen Abfindung „in Richtung auf den Verkehrswert“ zu erfolgen hat.2
3.167
Gestaltungshinweis: Vertragliche Regelungen, die lediglich eine Abfindung zum Buchwert vorsehen, bergen gegebenenfalls das Risiko langwieriger Abfindungsstreitigkeiten. Streitanfällig ist zudem die Frage, wie der Unternehmenswert zutreffend zu berechnen ist. Dem sollte durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen Rechnung getragen werden.3 Wird dabei eine Abfindungsregelung getroffen, nach der die an den ausscheidenden Gesellschafter bzw. seine Erben zu zahlende Abfindung unter dem Verkehrswert des Anteils liegt, so führt die bei den verbleibenden Gesellschaftern eintretende Anwachsung regelmäßig zu einer steuerpflichtigen Bereicherung.4 q) Wettbewerbsverbot
3.168
Kommanditisten unterliegen grundsätzlich keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 165 HGB). Etwas anderes kann gelten, wenn der Kommanditist eine Stellung in der Komplementär-GmbH und in der KG einnimmt, durch die er wie ein Komplementär bestimmenden Einfluss auf die Geschicke der KG nehmen kann.5 Dies 1 BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = GmbHR 1992, 257. 2 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, GmbHR 1993, 505; BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, NJW 1993, 3193. 3 Ausführlich zur Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters Rz. 8.245 ff. 4 Casper/Altgen, DStR 2008, 2319; Götzenberger, BB 2009, 131. 5 BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, GmbHR 1984, 203; OLG Frankfurt v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, GmbHR 2009, 884–886 m. Komm. Werner.
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Lüke
§3
GmbH & Co. KG
kann bereits dann der Fall sein, wenn der Kommanditist zugleich Alleingeschäftsführer der Komplementär-GmbH ist,1 und ist jedenfalls dann gegeben, wenn er gesellschaftsrechtlich beherrschenden Einfluss auf die Komplementär-GmbH hat.2 Ist eine Wettbewerbsbeschränkung auch für die Kommanditisten gewollt, so sollte diese explizit im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Die Beschränkung muss in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht präzise formuliert sein und darf das notwendige Maß nicht überschreiten. Eine Karenzentschädigung ist nicht erforderlich.3 Zu beachten ist jedoch, dass eine den Wettbewerb beschränkende Abrede nicht gegen § 1 GWB verstoßen darf.4
3.169
r) Weitere Regelungen Je nach den Umständen des Einzelfalls sollte der Gesellschaftsvertrag weitere Regelungen enthalten. Sinnvoll können bspw. eine Gewerbesteuerklausel,5 Regelungen zum ehelichen Güterstand der Gesellschafter sowie die Vereinbarung eines Schiedsgerichts sein.
3.170
4. Handelsregisteranmeldung und -eintragung Die neu gegründete GmbH & Co. KG ist gem. §§ 162, 106 HGB zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung erfolgt bei dem Gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Entscheidend ist dabei der Verwaltungsund nicht der Satzungssitz. Es kommt also auf den Ort an, von dem aus tatsächlich die Geschäfte der Gesellschaft geleitet werden. Dieser Ort darf nach derzeitiger Rechtslage nicht im Ausland liegen (s. dazu Rz. 2.502 ff.). Gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB muss die Anmeldung den Namen, Vornamen, das Geburtsdatum und den Wohnort jedes Gesellschafters nennen.6 Ist ein Gesellschafter eine juristische Person – bei der GmbH & Co. KG also jedenfalls die Komplementär-GmbH –, so ist deren Firma, Sitz und Anschrift anzugeben. Der Handelsregisteranmeldung der KG vor Eintragung der Komplementär-GmbH im Handelsregister steht nichts entgegen.7 Ist eine GbR Kommanditist, so sind gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB auch deren Gesellschafter mit den Angaben nach § 106 Abs. 2 HGB und jede spätere Änderung im Gesellschafterbestand der GbR zum Handelsregister anzumelden. In der Anmeldung ist weiterhin anzugeben, welche Hafteinlage (Haftsumme) ein jeder Kommanditist übernommen hat.
1 OLG Köln v. 10.1.2008 – 18 U 1/07, GmbHR 2008, 1103. 2 BGH v. 4.12.2001 – X ZR 157/99, NJW 2002, 1046; OLG Koblenz v. 20.12.2007 – 6 U 1161/07, NZG 2007, 423. 3 Ausführlich zum Wettbewerbsverbot s. Rz. 4.297 ff. S. auch Weller, ZHR 175 (2011), 110 (125). 4 OLG Frankfurt v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, GmbHR 2009, 884–886 m. Komm. Werner. 5 S. dazu Levedag, GmbHR 2009, 13 (mit Musterformulierung). 6 Die Angabe des Berufs ist seit dem HRefG nicht mehr erforderlich. 7 BGH v. 12.11.1984 – II ZR 2/84, WM 1985, 165; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 57.
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3.171
§3 3.172
Gründung
Die Anmeldung hat die Firma und den Sitz der KG zu nennen sowie die inländische Geschäftsanschrift1 (§§ 162, 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Gemäß §§ 162, 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB2 muss die Vertretungsmacht der Organe der KG zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die alte Regelung, wonach nur eine von der gesetzlichen Vertretungsregel abweichende Regelung in das Handelsregister eingetragen werden musste, wurde gestrichen. Nunmehr muss also auch der gesetzliche Regelfall (Vertretung der KG durch ihre Komplementär-GmbH) angemeldet und in das Handelsregister eingetragen werden. Die Anmeldung ist gem. § 12 Abs. 1 HGB in öffentlich beglaubigter Form (§ 129 BGB, § 40 BeurkG) einzureichen. Die Einreichung erfolgt seit dem EHUG3 auf elektronischem Wege (§ 12 Abs. 2 Satz 1 HGB).
3.173
Die Handelsregisteranmeldung ist durch alle Gesellschafter zu bewirken, d.h. auch durch die Kommanditisten (§§ 108, 161 Abs. 2 HGB). Die Anmeldung durch einen Stellvertreter ist zulässig. Die Vollmacht bedarf jedoch der öffentlichen Beglaubigung (§ 12 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Anmeldevollmacht kann – was sich insbesondere bei Gesellschaften mit großem und häufigen Veränderungen unterliegendem Gesellschafterkreis anbietet – auch im Gesellschaftsvertrag enthalten sein, sofern dieser dem Formerfordernis des § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB genügt.4
3.174
Die Handelsregistereintragung erfolgt nur auf Anmeldung, nicht von Amts wegen. Da jedoch Anmeldepflicht besteht, kann das Gericht die Anmeldung gem. § 14 HGB erzwingen. Eingetragen werden alle anmeldepflichtigen Tatsachen. Die Eintragung wird sodann gem. § 10 HGB durch das Gericht bekannt gemacht. Bekannt gemacht werden alle eingetragenen Tatsachen, nur zu den Kommanditisten werden in der Bekanntmachung keine Angaben gemacht, insbesondere wird ihr Name und der Betrag ihrer Haftsummen nicht bekannt gemacht (§ 162 Abs. 2 HGB). Die Bekanntmachung erfolgt in dem von der jeweiligen Landesjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem (www.handelsregisterbekanntmachungen.de und www.handelsregister.de).
5. Entstehen der GmbH & Co. KG a) Außenverhältnis 3.175
Hinsichtlich der Entstehung der GmbH & Co. KG im Außenverhältnis ist danach zu unterscheiden, ob das Handelsgewerbe, welches die Gesellschaft betreibt, bereits kraft Gesetzes besteht (§ 1 Abs. 2 HGB) oder ob die Tätigkeit erst mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister zum Handelsgewerbe wird (§§ 2, 3 und 105 Abs. 2 HGB).
1 Die Verpflichtung, eine inländische Geschäftsanschrift anzugeben, wurde im Zuge des MoMiG in § 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB eingefügt. 2 Eingefügt mit Wirkung zum 11.12.2001 durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation v. 10.12.2001, BGBl. I 2001, 3422. 3 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister v. 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553. 4 OLG Schleswig v. 4.6.2003 – 2 W 50/03, DB 2003, 1502; Bandehzadeh, DB 2003, 1663.
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§3
GmbH & Co. KG
Beginnt die GmbH & Co. KG ihre Tätigkeit mit Zustimmung aller Gesellschafter schon vor ihrer Eintragung im Handelsregister und ist diese Tätigkeit gem. § 1 Abs. 2 HGB als Handelsgewerbe zu qualifizieren, so entsteht die GmbH & Co. KG im Außenverhältnis bereits mit Aufnahme ihrer Tätigkeit (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 123 Abs. 2 HGB); die anschließende Handelsregistereintragung ist in diesem Fall nur deklaratorisch.1 Für eine Aufnahme der Tätigkeit reicht es bereits aus, wenn die Gesellschaft vorbereitende Handlungen, wie bspw. die Eröffnung eines Bankkontos, vornimmt, falls zu erwarten ist, dass der Geschäftsbetrieb in Kürze aufgenommen wird.2
3.176
Wird die Tätigkeit der Gesellschaft hingegen erst durch die Handelsregistereintragung zum Handelsgewerbe, weil das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (§§ 2, 3 HGB) oder weil die Gesellschaft ausschließlich eigenes Vermögen verwaltet (§ 105 Abs. 2 HGB), so entsteht die KG im Außenverhältnis erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister (auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung kommt es nicht an);3 bis dahin ist sie GbR.4
3.177
b) Innenverhältnis Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander entsteht die GmbH & Co. KG zu dem Zeitpunkt, den der Gesellschaftsvertrag dafür bestimmt.5 In der Regel ist dies der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aber auch Bedingung oder Befristung sind möglich. Für die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Innenverhältnis der Gesellschafter bedarf es weder der Eintragung im Handelsregister noch der Geschäftsaufnahme.
3.178
Beginnt die Gesellschaft im Innenverhältnis, obwohl sie im Außenverhältnis noch nicht als GmbH & Co. KG entstanden ist, so gilt im Innenverhältnis dennoch KGRecht.6
3.179
6. Fehlerhafte Gesellschaft Bei der Gründung einer Gesellschaft können diverse Gründe dazu führen, dass der Gesellschaftsvertrag nichtig, anfechtbar oder unwirksam ist. Ist eine Gesellschaft jedoch erst einmal in Vollzug gesetzt, so ist eine Rückabwicklung regelmäßig nicht mehr möglich. Es gilt daher sowohl im Interesse der Gesellschafter als auch im Interesse des Rechtsverkehrs, das Vertrauen in die bestehende Gesellschaft zu schützen.7 Zu diesem Zweck wird die Gesellschaft auf fehlerhafter Vertragsgrundlage, sobald sie in Vollzug gesetzt ist, mit einer ordnungsgemäß gegründeten Gesell1 2 3 4
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 III 3b). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, NZG 2004, 663. Roth in Baumbach/Hopt, § 123 HGB Rz. 5. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 III 3. S. auch BFH v. 4.2.2009 – II R 41/07, BStBl. II 2009, 1225 = GmbHR 2009, 839. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 123 HGB Rz. 16. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 123 HGB Rz. 18. 7 BGH v. 29.6.1970 – II ZR 158/69, BGHZ 55, 5 (8); BGH v. 10.12.1973 – II ZR 53/72, BGHZ 62, 20 (26 f.).
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3.180
§3
Gründung
schaft gleichgestellt; es kommt statt einer Rückabwicklung nur eine Auflösung oder ein Ausscheiden für die Zukunft in Betracht (sog. Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft).1 3.181
Tatbestandliche Voraussetzung der fehlerhaften Gesellschaft ist zunächst einmal der Abschluss eines – wenn auch fehlerhaften – Gesellschaftsvertrages. Fehlt es bereits an einem Vertragsschluss, so kann allenfalls eine Scheingesellschaft vorliegen.2 Die Gesellschaft ist fehlerhaft, wenn der Gesellschaftsvertrag mit einem Mangel behaftet ist, der nach allgemeinem bürgerlichen Recht den Vertrag insgesamt zu Fall bringen könnte.3 Unbedeutend ist, auf welchem Umstand der Mangel beruht. Dies kann beispielsweise §§ 134, 138 BGB, ein Dissens, eine Anfechtung, ein Formmangel oder die Nichtbeachtung der für die Beteiligung von Minderjährigen anwendbaren Schutzvorschriften sein.4 Die bloße Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln berührt die Gesellschaft als solche hingegen nicht; in einem solchen Fall ist vielmehr auf eine salvatorische Klausel, die ergänzende Vertragsauslegung oder das Gesetzesrecht zurückzugreifen.5 Fehlerhaft ist der Gesellschaftsvertrag auch dann nicht mehr, wenn die anfänglichen Mängel geheilt wurden, bspw. nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB oder durch Genehmigung.
3.182
Die Anerkennung der Gesellschaft trotz des Mangels setzt weiterhin voraus, dass die Gesellschaft in Vollzug gesetzt worden ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die GmbH & Co. KG in das Handelsregister eingetragen wurde.6 Nach h.A. reicht es für die Invollzugsetzung einer Gesellschaft aber auch aus, wenn sie im Einverständnis der Gesellschafter im Rechtsverkehr in Erscheinung getreten ist7 oder Gesamthandsvermögen, etwa durch die Erbringung von Einlagen, gebildet wurde.8 Schließlich reicht auch die Ausübung gesellschaftsvertraglicher Rechte durch einen oder mehrere Gesellschafter aus, um die Gesellschaft in Vollzug zu setzen.9
3.183
Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist die Gesellschaft mit ihrer Invollzugsetzung im Innen- wie im Außenverhältnis als wirksam anzusehen.10 Das 1 RG v. 16.5.1904 – I 153/03, RGZ 57, 292 (297); BGH v. 24.10.1951 – II ZR 18/51, BGHZ 3, 285; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 I 1a). 2 Zur Scheingesellschaft K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 258. S. auch BGH v. 13.9.2011 – VI ZR 229/09, NZG 2011, 1225. 3 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 235. 4 Gehrlein, WM 2005, 1489; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 328. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Vertragsschluss gem. § 355 i.V.m. § 312 BGB (ehemals § 3 HWiG) widerrufen wurde (a.A. noch OLG Köln v. 14.6.2007 – 18 U 117/05, ZIP 2007, 2212). Der EuGH hat dies auf Vorlage des BGH (BGH v. 5.5.2008 – II ZR 292/06, NZG 2008, 460) ausdrücklich klar gestellt, s. EuGH v. 15.4.2010 – Rs. C-215/08, ZIP 2010, 772 und im Folgenden BGH v. 12.7.2010 – II ZR 292/06, NZG 2010, 990. 5 BGH v. 16.11.1981 – II ZR 213/80, NJW 1982, 877 (879). 6 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 236. 7 Gehrlein, WM 2005, 1489; Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 331. 8 BGH v. 12.5.1954 – II ZR 167/53, BGHZ 13, 320 (321); BGH v. 29.11.2004 – II ZR 6/03, DB 2005, 332. 9 BGH v. 10.4.1978 – II ZR 61/77, NJW 1978, 2505. 10 BGH v. 12.5.1954 – II ZR 167/53, BGHZ 13, 320; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 III 2; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 232.
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§3
GmbH & Co. KG
bedeutet insbesondere, dass die gefassten Gesellschafterbeschlüsse und sonstigen Organisationsmaßnahmen wirksam sind, die vertraglich festgelegten Beiträge von den Gesellschaftern erbracht werden müssen und die Gesellschaft im Rechtsverkehr Rechte und Pflichten erwerben kann. Guter Glaube an eine fehlerfreie Gesellschaft ist weder bei den Gesellschaftern noch bei denjenigen, die mit der Gesellschaft in geschäftlichen Kontakt treten, erforderlich.1 Die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages stellt einen wichtigen Grund i.S.v. §§ 133, 140 HGB dar.2 Jeder Gesellschafter kann unter Berufung auf den wichtigen Grund die Auflösung der Gesellschaft verlangen. Auf die ansonsten maßgebliche Frage, ob dem Betroffenen die Aufrechterhaltung seiner Beteiligung zugemutet werden kann, kommt es nicht an. Betrifft die Fehlerhaftigkeit nur einen Gesellschafter, so kommt statt der Auflösung auch sein Ausscheiden aus der Gesellschaft in Betracht. In jedem Fall kann die Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden; eine Rückabwicklung ex tunc kommt nicht in Betracht. Die Geltendmachung erfolgt grundsätzlich durch Klage gem. §§ 133, 140 HGB; eine Kündigung in Form der Auflösungs-, Austritts- oder Hinauskündigung kommt nur in Betracht, wenn dies durch den Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Die Rechtsprechung hat ein Kündigungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zudem bejaht, wenn dem Gesellschafter ein Zuwarten bis zur Rechtskraft eines Urteils nicht zuzumuten ist.3 Die Abwicklung der fehlerhaften Gesellschaft richtet sich nicht nach Bereicherungsrecht; das Gesellschaftsverhältnis wird nicht rückabgewickelt, sondern auseinandergesetzt. Es gelten die gesellschaftsvertraglichen bzw. gesetzlichen Liquidations- oder Abfindungsvorschriften.4 Damit nimmt der fehlerhaft beigetretene Gesellschafter grundsätzlich auch an einem zwischenzeitlichen Gewinn oder Verlust teil und erhält ein Abfindungsguthaben, dass sich nach einer auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz bestimmt.
3.184
Die Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft findet keine Anwendung, wenn der Anerkennung der Gesellschaft höherrangige Interessen einzelner oder der Allgemeinheit entgegenstehen. Dies gilt für den Fall, dass sich ein nicht voll Geschäftsfähiger an der Gesellschaft beteiligt und der gesetzliche Vertreter den Vertragsschluss nicht genehmigt5 oder wenn der Gesellschaftszweck gegen die guten Sitten oder ein Gesetz verstößt.6
3.185
Ebenso wie bei der Gründung kann es auch beim Ein- und Austritt von Gesellschaftern, bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder bei späteren Änderungen
3.186
1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 244. 2 RGZ 165, 193 (206); BGH v. 9.2.1976 – II ZR 65/75, NJW 1976, 894; Roth in Baumbach/ Hopt, § 105 HGB Rz. 88. 3 BGH v. 30.3.1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961; zustimmend bspw. Roth in Baumbach/ Hopt, § 105 HGB Rz. 88. 4 BGH v. 14.6.2004 – II ZR 395/01, NJW 2004, 2731; Gehrlein, WM 2005, 1489 (1491). 5 Gehrlein, WM 2005, 1489 (1490); Ulmer/Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 705 BGB Rz. 337. 6 BGH v. 20.6.1986 – II ZR 75/85, NJW 1987, 65; BGH v. 24.9.1979 – II ZR 95/78, NJW 1980, 638.
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§3
Gründung
des Gesellschaftsvertrages zu Fehlern kommen. Im Grundsatz gilt auch dann nichts anderes, als bei der Gründung. Liegt ein fehlerhafter Beitritt oder ein fehlerhaftes Ausscheiden vor, gilt nach Vollzug – also spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beitritt bzw. das Ausscheiden nach außen dokumentiert wurde – der Gesellschafter als beigetreten bzw. ausgeschieden;1 er hat allerdings das Recht, die Gesellschaft aus wichtigem Grund zu kündigen.
III. Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG 1. Ausgangspunkt 3.187
Gesellschaftsverträge zu gestalten erfordert juristischen Sachverstand, Fantasie und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen und Wünsche der Gesellschafter. Einen guten GmbH & Co. KG-Vertrag zu entwerfen stellt aufgrund der Kombination von GmbH und KG erhöhte Anforderungen an die Vertragsgestaltung. Der Vertragsgestalter muss sich darüber im Klaren sein, dass das gesetzliche Normalstatut der GmbH von dem einer KG erheblich abweicht. Die gesetzlich unterschiedlich geregelten Rechtsmaterien bedürfen daher der Harmonisierung. Zusätzlich zur Harmonisierung des Rechts ist eine Verzahnung der Gesellschaftsverträge von GmbH und GmbH & Co. KG erforderlich. Eine solche Verzahnung schafft die wechselseitige Abhängigkeit von relevanten Maßnahmen oder Ereignissen in den beiden Gesellschaften.2 Gestaltungsziel ist es i.d.R., Machtverhältnisse und Arbeitsweisen in beiden Gesellschaften möglichst gleichlaufend zu gestalten.
2. Harmonisierung unterschiedlicher gesetzlicher Regelungskonzepte a) Gesellschafterbeschlüsse, Stimmrecht und Gesellschafterversammlungen 3.188
Gesellschafterbeschlüsse bei einer GmbH werden, von Ausnahmen abgesehen, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 47 Abs. 1 GmbHG), während Beschlüsse der Gesellschafter der KG nach dem Grundkonzept des § 119 Abs. 1 HGB einstimmig gefasst werden müssen. Jedenfalls in der personenidentischen GmbH & Co. KG ist es nicht sinnvoll, wenn in GmbH und GmbH & Co. KG unterschiedliche Anforderungen an die Beschlussmehrheiten bestehen, denn dies könnte dazu führen, dass die Beschlusslage in beiden Gesellschaften voneinander abweicht.
3.189
Gestaltungshinweis: Die Gesellschafter sollten bei der Gestaltung der Gesellschaftsverträge festlegen, ob in beiden Gesellschaften die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig oder mit einfacher bzw. qualifizierter Mehrheit gefasst werden sollen. 1 BGH v. 19.12.1974 – II ZR 27/73, BGHZ 63, 338 (345); BGH v. 18.1.1988 – II ZR 140/87, GmbHR 1988, 177; BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 465/07, NZG 2010, 991; K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421 (435). 2 Ausführlich Zattler, Verzahnung der Gesellschaftsverträge in der echten GmbH & Co. KG, Diss. Regensburg 2005.
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§3
Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge
Wird das einfache oder qualifizierte Mehrheitssystem für interessengerecht gehalten, müsste in den KG-Vertrag eine entsprechende Formulierung aufgenommen werden.1 Entscheiden sich die Gesellschafter einheitlich für Einstimmigkeit, müsste eine Bestimmung in den Gesellschaftsvertrag der GmbH aufgenommen werden, wonach Gesellschafterbeschlüsse abweichend vom Gesetzesrecht nur einstimmig getroffen werden können. In diesem Zusammenhang sollte auch der Auflösung der Gesellschaften besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die GmbH kann bereits durch qualifizierten Gesellschafterbeschluss mit 75 %-Mehrheit aufgelöst werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG), dagegen bedarf der Auflösungsbeschluss bei der KG nach §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 HGB der Einstimmigkeit.
3.190
Gestaltungshinweis: Zweckmäßigerweise sollte für die Auflösung beider Gesellschaften dasselbe Quorum erforderlich bzw. ausreichend sein.
3.191
Wenn die Gesellschafter Mehrheitsbeschlüsse zulassen, stellt sich die Frage nach der Stimmrechtsmacht des einzelnen Gesellschafters. Das GmbH-Gesetz sieht ein anteilgebundenes Stimmrecht vor: Je ein Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme (§ 47 Abs. 2 GmbHG). Bei der KG wird gemäß der gesetzlichen Regelung nach Köpfen abgestimmt, unabhängig von der Kapitalbeteiligung oder deren Höhe (§ 119 Abs. 2 HGB). In der Praxis wird vielfach auch in der GmbH & Co. KG ein anteilsgebundenes Stimmrecht vereinbart. Das Kapitalkonto der Gesellschafter wird in ein Konto mit einer Festeinlage (sog. Kapitalkonto I) und in ein bewegliches (variables) Kapitalkonto (sog. Kapitalkonto II) gegliedert, wobei sich das Stimmrecht nach der Höhe der Festeinlage richtet. Die Festeinlage ist meist mit der Kommanditeinlage identisch. Das Stimmrecht richtet sich dann nach der übernommenen Kommanditeinlage, unabhängig davon, ob das Kommanditkapital eingezahlt ist oder nicht.
3.192
Gestaltungshinweis: Ist auch für die KG ein Mehrheitsentscheid gewollt, dann empfiehlt es sich, im KG-Vertrag auf die Bestimmungen des GmbH-Rechts zu verweisen. Damit ist dann eindeutig und für beide Gesellschaften übereinstimmend festgelegt, wann welche Mehrheiten erforderlich sind und wie die Stimmen ausgezählt werden. Schließlich sollten die Regelungen betreffend die Gesellschafterversammlungen (bspw. Einberufung, Ablauf, Leitung, Niederschrift) und die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen vollständig vereinheitlicht werden. Da das HGB dazu kaum Regelungen enthält, ist es ratsam, hier für beide Gesellschaften die GmbH-Regelungen als maßgeblich festzulegen.
3.193
b) Gewinnbezugsrecht und Kapitalerhöhungen Die Gesellschafter der GmbH haben nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG ein abstraktes Gewinnbezugsrecht, jedoch nicht notwendigerweise einen konkreten Ausschüttungsanspruch. Durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit 1 Nach Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den BGH muss dem Gesellschaftsvertrag lediglich – ggf. im Wege der Auslegung – zu entnehmen sein, dass der betreffende Beschluss mit Mehrheit der Stimmen gefasst werden kann, s. dazu Rz. 3.136 ff.
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§3
Gründung
kann nämlich die Ausschüttung des Jahresergebnisses oder Bilanzgewinns ganz oder teilweise ausgeschlossen werden (§ 29 Abs. 2 GmbHG). Die Kommanditisten dagegen haben nach der gesetzlichen Grundkonzeption Anspruch auf Entnahme des vollen Jahresüberschusses (§ 169 Abs. 1 Satz 2 HGB), und zwar auch dann, wenn die Einlagen noch nicht voll geleistet sind.1 3.195
Den Gewinnverwendungsregeln wird im GmbH & Co. KG-Vertrag erfahrungsgemäß eine große Aufmerksamkeit zugewendet. Den Kommanditisten muss jedenfalls das Steuerentnahmerecht eingeräumt werden, während das Entnahmerecht bezüglich des darüber hinausgehenden Jahresüberschusses je nach Interessenlage zu regeln ist. Demgegenüber wird den Gewinnverwendungsregeln innerhalb der Komplementär-GmbH vielfach keine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt, so dass es i.d.R. bei den gesetzlichen Bestimmungen verbleibt. In der Praxis ist eine solche Handhabung durchaus vertretbar, wenn – wie im Regelfall – die Komplementär-GmbH am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt ist.
3.196
Gestaltungshinweis: Regelungsbedarf ist gegeben, wenn die KomplementärGmbH am Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist und der auf sie entfallende Gewinnanteil wirtschaftliches Gewicht besitzt. Eine Gewinnverwendungsregelung ist dann umso dringender geboten, wenn keine völlige Gesellschafteridentität zwischen Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG besteht. Anders als im GmbH & Co. KG-Vertrag, in dem dem uneingeschränkten Entnahmerecht der Kommanditisten entgegengesteuert werden muss, sind für den GmbHVertrag dann Regelungen zu überlegen, die den Gesellschaftern einen Ausschüttungsanspruch auf bestimmte Mindestgewinnanteile gewährleisten.
3.197
Die Zuführung von Finanzierungsmitteln durch Kapitalerhöhung ist in der Regel das Ergebnis wirtschaftlicher Überlegungen. Gleichzeitig verbindet sich hiermit aber auch ein Machtmittel, wenn das zu erhöhende Kapital das Stimmrecht und ggf. den Gewinnanteil bestimmt. Bei der GmbH & Co. KG kann grundsätzlich nur durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss die Erhöhung der Kommanditeinlagen beschlossen werden. Das bedeutet aber auch, dass jeder Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit hat, erforderliche Kapitalerhöhungen zu verhindern. Anders ist die Rechtslage bei der GmbH. Die Kapitalerhöhung als Änderung des Gesellschaftsvertrages kann mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 % beschlossen werden (§ 53 Abs. 2 GmbHG). In der Praxis werden Kapitalerhöhungen bei der Komplementär-GmbH i.d.R. aus wirtschaftlichen Gründen nicht vonnöten sein, wenn sich die Tätigkeit der Komplementär-GmbH in der Übernahme der persönlichen Haftung, Geschäftsführung und Vertretung für die GmbH & Co. KG erschöpft. Dennoch sollten die Regeln über die Kapitalerhöhung möglichst in beiden Verträgen koordiniert sein, damit Kapitalerhöhungen nicht zu einer Quotenverschiebung in den beiden Gesellschaften führen können. Die Mehrheit von 75 % zur Erhöhung des Stammkapitals der Komplementär-GmbH ist zwingend und kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschwächt werden. Wird eine einheitliche Regelung in beiden Gesellschaftsverträgen angestrebt, müsste auch im KG-Vertrag eine Mehrheit von mindestens 75 % vorgesehen werden.
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 4.
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Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge
c) Kündigung der Gesellschaft Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept sind die Voraussetzungen für die Kündigung der GmbH und für die Kündigung der KG durch ihre jeweiligen Gesellschafter völlig unterschiedlich. Während das Gesetz dem Gesellschafter einer GmbH überhaupt kein Kündigungsrecht einräumt, steht den Gesellschaftern der GmbH & Co. KG das Recht zu, die Gesellschaft jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 3, 132 HGB). Dabei ist das Kündigungsrecht des Gesellschafters einer Personengesellschaft in seinem Kerngehalt unentziehbar. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, durch welche das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder den gesetzlichen Regelungen zuwider beschränkt wird, ist nichtig (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 723 Abs. 3 BGB). Diese unterschiedliche Rechtslage bedarf der Koordinierung.
3.198
Gestaltungshinweis: Im GmbH-Vertrag sollte den Gesellschaftern daher ein paralleles Kündigungsrecht eingeräumt werden. Rechtsfolge sollte das Ausscheiden und nicht die Auflösung der GmbH sein.
3.199
Während das Ausscheiden aus der KG auf den Ausscheidensstichtag keine weiteren Maßnahmen der Gesellschaft oder der Gesellschafter erfordert, erfordert das kündigungsbedingte Ausscheiden aus der GmbH noch die Einziehung oder Abtretung der Geschäftsanteile. Dies kann dazu führen, dass der Betreffende zwar aus der KG schon ausgeschieden, aber noch immer Gesellschafter der GmbH ist. Die GmbH-Satzung sollte daher vorsehen, dass die Mitgliedschaftsrechte in der GmbH ab dem Ausscheiden als Kommanditist ruhen.
3.200
d) Abtretung und Belastung der Beteiligung Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Verfügung über die Gesellschaftsbeteiligung zwingen zu einer Harmonisierung der beiden Regelungsbereiche. So ist der Geschäftsanteil an der GmbH frei abtretbar und belastbar (§ 15 Abs. 1 GmbHG), dagegen kann ein Kommanditanteil nach der gesetzlichen Grundregel ohne die Zustimmung der Gesellschafter weder abgetreten noch belastet werden (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 719 Abs. 1 BGB). Die freie Abtretbarkeit von Gesellschaftsanteilen ist i.d.R. für die Mitgesellschafter nicht zumutbar.
3.201
Gestaltungshinweis: Regelmäßig ist es sinnvoll, die Wirksamkeit der Abtretung von Gesellschaftsbeteiligungen an die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zu binden. Von dem Zustimmungserfordernis könnte abgesehen werden, wenn der Gesellschafter seinen Anteil zu Lebzeiten auf eine zur Erbfolge zugelassene Person überträgt. Im GmbH-Vertrag ist dazu die Abtretungsfreiheit einzuschränken und im GmbH & Co. KG-Vertrag ist das generelle Abtretungsverbot für bestimmte Ausnahmefälle zu lockern.
3.202
Ebenso wie die Abtretung des Geschäftsanteils nach der gesetzlichen Ausgangslage zulässig und die des Kommanditanteils unzulässig ist, sind auch Belastungen – z.B. durch Verpfändung oder Nießbrauch – gleichfalls zulässig bzw. unzulässig.
3.203
Gestaltungshinweis: Auch für die Belastung und Verpfändung sollte in beiden Verträgen eine einheitliche Regelung getroffen werden. Damit keine unkontrollierten Belastungen der Gesellschaftsbeteiligungen vorgenommen werden, die möglicher-
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§3
Gründung
weise auch das Stimmrecht des betreffenden Gesellschafters tangieren, sollten auch solche Belastungen unter den Zustimmungsvorbehalt gestellt werden. e) Vererbung der Beteiligungen 3.205
Durch den Tod eines GmbH-Gesellschafters wird die Gesellschaft – in Ermangelung einer abweichenden vertraglichen Regelung – nicht aufgelöst, sondern mit seinen Erben fortgesetzt. Sind mehrere Rechtsnachfolger vorhanden, wird die Erbengemeinschaft Rechtsinhaber des GmbH-Anteils; die Erben können ihre Rechte im Rahmen der ungeteilten Erbengemeinschaft nur gemeinsam ausüben (§ 18 Abs. 1 GmbHG). Auch die GmbH & Co. KG wird nach der gesetzlichen Regel beim Tod eines Kommanditisten mit dessen Erben fortgesetzt (§ 177 HGB). Im Unterschied zur GmbH geht der Kommanditanteil allerdings nicht auf die Erbengemeinschaft, sondern nach gefestigter Rechtsprechung1 im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar auf die einzelnen Erben über. Damit ist die KG-Beteiligung aus dem gesamthänderisch gebundenen übrigen Nachlass ausgegliedert. Jeder Erbe nimmt nunmehr entsprechend der auf ihn entfallenden Beteiligung seine Rechte als Kommanditist wahr (ausführlich dazu Rz. 8.177 ff.).
3.206
Gestaltungshinweis: Der Zersplitterung des Kommanditanteils, falls eine solche nicht erwünscht sein sollte, kann durch verschiedene Gestaltungsmaßnahmen begegnet werden, so z.B. durch die Wahrnehmung der Rechte der GesellschafterNachfolger durch einen Gruppenvertreter.
3.207
Die sich aus der GmbH-Beteiligung ergebenden Rechte können durch einen Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden, ohne dass es hierzu einer besonderen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag bedarf.2 Die Dauertestamentsvollstreckung bezüglich eines Kommanditanteils ist nach dem Beschluss des BGH vom 3.7.19893 nur zulässig, wenn die übrigen Gesellschafter dem zustimmen bzw. eine solche Testamentsvollstreckung bereits im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.
3.208
Gestaltungshinweis: Erscheint den Gesellschaftern generell oder für bestimmte Sachverhalte die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch einen Testamentsvollstrecker sinnvoll, sollte zweckmäßigerweise eine solche bereits im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG zugelassen sein. f) Vollstreckungsmaßnahmen und Gesellschafterinsolvenz
3.209
§ 131 Abs. 3 Nr. 2 und 4 HGB bestimmen, dass ein Gesellschafter aus der KG ausscheidet, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder wenn ein Privatgläubiger des Gesellschafters in dessen Anteil vollstreckt und im Zuge dessen die Gesellschaft kündigt. Anders ist die Rechtslage nach dem GmbHG bei der Komplementär-GmbH. Insolvenz eines Gesellschafters und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in seinen Geschäftsanteil haben (zunächst) keine Auswirkungen auf die Stellung als Gesellschafter. Allerdings werden die Gesellschafter1 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186; BGH v. 30.4.1984 – II ZR 293/83, BB 1984, 1313; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, GmbHR 1990, 28. 2 Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 250. 3 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, GmbHR 1990, 28.
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§3
Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge
rechte im Falle der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter wahrgenommen und hinsichtlich des gepfändeten Geschäftsanteils kann der Gläubiger die Verwertung betreiben. Sinnvollerweise werden beide Gesellschaftsverträge so aufeinander abgestimmt, dass im Fall von Gesellschafterinsolvenz und Pfändung bei der GmbH dieselben Rechtsfolgen eintreten, wie sie das HGB für die KG normiert, also das Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters. Technisch ist dies über eine entsprechende Einziehungs- und Abtretungsklausel in der GmbH-Satzung zu regeln. g) Informationsrechte Nach § 51a GmbHG besteht für den GmbH-Gesellschafter ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht. Demgegenüber ist das Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 HGB wesentlich eingeschränkt. Es ist fraglich, ob sich ein Kommanditist über § 166 HGB hinausgehende Informationen mittelbar über die Komplementär-GmbH besorgen kann. Zur Klarstellung sollte auch für die KG ein Auskunfts- und Einsichtsrecht nach Maßgabe von § 51a GmbHG implementiert werden.
3.210
3. Verzahnung Auch wenn rechtlich relevantes Verhalten in der GmbH und GmbH & Co. KG durch Harmonisierung der Gesellschaftsverträge mit denselben Rechtsfolgen versehen ist, ist hiermit noch nicht der Zwang zu einem einheitlichen Verhalten in der Komplementär-GmbH und in der GmbH & Co. KG hergestellt. So kann z.B. die Kündigung der beiden Gesellschaften an dieselben Voraussetzungen geknüpft und mit denselben Rechtsfolgen versehen sein. Dennoch steht es den Gesellschaftern frei, nur die Komplementär-GmbH oder nur die GmbH & Co. KG zu kündigen. Will man dies verhindern und soll ein einheitliches Verhalten in beiden Gesellschaften erzwungen werden, müssen die beiden Gesellschaftsverträge miteinander verzahnt werden.
3.211
a) Beteiligungs- und Quotenidentität in GmbH und GmbH & Co. KG Das Streben nach Einheit der beiden Gesellschaften würde empfindlich gestört, wenn sich die Beteiligungen an der GmbH und an der GmbH & Co. KG durch jeweils separate Abtretung oder Vererbung völlig unterschiedlich entwickeln könnten. Die Gesellschaftsverträge müssen daher regeln, dass die Gesellschaftsbeteiligung sowohl an der GmbH als auch an der KG nur zusammen übertragen und vererbt werden können. I.d.R. soll dabei nicht nur Beteiligungsgleichheit, sondern auch die Identität der Beteiligungsquoten in beiden Gesellschaften gewahrt bleiben. Durch folgende Formulierung im GmbH-Vertrag könnte dies erreicht werden. Formulierungsvorschlag: „Verfügungen jeder Art über einen Geschäftsanteil (z.B. Abtretung, Verpfändung oder Nießbrauchbestellung) bedürfen der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. Ein Geschäftsanteil kann nur wirksam abgetreten werden, wenn Lüke
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3.212
§3
Gründung
zugleich auch der zugehörige Kommanditanteil an der X-GmbH & Co. KG ganz oder anteilig an dieselbe Person bzw. dieselben Personen in demselben Verhältnis abgetreten wird.“ 3.213
Ist der unbedingte Zwang zur Parallelabtretung nicht gewünscht, sondern soll diese Frage einer Entscheidung der Gesellschafter im Einzelfall vorbehalten bleiben, so ließe sich dies durch folgende Vereinbarung sicherstellen. Formulierungsvorschlag: „Verfügungen jeder Art über einen Geschäftsanteil (z.B. Abtretung, Verpfändung oder Nießbrauchbestellung) bedürfen der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. Die Zustimmung steht im Ermessen der Gesellschafterversammlung; sie kann insbesondere versagt werden, wenn gleichzeitig ein Kommanditanteil an der X-GmbH & Co. KG besteht und dieser nicht im gleichen Verhältnis an dieselbe Person bzw. dieselben Personen abgetreten wird.“
3.214
In den Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG ist eine entsprechende Vertragsklausel aufzunehmen. Da die vorstehenden Formulierungsvorschläge lediglich eine Verfügungsbeschränkung und keine unmittelbare Verpflichtung zur parallelen Abtretung der Beteiligung an der anderen Gesellschaft enthalten, findet § 15 Abs. 4 GmbHG auf eine entsprechende Formulierung im KG-Vertrag keine Anwendung.1
3.215
Etwas anderes gilt hingegen, wenn im KG-Vertrag eine unmittelbare Verpflichtung zur parallelen Abtretung der von dem Verfügenden gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH normiert wird. Diese unmittelbare Abtretungspflicht führt zur Formbedürftigkeit des gesamten KG-Vertrages nach § 15 Abs. 4 GmbHG. Wer die Beurkundung des KG-Vertrages vermeiden möchte, wählt entweder den Weg über die Verfügungsbeschränkung oder normiert die Pflicht zur parallelen Abtretung der GmbH-Geschäftsanteile allein in dem ohnehin notariell zu beurkundenden GmbH-Vertrag.
3.216
Entsprechend den vorstehenden Formulierungen für rechtsgeschäftliche Verfügungen ist für den Todesfall eine Klausel vorzusehen, nach der der Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH immer nur zusammen und in dem gleichen Verhältnis wie der Kommanditanteil an dieselbe Person bzw. dieselben Personen vererbt werden kann. Mit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Klausel ist natürlich nicht sichergestellt, dass der Gesellschafter in seiner letztwilligen Verfügung den Gesellschaftsvertrag befolgen wird. Es kann also dennoch zu einem Auseinanderfallen der gesellschaftsrechtlichen und der erbrechtlichen Nachfolge kommen.
3.217
Gestaltungshinweis: Für diesen Fall sollten die Gesellschaftsverträge Klauseln enthalten, wonach den Erben Gelegenheit gegeben wird, die Beteiligungsidentität herzustellen. Gelingt ihnen dies nicht, so sind die übrigen Gesellschafter berechtigt, die Nachfolger aus der Gesellschaft auszuschließen. 1 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, § 15 GmbHG Rz. 32 f.; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 48.
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§3
Harmonisierung und Verzahnung der Gesellschaftsverträge
b) Kündigung und Ausschluss Soll die Gesellschafteridentität in GmbH und GmbH & Co. KG beibehalten werden, muss darauf geachtet werden, dass dem einzelnen Gesellschafter nicht die Möglichkeit gegeben wird, eine Gesellschaft zu kündigen und in der anderen weiter als Gesellschafter zu verbleiben. Aus diesem Grunde muss eine Verzahnung der Kündigungsbestimmungen hergestellt werden. Eine entsprechende Klausel in den Gesellschaftsverträgen könnte in etwa wie folgt lauten:
3.218
Formulierungsvorschlag: „Die Kündigung kann nur wirksam erklärt werden, wenn der Gesellschafter gleichzeitig und zu demselben Zeitpunkt seine Beteiligung an der X-GmbH & Co. KG [X-Verwaltungs-GmbH] kündigt.“ Was für die Kündigung der Gesellschaft durch den Gesellschafter gilt, muss auch für den umgekehrten Fall, nämlich den Ausschluss des Gesellschafters durch die Gesellschafterversammlung, gelten. Es ist zu vermeiden, dass ein Gesellschafter seine Stellung als Kommanditist verliert, ohne gleichzeitig aus der KomplementärGmbH auszuscheiden. Eine solche Fallkonstellation könnte z.B. auftreten, wenn Gläubiger des Kommanditisten dessen Kommanditanteil pfänden und von der Pfändung des GmbH-Anteils Abstand nehmen oder wenn der Gesellschafter zwar in erheblicher Weise gegen den KG-, nicht aber gegen den GmbH-Vertrag verstoßen hat. Erforderlich ist also eine entsprechende Verzahnung der Ausschlusstatbestände. In den GmbH-Vertrag – entsprechend auch in den KG-Vertrag – müsste also folgende Formulierung aufgenommen werden:
3.219
Formulierungsvorschlag: „Ein Gesellschafter kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund ist insbesondere anzunehmen, wenn der Gesellschafter aus der X-GmbH & Co. KG [X-Verwaltungs-GmbH] ausgeschlossen wird.“ Entsprechende Regelungen sind für die Einziehung bzw. Zwangsabtretung des Geschäftsanteils zu treffen.
3.220
c) Auflösung der Komplementär-GmbH Umstritten ist, ob bereits die Auflösung der Komplementär-GmbH auch zur Auflösung der GmbH & Co. KG führt.1 Nach h.M.2 soll die bloße Auflösung der GmbH nicht ausreichen, vielmehr muss ihre Vollbeendigung hinzukommen. Für die praktische Abwicklung der Liquidation der Komplementär-GmbH, aber auch für die 1 Zum Streitstand s. Rz. 9.27 f. 2 BGH v. 8.10.1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178 (181 f.) = GmbHR 1980, 83; BGH v. 14.6. 1993 – II ZR 252/92, GmbHR 1993, 503; Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 30 Rz. 14 m.w.N.
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3.221
§3
Gründung
weitere Geschäftsführung in der GmbH & Co. KG stellen sich dadurch nicht unerhebliche Schwierigkeiten ein. Durch eine entsprechende Formulierung im GmbH & Co. KG-Vertrag, wonach die Auflösung der Komplementär-GmbH auch gleichzeitig zur Auflösung der GmbH & Co. KG führt, kann solchen Schwierigkeiten vorgebeugt werden.
4. Einheitsgesellschaft 3.222
Die Verzahnungsproblematik lässt sich vermeiden, wenn eine Einheits-GmbH & Co. KG gebildet wird. Hierzu ist erforderlich, dass die GmbH-Anteile in das Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG überführt werden (s. hierzu Rz. 2.461 ff.). Allein die GmbH & Co. KG ist nunmehr in der Lage, über die Geschäftsanteile an der GmbH zu verfügen und insbesondere das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der GmbH auszuüben. Die eigentlichen Gesellschafter sind nur als Kommanditisten an der GmbH & Co. KG beteiligt. Regelungen zum Gleichlauf der Beteiligungen sind in diesem Fall nicht erforderlich.
IV. Haftung im Gründungsstadium 3.223
Die Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG gestalten sich je nach der gewählten Gründungsvariante und dem Unternehmensgegenstand der GmbH & Co. KG unterschiedlich. Darüber hinaus ist zwischen der Haftung der GmbH & Co. KG und ihrer Gesellschafter sowie der Haftung der KomplementärGmbH, ihrer Gesellschafter und ihrer Geschäftsführung zu unterscheiden.
1. Geschäftsaufnahme nach Eintragung von GmbH und KG 3.224
Unproblematisch ist der Fall, dass die GmbH & Co. KG ihre Geschäfte erst nach Eintragung sowohl der Komplementär-GmbH als auch der GmbH & Co. KG im Handelsregister aufnimmt. Eine Haftung im Gründungsstadium kommt dann gar nicht erst in Betracht, weil GmbH und KG vor dem formellen Abschluss der Gründungsphase keine Verbindlichkeiten begründet haben.
2. Geschäftsaufnahme vor Eintragung der KG 3.225
Bis zur Eintragung der GmbH und der KG im Handelsregister kann ein nicht unerheblicher Zeitraum vergehen, so dass die GmbH & Co. KG ihre Geschäfte häufig bereits vor der Handelsregistereintragung der GmbH und/oder der KG aufnimmt. Soll die in Gründung befindliche GmbH & Co. KG bspw. ein bereits existierendes Unternehmen fortführen, kann die Geschäftsaufnahme aus nahe liegenden Gründen nicht bis zur Eintragung der GmbH und der KG hinausgezögert werden. Selbst wenn man eine bereits eingetragene (Vorrats-)GmbH als Komplementärin verwendet, wird man nicht verhindern können, dass die Geschäfte vor der Eintragung der KG aufgenommen werden müssen.
3.226
Für die Haftung in der Gründungsphase einer KG kommt es darauf an, wann die Gesellschaft im Außenverhältnis, d.h. mit Wirkung gegenüber Dritten, entstanden 292
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§3
Haftung im Gründungsstadium
ist. Denn nur wenn die KG auch mit Wirkung gegenüber Dritten entstanden ist, ist bei ihren Kommanditisten die Haftung auf die vereinbarte Haftsumme begrenzt. Ist die KG im Außenverhältnis noch nicht entstanden, so handelt es sich bei der unter ihren Gründern bestehenden Gesellschaft um einen oHG oder GbR, was zur Folge hat, dass alle Gesellschafter (auch die späteren Kommanditisten) grundsätzlich persönlich und unbeschränkt haften. a) Betrieb eines Handelsgewerbes Betreibt die GmbH & Co. KG ein Handelsgewerbe (§ 1 Abs. 2 HGB), so entsteht die KG als Außengesellschaft bereits mit der auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrages folgenden einvernehmlichen Geschäftsaufnahme (s. Rz. 3.176).1 Auch ohne Eintragung haftet die KG in diesem Fall gem. §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB für die unter ihrer Firma begründeten Verbindlichkeiten. Die Haftungsregeln der §§ 128, 171, 172, 176 HGB greifen unmittelbar mit der einvernehmlichen Geschäftsaufnahme ein.2
3.227
Zu beachten ist dabei, dass die gesetzliche Haftungsbeschränkung für den Kommanditisten gem. §§ 171, 172 HGB erst mit seiner Eintragung im Handelsregister eingreift. Denn gem. § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB haftet ein Kommanditist für die bis zur Eintragung der KG begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich und unbeschränkt, wenn er der Geschäftsaufnahme vor der Eintragung zugestimmt hat.3 Die Zustimmung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, es reicht aus, wenn sie sich aus den Umständen ableiten lässt.4
3.228
Die unbeschränkte Haftung besteht jedoch nicht gegenüber Gesellschaftsgläubigern, die von der Kommanditistenstellung Kenntnis hatten (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Fraglich ist, ob diese Kenntnis generell durch die Firmierung der Gesellschaft als GmbH & Co. KG vermittelt wird.5 Im Jahre 1979 hat der BGH noch entschieden, dass der Schluss von der GmbH & Co. KG-Firma auf die Tatsache, dass der Gesellschaft natürliche Personen nur als Kommanditisten angehörten, nicht zwingend sei, da es auch GmbH & Co. KG mit natürlichen Personen als Komplementär gäbe.6 Dass er diese Rechtsprechung wohl nicht mehr aufrecht erhalten wird, hat der BGH bereits im Jahre 1983 angedeutet, denn seit dem InKraft-Treten des § 19 Abs. 2 HGB (§ 19 Abs. 5 HGB a.F.) muss eine GmbH &
3.229
1 Vgl. nur BGH v. 12.11.1984 – II ZB 2/84, GmbHR 1985, 153 = WM 1985, 165; Roth in Baumbach/Hopt, § 123 HGB Rz. 2 f. 2 BGH v. 12.11.1984 – II ZB 2/84, GmbHR 1985, 153. 3 Vgl. nur Roth in Baumbach/Hopt, § 176 HGB Rz. 1. 4 RG v. 4.3.1930 – II 207/29, RGZ 128, 172 (180); BGH v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209 (211); Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 176 HGB Rz. 46. 5 Für die Vermittlung der Kenntnis durch die GmbH & Co. KG-Firma die wohl h.M.: Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 19; Huber in FS Hefermehl, 1976, S. 127 (131); Huber, ZGR 1984, 146 (165 f.); K. Schmidt, ZHR 144 (190), 192 (204); K. Schmidt, GmbHR 2002, 341 (344); Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Anh. A zu § 177a HGB Rz. 45; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 176 HGB Rz. 138 ff.; Saßenrath, Die Umwandlung von Komplementär- in Kommanditbeteiligungen, S. 89 ff.; Priester, BB 1980, 911 (913); Binz, Haftungsverhältnisse, S. 27; a.A. Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 50 Rz. 37 ff. und Knobbe-Keuk in FS Stimpel, 1985, S. 187 (193 f.). 6 BGH v. 18.6.1979 – II ZR 194/77, NJW 1980, 54 (55).
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Gründung
Co. KG, bei der keine natürliche Person Komplementär ist, einen Firmenzusatz führen, der die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.1 Von diesem Tag an, so der BGH, könne niemand mehr damit rechnen, dass eine natürliche Person Komplementär der GmbH & Co. KG sei.2 Entscheidend dürfte sein, dass die Verkehrserwartung, dass bei einer GmbH & Co. KG nur die GmbH die persönlich haftende Gesellschafterin ist, inzwischen so typisch ist, dass sie mit der in § 176 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB geforderten Kenntnis gleichgesetzt werden kann.3 Zu beachten ist allerdings, dass die Kenntnis des Gläubigers die Haftung des Kommanditisten aus § 176 HGB nur bei rechtsgeschäftlichen, nicht aber bei kraft Gesetzes entstehenden Verbindlichkeiten ausschließt.4 3.230
Gestaltungshinweis: Soll das Haftungsrisiko aus § 176 HGB völlig ausgeschlossen werden, muss der Beginn der Gesellschaft unter die aufschiebende Bedingung der Eintragung der KG im Handelsregister gestellt werden. Alternativ kann der Kommanditist bis zur Registereintragung eine stille Beteiligung übernehmen, die sich mit der Registereintragung der KG in eine Kommanditbeteiligung umwandelt. b) Betrieb eines Kleingewerbes oder Verwaltung des eigenen Vermögens
3.231
Betreibt die Gesellschaft ein Gewerbe, das nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (§§ 1 Abs. 2, 2 HGB), oder verwaltet sie nur eigenes Vermögen (§ 105 Abs. 2 HGB), so entsteht die KG erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister (§ 123 Abs. 1 HGB). Bis zur Eintragung handelt es sich um eine GbR, deren Gesellschafter die GmbH (in ihrem jeweiligen Gründungsstadium) und die zukünftigen Kommanditisten sind. Ihre Haftung richtet sich nach den Grundsätzen der Haftung und Haftungsbeschränkung in der GbR. Nachdem der BGH in seiner Entscheidung vom 29.1.2001 die Teilrechtsfähigkeit der GbR anerkannt hat, bedeutet dies, dass ihre Gesellschafter analog § 128 HGB unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.5 Mit der Registereintragung wird die GbR zur KG; alle Rechte und Pflichten stehen nun der KG zu, ohne dass es dazu eines besonderen Übertragungsakts bedarf. Die im Stadium der GbR begründete akzessorische Gesellschafterhaftung lässt dies allerdings unberührt.
3.232
Die unbeschränkte persönliche Haftung der GbR-Gesellschafter kann weder durch einen Namenszusatz („GbRmbH“) noch durch andere einseitige Maßnahmen begrenzt werden.6 Eine Haftungsbeschränkung ist nur durch eine individualvertrag1 In § 19 Abs. 2 HGB (§ 19 Abs. 5 HGB a.F.) wurde insoweit nur die in BGH v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216 = GmbHR 1974, 151 entwickelte Rechtsprechung positiviert. An diesem Umstand setzt auch zu Recht die Kritik derjenigen an, die auch die Altfälle aus dem Anwendungsbereich des § 176 HGB ausnehmen wollen – vgl. Huber, ZGR 1984, 146 (167); K. Schmidt, NJW 1983, 2260 (2261); Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 176 HGB Rz. 138; Saßenrath, Die Umwandlung von Komplementär- in Kommanditbeteiligungen, S. 89 ff. 2 BGH v. 21.3.1983 – II ZR 113/82, GmbHR 1983, 268. 3 OLG Frankfurt v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 71. 4 Fedtke/Gerdes, NWB Fach 18, 4689 ff. 5 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 6 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, GmbHR 1999, 1134; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rz. 2.
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Haftung im Gründungsstadium
liche Vereinbarung mit dem betreffenden Gläubiger zu erreichen. Bei der GmbH & Co. KG in Gründung geht die Rechtsprechung zugunsten der Kommanditisten davon aus, dass bereits durch die Firmierung als GmbH & Co. KG bzw. als GmbH & Co. KG i.G. konkludent eine Haftungsbegrenzung vereinbart ist, denn durch diese Firmierung wird für alle Teilnehmer am Rechtsverkehr hinreichend deutlich, dass die Kommanditisten dieser Gesellschaft nicht unbeschränkt persönlich haften wollen.1 Entgegen einer verbreiteten Ansicht2 haftet der zukünftige Kommanditist auch nicht kraft Rechtsscheins unbeschränkt, wenn die Gesellschaft vor der Eintragung in das Handelsregister als KG auftritt. Der BGH verneint eine solche Haftung, weil die Gesellschafter kraft Rechtsscheins nur wie die Gesellschafter einer eingetragenen KG haften können.3 Die Rechtsscheinhaftung scheitert nach zutreffender Ansicht aber bereits daran, dass auch der Kommanditist einer nicht eingetragenen KG nicht unbeschränkt haftet, wenn die Gesellschaft als GmbH & Co. KG firmiert (s. dazu Rz. 3.229).
3.233
3. Geschäftsaufnahme vor Eintragung der Komplementär-GmbH Die Haftung der Komplementärin richtet sich nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB. Danach haftet die Komplementärin für alle Verbindlichkeiten der KG unmittelbar und unbeschränkt. Ob und inwiefern diese Haftung auch auf ihre Gesellschafter durchschlägt und ob darüber hinaus auch noch eine Haftung der Geschäftsführer der Komplementärin in Betracht kommt, richtet sich danach, in welchem Gründungsstadium sich die Komplementär-GmbH befindet. Ist die Gründung der GmbH mit deren Eintragung im Handelsregister bereits abgeschlossen, so haftet für Verbindlichkeiten der Komplementär-GmbH gem. § 13 Abs. 2 GmbHG allein deren Gesellschaftsvermögen.
3.234
a) Vorgründungsgesellschaft Haben sich die Gründer bereits vor Abschluss des notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrages der GmbH zum Zwecke der Gründung der GmbH vertraglich zusammengeschlossen, so besteht unter ihnen die sog. Vorgründungsgesellschaft. Bei der Vorgründungsgesellschaft handelt es sich, je nachdem, ob sie ein Handelsgewerbe betreibt oder nicht, um eine oHG oder eine GbR.4 Ihre Gesellschafter haften also persönlich und unbeschränkt. Die Aktiva und Passiva der Vorgründungsgesellschaft gehen nicht ipso iure mit dem Abschluss des GmbH-Gesellschaftsver1 Vgl. BGH v. 25.10.1984 – VII ZR 2/84, NJW 1985, 619; BGH v. 6.4.1987 – II ZR 101/86, NJW 1987, 3124 (3125); BGH v. 12.3.1990 – II ZR 312/88, WM 1990, 1113 (1114). 2 OLG Nürnberg v. 10.11.1960 – 3 V 31/60, WM 1961, 124 (126); OLG Köln v. 19.6.1973 – 15 U 9/73, OLGZ 1973, 468 (471). 3 Vgl. BGH v. 25.6.1973 – II ZR 133/70, BGHZ 61, 59 (66 f.) = GmbHR 1973, 214; BGH v. 13.6. 1977 – II ZR 232/75, BGHZ 69, 95 (98 f.) = GmbHR 1977, 246; zust. Roth in Baumbach/Hopt, § 176 HGB Rz. 7; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 176 HGB Rz. 138 ff.; Stimpel, ZGR 1973, 88; Huber in FS Hefermehl, 1976, S. 134 f.; Kollhosser, ZGR 1976, 235; Canaris, NJW 1974, 455; Crezelius, BB 1983, 1 (12). 4 BGH v. 26.4.2002 – II ZR 120/02, BB 2004, 1357.
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3.235
§3
Gründung
trages oder der Handelsregistereintragung auf die (Vor-)GmbH über, sondern müssen ggf. im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die GmbH übertragen werden.1 3.236
Praxishinweis: Wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft sollte diese nicht – auch nicht übergangsweise – die Komplementärstellung übernehmen. Entweder ist mit dem Abschluss des KGVertrages bis nach der notariellen Beurkundung der GmbH-Gründung zu warten oder es ist im KG-Vertrag zu regeln, dass die KG erst beginnt, wenn zumindest die Vor-GmbH schon entstanden ist. Alternativ kann auf eine Vorrats-GmbH zurückgegriffen werden. b) Vor-GmbH
3.237
Bis zur Eintragung im Handelsregister existiert die GmbH als juristische Person nicht (§ 11 Abs. 1 GmbHG). In der Zeit zwischen Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und ihrer Registereintragung existiert die Gesellschaft nur als sog. Vorgesellschaft. Die Vorgesellschaft – auch Vor-GmbH genannt – ist ein notwendiges Durchgangsstadium auf dem Weg zur GmbH. Sie ist ein rechtliches Gebilde, das weder GbR noch Personenhandelsgesellschaft ist; es handelt sich vielmehr um eine Organisationsform sui generis.2
3.238
Die Vor-GmbH ist bereits voll handlungsfähig. Auf sie sind die Normen des GmbHG anzuwenden, sofern sie nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzen. Damit kann die Vor-GmbH bereits Träger von Rechten und Pflichten sein. Aus diesem Grunde wird ihr heute auch nicht mehr die Fähigkeit abgestritten, Komplementärin einer KG zu sein.3 Als Komplementärin haftet die Vor-GmbH gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB für die Verbindlichkeiten der KG.
3.239
Wird die GmbH später in das Handelsregister eingetragen, wandelt sich die Vorgesellschaft – ohne dass es eines Übertragungsvorganges bedarf – mit allen Aktiva und Passiva in die GmbH um.4
3.240
Da bereits die Vor-GmbH Träger von Rechten und Pflichten ist, stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise ihre Gesellschafter für diese Verbindlichkeiten persönlich haften und die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG somit auf die Gesellschafter der Vor-GmbH durchschlagen können. § 13 Abs. 2 GmbHG, der die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen der GmbH beschränkt, ist im Gründungsstadium noch nicht anwendbar, da die GmbH als solche noch nicht besteht. Die
1 BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, GmbHR 1984, 316; OLG Celle v. 7.9.1983 – 9 U 43/83, WM 1984, 494 (500 f.); K. Schmidt, GmbHR 1982, 8. 2 BGH v. 24.10.1968 – II ZR 216/66, BGHZ 51, 30 (32) = GmbHR 1969, 80; BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (142) = GmbHR 1981, 114; BGH v. 20.6.1983 – II ZR 200/82, GmbHR 1984, 41; OLG Hamm v. 14.12.1984 – 20 U 147/84, WM 1985, 658 (659). 3 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 = GmbHR 1981, 114; BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, GmbHR 1984, 316; BGH v. 12.11.1984 – II ZR 250/83, NJW 1985, 736; Huber in FS Hefermehl, 1976, S. 148 f.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. 70; Hüffer, JuS 1980, 485 (487); K. Schmidt, GmbHR 1987, 77 (80) m.w.N. 4 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (138) = GmbHR 1981, 114; K. Schmidt in Scholz, § 11 GmbHG Rz. 25; Fleck, GmbHR 1983, 8.
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§3
Haftung im Gründungsstadium
Haftung der Gesellschafter unterscheidet sich danach, ob die GmbH später in das Handelsregister eingetragen wird (Rz. 3.241 f.) oder nicht (Rz. 3.243 f.). Nachdem die Rechtsprechung das sog. Vorbelastungsverbot für die in Gründung befindliche GmbH aufgegeben hat, wird nunmehr durch eine Unterbilanzhaftung (auch Vorbelastungshaftung genannt) der GmbH-Gesellschafter sichergestellt, dass die GmbH mit dem im Handelsregister ausgewiesenen Stammkapital ins Leben tritt.1 Die Höhe der Haftung richtet sich nach der Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Nettovermögen der GmbH im Zeitpunkt der Registereintragung.2 Das Nettovermögen der GmbH ist zu Fortführungswerten zu ermitteln, wobei Notar- und Registerkosten sowie etwaige durch Sacheinlagen verursachte Grundbuchkosten und Grunderwerbsteuern dem Nettovermögen hinzugerechnet werden.3 Für die so berechnete Differenz haften die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile, sofern sie der Geschäftsaufnahme vor der Registereintragung zugestimmt haben.4 Diese Haftung kann die Höhe der ursprünglichen Einlage sogar überschreiten (unbeschränkte Unterbilanzhaftung).5 Die Haftung trifft die Gesellschafter der Vor-GmbH im Innenverhältnis zur Gesellschaft (sog. Innenhaftung). Die Gefahr einer Unterbilanzhaftung wird insofern relativiert, als die ganz h.M. davon ausgeht, dass die Vertretungsmacht der GmbH-Geschäftsführer in der Gründungsphase auf die Vornahme der gründungsnotwendigen Geschäfte beschränkt ist.6 Die Beschränkung der Vertretungsmacht kann jedoch durch den Gesellschaftsvertrag oder durch eine formlose – auch konkludente – einvernehmliche Ermächtigung der Gründer erweitert werden.7
3.241
Der Anspruch auf die Differenz (Unterbilanz) wird mit der Eintragung der GmbH im Handelsregister fällig. Der Anspruch verjährt analog § 9 Abs. 2 GmbHG in zehn Jahren nach der Eintragung der GmbH.8 Kann der Haftungsanteil bei einem Gesellschafter nicht eingezogen werden, trifft die übrigen Gesellschafter der GmbH die
3.242
1 Vgl. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (136) = GmbHR 1981, 114 und BGH v. 16.3.1981 – II ZR 59/80, BGHZ 80, 182 (184) = GmbHR 1981, 192. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 33; Dauner-Lieb, GmbHR 1986, 82 (87); Fleck, GmbHR 1983, 11; Brandes, WM 1983, 288; a.A. maßgebend sei das Nettovermögen im Zeitpunkt der Anmeldung: K. Schmidt in Scholz, § 11 GmbHG Rz. 122 und 126; Priester, ZIP 1982, 1147. 3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 35; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 64. 4 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (141) = GmbHR 1981, 114; Ulmer, ZIP 1981, 602. 5 BGH v. 23.11.1981 – II ZR 115/81, GmbHR 1982, 235; Schmidt-Leithoff in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 11 GmbHG Rz. 28. 6 BGH v. 15.6.1978 – II ZR 205/76, BGHZ 72, 45 (50) = GmbHR 1978, 232; BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (139) = GmbHR 1981, 114; BGH v. 16.3.1981 – II ZR 59/80, BGHZ 80, 182 (183) = GmbHR 1981, 192; BGH v. 13.12.1982 – II ZR 282/81, BGHZ 86, 122 (125) = GmbHR 1983, 46; Fleck, GmbHR 1983, 8; a.A. K. Schmidt, GmbHR 1987, 77 (84). 7 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (139) = GmbHR 1981, 114; LAG Hamm v. 28.10.1982 – 10 Sa 726/82, ZIP 1983, 312; OLG Hamm v. 14.12.1984 – 20 U 147/84, WM 1985, 658 (659); Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 GmbHG Rz. 87; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 20. 8 LG Ravensburg v. 15.3.1984 – 2 O 1709/83, 2 O 1710/83, GmbHR 1985, 25; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 GmbHG Rz. 28; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 64.
Lüke
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§3
Gründung
Haftung für diesen Fehlbetrag nach Maßgabe des § 24 GmbHG.1 In kritischen Fällen empfiehlt es sich aus Gründen der Beweisführung, für den Tag der Eintragung eine gesonderte Bilanz zu errichten. 3.243
Wird die Absicht, die GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen, aufgegeben oder scheitert die Eintragung, so greifen mangels Eintragung die Grundsätze der Unterbilanzhaftung nicht ein. Nach der früheren BGH-Rechtsprechung hafteten die Gesellschafter einer solchen Vor-GmbH grundsätzlich nur bis zum Nennbetrag des von ihnen übernommenen Geschäftsanteils.2 In seiner Entscheidung vom 27.1. 19973 hat der BGH dieses Haftungskonzept aufgegeben und sich mit überzeugenden Gründen für eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter i.S. einer Verlustdeckungshaftung ausgesprochen.4 Hat die Vor-GmbH Verluste erlitten, so besteht nach Eintragung der GmbH mit der Unterbilanzhaftung eine unbeschränkte Differenzhaftung der Gesellschafter. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Gesellschafter lediglich beschränkt auf ihren Geschäftsanteil haften würden, falls es gar nicht mehr zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kommen sollte. Es ist daher nur folgerichtig, dass der BGH nunmehr die unbeschränkte Unterbilanzhaftung nach Eintragung durch eine unbeschränkte Verlustdeckungshaftung für den Fall ergänzt, dass es nicht mehr zur Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kommen sollte. Die Gesellschafter haften grundsätzlich im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile; allerdings greift bei Undurchsetzbarkeit des Anspruchs gegen einzelne die Ausfallhaftung der übrigen entsprechend § 24 GmbHG.
3.244
Ebenso wie die Unterbilanzhaftung ist die Verlustdeckungshaftung grundsätzlich als Innenhaftung ausgestaltet.5 Der BGH lehnt eine Außenhaftung der Gesellschafter ab und begründet dies im Wesentlichen mit dem weitgehenden Gleichlauf von Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung.6 Für die Gläubiger ergeben sich durch die bloße Innenhaftung der Gesellschafter keine wesentlichen Nachteile, weil sie im Wege der Pfändung in den Verlustdeckungsanspruch der GmbH gegen die Gesellschafter vollstrecken können. Im Falle der Insolvenz wird ein Wettlauf der Gläubiger gegen die einzelnen Gesellschafter als unmittelbare Anspruchsgegner vermieden.7 In Ausnahmefällen, nämlich im Fall der Einpersonengründung und bei Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH, wird die Außenhaftung zugelassen.8 Der Anspruch entsteht mit dem endgültigen Scheitern der Eintragung.9 1 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (141) = GmbHR 1981, 114; Ulmer, ZGR 1981, 611; K. Schmidt, BB 1985, 154, will die Haftung nach oben hin auf die Höhe der Stammeinlage des ausgefallenen Gesellschafters begrenzen. 2 BGH v. 15.6.1978 – II ZR 205/76, BGHZ 72, 45 (48 ff.) = GmbHR 1978, 232; BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, GmbHR 1981, 114. 3 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1997, 679 = GmbHR 1997, 405; dazu insbesondere Kleindiek, ZGR 1997, 427; Goette, DStR 1997, 628. 4 Bestätigt durch BGH v. 4.11.2002 – II ZR 204/00, NZG 2003, 79 GmbHR 2003, 97 m. Komm. Schmidt. 5 So auch Stimpel in FS Fleck, 1988, S. 361. Gegen die bloße Innenhaftung Beuthien, GmbHR 1996, 309 (314 ff.). 6 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1997, 679 (681) = GmbHR 1997, 405. 7 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1997, 679 (682) = GmbHR 1997, 405. 8 Auf diese praktischen Schwierigkeiten weist Beuthien, GmbHR 1996, 309 (315), hin. 9 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333 (341) = GmbHR 1996, 279; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 27; Wiegand, BB 1998, 1967.
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Lüke
§3
Haftung im Gründungsstadium
4. Haftung der Handelnden Ist vor der Eintragung der GmbH im Handelsregister in ihrem Namen gehandelt worden, so haften die Handelnden gem. § 11 Abs. 2 GmbHG für die dadurch begründeten Verbindlichkeiten persönlich und solidarisch. Die Haftung erlischt mit der Registereintragung der GmbH.
3.245
Umstritten ist die Frage, ob § 11 Abs. 2 GmbHG auch auf die GmbH & Co. KG anwendbar ist. Dies hätte zur Folge, dass der für die KG handelnde Geschäftsführer der Vor-GmbH, der Verbindlichkeiten der KG begründet, für diese Verbindlichkeiten bis zur Handelsregistereintragung der GmbH persönlich und unbeschränkt einstehen muss.
3.246
Rechtsprechung1 und h.L.2 haben sich für eine Anwendung von § 11 Abs. 2 GmbHG auch im Rahmen der GmbH & Co. KG ausgesprochen. Der Geschäftsführer der Vor-GmbH haftet persönlich analog § 11 Abs. 2 GmbHG, wenn er im Namen der GmbH & Co. KG handelt und dadurch die Haftung der Vor-GmbH nach §§ 128, 161 Abs. 2 HGB auslöst. Dies ist sachgerecht, denn nach ihrem Normzweck stellt die Handelndenhaftung den Ausgleich dafür dar, dass im Stadium der Vor-GmbH die Kapitalgrundlage der GmbH noch nicht kontrolliert und sichergestellt ist.3 Die Handelndenhaftung des § 11 Abs. 2 GmbHG trifft nur die Geschäftsführer und Personen, die wie Geschäftsführer auftreten.4 Der Geschäftsführer haftet aber auch dann, wenn er Dritte für sich handeln lässt.5
3.247
Die Handelndenhaftung greift aber nur für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten.6 Sie gilt hingegen nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die kraft Gesetzes entstehen, wie insbesondere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.7 Die Verbindlichkeiten müssen nach Abschluss des notariellen GmbH-Vertrages entstanden sein; für zuvor entstandene Verbindlichkeiten haftet der Geschäftsfüh-
3.248
1 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (133) = GmbHR 1981, 114; BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, BGHZ 91, 148 = GmbHR 1984, 316; offen gelassen noch in BGH v. 13.6.1977 – II ZR 232/75, BGHZ 69, 95 (102) = GmbHR 1977, 246; BGH v. 19.12.1977 – II ZR 202/76, BGHZ 70, 132 = GmbHR 1978, 118; BGH v. 17.3.1980 – II ZR 11/79, BGHZ 76, 320 (323) = GmbHR 1980, 179; KG Berlin v. 13.7.1995 – 2 U 5396/94, KGR Berlin 1995, 256, wobei das KG darauf hinweist, dass die Haftung nur gegenüber außenstehenden Dritten und nicht gegenüber Gründergesellschaftern eingreife; vgl. auch BGH v. 22.4.1996 – II ZR 303/94, DStR 1996, 1015. 2 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 71; Schmidt-Leithoff in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 11 GmbHG Rz. 174; K. Schmidt in Scholz, § 11 GmbHG Rz. 168; Flume, Die Personengesellschaft, S. 337; Huber in FS Hefermehl, 1976, S. 142, (144, 156). A.A. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. 92 ff. 3 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 (133) = GmbHR 1981, 114; Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 12 Rz. 25. 4 BGH v. 9.2.1970 – II ZR 182/68, BGHZ 53, 206 (208) = GmbHR 1970, 129; BGH v. 2.5.1974 – II ZR 111/71, GmbHR 1974, 153; OLG Hamburg v. 18.10.1985 – 11 U 92/85, GmbHR 1985, 230; das Reichsgericht hatte noch einen weiter gefassten Handelnden-Begriff vertreten, vgl. RG v. 22.9.1903 – II 50/03, RGZ 55, 302 (303); RG v. 19.2.1909, RGZ 70, 296 (301). 5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 26. Zweifelhaft ist daher, ob es zur Haftungsvermeidung genügt, die Komplementärin bis zur Eintragung durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen, so aber Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 3 Rz. 92 ff. 6 Vgl. nur Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 49. 7 BSG v. 28.2.1986 – 2 RU 21/85, GmbHR 1986, 228 = ZIP 1986, 645.
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§3
Gründung
rer nicht.1 Die Haftung entfällt mit der Eintragung der GmbH;2 auf die Eintragung der KG kommt es nicht an.3 3.249
Wird der Geschäftsführer von Gesellschaftsgläubigern aus § 11 Abs. 2 GmbHG in Anspruch genommen, hat er gegen die (Vor-)GmbH einen Anspruch auf Freistellung und Erstattung (§§ 611, 675, 670 BGB). Soweit der Geschäftsführer von der (Vor-)GmbH keinen Ersatz erlangen kann, richtet sich der Freistellungsanspruch gegen die Gesellschafter.4 Einstweilen frei.
3.250–3.259
B. Steuerrecht I. Ertragsteuern 1. Allgemeines 3.260
Die GmbH & Co. KG ist steuerlich als besondere Erscheinungsform der Personengesellschaft und damit als Mitunternehmerschaft anerkannt. Der Gründung einer GmbH & Co. KG liegt i.d.R. ein schriftlich geschlossener Gesellschaftsvertrag (KG-Vertrag) zugrunde, während der Gesellschaftsvertrag der KomplementärGmbH zwingend der notariellen Beurkundung bedarf (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Der Zeitpunkt des Abschlusses des KG-Vertrags ist für die steuerliche Beurteilung des Beginns einer Mitunternehmerschaft insoweit von Bedeutung, als einer von den Gesellschaftern vereinbarten Rückbeziehung des Gesellschaftsvertrags die steuerliche Anerkennung versagt wird.5 Keine Rückbeziehung, sondern nur eine Frage des tatsächlichen Geschehensablaufs ist es, wenn die Gesellschafter den KGVertrag zunächst nur mündlich schließen und diese Absprache später in einem schriftlich gefassten KG-Vertrag fixieren. Frühestmöglicher Zeitpunkt für den mündlichen Abschluss eines KG-Vertrags ist bei einer GmbH & Co. KG die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags der Komplementär-GmbH, wenn es sich um eine Neugründung handelt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist mit der VorGmbH ein Rechtsgebilde vorhanden, das ein tauglicher Komplementär ist.6
1 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 50. 2 BGH v. 16.3.1981 – II ZR 59/80, BGHZ 80, 182 = GmbHR 1981, 192; BGH v. 20.6.1983 – II ZR 200/82, GmbHR 1984, 41; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 GmbHG Rz. 176; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 11 GmbHG Rz. 29; K. Schmidt in Scholz, § 11 GmbHG Rz. 118; a.A. Huber in FS Fischer, 1979, S. 279 ff. 3 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rz. 70. 4 BGH v. 13.12.1982 – II ZR 282/81, BGHZ 86, 122 (125) = GmbHR 1983, 46. 5 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 195. 6 Vgl. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, GmbHR 1981, 114. Es handelt sich zu diesem Zeitpunkt um eine „Vor-GmbH & Co. KG“, sofern nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist (vgl. §§ 161 Abs. 2, 123 Abs. 2, 6 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB). Sonst besteht wegen der fakultativen Eintragung lediglich eine „VorGmbH GbR“ (vgl. § 105 Abs. 2 HGB).
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Geuenich
§3
Ertragsteuern
Der Beginn einer Mitunternehmerschaft wird jedoch nicht allein durch das Datum des Abschlusses des KG-Vertrags oder einen im Gesellschaftsvertrag festgelegten Zeitpunkt bestimmt. Gleiches gilt für die Eintragung einer GmbH & Co. KG in das Handelsregister. Für einkommensteuerliche Zwecke ist vielmehr entscheidend, wann die Gesellschafter erstmals eine gemeinsame gewerbliche Betätigung ausüben und dadurch die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllen.1 Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob bereits eine werbende Tätigkeit, d.h. eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, aufgenommen worden ist. Vorbereitende Tätigkeiten reichen insoweit aus. Die hiermit verbundenen Aufwendungen sind vorbereitende bzw. vorweggenommene Betriebsausgaben,2 wenn ein klar erkennbarer Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht.3 Eine mit Aufwendungen verbundene vorbereitende Tätigkeit führt auch dann zur Anerkennung von Betriebsausgaben einer Mitunternehmerschaft, wenn der Gesellschaftsvertrag der Komplementär-GmbH zu diesem Zeitpunkt noch nicht notariell beurkundet gewesen ist.4 Die zukünftigen Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, die in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit handeln und im Hinblick darauf bereits Aufwendungen tätigen, bilden bereits eine Mitunternehmerschaft, in die dann später die Komplementär-GmbH aufgenommen wird. Die Gesellschafter müssen allerdings bereits erkennbar im Interesse der GmbH & Co. KG handeln.5
3.261
Dem steuerlichen Beginn einer GmbH & Co. KG steht es nicht entgegen, dass die Gesellschafter noch nicht in der Lage sind, eine Eröffnungsbilanz der KG aufzustellen. So kann eine Gesellschaft mit steuerlicher Wirkung in Vollzug gesetzt werden, selbst wenn Bewertungsfragen bezüglich einzelner Kommanditeinlagen oder sonstiger Wirtschaftsgüter noch offen sind oder bei Fortführung des Betriebs eines Einzelunternehmens dessen Schlussbilanz noch nicht vorliegt.
3.262
Für den Beginn der Gewerbesteuerpflicht gelten Besonderheiten. Grundsätzlich wird für Personengesellschaften eine Gewerbesteuerpflicht erst angenommen, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebes vorliegen und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt oder die werbende Tätigkeit aufgenommen worden ist.6 Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit; dabei kann auch
3.263
1 Vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rz. 30 ff. 2 Vgl. BFH v. 10.12.1992 – XI R 45/88, BStBl. II 1993, 538 (542); BFH v. 7.4.1992 – VIII R 34/91, BFH/NV 1992, 797 (798). 3 Vgl. BFH v. 4.7.1990 – GrS 2/88, GrS 3/88, BStBl. II 1990, 817 (823). 4 Zivilrechtlich handelt es sich zu diesem Zeitpunkt noch um eine oHG, weil es an einem komplementärfähigen Rechtsgebilde fehlt. 5 Vorbereitende bzw. vorweggenommene Betriebsausgaben können etwa anfallen, wenn sich mehrere Personen durch mündliche Absprache zu einer Gesellschaft zusammenschließen, um zukünftig – noch vor notarieller Beurkundung der Gründung der Komplementär-GmbH – das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG zu betreiben (z.B. Anmietung eines Ladenlokals, Anschaffung von Maschinen und Geschäftseinrichtung etc.). Diese Aufwendungen sind in der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG zu berücksichtigen, obwohl diese mit der Gründungsgesellschaft nicht identisch ist; vgl. BFH v. 14.6.1988 – VIII R 252/82, BStBl. II 1988, 992 (994). 6 Vgl. BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, DStR 2004, 719 = GmbHR 2004, 685 sowie R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009.
Geuenich
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301
§3
Gründung
auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist allerdings die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit; dem Gegenstand des Unternehmens kommt nach Auffassung des BFH nur Indizcharakter zu.1 In jedem Fall muss eine GmbH & Co. KG eine mit Einkünfteerzielungsabsicht verbundene Tätigkeit aufnehmen.
2. Gründungsvarianten a) Überblick 3.264
Die Gründung einer GmbH & Co. KG kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Die steuerliche Beurteilung knüpft an die gewählte zivilrechtliche Ausgestaltung an, die ihrerseits durch wirtschaftliche Sachverhalte und Zielvorstellungen der Parteien sowie die steuerlichen Rahmenbedingungen bestimmt wird.2 Wird erstmalig ein unternehmerisches Engagement in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG begründet, kommt nur eine Neugründung – i.d.R. eine Bargründung – in Betracht. Besteht bereits ein unternehmerisches Engagement, kommt es für die Gründungsvariante auf die Rechtsform des bestehenden Unternehmens an. Handelt es sich um eine Personengesellschaft – z.B. eine oHG –, wird eine GmbH & Co. KG vielfach durch Aufnahme einer Komplementär-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin errichtet. Besteht hingegen das unternehmerische Engagement in dem Betrieb eines Einzelunternehmens und soll dieses Unternehmen künftig in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG fortgeführt werden, kann das Einzelunternehmen in eine neu zu gründende GmbH & Co. KG eingebracht oder (außerhalb der Regelungen des UmwG) als GmbH & Co. KG identitätswahrend fortgeführt werden. Ebenso haben die Gesellschafter einer bereits existenten GmbH, die in die Rechtsform einer GmbH & Co. KG wechseln soll, die Möglichkeit, durch Umwandlung (Formwechsel) die bisherige Rechtsform aufzugeben. Die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Gründungsvarianten werden nachfolgend dargestellt:3 b) Gründung durch Bareinlage
3.265
Wird eine GmbH & Co. KG durch Bareinlagen ihrer Gesellschafter gegründet, ergeben sich steuerlich keine Besonderheiten. Eine Beteiligung der KomplementärGmbH am Gesamthandsvermögen ist nicht erforderlich und in der Praxis nicht der Regelfall. Der notwendige Gesellschafterbeitrag der Komplementär-GmbH kann in der bloßen Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung für die KG bestehen.4 Nach der Rechtsprechung des BFH ist es zur Absicherung der Mitunternehmerinitiative i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht erforderlich, dass der Komplementär-GmbH zumindest eine Stimme in der 1 BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 = DStR 2004, 719 (722) = GmbHR 2004, 685. 2 Zu den zivilrechtlichen Aspekten der verschiedenen Gründungsvarianten Rz. 3.2 ff. 3 Die rechtlichen und insbesondere steuerlichen Aspekte, die sich bei der „Umwandlung“ einer GmbH in eine GmbH & Co. KG ergeben, werden gesondert unter § 11 dargestellt. 4 Vgl. Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 287 m.w.N.
302
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Geuenich
§3
Ertragsteuern
Gesellschafterversammlung eingeräumt wird.1 Hat die Komplementär-GmbH im Falle einer Beteiligung am Gesamthandsvermögen nach dem Gesellschaftsvertrag eine Bareinlage zu erbringen, ist eine Einzahlung nicht erforderlich. Gleiches gilt für die Bareinlage eines Kommanditisten. Der nicht eingezahlte Betrag ist aber nur dann als Kapital zu passivieren und die noch ausstehende Einlage als Forderung zu aktivieren, wenn die ausstehende Einlage eingefordert ist (vgl. §§ 264a Abs. 1 i.V.m. 272 Abs. 1 Satz 3 HGB). Soweit eine ausstehende Einlage nicht eingefordert ist, wird sie hingegen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abgesetzt (Nettoausweis). Stellen die Kommanditisten über ihre Kommanditeinlage hinaus der GmbH & Co. KG Darlehen zur Verfügung, sind diese in der Handelsbilanz entsprechend ihrer zivilrechtlichen Einordnung als Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern auszuweisen. In einer Gesamtbetrachtung von steuerlicher Gesamthands- und Sonderbilanz der GmbH & Co. KG bilden die Darlehen funktional Eigenkapital.2 Dieses Sonderbetriebsvermögen zählt allerdings nicht zum steuerlichen Eigenkapital (Kapitalkonto) eines Kommanditisten i.S. des § 15a EStG.3 c) Gründung durch Betriebseinbringung (Sacheinlage) Bei Gründung einer GmbH & Co. KG durch Einbringung eines Betriebs oder eines Teilbetriebs (Betriebseinbringung)4 wird das eingebrachte Betriebsvermögen in der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert5 gem. § 9 BewG angesetzt (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Abweichend davon kann das Betriebsvermögen auf Antrag auch mit dem Buchwert oder einem zwischen Buchwert und gemeinem Wert liegenden Zwischenwert angesetzt werden, soweit hinsichtlich des eingebrachten Vermögens das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Der Wertansatz in der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG einschließlich einer etwaigen Ergänzungsbilanz gilt für den einbringenden Gesellschafter als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG) und bestimmt damit, ob und in welcher Höhe der einbringende Gesellschafter einen Einbringungs- bzw. Veräußerungsgewinn erzielt. Das Bewertungs1 BFH v. 9.2.1999 – VIII R 43/98, BFH/NV 1999, 1196 (1197); BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BFH/NV 2006, 1564 (1565). Zu gesellschaftsrechtlichen Aspekten des Stimmrechtsausschlusses s. BGH v. 24.5.1993 – II ZR 73/92, GmbHR 1993, 591 = NJW 1993, 2100. 2 Der Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz (Steuerbilanz) steht ein Forderungsposten in der Sonderbilanz des Kommanditisten gegenüber; saldiert betrachtet heben sich Forderung und Verbindlichkeit gegeneinander auf. S. dazu BFH v. 22.5.1984 – VIII R 35/84, BStBl. II 1985, 243 (244); Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, 1991, S. 87 ff. 3 Vgl. BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627 = GmbHR 1997, 718; BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 = GmbHR 1991, 541. Eingehend zur Verlustausgleichsbeschränkung bei negativem Kapitalkonto Rz. 6.391 ff. 4 Dieser Gründungsvariante steht der Fall gleich, dass ein Gesellschafter in eine bereits bestehende Personengesellschaft eintritt; vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.47 lit. aa) letzter Spiegelstrich. Davon zu unterscheiden ist der bloße Gesellschafterwechsel. 5 Dazu Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 113; die Bewertung von Pensionsrückstellungen richtet sich gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG nach § 6a EStG.
Geuenich
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303
3.266
§3
Gründung
wahlrecht wird allein von der aufnehmenden Personengesellschaft ausgeübt.1 Dies kann für jeden eingebrachten Betrieb oder Teilbetrieb gesondert erfolgen.2 Der Einbringende kann sowohl unbeschränkt als auch beschränkt steuerpflichtig sein,3 weswegen für den Einbringenden bei § 24 UmwStG keine § 1 Abs. 2 UmwStG vergleichbaren Restriktionen bestehen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). 3.267
Auslegungsbedürftig ist die durch das SEStEG eingeführte Legaldefinition des Begriffs der Einbringung in § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG. Danach gelten die Regelungen zur Einbringung in Personengesellschaften neben weiteren Vorgängen nach dem UmwG „nur für“ die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge. Nach einer Auffassung im Schrifttum soll insbesondere die (teilweise) Überführung von Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters aus dem Anwendungsbereich von § 24 UmwStG grundsätzlich ausgeschlossen sein.4 Es fehle an einer insoweit erforderlichen Vermögensübertragung im Sinne einer Einzelrechtsnachfolge, wenn Wirtschaftsgüter im zivilrechtlichen Eigentum des einbringenden Gesellschafters verbleiben und der Gesellschaft lediglich schuldrechtlich zur Nutzung überlassen werden. Diese Auffassung ist im Ergebnis zu restriktiv. Für eine unveränderte Privilegierung der (teilweisen) Einbringung in das Sonderbetriebsvermögen spricht, dass mit der zwingend erforderlichen teilweisen Überführung in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG eine den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG prinzipiell eröffnende Einzelrechtsnachfolge in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gegeben ist. Im Ergebnis ist der für den Wertansatz relevante Begriff des „Betriebsvermögens“ i.S. des § 24 Abs. 2 UmwStG gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG weiter zu verstehen, weil ersterer unter Einschluss von Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters (unverändert) in einem steuerlichen und nicht in einem (engeren) zivilrechtlichen Sinne zu interpretieren ist.5 Dies entspricht auch der Sichtweise der Finanzverwaltung im Umwandlungssteuererlass.6
3.268
Für die Ausübung des Wahlrechts und damit für die in der Praxis vielfach in Anspruch genommene Buchwertverknüpfung gem. § 24 Abs. 2 UmwStG a.F. war es unstreitig ausreichend, wenn die Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder Teilbetriebs (teilweise) in das Gesamthands- und (teilweise) in das Sonderbetriebsvermögen einer GmbH & Co. KG übergingen.7 Eine ausschließliche Einbringung in das Sonder1 Vgl. BFH v. 9.12.2010 – VIII B 151/09, BFH/NV 2011, 437; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.03, 20.21 f.; Rasche in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 67; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 195. 2 Vgl. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 67; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 19. 3 Vgl. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 54; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 104. 4 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 15. 5 Ebenso Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 59; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 34 m.w.N.; Herlinghaus, FR 2007, 286 (288 ff.). 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.05. 7 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG (vor SEStEG) Rz. 93; BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98 u. v. 25.3.1998 – IV B 2 S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.06 = GmbHR 1998, 444.
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betriebsvermögen ist weder nach der aktuellen Rechtslage privilegiert, noch war sie dies gem. § 24 UmwStG a.F.1 Insofern fehlt es an einer Einbringung gegen Einräumung (oder Erweiterung) einer Mitunternehmerstellung.2 Ebenso wie für die in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG übertragenen Wirtschaftsgüter besteht auch für die im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter das Ansatzwahlrecht nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. Dies kann von der Gesellschaft nur in Übereinstimmung mit der Gesamthandsbilanz (einheitlich) ausgeübt werden, da die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter Bestandteil der Sachgesamtheit Betrieb oder Teilbetrieb sind.3 Wird der Freibetrag und der ermäßigte Steuersatz gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG (Tarifbegünstigung) angestrebt, reicht ein Ansatz zu Zwischenwerten im aufnehmenden Betriebsvermögen nicht aus. Vielmehr müssen die Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder Teilbetriebs in der Eröffnungsbilanz der Gesellschaft einschließlich etwaiger Sonderbilanzen der Gesellschafter gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG mit dem gemeinen Wert angesetzt werden. Nur wenn sämtliche stillen Reserven einschließlich derjenigen im Sonderbetriebsvermögen aufgedeckt werden, kann die Tarifbegünstigung in Anspruch genommen werden.4 Die Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven muss sich auch auf nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. einen Firmenwert, erstrecken.5 Das gesetzliche Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter gem. § 5 Abs. 2 EStG steht dem nicht entgegen.6 Die Rechtsprechung des BFH geht davon aus, dass eine Personengesellschaft im Fall der Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven den Geschäftswert im Ganzen entgeltlich (derivativ) erwirbt, also auch insoweit, als er rechnerisch dem Miteigentumsanteil des einbringenden Gesellschafters an der GmbH & Co. KG entspricht.7
3.269
Eine Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung wird durch § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG wesentlich eingeschränkt. Soweit der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden GmbH & Co. KG wird, sind die aufgedeckten stillen Reserven als laufender, nicht tarifbegünstigter Einbringungsbzw. Veräußerungsgewinn zu versteuern.8 § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG stellt bei der Betrachtung, ob eine Veräußerung an sich selbst vorliegt, nicht auf den einzelnen Gesellschafter, sondern die einbringenden Gesellschafter in ihrer gesamthän-
3.270
1 Vgl. FG Düsseldorf v. 30.4.2003 – 16 K 2934/01 E, EFG 2003, 1180. 2 Dazu Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 44; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 25; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 60. 3 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 197; Schlößer in Haritz/Menner, § 24 UmwStG Rz. 117; Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 730; BFH v. 4.5.2004 – XI R 7/03, BStBl. II 2004, 893 (894). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.15; BFH v. 24.8.2000 – IV R 51/98, BStBl. II 2005, 173 = GmbHR 2000, 1166 m. Komm. Bitz; BFH v. 21.9.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 (181) = GmbHR 2001, 79. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.15. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.03 i.V.m. Rz. 20.20. 7 Vgl. BFH v. 25.11.1980 – VIII R 32/77, BStBl. II 1981, 419 (422). 8 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.16: Keine Begünstigung „soweit der Einbringende wirtschaftlich gesehen „an sich selbst“ veräußert“.
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derischen Verbundenheit ab.1 Maßgebend für die Ermittlung der entsprechenden Beteiligungsquote ist die Beteiligung am steuerlichen Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) und nicht eine davon ggf. abweichende handelsrechtliche Gewinnbeteiligung.2 Die Einschränkung der Tarifbegünstigung soll verhindern, dass Aufwand, der aus tarifbegünstigtem Aufstockungspotential resultiert, (später) den regulär besteuerten laufenden Gewinn mindert. 3.271
Eine Anwendung des § 24 UmwStG setzt insbesondere voraus, dass der Einbringende Gesellschafter (Mitunternehmer) der aufnehmenden Personengesellschaft „wird“. Diese Voraussetzung ist unproblematisch erfüllt, wenn der Einbringende für die eingebrachte Sachgesamtheit ausschließlich eine Gutschrift auf dem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) erhält. In diesem Zusammenhang ist es unschädlich, wenn das Kapitalkonto in mehrere Unterkonten aufgegliedert ist. Insofern genügt auch die Buchung auf einem (Unter-)Kapitalkonto den genannten Anforderungen.3 Die ausschließliche Verbuchung auf einem Darlehens- oder Privatkonto, welches aus steuerlicher Sicht Fremdkapital der Gesellschaft bildet,4 führt somit insgesamt zu einer Gewinnrealisierung.5 Gleiches gilt für die ausschließliche Gutschrift auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der Gesellschaft. Von besonderer praktischer Relevanz ist die Beurteilung von „Mischfällen“. Erfolgt die Gutschrift sowohl auf einem steuerlich dem Eigenkapital zuzurechnenden Konto (Kapitalkonto I, ggf. Kapitalkonto II)6 als auch einem Fremdkapitalkonto, kommt es nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen des Schrifttums zu einer Gewinnrealisierung, soweit ein Fremdkapitalkonto der Gesellschaft berührt wird.7 Die Aufteilung erfolgt dabei nach Verwaltungsauffassung entsprechend dem Verhältnis der jeweiligen Teilleistungen (Wert der erlangten Gesellschaftsrechte einerseits und Wert der sonstigen Gegenleistung andererseits).8 Andere Teile des 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.16. 2 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 148. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.07. S. auch BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713 Rz. I.2, welches zur Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft ergangen ist. 4 Zur steuerlichen Abgrenzung verweist das BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.07 auf BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627 = GmbHR 1997, 718; vgl. ebenfalls Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 108, 61; weitere Einzelheiten können BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713 entnommen werden, welches seinerseits auf BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627 = GmbHR 1997, 718 verweist. 5 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 131; Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 384. 6 Zur steuerlichen Abgrenzung verweist BMF v. 11.11.2011 - IV C 2 – S 1978 – b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.07 auf BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627 = GmbHR 1997, 718; dazu eingehend Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 61. 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.07; Wacker, BB 1998, Beilage 8 zu Heft 26, 30. 8 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.07.
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§3
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Schrifttums halten § 24 UmwStG auch insoweit für anwendbar, als eine Verbuchung auf einem Fremdkapitalkonto erfolgt, wenn dem Einbringenden zumindest auch Gesellschaftsrechte (Mitunternehmeranteile) eingeräumt werden.1 Der BFH verneint entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung bei einer Einbringung eines Betriebs gegen Mischentgelt jedenfalls dann eine Gewinnrealisierung (bei Wahl der Buchwertfortführung), wenn die Summe aus dem Nominalbetrag der Gutschrift auf dem Kapitalkonto des Einbringenden bei der Personengesellschaft und dem gemeinen Wert der eingeräumten Darlehensforderung den steuerlichen Buchwert des eingebrachten Einzelunternehmens nicht übersteigt.2 Erfolgt die Gutschrift sowohl auf einem Eigenkapitalkonto als auch dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto der Gesellschaft, findet § 24 UmwStG auf die eingebrachte Sachgesamtheit uneingeschränkt Anwendung.3 Bei schenkweiser Übertragung eines Mitunternehmeranteils bleibt ein im Rahmen der Gründung ausgeübtes Ansatzwahlrecht nach § 24 UmwStG erhalten. Insbesondere ist die GmbH & Co. KG nicht zur Aufstockung der Wirtschaftsgüter in Höhe der stillen Reserven verpflichtet, weil der schenkweise Begünstigte die Werte, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung aus der Steuerbilanz ergeben, gem. § 6 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG fortführen muss. Verfügt der Schenker über Sonderbetriebsvermögen – etwa weil er Wirtschaftsgüter an die GmbH & Co. KG verpachtet – und überträgt dieser lediglich einen Teil seines Mitunternehmeranteils, ist es gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG unschädlich, wenn der Schenker (funktional wesentliches4) Sonderbetriebsvermögen nicht oder in geringerem Umfang (unterquotal) überträgt, als es dem übertragenen Teil des Gesamthandsvermögens entspricht.5 Der Rechtsnachfolger ist jedoch im Gegenzug verpflichtet, den übernommenen Mitunternehmeranteil für einen Zeitraum von fünf Jahren (Sperrfrist) nicht zu veräußern bzw. aufzugeben. Wird anlässlich der Teilanteilsübertragung von Gesamthandsvermögen Sonderbetriebsvermögen in größerem Umfang (überquotal) übertragen, als es dem übertragenen Teil des Anteils am Gesamthandsvermögen entspricht, unterliegt der Vorgang allein § 6 Abs. 3 EStG.6 Der BFH hat insoweit in seinem Urteil vom 2.8.20127 ausdrücklich der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen, wonach ein solcher Vorgang in eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG hinsichtlich des
1 Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 527; Endres, DStR 1998, Beilage zu Heft 17, 55; Ley, KÖSDI 1999, 12155 (12162); Rogall, DB 2007, 1215 (1218 ff.). 2 BFH v. 18.9.2013 – X R 42/10, BFH/NV 2013, 2006 = GmbHR 2013, 1325. Zudem lässt der BFH in diesem Urteil entgegen Rz. 01.47 letzter Satz des UmwSt-Erlasses eine Anwendung von § 24 UmwStG neben § 6 Abs. 3 EStG zu, wenn der Steuerpflichtige einen Betrieb in eine Mitunternehmerschaft einbringt und er zugleich Dritten unentgeltlich Mitunternehmeranteile zuwendet. 3 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 108; Schlößer in Haritz/Menner, § 24 UmwStG Rz. 77; Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 388. 4 Vgl. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, Rz. 4 ff. 5 Vgl. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, Rz. 10. 6 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFH/NV 2012, 2053 = GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann. 7 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFH/NV 2012, 2053 = GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann.
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§3
Gründung
quotalen Teils und eine Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG hinsichtlich des überquotalen Teils des Sonderbetriebsvermögens aufzuteilen sein sollte.1 3.273
Anders als bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft gem. § 20 Abs. 6 UmwStG wird bei der Einbringung in eine Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) eine Rückbeziehung der Einbringung von bis zu acht Monaten gem. § 24 Abs. 4 UmwStG nur im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge bzw. einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge zugelassen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind dies insbesondere die Verschmelzung gem. §§ 2, 39 ff. UmwG und die Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG, dagegen nicht die Einbringung eines Betriebs (Einzelunternehmen) oder eines Teilbetriebs.2 Im Falle der Einzelrechtsnachfolge ist die übliche Toleranzfrist hinsichtlich der Rückbeziehung von sechs bis acht Wochen vor dem tatsächlichen Vollzug der Einbringung durchaus anzuerkennen, wenngleich darauf kein Rechtsanspruch besteht.3 Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zum UmwStG 1969/1977. Danach kann eine Rückwirkung für kurze Zeit anerkannt werden, wenn sie nur technische Bedeutung hat und sich daraus keine steuerlichen Folgen ergeben.4 Wird ein Einzelunternehmen im Laufe eines Wirtschaftsjahrs in die GmbH & Co. KG eingebracht, endet zu diesem Zeitpunkt das Wirtschaftsjahr des bisherigen Einzelunternehmens.5 Die GmbH & Co. KG ist ihrerseits verpflichtet, zu Beginn des Rumpfwirtschaftsjahrs eine Eröffnungsbilanz zu erstellen. d) Gründung durch Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter (Sacheinlage)
3.274
Die Kommanditisten können ihre Einlage auch durch Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter (Sacheinlagen) auf die GmbH & Co. KG erbringen. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Wirtschaftsgut aus dem Privat- oder dem Betriebsvermögen eines Kommanditisten stammt.
3.275
Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (außerhalb von Veräußerungsgeschäften) handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH,6 der sich die Finanzverwaltung angeschlos1 Vgl. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, Rz. 16. 2 Dem Katalog in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.47 ist zu entnehmen, wann aus Sicht der Finanzverwaltung eine Einzel- bzw. eine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt. Abweichend von den zivilrechtlichen Rechtsfolgen wird die Anwachsung gem. Rz. 01.47 lit. aa) letzter Spiegelstrich als Einzelrechtsnachfolge eingestuft (so auch schon BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.01d). Dies ist vor dem Hintergrund des damit verbundenen Ausschlusses einer steuerlichen Rückwirkungsmöglichkeit nach § 24 Abs. 4 UmwStG zu sehen (vgl. dazu Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 163). 3 Schlößer in Haritz/Menner, § 24 UmwStG Rz. 93, hält eine Rückbeziehung im Rahmen einer „kurzen Zeitspanne“ von drei Monaten für zulässig, wenn sie der „technischen Vereinfachung der Besteuerung dient“. Vgl. dazu auch BFH v. 21.3.2002 – IV R 1/01, BStBl. II 2002, 519. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 149 bemisst die angeführte kurze Zeitspanne mit ca. vier bis sechs Wochen. 4 BFH v. 23.1.1986 – IV R 335/84, BStBl. II 1986, 623 (624) = GmbHR 1986, 448. 5 Vgl. H 4a EStH 2014, „Umwandlung“. 6 BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 (232) = GmbHR 1990, 430; BFH v. 24.1. 2008 – IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 = GmbHR 2008, 548 m. Komm. Hoffmann; BFH v.
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sen hat,1 nicht um eine Einlage gem. §§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern um einen tauschähnlichen Vorgang, bei dem das übertragene Wirtschaftsgut mit seinem gemeinen Wert anzusetzen ist.2 Eine Einlage im genannten Sinne soll nach Auffassung der Finanzverwaltung nur im Falle einer verdeckten Einlage vorliegen.3 Übersteigt der Wert des übertragenen Wirtschaftsguts die gewährten Gesellschaftsanteile, ist die Übertragung in einen (entgeltlichen) tauschähnlichen Vorgang und eine (unentgeltliche) verdeckte Einlage aufzuteilen.4 Soweit eine Einlage vorliegt, ist das übertragene Wirtschaftsgut mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Der Wertansatz ist auf die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist oder es sich um einen Anteil i.S. von § 17 EStG handelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b EStG). Bei einem tauschähnlichen Vorgang ist dagegen stets der gemeine Wert maßgeblich. Die Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts aus einem (weiteren) Betriebsvermögen eines Kommanditisten außerhalb von Veräußerungsgeschäften ist nach Maßgabe von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG unter zwingender Fortführung des Buchwerts unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in der jetzigen Form seit dem VZ 2001 steuerneutral möglich.5 Werden von der aufnehmenden GmbH & Co. KG gleichzeitig Verbindlichkeiten übernommen, soll es jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung an einer unentgeltlichen oder (allein) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgenden Übertragung fehlen, so dass die Übertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen sei.6 Nach der Rechtsprechung des BFH führt die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens dagegen nicht zur Gewinnrealisierung, wenn das Entgelt nicht den Buchwert übersteigt.7 Der Herkunft nach ist sowohl die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter aus einem Betriebsvermögen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG als auch aus einem Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG privilegiert. Die Wirtschaftsgüter können in das Gesamthandsvermögen der aufnehmenden GmbH & Co. KG übertragen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG) oder in das Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten überführt werden (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Wird das steuerneutral zum Buchwert übertragene oder überführte Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren veräußert oder entnommen, ist gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung das Wirtschaftsgut
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24.1.2008 – IV R 66/05, BFH/NV 2008, 1301; BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 = GmbHR 2009, 48 m. Komm. Meilicke. BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462 = GmbHR 2000, 589; BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713. Vgl. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG. BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462 Ziff. II.1. b) = GmbHR 2000, 589. BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462 Ziff. II.1. c) = GmbHR 2000, 589; BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, 2011/0524044 Ziff. II 2. d), BStBl. I 2011, 713. Zu § 6 Abs. 5 EStG Rz. 11.301 ff. BMF v. 7.6.2001 – IV A 6 - S 2241 - 52/01, BStBl. I 2001, 367 Ziff. 4 f. = GmbHR 2001, 686; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6-S 2241/10/10002, 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15; s. ferner BMF v. 12.10.1994 – IV B 2 - S 2241 - 51/94, FR 1994, 797 = BB 1994, 2318. BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, GmbHR 2012, 1193 = BFH/NV 2012, 1880.
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Gründung
mit seinem Teilwert anzusetzen. In diesem Fall entsteht im abgebenden (ursprünglichen) Betriebsvermögen ein Veräußerungsgewinn,1 dem im aufnehmenden Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG höhere Anschaffungskosten gegenüberstehen; damit sind im Falle einer Veräußerung oder Entnahme nur die während der Besitzzeit der GmbH & Co. KG gebildeten stillen Reserven von deren Gesellschaftern zu versteuern. Diese Rechtsfolge wird vermieden, wenn die bis zur Übertragung auf die GmbH & Co. KG entstandenen stillen Reserven durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet werden (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 Alt. 2 EStG), d.h. der Teilwertansatz in der Gesamthandsbilanz der GmbH & Co. KG durch eine negative Ergänzungsbilanz neutralisiert wird.2 Nur durch den Teilwertansatz in der Gesamthandsbilanz und die negative steuerliche Ergänzungsbilanz ist eine persönliche Zuordnung der stillen Reserven sichergestellt. Die vorgenannte Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem die Übertragung erfolgt ist. Insoweit ist die einheitliche und gesonderte Feststellung der aufnehmenden GmbH & Co. KG nicht maßgeblich. 3.277
Das übertragene Wirtschaftsgut ist darüber hinaus (quotal) mit dem Teilwert anzusetzen, soweit mit der Übertragung der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG). Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft als Komplementärin oder Kommanditistin am Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG beteiligt wird. Das übertragene Wirtschaftsgut ist auch dann rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Übertragung mit dem Teilwert anzusetzen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb von sieben Jahren nach Übertragung auf die GmbH & Co. KG (weitere Sperrfrist) der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG). Zu denken ist insbesondere an den Verkauf eines Gesellschaftsanteils an eine Kapitalgesellschaft, den Eintritt oder die Erhöhung der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft (Komplementärin oder Kommanditistin) oder den Formwechsel einer als Kommanditistin beteiligten Personengesellschaft.3 Darüber hinaus soll die genannte Rechtsfolge auch bei einem Formwechsel der GmbH & Co. KG selbst eintreten (s. Rz. 11.358).4 e) Aufnahme einer Komplementär-GmbH
3.278
Die Aufnahme einer Komplementär-GmbH erfolgt i.d.R. zum Zwecke der Haftungsbegrenzung der persönlich haftenden Gesellschafter einer oHG oder einer sog. klassischen KG. Eine Beteiligung der Komplementär-GmbH am Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG ist nicht erforderlich und häufig nicht ge1 Ein Veräußerungsgewinn kann unter den Voraussetzungen des § 6b EStG steuerfrei übertragen oder durch eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage neutralisiert werden, vgl. Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 717. 2 Ehmcke in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG Rz. 1356; van Lishaut, DB 2001, 1519 (1524). 3 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 726 m.w.N. 4 S. ferner van Lishaut, DB 2000, 1784 (1787).
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Ertragsteuern
wünscht. Den Beitritt einer am Vermögen nicht beteiligten Komplementär-GmbH können die Vertragsparteien unterschiedlich ausgestalten: Einerseits besteht die Möglichkeit, eine bestehende Personengesellschaft identitätswahrend als GmbH & Co. KG fortzuführen. Es handelt sich dabei um keinen Vorgang auf der Grundlage des UmwG. Eine nicht am Vermögen beteiligte GmbH tritt als Gesellschafterin hinzu und die bisher persönlich haftenden Gesellschafter wechseln in die Kommanditistenstellung. Deren Gesellschaftsanteile werden, ohne dass ein Übertragungsakt vorliegt oder erforderlich wäre, handels- und steuerbilanziell mit ihren Buchwerten fortgeführt.1 Nach Auffassung der Finanzverwaltung finden die Regelungen des UmwStG auf einen derartigen Vorgang keine Anwendung; insoweit fehle es an einem Übertragungsvorgang.2 Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile in eine neu gegründete GmbH & Co. KG einbringen und das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB anwächst (erweiterte Anwachsung). Ein solcher Vorgang fällt nach Auffassung des überwiegenden Schrifttums3 und der Finanzverwaltung4 in den Anwendungsbereich des UmwStG und eröffnet damit insbesondere ein Ansatzwahlrecht für das übergehende Betriebsvermögen. Hieran hat sich auch durch die mit dem SEStEG5 eingeführte Legaldefinition der Einbringung in § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG nichts geändert. Die an diese Definition anknüpfende Gegenauffassung,6 wonach der Übergang von Gesellschaftsvermögen (Betriebsvermögen), der sich kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Anwachsung gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB vollzieht, nicht im abschließenden Katalog der privilegierten Übertragungsvorgänge gem. § 1 Abs. 3 UmwStG genannt sei, ist im Ergebnis zu restriktiv. Für eine unveränderte Privilegierung der Einbringung mit anschließender, daraus resultierender Anwachsung des Betriebsvermögens spricht, dass sich der der Anwachsung unmittelbar vorangehende Übertragungsakt im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzieht und somit ein den Anwendungsbereich des UmwStG prinzipiell eröffnender Einbringungsvorgang gem. § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG vorliegt.7 Dies entspricht zudem dem Verständnis der Einbringung bei § 24 UmwStG a.F., wonach unter „Einbringung“ im engeren Sinne
1 BFH v. 23.5.1985 – IV R 210/83, BStBl. II 1985, 695 (696 ff.); BFH v. 21.6.1994 – VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856 (857 ff.) = GmbHR 1995, 238. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.47; hinsichtlich des Beitritts einer am Vermögen nicht beteiligten GmbH spielt eine Anwendbarkeit von § 24 UmwStG ohnehin keine Rolle, weil es insoweit zu keiner Aufdeckung stiller Reserven kommt. 3 Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 56; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 9; siehe auch Rz. 11.392. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.47. 5 Vgl. Art. 6, 14 des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 6 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 14. 7 Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 56. S. auch Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 39 ff.
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Gründung
die Übertragung der Gesellschaftsanteile und nicht die daraus resultierende Anwachsung verstanden wurde.1 3.279
Eine Anwendung von § 24 UmwStG eröffnet den bisherigen Gesellschaftern die Möglichkeit, ihren Mitunternehmeranteil unter den genannten Voraussetzungen zum Buch- oder einem Zwischenwert, ansonsten grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, in die neu gegründete GmbH & Co. KG einzubringen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das damit verbundene Ansatzwahlrecht wird allein von der aufnehmenden Personengesellschaft ausgeübt.2 Erfolgt die Einbringung zum gemeinen Wert, ist ein daraus resultierender Einbringungs- bzw. Veräußerungsgewinn gem. § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG als laufender, nicht tarifbegünstigter Gewinn einzustufen, da sich die Beteiligungsquote des Einbringenden an der GmbH & Co. KG gegenüber seiner bisherigen Beteiligungsquote an der Personengesellschaft nicht ändert.3 Die Einbringung zu einem Zwischenwert ist gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG prinzipiell nicht tarifbegünstigt.
3.280
Soll die Komplementär-GmbH hingegen am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt sein, scheidet die Möglichkeit einer identitätswahrenden Fortführung der Gesellschaft aus. Wegen der Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse besteht keine Identität zwischen der ursprünglichen Personengesellschaft und der GmbH & Co. KG. Durch Hinzutreten der Komplementär-GmbH entsteht eine „neue“ und „vergrößerte“ Personengesellschaft,4 womit hinsichtlich der verbleibenden Beteiligung der Gesellschafter ein – von der aufnehmenden Personengesellschaft auszuübendes – Ansatzwahlrecht gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG besteht. Eine Vermögensbeteiligung der Komplementär-GmbH lässt sich einerseits erreichen, indem die bisher persönlich haftenden Gesellschafter einer oHG oder die Komplementäre und Kommanditisten einer klassischen KG im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten eine Komplementär-GmbH gründen oder erwerben und in diese einen Teil ihres Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) gem. § 20 Abs. 1 UmwStG einbringen.5 Im Zuge dessen wechseln die bisher persönlich haftenden Gesellschafter in die Kommanditistenstellung. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Komplementär-GmbH einen Gesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) entgeltlich erwirbt oder gegen Bar- oder Sacheinlage eingeräumt erhält.
3.281
Die Beteiligung einer Komplementär-GmbH am Vermögen einer GmbH & Co. KG durch Veräußerung sowie gegen Bar- oder Sacheinlage ist – abgesehen von Sonderfällen – unüblich und kann mit steuerlichen Nachteilen verbunden sein. Veräußert ein Gesellschafter einen Teil seines Gesellschaftsanteils an die KomplementärGmbH, entsteht für den veräußernden Gesellschafter ein Veräußerungsgewinn 1 Vgl. BFH v. 21.6.1994 – VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856, II.2.a) = GmbHR 1995, 238; BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 24.01d) = GmbHR 1998, 444. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.03 i.V.m. Rz. 20.21; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 67; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 195. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.16. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.47. 5 § 20 UmwStG findet auch Anwendung, wenn ein Mitunternehmer lediglich einen Teil seines Mitunternehmeranteils einbringt, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 20.11.
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gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dieser Veräußerungsgewinn ist nur dann gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG tarifbegünstigt, wenn der veräußernde Gesellschafter seinen ihm verbleibenden Gesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) zum gemeinen Wert in die „neue“ und „vergrößerte“ GmbH & Co. KG einbringt.1 Im Falle einer Einbringung des verbleibenden Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) zum Buch- oder Zwischenwert, ist gem. § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG keine Tarifbegünstigung zu gewähren. Eine Veräußerung im genannten Sinne kann nach Auffassung der Finanzverwaltung auch vorliegen, wenn die Bareinlage eines hinzutretenden Gesellschafters zunächst in das Betriebsvermögen einer GmbH & Co. KG übergeht, aber später entnommen wird.2 Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise könnte sich nämlich ergeben, dass die Zuführung zum Betriebsvermögen und die anschließende Entnahme der Bareinlage durch die bisherigen Gesellschafter (Altgesellschafter) nach den Vereinbarungen der Parteien den gleichen wirtschaftlichen Gehalt hat, wie eine unmittelbare Zahlung in das Privatvermögen der Altgesellschafter. Dies soll insbesondere gelten, wenn die Altgesellschafter im Anschluss an die Einbringung größere Entnahmen vornehmen dürfen und bei der Bemessung ihres Gewinnanteils auf ihre ihnen dann noch verbleibenden Kapitalanteile abgestellt wird.3 Eine solche Sichtweise ist allenfalls dann angezeigt, wenn der Einbringungs- oder der Gesellschaftsvertrag bezüglich der vorgenannten Problematik eindeutige (spezielle) Regelungen enthält. Eine im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG getroffene allgemeine Regelung, wonach ein Gesellschafter höhere Entnahmen vornehmen darf, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme einer Ausgleichszahlung in das Privatvermögen eines Gesellschafters. Da Entnahmen eines Gesellschafters, die über den Bestand des jeweiligen Kapitalkontos hinausgehen, regelmäßig eine (ggf. verzinsliche) Ausgleichs- bzw. Nachschusspflicht begründen, kann dieses Darlehensverhältnis auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Ausgleichszahlung zu Gunsten eines Gesellschafters darstellen. Gleiches gilt für eine zeitliche Koinzidenz zwischen Einbringung und erhöhten Entnahmen.4 Eine in das Privatvermögen des Altgesellschafters geleistete Zahlung kann indes vorliegen, wenn dieser für einen festgelegten Zeitraum einen Vorabgewinn erhält, der bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ratenweise Zahlung eines Veräußerungsentgelts zu werten ist.5
3.282
Entspricht der von der Komplementär-GmbH entrichtete Kaufpreis oder deren Baroder Sacheinlage nicht dem Wert des übernommenen Gesellschaftsanteils unter Berücksichtigung der überspringenden stillen Reserven, d.h. des Nominalbetrags zzgl. eines angemessenen Agios, kommt es zu einer Gewinnrealisierung bei den Altgesellschaftern und korrespondierend zu einer verdeckten Einlage in die KomplementärGmbH, wenn die Kommanditisten Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind.
3.283
1 BFH v. 21.9.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 (180 ff.) = GmbHR 2001, 79; zustimmend BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.12; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 66. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.11. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.11. 4 Vgl. dazu auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 145; Schlößer in Haritz/Menner, § 24 UmwStG Rz. 154. 5 Vgl. FG München v. 30.11.1989 – 16 K 10133/81, EFG 1990, 319.
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Ist ein Kommanditist an der Komplementär-GmbH nicht beteiligt, kann insoweit eine Schenkung an die Gesellschafter der Komplementär-GmbH vorliegen.1 Die verdeckte Einlage auf Ebene der Komplementär-GmbH hat zur Folge, dass für die betroffenen Kommanditisten in Höhe des Betrags der verdeckten Einlage (nachträgliche) Anschaffungskosten auf ihre GmbH-Anteile entstehen. Dies führt im Falle einer späteren Veräußerung der Komplementär-GmbH zu einem entsprechend geminderten Veräußerungsgewinn. Der Wert der verdeckten Einlage berücksichtigt die stillen Reserven unter Einschluss eines (originären) Firmen- oder Geschäftswerts.2
3. Einzelfragen – Berechnungsbeispiel a) Gewinnrealisierung und Gewinnneutralisierung 3.284
Bei der Einbringung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils gem. § 24 UmwStG steht der aufnehmenden GmbH & Co. KG ein Ansatzwahlrecht hinsichtlich des Ansatzes des eingebrachten Betriebsvermögens zu. Das eingebrachte Betriebsvermögen kann unter den genannten Voraussetzungen auf Antrag der Gesellschaft mit dem Buch- oder einem Zwischenwert, ansonsten grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, angesetzt werden (§ 24 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UmwStG). Der Wertansatz der Sacheinlage in der Steuerbilanz der GmbH & Co. KG einschließlich der (steuerlichen) Ergänzungsbilanzen gilt für den Einbringenden gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG als Veräußerungspreis für das übertragene Betriebsvermögen. Der einbringende Gesellschafter erzielt nur dann einen Einbringungs- bzw. Veräußerungsgewinn, wenn das Betriebsvermögen mit einem über dem Buchwert liegenden Wert angesetzt wird. Eine Gewinnrealisierung wird vermieden, wenn das eingebrachte Betriebsvermögen in der Gesamthandsbilanz handelsbilanziell zum gemeinen Wert (Aufstockung), steuerlich jedoch durch Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz zu Buchwerten eingebracht wird (Abstockung). Diese Gestaltung ist für die Praxis äußerst bedeutsam.3
3.285
Ist eine Gewinnrealisierung gewollt, kann das eingebrachte Betriebsvermögen mit einem über dem Buchwert liegenden Wert, gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG höchstens mit dem gemeinen Wert angesetzt werden. Ob ein daraus resultierender Veräußerungsgewinn gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG tarifbegünstigt ist, unterliegt in mehrfacher Hinsicht Restriktionen. 1 Nach BFH v. 12.7.2005 – II R 8/04, BStBl. II 2005, 845 = GmbHR 2005, 1575 sollte diese Rechtsfolge nur eintreten, wenn die Übertragung von Vermögen auf die GmbH und der Erwerb der Beteiligung an der GmbH ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, wohingegen ohne ein solches einheitliches Rechtsgeschäft die bloße Werterhöhung des Geschäftsanteils eines GmbH-Gesellschafters nicht zu einer Schenkung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führe. Gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kann nunmehr allerdings auch die bloße Werterhöhung eines Geschäftsanteils als Schenkung gelten. 2 BFH v. 24.7.1996 – I R 113/95, BFH/NV 1997, 214 (215) = GmbHR 1997, 222; BFH v. 24.3. 1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705. S. auch OFD Düsseldorf v. 22.6.1988 – S 1978 A - St 13 H/S 2243 A - St 116, GmbHR 1988, 412. Zum umgekehrten Fall einer vGA der Komplementärin an ihre Gesellschafter vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 136 ff.; Briese, GmbHR 2005, 207. 3 Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 217; vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.14.
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Die angeführte Tarifbegünstigung setzt gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG eine Einbringung zum gemeinen Wert voraus, womit Einbringungen zu einem Zwischenwert generell nicht privilegiert sind. Neben der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs fordert § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG darüber hinaus die vollständige Einbringung eines Mitunternehmeranteils. Schließlich erfährt die vorgenannte Tarifbegünstigung durch § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG eine wesentliche Einschränkung. Soweit der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden GmbH & Co. KG wird, sind die aufgedeckten stillen Reserven als laufender, nicht tarifbegünstigter Einbringungs- bzw. Veräußerungsgewinn zu versteuern.1 Maßgebend für die Ermittlung der entsprechenden Beteiligungsquote ist nicht die handelsrechtliche Gewinnbeteiligung, sondern – soweit davon verschieden – die Beteiligung am steuerlichen Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG.2 Bei der Betrachtung, ob eine Veräußerung an sich selbst vorliegt, ist nach dem Umwandlungssteuererlass nicht auf den einzelnen Gesellschafter, sondern auf die einbringenden Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit abzustellen.3 Demnach gilt der Gewinn insoweit als laufender Gewinn, als der Einbringende seine Mitberechtigung an den Wirtschaftsgütern des eingebrachten Betriebsvermögens im Betriebsvermögen der aufnehmenden Personengesellschaft behält.4 Die Beschränkung der Tarifbegünstigung gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG soll verhindern, dass Aufwand, der aus tarifbegünstigtem Aufstockungspotenzial resultiert, (später) den regulär besteuerten laufenden Gewinn mindert. Im Ergebnis ist die Einbringung einer Sachgesamtheit, d.h. eines Betriebs, Teilbetriebs oder des gesamten Anteils eines Mitunternehmers, nur noch dann gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG tarifbegünstigt, wenn diese zum gemeinen Wert erfolgt und soweit der Einbringende nicht Mitunternehmer der übernehmenden GmbH & Co. KG wird. Privilegiert ist damit insbesondere die teilweise Einbringung auf Rechnung eines neu hinzutretenden Gesellschafters (Mitunternehmers),5 da hinsichtlich des gesamten Mitunternehmeranteils sämtliche stillen Reserven aufgedeckt werden.6 Die Restriktionen gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG und gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG greifen nicht, da sämtliche stillen Reserven aufgedeckt werden. Aus den genannten Gründen ist die Einbringung des verbleibenden Mitunternehmeranteils auf eigene Rechnung nicht begünstigt.
3.286
Erhält der Einbringende von einem neu hinzutretenden Gesellschafter (Mitunternehmer) eine Ausgleichszahlung, die nicht in das Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG, sondern unmittelbar in das Privatvermögen7 des Einbringenden erfolgt, liegt eine Gestaltung vor, die die Tatbestände der Einbringung und der Veräußerung
3.287
1 2 3 4
Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.16. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 248. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.16. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 148; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 248. A.A. Schlößer in Haritz/Mennert, § 24 UmwStG Rz. 176 ff. 5 BFH v. 21.9.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 (180) = GmbHR 2001, 79. 6 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 66. 7 Eine Ausgleichszahlung in das Privatvermögen liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls vor, wenn zugunsten der bisherigen Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft getilgt wird. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.09.
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Gründung
miteinander verbindet.1 Nach der Rechtsprechung des BFH,2 der sich die Finanzverwaltung ausdrücklich angeschlossen hat,3 ist bei einer Einbringung und teilweisen Veräußerung zum gemeinen Wert die Tarifbegünstigung der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG auch insoweit zu gewähren, als eine Zuzahlung in das Privatvermögen des Einbringenden erfolgt. Soweit der Einbringende an der neu formierten GmbH & Co. KG selbst beteiligt ist, gelten die Restriktionen des § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG und des § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG. Die hinsichtlich seiner eigenen Beteiligung aufgedeckten stillen Reserven gelten als laufender Gewinn, stehen allerdings einer Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG im Übrigen nicht entgegen. Beispiel 3.288
Sonne betreibt ein gewerbliches Einzelunternehmen und möchte in dieses einen Partner, Engel, aufnehmen. Das Unternehmen soll in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG unter der Firma „Sonne & Engel GmbH & Co. KG“ fortgeführt werden. Die Komplementär-GmbH soll am Gesamthandsvermögen nicht beteiligt sein. Sonne will Engel gegen Bareinlage in Höhe der Summe aus Buchkapital und stillen Reserven zzgl. Firmen- und Geschäftswert in das Unternehmen aufnehmen, so dass auf beide Gesellschafter gleich hohe Kapitalkonten und Gewinnanteile entfallen. Sonne verpflichtet sich, sein Unternehmen in die Gesellschaft einzubringen. Engel verpflichtet sich zu einer Bareinlage in der angegebenen Höhe. Die Gründung erfolgt zum 1.1.2014. Das Einzelunternehmen des Sonne stellt zum 31.12.2013 folgende Schlussbilanz auf: Einzelunternehmen Sonne 31.12.2013 (T Euro) AV UV FGW
600 400 –
(400) (100) (200)
1 000
(700)
Kap. Vbl.
300 700 1 000
Auf das Anlagevermögen entfallen stille Reserven in Höhe von 400 000 Euro, auf das Umlaufvermögen in Höhe von 100 000 Euro. Der selbst geschaffene (originäre) Firmen- und Geschäftswert beträgt 200 000 Euro. Der GmbH & Co. KG stehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten für ihre Eröffnungsbilanz zum 1.1.2014 zur Verfügung: 1. Alternative: Sonne & Engel GmbH & Co. KG 1.1.2014 (T Euro) AV UV Einlageford. gegen Engel
600 400 1 000 2 000
Kap. Sonne Kap. Engel Vbl.
650 650 700 2 000
Engel hat mit 1 Mio. Euro eine Einlageverpflichtung übernommen, die sein Kapitalkonto um 350 000 Euro übersteigt. Er hat in dieser Höhe Mehrwerte in Form von stillen Reserven und 1 Da die Zuzahlung sich in derartigen Fällen aus Sicht der Altgesellschafter als Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an einen Dritten darstellt, sind diese „Zuzahlungsfälle“ nicht mit einer Einbringung gegen Mischentgelt i.S. des BFH-Urteils v. 18.9.2013 (X R 42/10, GmbHR 2013, 1325 = BFH/NV 2013, 2006) vergleichbar, s. Roderburg/Rode, SteuK 2014, 111; Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 521. 2 BFH v. 21.9.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 = GmbHR 2001, 79. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 24.12.
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Ertragsteuern
einem Anteil am Firmen- und Geschäftswert erworben. Diese Mehrwerte sind in einer positiven Ergänzungsbilanz des Engel zum 1.1.2014 wie folgt auszuweisen: Ergänzungsbilanz Engel 1.1.2014 (T Euro) AV UV FGW
200 50 100
Mehrkap.
350
350
350
Bei dieser Bilanzierung ergibt sich für Sonne ein Veräußerungsgewinn i.H.v. 350 000 Euro (650 000 Euro ./. 300 000 Euro), der nicht gem. §§ 34, 16 Abs. 4 EStG tarifbegünstigt ist, weil Sonne sein Einzelunternehmen nicht zum gemeinen Wert eingebracht hat. Das Abschreibungsvolumen ergibt sich für Sonne nur aus der Gesamthandsbilanz. Für Engel ergibt sich zusätzliches Abschreibungsvolumen aus seiner Ergänzungsbilanz. Die Entstehung eines nicht tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns kann Sonne durch Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz vermeiden. Ergänzungsbilanz Sonne 1.1.2014 (T Euro) Mindkap.
350
AV UV FGW
200 50 100
350
350
2. Alternative: Sonne & Engel GmbH & Co. KG 1.1.2014 (T Euro) AV UV FGW Einlageford. gegen Engel
1 000 500 200 1 000
Kap. Sonne Kap. Engel
1 000 1 000
Vbl.
700
2 700
2 700
Eine Ergänzungsbilanz für Engel ist nicht zu bilden, da die von ihm zu erbringende Einlage durch die Werte in der Gesamthandsbilanz voll abgedeckt ist. Bei dieser Bilanzierung erzielt Sonne einen Veräußerungsgewinn von 700 000 Euro (1 Mio. ./. 300 000), der gem. §§ 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG, 34 Abs. 1, Abs. 3 EStG mit 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes tarifbegünstigt ist. Möchte Sonne in der 2. Alternative keinen Veräußerungsgewinn erzielen, kann er dies ebenfalls durch Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz vermeiden. Im Ergebnis bringt Sonne – wie in der 1. Alternative – sein Einzelunternehmen zu Buchwerten ein. Ergänzungsbilanz Sonne 1.1.2014 (T Euro) Minderkap.
700
AV UV FGW
400 100 200
700
700
b) Gründungskosten Bei den Gründungskosten muss unterschieden werden zwischen Kosten, die die Gründung der Komplementär-GmbH betreffen, und solchen Kosten, die durch die Gründung der GmbH & Co. KG verursacht worden sind. Die Gründungskosten Geuenich
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3.289
§3
Gründung
der Komplementär-GmbH – z.B. Kosten für die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags – sind nur bei dieser abzugsfähig und keine Betriebsausgaben der GmbH & Co. KG.1 Selbst wenn die Komplementär-GmbH – wie i.d.R. üblich – ausschließlich zum Zwecke der Übernahme der persönlichen Haftung in der GmbH & Co. KG gegründet worden ist, sind die bei ihr anfallenden Gründungskosten nicht Sonderbetriebsausgaben und können nicht im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG erfasst werden. Gründungskosten der Komplementär-GmbH sind ebenso wie laufender Aufwand, beispielsweise Jahresabschluss- und Steuerberatungskosten oder IHK-Beiträge, nicht als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen. Diese Kosten sind nicht unmittelbar durch die Beteiligung an der GmbH & Co. KG veranlasst.2 In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob diese Kosten der Komplementär-GmbH von der GmbH & Co. KG erstattet werden.3 In der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG ist eine solche Erstattung als Vorabgewinn der Komplementär-GmbH zu behandeln.4 3.290
Wird die GmbH & Co. KG durch Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils gegründet, mindern die dem einbringenden Gesellschafter entstehenden Kosten, wie etwa Beratungskosten oder Kosten der Einbringungsbilanz, den entstehenden Einbringungs- oder Veräußerungsgewinn.5 Bei Fortführung der Buchwerte entsteht in Höhe der Einbringungskosten des Überträgers ein Einbringungsverlust.6 Einstweilen frei.
3.291–3.300
II. Umsatzsteuer 1. Ausgangspunkt 3.301
Die verschiedenen Gründungsvarianten sind auch für die umsatzsteuerliche Beurteilung des Einbringungsvorganges von Bedeutung. Dabei ist zunächst zu beachten, dass für Zwecke der Umsatzsteuer – im Gegensatz zum Ertragsteuerrecht – die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter getrennte Steuersubjekte sind. Eine steuerliche Mitunternehmerschaft gibt es im Umsatzsteuerrecht nicht. Daher ist bei der Frage nach umsatzsteuerrelevanten Tatbeständen bei der Gründung der GmbH & Co. KG zwischen Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft einerseits und zwischen Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter andererseits zu unterscheiden. 1 BFH v. 1.8.1968 – IV 324/65, BStBl. II 1968, 678. Die Abzugsfähigkeit bei der GmbH setzt voraus, dass sie nach der Satzung zur Kostenübernahme verpflichtet ist. 2 BFH v. 1.8.1968 – IV 324/65, BStBl. II 1968, 678; BFH v. 18.5.1995 – IV R 46/94, BStBl. II 1996, 295 = GmbHR 1995, 913. 3 BFH v. 1.8.1968 – IV 324/65, BStBl. II 1968, 678; BFH v. 18.5.1995 – IV R 46/94, BStBl. II 1996, 295 = GmbHR 1995, 913. 4 Vgl. Korn, Steuerberaterkongressreport 1975, 221 (237). 5 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 243; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG Rz. 130; Ohde in Haase/Hruschka, UmwStG, 2012, § 24 UmwStG Rz. 52. 6 Vgl. Nitzschke in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 24 UmwStG Rz. 83.
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Helde
§3
Umsatzsteuer
2. Einbringung von Vermögensgegenständen durch die Gesellschafter Bei Gründung der GmbH & Co. KG leisten die Gesellschafter entweder eine Baroder eine Sacheinlage. Bei der Bargründung einer GmbH & Co. KG fehlt es an einer steuerbaren Leistung der Gesellschafter. Im Rahmen einer Sachgründung ist eine steuerbare Leistung durch die Gesellschafter hingegen denkbar: Bringen die Kommanditisten z.B. einen Mitunternehmeranteil in die GmbH & Co. KG zum Erwerb der Kommanditeinlage ein, ist dann ein steuerbarer Umsatz (tauschähnlicher Umsatz) gegeben, wenn die genannten Beteiligungen aus einem Betriebsvermögen des einbringenden Kommanditisten stammen (unternehmerischer Bereich). Kommen die Beteiligungen hingegen umsatzsteuerlich aus dem nichtunternehmerischen Bereich (i.d.R. Privatvermögen), fehlt es an einer steuerbaren Leistung. Denn das bloße Halten eines Mitunternehmeranteils stellt keine unternehmerische Tätigkeit dar. Das Gleiche gilt für die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter; auch hier ist die Einbringung nur umsatzsteuerbar, wenn das Wirtschaftsgut aus einem Betriebsvermögen des Kommanditisten – seinem Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen) oder seinem Sonderbetriebsvermögen – stammt.
3.302
Werden einzelne Wirtschaftsgüter in die GmbH & Co. KG nicht eingebracht, sondern ihr nur zur Nutzung überlassen, ist wie folgt zu differenzieren:1 Erhält der Gesellschafter für die Überlassung des Wirtschaftsgutes ein gesondertes Nutzungsentgelt (z.B. Miete), ist der Gesellschafter hinsichtlich der Überlassung des Wirtschaftsgutes als Unternehmer anzusehen, so dass ein unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallender Leistungsaustausch gegeben ist.2 Ein Leistungsaustausch kann auch dann vorliegen, wenn der Gesellschafter der GmbH & Co. KG z.B. einen Pkw mietweise überlässt, diesen aber ausschließlich selbst nutzt.3
3.303
Überlässt der Gesellschafter der GmbH & Co. KG indes ein Wirtschaftsgut zur Nutzung, ohne dass er hierfür ein gesondertes Entgelt erhält, ist die Nutzungsüberlassung vielmehr mit seinem Gewinnanteil an der Gesellschaft abgegolten, ist der Gesellschafter nicht als Unternehmer tätig. Ein steuerbarer Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt damit nicht vor. Erhält der Gesellschafter aufgrund der Nutzungsüberlassung einen Gewinnvorab, so liegt auch hierin kein gesondertes Entgelt außerhalb der Gewinnbeteiligung.4 In diesem Falle ist der Gesellschafter ebenfalls nicht als Unternehmer tätig.
3.304
Bringt ein Kommanditist einen Betrieb oder Teilbetrieb5 in die GmbH & Co. KG ein und erhält er dafür Gesellschaftsanteile an der aufnehmenden GmbH & Co. KG, liegt zwar ein tauschähnlicher Umsatz vor, jedoch unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nicht der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1a UStG). Eine solche nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist auch dann gegeben, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen von dem Kommanditisten nicht
3.305
1 S. auch Abschn. 1.6. Abs. 3 UStAE. 2 BFH v. 7.11.1991 – V R 116/86, BStBl. II 1992, 269; BFH v. 16.3.1993 – XI R 52/90, BStBl. II 1993, 562. 3 BFH v. 16.3.1993 – XI R 45/90, BStBl. II 1993, 530; s. auch Abschn. 1.6. Abs. 3 Satz 11 UStAE. 4 Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 1 UStAE. 5 Näheres zur Einbringung eines Betriebs, eines Teilbetriebs und der Einbringung einer 100%igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) s. bei: Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. C 95 ff.
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§3
Gründung
mit dinglicher Wirkung auf die GmbH & Co. KG übertragen, sondern an die Gesellschaft vermietet oder verpachtet werden.1 Die Vermietungstätigkeit des Gesellschafters kann allerdings einen steuerbaren Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellen.
3. Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die GmbH & Co. KG 3.306
Die GmbH & Co. KG gewährt den Gesellschaftern Gesellschaftsanteile und empfängt als Gegenleistung Bar- oder Sacheinlagen. Ob hierin ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Leistungsaustausch oder ein nicht steuerbarer Vorgang zur Leistungsvereinigung (Gesellschafterbeitrag) zu erblicken ist, hat in der Vergangenheit unterschiedliche bzw. wechselhafte Beurteilungen erfahren,2 bis es schließlich zu einer EuGH-Entscheidung und nachfolgenden BFH-Entscheidung gekommen ist. Der BFH hatte mit Beschluss vom 27.9.2001 sowohl hinsichtlich der Steuerbarkeit der Gewährung von Gesellschaftsrechten gegen Bareinlage als auch hinsichtlich der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für Eingangsleistungen an die Gesellschaft dem EuGH Vorlagefragen gestellt.3 Dabei neigte der BFH hinsichtlich der 1. Vorlagefrage dazu, dass eine Personengesellschaft bei der Gesellschaftsgründung und der Aufnahme eines Gesellschafters gegen eine Sach- oder Bareinlage eine Dienstleistung gegen Entgelt gem. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) erbringt, die gem. Art. 13 B d) Nr. 5 dieser Richtlinie steuerfrei ist. Allerdings führte nach Auffassung des BFH die Steuerfreiheit der Leistung nicht dazu, dass für diesen Umsatz kein Recht auf einen Vorsteuerabzug bestehe. Denn die Ausgabe der Gesellschaftsanteile stelle einen Hilfsumsatz i.S. des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG dar, was er mit der 2. Vorlagefrage überprüfen lassen wollte.
3.307
Mit Urteil vom 26.6.2003 hat der EuGH entschieden, dass eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erbringt.4 Die zweite Frage nach der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs auf Grund der Annahme eines Hilfsumsatzes (s. Rz. 3.306) brauchte der EuGH damit nicht mehr zu beantworten. In der Nachfolgeentscheidung zu diesem EuGHUrteil hat der BFH5 ausgeführt, dass eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage an diesen keinen steuerbaren Umsatz und damit erst recht keinen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG steuerfreien Umsatz er1 BFH v. 15.10.1998 – V R 69/97, BStBl. II 1999, 41; BFH v. 4.7.2002 – V R 10/01, DStR 2002, 1988; BFH v. 28.11.2002 – V R 3/01, DStR 2003, 203; BFH v. 18.1.2012 – XI R 27/08, DStR 2012, 516 – Nachfolgeentscheidung zu EuGH v. 10.11.2011 – Rs. C-444/10, DStR 2011, 2196; BFH v. 29.8.2012 – XI R 10/12, GmbHR 2013, 334 = DStR 2013, 250; Abschn. 1.5. Abs. 3 Sätze 2 – 4 UStAE. 2 Siehe dazu im Einzelnen die umfangreichen Ausführungen in der 19. Aufl. 2005, § 4 Rz. 165 f. 3 BFH v. 27.9.2001 – V R 32/00, BFH/NV 2002, 143; vgl. auch: Klenk, Kommentierte Finanzrechtsprechung (KFR), Fach 7 UStG § 15, 1/02, 59 f.; Stoffel, StuB 2002, 645 (648 f.); Hoffmann, GmbH-StB 2002, 59. 4 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-442/01, DB 2003, 1611 Tz. 43; zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung vgl. Lohse, BB 2003, 1713; Korf, DB 2003, 1705. 5 BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BStBl. II 2004, 1022; zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung vgl. z.B. Ulrich/Teiche, DStR 2005, 92; Dannecker, BB 2005, 1028.
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Umsatzsteuer
bringt. Der Vorsteuerabzug aus rechtlichen Beratungsleistungen anlässlich der Gründung der Gesellschaft war daher nicht nach § 15 Abs. 2 UStG oder nach Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen. Der BFH qualifizierte die Kosten der bezogenen Beratungsleistungen als allgemeine Kosten des Unternehmens, die deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers im Zusammenhang standen. Mithin hing die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs von dieser Tätigkeit ab. In dem vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt verwendete die Gesellschaft die rechtliche Beratung ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze und nicht (auch) zur Ausführung steuerfreier Umsätze, so dass der Vorsteuerabzug möglich war. Im Jahr 2005 hat der EuGH im Bereich von Kapitalgesellschaften eine vergleichbare Entscheidung getroffen.1 Nach diesem Urteil stellt die Ausgabe neuer Aktien keinen Umsatz dar, der in den Anwendungsbereich von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG fällt. Ferner besteht nach Auffassung des EuGH ein Recht auf Abzug der gesamten Vorsteuer aus Leistungen, die der Unternehmer im Rahmen der Ausgabe von Aktien bezogen hat, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die der Unternehmer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um steuerpflichtige Umsätze handelt. Entsprechendes gilt nach einem Urteil des BFH aus dem Jahr 2010 bei von einer Aktiengesellschaft begebenen Inhaberschuldverschreibungen2.
3.308
Die Finanzverwaltung hat die aus der Rechtsprechung des BFH vom 1.7.20043 sowie aus dem EuGH-Urteil vom 26.5.20054 folgenden Grundsätze konkretisiert und zudem eine sinngemäße Übertragbarkeit auf Fälle, in denen Sacheinlagen geleistet werden, angenommen.5
3.309
4. Organschaft Mit Hilfe eines Organschaftsverhältnisses werden Umsätze zwischen rechtlich selbständigen Personen bzw. Gesellschaften zu nicht steuerbaren Innenumsätzen. Wenn auch dieses Instrumentarium nach Einführung des Mehrwertsteuersystems seine eigentliche Bedeutung verloren hat, sind immer wieder Fälle denkbar (z.B. im Bereich der steuerfreien Leistungen und bezüglich des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs), in denen ein Organschaftsverhältnis von Vorteil sein könnte. Es fragt sich, ob bei Gründung einer GmbH & Co. KG durch entsprechende Gestaltung der Beteiligungsverhältnisse und des Gesellschaftsvertrages ein solches Rechtsgebilde begründet werden kann.
3.310
Ein Organschaftsverhältnis im Umsatzsteuerrecht setzt nach den Regelungen des nationalen Umsatzsteuerrechts eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung einer juristischen Person in ein anderes Unternehmen voraus
3.311
1 EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03, UR 2005, 382 = AG 2005, 577; vgl. auch EuGH v. 13.3. 2008 – Rs. C-437/06, DStR 2008, 615. 2 BFH v. 6.5.2010 – V R 29/09, DStR 2010, 1838. 3 BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BStBl. II 2004, 1022. 4 EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03, UR 2005, 382 = AG 2005, 577. 5 BMF v. 4.10.2006 – IV A 5 - S 7300 - 69/06, BStBl. I 2006, 614; Abschn. 15.21 UStAE; vgl. auch Schmidt, NWB Fach 7, 6785.
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§3
Gründung
(§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Ein Organschaftsverhältnis könnte demzufolge angenommen werden, wenn eine solche Eingliederung der Komplementär-GmbH in die GmbH & Co. KG zu erreichen wäre. Ein Organschaftsverhältnis, in dem die Komplementär-GmbH der Organträger und die GmbH & Co. KG als Organgesellschaft anzusehen wäre, scheidet bislang nach den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes von vornherein aus. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann Organgesellschaft nur eine juristische Person sein.1 Der BFH hat diese Regelung in der Vergangenheit für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten,2 obwohl sie einen durch das Unionsrecht eingeräumten Spielraum nur teilweise nutzt.3 Nach einer Entscheidung des FG München aus dem Jahr 2013 ist die Beschränkung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf Kapitalgesellschaften als Organgesellschaften jedoch unionsrechtswidrig.4 Der V. Senat des BFH hat das gegen diese Entscheidung anhängige Revisionsverfahren aufgrund von Vorabentscheidungsersuchen des XI. Senats des BFH,5 die dieser im Dezember 2013 an den EuGH gerichtet hat, ruhend gestellt.6 Bereits mit Urteil vom 16.7.2015 hat der EuGH über diese Vorabentscheidungsersuchen entschieden:7 Danach ist „Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat“. Außerdem hat nach Auffassung des EuGH Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung keine unmittelbare Wirkung. Gegenwärtig ist daher zwar auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Regelungen ein Organschaftsverhältnis zwischen der Komplementär-GmbH als Organträger und der GmbH & Co. KG als Organgesellschaft nicht anzunehmen. Abhängig von den weiteren Entscheidungen des BFH in den beim V. und XI. Senat anhängigen Verfahren und einem möglichen gesetzgeberischen Akt ist indes ein solches Organschaftsverhältnis zukünftig denkbar, was insbesondere auf den Leistungs1 Das Institut des organschaftsähnlichen Rechtsverhältnisses, wonach auch eine Personengesellschaft Organ sein könnte, hat der BFH im Jahr 1979 aufgegeben, BFH v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362 = UR 1979, 111 m. Anm. Weiß. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG (FG BW. v. 10.5.1994 – 1 K 262/98, UR 1995, 269). 2 BFH v. 1.7.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373; BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BStBl. II 2011, 597 = GmbHR 2010, 823. 3 BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = GmbHR 2005, 1209; BFH v. 14.2.2008 – V R 13/06, BFH/NV 2008, 1365. 4 FG München v. 13.3.2013 – 3 K 235/10, EFG 2013, 1434; so auch: Boor, UR 2013, 729, 735 f.; Slapio, UR 2013, 407 (411). 5 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376 (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323 (Az. des EuGH: C-109/14). 6 BFH v. 23.4.2014 – V R 25/13, juris. 7 EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 und C-109/14, DStR 2015, 1673.
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§3
Umsatzsteuer
austausch zwischen GmbH und GmbH & Co. KG Auswirkungen hätte. Insoweit lägen nichtsteuerbare Innenumsätze vor. Ein Organschaftsverhältnis mit der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft, die in das Unternehmen der GmbH & Co. KG als Organträger eingegliedert ist, hat der BFH1 mit den folgenden Erwägungen abgelehnt: Wesentliches Merkmal für die Unselbständigkeit einer juristischen Person i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sei die entscheidende kapitalmäßige Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft, die es ihm ermögliche, im Rahmen der Willensbildung der Organschaft seinen eigenen Willen durchzusetzen. Dabei handle es sich nicht um die Ersetzung des eigenen Willens der Organgesellschaft durch den des Organträgers, sondern um die Fremdbestimmung der Willensbildung der Organgesellschaft. Da im Urteilsfall nicht die KG an der GmbH, sondern diese an der KG beteiligt gewesen ist, sei allein die Komplementär-GmbH befähigt gewesen, an der Willensbildung der GmbH & Co. KG mitzuwirken. Die Komplementär-GmbH als geschäftsführende persönlich haftende Gesellschafterin könnte in die KG nicht gleichzeitig derart eingegliedert sein, dass die KG den Willen der Komplementär-GmbH bestimmt hätte.
3.312
Bis zur Rechtsprechungsänderung durch die Entscheidung des XI. Senats des BFH vom 1.12.20102 konnte allerdings überlegt werden, ob die BFH-Rechtsprechung3 zur finanziellen Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft entgegen der unter Rz. 3.312 dargestellten Rechtsprechung für die Möglichkeit einer Organschaft zwischen GmbH & Co. KG und Komplementär-GmbH herangezogen werden kann. Eine finanzielle Eingliederung wurde danach angenommen, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügen und damit der Organträger mittelbar seinen Willen auch in der Organgesellschaft durchsetzen kann.
3.313
Aufgrund dieser Rechtsprechung wurde in der Literatur ein Organschaftsverhältnis grundsätzlich auch zwischen GmbH & Co. KG als Organträger und Komplementär-GmbH als Organgesellschaft für möglich gehalten, sofern zusätzlich die Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung gegeben sind.4 Nach anderer Auffassung in der Literatur wurde eine finanzielle Eingliederung hingegen nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen in Betracht gezogen, dass § 164 HGB, wonach die Kommanditisten von der Geschäftsführung in der KG ausgeschlossen sind, im KG-Vertrag abbedungen wird und die KomplementärGmbH bei Geschäftsführungsangelegenheiten den Weisungen der Gesellschafterversammlung der KG unterworfen wird.5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung schien indes für eine solche Interpretation kein Raum zu sein. So war nach Satz 4 des Abschn. 21 Abs. 2 UStR 2008 eine finanzielle Eingliederung einer GmbH, die
3.314
1 BFH v. 14.12.1978 – V R 85/74, BStBl. II 1979, 288; Abschn. 2.8. Abs. 2 Satz 3 UStAE. 2 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494. 3 BFH v. 20.1.1999 – XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 = GmbHR 1999, 787; BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BFH/NV 2002, 463 = GmbHR 2002, 174; BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = GmbHR 2005, 1209. 4 Heidner, DStR 2002, 1890 (1892 f.). 5 Behrens/Schmitt, GmbHR 2003, 269 (272 f.).
Helde
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§3
Gründung
an einer KG als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt ist, auch dann nicht möglich, wenn die übrigen Kommanditisten der KG sämtliche Gesellschaftsanteile der GmbH halten.1 3.315
Mit Urteil vom 1.12.2010 hat der BFH2 nunmehr jedoch ausdrücklich entschieden, dass eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraussetzt, weshalb es für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht ausreicht, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist. Generell setze eine finanzielle Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich sei die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich sei.3 Diese Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft könne auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreiche, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt sei.4 Nicht ausreichend sei jedoch, dass eine jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage sei, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzuset1 Die Finanzverwaltung stützte ihre Auffassung mit dem Verweis auf ein Urteil des BFH aus dem Jahre 2005 (BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = GmbHR 2005, 1209), dem diese allgemeingültige Aussage jedoch nicht entnommen werden kann. Denn in dem Urteilsfall hielt die als Organgesellschaft in Betracht kommende GmbH selbst 99,72 % der Anteile der KG, während die übrigen zwei Gesellschafter der KG (die gleichzeitig alleinige Gesellschafter der GmbH waren) nur jeweils 0,14 % der Anteile hielten. Überdies hat der BFH in diesem Urteil wiederholend festgestellt, dass eine finanzielle Eingliederung auch bei mittelbarer Eingliederung gegeben sein kann. Eine entsprechende „mittelbare Beteiligung ist vorhanden, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft über eine Beteiligung (als Gesellschafter) an einer Gesellschaft erreicht wird, die unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt ist, oder wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird, z.B. dadurch, dass der Mehrheitsgesellschafter des Organträgers auch über die Stimmenmehrheit in der Organgesellschaft verfügt“. „Erforderlich ist, dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügen.“ Aufgrund der uneingeschränkten Formulierung der Richtlinie schien von der Finanzverwaltung indes generell eine „vermittelte“ finanzielle Eingliederung abgelehnt worden zu sein. 2 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494: Änderung der Rechtsprechung im BFH-Urteil v. 20.1.1999 – XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 = GmbHR 1999, 787; zustimmend: Abschn. 2.8. Abs. 5 Satz 6 UStAE. 3 Vgl. BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 = GmbHR 2002, 174; BFH v. 19.5. 2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = GmbHR 2005, 1209; BFH v. 30.4.2009 – V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734 = GmbHR 2009, 1003; BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581 = GmbHR 2010, 823; BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494. 4 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494.
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Umsatzsteuer
zen.1 Gleiches gelte, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügten.2 Durch diese Änderung der Rechtsprechung, wodurch die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen als Organträger in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform aufgegeben wird, wird nach Auffassung des BFH sichergestellt, dass der von der Rechtsprechung des EuGH ausgeprägte unionsrechtliche Grundsatz der Rechtsformneutralität befolgt wird.3
3.316
Im Zusammenhang mit der Auslegung der Voraussetzung der finanziellen Eingliederung darf auch an dieser Stelle4 nicht unerwähnt bleiben, dass der BFH im Jahr 2013 den EuGH in zwei Vorabentscheidungsersuchen u.a. gefragt hat, ob Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegensteht, die voraussetzt, dass die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.5 Anlass zu Zweifeln hatte der BFH, da nach dem Unionsrecht gegenseitige Beziehungen für die Begründung einer Organschaft ausreichen könnten. Mit Urteil vom 16.7.2015 hat der EuGH6 die Zweifel des BFH im Grundsatz bestätigt und festgestellt, dass „Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat“. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH die Frage einer Missbrauchsvermeidung in diesem Zusammenhang beurteilt und ob bzw. wie der Gesetzgeber reagiert, da nach Auffassung des EuGH die unionsrechtliche Regelung keine unmittelbare Wirkung entfaltet.7
3.317
Ob bei einer sog. „Einheits-GmbH & Co. KG“, bei der die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH von der GmbH & Co. KG unmittelbar gehalten werden, ein Organschaftsverhältnis begründet werden kann, wurde in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt. Die Finanzverwaltung lehnte nach Abschn. 21 Abs. 2 Satz 4 UStR 2000 bzw. Abschn. 21 Abs. 2 Satz 3 UStR 2005 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 14.12.19788 ein Organschaftsverhältnis zwischen GmbH & Co.
3.318
1 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494. 2 BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581 = GmbHR 2010, 823; zustimmend: Abschn. 2.8. Abs. 5 Satz 6 UStAE. 3 BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = GmbHR 2011, 494. 4 Siehe schon Rz. 3.311. 5 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376 (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323 (Az. des EuGH: C-109/14). 6 EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 und C-109/14, DStR 2015, 1673. 7 EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 und C-109/14, DStR 2015, 1673. 8 BFH v. 14.12.1978 – V R 85/74, BStBl. II 1979, 288.
Helde
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325
§3
Gründung
KG und Komplementär-GmbH generell ab. Dies fand in der Literatur Zustimmung, da die Komplementär-GmbH, jedenfalls wenn sie die alleinige geschäftsführende Gesellschafterin ist, ihre Selbständigkeit behält, gleich wie die Beteiligungsverhältnisse gestaltet sind.1 Nach anderer Auffassung in der Literatur wurde hingegen eine Organschaft grundsätzlich für möglich gehalten.2 Da eine Entscheidung des BFH speziell zur Einheitsgesellschaft – soweit ersichtlich – nicht ergangen war, konnte diese Frage letztlich nicht rechtssicher beantwortet werden. Allerdings schien eine Organgesellschaft eher möglich zu sein als bei einer sog. beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG (s. Rz. 3.313 f.), da insoweit die finanzielle Eingliederung nicht über die Gesellschafter vermittelt werden muss. 3.319
Eine Entscheidung des BFH speziell zur Einheitsgesellschaft ist zwar – soweit ersichtlich – noch immer nicht ergangen. Da die Finanzverwaltung jedoch ihre Auffassung geändert hat und nach Abschn. 21 Abs. 4 Satz 5 UStR 2008 bzw. nunmehr nach Abschn. 2.8. Abs. 2 Satz 5 UStAE bei einer sog. Einheitsgesellschaft regelmäßig das Vorliegen einer Organschaft annimmt, hat die Rechtssicherheit bezüglich einer solchen Konstellation deutlich zugenommen.3
5. Gründungskosten 3.320
Die bei Gründung einer GmbH & Co. KG anfallenden Gründungskosten sind unter umsatzsteuerlichen Aspekten insoweit von Bedeutung, als die hiermit verbundene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzugsfähig sein könnte. Dabei ist zwischen den Gründungskosten der Komplementär-GmbH und denen der GmbH & Co. KG zu unterscheiden.
3.321
Die mit den Gründungskosten der Komplementär-GmbH verbundenen Vorsteuerbeträge können seit der Rechtsprechungsänderung des BFH im Jahr 20024 zumindest dann geltend gemacht werden, sofern die GmbH für die Geschäftsführungsund Vertretungstätigkeit sowie die Übernahme der persönlichen Haftung ein Sonderentgelt erhält. In diesem Fall wird eine Leistung im Leistungsaustausch erbracht. Dies gilt indes nicht, sofern die Leistungen der Komplementär-GmbH durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten sind. In diesem Fall wird die Komplementär-GmbH nicht als Unternehmer gegenüber einer dritten Person tätig, sondern erbringt vielmehr nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages Gesellschafterleistungen, die auf Leistungsvereinigung gerichtet sind. Als Folge sind die mit den Gründungskosten der GmbH verbundenen Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig. 1 Weiß, UR 1979, 83 (85 f.). 2 Vgl. das Beispiel zur Einheitsgesellschaft bei Zimmermann/Hottmann/Hübner/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 8. Aufl. 2003, Rz. R 98; zustimmend auch: Behrens/ Schmitt, GmbHR 2003, 269 (273); vgl. auch Werner, DStR 2006, 706 (711). 3 Diese Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung hat sich schon zuvor in Verfügungen verschiedener OFD gezeigt, z.B. OFD Düsseldorf v. 2.2.2005 – S 7100 A - St 442, OFD Köln v. 2.2.2005 – S 7100 - 227 und OFD Münster v. 2.2.2005 – S 7100 - 29 - St 11 - 32, DStR 2005, 381; OFD Karlsruhe v. 29.4.2005 – S 7100, DStR 2005, 1143 (1144); OFD Frankfurt a.M. v. 9.8.2006 – S 7100 A - 82 - St 11, UR 2007, 31 (32). 4 BFH v. 6.6.2002 – V R 43/01, BStBl. II 2003, 36 = GmbHR 2002, 1039; zu weiteren Einzelheiten s. Rz. 6.771.
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Helde
§3
Umsatzsteuer
Zur Frage, ob Vorsteuerbeträge, die in den Gründungskosten für die GmbH & Co. KG enthalten sind, abziehbar sind, liegt höchstrichterliche Rechtsprechung vor (s. schon Rz. 3.306 ff.). So hat der EuGH mit Urteil vom 26.6.2003 entschieden, dass eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erbringt.1 Aus diesem EuGH-Urteil hat der BFH2 in der Nachfolgeentscheidung für einen möglichen Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei Beratungsleistungen anlässlich der Gründung einer Gesellschaft und Aufnahme von Gesellschaftern die Konsequenz gezogen, dass ein Ausschluss zumindest nicht durch Gründung oder Aufnahme verursacht wird. Denn die Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage sei schon nicht steuerbar und damit keinesfalls steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG. Ebenso wenig führe die Gründung zu nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG steuerfreien Umsätzen von Gesellschaftsanteilen. Der Vorsteuerabzug hänge mithin allein von der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft ab. Die Kosten der bezogenen Beratungsleistungen seien allgemeine Kosten des Unternehmens, die grundsätzlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers im Zusammenhang stünden. Schließlich hat der BFH3 festgestellt, dass die Gewährung des Vorsteuerabzugs nach diesen Grundsätzen auch dem Gemeinschaftsrecht (insbesondere Art. 17 und 19 der Richtlinie 77/388/EWG) und der Rechtsprechung des EuGH entspricht.
3.322
Die Gewährung des Vorsteuerabzugs nach diesen Grundsätzen stimmt zudem mit der Rechtsprechung des EuGH aus dem Bereich von Kapitalgesellschaften überein. Denn mit Urteil vom 26.5.2005 hat der EuGH4 entschieden, dass die Ausgabe neuer Aktien keinen Umsatz darstellt, der in den Anwendungsbereich von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG fällt. Ferner besteht nach dieser Entscheidung ein Recht auf Abzug der gesamten Umsatzsteuer als Vorsteuer, die dem Unternehmer für Leistungen im Rahmen der Ausgabe der Aktien in Rechnung gestellt wurde, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die dieser Unternehmer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um steuerpflichtige Umsätze handelt. Entsprechendes hat der BFH im Jahr 2010 für eine von einer Aktiengesellschaft begebene Inhaberschuldverschreibung entschieden.5
3.323
Die Finanzverwaltung hat die aus der Rechtsprechung des BFH vom 1.7.20046 sowie aus dem EuGH-Urteil vom 26.5.20057 folgenden Grundsätze konkretisiert und
3.324
1 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-442/01, DB 2003, 1611, Rz. 43; zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung vgl. Lohse, BB 2003, 1713; Korf, DB 2003, 1705. 2 BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BStBl. II 2004, 1022; zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung vgl. Ulrich/Teiche, DStR 2005, 92; Dannecker, BB 2005, 1028; vgl. zur Abgrenzung die Entscheidung des BFH v. 30.4.2014 – XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, wonach der Vorsteuerabzug aus Kosten einer GmbH & Co. KG für Beurkundungs- und „due-diligence“-Leistungen im Zusammenhang mit dem Gesellschafterwechsel daran scheiterte, dass die KG keine Leistungsempfängerin war. 3 BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BStBl. II 2004, 1022. 4 EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03, UR 2005, 382 = AG 2005, 577. 5 BFH v. 6.5.2010 – V R 29/09, DStR 2010, 1838. 6 BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BStBl. II 2004, 1022. 7 EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03, UR 2005, 382 = AG 2005, 577.
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327
§3
Gründung
zudem eine sinngemäße Übertragbarkeit auf Fälle, in denen Sacheinlagen geleistet werden, angenommen.1 3.325–3.334
Einstweilen frei.
III. Grunderwerbsteuer 1. Allgemeines 3.335
Die GmbH & Co. KG ist als Gemeinschaft zur gesamten Hand im Grunderwerbsteuerrecht selbständiger Rechtsträger. Erwirbt oder veräußert sie ein Grundstück, so ist grundsätzlich ein grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang gegeben, auch wenn die Veräußerung zwischen Gesellschaftern und der GmbH & Co. KG oder umgekehrt stattfindet. Sie selbst ist Steuerschuldnerin (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Für die Steuerschuld der GmbH & Co. KG haften die Gesellschafter – GmbH und Kommanditisten – nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts als Gesamtschuldner, und zwar die Komplementär-GmbH unbeschränkt (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB), die Kommanditisten nur insoweit, als sie ihre (Haft-)Einlage noch nicht erbracht haben (§ 171 Abs. 1 HGB). Daneben schuldet der übertragende Kommanditist die Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr. 1 GrEStG), so dass die Haftungsbeschränkung für ihn im Ergebnis nicht eingreift.
3.336
Grunderwerbsteuerliche Tatbestände können sich somit auch bei Gründung einer GmbH & Co. KG ergeben, wenn auf die Gesellschaft ein Grundstück übertragen wird. Die steuerliche Beurteilung hängt aber auch hier von der Gründungsvariante ab. Im Wesentlichen zu unterscheiden ist zwischen der Einbringung eines Grundstücks (Rz. 3.337 ff.) und der Aufnahme einer Komplementär-GmbH (Rz. 3.344 f.).
2. Einbringung eines Grundstücks 3.337
Bringen bei Gründung einer GmbH & Co. KG die Gesellschafter ein Grundstück ein, das sich entweder im Vermögen eines einzubringenden Einzelunternehmens befindet oder allein als Sacheinlage eingebracht wird, unterliegt der Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.2
3.338
Wenn auch bei Einbringung eines Grundstücks in die GmbH & Co. KG die Steuerpflicht grundsätzlich zu bejahen ist, ist damit noch nicht festgestellt, ob die Grunderwerbsteuerpflicht in vollem Umfange besteht. Es kommen Steuerbefreiungstatbestände in Betracht. § 5 Abs. 2 GrEStG sieht eine partielle Steuerbefreiung bei Übergang eines Grundstücks von einem Gesellschafter auf die Gesellschaft vor. Die Steuer wird insoweit nicht erhoben, als der einbringende Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist. Maßgebend ist die Beteiligung des Kommanditisten am Vermögen der GmbH & Co. KG, nicht die Beteiligung am Gewinn oder Verlust. Sollte die Komplementär-GmbH ebenfalls am Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG beteiligt und der das Grundstück einbringende Kom1 BMF v. 4.10.2006 – IV A 5 - S 7300 - 69/06, BStBl. I 2006, 614; Abschn. 15.21 UStAE; vgl. auch Schmidt, NWB Fach 7, 6785 ff. 2 Gleiches gilt bei Veräußerungen von Grundstücken der Gesellschafter an die Gesellschaft.
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§3
Grunderwerbsteuer
manditist selbst wieder Gesellschafter der Komplementär-GmbH sein, darf die mittelbare Vermögensbeteiligung des Kommanditisten über die Beteiligung der Komplementär-GmbH für die Feststellung des Umfanges der Steuerpflicht jedoch nicht mit einbezogen werden.1 Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ausschließlich auf die unmittelbare Beteiligung des einbringenden Gesellschafters abzustellen. Die wirtschaftliche Beteiligungsquote ist nicht maßgebend, da das Grunderwerbsteuerrecht eng an das Zivilrecht anknüpft.2 Wird ein Einzelunternehmen derart umgestaltet, dass der bisherige Einzelunternehmer eine Einpersonen-GmbH gründet, die ihrerseits als Komplementärin der zu gründenden GmbH & Co. KG fungiert, und der Einzelunternehmer der alleinige Kommanditist wird, entsteht nach § 5 Abs. 2 GrEStG keine Steuerpflicht, wenn die Komplementär-GmbH nicht am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Eine bloße Gewinn- oder Verlustbeteiligung schadet nicht.
3.339
Bei der Anwendung von § 5 Abs. 2 GrEStG sind die zeitlichen Anforderungen gem. § 5 Abs. 3 GrEStG zu beachten. Nach Abs. 3 greift die Befreiung nur, soweit sich der Anteil des Einbringenden am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand nicht vermindert.3 Unter „Verminderungen des Anteils“ sind in erster Linie die rechtsgeschäftliche Übertragung des Gesellschaftsanteils sowie ein auf Gesellschaftsrecht beruhendes Ausscheiden des grundstückseinbringenden Gesellschafters zu verstehen.4 Auch der Eintritt (Aufnahme) eines Gesellschafters mit Kapitalerhöhung führt zu einer maßgeblichen Verminderung.5 Dazu gehören aber auch die Verschmelzung des maßgeblichen Gesellschafters auf eine andere Person6 bzw. Spaltungsvorgänge, durch die die gesamthänderische Mitberechtigung an der GmbH & Co. KG vom grundstückseinbringenden Gesellschafter auf eine andere Person übergeht.7 Unter § 5 Abs. 3 GrEStG fällt außerdem der Formwechsel der GmbH & Co. KG in eine Kapitalgesellschaft, denn hierdurch endet die gesamthänderische Bindung des Vermögens der GmbH & Co. KG und damit auch die Mitberechtigung ihrer Gesellschafter daran.8 Unschädlich ist indes eine schenkweise Übertragung eines Anteils im 5-Jahres-Zeitraum. Denn § 5 Abs. 3 GrEStG setzt die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraus und ist daher einschränkend dahin gehend auszulegen, dass – trotz der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders – die Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht entfällt, wenn aufgrund einer Anteilsschenkung eine Steuerumgehung objektiv ausscheidet.9
3.340
1 Hofmann, § 5 GrEStG Rz. 7; Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 19; Kroschewski, GmbHR 2003, 757. 2 Hesselmann, GmbHR 1957, 159. 3 Vgl. OFD Frankfurt a.M. v. 21.8.2001 – S 4514A - 16 - St I 35, Steuererlasse in Karteiform (StEK), § 5 GrEStG Nr. 13; gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561. 4 Vgl. Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 80, 86. 5 Pahlke, § 5 GrEStG Rz. 65. 6 Vgl. BFH v. 25.6.2003 – II R 20/02, BStBl. II 2004, 193 = GmbHR 2003, 1515. 7 Vgl. Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 91. 8 BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329 = GmbHR 2014, 274; Hofmann, § 5 GrEStG Rz. 32; Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 97, 105 m.w.N. 9 BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52; Behrens/Schmitt, BB 2010, 292 ff.
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329
§3
Gründung
3.341
Ein häufig zu beobachtender Fall bei der Gründung einer GmbH & Co. KG ist derjenige, dass ein Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KG überführt wird, an der der Ehegatte und/oder die Kinder des einbringenden Unternehmers beteiligt sind. Eine solche Familien-GmbH & Co. KG kann – falls die Komplementär-GmbH am Vermögen der GmbH & Co. KG nicht beteiligt ist – in vollem Umfange steuerfrei gegründet werden.1 Die Steuerbefreiung für den an der Gesellschaft beteiligten Elternteil ergibt sich aus § 5 Abs. 2 GrEStG, für die Abkömmlinge aus § 3 Nr. 6 GrEStG und für den Ehegatten aus § 3 Nr. 4 GrEStG. Von § 3 Nr. 6 GrEStG wird allerdings der Fall nicht erfasst, dass der Erwerber des Grundstücks ein eigener Rechtsträger ist, an dem die Verwandten lediglich beteiligt sind. Besteht also im Extremfall die GmbH & Co. KG aus dem Veräußerer (= Kommanditist) und einer GmbH als Komplementärin, an der seine Abkömmlinge beteiligt sind, greift § 3 Nr. 6 GrEStG nicht ein, da der Veräußerer mit der GmbH nicht verwandt ist.
3.342
Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der nach den Vorschriften des BewG zu ermittelnde Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 2 bis 4 BewG).2 Diese sog. Ersatzbemessungsgrundlage ist nach dem jüngst ergangenen Beschluss des BVerfG vom 23.6.2015 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.3 Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen. Bis zum 31.12.2008 ist das bisherige Recht weiter anwendbar. Im Steueränderungsgesetz 20154 ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung bereits nachgekommen und hat in § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG den Verweis auf § 138 Abs. 2 bis 4 BewG durch den Verweis auf die Grundbesitzwerte i.S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG ersetzt. § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG knüpft nunmehr an § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG und nicht mehr an § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG an. Die Grunderwerbsteuer beträgt gem. § 11 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich 3,5 v.H. Allerdings steht seit September 2006 den Bundesländern nach Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes zu, wovon die meisten Bundesländer zwischenzeitlich Gebrauch gemacht und unterschiedliche Sätze bis zu einer Höhe von maximal 6,5 v.H. festgelegt haben.5
3.343
Wird im Zuge der Gründung einer GmbH & Co. KG das Grundstück eines Gesellschafters nicht zu Eigentum auf die Gesellschaft übertragen, sondern wird ihr das Grundstück nur zur Nutzung überlassen, muss zwischen der schlichten Nutzungsüberlassung und der gesteigerten Nutzungsüberlassung differenziert werden. Die schlichte Nutzungsüberlassung löst keine Grunderwerbsteuerpflicht aus, während die gesteigerte Nutzungsüberlassung, die der GmbH & Co. KG auch eine Verwer-
1 Vgl. Meßbacher-Hösch in Boruttau, § 3 GrEStG Rz. 428; vgl. auch BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329 = GmbHR 2014, 274. 2 Zur Abgrenzung der Anwendbarkeit von § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG bei Grundstücksübertragungen des Gesellschafters auf die GmbH & Co. KG vgl. BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483 = GmbHR 2003, 669; Kroschewski, GmbHR 2003, 757 (758). 3 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, DStR 2015, 1678. 4 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 5 Vgl. BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, DStR 2015, 1678.
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§3
Grunderwerbsteuer
tungsmöglichkeit aus eigenem Recht einräumt, den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt.1
3. Aufnahme einer Komplementär-GmbH Fraglich ist, ob durch die Aufnahme einer Komplementär-GmbH in eine bestehende klassische KG oder oHG zwecks Haftungsbegrenzung der natürlichen Personen ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand ausgelöst wird. Anders als in den zuvor geschilderten Fällen geht das Eigentum an dem Grundstück nicht von einem Gesellschafter auf die Gesamthand über, vielmehr ändert sich lediglich der Personenstand der Gesamthand. Die bisher bestehende Gesamthand in der Rechtsform der oHG oder klassischen KG ändert nicht ihre Identität, so dass auch grundsätzlich kein Übergang des Grundstücks auf einen anderen Rechtsträger erfolgt.
3.344
Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG kann jedoch die Aufnahme einer Komplementär-GmbH grunderwerbsteuerpflichtig sein. Das gilt allerdings nur, soweit die Komplementär-GmbH am Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft beteiligt wird. Nach § 1 Abs. 2a GrEStG wird eine Übereignung eines Grundstücks auf eine andere Personengesellschaft fiktiv angenommen, wenn sich bei einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 v.H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Der Begriff „Anteil“, der durch das Steueränderungsgesetz vom 20.12.20012 eingeführt wurde, soll klarstellen, dass die vermögensmäßige Beteiligung am Gesamthandsvermögen und nicht die Gesellschafterstellung als dingliche Mitberechtigung gemeint ist.3 Er bezeichnet den wertmäßigen Anteil am Vermögen des an der Gesamthand Beteiligten, wie er auch von §§ 5 Abs. 2, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG zu Grunde gelegt wird.4 Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG ist speziell auch bei der GmbH & Co. KG zu beachten, dass ein mittelbarer Gesellschafterwechsel ausreichend sein kann.5 Der für die Bestimmung eines mittelbaren Wechsels anzulegende Maßstab wurde durch verschiedene neuere Urteile des BFH6 einerseits sowie Erlasse der Finanzverwaltung7 andererseits unterschiedlich bestimmt. Zum Teil wurde diesbezüglich sogar mit gesetzlichen Änderungen, insbesondere aufgrund der restriktiven Auslegung
3.345
1 Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG Rz. 686 ff.; a.A. Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 81; Pahlke, § 1 GrEStG Rz. 257: ausreichend sind Einwirkungsmöglichkeiten auf den gesamten Substanzwert, eine Ermächtigung zur Veräußerung ist nicht erforderlich. 2 StÄndG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3794. 3 So auch die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 26.2.2003, DStR 2003, 980; vgl. auch Halaczinsky, NWB Fach 8, 1507 ff. 4 Pahlke, § 1 GrEStG Rz. 286. 5 Weilbach, UVR 2000, 256; Heine, UVR 2000, 453; Fabry/Pitzer, GmbHR 1999, 766; Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG Rz. 846 ff.; Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 107 ff. 6 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 = GmbHR 2013, 822, sowie Nichtanwendungserlass v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278; BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BFH/NV 2014, 1667 = GmbHR 2014, 1171 m. Komm. Rodewald. 7 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561.
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§3
Gründung
des BFH im Urteil vom 24.4.20131 gerechnet,2 was sich nunmehr im Steueränderungsgesetz 2015 bestätigt hat.3 3.346
Wenn Grunderwerbsteuer anfällt, ist die Personengesellschaft der Steuerschuldner (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Die Grunderwerbsteuer führt ertragsteuerlich nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten des Grundstücks und ggf. Gebäudes, sondern kann aufgrund der neueren Rechtsprechung des BFH,4 der sich die Finanzverwaltung durch Veröffentlichung im Bundessteuerblatt angeschlossen hat,5 als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden.
1 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BFH/NV 2013, 1327 = GmbHR 2013, 822 m. Komm. Klass. 2 Loose, jurisPR-SteuerR 32/2013 Anm. 5. 3 Steueränderungsgesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Art. 8 dieses Gesetzes sieht vor, dass nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG die folgenden Sätze eingefügt werden: „Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend.“ 4 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 = GmbHR 2015, 327 zum Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG; schon mit Urteil v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 = GmbHR 2011, 832 hatte der BFH für den Fall der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG entschieden, dass die hierdurch ausgelöste Grunderwerbsteuer nicht zu Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile führt; vgl. auch Salzmann, DStR 2015, 293; Schmudlach, DB 2015, 703. 5 Vgl. auch OFD Frankfurt a.M. v. 2.4.2015 – S 2171 A-21-St 210, juris; OFD Niedersachsen v. 19.1.2012, aktualisiert am 13.5.2015 – S 2171-65-St 221/St 222, juris.
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Helde
§4 Gesellschaftsorgane und gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse A. Einführung Die GmbH & Co. KG ist eine KG, bei der die persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) eine GmbH ist. Die Kommanditisten sind in der Regel personenidentisch mit den Gesellschaftern der GmbH. Organe und gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse richten sich daher im Wesentlichen nach dem Recht der KG (§§ 161 ff., 105 ff. HGB).
4.1
In Abweichung vom Grundtypus einer KG, bei der Komplementäre und Kommanditisten natürliche Personen sind, ergibt sich bei der GmbH & Co. KG die Besonderheit, dass die Komplementär-GmbH als juristische Person den für ihre Gesellschaftsform geltenden Regelungen unterworfen ist. Juristische Person und Gesamthandsgemeinschaft, Kapital- und Personengesellschaft, sind bei der GmbH & Co. KG eng miteinander verwoben.
4.2
Hat die KG natürliche Personen als Gesellschafter, können diese unmittelbar für die Personengesellschaft handeln. Die KG als Zurechnungsobjekt von Rechten und Pflichten ist als solche nicht handlungsfähig. Sie wird im Rechtsverkehr gesetzlich oder rechtsgeschäftlich vertreten. Dabei legen Gesetz und Gesellschaftsvertrag fest, welche Personen zur Vertretung berufen sind. Ebenso wenig kann die Komplementär-GmbH als juristische Person unmittelbar selbst handeln. Eine GmbH wird gesetzlich durch ihre Geschäftsführer vertreten. Diese müssen natürliche Personen sein. Sie sind auch zur Geschäftsführung der GmbH berechtigt und verpflichtet.
4.3
Während das Außenverhältnis die Beziehungen der Gesellschaft zu anderen Rechtssubjekten und die diesbezüglichen Regeln der Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr betreffen, erstreckt sich das Innenverhältnis auf die gesellschaftsinternen Rechtsverhältnisse, d.h. ihre Organisation und Verwaltung, insbesondere die Zuständigkeitsordnung ihrer Organe. Auch die Rechtsbeziehungen, welche die Gesellschafter als solche zueinander unterhalten, betreffen das Innenverhältnis.
4.4
B. Geschäftsführung I. Begriff und Inhalt Als Geschäftsführung werden sämtliche Maßnahmen bezeichnet, die unmittelbar oder mittelbar dem Ziel dienen, den Gesellschaftszweck zu fördern.1 Hierzu zählen 1 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 2; Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 2.
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4.5
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
sowohl die alltäglichen als auch die außergewöhnlichen Maßnahmen zur Verwendung des Geschäftsvermögens, zur Einziehung der Beiträge, zur Buchführung und Bilanzierung, zur Organisation der Gesellschaft und ihres Unternehmens, die Anschaffung und Veräußerung von Gegenständen, der Abschluss von Rechtsgeschäften für die Gesellschaft sowie die Einstellung von Personal. Geschäftsführungsmaßnahmen können tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein.1 4.6
Soweit derartige Geschäftsführungsakte gleichzeitig die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten, d.h. das Außenverhältnis, betreffen, sind sie gleichzeitig Handlungen in Vertretung der Gesellschaft.2 Rechtlich ist zu unterscheiden zwischen dem Begriff der Vertretungsmacht, d.h. der Rechtsmacht zur rechtsgeschäftlichen Bindung der Gesellschaft im Außenverhältnis gegenüber Dritten, und der Geschäftsführungsbefugnis, d.h. dem Innenverhältnis, welches bestimmt, wer in welchem Umfang die Berechtigung hat, Entscheidungen zur Verfolgung des Gesellschaftszweckes zu treffen.3
4.7
Nicht zur Geschäftsführung zählen die sog. Grundlagengeschäfte, wie die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder die Auflösung der Gesellschaft, die Aufnahme neuer Gesellschafter, Vereinbarungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters (einschließlich einer Abfindung), Änderungen der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis oder die Erhöhung oder Herabsetzung der Gesellschafterbeiträge. Diese sind Sache der Gesellschafter.4
II. Zuständigkeit für die Geschäftsführung 1. Allgemeines 4.8
Bei einer KG sind allein die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) gem. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1 HGB zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Die Kommanditisten sind gem. § 164 HGB grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Sie haften nur in Höhe der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme (s. Rz. 5.46). Auf diese Weise stellt das Gesetz einen Gleichlauf von persönlicher Haftung und Geschäftsführung her.
4.9
Bei der typischen GmbH & Co. KG, in der es neben der GmbH keine weiteren persönlich haftenden Gesellschafter gibt, obliegt die Geschäftsführung damit allein der Komplementär-GmbH. Da die GmbH als juristische Person selbst nicht handeln kann, nimmt sie die Geschäftsführung der KG durch ihre Geschäftsführer wahr (§§ 6, 35 Abs. 1 GmbHG). Die Geschäftsführer haften nur mit ihrer Stammeinlage, wenn sie gleichzeitig GmbH-Gesellschafter sind (§ 13 Abs. 2 GmbHG) und mit der für sie im Handelsregister eingetragenen Haftsumme, sofern sie auch Kommanditisten sind, anderenfalls noch nicht einmal insoweit (allerdings trifft sie die allgemeine Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, s. 1 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 2; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 5. 2 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 23 ff. 3 Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 5; Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 1. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 4.
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§4
Geschäftsführung
dazu Rz. 4.58). Im Gegensatz zur Intention des Gesetzgebers führen damit natürliche Personen die Geschäfte der GmbH & Co. KG, die nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH üben die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG kraft zweifacher Delegation aus: Die Komplementär-GmbH führt die Geschäfte der KG gem. §§ 161 Abs. 2, 114 HGB. Die Geschäftsführer der GmbH führen die Geschäfte der GmbH (§§ 6, 35 Abs. 1 GmbHG). Hierfür hat sich die von Cahn-Garnier1 geprägte Formulierung einer mittelbaren Geschäftsführung der GmbH & Co. KG durch den Geschäftsführer der GmbH eingebürgert.2
4.10
2. Persönlich haftende Gesellschafter der KG Bei der KG sind gem. §§ 164, 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 115 Abs. 1 HGB grundsätzlich alle Komplementäre einzelgeschäftsführungsbefugt. Widerspricht einer der Komplementäre, hat die Geschäftsführungsmaßnahme zu unterbleiben (§ 115 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). Gemäß § 115 Abs. 2 HGB kann im Gesellschaftsvertrag Gesamtgeschäftsführung mit der Maßgabe angeordnet werden, dass jedes Geschäft der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter bedarf, es sei denn, es besteht Gefahr im Verzug. Aufgrund des dispositiven Charakters der §§ 114–117 HGB können im Gesellschaftsvertrag auch einzelne oder mehrere Komplementäre von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden.3
4.11
Die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung der KG grundsätzlich ausgeschlossen (§ 164 HGB). Diese Regelung ist ebenfalls dispositiv, so dass auch ein Kommanditist bei entsprechender Vertragsgestaltung die Geschäfte der KG führen kann (geschäftsführender Kommanditist).4 Ferner können Kommanditisten in besonderen Notsituationen berechtigt und verpflichtet sein, die Geschäfte der KG zu führen, sofern dies zwingend erforderlich ist, um einen Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und die Komplementäre selbst nicht in der Lage sind, rechtzeitig zu handeln.5 Von der organschaftlichen Vertretung im Außenverhältnis ist der Kommanditist nach § 170 HGB zwingend ausgeschlossen (s. dazu Rz. 5.25). Wird vertraglich die Geschäftsführung durch einen Kommanditisten angeordnet, schließt dies im Zweifel nicht die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs aus.6 Ein solcher Ausschluss (auch des einzigen Komplementärs) von der Geschäftsführung ist aber zulässig.7 Bei nur einem Komplementär kann die Vertretung der Gesellschaft durch diesen nicht ausgeschlossen werden.8
4.12
1 Cahn-Garnier, GmbH & Co., Kommanditgesellschaft, S. 20. 2 Vgl. auch Tillmann/Mohr, Rz. 42. 3 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 64; Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 6, § 161 HGB Rz. 15, § 164 HGB Rz. 1. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 6. 5 Vgl. mit entsprechender Argumentation für die actio pro socio: BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, NJW 1980, 1463 (1465) = GmbHR 1981, 186; ferner ausführlich Wirth in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 89 f. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 7. 7 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198; Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 7. 8 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198; Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 164 HGB Rz. 17.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.13
Im Gegensatz zur GmbH können bei der KG grundsätzlich nur ihre Gesellschafter Geschäftsführer sein (Selbstorganschaft). Eine Fremd- oder Drittorganschaft ist nicht möglich.1 Die Stellung als Geschäftsführer der KG ist höchstpersönlich und daher nicht übertragbar (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. §§ 717, 664, 713 BGB). Dieses zwingende Abspaltungsverbot betrifft alle auf der Mitgliedschaft beruhenden Verwaltungsrechte. Mit Zustimmung aller Gesellschafter oder bei ausdrücklicher gesellschaftsvertraglicher Regelung kann die Geschäftsführung jedoch einem Dritten zur Ausübung überlassen werden.2
4.14
Bei der GmbH & Co. KG erfüllt zwar die Komplementär-GmbH als Geschäftsführerin der KG formal die Kriterien der Selbstorganschaft. Letztlich handelt es sich bei der GmbH & Co. KG aber um einen Fall mittelbarer Fremdorganschaft (s. auch Rz. 4.16), da nicht die GmbH selbst, sondern ihre Organe die Geschäftsführung ausüben, die weder dem Gesellschafterkreis der KG noch der GmbH angehören müssen.
4.15
Besonderheiten bestehen bei der Investmentkommanditgesellschaft. Für die GmbH & Co. KG gelten § 128 Abs. 1 Satz 2 KAGB und § 153 Abs. 1 Satz 2 KAGB. Demnach muss bei der offenen bzw. geschlossenen Investmentkommanditgesellschaft, deren Komplementär eine juristische Person ist, die Geschäftsführung der Komplementär-Gesellschaft von mindestens zwei Personen ausgeübt werden. Nach § 128 Abs. 2 und § 153 Abs. 2 KAGB müssen die Geschäftsführer zuverlässig sein und die zur Leitung der Investmentkommanditgesellschaft erforderliche fachliche Eignung haben (s. Rz. 2.313).3
3. Geschäftsführer der GmbH a) Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH 4.16
Zu Geschäftsführern der GmbH können Gesellschafter der GmbH (GesellschafterGeschäftsführer) oder Dritte (Fremdgeschäftsführer) bestellt werden. Anders als bei der KG ist eine sog. Fremdorganschaft möglich. Damit können auch die Kommanditisten der GmbH & Co. KG, die keine Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind, zu Geschäftsführern der GmbH bestellt werden. Bei mehreren Geschäftsführern besteht gem. § 35 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung.
4.17
Geschäftsführer können nur natürliche Personen sein, die unbeschränkt geschäftsfähig sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). § 6 Abs. 2 GmbHG enthält darüber hinaus weitere Anforderungen an Geschäftsführer einer GmbH.4 Demnach ist die Bestellung zum Geschäftsführer bei Berufs- und Gewerbeverboten im Geschäftsbereich der GmbH und bei Verurteilung wegen Straftaten nach §§ 283–283d StGB, bei einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung oder vorsätzlich falscher Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG sowie bei einer Verurteilung
1 2 3 4
BGH v. 22.1.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292; Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 24. Roth in Baumbach/Hopt, § 109 HGB Rz. 17. Dazu Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 161 HGB Rz. 267. Dazu Tillmann/Mohr, Rz. 33 und Rz. 39, speziell zur Bestellung von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung.
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§4
Geschäftsführung
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen allgemeiner Vermögensdelikte ausgeschlossen. Anders als bei der KG bedarf es in der GmbH für die Einsetzung eines Geschäftsführers seiner Bestellung durch die Gesellschafter (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Die Bestellung eines Geschäftsführers erfolgt entweder durch Benennung im Gesellschaftsvertrag der GmbH (s. Rz. 3.28) oder später (nach Eintragung der Gesellschaft) durch einfachen Mehrheitsbeschluss der GmbH-Gesellschafter nach §§ 46 Nr. 5, 47 GmbHG1, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG). Denkbar ist beispielsweise die Bestellung durch einen Beirat oder Aufsichtsrat. Bei einer mitbestimmten GmbH wird der Geschäftsführer gem. § 31 MitbestG zwingend vom Aufsichtsrat bestellt (s. Rz. 4.190). Ein Gesellschafter, der Geschäftsführer werden soll, darf bei dem Beschluss über seine Bestellung mitwirken; es besteht kein Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG2 (zur Beschlussfassung in der Einheitsgesellschaft s. Rz. 2.472 ff.). Einem Gesellschafter kann die Geschäftsführerposition auch als grundsätzlich unentziehbares Recht im Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden.3
4.18
Wird gegen ein gesetzliches Bestellungsverbot verstoßen oder ist der der Bestellung zugrunde liegende Gesellschafterbeschluss nichtig, ist auch die Bestellung unwirksam. Tritt der vermeintliche Geschäftsführer das Amt gleichwohl tatsächlich an und nimmt durch konkrete Geschäftsführerhandlungen eine Organstellung in der GmbH ein, ist er faktischer Geschäftsführer.4
4.19
Die Gesellschafter der GmbH & Co. KG haben – sofern sie nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind – kein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung der Geschäftsführer der GmbH.5 Sie können auch die Bestellung einer Person, die nicht ihr Vertrauen genießt, grundsätzlich nicht verhindern. Allerdings sind die Gesellschafter der GmbH auch bei Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers an ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebunden, entweder als (personenidentische) Kommanditisten unmittelbar gegenüber der GmbH & Co. KG oder als Rückwirkung der Treuepflicht der Komplementär-GmbH gegenüber der KG. Liegt aus Sicht der KG ein wichtiger Grund gegen die Bestellung des Geschäftsführers vor (z.B. Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung; grobe Pflichtverletzungen), dürfte in der Bestellung ein Treuepflichtverstoß liegen.6 Die Berufung ungeeigneter oder kraft Gesetzes ausgeschlossener Geschäftsführer durch die GmbH kann zudem eine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH gem. § 117
4.20
1 Tillmann/Mohr, Rz. 29. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 47 GmbHG Rz. 45. 3 BGH v. 4.11.1968 – II ZR 63/67, NJW 1969, 131; BGH v. 16.2.1981 – II ZR 89/79, WM 1981, 438 = GmbHR 1982, 129; Goette in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 6 GmbHG Rz. 67 ff. 4 Zu den dann bestehenden Rechten und Pflichten s. Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 GmbHG Rz. 11; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 6 GmbHG Rz. 114 ff. S. auch BGH v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14, GmbHR 2015, 191 = BB 2015, 396 mit Anm. Kleindiek zur möglichen Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 1. 6 Dazu Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 2; Hopt, ZGR 1979, 1; Britsch, Die Rechte der Kommanditisten bei der Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, Diss. 1976, S. 29 ff.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
HGB rechtfertigen.1 Dies gilt auch dann, wenn dadurch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen wird.2 4.21
Neben seiner Organstellung steht der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in der Regel auch in einem Dienstverhältnis (§§ 611 ff., 675 BGB). Dieses ist von der Organstellung zu unterscheiden.3 Dementsprechend ist zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dem Abschluss des Anstellungsvertrags zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse stehen selbstständig nebeneinander und können ein voneinander verschiedenes rechtliches Schicksal haben. Die Beendigung des Dienstverhältnisses des GmbH-Geschäftsführers beurteilt sich nicht nach GmbH-Recht, sondern nach allgemeinem Vertragsrecht. Sofern der Dienstvertrag keine entsprechende Frist vorsieht, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB. Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann fristlos erfolgen (§ 626 Abs. 1 BGB), muss aber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erklärt werden (§ 626 Abs. 2 BGB).4
4.22
Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers kann nach § 38 Abs. 1 GmbHG durch Widerruf beendet werden. Die Bestellung kann in der Regel jederzeit widerrufen werden, ohne dass es dafür eines Grundes bedarf. Der Widerruf – wegen der Beendigung der Organstellung ex nunc5 treffender als Abberufung bezeichnet – erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter der GmbH oder durch das nach der Satzung zuständige Organ (zur Beschlussfassung in einer Einheitsgesellschaft s. Rz. 2.472 ff.).6 Der Beschluss bedarf der einfachen Mehrheit, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Voraussetzungen vorsieht. Ein GesellschafterGeschäftsführer darf bei diesem Beschluss grundsätzlich mitwirken (sofern die Abberufung nicht aus wichtigem Grund erfolgt [dazu sogleich]). Es besteht auch hier grundsätzlich kein Stimmverbot gem. § 47 Abs. 4 GmbHG. Die Gesellschafterversammlung oder das nach der Satzung zuständige andere Organ muss die Abberufungserklärung nicht selbst gegenüber dem Geschäftsführer abgeben. Sie kann sich dazu auch dritter Personen, z.B. eines anderen Geschäftsführers, bedienen.7 Die Abberufung wird mit Zugang der Erklärung beim Geschäftsführer wirksam.8
4.23
Die Satzung kann die Abberufung davon abhängig machen, dass ein wichtiger Grund vorliegt (§ 38 Abs. 2 GmbHG).9 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zum Geschäftsführer irreparabel zerstört ist und der Gesellschaft nicht länger zugemutet werden kann, den Geschäftsführer im Amt zu belassen.10 Ob ein wich1 BGH v. 25.4.1983 – II ZR 170/82, DB 1983, 1646 = GmbHR 1983, 301; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 5. 2 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, NJW 1969, 507. 3 S. zur Einordnung als Arbeitsverhältnis im Einzelfall BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, ZIP 1999, 1854 = GmbHR 1999, 925. 4 Tillmann/Mohr, Rz. 427 ff. 5 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 38 GmbHG Rz. 14. 6 Zur Zuständigkeit für die Kündigung, s. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, BB 2007, 1914 = GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner. 7 BGH v. 20.10.2008 – II ZR 107/07, GmbHR 2008, 1316. 8 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 38 GmbHG Rz. 29; Stephan/Tieves in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 38 GmbHG Rz. 45. 9 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 38 GmbHG Rz. 39. 10 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 67/06, DB 2008, 806; BGH v. 12.1.2009 – II ZR 27/08, GmbHR 2009, 434.
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Geschäftsführung
tiger Grund vorliegt, ist aufgrund einer Gesamtabwägung der Umstände im Einzelfall zu ermitteln. So kann bei einem begründeten Verdacht der Untreue das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört sein.1 Bei einer Überschreitung der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung ist dies unter Umständen noch nicht der Fall.2 Bei einer Beschlussfassung über die Abberufung aus wichtigem Grund ist der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer vom Stimmrecht ausgeschlossen.3 Auch andere Gesellschafter können von der Abstimmung ausgeschlossen sein, wenn der wichtige Grund in einer Pflichtverletzung besteht, an der sie selbst mitgewirkt haben.4 Auch auf die Abberufung eines Geschäftsführers der Komplementär-GmbH haben die Gesellschafter der GmbH & Co. KG – sofern sie nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind – grundsätzlich keinen Einfluss (zur Bestellung s. zuvor Rz. 4.20). Jedoch müssen die GmbH-Gesellschafter bei der Abberufung eines Geschäftsführers auch die Interessen der KG berücksichtigen, weil die Komplementär-GmbH gem. § 114 HGB gegenüber der GmbH & Co. KG zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet ist. Wenn alle wesentlichen Entscheidungen innerhalb der GmbH & Co. KG den Kommanditisten vorbehalten sind und die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH nur auf die Führung der laufenden Geschäfte beschränkt ist, kann es den Gesellschaftern der GmbH verwehrt sein, unter Berufung auf die Organisationshoheit der GmbH die GmbH-Geschäftsführer ohne zustimmenden Beschluss der Gesellschafter der GmbH & Co. KG abzuberufen.5
4.24
Gemäß §§ 10 Abs. 1, 39 Abs. 1 GmbHG sind Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers in das Handelsregister einzutragen. Die Eintragung hat nur deklaratorische Wirkung; die Wirksamkeit von Bestellung und Abberufung hängt nicht von der Eintragung im Handelsregister ab.6
4.25
Da die Geschäftsführungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers in der GmbH & Co. KG auf der Geschäftsführungsbefugnis der GmbH beruht, verliert der GmbHGeschäftsführer seine Stellung als „mittelbarer Geschäftsführer“ der GmbH & Co. KG, wenn die Geschäftsführungsbefugnis der GmbH endet (z.B. Ausscheiden aus der GmbH & Co. KG oder Entziehung nach §§ 161 Abs. 2, 117 HGB). Seine Stellung als unmittelbarer Geschäftsführer der GmbH bleibt davon unberührt.
4.26
b) Rechtsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zur GmbH Das Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH richtet sich nach den Vorschriften des GmbHG und ggf. den Bestimmungen der Satzung sowie den zwischen diesen Parteien geschlossenen Vereinbarungen. 1 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 67/06, DB 2008, 806. 2 BGH v. 10.12.2007 – II ZR 289/06, DB 2008, 805 = GmbHR 2008, 487. 3 BGH v. 20.12.1984 – II ZR 110/82, BGHZ 86, 178 = GmbHR 1983, 149; Bayer in Lutter/ Hommelhoff, § 47 GmbHG Rz. 141. 4 BGH v. 27.4.2009 – II ZR 167/07, NJW 2009, 2300 (2. Leitsatz sowie 2303, Rz. 30) = GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils; OLG Düsseldorf v. 24.2.2000 – 6 U 77/99, NZG 2000, 1135 = GmbHR 2000, 1050; K. Schmidt in Scholz, § 47 GmbHG Rz. 139; Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 47 GmbHG Rz. 166; Römermann in Michalski, § 47 GmbHG Rz. 267 f. 5 OLG München v. 19.11.2003 – 7 U 4505/03, NZG 2004, 374 = GmbHR 2004, 587; Zöllner/ Noack in Baumbach/Hueck, § 38 GmbHG Rz. 24. 6 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 39 GmbHG Rz. 1a.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.28
Der Anstellungsvertrag wird in der Regel nur zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer geschlossen. Der Anstellungsvertrag ist als Dienstvertrag i.S. der §§ 611 ff., 675 BGB einzuordnen1 und daher grundsätzlich formfrei. Aus beweisund steuerrechtlichen Gründen ist jedoch Schriftform zu empfehlen.2 Der Abschluss des Anstellungsvertrags ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Zuständig ist für die GmbH nach allgemeiner Ansicht die Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 5 GmbHG analog.3 Dies gilt auch für Änderungen sowie die Beendigung des Anstellungsvertrags.4 Ist ein Aufsichtsrat eingerichtet, ist dieser in der Regel für Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Anstellungsverträgen der Geschäftsführer zuständig.5 In der mitbestimmten GmbH ist diese Zuständigkeit des Aufsichtsrats zwingend.6
4.29
Der Anstellungsvertrag regelt die nicht unmittelbar auf der Organstellung beruhenden Rechte und Pflichten des Geschäftsführers im Verhältnis zur GmbH, insbesondere die für die Geschäftsführertätigkeit gewährte Vergütung. Neben einem Festgehalt wird dem Geschäftsführer vielfach ein Anspruch auf eine erfolgsabhängige Tantieme eingeräumt.7 Bei der inhaltlichen Ausgestaltung sind die Parteien weitgehend frei. Insbesondere sind sie nicht an Kennzahlen der GmbH gebunden. Zweckmäßig ist es vielmehr, Kennzahlen der GmbH & Co. KG zu Grunde zu legen, die in aller Regel Trägerin des vom Geschäftsführer geleiteten Unternehmens ist.8 Zur Entrichtung der Vergütung bleibt dennoch die GmbH verpflichtet, falls der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers nicht mit der GmbH & Co. KG besteht (dazu Rz. 4.35).
4.30
Die Pflichten des Geschäftsführers im Verhältnis zur Komplementär-GmbH werden zu erheblichen Teilen durch das Gesetz vorgegeben, so beispielsweise bei der Gründung der GmbH in § 9a GmbHG, in § 49 Abs. 2, 3 GmbHG hinsichtlich der Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung etc. Ferner besteht seit Inkrafttreten des MoMiG gem. § 15a InsO eine vom GmbHG losgelöste, rechtsformneutrale Verpflichtung des jeweiligen Vertretungsorgans, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen (s. zu den Einzelheiten Rz. 10.57). Darüber hinaus ergeben sich die Pflichten des Geschäftsführers aus dem Anstellungsvertrag, dem Gesellschaftsvertrag oder aus den Weisungen der Gesellschafter.9
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Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 15. Tillmann/Mohr, Rz. 186. Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 311. Dazu ausführlich Tillmann/Mohr, Rz. 182; BGH v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, DB 2007, 1072 = GmbHR 2007, 606; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, DB 2007, 1916 = GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48 = GmbHR 1984, 151; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 257. Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 257 m.w.N. Zu den gängigen Vergütungsmodellen s. etwa Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 357 ff.; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 314 ff. Tillmann/Mohr, Rz. 326. Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, S. 36 f.; dort auch zur Diskrepanz des Pflichtenkatalogs in Satzung und Anstellungsvertrag.
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§4
Geschäftsführung
Die Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung der GmbH führt zum Erlöschen sämtlicher Geschäftsführungsbefugnisse. Der Abberufene verliert damit neben seiner Geschäftsführerstellung in der GmbH auch die Berechtigung und Fähigkeit, die Geschäfte der GmbH & Co. KG weiterzuführen. Die GmbH selbst wird dadurch jedoch nicht in ihrer Stellung als Komplementärin der GmbH & Co. KG und damit in ihren Rechten und Pflichten zur Geschäftsführung und Vertretung berührt.
4.31
Von der Abberufung als organschaftlichem Akt ist die Beendigung des Anstellungsvertrags zu unterscheiden. Die Abberufung stellt in aller Regel kein vertragswidriges Verhalten i.S. des § 628 Abs. 2 BGB seitens der Gesellschaft dar und begründet damit keinen Schadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers.1
4.32
Gestaltungshinweis: Wegen der Trennung zwischen organschaftlicher Stellung und Anstellungsverhältnis ist es empfehlenswert, im Anstellungsvertrag eine Regelung vorzusehen, nach der die Abberufung als Geschäftsführer als Kündigung des Anstellungsvertrags zum nächstmöglichen Zeitpunkt gilt.2
4.33
c) Rechtsverhältnis zwischen GmbH-Geschäftsführer und GmbH & Co. KG Ein direktes Rechtsverhältnis besteht in der Regel nur zwischen der Komplementär-GmbH und dem Geschäftsführer (s. Rz. 4.20, 4.24, 4.28), nicht aber zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und der GmbH & Co. KG. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn der Geschäftsführer zulasten der GmbH & Co. KG Pflichtverletzungen begeht.
4.34
Nach h.M. besteht die Möglichkeit, dass der Geschäftsführer nicht mit der Komplementär-GmbH, sondern unmittelbar mit der GmbH & Co. KG in ein Anstellungsverhältnis (Drittanstellung) tritt.3 Voraussetzung für eine solche Drittanstellung ist allerdings nach überwiegender Ansicht die Zustimmung der GmbH.4 Fehlt ihre Zustimmung, ist nach z.T. vertretener Ansicht der Anstellungsvertrag unwirksam.5 Nach wohl zutreffender Ansicht dürfte der Anstellungsvertrag – der von der Organstellung grundsätzlich unabhängig ist und lediglich schuldrechtliche Rechte und Pflichten im Verhältnis der Parteien begründet – gleichwohl wirksam
4.35
1 BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, BB 2002, 2629 = GmbHR 2003, 100 m. Komm. Haase; vgl. aber zum Schadensersatz bei unterbliebener Bestellung trotz schuldrechtlicher Bestellungsvereinbarung: BAG v. 8.8.2002 – AZR 574/01, DB 2002, 2273; ausführlich Bauer/Diller/ Krets, DB 2003, 2687. 2 Kopplungsklauseln sind zulässig, BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NZG 1999, 1215 = GmbHR 1999, 1140 m. Komm. Haase; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 392. 3 OLG Celle v. 21.9.1979 – 3 U 197/79, GmbHR 1980, 32; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 9; Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 308; a.A. Winter, GmbHR 1965, 195; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, Diss. 1970, S. 197 ff. 4 Vgl. Fleck, ZHR 149 (1985), 388: Einverständnis der GmbH erforderlich; so nun auch Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 309; früher noch differenzierend Uwe H. Schneider, GmbHR 1993, 10 (15); a.A. Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 35 GmbHG Rz. 324; Tebben in Michalski, § 6 GmbHG Rz. 146. 5 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 9; Koppensteiner/Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 35 GmbHG Rz. 79.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
sein.1 Ist die GmbH mit der Drittanstellung des Geschäftsführers nicht einverstanden, kann sie von seiner Bestellung absehen oder sie widerrufen.2 Auch im Falle der Drittanstellung befindet sich der GmbH-Geschäftsführer im Verhältnis zur GmbH & Co. KG nicht in einer unmittelbaren Organstellung.3 4.36
Bei Abschluss des Anstellungsvertrags wird die GmbH & Co. KG von der Komplementär-GmbH vertreten, die entweder durch einen weiteren Geschäftsführer oder per Gesellschafterbeschluss handelt.4 Sofern die GmbH & Co. KG den anzustellenden Geschäftsführer vom Verbot des Selbstkontrahierens (vgl. § 181 BGB) befreit hat, kann der Geschäftsführer den Anstellungsvertrag mit sich selbst schließen oder Änderungen des Vertrags vornehmen, insbesondere hinsichtlich seiner Vergütung.5 Ist der GmbH-Geschäftsführer nur im Verhältnis zur KomplementärGmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und vereinbart er mit sich selbst im Namen der KG eine Gehaltserhöhung, ist die Vertragsänderung nach § 181 BGB schwebend unwirksam. Wird die Änderung nicht genehmigt, hat der Geschäftsführer nach den Grundsätzen des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage einen Anspruch auf die erhöhte Vergütung, wenn er seine Tätigkeit mit Kenntnis des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder zumindest eines Organmitglieds von der Gehaltserhöhung fortsetzt; die Kenntnis des Umfangs der Gehaltserhöhung ist nicht erforderlich.6 Demgegenüber reicht allein die Kenntnis von der Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit nicht aus, um einen Anspruch des Geschäftsführers zu begründen, weil diese nicht erkennen lässt, dass der Geschäftsführer die Tätigkeit nur gegen erhöhte Bezüge fortsetzt.7
4.37
Ist der Geschäftsführer nicht unmittelbar bei der GmbH & Co. KG angestellt, wurde vereinzelt versucht, ein Vertragsverhältnis zwischen GmbH & Co. KG 1 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 35 GmbHG Rz. 324; Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 309. 2 Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 309. 3 Für Streitigkeiten zwischen einer GmbH & Co. KG und einem solchen Geschäftsführer aus dem Anstellungsverhältnis ist dennoch nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, sondern zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten Personen, die kraft Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss zur Vertretung einer juristischen Person oder Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Die Bestellung zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH infolge ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der KG erfasst insoweit auch die Rechtsbeziehung des Geschäftsführers zur KG, OLG München v. 10.4.2003 – 7 W 656/03, GmbHR 2003, 776; BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, GmbHR 2003, 1208; a.A. LAG Köln v. 14.10.2002 – 11 Ta 273/02, ZIP 2003, 1101 = GmbHR 2003, 902; OLG München v. 27.10.2014 – 7 W 2097/14, GmbHR 2014, 1263. S. zur Kündigung eines bei der GmbH & Co. KG angestellten Geschäftsführers der Komplementär-GmbH in der Einheitsgesellschaft OLG Hamburg v. 22.3.2013 – 11 U 27/12, GmbHR 2013, 580 = ZIP 2013, 881. 4 Tillmann/Mohr, Rz. 195. 5 OLG Frankfurt v. 12.4.2006 – 21 U 37/05, AG 2007, 127 f.; BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, BGHZ 58, 115 = GmbHR 1972, 214; für die Folgen einer fehlenden Befreiung von § 181 BGB im Verhältnis zur KG s. BGH v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, DB 2014, 1603 = GmbHR 2014, 817 m. Komm. Brötzmann; s. hierzu auch Höpfner, NZG 2014, 1174 sowie Trendelenburg, BB 2014, 2131. 6 BGH v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, NZG 2014, 780 (781) = GmbHR 2014, 817 m. Komm. Brötzmann. 7 BGH v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, NZG 2014, 780 (781) = GmbHR 2014, 817 m. Komm. Brötzmann.
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Geschäftsführung
und dem Geschäftsführer daraus herzuleiten, dass ein GmbH-Geschäftsführer aufgrund seines Dienstvertrags mit der GmbH berechtigt und verpflichtet sei, die Geschäfte der GmbH & Co. KG zu besorgen. Der Dienstvertrag stelle sich damit als ein sog. Vertrag zugunsten und zulasten Dritter i.S. des § 328 BGB dar, aus dem sich für die GmbH & Co. KG unmittelbare Rechte und Pflichten ergäben.1 Verträge zulasten Dritter sind indes unzulässig.2 Im Vertrag zwischen Geschäftsführer und GmbH können daher keine Verpflichtungen der GmbH & Co. KG begründet werden. Aus dem Anstellungsvertrag der GmbH mit dem Geschäftsführer lassen sich aber Schutzwirkungen zugunsten der GmbH & Co. KG herleiten.3 Die GmbH & Co. KG kann daher vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen, wenn dieser seine Pflichten aus dem Anstellungsvertrag verletzt (ausführlich dazu Rz. 4.65 ff.).
4.38
III. Umfang der Geschäftsführungsbefugnis 1. GmbH & Co. KG Gemäß §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 1 HGB erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der GmbH & Co. KG mit sich bringt. Gewöhnliches Geschäft ist, was in dem Handelsgewerbe der betreibenden GmbH & Co. KG und dem Handelszweig, der den Unternehmensgegenstand bildet, normalerweise nach Inhalt und Umfang vorkommen kann.4
4.39
Demgegenüber sind außergewöhnliche Geschäfte solche, die nach Art und Inhalt (z.B. wichtige organisatorische Änderungen, Beteiligung an anderen Unternehmen), Zweck (z.B. außerhalb des Unternehmensgegenstands) oder Umfang und Risiko (z.B. Großkredit oder Spekulationsgeschäft) Ausnahmecharakter tragen, wobei die besonderen Verhältnisse der Gesellschaft jeweils angemessen zu berücksichtigen sind.5 Gegen außergewöhnliche Geschäfte besteht nicht nur das in § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB vorgesehene Widerspruchsrecht der Kommanditisten. Nach allgemeiner Auffassung findet § 116 Abs. 2 HGB Anwendung, der einen Beschluss sämtlicher Gesellschafter erfordert.6 Das Zustimmungserfordernis bezieht sich allerdings nur auf das Innenverhältnis, sodass die Maßnahme im
4.40
1 Cahn-Garnier, GmbH & Co., Kommanditgesellschaft, S. 22. 2 RG v. 21.4.1937 – V 297/36, RGZ 154, 355 (361); BGH v. 11.11.1980 – X ZR 58/79, BGHZ 78, 369 (374); Gottwald in MünchKomm. BGB, Bd. II, 6. Aufl. 2012, § 328 BGB Rz. 198. 3 BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 = GmbHR 1980, 127; Hüffer, ZGR 1981, 348; BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 = GmbHR 1980, 179; BGH v. 17.3.1980 – II ZR 85/79, WM 1980, 593; BGH v. 17.3.1987 – VI ZR 282/85, GmbHR 1987, 304; BGH v. 28.6.1982 – II ZR 121/81, GmbHR 1983, 122; BGH v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, ZIP 1995, 738 (739, 745) = GmbHR 1995, 589; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, GmbHR 2002, 588 = ZIP 2002, 984; LG Berlin v. 10.12.2012 – 99 O79/11, DStR 2013, 1195. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 1. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 2 (auch mit weiteren Beispielen); Jickeli in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 116 HGB Rz. 31 f.; BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, NJW 1980, 1463 (1464) = GmbHR 1981, 186. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 2; Barella, DB 1952, 944; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 5; Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 1; Jickeli in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 116 HGB Rz. 36; Barella, DB 1952, 944.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Außenverhältnis gegenüber Dritten auch ohne vorherige Zustimmung wirksam ist.1 In Ausnahmefällen, wenn eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft notwendig ist, kann eine Pflicht zur Zustimmung bestehen.2 Verletzt ein Gesellschafter diese Pflicht, kann die Abgabe der Zustimmungserklärung klageweise von der Gesellschaft oder einem Gesellschafter im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden.3 4.41
Nimmt der Komplementär außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen ohne die Zustimmung der Gesellschafter vor, können diese ihn klageweise auf Schadensersatz oder Unterlassung in Anspruch nehmen – sowohl aus eigenem Recht,4 als auch (im Wege einer actio pro socio) aus dem Recht der Gesellschaft (s. auch Rz. 4.55).5
4.42
Die Erteilung einer Prokura gem. § 48 HGB ist zwar grundsätzlich ein gewöhnliches Geschäft.6 Jedoch regelt § 116 Abs. 3 Satz 1 HGB, dass die Bestellung eines Prokuristen – im Gegensatz zum Widerruf der Prokura (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 2 HGB) – der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter bedarf. Diese Vorschrift spielt bei der typischen GmbH & Co. KG allerdings in der Regel keine Rolle, da es zumeist nur einen geschäftsführenden Gesellschafter – die KomplementärGmbH – gibt. Wird einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag Prokura erteilt, so kann ihm diese zwar im Außenverhältnis jederzeit gem. § 52 Abs. 1 HGB entzogen werden, im Innenverhältnis ist dagegen entsprechend §§ 117, 127 HGB ein wichtiger Grund erforderlich.7
4.43
Grundlagengeschäfte betreffen das Gesellschaftsverhältnis selbst (z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrags; Umwandlung; Auflösung; Wahl des Abschlussprüfers; Aufnahme neuer Gesellschafter und Ausschluss von Gesellschaftern;8 nicht dagegen die bloße Adressänderung unter Beibehaltung des Firmensitzes9). Sie sind keine Geschäftsführungsmaßnahmen. Für Entscheidungen über Grundlagengeschäfte sind grundsätzlich alle Gesellschafter der KG zuständig.10
4.44
Die gesetzliche Regelung des Umfangs der Geschäftsführungsbefugnis ist dispositiv. Der Gesellschaftsvertrag kann Abweichungen vorsehen und enthält in der Praxis oft Kataloge zustimmungspflichtiger bzw. nicht zustimmungspflichtiger Ge1 Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 7; Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 27. 2 BGH v. 2.7.1973 – II ZR 94/71, DB 1973, 2236; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 5; Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 24. 3 Jickeli in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 116 HGB Rz. 47; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 5. 4 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 164 HGB Rz. 12 ff.; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 164 HGB Rz. 8; Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 164 HGB Rz. 14; Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (32); Westermann in FS Maier-Reimer, 2010, S. 853, 861. 5 Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 30; Jickeli in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 116 HGB Rz. 46; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 4. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 8. 7 BGH v. 27.6.1955 – II ZR 232/54, BGHZ 17, 392. 8 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 5; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 HGB Rz. 3. 9 KG v. 20.9.2013 – 12 W 40/13, NZG 2014, 150 = GmbHR 2013, 1263. 10 Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 3.
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§4
Geschäftsführung
schäfte, ggf. verbunden mit differenzierten Mehrheitserfordernissen. Zur Zulässigkeit von Mehrheitsklauseln s. Rz. 4.157 ff.
2. GmbH Zunächst hat der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als „mittelbarer Geschäftsführer“ der GmbH & Co. KG die Beschränkungen zu beachten, denen die GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG unterliegt. Dies ergibt sich daraus, dass der GmbH-Geschäftsführer seine Befugnis zur Geschäftsführung der GmbH & Co. KG von der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH ableitet. Seine Befugnis geht daher nicht weiter als die der GmbH selbst. Selbst wenn die Satzung der GmbH, nicht aber der Gesellschaftsvertrag der KG, den Geschäftsführer zu außergewöhnlichen Rechtsgeschäften ermächtigen sollte, bleibt wegen § 116 HGB eine Zustimmung der KG-Gesellschafter erforderlich.
4.45
Ob sich aus der Organstellung des Geschäftsführers in der GmbH darüber hinausgehende Beschränkungen ergeben, bemisst sich nach GmbH-Recht. Vorbehaltlich besonderer Satzungsregelungen oder Gesellschafterbeschlüsse ist die Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH umstritten. Vereinzelt wird angenommen, es fänden die gleichen Beschränkungen Anwendung wie im Personengesellschaftsrecht.1 Überwiegend wird der Kreis vorlagepflichtiger Geschäfte indes enger gezogen2 oder eine „originäre und primäre“ Zuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers auch für ungewöhnliche Geschäfte vertreten.3 Damit sieht das GmbH-Recht grundsätzlich jedenfalls keine weiteren Beschränkungen vor, als sie sich ohnehin schon aus den Regelungen für die KG ergeben.
4.46
Allerdings kann die Gesellschafterversammlung der GmbH grundsätzlich auch Angelegenheiten der Geschäftsführung an sich ziehen (sofern sie nicht gem. § 46 GmbHG originär zuständig ist) und dem Geschäftsführer allgemeine Richtlinien und konkrete Weisungen erteilen (§ 37 Abs. 1 GmbHG).4 Diese Weisungen hat der Geschäftsführer zu beachten, sofern sie nicht nichtig sind (z.B. wegen eines Gesetzesverstoßes oder erfolgreicher Anfechtung).5
4.47
1 Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (123); Hommelhoff, ZIP 1983, 383 (385); i.d.S. auch Vollmer, ZGR 1979, 135 (139 f.); Koppensteiner/Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 37 GmbHG Rz. 10 ff. 2 Altmeppen in Roth/Altmeppen § 37 GmbHG Rz. 22; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 37 GmbHG Rz. 10 f.; Stephan/Tieves in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 37 GmbHG Rz. 129; Fleischer, NZG 2011, 521 (524 f.); Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 37 GmbHG Rz. 15 ff.; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1991, S. 85 ff. 3 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 GmbHG Rz. 9, 20 ff.; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rz. 7 ff.; Kort, ZIP 1991, 1274; Westermann-Menger, DWiR 1991, 143 (148 ff.); Wiedemann, GesR I, S. 336; differenzierend Priester in FS Westermann, 2008, S. 1281, 1286; ähnlich Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 14 ff.; Sitzenfrei/Tischer, DB 2008, 1307; Lenz in Michalski, § 37 GmbHG Rz. 14; Fichtelmann in Heidelberger Komm., § 37 GmbHG Rz. 6. 4 OLG Düsseldorf v. 15.11.1984 – 8 U 22/84, ZIP 1984, 1476; Mennicke, NZG 2000, 622; Ebert, GmbHR 2003, 444; Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 GmbHG Rz. 40; Stephan/Tieves in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 37 GmbHG Rz. 115 f. 5 Siehe zum differenzierten Meinungsstand betreffend die Folgepflicht bei rechtswidrigen Weisungen Stephan/Tieves in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 37 GmbHG Rz. 122 ff.;
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§4 4.48
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Bei einer personenidentischen GmbH & Co. KG sind die Kommanditisten als GmbH-Gesellschafter weisungsberechtigt. Im Übrigen können Kommanditisten der GmbH & Co. KG dem GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich keine Weisungen erteilen. Ein solches Weisungsrecht kann allerdings in der Satzung der Komplementär-GmbH auch den Kommanditisten der GmbH & Co. KG eingeräumt werden, selbst wenn diese nicht zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind.1
IV. Geschäftsführerhaftung 1. Ausgangspunkt 4.49
Auch für die Frage der Geschäftsführerhaftung in der GmbH & Co. KG ist zwischen KG- und GmbH-Ebene zu unterscheiden. Zum einen kommt eine Haftung der Komplementär-GmbH als Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG in Betracht. Da die GmbH als juristische Person durch ihr Organ (Geschäftsführer) handelt, beruht diese Haftung auf einer Zurechnung pflichtwidrigen Handelns ihres Geschäftsführers. Als weiteres Haftungssubjekt kommt der GmbH-Geschäftsführer in Betracht. Sofern die Komplementär-GmbH aufgrund eines Fehlverhaltens ihres Geschäftsführers haftet, kann dies zu Rückgriffsansprüchen der GmbH gegen ihren Geschäftsführer führen. Ferner stellt sich die Frage, ob die GmbH & Co. KG den GmbH-Geschäftsführer auch unmittelbar in Anspruch nehmen kann, sofern ihr durch seine Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Zu besonderen Haftungstatbeständen im Zusammenhang mit einer Insolvenz der KomplementärGmbH oder der GmbH & Co. KG s. Rz. 10.81 ff.).
2. Haftung der Komplementär-GmbH als Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG 4.50
Die GmbH bedient sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben in der GmbH & Co. KG ihres Geschäftsführers. Verletzt die Komplementär-GmbH die ihr als Geschäftsführerin obliegenden Pflichten, haftet sie der GmbH & Co. KG für ein diesbezügliches Fehlverhalten ihres Geschäftsführers nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Dabei muss sie sich die Pflichtverletzung ihres Geschäftsführers analog § 31 BGB zurechnen lassen.2 keine Folgepflicht des Geschäftsführers, solange die Bestandskraft des Beschlusses nicht feststeht Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 130 f.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 37 GmbHG Rz. 22; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 35; Fleck, GmbHR 1974, 224; Fleck, ZHR 149 (1985), 387; Eisenhardt in FS Pfeiffer, 1988, S. 851 f.; Konzen, NJW 1989, 2977, Entscheidungsrisiko des Geschäftsführers, wenn der Beschluss noch anfechtbar ist bzw. das Gericht noch nicht entschieden hat. 1 Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 164 HGB Rz. 15; Fleck, ZHR 149 (1985), 387; Hopt, ZGR 1979, 1; Konzen, NJW 1989, 2977 (2982); a.A. eingehend Esch, NJW 1988, 1553; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 70; Hüffer, ZGR 1981, 348. 2 Allg.M., vgl. Reuter in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 31 BGB Rz. 15; Ellenberger in Palandt, § 31 BGB Rz. 3; Schöpflin in Beck’scher Online-Komm. BGB, § 31 BGB Rz. 3; vgl. auch BGH v. 16.4.2010 – V ZR 171/09, NJW 2010, 1808; Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 GmbHG Rz. 300; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 264; Zöllner/
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§4
Geschäftsführung
Damit eine Pflichtverletzung gem. § 31 BGB analog zugerechnet werden kann, muss die verletzende (deliktische oder rechtsgeschäftliche) Handlung in Ausführung der dem Organ obliegenden Verpflichtung erfolgen, d.h. im Zusammenhang mit der Geschäftsführung der GmbH stehen. Verursacht der GmbH-Geschäftsführer nur bei Gelegenheit dieser Tätigkeit einen Schaden (z.B. Körperverletzung, Diebstahl, usw.), scheidet eine Organhaftung der Komplementär-GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG aus. Für schädigende Handlungen des Geschäftsführers in Ausführung der ihm obliegende Verrichtungen haftet die GmbH gem. § 31 BGB analog wie für eigenes Verschulden.1
4.51
Gesellschaftsrechtliche Grundlage für einen Schadensersatzanspruch der GmbH & Co. KG gegenüber der Komplementär-GmbH sind die §§ 280, 708 BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. Der Anspruch unterliegt der dreijährigen Regelverjährung gem. § 195 BGB.2
4.52
Der Haftungsmaßstab richtet sich nach § 708 BGB. Die GmbH hat für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie auch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (diligentia quam in suis). Von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit befreit dies nicht (§ 277 BGB). Zwar beruht der erleichterte Haftungsmaßstab – eine Haftungsverschärfung bei besonders großer Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten erfolgt nicht – auf dem typischerweise engen persönlichen Verhältnis der Personengesellschafter.3 Bei einer GmbH & Co. KG besteht – jedenfalls soweit es um die GmbH geht – kein derartiges enges „persönliches“ Verhältnis. § 708 BGB gilt aber für jeden „Gesellschafter“ unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder eine juristische Person handelt. Damit gilt für die GmbH & Co. KG kein abweichender Verschuldensmaßstab – eine Ausnahme besteht allerdings bei der Publikumsgesellschaft; hier findet die Haftungserleichterung keine Anwendung (s. Rz. 2.314).4 Ferner wird die eigenübliche Sorgfalt einer Komplementär-GmbH, die als juristische Person durch ihren Geschäftsführer handelt, meist der vom Geschäftsführer einzuhaltenden Sorgfalt entsprechen, d.h. dem (strengen) Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Geschäftsmannes nach § 43 Abs. 1 GmbHG.5 Abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag sind möglich, insbesondere können Haftungserleichterungen vorgesehen oder auch der für den GmbH-Geschäftsführer geltende (strenge) Haftungsmaßstab des ordentlichen Geschäftsmannes ausdrück-
4.53
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Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 66; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 106. BGH v. 28.9.1955 – VI ZR 28/53, WM 1956, 61 (64); ob § 31 BGB auch § 278 BGB ausschließt, ist str.; dazu RG v. 23.11.1928 – II 166/28, RGZ 122, 355, (359); RG v. 7.10.1932 – III 139/32, RGZ 138, 39 (42); Grundmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 278 BGB Rz. 11. Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 20. Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 222 m.w.N.; Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 19; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 708 BGB Rz. 1. BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, NJW 1980, 589 = GmbHR 1980, 127. Siehe auch BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, GmbHR 1980, 127; ähnlich Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 23; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 156; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 18, ob § 708 BGB oder § 43 GmbHG anwendbar sei, dürfte im Ergebnis nicht zum Tragen kommen; v. Ditfurth in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 27; a.A. Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 107.
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lich zu Grunde gelegt werden.1 Die Haftung für Vorsatz kann im Voraus nicht erlassen werden (§ 276 Abs. 3 BGB). 4.54
Als Pflichtverletzung kommt zum einen in Betracht, dass die Komplementärin die Grenzen ihrer Geschäftsführungsbefugnis überschreitet, indem sie sich beispielsweise über einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte hinwegsetzt oder rechtliche Vorgaben verletzt (Verstoß gegen die sog. Legalitätspflicht).2 Zum anderen kann eine Pflichtverletzung aber auch darin bestehen, dass eine wirtschaftlich unzweckmäßige Geschäftsführungsmaßnahme vorgenommen oder eine erforderliche unterlassen wird.3 Im Bereich unternehmerischer Entscheidungen, die rechtlich nicht eindeutig vorgegeben sind, ist dem geschäftsführenden Gesellschafter ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Insoweit lassen sich die im ARAG-Urteil des BGH4 für die Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze der sog. business judgment rule übertragen.5 Diese ist in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für die Aktiengesellschaft inzwischen kodifiziert. Demnach liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn der Vorstand bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. In der Terminologie des BGH liegt ein Pflichtverstoß bei unternehmerischen Entscheidungen erst dann vor, wenn „die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist, oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“6 Bei der Anwendung auf die GmbH & Co. KG wird freilich zu berücksichtigen sein, dass die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs – anders als beim Vorstand der Aktiengesellschaft – grundsätzlich auf gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt ist (s. Rz. 4.39 ff.). Damit ist die Reichweite unternehmerischer Abwägungsentscheidungen, die sich noch im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis bewegen und vom Komplementär ohne Verstoß gegen die Kompetenzordnung getroffen werden können, insgesamt geringer.
4.55
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der KG gegenüber der Komplementär-GmbH kann durch die KG selbst oder einzelne Gesellschafter im Wege der actio pro socio erfolgen.7 In der Publikums-KG kommt auch die Bestellung ei1 Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 18; keine Verschärfung der Haftung über § 43 GmbHG hinaus Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 107. 2 Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 43; Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rz. 6 ff.; zu Kompetenzüberschreitungen s. im Einzelnen Fleischer, DStR 2009, 1204. 3 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 21. 4 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926. 5 Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 21; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 HGB Rz. 40; Weitemeyer in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 114 HGB Rz. 28. 6 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926 (1928). 7 Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 225.
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Geschäftsführung
nes besonderen Vertreters zur Geltendmachung der Ansprüche in Betracht (entsprechend § 46 Nr. 8 Halbs. 2 GmbHG, § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG).1 Es ist davon auszugehen, dass dies für die KG auch generell gilt.2 Die Geltendmachung eines Anspruchs durch die Gesellschaft ist ein außergewöhnliches Geschäft, das die Zustimmung der Gesellschafter erfordert.3 Dabei unterliegt der betroffene Gesellschafter einem Stimmverbot (s. zu Stimmverboten Rz. 4.139). Die actio pro socio erfordert nicht die Zustimmung der Mitgesellschafter.4 Für die Beweislast im Haftungsprozess kann auf die für die Geschäftsführerhaftung in der GmbH geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden.5 Demnach trägt die Gesellschaft nur die Darlegungs- und Beweislast für ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten und für ihren Schaden; im Hinblick auf die Pflichtwidrigkeit obliegt dann dem Komplementär seine Entlastung.6
4.56
Dem Komplementär kann von den Gesellschaftern Entlastung für die geleistete Geschäftsführung erteilt werden. Die Entlastung hat dieselben Folgen wie in der GmbH (s. dazu Rz. 4.75).7
4.57
3. Haftung des GmbH-Geschäftsführers a) Haftung gegenüber der Komplementär-GmbH Gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG haftet der GmbH-Geschäftsführer, der seine Pflichten verletzt, gegenüber der GmbH für den ihr entstandenen Schaden.8 Dazu gehören ggf. auch Ansprüche der GmbH & Co. KG gegen die Komplementär-GmbH aus pflichtwidriger Geschäftsführung. 1 BGH v. 7.9.2010 – II ZR 210/09, AG 2011, 26 = DZWIR 2011, 64; Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 225. 2 Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 225; Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 100. 3 Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 225; v. Ditfurth in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 31; Martens in Schlegelberger, § 114 HGB Rz. 41; Rawert in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 114 HGB Rz. 67. 4 BGHZ 25, 47 (49 f.) = BGH JZ 1957, 624 (625); Rawert in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 114 HGB Rz. 68; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 4a; anders aber RG v. 1.4.1943 – II 138/42, RGZ 171, 51 (53 ff.). 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 15; Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 227; v. Ditfurth in MünchHdb. GesR, Bd. I, § 7 Rz. 64; Ulmer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 HGB Rz. 63; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 708 BGB Rz. 19 ff. 6 BGH v. 13.1.1954 – II ZR 6/53, BB 1954, 143; BGH v.18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = DStR 2013, 2071; Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 15; Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 227; v. Ditfurth in MünchHdb. GesR, Bd. I, § 7 Rz. 64; Ulmer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 114 HGB Rz. 63; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 708 BGB Rz. 19 f. 7 Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 16; Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 228 ff. 8 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 1; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 1 ff. Die Vorschrift des § 43 GmbHG nimmt die vertragliche Grundlage, die zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH auf Leistung von Schadensersatz führt, als Spezialregelung in sich auf, BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, GmbHR 1989, 365.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.59
Personen, die zwar nicht (ordnungsgemäß) zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wurden, aber tatsächlich wie ein Geschäftsführer für die GmbH tätig werden, haften u.U. nach den gleichen Grundsätzen als faktische Geschäftsführer.1 Für die Haftung als faktischer GmbH-Geschäftsführer ist es erforderlich, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen hat und die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt.2
4.60
§ 43 GmbHG ist eine eigene Anspruchsgrundlage und erfasst jede schuldhafte Pflichtverletzung, die der Geschäftsführer bei Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit begeht.3 Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre ab Anspruchsentstehung (§ 43 Abs. 4 GmbHG).4 Der Verschuldensmaßstab richtet sich nach § 43 Abs. 1 GmbHG. Danach hat der Geschäftsführer für die Verletzung der einem ordentlichen Geschäftsmann obliegenden Sorgfalt einzustehen. Für unternehmerische Entscheidungen gilt die business judgment rule (s. Rz. 4.54). Haftungserleichterungen können im Anstellungsvertrag oder in der Satzung geregelt werden, sofern zwingende Vorschriften zum Schutz der Gläubiger der GmbH (§§ 9a f. GmbHG) eingehalten werden.5
4.61
Gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bedarf es zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Ersatzansprüche und Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung aus einer Verletzung der Geschäftsführerpflichten, nicht nur für Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG.6
4.62
Für die Darlegungs- und Beweislast im Haftungsprozess gelten die Ausführungen zur KG entsprechend (s. Rz. 4.56). b) Unmittelbare Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH & Co. KG
4.63
Eine Haftung der Komplementär-GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG und eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH schließen unmittel1 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 = GmbHR 1988, 299; zu den Voraussetzung und Folgen faktischer Geschäftsführung siehe Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rz. 101; Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 222 ff.; Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 9; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 28 ff.; Mertens in KölnerKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, § 93 AktG Rz. 11 ff.; eingehend Roth, ZGR 1989, 421. 2 BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, NZG 2005, 755 = GmbHR 2005, 1126; OLG Hamm v. 28.2. 2014 – I-9 U 152/13, NZG 2014, 459 = GmbHR 2014, 821. 3 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, GmbHR 1989, 365; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 1; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co KG, § 16 Rz. 150; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 1 ff. 4 Zur Verkürzung der Fünf-Jahresfrist s. BGH v. 16.9.2002 – II ZR 107/1, GmbHR 2002, 1197; Sturm, GmbHR 2003, 573. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 27; Tillmann/Mohr, Rz. 629 ff.; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 259 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 43 GmbHG Rz. 64, 66; zu den Grenzen zulässiger Haftungsbeschränkungen vgl. BGH v. 15.11.1999 – II ZR 122/98, GmbHR 2000, 187 sowie BGH v. 16.9.2002 – II ZR 107/01, GmbHR 2002, 1197. 6 Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 61 m.w.N.; BGH v. 21.4.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 (390) = GmbHR 1986, 260.
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Geschäftsführung
bare Ansprüche der GmbH & Co. KG gegen den GmbH-Geschäftsführer nicht aus. Besteht ein Anstellungsvertrag des Geschäftsführers mit der GmbH & Co. KG (s. Rz. 4.35), stehen der GmbH & Co. KG bei schuldhafter Verletzung von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag vertragliche Schadensersatzansprüche unmittelbar gegen den GmbH-Geschäftsführer zu.1 Ob § 43 GmbHG bei gleichzeitiger Verletzung von organschaftlichen und anstellungsvertraglichen Pflichten eine verdrängende Wirkung gegenüber einer Haftung aus Vertragsverletzung hat, ist umstritten. Entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung2 und Teilen der Literatur3 wird die Auffassung vertreten, dass die Ansprüche nebeneinander bestehen.4 Unabhängig vom Anstellungsvertrag haftet der GmbH-Geschäftsführer der GmbH & Co. KG auch dann persönlich, wenn er auch Kommanditist der GmbH & Co. KG ist und durch sein Handeln als Geschäftsführer der GmbH gleichzeitig seine Treuepflicht als Kommanditist gegenüber der GmbH & Co. KG verletzt.5
4.64
Fehlt es an einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen Geschäftsführer und KG, können der GmbH & Co. KG unmittelbare Ansprüche gegen den Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG zustehen, wenn die KG nach den Umständen des Einzelfalls in die drittschützende Wirkung der organschaftlichen Sonderbeziehung zwischen der Komplementär-GmbH und dem GmbH-Geschäftsführer einbezogen ist. Vertragliche Ansprüche setzen dann voraus, dass die GmbH & Co. KG zumindest in den Schutzbereich des Anstellungsvertrags zwischen Komplementär-GmbH und deren Geschäftsführer einbezogen ist.
4.65
Es ist anerkannt, dass sich eine vertragliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der KG aus dem Anstellungsvertrag mit der GmbH in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ableiten lässt.6 Für den Fall, dass kein Anstellungsvertrag zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer besteht, hat der BGH entschieden, dass auch die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen GmbH und Geschäftsführer drittschützende Wirkung zugunsten der GmbH & Co. KG entfalten kann.7 Ein Anstellungsvertrag
4.66
1 Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 18; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 4a; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 7. 2 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, WM 1989, 1335 (1337) = GmbHR 1989, 365 (366); BGH v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, ZIP 1997, 199 (200) = GmbHR 1997, 163. 3 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 4; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 43 GmbHG Rz. 6, § 6 Anh. Rz. 43; Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 GmbHG Rz. 6. 4 So bspw. Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 18; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 4a; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 6. 5 BGH v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, NJW 1995, 1353 (1357) = GmbHR 1995, 589; BGH v. 28.6. 1982 – II ZR 121/81, NJW 1982, 2869 f. = GmbHR 1983, 122; vgl. hierzu auch: BGH v. 28.6. 1982 – II ZR 121/81, WM 1982, 1025 = GmbHR 1983, 122; OLG Hamm v. 28.10.1992 – 8 U 25/92, GmbHR 1993, 294. 6 BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 (322, 325) = GmbHR 1980, 127; BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (337 f.) = GmbHR 1980, 179; BGH v. 28.6.1982 – II ZR 121/81, GmbHR 1983, 122 = NJW 1982, 2869; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, ZIP 2002, 984 = GmbHR 2002, 588. 7 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, GmbHR 2013, 1044 ff.; Servatius, NZG 2014, S. 537 ff. So zwar schon zuvor BGH v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, GmbHR 1992, 303, jedoch ohne nähere Begründung.
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zwischen GmbH und GmbH-Geschäftsführer ist für dessen unmittelbare Haftung gegenüber der KG mithin nicht mehr zwingend erforderlich. Maßgeblich für die drittschützende Wirkung der organschaftlichen Sonderbeziehung zwischen der Komplementär GmbH und dem Geschäftsführer sind (entsprechend dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte) die Leistungs- und Gläubigernähe, die Schutzbedürftigkeit der GmbH & Co. KG sowie deren Erkennbarkeit für den GmbH-Geschäftsführer.1 Weil der GmbH-Geschäftsführer mittelbar die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG ausübt, ist die Leistungsnähe gegeben. Die Gläubigernähe begründet die Rechtsprechung damit, dass die GmbH als Komplementärin aus dem Gesellschaftsverhältnis der KG selbst dazu verpflichtet ist, deren Geschäfte sorgfältig zu führen und daher darauf vertrauen müsse, dass ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der KG die gleiche Sorgfalt widmet, wie ihren eigenen.2 Auch seien die KG bzw. deren Kommanditisten schutzbedürftig, da diese in der Regel keine Befugnisse haben, auf den GmbH-Geschäftsführer einzuwirken.3 4.67
Nach wie vor verlangt die Rechtsprechung aber zur Begründung der Erkennbarkeit, dass die „alleinige“ oder „wesentliche Aufgabe“ der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte der KG besteht.4 Eine unmittelbare Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH & Co. KG ist daher ausgeschlossen, sofern die Komplementär-GmbH in einem nicht unerheblichem Umfang andere Aktivitäten als die Geschäftsführung der KG ausübt, bspw. wenn sie die Geschäfte weiterer Gesellschaften führt.5
4.68
Dieses Erfordernis wird zum Teil kritisiert. Auch solche KGen seien schutzwürdig, bei denen es nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der KomplementärGmbH ist, die Geschäfte der KG zu führen.6 Zwar dürfe die Haftung des Geschäftsführers nicht uferlos ausgedehnt werden, sodass zumindest die Leistungsnähe und das Schutzbedürfnis des Dritten für den haftenden GmbH-Geschäftsführer erkennbar bleiben muss, damit dieser sein vertragliches Haftungsrisiko abschätzen und 1 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, GmbHR 2013, 1044 (1046). 2 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, GmbHR 2013, 1044 (1046). 3 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, GmbHR 2013, 1044 (1046); zu entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten s. aber Rz. 4.48. 4 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, NJW 2013, 3636 (1. Leitsatz) sowie Rz. 15 ff. = GmbHR 2013, 1044 m. Komm. Werner; so auch die Vorinstanz KG v. 24.2.2011 - 19 U 83/10, NZG 2011, 429 (1. Leitsatz) = GmbHR 2011, 477 m. Komm. Blöse; OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, NZG 2013, 742 (743) = GmbHR 2013, 590 m. Komm. Leinekugel; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 66. 5 BGH v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, ZIP 2002, 984 = GmbHR 2002, 588 (589); entgegen einem Urteil des BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, WM 2013, 1648 (1649) = GmbHR 2013, 1044 ist es nach Ansicht von Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 434 i.R.d. organschaftlichen Haftung unerheblich, ob die GmbH die Geschäfte der KG als „wesentliche“ führt oder weitere Aufgaben wahrnimmt, so auch: Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 266; Anstellungsvertrag: Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 265 wie auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 66 bejahen die Einbeziehung der KG in den Anstellungsvertrag und damit die drittschützende Wirkung nur, wenn das Merkmal „alleinige“ bzw. „wesentliche“ Aufgabe gegeben ist; ablehnend: Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 428. 6 Statt aller Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 434, Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 266, kritisch: Koppensteiner/Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 43 GmbHG Rz. 65.
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Geschäftsführung
versichern kann.1 Aber auch bei einer GmbH, die zur Geschäftsführung mehrerer KGen berufen ist, sind dem GmbH-Geschäftsführer die KGen, an denen die GmbH als Komplementärin beteiligt ist, bekannt, sodass er sein Haftungsrisiko überschauen kann. Fraglich ist, ob die Erkennbarkeit selbst dann noch anzunehmen ist, wenn bei Abschluss des Anstellungsvertrags bzw. bei Berufung des GmbH-Geschäftsführers noch nicht ersichtlich ist, dass sich die GmbH zukünftig an einer KG beteiligen wird.2 In diesem Fall ist dem Geschäftsführer im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Geschäftsführertätigkeit noch nicht erkennbar, auf welche konkreten Gesellschaften sich die Schutzwirkung zugunsten Dritter erstrecken wird. Das allein würde die Anwendbarkeit der Grundsätze der Schutzpflichterstreckung zwar noch nicht ausschließen.3 Dass sich eine selbst werbend tätige GmbH später als Komplementärin überhaupt an (weiteren) Kommanditgesellschaften beteiligt, dürfte aber eher ungewöhnlich – und damit gerade nicht hinreichend absehbar – sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Satzung eine solche Beteiligung nicht ausdrücklich ausschließt und sie vom Unternehmensgegenstand noch gedeckt ist. Etwas anderes dürfte gelten, wenn die Tätigkeit der GmbH auf die Übernahme der Komplementär-Position in mehreren, z.B. Projektgesellschaften ausgerichtet ist und nach Vertragsschluss bzw. Bestellung weitere KGen hinzukommen. Auch diese sollten dann in den Schutzbereich mit einbezogen sein.
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Sofern die KG in die drittschützende Wirkung der organschaftlichen Sonderbeziehung oder des Anstellungsvertrags zwischen der Komplementär-GmbH und deren Geschäftsführer einbezogen ist, stellt sich die Frage, ob die Haftungserleichterung des § 708 BGB, die für die Komplementär-GmbH gilt, auch auf den GmbH-Geschäftsführer übertragen werden kann, sodass der Sorgfaltsmaßstab auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten reduziert wird. Dies wird zum Teil deshalb generell angenommen, weil es unbillig wäre, wenn der Geschäftsführer über die Einbeziehung in einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schärfer haften würde als die geschäftsführende Komplementär-GmbH selbst.4 Die überwiegende Auffassung in der Literatur differenziert anhand der Realstruktur der betreffenden Gesellschaft und beschränkt die eigenübliche Sorgfalt auf personalistisch organisierte Gesellschaften.5 Dem ist zu folgen, wobei maßgebliches Kriterium die Möglichkeit
4.70
1 BGH v. 13.11.1997 – X ZR 144/94, NJW 1998, 1059 (1062); BGH v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758 (1760); BGH v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, NJW 1969, 269; BGH v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, NJW 1998, 1948 f. = GmbHR 1998, 600. 2 Dagegen Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 21; i.E. auch Hopt, ZGR 1979, 1. 3 Vgl. BGH v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, NJW 2004, 3035 (3038): Durch das Institut der Schutzwirkung zugunsten Dritter werde das Haftungsrisiko einer Vertragspartei dann nicht ausgeweitet, wenn für diese bereits bei Vertragsschluss erkennbar ist, dass eine nicht näher bestimmte Anzahl an Dritten mit der von ihr geschuldeten Leistung in Kontakt kommen wird. In diesen Fällen bestehe daher kein rechtliches Hindernis, alle Dritten in den Schutzbereich des Vertrags einzubeziehen, die später tatsächlich auf vertragsgemäße Art und Weise mit der geschuldeten Leistung in Kontakt kommen. Darauf, ob der Vertragspartei die Person, die in den Schutzbereich einbezogen werden soll, bekannt ist, komme es nicht an. 4 Henze in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 83, Mussaeus in der 20. Aufl., § 4 Rz. 73; a.A. Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 18 ff. 5 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 66; Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 87 f.; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 708 BGB Rz. 5; Hüffer, ZGR
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
der Kommanditisten sein dürfte, auf die Auswahl des Geschäftsführers der GmbH wesentlichen Einfluss zu nehmen, z.B. aufgrund ihrer Gesellschafterstellung in der GmbH oder einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag der KG.1 Die Rechtsprechung wendet den Maßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG jedenfalls bei Publikumsgesellschaften an.2 Im Ergebnis dürfte sich die Haftungserleichterung gem. § 708 BGB in der Regel ohnehin kaum auswirken, weil die Sorgfalt der Komplementär-GmbH in eigenen Angelegenheiten in aller Regel durch den dort für den GmbH-Geschäftsführer geltenden Haftungsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG bestimmt werden dürfte (s. Rz. 4.53). 4.71
Eine Haftung gegenüber der KG ist ausgeschlossen, soweit der Geschäftsführer bindende Weisungen der GmbH-Gesellschafter befolgt (zur Folgepflicht s. Rz. 4.47). In diesem Fall fehlt es bereits an einem pflichtwidrigen Verhalten, weil der Geschäftsführer die Weisung zu befolgen hat.3 Auch fehlt es in diesem Fall an einem Verschulden.4 In Betracht kommt aber eine Haftung der GmbH als Komplementärin, denn als solche hat sie im Rahmen der ihr obliegenden Geschäftsführung die Interessen der KG zu beachten und zu wahren. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber der KG schränkt das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer ein.5
4.72
Die in den Schutzbereich des Vertrags bzw. des Organverhältnisses einbezogene GmbH & Co. KG kann – ebenso wie der unmittelbare Vertragspartner – nach § 280 Abs. 1 BGB grundsätzlich jeden nach allgemeinen Grundsätzen ersatzfähigen Schaden geltend machen.6
4.73
Es sind auch Ansprüche der GmbH & Co. KG gegen den Geschäftsführer aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 ff. BGB denkbar.7 Für diese gilt die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB; § 43 Abs. 4 GmbHG (fünf Jahre ab Anspruchsentstehung) erfasst nur die gesetzliche Organhaftung sowie vertragliche Ansprüche.8
4.74
Ein Haftungsausschluss zugunsten des GmbH-Geschäftsführers kann im Anstellungsvertrag, in der Satzung der GmbH oder im Gesellschaftsvertrag der KG, jeweils in den Grenzen des § 276 Abs. 3 BGB, vereinbart werden. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der GmbH & Co. KG gegen den Geschäfts-
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1981, 362 f.; a.A. (für generelle Anwendung des § 43 GmbHG) Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 434; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 83. Scheel in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 7 Rz. 88. BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 (322 ff.) = NJW 1980, 589 (1. Leitsatz) = GmbHR 1980, 127; BGH v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, NJW 1995, 1353 (1354 f. sowie 1357) = GmbHR 1995, 589. Konzen, NJW 1989, 2977 (2978); Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (73); Ebert, GmbHR 2003, 444 (447). Konzen, NJW 1989, 2977 (2978); Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (73); Ebert, GmbHR 2003, 444 (447). Konzen, NJW 1989, 2977 (2983). BGH v. 15.11.1967 – VIII ZR 50/65, BGHZ 49, 50 (53). BGH v. 28.9.1955 – VI ZR 28/53, WM 1956, 61; BGH v. 17.3.1987 – VI ZR 282/85, BB 1987, 1345 (1346) = GmbHR 1987, 304 für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB bei Veruntreuung von Geldern; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 261. BGH v. 17.3.1987 – VI ZR 282/85, GmbHR 1987, 304 = BB 1987, 1345; s. zu den Einzelheiten Bärwaldt/Jedlitschka, GmbHR 2005, 509; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 20.
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Geschäftsführung
führer der Komplementär-GmbH setzt keine Beschlussfassung der KG-Gesellschafter voraus. Eine § 46 Nr. 8 GmbHG entsprechende Vorschrift besteht nicht;1 § 46 Nr. 8 GmbHG ist auch nicht entsprechend anwendbar.2 Dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kann sowohl durch die Gesellschafterversammlung der GmbH als auch durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG Entlastung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) erteilt werden.3 Sie enthält die einseitige und verbindliche Billigung der bisherigen Geschäftsführung. Als Folge der Entlastung ist die Gesellschaft mit der Geltendmachung verzichtbarer Ansprüche präkludiert, soweit die Ansprüche auf Umständen beruhen, die bei der Entscheidung über die Entlastung bekannt oder aufgrund der bisherigen Berichterstattung erkennbar waren.4 In der KG ist als Folge der Entlastung insoweit auch die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund (§ 117 HGB) ausgeschlossen.5
4.75
c) Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern der GmbH und GmbH & Co. KG Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers hat keine Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter.6 Eine Haftung gegenüber den Gesellschaftern der GmbH kann sich damit nur nach allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts ergeben, insbesondere aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Schutzgesetzen aus dem GmbH-Gesetz (§§ 9a, 82 GmbHG). § 43 Abs. 1 GmbHG ist kein Schutzgesetz.7 Auch die Kommanditisten der GmbH & Co. KG können die Schäden, die sie durch die Geschäftsführung des GmbH-Geschäftsführers erleiden, mangels Einbeziehung in den Schutzbereich des Geschäftsführeranstellungsvertrags nur auf der Grundlage einer deliktischen Haftung geltend machen.8 1 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 = NJW 1980, 1524 (1527) = GmbHR 1980, 179; OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, NZG 2013, 742 (743) = GmbHR 2013, 590 m. Komm. Leinekugel; LG Berlin v. 10.12.2012 – 99 O79/11, DStR 2013, 1195. 2 OLG Hamm v. 28.10.1992 – 8 U 25/92, GmbHR 1993, 294 (295). Nach OLG Karlsruhe v. 31.7.2013 – 7 U 184/12, GmbHR 2013, 1051 = NZG 2013, 1177, gilt dies auch dann, wenn die Komplementär-GmbH einen Anspruch aus abgetretenem Recht der KG geltend machen soll. 3 OLG Nürnberg v. 6.7.1993 – 3 U 1339/93, GmbHR 1993, 594. 4 K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 94 ff.; Koppensteiner/Gruber in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 46 GmbHG Rz. 31; Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 GmbHG Rz. 73; zum Anspruch des Geschäftsführers auf Erteilung der Entlastung s. Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 45 ff. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 16. 6 OLG Stuttgart v. 23.1.2006 – 14 U 64/05, GmbHR 2006, 759; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, § 43 GmbHG Rz. 77 m.w.N.; Uwe H. Schneider in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 2 Rz. 63. 7 Allg.M. BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (375) = DStR 1994, 1272 (1273) = GmbHR 1994, 390; Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rz. 57; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 79; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 328. 8 Wicke in Wicke, § 43 GmbHG Rz. 21; Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 337; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 274; Paefgen in Ulmer/ Habersack/Löbbe, § 43 GmbHG Rz. 313 ff.
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4.76
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.77
Die Rechtsprechung hat es Gesellschaftern bislang nicht erlaubt, den Anspruch der GmbH & Co. KG auf ordnungsgemäße Geschäftsführung im Wege der actio pro socio durchzusetzen, sodass schon die Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen verlangt werden könnte. Vielmehr gebiete es „die gesellschaftsvertraglich festgelegte Organisationsordnung dem einzelnen Gesellschafter, sein Einzelinteresse zurückzustellen, auf die Unterlassungsklage zu verzichten und sich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu beschränken“.1 Um übermäßige Eingriffe in die Geschäftsführungskompetenz des Komplementärs zu verhindern, könne eine Unterlassungsklage allenfalls zulässig sein, wenn sie aufgrund besonderer Umstände erforderlich sei, um das Gesellschaftsvermögen zu erhalten; dabei sei eine Orientierung an den in § 744 Abs. 2 BGB niedergelegten Maßstäben geboten.2 Das überzeugt nicht. Bewegt der geschäftsführende Gesellschafter sich noch im Rahmen des unternehmerischen Ermessens, liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, so dass ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben ist. Jedenfalls bei einer evidenten Überschreitung dieses Ermessens besteht kein Anlass, dem geschäftsführenden Gesellschafter auch insoweit noch einen Freiraum zu gewähren und die Gesellschaft auf Schadensersatz zu verweisen.3
4.78
Ein eigener Anspruch der Gesellschafter der KG auf ordnungsgemäße Geschäftsführung durch die Komplementär-GmbH und deren Geschäftsführer besteht nicht.4 d) Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Dritten aa) Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung
4.79
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung gem. § 43 Abs. 1 GmbHG trifft den Gesellschafter nur im Verhältnis zur Gesellschaft, sodass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung keinen Schadensersatzanspruch Dritter begründet.5 Auch ist § 43 Abs. 1 GmbHG kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.6
1 BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, NJW 1980, 1463 (1465) = GmbHR 1981, 186; s. auch BGH v. 5.12.2005 – II ZR 13/04, NZG 2006, 194 (195) = GmbHR 2006, 321; OLG Celle v. 1.12.1999 – 9W 142/99, GmbHR 2000, 388. 2 BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, NJW 1980, 1463 (1465) = GmbHR 1981, 186; s. auch BGH v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, NJW 1980, 1463 (1465) = GmbHR 1981, 186; BGH v. 5.12.2005 – II ZR 13/04, NZG 2006, 194, 195 = GmbHR 2006, 321. 3 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 164 HGB Rz. 4 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Jickeli in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 116 HGB Rz. 46; Roth in Baumbach/Hopt, § 116 GmbHG Rz. 4; a.A. Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 161; Zöllner, ZGR 1988, 392 unter Hinweis auf die Schwierigkeit der Feststellung, wann Evidenz gegeben ist. 4 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 164 HGB Rz. 6 ff.; anders K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3b; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 15. 5 Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 307; Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 339. 6 Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 307; Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 339.
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Geschäftsführung
bb) Vertragliche Haftung Da der Geschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen, sondern in Namen der GmbH & Co. KG Verträge mit Dritten schließt, wird ausschließlich die GmbH & Co. KG Vertragspartner. Daher haftet der Geschäftsführer Dritten grundsätzlich nicht persönlich, wenn er Pflichten aus solchen Verträgen verletzt (es haftet die Gesellschaft, der die Pflichtverletzung des Geschäftsführers analog § 31 BGB zugerechnet wird, s. Rz. 4.50 f.).1
4.80
Ausnahmsweise kommt eine unmittelbare vertragliche Haftung des Geschäftsführers in Betracht, wenn dieser ein Garantieversprechen, ein Schuldversprechen oder eine Mithaftungserklärung anlässlich eines Vertragsschlusses für die GmbH & Co. KG abgegeben hat.2 Ferner kann sich eine persönliche Haftung des Geschäftsführers aus einer Bürgschaft oder einem Schuldbeitritt ergeben.3
4.81
Für den Schuldbeitritt des Geschäftsführers zu Kreditverträgen ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Regelungen des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 ff. BGB) auch für den beitretenden Geschäftsführer gelten, sodass die Inanspruchnahme des Beigetretenen an den Voraussetzungen der §§ 491 ff. BGB – insbesondere den besonderen Formvorschriften4 und dem Widerrufsrecht – scheitern kann.5 Dies gilt selbst dann, wenn der Geschäftsführer mehrheitlicher oder alleiniger Gesellschafter ist oder die neu gegründete Gesellschaft das Darlehen zur Anschubfinanzierung aufgenommen hat.6 Hingegen findet der strenge Maßstab des Verbraucherkreditrechts keine Anwendung auf Schuldbeitritte in öffentlichrechtlichen Zuwendungsfällen.7
4.82
cc) Vorvertragliche Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c.) Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers kann ferner durch Verschulden bei Vertragsschluss begründet werden, sog. culpa in contrahendo (c.i.c.) gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB, bspw. wenn der Geschäftsführer für die GmbH & Co. KG Vertragsverhandlungen führt und dabei die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft unrichtig darstellt oder nicht auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft hinweist, obwohl eine Aufklärungspflicht besteht.8 1 2 3 4
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Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 339. Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 339. Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 43 GmbHG Rz. 339. Der BGH hat entschieden, dass die erforderliche Schriftform für den Schuldbeitritt eines Kommanditisten zu einem Darlehensvertrag auch dann gewahrt ist, wenn sich die Unterschrift der darlehensgewährenden Bank oberhalb der Mithaftungserklärung des Gesellschafters befindet, BGH v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, ZIP 2012, 18 = NJW-RR 2012, 166 (2. Leitsatz); so auch OLG Koblenz v. 10.12.2013 – 3 U 725/13, WM 2014, 962 (964). BGH v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, ZIP 2007, 1850 = GmbHR 2007, 1154; BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, ZIP 1997, 642 = GmbHR 1997, 444; OLG München v. 18.11.2008 – 5 U 3901/08, BeckRS 2009, 28737 (alle Entscheidungen noch zum VerbrKrG). Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 45 GmbHG Rz. 72; BGH v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, ZIP 2007, 1850 = GmbHR 2007, 1154. BGH v. 16.10.2007 – XI ZR 132/06, ZIP 2007, 2403. BGH v. 2.3.1988 – VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234 (2235) = GmbHR 1988, 257; BGH v. 16.3. 1992 – II ZR 152/91, WM 1992, 735 = GmbHR 1992, 363; BGH v. 24.6.1998 – XII ZR 126/96, BB 1998, 1710.
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4.83
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.84
Grundsätzlich haftet aus c.i.c. zwar nur die GmbH & Co. KG als Vertragspartnerin, nicht der für sie handelnde Geschäftsführer. Ausnahmsweise haftet der Geschäftsführer jedoch persönlich, wenn er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat oder am Abschluss eines Geschäfts ein unmittelbares, starkes wirtschaftliches Eigeninteresse hat (sog. Sachwalterhaftung).1
4.85
Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ist gegeben, wenn der Geschäftsführer dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für den Bestand und die Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts geboten hat.2 Das kann bei besonderer Sachkunde,3 bei besonderer persönlicher Zuverlässigkeit oder bei einem etwa auf Verwandtschaft beruhenden besonderen Vertrauensverhältnis der Fall sein.4 An die Inanspruchnahme eigenen, persönlichen Vertrauens durch den Geschäftsführer sind hohe Anforderungen zu stellen.5
4.86
Die zweite Fallgruppe setzt ein unmittelbares, starkes wirtschaftliches Eigeninteresse des Geschäftsführers voraus. Dies ergibt sich nicht schon allein aus der Beteiligung an der GmbH & Co. KG, selbst dann nicht, wenn der Geschäftsführer in der GmbH & Co. KG eine beherrschende Stellung einnimmt oder Alleingesellschafter ist.6 Ebenso wenig ist ein hinreichendes wirtschaftliches Eigeninteresse gegeben, wenn der Geschäftsführer sich für Kreditschulden der Gesellschaft verbürgt oder andere Sicherheiten gestellt hat.7 Erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende enge Beziehung zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen, die den Geschäftsführer – wirtschaftlich betrachtet – gleichsam in eigener Sache beteiligt erscheinen lässt.8 1 Vgl. BGH v. 2.6.2008 – II ZR 210/06, WM 2008, 1545 (1546) = AG 2008, 662; BGH v. 13.6. 2002 – VII ZR 39/01, DStR 2002, 1275 (1276); BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1988, 480; BGH v. 9.10.1986 – II ZR 241/85, AG 1987, 124 = ZIP 1987, 175; BGH v. 16.10.1987 – V ZR 153/86, WM 1987, 1466; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 313 ff.; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 308 ff.; zu den Haftungsvoraussetzungen OLG München v. 9.2.2011 – 15 U 3789/10, GWR 2011, 119. 2 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130 (131); BGH v. 8.10.1987 – IX ZR 143/86, GmbHR 1988, 195. 3 BGH v. 19.2.1990 – II ZR 41/89, GmbHR 1990, 296. 4 Vgl. BGH v. 5.4.1971 – VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81 (84 f.); BGH v. 23.2.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27 (33) = GmbHR 1983, 197; BGH v. 8.10.1987 – IX ZR 143/86, GmbHR 1988, 195 = WM 1987, 1431 (1432). 5 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539 (542); OLG Köln v. 10.7.1996 – 27 U 109/95, GmbHR 1996, 766 (767). 6 Vgl. BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130; BGH v. 25.1.1984 – VIII ZR 227/82, GmbHR 1985, 51 = WM 1984, 475 (477); BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 210/84, GmbHR 1986, 43 = WM 1985, 1526 (1528); BGH v. 10.3.1986 – II ZR 107/85, GmbHR 1986, 301 = WM 1986, 854 (856); BGH v. 8.10.1987 – IX ZR 143/86, GmbHR 1988, 195 = WM 1987, 1431 (1432). 7 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130 für die GmbH & Co. KG; bereits vorher für die GmbH BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539. Insoweit ist die ältere, haftungsfreundlichere Rechtsprechung des BGH überholt, vgl. BGH v. 27.3.1995 – II ZR 136/94, ZIP 1995, 733 = GmbHR 1995, 446; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 72. 8 Vgl. BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130; BGH v. 25.1.1984 – VIII ZR 227/82, GmbHR 1985, 51 = WM 1984, 475 (477); BGH v. 8.10.1987 – IX ZR 143/86, GmbHR
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Geschäftsführung
dd) Deliktsrechtliche Haftung Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten kommt ferner in Fällen unerlaubter Handlung in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen, der Geschäftsführer gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB verstößt oder von § 823 Abs. 1 BGB geschützte absolute Rechtsgüter verletzt sind und der Geschäftsführer gegen Verkehrs-, Organisations- oder Aufklärungspflichten verstoßen hat.1 Eine persönliche deliktsrechtliche Haftung des Geschäftsführers kann sich auch wegen Mitwirkung an einem existenzvernichtenden Eingriff ergeben (zum existenzvernichtenden Eingriff s. Rz. 5.95).2 Eine deliktsrechtliche Haftung für Managementfehler besteht hingegen nicht.3
4.87
ee) Steuerliche Haftung Ferner kommt eine Haftung des Geschäftsführers aufgrund der §§ 69, 34 AO in Betracht. Danach haftet der Geschäftsführer der GmbH & Co. KG, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Gesellschaft infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer obliegenden Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, so insbesondere bei Nichtabführung der Lohnsteuer für die Gehälter der Arbeitnehmer.4
4.88
V. Vergütung und Aufwendungsersatz 1. GmbH gegen GmbH & Co. KG Die Vergütung des Geschäftsführers erfolgt – wie bereits zuvor erwähnt (Rz. 4.29) – in der Regel allein durch die Komplementär-GmbH, sofern mit dieser der Anstellungsvertrag geschlossen ist. Es stellt sich die Frage, inwieweit die KomplementärGmbH die an den Geschäftsführer gezahlte Vergütung als Aufwendungen von der GmbH & Co. KG erstattet erhält. Nach §§ 161 Abs. 2, 110 HGB ist die GmbH & Co. KG verpflichtet, ihren Gesellschaftern Aufwendungen, die ihnen in Angelegenheiten der GmbH & Co. KG entstanden sind, oder Verluste, die sie im Zusammenhang mit der Geschäftsführung erlitten haben, zu ersetzen. § 110 HGB gilt für alle Gesellschafter, gleich ob sie generell zur Geschäftsführung berufen sind oder nicht. Es kommt lediglich darauf an, dass sie in dem Fall, in dem sie Aufwendungen für die Gesellschaft getragen oder Verluste erlitten haben, die Geschäfte der
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1988, 195 = WM 1987, 1431 (1432); BGH v. 2.3.1988 – VIII ZR 380/86, GmbHR 1988, 257 = ZIP 1988, 505 (506 f.). Vgl. im Einzelnen: Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 321 ff.; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 289 ff.; vgl. BGH v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, GmbHR 1990, 207; BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, GmbHR 1990, 501. BGH v. 23.4.2012 – II ZR 252/10, BB 2012, 1628 (1630 ff.) = GmbHR 2012, 740 m. Komm. Röck; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1558) = GmbHR 2007, 927 m. Komm. Schröder. Vgl. BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 (252) = GmbHR 2005, 299; OLG Köln v. 13.4.2006 – 7 U 31/05, AG 2007, 371 = ZIP 2007, 28. BFH v. 26.7.1988 – VII R 83/87, GmbHR 1989, 94; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 43 GmbHG Rz. 89; Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 556 ff.
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4.89
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Gesellschaft befugt geführt haben oder sich ohne Verschulden für befugt halten durften.1 4.90
Als „Aufwendungen“ sind nach dem allgemeinen Aufwendungsbegriff2 nur solche Vermögensopfer zu verstehen, die ein Gesellschafter im Interesse der Gesellschaft freiwillig getragen hat. Pflichtleistungen, die der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag oder Gesetz zu bewirken hat, insbesondere Tätigkeiten der Geschäftsführung (§ 114 HGB), sind damit keine Aufwendungen i.S. des § 110 HGB.3
4.91
Aus § 110 HGB lässt sich somit für den Komplementär selbst kein Anspruch auf eine Vergütung für eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH & Co. KG herleiten. Auch die Aufwendungen der GmbH für Gehälter und Tantiemen ihrer Geschäftsführer, die im Rahmen ihrer Aufgabe als geschäftsführende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG anfallen, sind damit keine Aufwendungen i.S. des § 110 HGB.4 Die GmbH & Co. KG kann jedoch vertraglich (insbesondere im Gesellschaftsvertrag) verpflichtet werden, die Kosten der Geschäftsführung zu tragen.
4.92
Hat die GmbH – wie in der Regel – keinen eigenen Geschäftsbetrieb, sondern als einzige Aufgabe die Führung der Geschäfte der GmbH & Co. KG, ist eine Vereinbarung zweckmäßig, die vorsieht, dass die GmbHG & Co. KG auch die allgemeinen Kosten (z.B. für Verwaltung, Kammerbeiträge usw.) zu tragen hat. Der Aufwendungsersatz unterliegt grundsätzlich der Umsatzsteuer (s. zu den Einzelheiten Rz. 6.754 ff.). Darüber hinaus ist für eine Komplementär-GmbH, die am Kapital nicht beteiligt ist, im Gesellschaftsvertrag eine Haftungsvergütung (s. Mustervertrag B § 7 und D § 6) vorzusehen. Die Übernahme der Haftung durch eine nicht am Kapital der KG beteiligte Komplementär-GmbH ohne Haftungsvergütung führt steuerlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.5 Die Haftungsvergütung beläuft sich üblicherweise auf einen jährlich zu zahlenden Festbetrag oder bestimmten Prozentsatz des Stammkapitals der GmbH (s. Mustervertrag B § 7 und D § 6).
4.93
Aus Vereinfachungsgründen wird bisweilen vorgesehen, dass die GmbH & Co. KG die den GmbH-Geschäftsführern zustehenden Beträge für Rechnung der GmbH direkt an die Geschäftsführer auszahlt (abgekürzte Zahlung). Eine solche Regelung begründet noch kein Vertragsverhältnis zwischen den Geschäftsführern der GmbH und der GmbH & Co. KG.
4.94
Als „Verluste“ i.S.v. § 110 HGB sind im Unterschied zu Aufwendungen unfreiwillige Vermögensnachteile zu verstehen. Um einen Ersatzanspruch nach § 110 HGB zu begründen, müssen diese Verluste im unmittelbaren Zusammenhang mit der 1 Roth in Baumbach/Hopt, § 110 HGB Rz. 9; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 110 HGB Rz. 6, 9 f.; Emmerich in Heymann, § 110 HGB Rz. 5; a.A. Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 110 HGB Rz. 13, der ein „befugtes“ Handeln als Voraussetzung verneint; so auch Bergmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 110 HGB Rz. 7; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 110 HGB Rz. 2; Weitemeyer in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 110 HGB Rz. 4, 12. 2 Dazu Krüger in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 256 BGB Rz. 2 f. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 110 HGB Rz. 19. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 110 HGB Rz. 19. 5 Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 12; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 49 Rz. 14.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
Geschäftsführung entstanden sein, d.h., es muss sich eine tätigkeitsspezifische Gefahr realisiert haben.1 Mit Geschäftsführung ist jede Geschäftsbesorgung für die GmbH & Co. KG i.S.v. § 675 Abs. 1 BGB gemeint.2
2. Ansprüche des GmbH-Geschäftsführers Aufgrund des Anstellungsvertrags besteht zunächst ein Anspruch des GmbH-Geschäftsführers gegen seinen Vertragspartner, sei es die Komplementär-GmbH oder die GmbH & Co. KG, auf Leistung der vereinbarten Vergütung.
4.95
Der Geschäftsführer der GmbH, gleich ob bei seiner Tätigkeit als „mittelbarer Geschäftsführer“ der GmbH & Co. KG oder bei der Erfüllung eigener Aufgaben der GmbH, führt grundsätzlich immer nur die Geschäfte der GmbH. Nur von ihr kann er deshalb, aufgrund seiner Organstellung, Ersatz für seine Aufwendungen und Schäden fordern. Inhaltlich sind davon auch Aufwendungen und Verluste aus seiner Tätigkeit als „mittelbarer Geschäftsführer“ der GmbH & Co. KG umfasst.
4.96
Der Ersatz von Aufwendungen und Verlusten des GmbH-Geschäftsführers im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführung erfolgt nach Maßgabe der §§ 675, 670 BGB.3 Besteht das Anstellungsverhältnis unmittelbar mit der GmbH & Co. KG, besteht ein direkter Geschäftsbesorgungsvertrag, so dass die KG dem GmbH-Geschäftsführer auch unmittelbar Aufwendungs- und Verlustersatz gem. §§ 675, 670 BGB schuldet.4
4.97
C. Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung I. Einführung Sowohl in der GmbH als auch in der KG bilden die Gesellschafter jeweils das oberste Willensbildungsorgan, das für grundlegende Entscheidungen zuständig ist. Gesellschafterversammlung und -beschlüsse sind in GmbH und KG gesetzlich jeweils unterschiedlich geregelt. In beiden Fällen bleibt erheblicher Raum für abweichende Regelungen in Satzung und Gesellschaftsvertrag. 1 Roth in Baumbach/Hopt, § 110 HGB Rz. 12; Bergmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 110 HGB Rz. 21; Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 110 HGB Rz. 18; Weitemeyer in Oetker, 4. Aufl. 2015, § 110 HGB Rz. 14; Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 152. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 110 HGB Rz. 12; s. auch Stengel in Beck’sches Hdb. PersGes., § 3 Rz. 152. 3 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 30; Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 375, die für den Fall des Nichtvorliegens eines Anstellungsvertrags einen Anspruch aus § 713 BGB, § 110 HGB analog herleiten; so auch Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 35 GmbHG Rz. 465. 4 Vgl. hierzu Uwe H. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 275; Koppensteiner/ Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 35 GmbHG Rz. 79.
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4.98
§4 4.99
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
In der GmbH & Co. KG müssen GmbH-Satzung und Gesellschaftsvertrag der KG auch im Hinblick auf die Entscheidungsfindung auf Gesellschafterebene aufeinander abgestimmt werden (s. Rz. 3.1, 3.187 ff.). Zu berücksichtigen sind insbesondere zwei Aspekte: zum einen ist die Gesellschafterversammlung der GmbH gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich weisungsbefugt (s. Rz. 4.47) und kann damit erheblichen Einfluss auf dessen mittelbare Geschäftsführung für die GmbH & Co. KG ausüben.1 Die Gesellschafter der GmbH haben bei ihren Beschlussfassungen den Belangen der KG deshalb auch angemessen Rechnung zu tragen (s. Rz. 4.106 ff.). Zum anderen übt der Geschäftsführer der GmbH in der Gesellschafterversammlung der KG das Stimmrecht der Komplementärin aus, wenn der Komplementär-GmbH ein solches Stimmrecht zusteht, was allerdings eher die Ausnahme ist (s. Rz. 4.135). In diesem Fall kommt auch eine Einflussnahme der GmbH-Gesellschafter auf die Willensbildung auf der Ebene der Gesellschafter der GmbH & Co. KG in Betracht.
II. Die Gesellschafterversammlung der GmbH 1. Aufgabenbereich und Zuständigkeit 4.100
Neben dem Geschäftsführer ist die Gesellschafterversammlung das zweite zwingend vorgeschriebene Organ in der Komplementär-GmbH. Der Gesellschafterversammlung sind gesetzlich zunächst (zwingend) sämtliche Grundlagenentscheidungen zugewiesen, welche die GmbH betreffen. Dazu zählen z.B. Satzungsänderungen (§§ 53 ff. GmbHG), Umwandlungen (§§ 13, 193, 125 UmwG), die Auflösung der GmbH (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbH) oder der Abschluss von Unternehmensverträgen.2
4.101
Weitere Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung begründet § 46 GmbHG. Demnach unterliegen der Bestimmung der Gesellschafter: – die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; – die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; – die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; – die Einforderung der Einlagen; – die Rückzahlung von Nachschüssen; – die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; – die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; – die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; – die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; 1 Ausführlich zur Relevanz von Entscheidungen der GmbH-Gesellschafter für die KG Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 32 ff. 2 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 26.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
– die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung und Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. Diese Zuständigkeiten sind weitgehend dispositiv und können durch die Satzung daher erweitert (dazu Rz. 4.102 f.) oder eingeschränkt werden.1 Eine Einschränkung darf allerdings nicht dazu führen, dass die Gesellschafterversammlung ihre Stellung als oberstes Organ der Gesellschaft verliert.2 Den Geschäftsführern können insbesondere weder die Zuständigkeit für ihre Bestellung und Abberufung übertragen werden, noch die Maßnahmen zu ihrer Überwachung und die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen.3 Eine Übertragung dieser Befugnisse auf einen Aufsichtsrat, Beirat oder Gesellschafterausschuss ist möglich.4 Gänzlich zwingend sind damit nur die Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung für Grundlagengeschäfte (s. Rz. 4.7). Über die gesetzlich begründeten Einzelzuständigkeiten der Gesellschafterversammlung hinaus wird den Gesellschaftern der GmbH das Recht zuerkannt, nahezu jede beliebige Aufgabe der Geschäftsführung im Innenverhältnis an sich zu ziehen, bindend zu entscheiden und dem Geschäftsführer konkrete Weisungen zu erteilen (Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung).5 Dies gilt allerdings nicht mit Wirkung für das Außenverhältnis, d.h., die Gesellschafterversammlung kann – außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, insbesondere bei Abschluss, Änderung und Beendigung von Anstellungsverträgen der Geschäftsführer – nicht die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten übernehmen, um ihre Beschlüsse selbst umzusetzen.6 Von dem Grundsatz der Allzuständigkeit gelten zunächst Ausnahmen für zwingende Kompetenzen des Aufsichtsrats in der mitbestimmten GmbH.7 Ferner sind den Geschäftsführern gesetzlich bestimmte Pflichten zugewiesen (z.B. Kapitalerhaltung (§§ 30, 33 GmbHG), vorinsolvenzli1 K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 2; Liebscher in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 46 GmbHG Rz. 7; Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 5; Römermann in Michalski, § 46 GmbHG Rz. 8. 2 Zöllner in Baumbach/Hueck, § 45 GmbHG Rz. 7, § 46 GmbHG Rz. 6 und zur Zulässigkeit der Übertragung einzelner Beschlussgegenstände § 46 GmbHG Rz. 90 ff.; K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 8 ff.; Römermann in Michalski, § 46 GmbHG Rz. 11; Liebscher in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 46 GmbHG Rz. 8 ff. 3 Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 GmbHG Rz. 88; a.A. K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 72; Römermann in Michalski, § 46 GmbHG Rz. 218; Roth in Roth/Altmeppen, § 46 GmbHG Rz. 19. 4 K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 72; Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 GmbHG Rz. 88; Römermann in Michalski, § 46 GmbHG Rz. 217; Roth in Roth/ Altmeppen, § 46 GmbHG Rz. 19. 5 Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 89; K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 1. 6 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 6; Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 45 GmbHG Rz. 21; Liebscher in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 45 GmbHG Rz. 87; Römermann in Michalski, § 45 GmbHG Rz. 34. 7 Dazu im Einzelnen K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 7; s. dazu weiter Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 21 ff.; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Einl. Rz. 306.
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4.102
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
ches Zahlungsverbot (§ 64 GmbHG), Pflicht, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 15a InsO), Pflicht zur Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen).1 Diese Zuständigkeiten können den Geschäftsführern nicht entzogen werden.2 Darüber hinaus dürfte mangels gesetzlicher Grundlage zugunsten der Geschäftsführer kein unentziehbarer Kernbereich an Geschäftsführungsverantwortung bestehen.3 4.103
Die gesetzlich im Einzelnen ausgeformten Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung (s. Rz. 4.101) unterscheiden sich von dieser allgemeinen Befugnis zur Übernahme nahezu sämtlicher Angelegenheiten dadurch, dass die Gesellschafter zwingend im Vorhinein mit der Angelegenheit zu befassen sind, sofern es sich um eine Einzelzuständigkeit handelt. Dies wird z.T. als „Primärzuständigkeit“ bezeichnet.4 Im Unterschied dazu dürfen die Geschäftsführer ohne Befassung der Gesellschafter tätig werden, soweit die betreffende Maßnahme von ihrer allgemeinen Geschäftsführungsbefugnis gedeckt ist (dazu Rz. 4.46 f.) und die Gesellschafter die Entscheidung nicht an sich gezogen haben.
4.104
Zur Begründung weiterer Primärzuständigkeiten (und damit gleichzeitig zur Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer) wird in Satzung oder Geschäftsordnung für die Geschäftsführung häufig ein Katalog von Maßnahmen aufgenommen, für welche die GmbH-Geschäftsführer die vorherige Zustimmung der Gesellschafter einzuholen haben. Problematisch ist dies bei der mitbestimmten GmbH, sofern es zu einer Kompetenzverlagerung zulasten des mitbestimmten Aufsichtsrates führt: Um eine Umgehung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu verhindern, werden derartige satzungsmäßigen Zustimmungserfordernisse daher teilweise für unzulässig oder nur begrenzt für möglich gehalten.5
4.105
Gestaltungshinweis: Ein typischer Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte befindet sich in dem Mustergesellschaftsvertrag B im Anhang, dort auf Ebene der GmbH & Co. KG (§ 6 Abs. 5).
2. Berücksichtigung der Belange der KG 4.106
In der typischen GmbH & Co. KG beziehen sich die Entscheidungen der GmbHGesellschafter in der Regel auf das Verhalten der GmbH in ihrer Eigenschaft als einzige Komplementärin der KG und damit (auch) auf die GmbH & Co. KG selbst. Regelmäßig werden die Interessen der KG von Beschlüssen der GmbH-Gesellschafterversammlung berührt, welche die Bestellung und Abberufung von Geschäfts1 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 GmbHG Rz. 25. 2 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 GmbHG Rz. 25. 3 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 37 GmbHG Rz. 27 (28); OLG Brandenburg v. 12.6. 1996 – 7 U 156/95, GmbHR 1997, 168; OLG Nürnberg v. 9.6.1999 – 12 U 4408/98, NZG 2000, 154 f.; Stephan/Tieves in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 37 GmbHG Rz. 68; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 37 GmbHG Rz. 12; Lenz in Michalski, § 37 GmbHG Rz. 11; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rz. 18; Geißler, GmbHR 2009, 1071. 4 Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 89. 5 Zum Meinungsstand Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 37 GmbHG Rz. 49 f. m.w.N.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
führern betreffen (§ 46 Nr. 5 GmbHG), die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 7 GmbHG), die Entscheidung über die Entlastung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG), die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6 GmbHG), die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber GmbH-Geschäftsführern sowie den Verzicht darauf (§ 46 Nr. 8 GmbHG), sowie bei allgemeinen Weisungsbeschlüssen, welche sich inhaltlich auf die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben bei der GmbH & Co. KG beziehen (§ 37 GmbHG).1 Entscheidungen über Jahresabschluss und Ergebnisverwendung betreffen demgegenüber grundsätzlich ausschließlich die Komplementär-GmbH selbst (§ 46 Nr. 1 GmbHG).2 Auf der Grundlage ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Vertretung sowie ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Gesellschafterin der KG hat die Komplementär-GmbH die Interessen der KG angemessen zu berücksichtigen, soweit sich Maßnahmen auf die KG auswirken. Dies gilt auch für die Gesellschafterversammlung der GmbH, soweit ihre Beschlüsse unmittelbar oder mittelbar die KG betreffen.3 Besonders bedeutsam ist dies in der nicht-personenidentischen GmbH & Co. KG, in der die Interessen der GmbH-Gesellschafter und der Kommanditisten nicht notwendigerweise gleichgerichtet sind. Zur Klarstellung kann die Verpflichtung der GmbH-Gesellschafter zur Rücksichtnahme auf die Belange der KG in der GmbH-Satzung festgeschrieben werden.4
4.107
Diese Pflicht zur angemessenen Berücksichtigung der Belange der KG wird für Personalentscheidungen dahingehend konkretisiert, dass keine Bestellungen von Geschäftsführern, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten erfolgen dürfen, bei denen aus Sicht der KG ein wichtiger Grund gegen die Bestellung vorliegt, und eine Abberufung zu erfolgen hat, wenn aus Sicht der KG ein wichtiger Grund zur Abberufung gegeben ist.5
4.108
Insbesondere für die Entlastung der GmbH-Geschäftsführer wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen die GmbH & Co. KG sich die Präklusionswirkung eines Entlastungsbeschlusses auf der Ebene der Komplementär-GmbH entgegenhalten lassen muss (zu den allgemeinen Wirkungen der Entlastung s. Rz. 4.75). Klar ist, dass die Entlastung des GmbH-Geschäftsführers nicht auch zu einer Entlastung der Komplementär-GmbH als geschäftsführender Gesellschafterin der KG führt. Aufgrund der drittschützenden Wirkung von Anstellungsvertrag und Organverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zugunsten der KG können der KG aber auch eigene Ansprüche unmittelbar gegen den GmbH-Geschäftsführer zustehen (s. Rz. 4.65 ff.).
4.109
Im Ergebnis wird davon auszugehen sein, dass ein Entlastungsbeschluss der GmbH-Gesellschafterversammlung auf dem Drittschutz beruhende unmittelbare Ansprüche der GmbH & Co. KG nur dann präkludiert, wenn der Beschluss auch
4.110
1 S. dazu ausführlich Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 32 ff. 2 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 43; vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 5. 3 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 4 ff.; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 32 ff. 4 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 3. 5 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 35 f.; Binz/Sorg, GmbH § Co. KG, § 9 Rz. 3.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
von den KG-Gesellschaftern mitgetragen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um eine personenidentische GmbH & Co. KG handelt, bei der die Gesellschafter der KG zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind.1 Zwar hängt die Reichweite des Drittschutzes grundsätzlich von dem zugrundliegenden Vertrags- bzw. Organverhältnis ab und können dem Drittbegünstigten in entsprechender Anwendung des § 334 BGB Einwendungen daraus entgegenhalten werden. Ein einmal entstandener Anspruch des Drittbegünstigten kann von den Vertragsparteien (bzw. Parteien des Organverhältnisses) aber im Nachhinein grundsätzlich nicht ohne Mitwirkung des Drittbegünstigten, z.B. durch Erlass, aufgegeben werden.2 Dies dürfte auf die Präklusionswirkung der Entlastung übertragbar sein. Entsprechendes gilt für einen anderweitigen Verzicht auf Haftungsansprüche gegen die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.3 4.111
Gestaltungshinweis: Es empfiehlt sich, im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG ausdrücklich zu regeln, ob ein Entlastungsbeschluss auf Ebene der Komplementär-GmbH auch eventuelle Direktansprüche der KG gegen den GmbH-Geschäftsführer erfassen soll.
4.112
Verletzt die GmbH ihre gesellschafterliche Treuepflicht und entsteht der KG dadurch ein Schaden, ist die GmbH gegenüber der KG ersatzpflichtig.4 Die Verletzung der Interessen der KG führt als solche aber nicht zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der GmbH. Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses der GmbH-Gesellschafterversammlung richtet sich allein nach dem Recht der GmbH, setzt also voraus, dass diesbezügliche gesetzliche Regelungen, Satzungsregelungen oder Treuepflichten gegenüber GmbH-Gesellschaftern oder der GmbH selbst verletzt worden sind, wobei die Belange der KG das Pflichtenprogramm der GmbH-Gesellschafter aber mitprägen können.5 Anfechtungsberechtigt sind ausschließlich die Gesellschafter der GmbH, nicht auch Gesellschafter der GmbH & Co. KG.6
3. Einberufung, Durchführung und Beschlussfassung 4.113
Die von den Gesellschaftern zu treffenden Entscheidungen werden in der Regel durch Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der GmbH gefasst (§§ 47, 48 GmbHG). Stimm- und teilnahmeberechtigt sind nur die Gesellschafter der GmbH, nicht die Kommanditisten der KG, selbst wenn ihre Interessen berührt wer1 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 8, § 46 GmbHG Rz. 108; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 39. 2 Grüneberg in Palandt, § 334 BGB Rz. 1 ff.; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 40 ff. 3 Liebscher in Reichert, § 17 Rz. 40 ff. 4 Vgl. Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 157 ff.; vgl. auch Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 26 Rz. 26, die darauf hinweisen, dass die Komplementär-GmbH die Geschäftsführungsfunktionen demzufolge ausschließlich im Interesse der KG ausübt. 5 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 14; Liebscher in Reichert, GmbHG & Co. KG, § 18 Rz. 47. 6 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 14; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 48.
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Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
den.1 Das Stimmrecht kann ihnen auch nicht übertragen werden; allenfalls über eine schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung können sie Einfluss geltend machen.2 Handelt es sich allerdings um eine beteiligungsidentische GmbH & Co. KG, d.h., alle Kommanditisten sind auch Gesellschafter der GmbH, haben die Kommanditisten aufgrund ihrer Gesellschafterstellung in der GmbH ein Teilnahme- und Stimmrecht. Bei dem Mitverwaltungsrecht der GmbH-Gesellschafter handelt es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht. Das Stimmrecht der Gesellschafter kann daher auch durch Stellvertreter ausgeübt werden. Entsprechende Vollmachten bedürfen der Textform (§ 47 Abs. 3 GmbHG, § 126b BGB), können also auch per Telefax oder E-Mail erteilt werden, soweit die Satzung der GmbH nichts anderes bestimmt.
4.114
Ferner können sich die Gesellschafter auch in der Gesellschafterversammlung durch Angehörige der rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe beraten lassen. Soweit die Satzung der GmbH eine solche Möglichkeit nicht vorsieht, kann sich ein Recht des Gesellschafters auf Beratung aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben, wenn es dem Gesellschafter in Hinblick auf den Abstimmungsgegenstand an der erforderlichen Sachkunde fehlt. Wird dem Berater die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung verweigert oder anderweitig unzumutbar erschwert, wird hierdurch das Teilnahmerecht des Gesellschafters verletzt.3
4.115
Die Gesellschafterversammlung wird durch die Geschäftsführer der GmbH einberufen (§ 49 Abs. 1 GmbHG).4 Eine Minderheit von GmbH-Gesellschaftern, die 10 % des Stammkapitals halten, kann eine Einberufung verlangen und erforderlichenfalls selbst bewirken (§ 50 Abs. 1 und 3 GmbHG).5 Die Entscheidungen der Versammlung werden grundsätzlich durch Beschlussfassung nach Mehrheit der abgegebenen Stimmen6 getroffen, wobei mangels anderer Regelungen je ein Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt (§ 47 Abs. 1, 2 GmbHG).7
4.116
Die Beschlussfassung ist grundsätzlich formfrei. Die Gründung sowie die Änderung des Gesellschaftsvertrags bedürfen allerdings nach § 2 Abs. 1 GmbHG bzw. § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG der notariellen Beurkundung. Unternehmergesellschaften und Gesellschaften mit höchstens drei Gesellschaftern können unter Verwendung des dem GmbHG beigefügten Musterprotokolls in einem vereinfachten Verfahren gegründet werden (§ 2 Abs. 1a GmbHG; s. Rz. 3.6).
4.117
1 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 12. 2 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 12, dort auch zu den Stimmverboten nach § 47 Abs. 4 GmbHG. 3 BGH v. 27.4.2009 – II ZR 167/07, NJW 2009, 2300 (2301) = GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils; OLG Düsseldorf v. 25.7.2001 – 17 W 42/01, GmbHR 2002, 67. 4 Vgl. hierzu Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097. 5 Zur Form der Einberufung vgl. § 51 GmbHG. 6 §§ 53, 60 Nr. 2 GmbHG fordern eine Dreiviertelmehrheit, ebenso kann im Gesellschaftsvertrag für alle oder bestimmte Beschlussgegenstände eine höhere Stimmenmehrheit oder gar Einstimmigkeit festgelegt sein. 7 Zur Beschlussfassung: BGH v. 14.2.1974 – II ZR 76/72, GmbHR 1974, 109; zu Stimmrechtsbeschränkungen nach § 47 Abs. 4 GmbHG: BGH v. 29.1.1976 – II ZR 19/75, GmbHR 1976, 84 = NJW 1976, 713; BGH v. 10.2.1977 – II ZR 81/76, GmbHR 1977, 127; BGH v. 21.7.2008 – II ZR 39/07, GmbHR 2008, 1092; BGH v. 21.6.2010 – II ZR 230/08, GmbHR 2010, 977 = NJW 2010, 3027.
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§4 4.118
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Nach § 48 Abs. 2 GmbHG bedarf es zur Beschlussfassung keiner Versammlung der Gesellschafter, wenn alle Gesellschafter sich in Textform gem. § 126b BGB mit der in der Sache zu treffenden Regelung einverstanden erklären (Umlaufverfahren) oder sich zumindest mit der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklären. Die Satzung kann weitere Erleichterungen für die Beschlussfassung vorsehen.1
4. Fehlerhafte Beschlüsse 4.119
Die Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sind im GmbHG nicht geregelt.2 Nach allgemeiner Ansicht finden die aktienrechtlichen Beschlussmängelvorschriften (§§ 241 AktG ff.) entsprechende Anwendung, soweit die Besonderheiten der GmbH keine Abweichungen erfordern.3 Dabei ist zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen zu unterscheiden. a) Nichtige Beschlüsse
4.120
Nichtigkeitsgründe sind besonders schwerwiegende Mängel, die den Gesellschafterbeschluss ipso iure unwirksam machen. Die Nichtigkeitsgründe sind gesetzlich abschließend geregelt (§§ 241 ff. AktG) und können durch die GmbH-Satzung weder erweitert noch beschränkt werden.4 Zur Nichtigkeit eines Beschlusses führen: – schwerwiegende Einberufungsmängel analog § 241 Nr. 1 AktG, sofern sie dazu führen, dass die Gesellschafter nicht an der Gesellschafterversammlung teilnehmen können;5 – Beurkundungsmängel analog § 241 Nr. 2 AktG, wobei im GmbH-Recht nur Umwandlungsbeschlüsse, sonstige satzungsändernde Beschlüsse sowie Beschlüsse über den Abschluss von Unternehmensverträgen der notariellen Beurkundung bedürfen;6 Verstöße gegen ein Beurkundungsgebot auf der Grundlage der Satzung führen allenfalls zur Anfechtbarkeit;7 – Beschlüsse, die mit dem Wesen der GmbH unvereinbar sind oder Bestimmungen verletzen, die überwiegend zum Schutz der Gläubiger der GmbH oder sonst im öffentlichen Interessen bestehen (vgl. § 241 Nr. 3 AktG); so beispielsweise Beschlüsse, die gegen die zwingenden Vorschriften der Kapitalaufbringung oder Kapitalerhaltung verstoßen;8
1 Zöllner in Baumbach/Hueck, § 48 GmbHG Rz. 44. 2 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 35; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 1; Römermann in Michalski, Anh. § 47 GmbHG Rz. 21; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 7. 3 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 33 Rz. 71; K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 35. 4 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 62 ff. 5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 11 ff. 6 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 27. 7 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 27; Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3318. 8 Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3318; so bspw. der Erlass der Stammeinlagen und Ersatzansprüche nach §§ 9b Abs. 1, 19 Abs. 2 und 43 Abs. 3 GmbHG; der Verzicht auf die Ausfallhaftung nach §§ 21 ff. GmbHG.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
– ein Sittenverstoß analog § 241 Nr. 4 AktG, sofern der Beschluss aufgrund seines Inhalts unmittelbar gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB);1 – die Wahl zum fakultativen Aufsichtsrat ist nur dann nichtig, wenn der Gewählte keine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person ist (analog §§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 100 Abs. 1 AktG). Bei der Wahl des obligatorischen Aufsichtsratsmitglieds führt darüber hinaus auch die Überschreitung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder und -mandate sowie ein Verstoß gegen die Inkompatibilitätsgrundsätze (vgl. § 100 AktG) zur Nichtigkeit (zum Aufsichtsrat s. Rz. 4.179 ff.).2 Zwar dürfen nichtige Beschlüsse grundsätzlich nicht ins Handelsregister eingetragen werden. Wird der nichtige Beschluss dennoch ins Handelsregister eingetragen und sind seit der Eintragung drei Jahre vergangen, so wird der Beschlussmangel analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG geheilt.3
4.121
Die GmbH-Gesellschafter, und nach h.M. auch die Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder, können die Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse durch Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG geltend machen.4 Klagegegner ist grundsätzlich die GmbH, wobei diese regelmäßig von ihren Geschäftsführern vertreten wird.5 Eine Klagefrist besteht grundsätzlich nicht.6 Da mit Eintragung des fehlerhaften Beschlusses in das Handelsregister und Ablauf der dreijährigen Frist der Nichtigkeitsmangel geheilt wird, ist die Klage jedoch vor Ablauf dieser Frist zu erheben; andernfalls ist sie als unbegründet abzuweisen.7 Daneben greifen auch die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung, nach denen der Gesellschafter sein Recht verwirkt, sich auf einen Beschlussmangel zu berufen, wenn er trotz Kenntnis des Mangels mit der Klageerhebung zu lange wartet. Dritte können Feststellungsklage erheben, sofern sie ein Feststellungsinteresse geltend machen können (vgl. § 256 ZPO).8
4.122
b) Anfechtbare Beschlüsse Anfechtungsgründe begründen ein Recht auf Aufhebung eines fehlerhaften Beschlusses, führen aber nicht zur Nichtigkeit ipso iure.9 Damit ist der anfechtbare Beschluss solange wirksam, bis er im Rahmen der Anfechtungsklage durch das Gericht für nichtig erklärt wird. Anfechtungsgründe sind alle Verstöße gegen Gesetz oder Satzung, sofern es sich nicht um bloße Ordnungsvorschriften handelt.10 Dabei muss der Anfechtungsgrund kausal für das Beschlussergebnis sein. Die Kausalität ist bei inhaltlichen Mängeln stets anzunehmen, während ihr bei Verfahrensmängeln eigenständige Bedeutung zukommt. 1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 20. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 22 ff. 3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 26 ff.; Ausnahmen bestehen beim Beurkundungsmangel, der bereits mit der Eintragung ins Handelsregister geheilt wird. 4 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 65; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 230 ff. 5 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 65. 6 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 81. 7 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 18 Rz. 67. 8 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 82. 9 K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 39. 10 Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3325.
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4.123
§4 4.124
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen beispielsweise: – Einberufungsmängel, die nicht schon zur Nichtigkeit führen und soweit es sich nicht um die Verletzung bloßer Ordnungsvorschrift handelt;1 – Verletzung von Informations- und Teilnahmerechten;2 – Fehler bei der Versammlungsleitung, bspw. Beschlussfassung trotz fehlender Beschlussfähigkeit, Abweichungen von der Tagesordnung oder Absetzung eines Tagesordnungspunkts ohne Anhörung der Gesellschafter;3 – Fehler bei der Beschlussfeststellung, bspw. falsche Auszählung der Stimmen, Verstöße gegen Stimmverbote, Nichtbeachtung wirksamer Stimmen, Stimmrechtsmissbrauch, sofern die Fehler relevant für das Beschlussergebnis sind;4 – Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht;5 – Streben nach Sondervorteilen;6 – Verletzung des Gleichbehandlungsgebots, bspw. durch die ungerechtfertigte Begünstigung einzelner Gesellschafter bei der Gewinnverteilung;7 – Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte anderer Gesellschafter.8
4.125
Anfechtbare Beschlüsse können mit der Anfechtungsklage entsprechend § 243 AktG angegriffen werden. Die Anfechtungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten.9 Anfechtungsberechtigt ist jeder Gesellschafter, auch wenn er nicht an der Versammlung teilgenommen hat.10 Die Anfechtungsklage unterliegt einer angemessenen Anfechtungsfrist, wobei die Monatsfrist des § 246 AktG nicht strikt anzuwenden ist.11 Sie kann jedoch als Leitbild einer angemessenen Frist dienen. Bei der Bestimmung der Angemessenheit sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere sind das Interesse der Gesellschaft an einer beschleunigten Ausführung des Gesellschafterbeschlusses, das mögliche Vertrauen der Beteiligten in den Bestand des Beschlusses und die Komplexität des Beschlusses gegeneinander abzuwägen.12 Grundsätzlich ist es ist empfehlenswert, die Monatsfrist einzuhalten und jedenfalls nicht länger als drei Monate zu warten.13
4.126
Beschlussmängel, die zur Anfechtbarkeit führen, können durch die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter geheilt werden.14 Ebenso führt die Bestätigung eines
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 46. K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 39. K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 96. Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 49. Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3326. Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 55. Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3326. Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 54. Klein in Birle/Klein/Müller, Praxishandbuch der GmbH, Rz. 3337. Fastrich/Haas/Noack u.a. in Baumbach/Hueck, Anhang nach § 47 GmbHG Rz. 136; Römermann in Michalski, Anh. § 47 GmbHG Rz. 393. Wertenbruch in MünchKomm. GmbHG, 2012, Anh. § 47 GmbHG Rz. 207. Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 63. Römermann in Michalski, Anh. § 47 GmbHG Rz. 466; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 63. Vgl. hierzu ausführlich K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 119 ff.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
anfechtbaren Beschlusses durch einen mangelfreien Beschluss zum Ausschluss der Anfechtbarkeit.1 Darüber hinaus kann das Anfechtungsrecht durch Rügeverzicht bzw. Rügeverlust entfallen.2
III. Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG 1. Fehlen gesetzlicher Regelung Die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG ist gesetzlich nicht geregelt. §§ 161 Abs. 2, 119 HGB sehen lediglich vor, dass es für die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Entscheidungen der Gesellschafter bedürfen damit keiner formellen Gesellschafterversammlung. Auch ein schriftliches Beschlussverfahren oder eine stillschweigende Übereinkunft genügen den gesetzlichen Anforderungen.3 Dass der Gesetzgeber bei Personengesellschaften davon abgesehen hat, Regelungen für eine formelle Gesellschafterversammlung aufzustellen, ist der Annahme geschuldet, dass Personengesellschaften in der Regel personalistisch geprägt sind und nur eine geringe Anzahl an Gesellschaftern haben, sodass die Willensbildung keiner gesetzlichen Formalisierung bedarf. Diese Annahme kann heute zumindest insoweit als überholt gelten, als auch Personengesellschaften, vornehmlich in der Form der GmbH & Co. KG, bestehen, die eine Vielzahl von Gesellschaftern haben, insbesondere sog. Publikumsgesellschaften (s. Rz. 2.281 ff.). Der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG kann die Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung weitgehend frei regeln.
4.127
Bei der vertraglichen Ausgestaltung ist zu berücksichtigen, dass bei der GmbH & Co. KG zwei Gesellschaften miteinander verbunden sind, die einem wirtschaftlichen Ziel dienen: Während die KG in der Regel das operative Geschäft betreibt, übernimmt die Komplementär-GmbH deren Geschäftsführung. Um der Verzahnung beider Gesellschaften gerecht zu werden, muss die interne Willensbildung beider Gesellschaften aufeinander abgestimmt werden.
4.128
Bei der personenidentischen GmbH & Co. KG empfiehlt es sich, dass die Kommanditisten und die GmbH-Gesellschafter in beiden Gesellschaften den gleichen Einfluss auf die Willensbildung haben; auch sollten sich das Einberufungs- und Beschlussverfahren sowie die Mehrheitsanforderungen in der Regel möglichst entsprechen.4 Sind die GmbH-Gesellschafter und Kommanditisten hingegen personenverschieden oder weichen die Beteiligungsverhältnisse erheblich voneinander ab, dient dies meist dazu, die Nur-Kommanditisten von der Einflussnahme auf die Geschäftsführung weitgehend auszuschließen, so dass die relevanten Entscheidungen möglichst der Komplementär-GmbH und ihren Gesellschaftern vorbehalten werden.5
4.129
1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rz. 61. 2 Römermann in Michalski, Anh. § 47 GmbHG Rz. 447; K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 129. 3 Freitag in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 119 HGB Rz. 45. 4 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 18. 5 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 21.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
2. Aufgabenbereich und Zuständigkeit 4.130
Im Gegensatz zur grundsätzlichen Allzuständigkeit der GmbH-Gesellschafter (s. Rz. 4.102) weist das HGB den Gesellschaftern der KG lediglich die Zuständigkeit für außergewöhnliche Geschäfte (§ 116 Abs. 2 HGB) und Grundlagengeschäfte zu.
4.131
Der Bestimmung durch die Gesellschafter unterliegen: – Änderungen des Gesellschaftsvertrags,1 – Umwandlungen (§§ 43, 125, 217 Abs. 1 UmwG),2 – Auflösung der Gesellschaft sowie die Bestellung und Abberufung der Liquidatoren (§§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 146 Abs. 1, 147 HGB), – Fortsetzung der Gesellschaft bei Insolvenz (§ 144 HGB), – Durchführung des Ausschließungsverfahrens (§ 140 HGB), – die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht (§§ 117, 127 HGB), – die Durchführung des Ausschließungsverfahrens (§ 140 HGB), – die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes (§ 113 Abs. 2 HGB).
4.132
Die Kompetenz der Gesellschafter für außergewöhnliche Geschäfte kann durch den Gesellschaftsvertrag erweitert oder eingeschränkt werden. Eine Einschränkung darf jedoch nicht zu einer vollständigen Entziehung der Gesellschafterrechte oder zu einem unzulässigen Eingriff in den Kernbereich führen und nicht gegen das in § 707 BGB wurzelnde Belastungsverbot (s. Rz. 4.162) verstoßen.3 Der Ausschluss des Zustimmungsrechts der Kommanditisten bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen der Komplementärin stellt allein noch keine unzulässige Beschränkung dar.4 Die Grenze dürfte erst überschritten sein, wenn die Kompetenzverlagerung mit einer Einbuße an Kontroll- und Informationsrechten einhergeht, sodass der Komplementär-GmbH im Ergebnis ein weitreichender Freiraum zur eigenständigen Regelung aller Geschäftsführungsangelegenheiten zugebilligt wird.5
4.133
Sofern die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung erweitert oder eingeschränkt werden soll, kann dies durch eine enumerative Aufzählung aller der Gesellschafterversammlung übertragenen oder entzogenen konkreten Aufgaben erfolgen. Ausreichend ist auch ein genereller Verweis des Gesellschaftsvertrags auf das 1 In der beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG umfasst der einstimmige Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrags zugleich die Erlaubnis des Selbstkontrahierens für den Kommanditisten, der auch GmbH-Geschäftsführer ist, vgl. Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 33. 2 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 18. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 35 f. 4 Liebscher in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 46 GmbHG Rz. 322; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 164 HGB Rz. 2; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 68. 5 Liebscher in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 46 GmbHG Rz. 322; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 68.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
GmbH-Recht.1 Da umstritten ist, ob Zustimmungsvorbehalte grundsätzlich als abschließend zu betrachten sind, sollte der abschließende Charakter eines vertraglichen Zuständigkeitskatalogs eindeutig geregelt werden.2 Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit über eine analoge Anwendung der Bestimmungen bezüglich der GmbH-Gesellschafterversammlung eine weitere Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG begründet werden kann. Insbesondere ist hier an eine der GmbH-Gesellschafterversammlung entsprechende Zuweisung nach § 46 Nr. 1 bis 8 GmbHG zu denken: – Die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses (§ 46 Nr. 1 GmbHG) fällt – anders als die bloße Aufstellung des Jahresabschlusses – in die Zuständigkeit der Gesellschafter.3 – Die Einforderung von Einzahlungen auf Stammeinlagen (§ 46 Nr. 2 GmbHG) passt nur auf die Stammeinlagen bei der GmbH. Die Fälligkeit der Kommanditeinlagen ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG und bedarf grundsätzlich keines Beschlusses der Gesellschafterversammlung.4 – Die Rückzahlung von Nachschüssen (§ 46 Nr. 3 GmbHG) ist bei der KG nur möglich, sofern dies im Gesellschaftsvertrag (auch durch Verweis auf § 46 Nr. 3 GmbHG) vorgesehen ist (§ 707 BGB), sodass § 46 Nr. 3 GmbHG nicht analog anzuwenden ist.5 – Die Teilung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 46 Nr. 4 GmbHG) gilt nur bei der GmbH. Bei Personengesellschaften existieren diese Rechtsinstitute nicht, weil die Beteiligung an einer Personengesellschaft stets eine einheitliche ist. – Die Bestellung und Abberufung von GmbH-Geschäftsführern sowie deren Entlastung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) obliegt, da es sich um Geschäftsführer der GmbH handelt, nur der GmbH, nicht der GmbH & Co. KG. Bei der personenidentischen GmbH & Co. KG müssen sich die Kommanditisten jedoch die Entlastungsentscheidung der Gesellschafterversammlung der GmbH entgegenhalten lassen (s. Rz. 4.109).6 – Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6 GmbHG) liegen auch im Interesse der Gesellschafter der GmbH & Co. KG, da die Geschäftsführung der GmbH deren Geschäfte mitführt. Nach §§ 164, 166 HGB steht den Kommanditisten grundsätzlich aber nur ein beschränktes Mitwirkungs- und Kontrollrecht zu, und zwar nur gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter, also der Komplementär-GmbH; eine dem § 46 Nr. 6 GmbHG entsprechende Prüfung ist nur bei gesellschaftsvertraglicher Grundlage möglich. – Die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb (§ 46 Nr. 7 GmbHG): Die Bestellung von Prokuristen und 1 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „OTTO“, GmbHR 2007, 437 = AG 2007, 493 bestätigt durch BGH v. 24.11.2008 – II ZR 116/08, ZIP 2009, 216 = GmbHR 2009, 306 m. Komm. Gottschalk; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 22. 2 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 69 m.w.N. 3 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „OTTO“, GmbHR 2007, 437 = AG 2007, 493; Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 337. 4 K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 59. 5 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 29. 6 Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 29.
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4.134
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Handlungsbevollmächtigten für die GmbH & Co. KG erfolgt durch diese, nicht durch die GmbH. In einer KG werden diese Vertreter aber nur von den Komplementären ohne Mitwirkung der Kommanditisten bestellt (§§ 164 Satz 2, 116 Abs. 3 HGB). – Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Bestellung von Prozessvertretern (§ 46 Nr. 8 GmbHG) erstreckt sich nur auf die Ansprüche der GmbH gegen ihre Geschäftsführer oder Gesellschafter. Eine Befugnis der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG, einen Prozessvertreter für die Durchsetzung von Ansprüchen der KG gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu bestellen, wird in der Literatur zum Teil angenommen.1
3. Teilnahme- und Stimmberechtigung 4.135
Grundsätzlich ist jeder Gesellschafter der GmbH & Co. KG in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt.2 Soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung trifft (z.B. Kapitalmehrheit, Vetorechte), erfolgt gem. §§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 2 HGB eine Abstimmung nach Köpfen, d.h. jeder Gesellschafter hat mit seiner Stimme das gleiche Gewicht.3 Typischerweise wird die gesetzliche Regelung abbedungen und das Stimmrecht richtet sich nach der Beteiligungsquote.4 Wenn die Komplementär-GmbH keinen Kapitalanteil hält – wie oftmals der Fall –, hat sie kein Stimmrecht. Das Gleiche gilt, soweit im Gesellschaftsvertrag eine reine Kommanditistenversammlung vorgesehen ist.5 Jedenfalls bei der personenidentischen GmbH & Co. KG ist dies unbedenklich, weil die GmbH durch das verbleibende Teilnahme- und Stimmrecht ihrer Gesellschafter ausreichend geschützt ist.
4.136
Gesetzliche Vertreter können das Stimmrecht für einen Gesellschafter ausüben, genauso wie Testamentsvollstrecker und Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes bei einem zum Nachlass bzw. zur Insolvenzmasse gehörenden Gesellschaftsanteil.6 Zulässig ist bei entsprechender Vertreterklausel7 auch eine obligatorische 1 K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 177. 2 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 119 HGB Rz. 2. 3 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 40, 41. Zur Zulässigkeit von Mehrstimmrechten des Komplementärs s. OLG Karlsruhe v. 29.7.2014 – 4 U 24/14, NZG 2014, 1417. 4 Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 50 Rz. 93; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 40, 41. 5 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 164 HGB Rz. 90; Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 50 Rz. 95; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 34. 6 Unstr.; RG v. 12.2.1929 – II 295/28, RGZ 123, 289 (299); K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 41. Gewillkürte Stellvertretung ist nur bei entsprechender Zulassung im Gesellschaftsvertrag bzw. mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter zulässig: K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 42. Die h.M. verlangt widrigenfalls allerdings eine Zurückweisung des Stellvertreters; unterbleibt diese, kann die Unzulässigkeit der Stimmabgabe nicht mehr geltend gemacht werden (konkludente Zustimmung bzw. Verwirkung); dazu RG v. 12.2.1929 – II 295/28, RGZ 123, 289 (300); Weipert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 14 Rz. 97; dagegen K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 42, der eine Vertretung wie bei der GmbH befürwortet. 7 Vertreterklauseln bestimmen, dass Erben ihre Gesellschafterrechte nicht persönlich, sondern nur durch einen Vertreter ausüben dürfen.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
Gruppenvertretung für Erben eines Gesellschafters, um eine Aufspaltung des bisher einheitlichen Stimmrechts zu verhindern.1 Ausnahmsweise soll zwecks Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen einem Dritten (Nichtgesellschafter) ein sog. Drittstimmrecht eingeräumt werden können.2 Zu Recht sieht K. Schmidt3 im sog. Drittstimmrecht kein echtes Stimmrecht, sondern nur eine von dem Gesellschafter eingeräumte Einflussmöglichkeit, da die zugrunde liegende Abrede zwischen Gesellschafter und Drittem jederzeit widerruflich ist. Eine Übertragung des Stimmrechtes ohne Mitgliedschaft (sog. Stimmrechtsabspaltung) ist wie bei der GmbH unzulässig.4
4.137
Im Gesellschaftsvertrag kann das Stimmrecht einzelner Gesellschafter für bestimmte Beschlüsse ausgeschlossen werden, sofern nicht Gründe des übergeordneten Gesellschafterschutzes (z.B. Entzug von Sonderrechten, Begründung von Pflichten) entgegenstehen.5
4.138
Das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG gilt entsprechend auch für die Beschlussfassung in der GmbH & Co. KG. Demnach ist ein Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn über seine Entlastung, über die Befreiung einer Verbindlichkeit oder über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtstreits mit ihm beschlossen wird, da es sich bei dem insoweit einschlägigen Verbot des „Richtens in eigener Sache“ um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt.6 Dabei erstreckt sich der Stimmrechtsausschluss nach h.M. auch auf die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem betreffenden Gesellschafter.7
4.139
Teilnahmeberechtigt sind zunächst alle stimmberechtigten Gesellschafter. Soweit Gesellschafter nicht stimmberechtigt sind, haben sie trotzdem ein Recht auf Teilnahme.8 Dies gilt gleichermaßen für das Teilnahmerecht der KomplementärGmbH, wenn ihr Stimmrecht ausgeschlossen worden ist.9 Da das Teilnahmerecht nicht an das Stimmrecht anknüpft, sondern an die Gesellschafterstellung, kann die GmbH (vertreten durch ihre Geschäftsführer) an der Versammlung teilnehmen. Teilnahmeberechtigt sind ferner die gesetzlichen Vertreter eines Gesellschafters. Bevollmächtigte eines Gesellschafters und Testamentsvollstrecker sind nur bei
4.140
1 BGH v. 12.12.1966 – II ZR 41/65, BGHZ 46, 291; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 44. 2 BGH v. 22.2.1960 – VII ZR 83/59, NJW 1960, 963; Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 20. 3 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 45. 4 BGH v. 10.11.1951 – II ZR 111/50, BGHZ 3, 354; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 39, 43 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 19. 5 BGH v. 14.5.1956 – II ZR 229/54, BGHZ 20, 363 (368) = GmbHR 1956, 172; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 40. 6 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 46; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 180; ausführlich zu den Stimmverboten bei der GmbH & Co. KG Weinhardt, DB 1989, 2417. 7 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 46; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 HGB Rz. 54; umfassend: Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 709 BGB Rz. 67 ff.; Weitemeyer in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 166 HGB Rz. 17; a.A. Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 33. 8 Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 141. 9 So Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 50 Rz. 97; Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 141; a.A. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 130.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
entsprechender Gestattung im Gesellschaftsvertrag oder mit Einverständnis der übrigen Gesellschafter teilnahmeberechtigt.1
4. Einberufung und Ladung 4.141
Sofern der Gesellschaftsvertrag keine besonderen Regelungen trifft, ist jeder geschäftsführende Gesellschafter einberufungsberechtigt. In der typischen GmbH & Co. KG ist daher die Komplementär-GmbH, vertreten durch ihren GmbH-Geschäftsführer, für die Einberufung zuständig.2
4.142
Der Gesellschaftsvertrag kann auch jedem Kommanditisten oder auch nicht geschäftsführenden Komplementär ein Einberufungsrecht einräumen. Ist dies nicht der Fall, kann ein Kommanditist eine Gesellschafterversammlung grundsätzlich nicht einberufen. Lediglich eine Einberufung aus wichtigem Grund wird von Rechtsprechung und Literatur als unentziehbares Recht dem Kommanditisten zugebilligt. Weigern sich die geschäftsführenden Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, können die Kommanditisten die Einberufung selbst vornehmen.3 Ein dem § 50 GmbHG entsprechendes Minderheitenrecht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung kann im Gesellschaftsvertrag mit einem beliebigen Anteil am Gesellschaftskapital (z.B. 10 %, 20 %) festgelegt werden. Ist dies nicht der Fall, besteht ein dem GmbH-Recht entsprechender Minderheitenschutz mangels gesetzlicher Regelung grundsätzlich nicht.4
4.143
Ein Anspruch einer Minderheit von Kommanditisten auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung ist aber denkbar, wenn es sich um eine Publikumsgesellschaft handelt, die KG also nach ihrem Gesellschaftsvertrag auf die Mitgliedschaft einer Vielzahl von Gesellschaftern angelegt ist.5 Zwar ist § 50 GmbHG auf gleichberechtigte Gesellschafter zugeschnitten, nicht auf unterschiedliche Rechtsstellungen wie die von Komplementären und Kommanditisten. Das Ziel eines effektiven Anlegerschutzes gebietet es jedoch, auch einer Minderheit von Kommanditisten die Möglichkeit zur Einberufung einzuräumen.6 1 Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 143 ff.; zum Teilnahmerecht von Sicherungsnehmern, Treuhändern, Nießbrauchern und Pfandgläubigern vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 39. 2 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 32; Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 344. 3 BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, BB 1988, 159; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 32; H. Schneider/Uwe H. Schneider in FS Möhring, 1975, S. 289; Uwe H. Schneider, ZGR 1978, 25. 4 So im Ergebnis auch K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 32, § 50 GmbHG Rz. 36; vgl. ohne nähere Begründung Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 343, der bei wichtigem Grund „zum Schutz der Kommanditisten“ per se ein Einberufungsrecht der Minderheit analog § 50 Abs. 3 GmbHG anerkennen will. 5 BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, NJW 1988, 969 (970, 972) für den Fall einer Publikumspersonengesellschaft, deren Gesellschaftsvertrag einer qualifizierten Minderheit ausdrücklich das Recht einräumt, von den Geschäftsführern die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu verlangen. 6 Mit ausführlicher Besprechung zu BGH v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, BGHZ 102, 172 = ZIP 1988, 22; J. Reichert/M. Winter, BB 1988, 981 (985); so wohl auch Gummert/Jaletzke in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 66 Rz. 3.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
Die Formalia der Ladung und Einberufung richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Ansonsten gilt das Prinzip der Formfreiheit und Formlosigkeit.1 Die Ladung ist grundsätzlich eine zugangsbedürftige Erklärung und muss daher den teilnahmeberechtigten Gesellschaftern zugehen.2 Die Absendung der Ladung allein genügt nicht.3 Um den Zugang zu prüfen und evtl. zu beweisen, empfiehlt sich daher im Gesellschaftsvertrag festzulegen, dass die Ladung per eingeschriebenem Brief o.Ä. zu erfolgen hat.4
4.144
Die Ladung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass die Gesellschafter ihre Termine noch zumutbar disponieren können und ihnen eine Teilnahme bei hinreichender Vorbereitung möglich ist. Die Vorbereitungszeit richtet sich nach den anstehenden Tagesordnungspunkten, die zumutbare Zeitdisposition nach der gewöhnlichen Inanspruchnahme der einzelnen Gesellschafter und ihrer Nähe zum Versammlungsort.5 Die dadurch entstehenden Unsicherheiten können durch klare Vorgaben im Gesellschaftsvertrag verhindert werden. Dabei sollte eine Mindestfrist von einer Woche (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) gewahrt bleiben.6
4.145
Zeit und Ort müssen sich eindeutig aus der Ladung ergeben. Der festgesetzte Termin und Ort der Gesellschafterversammlung müssen dem Gesellschafter nach Orts- und Verkehrsüblichkeit zumutbar sein (z.B. nicht ohne ersichtlichen Grund in der Urlaubszeit eines Gesellschafters,7 an Feiertagen, zur Nachtzeit oder an schwer zugänglichen Orten wie Jagd- oder Skihütten, bzw. im Ausland8). Ohne Zustimmung aller Gesellschafter oder ohne zwingende Gründe (z.B. Anzahl der Gesellschafter zwingt zur Nutzung eines großen Saals) darf die Gesellschafterversammlung daher grundsätzlich nicht an anderen Orten als am Sitz der Gesellschaft abgehalten werden.9
4.146
Um den Gesellschaftern eine sachgerechte Vorbereitung zu ermöglichen und ihnen die Bedeutung der Gesellschafterversammlung bewusst zu machen, hat die Ladung grundsätzlich eine Ankündigung der einzelnen Tagesordnungspunkte zu enthalten.10 Dies ist insbesondere bei Mehrheitsbeschlüssen ein inzwischen allgemein anerkannter Grundsatz. Insbesondere sind Mehrheitsbeschlüsse ohne Ankündigung nicht zulässig, auch wenn der Gesellschaftsvertrag ein solches Vorgehen erlaubt.11
4.147
Mängel der Ladung können zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen Ladungsbestimmung verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teil-
4.148
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 30. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 105. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 105. Vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 33; Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 107. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 105. Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 346, 96 ff. OLG Saarbrücken v. 10.10.2006 – 4 U 382/05–169, GmbHR 2007, 143. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 33. Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 347, 104; H. Schneider/Uwe H. Schneider in FS Möhring, 1975, S. 290. Beispiele bei Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 110 ff. Uwe H. Schneider, ZGR 1978, 23.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
nahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird (s. Rz. 4.147).1 Der Mangel führt aber nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler nicht beeinflusst ist.2 So können Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung geheilt werden, wenn der nicht geladene Gesellschafter trotzdem erscheint oder trotz zu kurzer Ladungsfristen die Vorbereitung der Gesellschafterversammlung nach seinem Bekunden möglich war. Bei Beschlussfassung über einen in der Ladung nicht angekündigten Tagesordnungspunkt ist der Formfehler (mangels Kausalität) nur dann unbeachtlich, wenn die Gesellschafter vollzählig erschienen sind, vor der Abstimmung ausreichend Gelegenheit zur Aussprache hatten und eine Aussprache nicht von vornherein aussichtslos war.3
5. Durchführung der Gesellschafterversammlung 4.149
Da das Gesetz für die Durchführung der Gesellschafterversammlung keine Bestimmungen enthält, sind die Gesellschafter frei, Leitung und Ablauf einschließlich Abstimmung und Beschlussfassung im Gesellschaftsvertrag festzulegen. Eine solche Regelung ist zu empfehlen.
4.150
Fehlen gesellschaftsvertragliche Regelungen, werden der grundsätzlichen Freiheit, die Durchführung der Gesellschafterversammlung zu gestalten, lediglich durch das Ziel Grenzen gesetzt, den Gesellschaftern die Teilnahme, die Mitwirkung und die Willensbildung unter Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen zu ermöglichen.4 Insoweit sind für entsprechende Veranstaltungen bei Vereinen, Kapitalgesellschaften und Wohnungseigentümern allgemein gültige und anwendbare Grundsätze entwickelt bzw. in Rechtsprechung und Literatur weitgehend übereinstimmend herausgearbeitet worden, die auch in der GmbH & Co. KG Geltung beanspruchen.5
4.151
Eine geordnete Durchführung der Gesellschafterversammlung erfordert – sofern eine größere Anzahl von Gesellschaftern erschienen ist – eine Versammlungsleitung. Diese wird durch die Gesellschafterversammlung gewählt,6 wobei die Wahl regelmäßig durch den an Jahren ältesten Anwesenden geleitet wird. Ein generelles Recht zur Versammlungsleitung steht weder dem Geschäftsführer oder Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH zu, noch dem Inhaber oder Vorsitzenden bestimmter Ämter oder Organe.7
4.152
Rechte, Pflichten und Aufgaben des Versammlungsleiters richten sich nach den allgemeinen Übungen in Vereinen und Kapitalgesellschaften.8 Jeder Gesellschafter 1 BGH v. 11.3.2014 – II ZR 24/13, NZG 2014, 621 (621) = GmbHR 2014, 705. 2 BGH v. 11.3.2014 – II ZR 24/13, NZG 2014, 621 (621) = GmbHR 2014, 705. 3 Vgl. KG Berlin v. 23.3.1995 – 2 U 3723/94, GmbHR 1995, 524; dazu Anmerkung von Hey, WiB 1995, 947. 4 Vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 35. 5 S. dazu nur Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 358. 6 Zur Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit OLG München v. 12.1.2005 – 7 U 3691/04, GmbHR 2005, 624. 7 Vgl. dazu Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 358, 246. 8 Z.B. Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 358, 242 ff.; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 35.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
ist berechtigt, Redebeiträge beizusteuern und Anträge zu stellen.1 Ein Versammlungsprotokoll ist ebenso wenig wie bei der Gesellschafterversammlung der GmbH gesetzlich vorgeschrieben.2 Aus Beweisgründen ist zu empfehlen, ein Versammlungsprotokoll zu erstellen. Es sollte den Verlauf der Gesellschafterversammlung so genau wiedergeben, dass Abwesende sich über den Inhalt der Veranstaltung unterrichten können und insbesondere gefasste Beschlüsse eindeutig festgehalten werden (s. Rz. 4.164 f.).
6. Abstimmung und Beschlussfassung a) Allgemeines Es ist über alle gestellten Anträge durch Beschlussfassung zu entscheiden. Da das Gesetz keine Regelungen für die Abstimmung enthält, sind die Gesellschafter frei, diese im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Dabei können durch generellen Verweis die Vorschriften des GmbHG für anwendbar erklärt werden.3 Fehlen vertragliche Bestimmungen, entsprechen Art und Durchführung der Abstimmung den Erfordernissen der Versammlung in Vereinen.4
4.153
Bei der Abstimmung ist zu beachten, dass die Gesellschafter bei der Ausübung ihrer Stimmrechte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegen.5 Das Stimmrecht darf folglich nur vorbehaltlich der gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern geschuldeten Rücksichtnahme und Loyalität ausgeübt werden.6 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der einzelne Gesellschafter seine eigenen Interessen per se hinter die der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter zurückstellen muss.7 Untersagt ist ihm aber die rücksichtslose Ausnutzung einer Mehrheitsposition oder Sperrminorität; das Abstimmungsverhalten muss im Grundsatz von sachlichen, im Interesse der Gesellschaft liegenden Erwägungen getragen sein und darf nicht zu unverhältnismäßigen Nachteilen für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter führen.8
4.154
b) Erforderliche Stimmenmehrheit Enthält der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Bestimmung, gilt bei der GmbH & Co. KG der Grundsatz der Einstimmigkeit,9 sodass grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB). Da es sich insoweit um dispositives Recht handelt, können im Gesellschaftsvertrag Mehrheitsentscheidungen vorgesehen und (jedenfalls bei der personenidentischen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 36. Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 283. Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 50 Rz. 100. Dazu Eickhoff, Gesellschafterversammlung, Rz. 272 ff. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 47. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 162, 182. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 162, 182. Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 162, 182. BGH v. 15.11.1982 – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350 (354) = GmbHR 1983, 297; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 23; Mecke, BB 1988, 2258.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
GmbH & Co. KG) auch das Stimmrecht der Komplementär-GmbH ganz ausgeschlossen werden.1 4.156
Genügt nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Gesellschafter, so richtet sich diese mangels abweichender Regelung nach der Zahl der Gesellschafter. Meist wird das Stimmrecht durch gesellschaftsvertragliche Regelung entsprechend § 47 Abs. 2 GmbHG an die Kapitalbeteiligung der Gesellschafter geknüpft. Ob sich die Mehrheit auf die Mehrheit sämtlicher Gesellschafter bzw. Kapitalanteile (absolute Mehrheit) oder nur auf die Mehrheit der teilnehmenden Stimmen bzw. Kapitalanteile (relative Mehrheit) bezieht, ist durch Auslegung der entsprechenden Mehrheitsklauseln zu ermitteln.2 Ergibt diese mangels konkreter Anhaltspunkte kein eindeutiges Ergebnis, so ist aufgrund eines effektiven Minderheitenschutzes entsprechend der ganz h.L. davon auszugehen, dass die Mehrheit aller Gesellschafter bzw. Kapitalanteile gemeint ist.3
4.157
Soweit im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG in Abkehr vom gesetzlichen Einstimmigkeitsgrundsatz allgemein das Mehrheitsprinzip verankert ist, waren die Anforderungen an derartige statutarische Mehrheitsklauseln lange Zeit umstritten.
4.158
Zunächst bestimmte der BGH die Wirksamkeit von Mehrheitsklauseln anhand eines zweistufigen Konzepts: Auf einer ersten Stufe wurde die formelle Legitimität an dem sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz gemessen.4 Demnach sollten sich allgemein gefasste Mehrheitsklauseln lediglich auf alltägliche Geschäftsführungsmaßnahmen beziehen, während Mehrheitsentscheidungen bezüglich Grundlagengeschäften einer expliziten und spezifischen Legitimation im Gesellschaftsvertrag bedurften.5
4.159
Auf einer zweiten Stufe wurde sodann die materielle Zulässigkeit anhand der Kernbereichslehre geprüft. Nach der Kernbereichslehre muss zwischen Eingriffen in die absolut unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte6 und Eingriffen in die relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte7 unterschieden werden: Während erstere stets unzulässig sind, können Eingriffe in die relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte 1 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 73/92, GmbHR 1993, 591. 2 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 23. 3 Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 5; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 23; H. Schneider/Uwe H. Schneider in FS Möhring, 1975, S. 281. 4 BGH v. 23.1.2006 – II ZR 306/04, ZIP 2006, 562; RG v. 15.10.1926 – II 119/26, RGZ 114, 393 (395); RG v. 15.5.1936 – II 291/35, RGZ 151, 321 (327); BGH v. 14.11.1960 – II ZR 55/59, DB 1961, 402; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 261/86, GmbHR 1988, 20 = NJW 1988, 411; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 24 m.w.N. und zahlreichen Beispielen für die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes. 5 BGH v. 23.1.2006 – II ZR 306/04, ZIP 2006, 562; K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 24. 6 Zu den unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehören u.a. das zwingende Mindestinformationsrecht des § 118 Abs. 2 HGB, das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung einschl. des Rederechts, das Recht, die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben, das Klagerecht wegen fehlerhafter Beschlüsse, die actio pro socio bei Verdacht unredlicher Geschäftsführung, vgl. Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 HGB Rz. 39. 7 Zu den relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören die individuelle Zustimmung zu Beitragserhöhungen, Stimmrechte, Vermögensrechte (Gewinn- und Abfindungsrecht, Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös), Änderung der Geschäftsführungsbefugnisse sowie Laufzeitverlängerungen, vgl. Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 HGB Rz. 40.
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
ausschließlich mit vorheriger Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erfolgen. Der BGH relativierte den Bestimmtheitsgrundsatz zunächst in seinen Entscheidungen vom 15.1.2007 („Otto“)1 und vom 24.11.2008 („Schutzgemeinschaftsvertrag II“)2 und gab ihn schließlich in seinen Urteilen vom 16.10.20123 und vom 21.10.20144 auf. Gleichzeitig distanzierte sich der BGH bei der Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit von Mehrheitsklauseln auch von der Kernbereichslehre.5
4.160
Nunmehr ist allein anhand allgemeiner Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) zu bestimmen, ob sich die Mehrheitsklausel nur auf allgemeine Geschäftsführungsmaßnahmen oder auch auf Grundlagengeschäfte bezieht.6 Für die materielle Legitimation der jeweiligen Mehrheitsentscheidung ist weiterhin entscheidend, ob eine Verletzung der Treuepflicht vorliegt oder durch die Mehrheitsentscheidung in ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht eingegriffen wird.7 Dabei soll der Kreis der unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte jedoch nicht mehr abstrakt bestimmt werden, sondern nur noch unter Berücksichtigung der konkreten Struktur der Personengesellschaft und Stellung des betroffenen Gesellschafters.8 Abgesehen von den so definierten unentziehbaren Rechten kommt es für die Legitimation von Eingriffen in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters maßgeblich darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schützenswerten Belange zumutbar ist.9 Auch unter dem Gesichtspunkt seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht kann der Minderheitsgesellschafter verpflichtet sein, die in Frage stehende Maßnahme im Gesellschaftsinteresse hinzunehmen.10
4.161
Darüber hinaus darf die Mehrheitsklausel für ihre inhaltliche Wirksamkeit nicht gegen das Belastungsverbot nach § 707 BGB verstoßen. Nachschusspflichten durch Mehrheitsklauseln können daher nur gerechtfertigt sein, wenn das Ausmaß und
4.162
1 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, NJW 2007, 1685 = GmbHR 2007, 437. 2 BGH v. 24.11.2008 – II ZR 116/08, NJW 2009, 669 = GmbHR 2009, 306 m. Komm. Gottschalk. 3 BGH v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, NZG 2013, 63 = GmbHR 2013, 194. 4 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, 1296 = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting. S. auch zustimmende Besprechungen von Schäfer, NZG 2014, 1401, Ulmer, ZIP 2015, 657 und Schiffer, BB 2015, 584; kritisch dagegen Altmeppen, NJW 2015, 2065. 5 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, 1296 (1300) = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting; Schäfer, NZG 2014, 1401 (1404). Weiterhin Relevanz der Kernbereichslehre sehen Schiffer, BB 2015, 584 (586) und Altmeppen, NJW 2015, 2065 (2069). 6 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, 1296; Ulrich/Schlichting, GmbHR 2014, 1303 (1312); so auch Grunewald, BB 2015, 333; Schäfer, NZG 2014, 1401 (1404); a.A. Altmeppen, NJW 2015, 2065. 7 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NJW 2015, 859 (861) = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting; so auch Grunewald, BB 2015, 333; Schäfer, NZG 2014, 1401 (1404); a.A. Altmeppen, NJW 2015, 2065. 8 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, 1296 (1300) = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting. 9 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, 1296 (1300) = GmbHR 2014, 1303 m. Komm. Ulrich/Schlichting; Schäfer, NZG 2014, 1401 (1404). 10 BGH v. 10.10.1994 – II ZR 18/94, GmbHR 1995, 55 (56); vgl. auch BGH v. 5.11.1984 – II ZR 111/84, GmbHR 1985, 152.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
der Umfang der Nachschusspflichten im Gesellschaftsvertrag niedergelegt sind und so eine antizipierte Zustimmung des betroffenen Gesellschafters angenommen werden kann.1 4.163
Gestaltungshinweis: Die bislang in der Praxis zum Teil anzutreffende Aufnahme eines präzisen Katalogs der einer Mehrheitsentscheidung zugänglichen Beschlüsse2 ist nach der Verabschiedung des BGH vom Bestimmtheitsgrundsatz eigentlich nicht mehr erforderlich. Dennoch sollte weiterhin explizit geregelt werden, dass Grundlagenbeschlüsse einer bestimmten qualifizierten Mehrheit oder sogar der Einstimmigkeit bedürfen (insbesondere vertragsändernde Beschlüsse) und andere Beschlüsse ausdrücklich mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden können.3 Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass nach den allgemeinen Auslegungsregeln neben den Regelungen im Gesellschaftsvertrag auch sämtliche relevanten Begleitumstände heranzuziehen sind.4 Ohne ausdrückliche Regelung besteht weiterhin die Gefahr, dass die Auslegung des Gesellschaftsvertrags dazu führt, dass ein nicht geregelter Beschlussgegenstand dem Einstimmigkeitsprinzip unterfällt.5 c) Form der Beschlussfassung
4.164
Eine besondere Form (Protokollierung oder notarielle Beurkundung) der Beschlüsse ist ohne entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht erforderlich.6 Da eine entsprechende Regelung wie § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, der die notarielle Beurkundung bei einer Satzungsänderung vorsieht, in den gesetzlichen Vorschriften zur KG fehlt, sind auch Änderungen des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG grundsätzlich formlos möglich.
4.165
Gestaltungshinweis: Aus Beweisgründen empfiehlt sich eine schriftliche Fixierung der Beschlüsse und eine entsprechende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG. Trotzdem kommt es bei einem Streit über den Inhalt eines Beschlusses auf dessen tatsächlichen und nicht auf den protokollierten Inhalt an.7 Das Protokoll hat allerdings Indizwirkung.8 d) Fehlerhafte Beschlüsse
4.166
Fehlerhafte Beschlüsse der GmbH & Co. KG liegen vor, wenn sie rechtswidrig, d.h. unter Verstoß gegen Gesellschaftsvertrag oder Gesetz zustande gekommen sind. Ein bloßer Verstoß gegen Ordnungsvorschriften reicht hingegen auch im Rahmen der KG nicht.9 Zudem muss Kausalität zwischen dem Verstoß und dem Abstim1 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 28; zur Zustimmungspflicht über eine gesellschaftliche Treuepflicht vgl. Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 73. 2 Kritisch dazu K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 24. 3 Binz/Mayer, DB 2007, 1739. 4 Schwetlik, GmbH-StB 2015, 7. 5 Schwetlik, GmbH-StB 2015, 7. 6 K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 37. 7 H.M. vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 38; K. Schmidt, AG 1977, 254. 8 Römermann in Michalski, § 48 GmbHG Rz. 170. 9 Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 31; vgl. BGH v. 11.3.2014 – II ZR 24/13, GmbHR 2014, 705 (706).
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§4
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
mungsergebnis bestehen.1 Fehlerhafte Beschlüsse sind nach h.M. nichtig und unwirksam, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht.2 Eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtigkeit wird bei rechtswidrigen Beschlüssen über die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder Strukturänderungen (beispielsweise Beschlüsse über den Beitritt eines neuen Gesellschafters, das Ausscheiden eines alten Gesellschafters oder die Auflösung der Gesellschaft) gemacht, da für diese die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gelten.3 Demnach sind statusrelevante Beschlüsse4 trotz Rechtswidrigkeit aufgrund des vorrangingen Bestands- und Verkehrsschutzinteresses nicht unwirksam, sofern sie in Vollzug gesetzt wurden.5 Eine Rückausnahme wird jedoch angenommen, sofern durch die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft vorrangige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen beeinträchtigt werden würden.6 Beispielsweise finden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft keine Anwendung auf den Beitritt zu einer KG, der zum Zweck der Hinterziehung von Steuern erfolgt.7
4.167
Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses sind von den Gesellschaftern im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO,8 d.h. durch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses, geltend zu machen. Da fehlerhafte Beschlüsse grundsätzlich nichtig sind, ist eine Anfechtungsklage mit gestaltender Wirkung regelmäßig weder möglich noch erforderlich. Dabei unterliegt die Klage – wie auch im GmbH-Recht – keiner starren gesetzlichen Frist. Eine Heilung i.S. des Aktien-/GmbH-Rechts (vgl. zur GmbH Rz. 4.121) tritt nicht ein, sodass sich auch daraus keine faktische Frist ergibt. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gesellschafter nach einem beliebig langen Zeitraum auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen dürften.9 Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht folgt, dass die Gesellschafter gehalten sind, innerhalb einer angemessenen Frist die Feststellungsklage zu erheben. Andernfalls greifen die Grundsätze der Verwirkung ein, nach denen der Gesellschafter sein Recht verwirkt, sich auf die Beschlussmängel berufen zu können (s. Rz. 4.122).
4.168
Anders als bei der Komplementär-GmbH ist nicht die Gesellschaft Klagegegner, sondern die einzelnen Gesellschafter, die die Nichtigkeit des Beschlusses bestrei-
4.169
1 BGH v. 19.1.1987 – II ZR 158/86, NJW 1987, 1262. 2 Vgl. BGH v. 5.3.2007 – II ZR 282/05, GmbHR 2007, 535 (535); Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 31; Freitag in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 119 HGB Rz. 77 ff.; Weipert in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 14 Rz. 130; Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 94. 3 Weitemeyer in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 119 HGB Rz. 57. 4 Röthel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 27. 5 Weitemeyer in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 119 HGB Rz. 57, § 115 HGB Rz. 77 ff.; Roth in Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rz. 75. 6 Bspw. zum Schutz von Minderjährigen: BGH v. 17.2.1992 – II ZR 100/91, NJW 1992, 1503 (1504); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 105 HGB Rz. 238 f. 7 OLG Koblenz v. 22.2.1979 – 6 U 365/78, DB 1979, 833. 8 BGH v. 7.6.1999 – II ZR 278/98, NJW 1999, 3113; BGH v. 15.6.1987 – II ZR 261/86, NJW 1988, 411; BGH v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, NZG 2011, 544 (1. Leitsatz) = GmbHR 2011, 539 m. Komm. Münnich; BGH v. 9.4.2014 – II ZR 3/12, NZG 2013, 664 = DB 2013, 140; Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 98 ff.; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei oHG und KG, S. 85. 9 Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 98 ff.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
ten.1 Es findet weder eine Rechtskrafterstreckung auf die Mitgesellschafter statt, noch kann eine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Mitgesellschaftern angenommen werden.2 4.170
Die unterschiedliche Ausgestaltung des Beschlussmängelrechts in der GmbH einerseits (s. Rz. 4.119 ff.) und der KG andererseits erweist sich insbesondere bei der GmbH & Co. KG als problematisch, da aufgrund der Verzahnung der beiden Gesellschaften in der Komplementär-GmbH und in der KG regelmäßig zusammenhängende Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden, der Rechtsschutz sich jedoch erheblich unterscheidet.3 Daher ist zu empfehlen, die Rechtsschutzmöglichkeiten vertraglich aneinander anzupassen. Da das in der GmbH geltende aktienrechtliche Beschlussmängelrecht nicht disponibel ist (s. Rz. 4.120), kann eine Angleichung nur im Gesellschaftsvertrag der KG erfolgen, indem das kapitalgesellschaftsrechtliche System der Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse übernommen wird.4 Daher ist es empfehlenswert, im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, dass die Klage nicht gegen die Mitgesellschafter, sondern gegen die KG zu richten ist. Zusätzlich sollte gesellschaftsvertraglich geregelt werden, dass das Urteil auch für sämtliche Gesellschafter bindend ist.5
4.171
Darüber hinaus sollte durch die gesellschaftsvertragliche Vorgabe einer angemessenen „Klagefrist“ für Rechtssicherheit gesorgt werden.6 Für die Bemessung einer angemessenen gesellschaftsvertraglichen Ausschlussfrist wendet der BGH dieselben Kriterien an, die für die Anfechtungsfrist im GmbH-Recht gelten, und orientiert sich am „Leitbild“ der Monatsfrist des § 246 AktG.7 Danach ist eine gesellschaftsvertragliche Frist von weniger als einem Monat für die gerichtliche Geltendmachung von Beschlussfehlern bei der GmbH & Co. KG unwirksam.8 Ist die vertragliche Frist zu knapp bemessen, gilt an ihrer Stelle eine angemessene Frist.9
4.172
Die Gesellschafter können einen Verzicht auf die Rüge der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses erklären oder Verfahrensverstöße – z.B. bei der Ladung (s. Rz. 4.148) – heilen. Dann ist der Beschluss nicht mehr angreifbar.
4.173
Gestaltungshinweis: Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, sollte gesellschaftsvertraglich eine Klagefrist vorgesehen werden, die nicht weniger als einen Monat betragen darf. Ferner sollte der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass Klagen gegen die Gesellschaft selbst zu richten sind. Dafür ist es nicht ausreichend, wenn im Ge1 2 3 4 5 6
Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 95 ff. Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 95 ff. Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 8 ff. Liebscher in Reichert, GmbH & Co KG, § 18 Rz. 8 ff. Enzinger in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 119 HGB Rz. 97. Zu Fristablauf und Fristwahrung eingehend K. Schmidt in Scholz, § 45 GmbHG Rz. 145, Anh. § 45 GmbHG Rz. 50. 7 BGH v. 13.2.1995 – II ZR 15/94, GmbHR 1995, 303 für die GmbH & Co. KG unter Bezugnahme auf BGH v. 21.3.1988 – II ZR 308/87, AG 1988, 233 = GmbHR 1988, 304 für die GmbH. 8 Unangemessen waren Fristen von vier Wochen (BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, GmbHR 1988, 304) und zwei Wochen (BGH v. 13.2.1995 – II ZR 15/94, GmbHR 1995, 303). Eine dreimonatige Ausschlussfrist im Gesellschaftsvertrag hält der BGH für ausreichend (BGH v. 7.6.1993 – II ZR 81/92, GmbHR 1993, 497). 9 BGH v. 13.2.1995 – II ZR 15/94, GmbHR 1995, 303 (305).
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sellschaftsvertrag ohne ausdrückliche Regelung in diesem Sinne lediglich von einer „Anfechtung“ oder „Anfechtungsfrist“ die Rede ist.1
D. Aufsichtsrat und Beirat I. Einführung Die GmbH & Co. KG ist grundsätzlich nicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrats verpflichtet, auch wenn ihre einzige persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, Personengesellschaften aufgrund ihrer persönlichen Haftung mitbestimmungsfrei zu lassen.2
4.174
Da die GmbH & Co KG strukturelle Ähnlichkeiten mit einer mitbestimmungsbedürftigen Kapitalgesellschaft aufweist, ist zwar nicht die GmbH & Co. KG selbst, jedoch ihre Komplementär-GmbH dem Mitbestimmungsrecht unterworfen, wenn eine Mindestanzahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird. Die relevanten Schwellenwerte für die obligatorische Bildung eines Aufsichtsrats in der KomplementärGmbH (500, 1 000 bzw. 2 000 Beschäftigte) sowie die gegebenenfalls zwingend anzuwendenden Vorschriften des Aktienrechts ergeben sich aus dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) oder dem Montan-Mitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG). Weil die Arbeitnehmer typischerweise nicht bei der Komplementär-GmbH, sondern der GmbH & Co. KG angestellt sind, werden die Arbeitnehmer der KG der Komplementär-GmbH unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet, um eine Umgehung der Mitbestimmung zu verhindern (s. Rz. 4.192). Durch seine Überwachung der Geschäftsführung der Komplementär-GmbH übt der GmbH-Aufsichtsrat mittelbar seine Überwachungsund Kontrollfunktion auch bei der GmbH & Co. KG aus.
4.175
Sofern die Bildung eines Aufsichtsrats gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist, kann ein Beirat oder Aufsichtsrat fakultativ sowohl in der GmbH & Co. KG als auch in der GmbH eingerichtet werden, um die Geschäftsführung zu beraten und/oder zu überwachen.3 Da die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG typischerweise durch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH erfolgt, genügt es, einen Beirat bzw. einen Aufsichtsrat bei der GmbH zu verankern. Es ist aber auch möglich, einen Aufsichtsrat oder Beirat nur bei der GmbH & Co. KG4 oder
4.176
1 BGH v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, NZG 2011, 544 (2. Leitsatz) sowie Rz. 21 = GmbHR 2011, 539 m. Komm. Münnich. 2 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 1 ff. 3 Zu den Motiven für ein solches Organ Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 2 ff.; Hennerkes/ Binz/May, DB 1987, 459; Buth/Hermanns, DStR 1996, 597; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 45 ff.; zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufsichtsratsvergütungen Ruter in Ruter/Thümmel, Beiräte in mittelständischen Familienunternehmen, 2. Aufl. 2009, S. 132; Wiedemann/Kögel, Beirat und Aufsichtsrat in Familienunternehmen, 2008, S. 155 f. 4 Haack, BB 1993, 1607 empfiehlt die Ausgestaltung der GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft, die sämtliche Anteile der Komplementär-GmbH hält, damit der Einfluss des Auf-
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
bei beiden Gesellschaften zu errichten.1 Ein Vorteil der Errichtung des freiwilligen Aufsichtsrats bzw. Beirats nur bei der GmbH & Co. KG liegt in der steuerlich vollständig als Betriebsausgabe abzugsfähigen Beiratsvergütung gegenüber der nur beschränkten Abzugsfähigkeit bei der GmbH.2 Zulässig ist auch, dass der Beirat oder Aufsichtsrat der GmbH gleichzeitig Beirat oder Aufsichtsrat in der GmbH & Co. KG ist.3 4.177
Die Schaffung eines Aufsichtsrats darf aber nicht dazu führen, dass den vorgeschriebenen anderen Organen (insbesondere der Gesellschafterversammlung) die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben im Kernbereich entzogen oder beeinträchtigt werden.4
4.178
Die Bezeichnung als Aufsichtsrat oder Beirat ist in der Praxis zum Teil zufällig, deutet aber oft auf die Funktion des Organs hin. Stehen Beratungsfunktionen im Vordergrund, ist die Bezeichnung als „Beirat“ treffender, sollen vornehmlich Überwachungs- und Aufsichtsaufgaben wahrgenommen werden, trifft die Bezeichnung „Aufsichtsrat“ eher zu. Nimmt das Organ eine Vielzahl von Aufsichts- und Kontrollfunktionen wahr, die originär der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind, ist auch der Begriff „Gesellschafterausschuss“ gebräuchlich. Für die Bedeutung des Organs ist nicht seine Bezeichnung, sondern sind seine tatsächlichen Aufgaben entscheidend.5
II. Aufsichtsrat und Beirat in der Komplementär-GmbH 1. Der fakultative Aufsichtsrat in der Komplementär-GmbH 4.179
Das GmbH-Gesetz selbst kennt keinen obligatorischen Aufsichtsrat oder Beirat. § 52 Abs. 1, 3 GmbHG enthalten lediglich einen Verweis auf die aktienrechtlichen Bestimmungen über den Aufsichtsrat für den Fall, dass nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH ein Aufsichtsrat zu bilden ist (fakultativer Aufsichtsrat).
4.180
Für den fakultativen Aufsichtsrat gelten die Vorschriften des Aktiengesetzes gem. § 52 Abs. 1, 3 GmbHG nur als dispositives Recht, d.h. nur sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Bestimmungen enthält.6 Es steht den Gesellschaftern
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5 6
sichtsrats oder Beirats in der GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH gewährleistet ist. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 14; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293. Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 54; Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 76; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 15. Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 56. BGH v. 14.5.1956 – II ZR 229/54, NJW 1956, 1198; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 117 ff. m.w.N.; vertiefend Müller/Wolff, GmbHR 2003, 817; in Abweichung von der h.M. hält Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 57, einen Zustimmungsvorbehalt des Beirats immer für möglich, wenn dem Beirat nur Gesellschafter angehören. Jaeger in Beck’scher OnlineKomm. GmbHG, 22. Aufl., § 52 GmbHG Rz. 3. So vertritt bspw. mangels abweichender Bestimmungen der fakultative Aufsichtsrat die GmbH in einem Rechtsstreit mit einem ehemaligen Geschäftsführer, BGH v. 24.11.2003 – II ZR 127/01, GmbHR 2004, 259 = BB 2004, 126. Durch das am 29.5.2009 in Kraft getretene BilMoG ergeben sich für kapitalmarktorientierte GmbH nach § 264d HGB nach der Neu-
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Aufsichtsrat und Beirat
frei, Zusammensetzung, Verfahren und Kompetenzen dieses fakultativen Organs im Gesellschaftsvertrag selbst zu bestimmen, ebenso wie das Verfahren der Beschlussfassung.1 Grenzen dieser Wahlfreiheit werden durch die Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG und des § 105 AktG2 (s. Rz. 4.120) sowie durch die Bekanntmachungspflichten nach § 52 Abs. 3 GmbHG gesetzt. Der Anwendungsbereich des § 52 GmbHG ist auf Organe beschränkt, denen Überwachungsaufgaben obliegen.3 Es ist umstritten, ob die Aufzählung der nach § 52 GmbHG anwendbaren Vorschriften des Aktienrechts abschließend ist und damit die Anwendung weiterer, nicht genannter aktienrechtlicher Normen ausschließt.4 Eine analoge Anwendung weiterer Vorschriften des AktG kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn bei fehlenden Satzungsbestimmungen Lücken auftreten.5
4.181
Eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern im Wege einer analogen Anwendung des § 104 Abs. 2 AktG kommt beim fakultativen Aufsichtsrat mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.6 Dies soll nach der Rechtsprechung7 selbst dann gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag zwingend die Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat vorsieht, die durch die Gesellschafterversammlung selbst nicht bestellt werden können. Denn anders als beim obligatorischen Aufsichtsrat bleibt die GmbH auch ohne funktionsfähigen Aufsichtsrat handlungsfähig; die dem Aufsichtsrat durch Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Aufgaben fallen dann an die Gesellschafterversammlung zurück.8 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Satzung § 104 AktG ausdrücklich in Bezug nimmt.9
4.182
Ein Beirat oder sonstiges freiwilliges Organ kann auch neben oder anstelle des nicht obligatorischen Aufsichtsrats eingerichtet werden.10 Umstritten ist, ob ein Beirat auch neben dem obligatorischen Aufsichtsrat installiert werden kann.11 Als problematisch wird insbesondere angesehen, wenn der Beirat mit Weisungs-,
4.183
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fassung des § 52 GmbHG bzw. § 324 HGB auch Änderungen in der Art der Besetzung des Aufsichtsrats bzw. Prüfungsausschusses. Dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 293; Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 469. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 26 ff., 28. Müller/Wolff, NZG 2003, 751. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 11. Vgl. mit weiteren Nachweisen: Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 11. OLG Frankfurt a.M. v. 19.11.2013 – 20 W 335/13, NZG 2014, 462 (462); OLG Hamm v. 23.2.2000 – 15 W 46/00, NZG 2000, 539 (539) = GmbHR 2000, 491; Altmeppen in Roth/ Altmeppen § 52 GmbHG Rz. 10. OLG Frankfurt a.M. v. 19.11.2013 – 20 W 335/13, NZG 2014, 462 (463); OLG Hamm v. 23.2.2000 – 15 W 46/00, NZG 2000, 539; BayObLG v. 9.6.2000 – 3Z BR 92/00, AG 2001, 89. OLG Frankfurt a.M. v. 19.11.2013 – 20 W 335/13, NZG 2014, 462 (463); Koppensteiner/ Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 45 GmbHG Rz. 16. OLG Frankfurt a.M. v. 19.11.2013 – 20 W 335/13, NZG 2014, 462 (463); Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 136; Giedinghagen in Michalski, § 52 GmbHG Rz. 107; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 45. Die Bestellung ist nicht nach § 10 GmbHG eintragungspflichtig, vgl. Großfeld/Brondics, AG 1987, 294. Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 69; Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 359.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Entscheidungs- oder Zustimmungsbefugnissen ausgestattet wird und so der Einfluss des obligatorischen Aufsichtsrats beeinträchtigt wird.1 Den Mitbestimmungsgesetzen kann jedoch kein generelles Verbot entnommen werden. Vielmehr ist die Errichtung eines Beirats möglich, solange die Kompetenzen des obligatorischen Aufsichtsrats nicht beeinträchtigt und die Mitbestimmungsrechte nicht ausgehöhlt werden.2 4.184
Sind die Aufgaben des Beirats oder eines sonstigen freiwilligen Organs nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt, sind im Zweifel auch hier die Kompetenzen und das Verfahren unter entsprechender Heranziehung der für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft bestehenden Regelungen zu beurteilen. Eine Anzeige- oder Veröffentlichungspflicht entsprechend § 52 Abs. 3 GmbHG besteht bei Organen ohne Überwachungsaufgaben nicht.3
2. Obligatorischer Aufsichtsrat in der Komplementär-GmbH 4.185
Ist die Einrichtung eines Aufsichtsrats nach DrittelbG, MitbestG oder MontanMitbestG obligatorisch, so ist es den Gesellschaftern nicht möglich, in der Satzung die in den Mitbestimmungsgesetzen vorgesehenen Kompetenzen oder das Verfahren für den Aufsichtsrat zu ändern oder auszuschließen. Damit sind bei den kraft Mitbestimmung obligatorischen Aufsichtsräten die für die AG bestehenden Regeln weitgehend zwingend anzuwenden, soweit Mitbestimmungsgesetze (z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 MontanMitbestG oder § 1 MontanMitbestErgG) keine Sonderregelungen treffen. Die Vertragsfreiheit der Gesellschafter bleibt bestehen, soweit zwingendes Mitbestimmungsrecht nicht unterlaufen oder umgangen wird.4 Neuerdings gilt es für mitbestimmte GmbHs, auch die mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.2015 eingeführte sog. „Frauenquote“ zu berücksichtigen (s. Rz. 4.188). a) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz
4.186
Hat die Komplementär-GmbH in der Regel mehr als 500 inländische Arbeitnehmer, so muss sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG einen Aufsichtsrat bilden. Dieser muss gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 DrittelbG zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen (sog. Drittelparität). Die Berechnung der Arbeitnehmerzahl richtet sich nach den Arbeitnehmern der GmbH, ohne dass die Arbeitnehmer der KG der Komplementärin zugerechnet werden.5 Arbeitnehmer der GmbH 1 Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 359; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 69. 2 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 69; Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 360; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, KommMitbestG, 3. Aufl. 2013, § 25 MitbestG Rz. 142. 3 Vertiefend Müller/Wolff, NZG 2003, 751. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, AG 1982, 218 = NJW 1982, 1525; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, AG 1982, 221 = NJW 1982, 1528. 5 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 154.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
i.S. des DrittelbG sind alle ihre Beschäftigten, darunter fallen auch Teilzeitkräfte, Auszubildende, überwiegend für die Gesellschaft tätige Heimarbeiter sowie verliehene Arbeitnehmer (vgl. § 5 Abs. 1 BetrVG). Nicht zu berücksichtigen sind Geschäftsführer, leitende Angestellte, Leiharbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen.1 § 2 Abs. 2 DrittelbG sieht vor, die Arbeitnehmer eines abhängigen Unternehmens zu berücksichtigen, soweit die Abhängigkeit auf Beherrschungsvertrag oder Eingliederung beruht. Zwar erlaubt die Stellung der GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG eine gewisse Einflussnahme. Selbst eine faktische Beherrschung genügt für eine Zurechnung nach § 2 Abs. 2 DrittelbG aber nicht. Auch eine dem § 4 MitbestG vergleichbare Zurechnungsvorschrift besteht nach dem Drittelbeteiligungsgesetz nicht (zu § 4 MitbestG s. Rz. 4.192). Damit hat die Zahl der Arbeitnehmer bei der GmbH & Co. KG keinen Einfluss auf die Zurechnung der Beschäftigtenzahl für einen zwingenden Aufsichtsrat bei der GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG.
4.187
Mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.20152 wurde u.a. für mitbestimmte GmbHs die sog. „Frauenquote“ eingeführt. Sie bezweckt die Anhebung des Frauenanteils in Geschäftsführung und Aufsichtsrat,3 ohne dass für nicht börsennotierte oder nicht der paritätischen Arbeitnehmermitbestimmung unterliegende Unternehmen verbindliche Vorgaben zur ihrer Höhe gesetzlich vorgegeben würden.4 Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG legt die Gesellschafterversammlung einer Gesellschaft, die nach dem DrittelbG einen Aufsichtsrat zu bilden hat, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern fest. Zugleich sind Fristen zur Erreichung dieser Zielgrößen festzulegen, die jeweils nicht länger als fünf Jahre betragen dürfen (§ 52 Abs. 2 Satz 4 und 5 GmbHG).5 Abgesehen von dieser Vorgabe und dem in § 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG normierten Verschlechterungsverbot, wonach bei einem Frauenanteil von unter 30 % die Zielgrößen nicht den bereits erreichten Anteil unterschreiten dürfen, sind die Gesellschafter bei der Zielgrößenfestsetzung frei. Sie unterliegen hierbei insbesondere keinen Begründungspflichten und können die Zielgrößen und Fristen innerhalb der festgesetzten Fristen ändern.6 Die Gesellschafter können die Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen und Fristen
4.188
1 OLG Düsseldorf v. 12.5.2004 – I-19 W 2/04, AG 2004, 818; Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 31 ff. 2 BGBl. I 2015, 642. 3 RegE BT-Drucks. 18/3784 v. 20.1.2015, S. 42. 4 Zum abgestuften Konzept des Gesetzes (zwingende Quote für börsennotierte Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen einerseits, weitgehend freiwillige Quote (zum Verschlechterungsverbot sogleich) für nur mitbestimmte bzw. nur börsennotierte Unternehmen andererseits) s. RegE BT-Drucks. 18/3784 v. 20.1.2015, S. 43 f., 46, 123. Vgl. zu dem infolge des Gesetzes neu eingeführten § 36 GmbHG, wonach die Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer Zielgrößen festzulegen haben, Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621. 5 Gemäß § 5 Satz 2 EGGmbHG darf die erstmals festzulegende Frist nicht länger als bis zum 30.62017 dauern. 6 Altmeppen in Roth/Altmeppen, 8. Aufl. 2015, § 52 GmbHG Rz. 47d f.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
auch dem Aufsichtsrat übertragen.1 Das Verfehlen der gesetzten Ziele ist nicht sanktionsbewehrt.2 Ein Anreiz zur Zielerreichung soll sich nach der gesetzgeberischen Intention aber über die Publizitätspflicht nach § 289a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 HGB ergeben.3 Hiernach ist über die Festsetzungen im Lagebericht zu berichten und anzugeben, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind, und wenn nicht, aus welchen Gründen. b) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 4.189
Eine GmbH mit in der Regel mehr als 2 000 inländischen Arbeitnehmern ist gem. § 1 MitbestG ebenfalls verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu bilden. Dieser Aufsichtsrat ist paritätisch zu besetzen, d.h. er besteht zur einen Hälfte aus Arbeitnehmervertretern und zur anderen Hälfte aus Anteilseignervertretern. Für den paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat sind gem. § 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ebenso Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern sowie Fristen zu ihrer Erreichung festzulegen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in Rz. 4.188 kann mit der Maßgabe verwiesen werden, dass für die Festsetzungen allein der Aufsichtsrat zuständig ist – nicht jedoch die Gesellschafter.
4.190
Wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats einer mitbestimmten GmbH ist die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (§ 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG i.V.m. §§ 84, 85 AktG; einschließlich des nach § 33 MitbestG zwingend zu bestellenden Arbeitsdirektors), sowie die Überwachung der Geschäftsführung (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 AktG).4 Damit hat der Aufsichtsrat wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH und über diese mittelbar auf die GmbH & Co. KG. Es kommt daher bei einer mitbestimmten GmbH zu einer wesentlichen Kompetenzverlagerung. Die paritätische Mitbestimmung wird aber durch den Stichentscheid des Aufsichtsratsvorsitzenden, der im zweiten Wahlgang allein von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner gewählt werden kann (§§ 27, 29 MitbestG), eingeschränkt.
4.191
Um sicherzustellen, dass die Mitbestimmung bei der GmbH & Co. KG auch tatsächlich dort verwirklicht wird, wo die Geschäftsführung für die KG ausgeübt wird, ist der Aufsichtsrat nur bei der Komplementär-GmbH angesiedelt. Die mitbestimmte GmbH kann auch nicht von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 2 MitbestG), wie dies ansonsten bei einer KG möglich wäre (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 2 HGB). Es bestehen aber Beschränkungsmöglichkeiten.5 So können bspw. die Kommanditisten selbst zur Geschäftsführung berufen werden und gleichzeitig das Widerspruchsrecht der geschäftsführenden Komple1 Vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Streitig ist allein, ob dies eine entsprechende Regelung in der Satzung erfordert, so Altmeppen in Roth/Altmeppen, 8. Aufl. 2015, § 52 GmbHG Rz. 47c; a.A. C. Jaeger in Ziemons/Jaeger, Beck’scher Online-Komm. GmbHG, § 52 GmbHG Rz. 20 (Übertragung durch Beschluss mit einfacher Mehrheit). 2 RegE BT-Drucks. 18/3784 v. 20.1.2015, S. 119 f. S. auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, 8. Aufl. 2015, § 52 GmbHG Rz. 47f.; C. Jaeger in Ziemons/Jaeger, Beck’scher OnlineKomm. GmbHG, § 52 GmbHG Rz. 20. 3 RegE BT-Drucks. 18/3784 v. 20.1.2015, S. 119. 4 Zu den sonstigen Aufgaben Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 202 ff. 5 Dazu Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 22.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
mentär-GmbH nach § 115 HGB ausgeschlossen werden.1 Alternativ kann auch gesellschaftsvertraglich bestimmt werden, dass die Komplementär-GmbH nur gemeinschaftlich mit einem Kommanditisten zur Geschäftsführung berechtigt ist, während den Kommanditisten Einzelgeschäftsführungsbefugnis eingeräumt wird.2 aa) Zurechnung von Arbeitnehmern gem. § 4 MitbestG Um zu verhindern, dass zwecks Umgehung der Mitbestimmung in einer GmbH & Co. KG mit über 2 000 Beschäftigten die Komplementär-GmbH mit möglichst wenigen Arbeitnehmern ausgestattet wird, werden gem. § 4 MitbestG die Arbeitnehmer der KG der Komplementär-GmbH zugerechnet, sofern die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
4.192
– Die Mehrheit der Kommanditisten, berechnet nach der Mehrheit der Anteile oder der Stimmen, hat die Mehrheit der Geschäftsanteile oder der Stimmen der GmbH inne. – Die GmbH hat keinen eigenen Geschäftsbetrieb, oder sie hat einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern.3 Dabei ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht maßgeblich, ob neben der Komplementär-GmbH noch weitere natürliche Personen als Komplementäre an der KG beteiligt sind. Dies erscheint zunächst widersinnig, da Grund für die generelle Freistellung der Personengesellschaften die persönliche Haftung der natürlichen Gesellschafter war. Der Gesetzgeber wollte aber ausdrücklich auch diesen Fall von § 4 MitbestG erfasst wissen, um eine Umgehung zu verhindern.4
4.193
Trotz Vorliegens kongruenter Mehrheitsverhältnisse in GmbH und KG findet keine Zurechnung der Arbeitnehmer statt, sofern die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MitbestG). In diesem Fall liegt kein einheitliches Unternehmen vor, welches eine Zurechnung der Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG zu ihrer Komplementär-GmbH rechtfertigen könnte.5 Anstelle der paritätischen Mitbestimmung gilt dann jedoch die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer nach dem DrittelbG (s. Rz. 4.186 ff.).6
4.194
Bei der doppel- oder mehrstöckigen GmbH & Co. KG (s. Rz. 2.525) wird bei Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes nur bei der Komplementär-GmbH auf der obersten Stufe ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat gebildet.7 Die für die doppelstöckige GmbH & Co. KG einschlägige Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG verlangt nicht die Errichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats auch bei der Komplementär-GmbH der zweiten oder dritten Ebene. Vielmehr werden nach
4.195
1 2 3 4
Hölters, BB 1997, 797 (802). Hölters, BB 1997, 797 (802). Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 34. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 7/2172 v. 29.4.1974, S. 21; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 8. 5 Dazu Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 16. 6 Dazu Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 16. 7 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 21.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 MitbestG die Arbeitnehmer der KG der zweiten und dritten Ebene der GmbH auf der ersten Ebene zugerechnet, um eine Umgehung der Mitbestimmungsvorschriften zu vermeiden.1 In der Literatur ist umstritten, ob das Erfordernis kongruenter Mehrheitsverhältnisse (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG) wegen § 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG auch auf die zweite oder ggf. dritte Ebene durchschlägt. Dies hätte zur Folge, dass die oberste Komplementär-GmbH nur dann der Mitbestimmung unterläge, wenn auf allen Ebenen der doppel- oder mehrstöckigen GmbH & Co. KG eine überwiegende Gesellschafteridentität gegeben wäre.2 Für diese Ansicht spricht, dass die Arbeitnehmerzurechnung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG insbesondere mit der zwischen der KG und der Komplementär-GmbH bestehenden Unternehmenseinheit gerechtfertigt wird.3 Eine solche personelle Verflechtung und Unternehmenseinheit ist aber nur dann gegeben, wenn die für kongruente Mehrheitsverhältnisse erforderliche überwiegende Gesellschafteridentität auf allen Ebenen der doppel- oder mehrstöckigen GmbH & Co. KG vorliegt.4 4.196
Demnach ist bei der sog. Einheits-GmbH & Co. KG (die KG hält sämtliche Anteile ihrer eigenen Komplementär-GmbH, s. Rz. 2.461) eine Mitbestimmung nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 MitbestG eigentlich ausgeschlossen.5 Überwiegend wird jedoch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Einheitsgesellschaft befürwortet, da es sich dabei um einen besonders ausgeprägten Fall der Unternehmenseinheit zwischen KG und Komplementär-GmbH handele und es keinen Unterschied mache, ob die Kommanditisten unmittelbar oder lediglich mittelbar an der Komplementär-GmbH beteiligt seien.6
4.197
Ist eine ausländische Kapitalgesellschaft Komplementärin, bei der sich auch der Verwaltungssitz im Ausland befindet, so unterliegt diese, und dadurch auch die GmbH & Co. KG, nicht der Mitbestimmung nach § 1 MitbestG. Dies ergibt sich bereits aus der abschließenden Regelung des § 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, in der ausländische Gesellschaftsformen nicht erwähnt werden. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes auf ausländische Kapitalgesellschaften kommt auch mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannte Aufzählung der der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaften abschließend sein sollte. Dem Gesetzgeber war dabei bekannt, dass auch ausländische Kapitalgesellschaften als Komplementär in Kommanditgesellschaften fungieren können.7
1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 21. 2 Dafür: Raiser/Veil, § 4 MitbestG Rz. 13, Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 13, Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 78 ff.; dagegen Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 4 MitbestG Rz. 38. 3 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 2 f. m.w.N. 4 Vgl. Klammroth, BB 1977, 305; Raiser/Veil, § 4 MitBestG Rz. 13. 5 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 74. 6 OLG Celle v. 30.8.1979 – 9 Wx 8/78, OLGZ 1980, 136 (138) = AG 1980, 161; Kunze, ZGR 1978, 321; Meilicke/Meilicke, § 4 MitbestG Rz. 12; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 17 m.w.N. 7 BT-Drucks. 7/4845 v. 10.3.1976, S. 5.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
Seit dem Überseering-Urteil1 und dem Inspire-Art-Urteil2 kann auch nichts anderes gelten, wenn die ausländische Gesellschaft nur ihren statutarischen Sitz im Ausland hat, sich der Ort der Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) aber im Inland befindet (s. für den umgekehrten Fall des Satzungssitzes im Inland und des Verwaltungssitzes im Ausland Rz. 3.12 ff.).3 Demnach unterliegen Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates gegründet worden sind dem Recht dieses Gründungsstaates (sog. Gründungsrechtstheorie). Auch die Gründung einer Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat mit der Motivation, belastende Regelungen des Zuzugsstaates zu vermeiden, ist allein nicht rechtsmissbräuchlich.4
4.198
Diskutiert wird, ob das Mitbestimmungsmodell der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) bei europäischen Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland Anwendung finden soll.5 Bei der SE ist kein festes Mitbestimmungsmodell vorgegeben. Vielmehr sollen die Arbeitnehmer der SE ein Verhandlungsgremium bilden, das mit den Leitungsorganen die Beteiligung der Arbeitnehmer verhandelt (Verhandlungslösung).6 Dieses Modell ist aber auf eine ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht übertragbar, da andernfalls der Gesellschaft ein bestimmtes Mitbestimmungsmodell aufgezwungen und damit ihre Niederlassungsfreiheit beschränkt würde, ohne dass zwingende Gründe des Gemeinwohls eine solche Beschränkung rechtfertigten könnten (das deutsche Mitbestimmungsmodell stellt im internationalen Vergleich eine Ausnahme dar). Soll daher die Mitbestimmung in einer GmbH & Co. KG vermieden werden, wird zuweilen zur Gründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG, insbesondere zur Gründung einer Ltd. & Co. KG geraten, um die Regelungen des deutschen Mitbestimmungsrechts zu vermeiden. Der Vorteil, dass durch ein solches Vorgehen das deutsche Mitbestimmungsrecht keine Anwendung findet, sollte jedoch sorgfältig mit den Nachteilen abgewogen werden, die sich aus der Gründung solcher Gesellschaften ergeben. Der durch ausländische Komplementärgesellschaften erhöhte Verwaltungsund Beratungsaufwand kann beträchtlich sein (s. zu den Einzelheiten Rz. 2.489, 2.518 ff.).
4.199
Schließlich kommt als Gestaltungsvariante auch die Einsetzung einer SE als Komplementärin der KG in Betracht (s. Rz. 2.555). Unterliegt die eingesetzte SE nicht selbst der unternehmerischen Mitbestimmung,7 so bleibt die SE & Co. KG mit-
4.200
1 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, BB 2002, 2402 = GmbHR 2002, 1137. 2 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, AG 2003, 680 = GmbHR 2003, 1260. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 30 f.; Müffelmann, BB 1977, 628; Raiser/Veil, § 1 MitbestG Rz. 15; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, 1235; Schanze/Jüttner, AG 2003, 30; Kersting, NZG 2003, 9. 4 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, AG 2003, 680 = GmbHR 2003, 1260; s. auch Wälzholz, IWB Nr. 22 v. 23.11.2005, Fach 5 GB, Gr. 2, S. 423. 5 Veit/Wichert, AG 2004, 14; Schanze/Jüttner, AG 2003, 30; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 14 Rz. 32. 6 S. zu den Einzelheiten Weiss/Wöhlert, NZG 2006, 121. 7 Denkbar wäre dies etwa aufgrund des Verhandlungsergebnisses (vgl. §§ 21 i.V.m. 4 ff. SEBG) oder aufgrund Gesetzes wegen einer vorangegangenen Mitbestimmung in der (den) an dem Gründungsvorgang der SE beteiligten Gesellschaft(en) (vgl. §§ 34 f. SEBG). Für die in der Praxis zum Einsatz kommenden SE ist dies aber in der Regel nicht der Fall (z.B. Nutzung einer Vorrats-SE).
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
bestimmungsfrei, denn eine Zurechnung der Arbeitnehmer der SE & Co. KG zur Komplementär-SE gem. § 4 Abs. 1 MitbestG scheidet aus, da die SE kein in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG bezeichnetes Unternehmen und die Norm auch nicht analogiefähig ist (s. Rz. 4.197). bb) Zurechnung von Arbeitnehmern gem. § 5 MitbestG 4.201
Gemäß § 5 MitbestG werden die Arbeitnehmer eines abhängigen Unternehmens dem herrschenden Unternehmen zugerechnet. Damit wird sichergestellt, dass die Mitbestimmung dort verwirklicht wird, wo die Konzernleitung stattfindet.1 Die Zurechnungsnorm des § 5 MitbestG hat bei der GmbH & Co. KG vor allem in folgenden Konstellationen Bedeutung:
4.202
Ist eine Zurechnung der Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG aufgrund § 4 Abs. 1 MitbestG nicht möglich – etwa weil es an der Mehrheitsidentität zwischen den KG-Gesellschaftern und GmbH-Gesellschaftern fehlt oder aber die GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit mehr als 500 Arbeitnehmern hat – so stellt sich die (umstrittene) Frage, ob Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG einen Unterordnungskonzern i.S. des § 5 Abs. 1 MitbestG bilden und der KomplementärGmbH die Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG zugerechnet werden können. Teilweise wird bestritten, dass § 5 MitbestG neben § 4 Abs. 1 MitbestG Anwendung findet, da dieser eine abschließende Regelung enthalte und damit § 5 MitbestG verdränge (lex specialis).2 Da § 4 Abs. 1 MitbestG jedoch die Zurechnung aufgrund der Einheit von GmbH & Co. KG regelt und § 5 MitbestG die Zurechnung aufgrund eines Beherrschungsverhältnisses zum Gegenstand hat, dürften die Normen nebeneinander anwendbar sein.3
4.203
Voraussetzung der Zurechnung nach § 5 MitbestG ist, dass die KG von der Komplementär-GmbH abhängig ist und die Gesellschaften unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, was von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der KG abhängt.4 Es muss also zwischen der Komplementär-GmbH und der KG ein Mutter-Tochter-Verhältnis bestehen (zu den Einzelheiten s. Rz. 7.127 ff.).
4.204
§ 5 Abs. 1 Satz 2 MitbestG ermöglicht auch dann eine Zurechnung, wenn zwar die GmbH & Co. KG ein abhängiges Unternehmen einer dritten Gesellschaft ist, nicht jedoch die Komplementär-GmbH selbst.5 In diesem Fall sind die Arbeitnehmer der GmbH trotzdem der Konzernspitze zuzurechnen.6
4.205
Ist die GmbH & Co. KG herrschendes Unternehmen, so scheitert die Zurechnung der Arbeitnehmer der abhängigen Unternehmen daran, dass die KG selbst nicht der Mitbestimmung unterfällt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Daher regelt § 5 Abs. 2 Satz 1 MitbestG, dass die bei den abhängigen Gesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer zwar nicht der KG, aber ihrer Komplementär-GmbH 1 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 18. 2 OLG Celle v. 30.8.1979 – 9 Wx 8/78, OLGZ 1980, 136 = DB 1979, 2502: Beinert/ Hennerkes/Binz, DB 1979, 68 (70). 3 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 20. 4 Raiser/Veil, § 5 MitBestG Rz. 20. 5 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 23. 6 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 23.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
zugerechnet werden, sofern die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 MitbestG erfüllt sind und die GmbH nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist.1 c) Obligatorischer Aufsichtsrat nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz Auf die GmbH finden weiterhin das MontanMitbestG und das MontanMitbestErgG Anwendung, so dass eine GmbH bei einer Tätigkeit in der Montanindustrie bereits dann einen Aufsichtsrat einzurichten hat, wenn sie in der Regel mehr als 1 000 Arbeitnehmer beschäftigt (§§ 1 Abs. 2, 3, 4 MontanMitbestG). Da die Arbeitnehmer der KG der Komplementär-GmbH nicht zugerechnet werden,2 ist allein die Arbeitnehmerzahl der GmbH maßgeblich. Da die Komplementär-GmbH typischerweise einen nur geringen Arbeitnehmerbestand hat, hat das MontanMitbestG im Bereich der GmbH & Co. KG kaum praktische Bedeutung. Allenfalls kann § 1 MontanMitbestErgG zu einer Zurechnung der Arbeitnehmer der von der GmbH beherrschten Unternehmen führen.
4.206
3. Einfluss des Aufsichtsrats auf die GmbH & Co. KG Überwacht und berät der Aufsichtsrat oder Beirat die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH, so bedeutet dies gleichzeitig eine Überwachung und Beratung hinsichtlich der Geschäftsführung der GmbH & Co. KG, da die Komplementär-GmbH als Organ der GmbH & Co. KG auch deren Geschäfte führt. Damit ist der Aufsichtsrat oder Beirat auch verpflichtet, die interessengerechte Geschäftsführung zugunsten der GmbH & Co. KG zu überwachen und beratend zu unterstützen. Er hat folglich auch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu beachten, die die GmbH verpflichtet, die Interessen der GmbH & Co. KG zu wahren (dazu Rz. 4.107).
4.207
4. Beschlussfassung Beim Aufsichtsrat oder Beirat in der GmbH richtet sich das Entscheidungs- und Beschlussverfahren in erster Linie nach der Satzung. Der Aufsichtsrat tagt und entscheidet grundsätzlich in Sitzungen.3 Seine Entscheidungen trifft er durch Beschlüsse.4 Beschlussfähig ist der Aufsichtsrat nach ordnungsgemäßer Ladung, wobei die Satzung die Beschlussfähigkeit im Einzelnen regeln kann.5 Da zumindest für den fakultativen Aufsichtsrat gesetzliche Regelungen fehlen, ist es sinnvoll, konkrete Bestimmungen, etwa über die Anzahl der Sitzungen, die Beschlussfähigkeit und die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden, in der Satzung zu verankern. Ergänzend können die allgemeinen Grundsätze der §§ 47, 48 GmbHG sowie die Vorschriften zum Verein (§§ 28, 32, 34 BGB) herangezogen werden.6 Auch § 108 AktG kann herangezogen werden.7 Auf den obligatorischen Aufsichtsrat findet § 108 1 2 3 4 5 6 7
Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 24. Eingehend Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 193. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 83. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 88. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 88. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 476. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 476.
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4.208
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
AktG zwingend Anwendung;1 Modifikationen durch die Satzung sind nur im gesetzlich zulässigen Rahmen möglich (vgl. § 108 Abs. 2 Satz 1 AktG).2 4.209
Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, werden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst.3 Grundsätzlich ist jedes Aufsichtsratsmitglied stimmberechtigt. Von der Beschlussfassung ist das einzelne Aufsichtsratsmitglied aber ausgeschlossen, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der GmbH betrifft (§ 34 BGB analog bzw. § 47 Abs. 4 GmbHG analog) oder wenn eine schwerwiegende Interessenkollision besteht.4
4.210
Die Fehlerhaftigkeit eines Aufsichtsrats- oder Beiratsbeschlusses (z.B. wegen Unzuständigkeit oder Verfahrensfehlern) führt nicht zur Anfechtbarkeit, sondern zu dessen Nichtigkeit.5 Der Gesellschaftsvertrag kann lediglich eine Frist für die Geltendmachung der Nichtigkeit festlegen.6
4.211
Ein wirksamer Beschluss des Aufsichtsrats oder Beirats kann von der Gesellschafterversammlung nur mit der für eine Änderung der Satzung erforderlichen Mehrheit geändert werden, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht.7
5. Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH 4.212
Ist der freiwillig oder obligatorisch eingerichtete Aufsichtsrat oder Beirat bei der Komplementär-GmbH verankert, so können die Kommanditisten und/oder Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG über ihre Mitgliedschaft in dem Aufsichtsrat oder Beirat der GmbH Einfluss auf deren Tätigkeit im Interesse der KG ausüben. a) Mitgliedschaft im fakultativen Aufsichtsrat
4.213
In den fakultativen Aufsichtsrat der GmbH können die Gesellschafter der GmbH & Co. KG, der GmbH oder auch Nicht-Gesellschafter bestellt werden. Ein freiwillig eingerichteter Aufsichtsrat oder Beirat kann durch entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung – auch ohne wichtigen Grund – wieder beseitigt werden, wodurch die Mitgliedschaft endet.8 Der Gesellschaftsvertrag kann die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder auch auf wichtige Gründe beschränken, jedoch nicht gänzlich ausschließen.9 b) Mitgliedschaft im obligatorischen Aufsichtsrat
4.214
Die Zusammensetzung des obligatorischen Aufsichtsrats bestimmt sich nach den einschlägigen Mitbestimmungsregeln. So muss der durch das DrittelbG vor1 2 3 4 5 6 7 8 9
Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 477. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 227. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 88. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 89. Huber, Der Beirat, 2004, Rz. 285. BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 = GmbHR 1978, 236. BGH v. 1.12.1969 – II ZR 224/67, MDR 1970, 398. Großfeld/Brondics, AG 1987, 293, dort auch zur Bestellung und Abberufung, S. 301 f. Vgl. Thümmel, DB 1995, 2461 m.w.N.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
geschriebene Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen (gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 DrittelbG), während der durch das MitbestG vorgesehene Aufsichtsrat paritätisch zu besetzen ist. Dabei sind die von den Gesellschaftern bzw. dem Aufsichtsrat gem. § 52 Abs. 2 GmbHG festgelegten Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat zu berücksichtigen (s. Rz. 4.188 und 4.189). Die Arbeitnehmer der Komplementär-GmbH können Aufsichtsratsmitglieder werden und diese wählen. Ergibt sich die obligatorische Bildung des Aufsichtsrates aus dem DrittelbG, so sind im Falle eines faktischen Unterordnungskonzerns nach § 2 Abs. 1 DrittelbG auch die Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG für den Aufsichtsrat der GmbH aktiv und passiv wahlberechtigt, ohne dass es insofern auf die Zurechnung nach § 2 Abs. 2 DrittelbG ankommt.
4.215
Im Rahmen des MitbestG sind die Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG nur dann aktiv und passiv wahlberechtigt, soweit über §§ 4 ff. MitbestG die Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG der GmbH zugerechnet werden.1
4.216
Die Mitglieder des obligatorischen Aufsichtsrats, die nicht von den Arbeitnehmern gewählt werden, werden von der Gesellschafterversammlung der GmbH gewählt. Diese kann durch den Gesellschaftsvertrag die Wahl der Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder einem anderen Gesellschaftsorgan oder auch Dritten, d.h. gesellschaftsfremden Personen, übertragen.2
4.217
Da der Aufsichtsrat und Beirat überwachen und beraten soll, ist die gleichzeitige Zugehörigkeit zu Aufsichtsrat und Geschäftsführung grundsätzlich nicht zulässig. Nach h.M. ist § 105 Abs. 1 AktG hinsichtlich Geschäftsführern auch bei fakultativen Aufsichtsräten zwingend.3 Die gleichzeitige Mitgliedschaft von Gesellschaftern im Aufsichtsrat bzw. Beirat wird jedoch für zulässig erachtet.4
4.218
6. Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder in der KomplementärGmbH Der Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH ist – unabhängig davon, ob es sich um einen fakultativen oder um einen obligatorischen Aufsichtsrat handelt – Organ der Komplementär-GmbH und nicht der GmbH & Co. KG. Daraus folgt, dass ihm grundsätzlich keine Rechte unmittelbar in der Kommanditgesellschaft zustehen.5 Da es allerdings bei der mitbestimmten GmbH gem. § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 Satz 2 MitbestG zwingend und bei der nicht mitbestimmten GmbH zumindest regelmäßig Aufgabe der GmbH als Komplementärin ist, die Geschäfte der KG zu führen, wirken sich Geschäftsführungsmaßnahmen der GmbH – die vom Aufsichtsrat beeinflusst sein können – auf die KG aus.6 1 S. dazu Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, 1065; Seibt, NZA 2004, 767. 2 Huber, Der Beirat, 2004, Rz. 148; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 6; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 41. 3 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 28; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 11; Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 GmbHG Rz. 13; a.A. Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 256 m.w.N. 4 Großfeld/Brondics, AG 1987, 293. 5 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 18. 6 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 18.
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§4 4.220
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Welche konkreten Aufgaben sich für den Aufsichtsrat im Einzelnen ergeben, hängt davon ab, ob es sich um einen obligatorischen Aufsichtsrat mit gesetzlich verankerten Rechten handelt oder ob der Aufsichtsrat lediglich aufgrund der Satzung der GmbH besteht. a) Fakultativer Aufsichtsrat
4.221
Für die Zuständigkeiten des fakultativen Aufsichtsrats ist gem. § 52 Abs. 1 GmbHG in erster Linie die Satzung der GmbH maßgeblich. Sie gibt den Rahmen für die Rechte und Pflichten des fakultativen Aufsichtsrats vor. Begrenzt ist die Satzungsautonomie durch die Maßgabe, dass den neben dem Aufsichtsrat stehenden und gesetzlich vorgeschriebenen Organen die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben im Kernbereich nicht entzogen oder diese nicht beeinträchtigt werden dürfen.1
4.222
Abgesehen davon lässt die Satzungsfreiheit einen weitreichenden Gestaltungsspielraum zu, der bis zur Bindung des Aufsichtsrats an Weisungen der GmbH-Gesellschafter reichen kann, auch wenn dann der Charakter des Aufsichtsrats derart beeinflusst wird, dass eine unabhängige Überwachung der Geschäftsführung nicht mehr gewährleistet ist.2
4.223
Allerdings stehen auch dem fakultativen Aufsichtsrat nicht entziehbare Minimalkompetenzen und -rechte zu, die sich daraus ergeben, dass der Rechtsverkehr annehmen darf, dass die Tätigkeit der Geschäftsführer besser kontrolliert wird als ohne einen Aufsichtsrat.3 Zentrale und nicht entziehbare Kompetenz ist daher die Kontrolle der Geschäftsführer.4 Die Kontrollbefugnis des Aufsichtsrats der Komplementär-GmbH erstreckt sich auch auf die Führung der Geschäfte der KG, soweit die GmbH dazu befugt ist.
4.224
Da sich die Zuständigkeiten und damit auch die Rechte des Aufsichtsrats in erster Linie aus der Satzung der GmbH ergeben, hat die Satzung Vorrang vor den ergänzenden Regelungen des AktG. Dies führt dazu, dass eine Anwendung der entsprechenden Vorschriften des AktG erst dann in Betracht kommt, wenn die Satzung die entsprechende Frage weder ausdrücklich noch im Wege der (auch ergänzenden) Auslegung regelt.5 Lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, ob ein bestimmtes Recht des Aufsichtsrats besteht oder nicht und bedingt die Satzung nicht ausdrücklich die Anwendbarkeit von Regelungen des AktG ab,6 so finden die in § 52 Abs. 1 GmbHG genannten Vorschriften des AktG ergänzende Anwendung.
4.225
Wie die Rechte ergeben sich auch die Pflichten des fakultativen Aufsichtsrats aus der Satzung der Komplementär-GmbH. Sie müssen gegebenenfalls durch Aus1 BGH v. 14.5.1956 – II ZR 229/54, NJW 1956, 1198; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 117 ff. m.w.N.; vertiefend Müller/Wolff, GmbHR 2003, 817; in Abweichung von der h.M. hält Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 57, einen Zustimmungsvorbehalt des Beirats immer für möglich, wenn dem Beirat nur Gesellschafter angehören. 2 Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 200; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 130. 3 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 27. 4 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 28. 5 Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 9 f. 6 Vgl. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 10.
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§4
Aufsichtsrat und Beirat
legung ermittelt werden. Zunächst unterliegen alle Mitglieder des Aufsichtsrats einer Verschwiegenheitspflicht. Sie kann beim fakultativen Aufsichtsrat hinsichtlich Gegenstand, Umfang und Dauer in Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag modifiziert werden.1 Unabdingbar ist die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung.2 Immanent sind dem Aufsichtsrat auch die Pflichten zur Prüfung des Jahresabschlusses, zur Berichterstattung an die Gesellschafterversammlung sowie zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, wenn diese notwendig wird, insbesondere wenn das Wohl der Gesellschaft sie erfordert.3 Die Aufsichtsratsmitglieder müssen sich entsprechend informieren und an Aufsichtsratssitzungen teilnehmen.4 Bei allen Handlungen sind auch die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats den Interessen der Gesellschaft verpflichtet (Treuepflicht).5 Im Gegensatz zum obligatorischen Aufsichtsrat besteht hier die Möglichkeit, durch Satzung oder Geschäftsordnung das Ausmaß der Treuepflichten verbindlich zu konkretisieren.6 Eine vollständige Befreiung der Aufsichtsratsmitglieder von diesen Pflichten durch die Satzung ist jedoch ausgeschlossen.7 Bei der Wahrnehmung aller Aufsichtsratspflichten müssen die Aufsichtsratsmitglieder – wie auch beim obligatorischen Aufsichtsrat – die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters anwenden (vgl. § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG), wobei die Satzung beim fakultativen Aufsichtsrat abweichende Regelungen vorsehen kann. Eine Reduzierung des Sorgfaltsmaßstabs ist demnach zulässig.8
4.226
b) Obligatorischer Aufsichtsrat Die Zusammensetzung und die Zuständigkeiten des obligatorischen Aufsichtsrats in einer mitbestimmten GmbH ergeben sich in erster Linie aus dem Gesetz. Zu den wesentlichen Aufgaben und damit auch Rechten des Aufsichtsrats gehört die Auswahl, die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführer (§§ 30, 31, 33 MitbestG). Der Aufsichtsrat ist auch zuständig für den Abschluss, die Änderung und die Beendigung der Dienstverträge der Geschäftsführer.9
4.227
Kennzeichnend für den Aufsichtsrat sind insbesondere seine Kontrollrechte und -pflichten. Der Aufsichtsrat hat gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH zu überwachen. Die Kontrolle beschränkt sich dabei nicht auf eine nachträgliche Prüfung sondern erfasst auch und insbesondere eine laufende Überwachung, die sich nicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt, sondern auch Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung umfasst.10 Die Überwachungsbefug-
4.228
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Jaeger in Beck’scher Online-Komm. GmbHG, 22. Aufl., § 52 GmbHG Rz. 74. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 237. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 66, 113. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 69. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 66. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 575. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 100. Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 554. Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 21. Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 24.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
nis des Aufsichtsrats der Komplementär-GmbH erstreckt sich auch auf die Führung der Geschäfte der KG.1 Dazu können die Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls die Bücher und Schriften der Komplementär-GmbH einsehen und prüfen.2 4.229
Umstritten ist, ob die Aufsichtsratsmitglieder der Komplementär-GmbH auch berechtigt sind, die Bücher und Schriften der Kommanditgesellschaft zu prüfen. Nach einigen Stimmen im Schrifttum ist dies zu verneinen.3 Nach anderer Ansicht soll es dem Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH zumindest dann gestattet sein, die Bücher und Schriften einzusehen und zu prüfen, wenn die Komplementär-GmbH einzig zur Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft berufen ist.4 Diese Ansicht wird überzeugend damit begründet, dass das in § 111 Abs. 2 AktG normierte Einsichtsrecht eine wesentliche Sicherung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats ist. Sowohl die Berichtspflicht des § 90 AktG als auch das Einsichtsrecht sollten daher auf die Unterrichtung über die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft und die Führung der Geschäfte dieser Gesellschaft erstreckt werden, soweit diese für den Gegenstand des Berichts über die GmbH von Bedeutung sind.5
4.230
Ein Weisungsrecht kommt dem Aufsichtsrat gegenüber der Komplementär-GmbH – außer im Rahmen des § 32 Abs. 1 MitbestG oder im Rahmen eines durch die Satzung eingeräumten Weisungsrechts6 – nicht zu.7 Allerdings hat die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass die Komplementär-GmbH bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf (§ 25 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Auf diesem Wege kann der Aufsichtsrat bewirken, dass bestimmte Geschäfte der Komplementär-GmbH für die Kommanditgesellschaft nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen.8 Möglich ist es auch, einen Zustimmungsvorbehalt ad hoc zu beschließen. Dieses Recht des Aufsichtsrats kann sich im Einzelfall zu einer Pflicht verdichten, wenn nämlich der Aufsichtsrat eine gesetzeswidrige Geschäftsführungsmaßnahme nur noch durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verhindern kann.9
4.231
Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen der Komplementär-GmbH berechtigt (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 118 Abs. 3 AktG), nicht jedoch zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen der Kommanditgesellschaft.10 Das ergibt sich daraus, dass der Aufsichtsrat Organ der GmbH und nicht der KG ist. Dieser Gedanke liegt auch dem Umstand zugrunde, dass der Aufsichtsrat nach § 25 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 171 AktG nur zur Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns der Komplementär-GmbH sowie bei Mutterunterneh1 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 24. 2 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 25. 3 Vgl. Raiser, MitbestG, 6. Aufl. 2015, § 4 Rz. 23; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 34. 4 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 25. 5 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 26. 6 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 125. 7 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 27. 8 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 27. 9 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 27. 10 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 32.
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Aufsichtsrat und Beirat
men auch des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts berechtigt ist, nicht jedoch zu entsprechenden Prüfungen bei der Kommanditgesellschaft.1 Für die Zustimmung der Komplementär-GmbH zur Feststellung des Jahresabschlusses der Kommanditgesellschaft kann der Aufsichtsrat jedoch einen Zustimmungsvorbehalt beschließen (s. Rz. 4.230). Den Rechten des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder stehen entsprechende Pflichten gegenüber. Zunächst unterliegen alle Mitglieder des Aufsichtsrats – auch die Arbeitnehmervertreter – einer unabdingbaren Verschwiegenheitspflicht.2 Darüber hinaus fallen dem Aufsichtsrat jedenfalls die o.g. immanenten Pflichten eines Aufsichtsrats zu sowie die sich aus dem MitbestG, dem DrittelbG sowie dem MontanmitbestG ergebenden ergänzenden Pflichten.
4.232
Für die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats und die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen durch Aufsichtsratsmitglieder gelten dieselben Maßstäbe wie beim fakultativen Aufsichtsrat (s. Rz. 4.226). Hinsichtlich der Wahrung der Gesellschaftsinteressen gilt die Besonderheit, dass das Ausmaß der Treuepflichten nicht wie beim fakultativen Aufsichtsrat durch Satzung oder Geschäftsordnung herabgesetzt werden kann. Seinen persönlichen Interessen darf das Aufsichtsratsmitglied nicht zum Nachteil der Gesellschaft Vorrang gegenüber den Interessen der Gesellschaft gewähren.3 Insbesondere darf das einzelne Aufsichtsratsmitglied die Gesellschaft nicht zu vergünstigten Geschäften mit sich selbst veranlassen, ebenso wenig darf es Geschäftsgeheimnisse und Geschäftschancen der Gesellschaft für persönliche Zwecke nutzen.4
4.233
Bei Beschlussfassungen muss jedes Aufsichtsratsmitglied alles ihm Zumutbare unternehmen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Daraus ergibt sich ggf. auch die Pflicht, gegen Beschlüsse zu stimmen, die nicht im Interesse der Gesellschaft liegen und Bedenken in der Debatte nachdrücklich zur Geltung zu bringen (s. Rz. 4.236).5
4.234
7. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder Sowohl im fakultativen (§ 52 GmbHG i.V.m. § 93 AktG) als auch im obligatorischen Aufsichtsrat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 DrittelbG i.V.m. §§ 116, 93 AktG bzw. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. §§ 116, 93 AktG) richtet sich die gesamtschuldnerische Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für die Verletzung ihrer Pflichten nach § 93 Abs. 1 AktG. Dabei handelt es sich um eine reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft.6 Der Haftungsmaßstab richtet sich gem. § 93 AktG nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds. Dabei trifft die Beweislast für dessen Einhaltung gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 1 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, 3. Aufl. 2013, § 4 MitbestG Rz. 42. 2 Vgl. dazu Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 53 Rz. 35; Jaeger in Beck’scher OnlineKomm. GmbHG, 22. Aufl., § 52 GmbHG Rz. 71. 3 Jaeger in Beck’scher Online-Komm. GmbHG, 22. Aufl., § 52 GmbHG Rz. 70a. 4 Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 511; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 68; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 67. 5 Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 568. 6 Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 148.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
AktG die Aufsichtsratsmitglieder. Wie bei der Geschäftsführerhaftung (Rz. 4.56) wird diese Beweislastumkehr extensiv verstanden und betrifft neben dem Verschulden auch die Pflichtverletzung.1 Ein Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, sich ausreichend über die wesentlichen Grundlagen der Geschäftsführung sowie wichtige Geschäftsvorfälle zu informieren. Als Hilfsmittel dienen ihm dabei insbesondere seine Informations- und Einsichtsrechte.2 Dabei steht dem Aufsichtsratsmitglied bei unternehmerischen Entscheidungen ein Ermessensspielraum zu (vgl. § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG).3 4.236
Aufsichtsratsmitglieder unterliegen einer Gesamtverantwortung.4 Dies führt dazu, dass ein Aufsichtsratsmitglied u.U. sogar dann eine Pflichtverletzung begeht und haftet, wenn es sich bei einem fehlerhaften Mehrheitsbeschluss der Stimme enthalten hat, überstimmt worden ist oder an der Abstimmung nicht teilgenommen hat, es aber pflichtwidrig unterlassen hat, seine Bedenken gegen den Beschluss aktiv vorzubringen und ggf. alles zur Abwendung des Beschlusses Geeignete zu unternehmen.5 Der Grundsatz der Gesamtverantwortung kann aber durch eine zulässige Ressortverteilung unter den Aufsichtsratsmitgliedern eingeschränkt werden.6 Die nicht zuständigen Aufsichtsratsmitglieder sind dann nur noch für die pflichtgemäße Überwachung des jeweiligen Ressortinhabers verantwortlich.7
4.237
Ob eine unmittelbare Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der KG in Betracht kommt, ist in Rechtsprechung und Literatur bislang ungeklärt. Die Ausführungen des BGH zur unmittelbaren Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH & Co. KG (s. Rz. 4.63 ff.) dürften jedoch übertragbar sein. Denkbar ist demnach eine Haftung des Aufsichtsratsmitglieds aus seiner vertraglichen Beziehung zur GmbH in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Darüber hinaus kommt eine Haftung des Aufsichtsratsmitglieds aus der drittschützenden Wirkung der organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung zur GmbH in Betracht.
4.238
Schadensersatzansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder wegen Pflichtverletzung verjähren gem. § 52 Abs. 4 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, jeweils i.V.m. §§ 116, 93 Abs. 6 AktG nach Ablauf 1 Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 148. 2 So schon für den fakultativen Aufsichtsrat BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, DB 2007, 275 = GmbHR 2007, 307 m. Komm. Huber. 3 Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 477; Jaeger in Beck’scher Online-Komm. GmbHG, 22. Aufl., § 52 GmbHG Rz. 76; Giedinghagen in Michalski, § 52 GmbHG Rz. 306. 4 Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 GmbHG Rz. 41; Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 466; Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 130; BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 (295 f.) = AG 1983, 133 = ZIP 1983, 55; Dreher, FS Boujong, 1996, S. 71 (75). 5 LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, DB 2004, 2464 = AG 2004, 680; LG Berlin v. 8.10. 2003 – 101 O 80/02, ZIP 2004, 73; Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 568. 6 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 25 MitbestG Rz. 120; Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 468. 7 Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 468; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 25 MitbestG Rz. 120.
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Aufsichtsrat und Beirat
von fünf Jahren seit Anspruchsentstehung (§ 200 Satz 1 BGB). Diese Frist kann nach h.M. nicht durch Satzungsbestimmung verkürzt werden.1 Bei Kreditinstituten verjähren die Schadensersatzansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder gem. § 52a Abs. 1 KWG wegen Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten in zehn Jahren. Anders als beim fakultativen Aufsichtsrat kann beim obligatorischen Aufsichtsrat nach überwiegender Ansicht die Haftung im Voraus weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch Individualabrede erlassen werden. Allenfalls kann die Gesellschaft unter Beachtung der Beschränkungen des § 93 Abs. 3 und 4 AktG nachträglich auf die Haftung verzichten.2
4.239
8. Kosten Ebenso wenig wie die Kosten der Geschäftsführung (s. Rz. 4.91) kann die GmbH die Kosten für einen Aufsichtsrat oder Beirat von der GmbH & Co. KG nach § 110 HGB ersetzt verlangen.3
4.240
III. Aufsichtsrat oder Beirat in der GmbH & Co. KG 1. Freiwillige Einrichtung und weitgehend freie Ausgestaltung Den Gesellschaftern der KG steht es frei, ein zusätzliches Aufsichts-, Überwachungs- oder Beratungsorgan zu installieren. Eine gesetzliche Verpflichtung besteht unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht. Die Errichtung eines Aufsichtsrats oder Beirats empfiehlt sich, wenn eine große Zahl von Kommanditisten vorhanden ist und der Aufsichtsrat oder Beirat an ihrer Stelle Zustimmungs- oder Kontrollrechte ausüben soll.4 Die Einrichtung eines Aufsichtsrats und seine nähere Ausgestaltung (etwa Mitgliedschaft, Befugnisse, Entscheidungsverfahren) müssen im Gesellschaftsvertrag geregelt werden.5 Nur ergänzend und soweit Regelungen im Gesellschaftsvertrag fehlen, kann auf die für die GmbH geltenden Regelungen zurückgegriffen werden.
4.241
2. Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der GmbH & Co. KG Wer stimm- und teilnahmeberechtigtes Mitglied eines freiwillig gebildeten Aufsichtsrats oder Beirats sein soll, ist im Gesellschaftsvertrag festzulegen. Die Auswahl der Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder erfolgt regelmäßig durch die Gesellschafter oder durch im Gesellschaftsvertrag ermächtigte Dritte. Die Anzahl der Aufsichts1 Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 GmbHG Rz. 44. 2 Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 GmbHG Rz. 90; Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 256; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbHG & Co. KG, § 19 Rz. 154; a.A. Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 524. 3 Zur durchschnittlichen Höhe der Kosten für Beiräte vgl. Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 137 (Fn. 317). 4 Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 470. 5 Allg.M. s. nur Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 34; Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 2; grundlegend hierzu Reuter in FS Steindorff, 1990, S. 229 ff.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
oder Beiratsmitglieder ist frei bestimmbar. Mitglieder können sowohl Gesellschafter als auch Nicht-Gesellschafter sein, sodass auch die GmbH-Gesellschafter Aufsichtsratsmitglieder werden können. Die Besetzung richtet sich primär nach der Zweckmäßigkeit und der erforderlichen bzw. gesuchten Fach- und Sachkompetenz. Insbesondere für Familiengesellschaften1 ist die Unterstützung der oft unternehmerisch unerfahrenen Familienmitglieder durch einen Beirat sinnvoll.2 4.243
Die Doppelstellung als Geschäftsführer einerseits und Mitglied des Aufsichtsrats andererseits ist nicht zulässig, da der Aufsichtsrat die Geschäftsführung überwachen soll3 (s. Rz. 4.218). Diese Inkompatibilität gilt bei der typischen GmbH & Co. KG auch für den Geschäftsführer der geschäftsführenden KomplementärGmbH. Nimmt der Beirat lediglich eine beratende Funktionen ein oder halten sich seine Zuständigkeiten im Rahmen von Gesellschafterfunktionen, gilt der Inkompatibilitätsgrundsatz nicht.4
3. Zuständigkeiten 4.244
Zuständigkeiten und Aufgaben eines freiwillig gebildeten Aufsichtsrats oder Beirats richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag, wobei die Befugnisse der Gesellschafter im Kernbereich nicht angetastet werden dürfen.5 Auch bei einem (ganz oder teilweise) aus Nicht-Gesellschaftern bestehenden Aufsichtsrat oder Beirat ist kein unzulässiger Fremdeinfluss anzunehmen, solange die Gesellschafter noch in der Lage sind, den Beirat durch Änderung des Gesellschaftsvertrags wieder abzuschaffen und keine Kompetenzen übertragen werden, die zum Kernbereich der Gesellschafter zählen.6 Zum unantastbaren Kernbereich gehören im Wesentlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrags, strukturändernde Grundlagenentscheidungen und Maßnahmen, die zu einer Sonderbelastung einzelner Gesellschafter führen.7
4.245
Die Befugnisse eines Bei- bzw. Aufsichtsrats können sich auf mannigfaltige Sach-, Personal-, Mitwirkungs-, Zustimmungs- oder Entscheidungskompetenzen erstrecken, indem z.B. jeder Rechtsstreit unter Gesellschaftern von vorangehenden Schlichtungsversuchen und Gutachten des Beirats abhängig gemacht wird.8 Die Tätigkeit eines Aufsichtsrats oder Beirats wird sich weiterhin vornehmlich auf die Beratung und/oder Überwachung der Geschäftsführung erstrecken, auf die Entscheidungen in Streitfällen, wenn sich in der Geschäftsführung keine Einigkeit herstellen lässt, sowie auf die Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführer.9 1 Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 469; Hinterhuber/Minrath, BB 1991, 1201. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 7; Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 469. 3 Dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 293 (308); Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 48; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 33; Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 256 ff. 4 Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, 1981, S. 137. 5 Großfeld/Brondics, AG 1987, 293. 6 BGH v. 22.1.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292; BGH v. 19.11.1984 – II ZR 102/84, NJW 1985, 972; Haack, BB 1993, 1607; Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 28. 7 Vgl. dazu näher Thümmel, DB 1995, 2461; ebenso Buth/Hermanns, DStR 1996, 597. 8 Roth in Baumbach/Hopt, § 163 HGB Rz. 14. 9 Roth in Baumbach/Hopt, § 163 HGB Rz. 14; vgl. zur Haftung des Aufsichtsrats bei Zustimmung zu nachteiligen Geschäften BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, DB 2007, 275 = GmbHR 2007, 307 m. Komm. Huber.
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Aufsichtsrat und Beirat
Daneben können Aufsichts- oder Beiräte auch zu Repräsentationszwecken errichtet werden, um den Kontakt mit Lieferanten und Kunden zu pflegen oder das Ansehen der Gesellschaft aufzuwerten. Ist der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der GmbH-Geschäftsführer zuständig, so kann er dies nach allgemeiner Ansicht nicht selbst vornehmen, da er kein Organ der GmbH ist, sondern der KG angehört.1 Er kann jedoch eine verbindliche Entscheidung hinsichtlich der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer für Gesellschafter treffen, die sowohl der GmbH als auch der KG angehören.2 Eine volle Übertragung der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat oder Beirat ist bedenklich, da dieses Organ die Geschäftsführung typischerweise überwachen und beraten soll, so dass er ein zusätzliches Organ zur Geschäftsführung sein muss.3 Eine Übertragung der Vertretungsbefugnis scheidet schon wegen der zwingenden organschaftlichen Vertretung der KG durch den Komplementär aus. Die Übertragung einzelner Geschäftsführungsbefugnisse ist aber zulässig.4
4.246
Bei allen dem Aufsichtsrat oder Beirat übertragenen Aufgaben muss durch entsprechende Rechte auf Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft und durch Zugang zu den erforderlichen Informationen gesichert sein, dass das Gremium seinen Aufgaben und Pflichten gerecht werden kann.5 Diese Erfordernisse ergeben sich ebenso wie die Zuständigkeiten und Befugnisse aus den entsprechenden Regelungen für den Aufsichtsrat oder Beirat einer GmbH.
4.247
4. Beschlussfassung Wie bei der Gesellschafterversammlung und dem Aufsichtsrat oder Beirat in der GmbH richtet sich das Entscheidungs- und Beschlussverfahren in erster Linie nach dem Gesellschaftsvertrag. Die Ausführungen zum fakultativen Aufsichtsrat der GmbH (s. Rz. 4.208) gelten entsprechend.
4.248
5. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder Verletzt ein Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied seine Überwachungs-, Beratungsoder sonstigen Pflichten schuldhaft, können Schadensersatzansprüche der GmbH & Co. KG bestehen. In Betracht kommen dabei vertragliche Schadensersatzansprüche, Ansprüche aufgrund Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten sowie eine Organhaftung analog §§ 116, 93 AktG.
4.249
Besteht zwischen der GmbH & Co. KG und dem Aufsichtsratsmitglied ein Geschäftsbesorgungsvertrag, so kommen vertragliche Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB in Betracht. Verletzungen der Pflichten als Aufsichtsrats- oder Bei-
4.250
1 Hölters, DB 1980, 225 (228); Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 473; Hüffer in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 46 GmbHG Rz. 77 f.; K. Schmidt in Scholz, § 46 GmbHG Rz. 72. 2 Hennerkes/Binz/May, DB 1987, 473. 3 Dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 307; Thümmel, DB 1995, 2461; Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 253. 4 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 22 ff.; Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 253. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 9 Rz. 27.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
ratsmitglied stellen dann gleichzeitig Verletzungen des Geschäftsbesorgungsverhältnisses dar. Der Haftungsmaßstab richtet sich nach § 276 BGB.1 4.251
Ist das Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied gleichzeitig Kommanditist, kommt auch eine Haftung wegen Verletzung seiner Gesellschafterpflichten in Betracht. In diesem Fall muss nur die eigenübliche Sorgfalt gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 708 BGB eingehalten werden.2 Der eigenübliche Sorgfaltsmaßstab gilt allerdings nicht für Publikumskommanditgesellschaften (s. Rz. 4.53).3
4.252
Darüber hinaus kommt eine Organhaftung analog §§ 116, 93 AktG in Betracht. Eine solche hat der BGH4 bisher nur bei Publikumsgesellschaften anerkannt (s. Rz. 2.314). Der in der Literatur vertretenen Ansicht,5 die §§ 116, 93 AktG könnten auch auf sonstige Personengesellschaften angewendet werden, hat sich die Rechtsprechung bisher nicht angeschlossen. Jedoch erscheint eine Differenzierung nicht überzeugend, weil auch dem Beirat anderer Gesellschaften eine dem aktienrechtlichen Aufsichtsrat vergleichbare Überwachungsfunktion obliegen kann.6 Übt ein Aufsichts- oder Beirat organschaftliche Funktionen in der GmbH & Co. KG aus, sollte die Haftung seiner Mitglieder nicht von der Existenz eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses abhängen, welches in der Praxis oft fehlt.7 Das sollte jedenfalls dann gelten, wenn und soweit die vom fakultativen Aufsichtsrat der KG wahrgenommenen Aufgaben mit denen des Aufsichtsrats einer AG vergleichbar sind.
4.253
Im Falle der Organhaftung bestimmt sich der Sorgfaltsmaßstab grundsätzlich gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters8 (s. zu den Einzelheiten Rz. 4.235). Umstritten ist jedoch, ob dieser Sorgfaltsmaßstab für Aufsichtsratsmitglieder einer KG gem. § 708 BGB auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten herabzusetzen ist.9 Überwiegend wird eine Anwendung der Haftungserleichterung des § 708 BGB angenom-
1 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 22 ff. 2 In der Lit. umstritten ist die Frage, ob § 708 BGB als Haftungsmaßstab auch für Kommanditisten gilt, die nicht unmittelbar aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung, sondern durch Wahl zum Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied bestellt wurden; vgl. dazu näher Rinze, NJW 1992, 2790 (2793 f.), der auf gewählte Gesellschafter nicht § 708 BGB, sondern § 276 Abs. 1 BGB anwenden will; a.A. Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 148; ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 40. 3 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 = GmbHR 1978, 236; BGH v. 7.11.1977 – II ZR 43/76, GmbHR 1978, 229; dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 293. 4 BGH v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, DB 1980, 71 = AG 1980, 109. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 39; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 139 f. 6 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 38; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 140. 7 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 38; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 140. 8 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, 3. Aufl. 2013, § 25 MitbestG Rz. 117 m.w.N. 9 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 40; Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 84 ff.; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 148; Huber, Der Beirat, 2004, Rz. 355.
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Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
men, sofern die Aufsichtsratsmitglieder gleichzeitig Kommanditisten sind.1 Andernfalls unterlägen sie einem schärfen Verschuldensmaßstab als Geschäftsführer, obwohl sie nur ihre Gesellschafterrechte ausüben.2 Beim fakultativen Aufsichtsrat wird eine Haftungsbeschränkung durch den Gesellschaftsvertrag (Umfang, Verschuldensgrad, Verjährung) unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit allgemein im gesetzlichen Rahmen (z.B. § 276 Abs. 3 BGB) auch im Voraus für zulässig erachtet.3 Dies gilt indes nicht für Publikumsgesellschaften (s. Rz. 2.314).
4.254
Der Schadensersatzanspruch wird durch die Geschäftsführer der KomplementärGmbH im Namen der GmbH & Co. KG geltend gemacht. Neben den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH können auch Mitgesellschafter den Schadensersatz im Wege der actio pro socio unmittelbar selbst einklagen.4
4.255
Die Organpflichten, d.h. die Überwachungs- und Beratungspflichten, obliegen den Aufsichtsratsmitgliedern dabei nur im Verhältnis zur Gesellschaft, sodass Dritte aufgrund einer Verletzung der Organpflichten grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch geltend machen können.5
4.256
E. Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter I. Einführung Den Gesellschaftern der GmbH & Co. KG und der Komplementär-GmbH, die nicht an der Geschäftsführung beteiligt sind, muss es gleichwohl möglich sein, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu informieren. Diese Auskunfts-, Informations- und Kontrollrechte werden den nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschaftern ausdrücklich vom Gesetz zuerkannt; für die Kommanditisten in § 166 HGB und für die GmbH-Gesellschafter in §§ 42a, 51a, 51b GmbHG. Sie sind keine exklusiven Minderheitenrechte, sondern dienen der Wahrung der Vermögens- und Verwaltungsrechte aller Gesellschafter.
4.257
Man unterscheidet zwischen Einsichts- und Auskunftsrechten. Während sich der Gesellschafter durch die Einsichtnahme aktiv einen Überblick über den Inhalt der
4.258
1 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 84 ff.; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 148; wird der Gesellschafter jedoch wie ein gesellschaftsfremder Dritter in den Beirat gewählt, soll das Haftungsprivileg nicht greifen, vgl. Huber, Der Beirat, 2004, Rz. 355; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 40. 2 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 148. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 10 Rz. 52; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293 (309). 4 Die Unterscheidung von Rinze, NJW 1992, 2790, der die actio pro socio nicht ggü. den in den Aufsichtsrat oder Beirat gewählten Gesellschaftern zulassen will, ist dann ohne praktische Bedeutung, wenn ein Kommanditist im Wege der actio pro socio jedenfalls gegen die Komplementär-GmbH (an der er ebenfalls beteiligt ist) vorgehen kann, wenn diese den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied nicht geltend macht. 5 Großfeld/Brondics, AG 1987, 293; s. auch BGH v. 17.3.1966 – II ZR 282/63, BGHZ 45, 204; dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 293.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Gesellschaftsunterlagen verschafft, ermöglicht ein Auskunftsanspruch – insbesondere bei Lückenhaftigkeit oder Widersprüchlichkeit der Unterlagen – eine Sachverhaltsdarstellung durch die Geschäftsführung. Der Auskunftsanspruch kann für den Gesellschafter von Vorteil sein, da er so ggf. an Hintergrundinformationen gelangt, die ihm bei bloßer Einsicht in die Geschäftsunterlagen verborgen blieben.
II. Informationsrechte der Gesellschafter der GmbH & Co. KG 1. Informationsrechte der Kommanditisten 4.259
Der Kommanditist ist grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen und ist daher auf seine Informationsrechte hinsichtlich der Angelegenheiten der Gesellschaft angewiesen. Die Informationsrechte der Kommanditisten können dabei in zwei Kategorien eingeteilt werden: individuelle und kollektive Informationsrechte. a) Individuelle Informationsrechte
4.260
Als individuelle Informationsrechte werden die Auskunftsrechte bezeichnet, die jedem Kommanditisten alleine zustehen. Dabei kann zwischen dem funktionsgebundenen ordentlichen Informationsrecht gem. § 166 Abs. 1 HGB und dem außerordentlichen Informationsrecht gem. § 166 Abs. 3 HGB unterschieden werden. Darüber hinaus wird diskutiert, ob dem Kommanditisten ein allgemeines Informationsrecht zusteht. aa) Ordentliches Informationsrecht des Kommanditisten
4.261
Dem Kommanditisten steht zunächst das Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGB zu, das ihn berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen (ordentliches Informationsrecht).
4.262
Das ordentliche Informationsrecht gem. § 166 Abs. 1 HGB beschränkt sich auf die Überprüfung des Jahresabschlusses und gewährt Einsicht in die Bücher und Papiere, soweit diese hierfür erforderlich sind (funktionsgebundenes Informationsrecht).1
4.263
Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 Abs. 3 HGB).2 Ist die GmbH die einzige Komplementärin der GmbH & Co. KG, so muss der Jahresabschluss wegen § 264a HGB um einen Anhang und einen Lagebericht gem. § 264 Abs. 1 HGB ergänzt werden. Da der Anhang Teil des Jahresabschlusses ist, bezieht sich das Recht auf abschriftliche Mitteilung auch auf den Anhang, nicht jedoch auf den Lagebericht.3 1 Es besteht grds. keine Verpflichtung, den Kommanditisten mit der Einladung zur Gesellschafterversammlung den Prüfungsbericht zu übersenden, BGH v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, NZG 2015, 511 = DStR 2015, 1011. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 86. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 86.
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Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
In diesem Zusammenhang kann Einsicht in alle Unterlagen der Gesellschaft einschließlich erforderlicher Prüfungsberichte und vertraulicher Dokumente gefordert werden. Der Kommanditist darf zunächst die nach seiner Meinung erforderlichen Unterlagen auswählen und anfordern, wobei die Geschäftsführung bei einer Weigerung darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ein gewünschtes Dokument nicht für eine sachgerechte Prüfung des Jahresabschlusses erforderlich ist.1
4.264
Ob auch Unterlagen der Komplementär-GmbH eingesehen werden dürfen, hängt davon ab, ob die begehrten Unterlagen im Zusammenhang mit der Komplementärstellung der GmbH stehen. Ist dies der Fall, können die Kommanditisten entsprechende Informationen über die Angelegenheiten der Komplementär-GmbH verlangen, sofern diese sich auf den Jahresabschluss beziehen.2
4.265
Informationsschuldner ist dann die GmbH & Co. KG selbst, die durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wird.3 Aus Praktikabilitätsgründen lässt die Rechtsprechung es jedoch zu, dass der Informationsberechtigte unmittelbar auch nur die geschäftsführende Komplementärin verklagt.4
4.266
Das Kontrollrecht kann regelmäßig nur in den Geschäftsräumen der KG ausgeübt werden, eine Mitnahme von Geschäftsunterlagen ist nur aus wichtigem Grund möglich.5 Zeitlich darf das ordentliche Informationsrecht nur in angemessener Frist nach Mitteilung des Jahresabschlusses ausgeübt werden, wobei eine Ausübung des Informationsrechts innerhalb von zwei Monaten als angemessen anzusehen ist.6
4.267
Inhaber des Informations- und Kontrollrechts aus § 166 HGB ist jeder Kommanditist vom Erwerb der Kommanditistenstellung bis zu deren Beendigung,7 und zwar auch noch in der Liquidation der Gesellschaft, selbst wenn der Kommanditist nicht Liquidator ist.8 Ein bereits nach § 166 Abs. 3 HGB eingeleitetes Verfahren findet auch nach Ausscheiden des Kommanditisten seine Fortsetzung.9 Ausnahmsweise kann auch der ausgeschiedene Kommanditist ein Einsichtsrecht in Bücher und Papiere der Gesellschaft nach § 810 BGB geltend machen, soweit er daran ein schutzwürdiges rechtliches Interesse hat. Das ist insbesondere zur Prüfung von Forderungen aus der Zeit vor seinem Ausscheiden zu bejahen.10
4.268
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 4. 2 Schilling in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 166 HGB Rz. 14; von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 166 HGB Rz. 36. 3 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 8. 4 Vgl. BGH v. 15.6.1962 – VI ZR 268/61, DB 1139 (1139); Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 8. 5 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 4. 6 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 21; a.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 4, die vier Wochen für ausreichend hält. 7 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 1 f. 8 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 2. 9 OLG Hamm v. 19.2.1970 – 15 W 459/69, DB 1970, 724. 10 OLG Hamm v. 18.1.1993 – 8 U 132/92, GmbHR 1994, 127; vgl. auch BGH v. 11.7.1988 – II ZR 346/87, GmbHR 1988, 434 = ZIP 1988, 1175.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.269
Der Kommanditist kann das Kontrollrecht grundsätzlich nur persönlich ausüben. Er kann sich allenfalls bei Verhinderung wegen Krankheit, Gebrechlichkeit oder langer Abwesenheit durch Dritte vertreten lassen.1 Er kann sich bei der Prüfung und Einsicht grundsätzlich auf eigene Kosten der Hilfe sachverständiger Personen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Rechtsanwalt) bedienen.2 Ist die Hinzuziehung von Fachleuten, Gehilfen und Sachverständigen geboten, etwa wegen Mangelhaftigkeit der Bilanzierung und Buchführung, fallen die Kosten der Gesellschaft zur Last.3 Ist ein Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht daran gehindert, das Einsichtsrecht persönlich auszuüben (z.B. als Wettbewerber der Gesellschaft), darf er es nur über einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen wahrnehmen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Rechtsanwalt), der dann die dem Kommanditisten nicht zustehende Informationen nicht weiterleiten darf.4 Für geschäftsunfähige und beschränkt geschäftsfähige Personen wird das Kontrollrecht durch den gesetzlichen Vertreter ausgeübt.5 Gehört der Kommanditanteil zum Nachlass und ist Testamentsvollstreckung angeordnet, so wird es von dem Testamentsvollstrecker wahrgenommen.6
4.270
Das ordentliche Informationsrecht kann sowohl gegen die GmbH & Co. KG als auch gegen die Komplementär-GmbH geltend gemacht werden.7 Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, ob mit der Rechtsprechung der geschäftsführende Gesellschafter informationspflichtig ist und die KG neben ihm für die Erfüllung dieser Informationspflicht haftet8 oder umgekehrt die KG dem Kommanditisten gegenüber verpflichtet ist und der geschäftsführende Gesellschafter neben ihr nur für die Erfüllung einzustehen hat.9
4.271
Durch den Gesellschaftsvertrag kann das ordentliche Kontroll- und Informationsrecht im Einzelfall eingeschränkt werden. Da jedoch das Informationsrecht aus § 166 HGB ein unverzichtbares Instrument des Minderheitenschutzes darstellt, kann das Kontrollrecht nach überwiegender Ansicht vertraglich nicht vollständig abbedungen werden.10 Daher muss jede Beschränkung des Kontrollrechts daran ge1 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 5. 2 BGH v. 8.7.1957 – II ZR 54/56, BGHZ 25, 115 (123) = GmbHR 1958, 27; OLG Hamm v. 11.12.1969 – 15 W 483/69, BB 1970, 104; OLG Celle v. 11.5.1983 – 9 U 160/82, BB 1983, 1451; Hirte, BB 1985, 2208; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 6. 3 Hirte, BB 1985, 2208, 2210; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 90. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 7; Binz/Freudenberg/Sorg, BB 1991, 785. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 5; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 18. 6 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 23. 7 K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 56. 8 So BGH v. 8.7.1957 – II ZR 54/56, BGHZ 25, 115; OLG Stuttgart v. 3.11.1955 – 5 U 89/55, BB 1956, 573; OLG Celle v. 11.5.1983 – 9 U 160/82, BB 1983, 1451; OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1986, 1531 m.w.N. 9 Vgl. Schilling in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 166 HGB Rz. 4; K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 56; K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 71; vgl. die Nachweise in BayObLG v. 7.11.1994 – 3Z AR 64/94, GmbHR 1995, 59 = ZIP 1995, 219; BayObLG v. 23.10.2002 – 3Z BR 157/02, DB 2003, 333 = NZG 2002, 25. 10 Vgl. BGH v. 11.7.1988 – II ZR 346/87, GmbHR 1988, 434 (435), tendiert zu einer Unentziehbarkeit; K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 58; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 18; Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 116 HGB Rz. 27; a.A. Weipert in Ebenroth/Boujoung/Joost/Strohn, § 166 HGB Rz. 17.
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Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
messen werden, ob sie dem Informationsbedürfnis des Gesellschafters noch gerecht wird.1 Dabei sind vertragliche Regelungen, die die Geltendmachung des Kontrollrechts beschränken (bspw. durch Vertreterklauseln, sodass die Ausübung des Informationsrechts nur durch gemeinsamen Vertreter möglich ist), grundsätzlich zulässig.2 Gemäß § 716 Abs. 2 BGB ist jedoch eine Beschränkung unbeachtlich, wenn Anlass zur Annahme einer unredlichen Geschäftsführung besteht.3 Sieht der Gesellschaftsvertrag dagegen ein weitergehendes Informationsrecht als in § 166 Abs. 1 HGB vor, ist dieses anzuerkennen und von der Geschäftsführung zu befolgen.4 Ausgeschlossen ist das Kontrollrecht bei überwiegendem Interesse der KG, etwa aus Wettbewerbsgründen, wenn der einsichtbegehrende Kommanditist Inhaber eines Konkurrenzunternehmens ist und die Gefahr besteht, dass wettbewerbsrelevante Informationen an den Wettbewerber gelangen. Auch bei einem Wettbewerbsverhältnis darf das Informationsrecht aber nur insoweit eingeschränkt werden, als keine anderen, weniger belastenden Mittel zur Wahrung der schützenswerten Gesellschaftsinteressen zu Gebote stehen.
4.272
Verweigert die Gesellschaft die Auskunftsgewährung, so kann das Informationsbegehren des Gesellschafters mittels Leistungsklage vor den ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden.5 Auch vorläufiger Rechtsschutz durch Erwirkung einer einstweiligen Verfügung ist möglich.6
4.273
bb) Außerordentliches Informationsrecht Da das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten sehr begrenzt ist, wird es durch ein außerordentliches Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB erweitert, das allerdings einen wichtigen Grund voraussetzt. Demnach kann das Gericht – im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit7 – auf Antrag eines Kommanditisten bei Vorliegen wichtiger Gründe jederzeit die Mitteilung einer Bilanz, eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere anordnen. Das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB ist – nach h.M. anders als der Anspruch nach § 166 Abs. 1 HGB – nicht auf die Überprüfung des Jahresabschlusses der Gesellschaft begrenzt, sondern kann sich auch auf andere Informationen beziehen, bspw. auf die allgemeine Geschäftsführung durch den Komplementär.8 Damit ermächtigt das außerordentliche Informationsrecht auch zur Einsichtnahme in Ver1 2 3 4 5
K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 58. K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 58. Sprau in Palandt, § 716 BGB Rz. 1. BGH v. 30.6.1982 – II ZR 85/82, ZIP 1983, 935; K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 56. Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 56; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 166 HGB Rz. 49. 6 Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 166 HGB Rz. 49. 7 OLG München v. 5.9.2008 – 31 Wx 63/07, NZG 2008, 864; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 15. 8 Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 8; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas, § 166 HGB Rz. 19; a.A. OLG Köln v. 17.10.2013 – 18 Wx 8/13, NZG 2014, 660 (Auskünfte nur soweit zum Verständnis des aufgestellten Jahresabschlusses erforderlich); s. auch Rosner, WZG 2014, 655 m.w.N.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
träge zwischen Kommanditisten, soweit ihre Kenntnis zur sachgerechten Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich ist (z.B. um die Wirksamkeit von Stimmrechtsvollmachten oder das Vorliegen einer unzulässigen Abspaltung des Stimmrechts beurteilen zu können).1 4.275
Ein wichtiger Grund i.S.v. § 166 Abs. 3 HGB liegt vor, wenn das ordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 1 HGB nicht für eine sachgemäße Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ausreicht und eine Gefährdung der Interessen des Kommanditisten gegeben ist.2 Insoweit muss der Kommanditist konkrete Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, inwieweit die über § 166 Abs. 1 HGB hinausgehenden Informationen für den Schutz seiner berechtigten Interessen notwendig sind.3 Ein wichtiger Grund besteht z.B. bei Verdacht nicht ordnungsmäßiger Buchführung,4 bei drohender Schädigung der Gesellschaft oder von Kommanditisten,5 bei Entdeckung finanzieller Unregelmäßigkeiten oder bei einer Krise der Gesellschaft.6 Eine Betriebsprüfung mit möglicherweise nachteiligen steuerlichen Folgen stellt dagegen für sich genommen keinen wichtigen Grund i.S.v. § 166 Abs. 3 HGB dar.7 Ob ein wichtiger Grund angenommen werden kann, wenn dem Kommanditisten das ordentliche Informationsrecht nach § 166 Abs. 1 HGB verweigert oder die Erfüllung dieses Anspruchs verzögert wird, ist umstritten8 und richtigerweise zu bejahen, weil schutzwürdige Anliegen der Gesellschaft in einem solchen Fall nicht erkennbar sind und die Verweigerung des ordentlichen Informationsrechts jedenfalls einen Verdacht auf nicht ordnungsmäßige Buchführung oder finanzielle Unregelmäßigkeiten begründen kann.
4.276
Der Anspruch aus § 166 Abs. 3 HGB steht auch den Kommanditisten einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG oder einer Publikums-KG zu.9 Die Gesellschaft kann verlangen, dass die Person des Einsichtnehmenden und die Unterlagen benannt werden.10 Das außerordentliche Kontrollrecht kann neben dem Sonderver1 LG Berlin v. 20.6.1994 – 98 T 35/94, GmbHR 1995, 58. 2 OLG München v. 5.9.2008 – 31 Wx 63/07, NZG 2008, 864; BayObLG v. 23.10.2002 – 3Z BR 157/02, NZG 2003, 25. 3 OLG München v. 7.4.2009 – 31 Wx 95/08, NZG 2009, 658 (Leitsatz). 4 BayObLG v. 4.7.1991 – BReg. 3 Z 151/90, BayObLGZ 1991, 261 = NJW-RR 1991, 1444 (1445); OLG Hamm v. 27.2.1970 – 15 W 4/70, BB 1970, 509; OLG München v. 5.9.2008 – 31 Wx 63/07, NZG 2008, 864 (865); OLG München v. 7.4.2009 – 31 Wx 95/08, NJW-RR 2009, 910 (911); Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 30; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 9. 5 BGH v. 16.1.1984 – II ZR 36/83, GmbHR 1985, 20 = BB 1984, 1274; OLG München v. 7.4. 2009 – 31 Wx 95/08, NZG 2009, 658 f. 6 Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 30; vgl. OLG Hamburg v. 11.5.1965 – 2 U 19/65, MDR 1965, 666 (667). 7 Dies soll insbesondere dann gelten, wenn die KG bereits Rechtsmittel gegen die Bescheide eingelegt hat. So OLG München v. 9.8.2010 – 31 Wx 2/10, ZIP 2010, 1692 (2. Leitsatz). 8 Offen BayObLG v. 4.7.1991 – BReg. 3 Z 151/90, NJW-RR 1991, 1444 (1445); dagegen Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2015, § 166 HGB Rz. 22; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 166 HGB Rz. 32; dafür OLG Hamm v. 27.2.1970 – 15 W 4/70, BB 1970, 509; OLG München v. 7.4.2009 – 31 Wx 95/08, NZG 2009, 658 f.; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 9 (im Regelfall); Weipert in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, § 166 HGB Rz. 41. 9 OLG München v. 7.4.2009 – 31 Wx 95/08, NZG 2009, 658 f. 10 OLG München v. 12.4.2011 – 31 Wx 189/10, ZIP 2011, 1619.
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Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
fahren nach § 166 Abs. 3 HGB auch durch Klage vor dem Prozessgericht und einstweilige Verfügung unmittelbar geltend gemacht werden.1 Ein Kommanditist kann gleichzeitig nach § 166 Abs. 1 und Abs. 3 HGB vorgehen.2 cc) Weitergehendes allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten? In der Literatur ist umstritten, ob dem Kommanditisten neben den zweck- und funktionsgebundenen Kontrollrechten ein allgemeines, individuelles Informationsrecht zusteht.3 Die überwiegende Meinung erkennt ein solches an, da der Umfang der gesetzlich vorgesehenen Informationsrechte nicht ausreichend sei, um eine effektive Kontrolle durch die Kommanditisten zu ermöglichen.4 Dabei sollte sich das allgemeine Auskunftsrecht allerdings nicht auf jede gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme beziehen, sondern auf Informationen beschränkt sein, die zur sachgerechten Ausübung der Gesellschafterrechte notwendig sind.5 Uneinigkeit besteht dabei bezüglich der Rechtsgrundlage: teilweise wird das allgemeine Informationsrecht mit einer Analogie zu § 51a GmbHG begründet,6 teilweise den §§ 713, 666 BGB entnommen,7 oder aber als eine gesetzlich zwar nicht verankerte, jedoch mit den Mitwirkungsrechten der Kommanditisten untrennbar verknüpfte Rechtsfortbildung anerkannt.8
4.277
b) Kollektive Informationsrechte Neben den individuellen Informationsrechten besteht ein kollektives Informationsrecht, welches nicht dem einzelnen Kommanditisten zusteht, sondern der Gesamtheit der Gesellschafter. §§ 713, 666 BGB verpflichten den geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, den übrigen Gesellschaftern die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Rechenschaft abzulegen. Über §§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB sind die Bestimmungen der §§ 713, 666 BGB auch auf die KG anzuwenden.
4.278
Gegenstand dieses Informationsrechts sind alle Informationen, die zur Ausübung der Gesellschaftsrechte erforderlich sind. Nach Auffassung des BGH9 sind jedoch Informationen über die laufende Geschäftsführung grundsätzlich nicht vom Auskunftsrecht mit umfasst.
4.279
2. Informationsrechte der Komplementär-GmbH Die geschäftsführenden Komplementäre einer KG haben grundsätzlich jederzeit die Möglichkeit, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu informieren. 1 K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 57. 2 OLG Celle v. 11.5.1983 – 9 U 160/82, BB 1983, 1451; Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 14. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 95. 4 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 33; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 95. 5 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 33 6 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 103. 7 Huber, ZGR 1982, 539 ff. 8 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 25 Rz. 33. 9 BGH v. 23.3.1992 – II ZR 128/91, BB 1992, 1024 = GmbHR 1992, 365.
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4.280
§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
Daher wird ein besonderes Informationsrecht nach §§ 161 Abs. 2, 118 HGB nur den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementären zugestanden. Diese Norm wird bei der GmbH & Co. KG nur relevant, sofern neben der geschäftsführenden Komplementär-GmbH noch weitere Komplementäre vorhanden sind, denn gem. § 166 Abs. 2 HGB stehen Kommanditisten die Rechte des § 118 HGB nicht zu. 4.281
Das Informationsrecht bezieht sich gem. § 118 Abs. 1 HGB auf die Angelegenheiten der Gesellschaft und erfasst damit alle Vorgänge, die die Gesellschaft unmittelbar und mittelbar betreffen. Davon ist auch die Geschäftsführung durch die Komplementär-GmbH umfasst, sodass sich der Anspruch auch auf die Geschäftsführung der GmbH und ihre Tätigkeit richtet.1 Damit erstreckt sich das Informationsrecht primär auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft, einschließlich der steuerlichen Verhältnisse und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft.2 Es gewährt Einsicht in alle Handelsbücher und Papiere sowie ein Recht auf Abschriften, um so eine Bilanz oder einen Jahresabschluss anzufertigen. Ein Anspruch auf Auskunft besteht nur ausnahmsweise, wenn sich der Gesellschafter ohne Auskunft, beispielsweise wegen lückenhafter oder widersprüchlicher Unterlagen, kein klares Bild über die Angelegenheiten der Gesellschaft machen kann.3
4.282
Das Informationsrecht ist ein Verwaltungsrecht und steht daher grundsätzlich nur dem Komplementär persönlich und seinem gesetzlichen Vertreter zu.4 Die Hinzuziehung eines Sachverständigen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Rechtsanwalt) ist zulässig.5 Eine Ausübung durch einen Bevollmächtigten ist jedoch nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter oder aus wichtigem Grund möglich. Da das Kontrollrecht an die Gesellschafterstellung anknüpft, kann es nicht mehr von dem ausgeschiedenen Gesellschafter geltend gemacht werden.6
4.283
Das Informations- und Kontrollrecht besteht auch noch in der Liquidation der Gesellschaft,7 allerdings nur bis zum Ende der Auseinandersetzung.8 Grenzen des Kontrollrechts ergeben sich aus der Treuepflicht der Gesellschafter und dem Verbot missbräuchlichen Verhaltens. Im Gesellschaftsvertrag können die Kontrollrechte aus § 118 Abs. 1 HGB erweitert, beschränkt oder ganz ausgeschlossen werden. Allerdings ist eine solche Vereinbarung unbeachtlich, soweit der informationsbegehrende Gesellschafter darlegt, dass Grund zur Annahme einer unredlichen Geschäftsführung besteht (§ 118 Abs. 2 HGB). Dazu reicht es aus, wenn der Gesellschafter Verdachtsgründe für eine pflichtwidrige Schädigung der Gesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8
Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 118 HGB Rz. 9. Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 118 HGB Rz. 9. Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 7. BGH v. 8.7.1957 – II ZR 54/56, BGHZ 25, 115 (122) = GmbHR 1958, 27; BGH v. 28.5.1962 – II ZR 156/61, BB 1962, 899; Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 8. Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 9. Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 2; RG v. 16.7.1935 – II 379/34, RGZ 148, 279 (280); BGH v. 15.12.1969 – II ZR 82/68, BB 1970, 187; BayObLG v. 20.11.1986 – BReg. 3 Z 107/86, BB 1987, 711 = GmbHR 1987, 228. Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 2. RG v. 16.7.1935 – II 379/34, RGZ 148, 279 (280); BGH v. 15.12.1969 – II ZR 82/68, BB 1970, 187; BayObLG v. 20.11.1986 – BReg. 3 Z 107/86, BB 1987, 711 = GmbHR 1987, 228; Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 2.
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§4
Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
durch den Geschäftsführer darlegt. Auch erfasst ein solcher Ausschluss nicht das allgemeine Auskunftsrecht nach §§ 713, 666 BGB, das nicht entziehbar ist.1
II. Kontroll- und Informationsrechte der GmbH-Gesellschafter § 51a Abs. 3 GmbHG normiert zugunsten der GmbH-Gesellschafter ein zwingendes Auskunfts- und Einsichtsrecht, das durch die Satzung nicht abbedungen werden kann.
4.284
Die Geschäftsführer sind verpflichtet, jedem Gesellschafter auf dessen Verlangen hin sowohl Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen als auch Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu gewähren (zweifaches Informationsrecht). Dieses Auskunfts- und Einsichtsrecht kann jederzeit auch außerhalb der Gesellschafterversammlung geltend gemacht werden und muss unverzüglich gewährt werden.2 Der informationsbegehrende Gesellschafter muss sein Einsichts- und Auskunftsbegehren nicht begründen.3 Die gewährten Auskunfts- und Einsichtsrechte stehen dabei gleichrangig nebeneinander. Der Gesellschafter kann wahlweise beide oder nur eines dieser Rechte geltend machen.4
4.285
Gegenstand des Auskunfts- und Einsichtsrechts sind die Angelegenheiten der Gesellschaft. Dieser Begriff ist im Interesse einer umfassenden Unterrichtung der Gesellschafter zur Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgaben weit zu fassen.5 Erfasst werden vor allem solche Tatsachen, die die Unternehmensleitung betreffen und für die Gewinnermittlung und -verwendung wesentlich sind.6 Ein Gesellschafter kann Einsicht in alle Unterlagen verlangen, die für den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens und damit für seine Beteiligung, für die gegenwärtige Gewinnsituation und die zukünftige Gewinnerwartung relevant sind.7 Er kann Einsicht in die Gesellschafterbeschlüsse, die Jahresabschlüsse und ggf. betriebswirtschaftlichen Auswertungen verlangen.8 Dabei ist das Informationsrecht nicht auf die Tätigkeitsbereiche der Geschäftsführung beschränkt, sondern kann sich auch auf die Tätigkeit des Aufsichtsrats oder Beirats beziehen.9 Die Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind auch berechtigt, in die Bücher und Schriften der
4.286
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 118 HGB Rz. 19. 2 Zur „Unverzüglichkeit“ im Einzelnen K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 22. 3 OLG Stuttgart v. 8.2.1983 – 8 W 496/82, OLGZ 1983, 184 = GmbHR 1983, 242; KG v. 23.12. 1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (223); Binz/Freudenberg/Sorg, BB 1991, 785; Tillmann/Mohr, Rz. 54; K. Müller, GmbHR 1987, 87; OLG Stuttgart v. 7.2.2001 – 20 U 52/97, DB 2001, 854; a.A. K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 8, der das Informationsbedürfnis als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ansieht; für ein besonders darzulegendes Informationsbedürfnis auch BayObLG v. 1.7.1993 – 3Z BR 96/93, GmbHR 1993, 741 (742); dazu kritisch Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 2. 4 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1986, 1531 (1532) = GmbHR 1986, 384; KG v. 23.12. 1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (222 f.). 5 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1986, 1531 = GmbHR 1986, 384. 6 K. Schmidt, NJW 1980, 1769 (1773); Tillmann/Mohr, Rz. 58, dort auch zur Gewährung dieses Einsichtsrechts. 7 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1988, 1531 (1532) = GmbHR 1986, 384. 8 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1988, 1531 (1532) = GmbHR 1986, 384. 9 OLG Karlsruhe v. 8.2.1984 – 15 W 42/83, GmbHR 1985, 59.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
GmbH & Co. KG Einsicht zu nehmen.1 Dies gilt jedoch nur, soweit die Komplementär-GmbH auch im Verhältnis zur GmbH & Co. KG berechtigt ist, die ihr zur Verfügung stehenden Informationen an ihre Gesellschafter weiterzugeben.2 4.287
Allein Zeitablauf führt nicht zum Verlust des Informationsrechts. Das Einsichtsund Auskunftsrecht umfasst damit auch Angelegenheiten, die länger zurückliegen, sofern sie nicht durch Zeitablauf jeden aktuellen Bezug zur Gesellschaft verloren haben, so dass die Kenntnis über die Angelegenheiten weder für den jetzigen Zustand der Gesellschaft von Bedeutung ist, noch dazu geeignet wäre, in Zukunft ähnlichen Problemen besser zu begegnen.3
4.288
Zur Bestimmung der zeitlichen Grenze hat die Rechtsprechung4 zutreffend darauf hingewiesen, dass insoweit weder die Aufbewahrungsfrist von sechs bzw. zehn Jahren für Schriften und Bücher (§ 257 Abs. 4, 5 HGB) noch die Verjährung des Schadensersatzanspruches gem. § 43 Abs. 4 GmbHG von fünf Jahren maßgebend ist. Entscheidend ist allein das tatsächliche Informationsbedürfnis über bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft, weil kein sachlicher Grund für das Auskunftsverlangen existieren muss. Da kein Zusammenhang zwischen dem Informationsrecht der Gesellschafter und etwaigen Schadensersatzansprüchen besteht, liegt auch in der Zustimmung zur Feststellung des Jahresabschlusses kein genereller Verzicht eines Gesellschafters auf sein Informationsrecht für den zurückliegenden Zeitraum, genauso wenig wie in der Entlastung der Geschäftsführung oder der Zustimmung der Verwendung des Jahresergebnisses.5
4.289
Eine Grenze setzt lediglich der Rechtsmissbrauch,6 etwa wenn das Auskunftsverlangen gestellt wird, um die Tätigkeit der Geschäftsführung, der Gesellschafterversammlung oder der Gesellschaft zu behindern,7 bei offensichtlich querulatorischem Verhalten des Gesellschafters (z.B. tägliches oder wiederholendes Auskunftsbegehren) oder wenn die begehrte Information für den betreffenden Gesellschafter offensichtlich ohne jeglichen Wert ist.8 Bei der Ausübung seines Auskunfts- und Einsichtsrechts hat der Gesellschafter das schonendste Mittel zur Erfüllung seines Informationsbedürfnisses zu wählen.9 Schranken findet das Informationsrecht des § 51a GmbHG schließlich in entgegenstehenden Verbotsnormen wie z.B. den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder.10 Die Gesellschaft, die sich auf einen Ausschluss des Informationsrechts beruft, trägt dafür die Beweislast.11 1 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, BB 1986, 1531 (1532) = GmbHR 1986, 384; KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221. 2 K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 53; weitergehend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 100. 3 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (223). 4 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (223). 5 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (222). 6 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (223); Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 2; BayObLG v. 15.10.1999 – 3Z BR 239/99, GmbHR 1999, 1296. 7 K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 32 mit Hinweis auf weitere Informationsverweigerungsgründe. 8 Tietze, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1985, S. 105 ff., 174. 9 OLG Thüringen v. 14.9.2004 – 6 W 417/04, GmbHR 2004, 1588. 10 K. Müller, GmbHR 1987, 87. 11 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (223).
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§4
Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
Darüber hinaus können die Geschäftsführer gem. § 51a Abs. 2 GmbHG die Auskunft und Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der nachfragende Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen könnte. Derartige Fälle sind insbesondere gegeben, wenn der informationsbegehrende Gesellschafter ein Unternehmen betreibt, das zu der GmbH in einem Wettbewerbsverhältnis steht und die verlangte Information wettbewerbsrelevant ist.1 Dagegen ist grundsätzlich kein erheblicher Nachteil zu befürchten, wenn der Gesellschafter zum Zwecke der Veräußerung seiner Geschäftsanteile Informationen zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft verlangt.2 Die Geschäftsführer können die Erteilung der Information dann nur verweigern, wenn zuvor gem. § 51a Abs. 2 Satz 2 GmbHG ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter ergangen ist, bei dem der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist.3 Ohne Gesellschafterbeschluss ist die Verweigerung unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung rechtswidrig. Bis zur Abhaltung der Gesellschafterversammlung dürfen die Geschäftsführer, wenn sie mit der gebotenen Eile verfahren, vorübergehend die Auskunft verweigern, ohne pflichtwidrig zu handeln. Davon zu unterscheiden sind Vorratsbeschlüsse, durch die Informationen vorab und umfassend verweigert werden.4
4.290
§ 51a GmbHG knüpft das Auskunfts- und Einsichtsrecht an die Gesellschafterstellung in der GmbH ohne Rücksicht auf die Beteiligungsquote. Es entsteht mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung und endet mit deren Verlust.5 Ausgeschiedene oder ausgeschlossene Gesellschafter sind auf allgemeine Auskunftsansprüche (bspw. § 810 BGB) beschränkt.6 Hat der Gesellschafter seinen Anteil an der Gesellschaft schon verkauft aber noch nicht übertragen oder ist ein gegen ihn gerichtetes Entziehungsverfahren noch nicht abgeschlossen, steht ihm weiterhin das Recht zu, von der Gesellschaft Informationen nach § 51a GmbHG zu verlangen.7 Neugesellschafter können ihr Informationsrecht aber auch im Hinblick auf zurückliegende Ereignisse und Informationen geltend machen. Ein GmbH-Gesellschafter, der gleichzeitig Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, hat neben seinem Kontrollrecht aus § 166 HGB gegenüber der KG auch ein Informationsrecht aus § 51a GmbHG gegenüber der Komplementär-GmbH.
4.291
1 OLG München v. 11.12.2007 – 31 Wx 48/07, DB 2008, 115 = GmbHR 2008, 104. Ohne einstimmigen Gesellschafterbeschluss ist auch keine Weitergabe an Dritte im Rahmen einer Due Diligence möglich, LG Köln v. 26.3.2009 – 90 O 11/08, GmbHR 2009, 261. 2 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (224); vgl. auch Binz/Freudenberg/Sorg, BB 1991, 785. 3 Vgl. nur Bayer/Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 29; K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 42. 4 BGH v. 27.4.2009 – II ZR 167/07, DB 2009, 1227 = GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils. 5 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 346/87, GmbHR 1988, 434 (435) = NJW 1989, 225 = DB 1988, 2090; OLG Karlsruhe v. 11.12.1984 – 11 W 135/84, GmbHR 1985, 362. 6 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 346/87, GmbHR 1988, 434 (435) = NJW 1989, 225 m.w.N.; OLG Hamm v. 18.1.1993 – 8 U 132/92, GmbHR 1994, 127; hierzu: Grunewald, ZGR 1989, 545; BayObLG v. 1.7.1993 – 3Z BR 96/93, GmbHR 1993, 741. 7 OLG München v. 11.12.2007 – 31 Wx 48/07, GmbHR 2008, 104 f.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
4.292
Das Auskunfts-, Informations- und Kontrollrecht kann von dem GmbH-Gesellschafter nur persönlich geltend gemacht werden,1 eine unwiderruflich verdrängende Vollmacht ist regelmäßig unwirksam.2 Nicht informationsberechtigt sind daher der Treugeber und der Pfandgläubiger.3 Ob dem Nießbraucher an einem GmbH-Gesellschaftsanteil ein eigenes Informationsrecht nach § 51a GmbHG gegen die Gesellschaft zusteht, ist umstritten.4 Vorzugswürdig erscheint, dem Nießbraucher ein eigenes Informationsrecht neben dem Gesellschafter einzuräumen, soweit diese Informationen der Ausübung des Nießbrauchs dienen.5 Dem Nießbraucher stehen die Nutzungen der Mitgliedschaft zu;6 in diesem Zusammenhang kann er auf Informationen angewiesen sein.
4.293
Im Hinblick auf die Gesellschafterstellung kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtsausübung an. Der am Erwerb eines Gesellschaftsanteils interessierte Dritte hat daher als „Gesellschafter in spe“ kein eigenes Informationsrecht nach § 51a GmbHG, auch nicht zum Zweck einer Due Diligence-Prüfung.7
4.294
Das Informationsrecht richtet sich gegen die Gesellschaft und ist von den Geschäftsführern zu erfüllen.8 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 51b GmbHG) ist daher gegen die Gesellschaft zu richten.9 Die GmbH kann sich bei der Herausgabe von Unterlagen nicht darauf berufen, dass diese sich nicht in ihrem, sondern im Besitz der KG befinden, da sie als persönlich haftende Gesellschafterin Mitbesitz hat.10 Nicht vorhandene Unterlagen müssen von der GmbH beschafft werden, sofern dies rechtlich möglich ist, insbesondere bei Personenidentität der Gesellschafter.11
4.295
Das Auskunfts- und Einsichtsbegehren kann formlos und jederzeit geltend gemacht werden. Der Gesellschafter kann generell verlangen, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu erhalten. Er muss nicht sein Verlangen auf eine oder mehrere bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft konkretisieren.12 Fra1 Zur Wahrnehmung durch Treuhänder vgl. KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (222). Vgl. Binz/Freudenberg/Sorg, BB 1991, 785 zur höchstpersönlichen Ausübung des Kontrollrechts nach § 166 HGB. 2 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (222 m.w.N.). 3 Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 3. 4 Dafür K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, vor § 230 HGB Rz. 27; Hillmann in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 51a GmbHG Rz. 21; dagegen die wohl nach wie vor h.M. Zöllner in Baumbach/Hueck, § 51a GmbHG Rz. 6; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 51a GmbHG Rz. 3; Roth in Roth/Altmeppen, § 51a GmbHG Rz. 14; K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 12. 5 So auch K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, vor § 230 HGB Rz. 27; K. Schmidt in Gesellschaftsrecht, § 61 II 3. 6 K. Schmidt in Gesellschaftsrecht, § 61 II 3. 7 Götze, ZGR 1999, 202 ff.; Liese, DB 2008, 1806; vgl. auch K. Schmidt in Scholz, § 51a GmbHG Rz. 13. 8 OLG Karlsruhe v. 8.2.1984 – 15 W 42/83, GmbHR 1985, 59; KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221 (222). 9 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, GmbHR 1986, 384 = BB 1986, 1531; KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 232. 10 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, GmbHR 1986, 384 = BB 1986, 1531 (1532). 11 OLG Hamm v. 6.2.1986 – 8 W 52/85, GmbHR 1986, 384 = BB 1986, 1531 (1532). 12 KG v. 23.12.1987 – 2 W 6008/87, GmbHR 1988, 221.
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§4
Wettbewerbsverbote
gen müssen allerdings insoweit konkretisiert werden, dass der Geschäftsführer feststellen kann, über welchen konkreten Vorgang oder welche konkrete Angelegenheit der Gesellschafter Auskunft begehrt. Für die Durchsetzung des Informationsanspruches findet das Informationserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG Anwendung. Eine gerichtliche Geltendmachung setzt nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechtsschutzinteresses voraus, dass der Gesellschafter zuvor ohne Erfolg von der Geschäftsführung Auskunft und/ oder Einsicht verlangt hat. Auf die Informationsrechte ausgeschiedener oder ausgeschlossener Gesellschafter findet das Informationserzwingungsverfahren keine, auch keine analoge, Anwendung.1
4.296
F. Wettbewerbsverbote I. Einführung2 Zur Förderung des freien Wettbewerbs bestimmt § 1 GWB, dass u.a. Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten sind (sog. Kartellverbot). Wettbewerbsbeschränkende Abreden sind damit grundsätzlich unzulässig.3
4.297
Zum Schutz berechtigter Interessen können der Gesetzgeber und Private dennoch Wettbewerbsverbote begründen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn bestimmte Personen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beziehungen an Unternehmen beteiligt sind, die miteinander im Wettbewerb stehen, und damit die Gefahr droht, dass ein Beteiligter allein unter dem Gesichtspunkt der Förderung des einen Unternehmens – i.d.R. desjenigen, an dem er den größeren Anteil besitzt und damit auch den größeren Gewinn erhält – das andere Unternehmen und damit die dortigen Mitgesellschafter benachteiligt. Weiterhin besteht die Gefahr, dass er bei Zugang zu den Geschäftsgeheimnissen diese an konkurrierende Unternehmen zum Schaden des anderen weitergibt.
4.298
Maßgeblich bei der Interessenabwägung ist jeweils, inwieweit das Wettbewerbsverbot für den Bestand und die Erhaltung der Gesellschaft erforderlich ist. Dieser Schutz der Gesellschaft kann bei einer Interessenabwägung und insbesondere unter Berücksichtigung der durch § 1 GWB und § 138 BGB gesetzten Grenzen auch ein vertraglich vereinbartes zeitlich begrenztes Wettbewerbsverbot nach Beendigung der Beteiligung an der Gesellschaft rechtfertigen (sog. nachvertragliches Wettbewerbsverbot).
4.299
1 BayObLG v. 18.3.1991 – BReg. 3 Z 69/90, GmbHR 1991, 572 = NJW-RR 1991, 1252; OLG Frankfurt v. 21.8.1995 –20 W 124/95, GmbHR 1995, 901. 2 Ausführlich zu Wettbewerbsverboten in Gesellschaftsverträgen: Rudersdorf, RNotZ 2011, 509. 3 Zur Problematik gesellschaftsrechtlicher Wettbewerbsverbote und Kartellrecht vgl. BGH v. 6.12.1962 – KZR 4/62, NJW 1963, 646 = BB 1963, 250; BGH v. 21.2.1978 – KZR 6/77, GmbHR 1978, 107 ff.; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Kommentar z. GWB, Bd. II Teil 1, 5. Aufl. 2014, § 1 GWB m.w.N.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
II. Wettbewerbsverbote zulasten der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur KG 1. Gesetzliches Wettbewerbsverbot 4.300
Die Komplementäre der KG unterliegen einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot nach §§ 161 Abs. 2, 112, 113 HGB.1 Dieses gesetzlich normierte Wettbewerbsverbot bezweckt, die Gesellschaft vor Schäden zu bewahren, die insbesondere durch den Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen vertraulichen Informationen der Gesellschaft entstehen können. Das gesetzliche Wettbewerbsverbot ist Ausprägung der Treuepflicht der persönlich haftenden Gesellschafter und steht nicht im Widerspruch zu § 1 GWB.2 Gem. § 165 HGB gilt das Wettbewerbsverbot grundsätzlich nicht für die Kommanditisten der GmbH & Co. KG, da sie mangels Geschäftsführungsbefugnis nur beschränkte Informationsrechte haben (s. Rz. 4.259).3
4.301
Die Komplementär-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin einer KG darf ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter in dem Handelszweig der GmbH & Co. KG weder Geschäfte tätigen (§ 112 Abs. 1 Alt. 1 HGB) noch an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin teilhaben (§ 112 Abs. 1 Alt. 2 HGB). Ob in diesem Falle die Komplementär-GmbH auch die Geschäftsführung wahrnimmt oder von dieser ausgeschlossen ist, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes unerheblich.
4.302
Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Geschäfte für eigene oder für fremde Rechnung getätigt werden, ob der Gesellschafter Träger der Rechte und Pflichten wird oder er nur als aktiver Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft tätig wird.4 Es genügt, wenn die Komplementär-GmbH tatsächlichen Einfluss auf die Geschäftsführung hat.5
4.303
Bei der Beteiligung an einer gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin ist zum einen entscheidend, ob die andere Handelsgesellschaft ganz oder teilweise den gleichen Unternehmensgegenstand verfolgt, zum anderen, ob sich die Komplementär-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin (d.h. einer oHG, KG, oder KGaA) beteiligt. Die Beteiligung an einer konkurrierenden AG oder GmbH verstößt nicht gegen § 112 Abs. 1 Alt. 2 HGB6 (u.U. jedoch wegen eines tatsächlichen Einflusses auf die Geschäftsführung der AG oder GmbH gegen § 112 Abs. 1 Alt. 1 HGB). Beteiligt sich die Komplementär-GmbH an einer anderen Handelsgesellschaft als Kommanditistin oder als stiller Gesellschafter, so ist § 112 Abs. 1 Alt. 2 HGB schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig. Etwas anderes gilt aufgrund des Gesetzeszwecks ausnahmsweise, wenn die Komplementär-GmbH 1 Anders für die rein kapitalistische GmbH & Co. KG: OLG Frankfurt a.M. v. 15.4.1982 – 6 U 104/81, BB 1982, 1383 = ZIP 1982, 963, jedoch gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut. 2 BGH v. 6.12.1962 – KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (311 f.); BGH v. 21.2.1978 – KZR 6/77, WM 1978, 320; zu § 1 GWB im Einzelnen vgl. Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 112 HGB Rz. 32; Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 15 f.; Zimmer in Immenga/ Mestmäcker, Kommentar z. GWB, Bd. II Teil 1, 5. Aufl. 2014, § 1 GWB m.w.N. 3 S. auch Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 2. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 4 ff. 5 OLG Nürnberg v. 1.8.1980 – 1 U 74/80, BB 1981, 452. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 6.
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§4
Wettbewerbsverbote
in der anderen Handelsgesellschaft einem persönlich haftenden Gesellschafter vergleichbare Rechte innehat, d.h. eine beherrschende Stellung einnimmt.1 Eindeutig verstößt die Komplementär-GmbH gegen § 112 Abs. 1 Alt. 2 HGB, wenn sie in einer anderen GmbH & Co. KG mit dem gleichen Geschäftsgegenstand ebenfalls als persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) tätig ist. Das Wettbewerbsverbot der §§ 112, 113, 161 Abs. 2 HGB ist in den typischen Fällen unproblematisch, in denen die GmbH lediglich zur Übernahme der Komplementär-Rolle in der GmbH & Co. KG gegründet worden ist. Das Wettbewerbsverbot gewinnt aber an Bedeutung, wenn die GmbH vor der Gründung der GmbH & Co. KG bzw. vor ihrem Eintritt in die KG bereits einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten hat und dieser bisherige Gegenstand ihres Unternehmens mit dem der GmbH & Co. KG Überschneidungen aufweist. Hier kann die GmbH nur mit besonderer Einwilligung aller Gesellschafter einschließlich der Kommanditisten2 ihren bisherigen Unternehmensgegenstand weiterverfolgen.
4.304
2. Einwilligung Das Wettbewerbsverbot greift nicht, soweit eine Einwilligung aller Gesellschafter vorliegt. Die Einwilligung erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärungen der Gesellschafter gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter, wobei sie auch konkludent erteilt werden kann.3 Da die Gesellschafter der KG bei der Gründung i.d.R. davon ausgehen dürften, dass die Komplementär-GmbH sich allein der neuen GmbH & Co. KG widmet und allein dort tätig ist, stellt die konkludente Einwilligung eine Ausnahme dar. Eine (konkludente) Einwilligung ist von der Komplementär-GmbH darzulegen und zu beweisen.4 Soll die Komplementär-GmbH von dem Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB befreit werden, empfiehlt sich daher eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung, möglichst im Gesellschaftsvertrag.
4.305
Nach § 112 Abs. 2 HGB wird eine Einwilligung unwiderleglich vermutet, wenn die Kommanditisten der GmbH & Co. KG beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit der Komplementär-GmbH von ihrer Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin an einer gleichartigen Gesellschaft positive Kenntnis haben und gleichwohl die Aufgabe dieser Beteiligung nicht ausdrücklich (d.h. eindeutig, nicht notwendig schriftlich5) vereinbart wird. Die unwiderlegliche Vermutung gilt ebenfalls (in analoger Anwendung) bei Eintritt der GmbH in die KG.6
4.306
Trotz Einwilligung darf der Gesellschafter aufgrund der allgemeinen Treuepflicht aber dennoch nicht der Gesellschaft zuzuordnende konkrete Geschäftschancen für eigene Zwecke nutzen.7
4.307
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 6; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 112 HGB Rz. 25; vgl. auch Armbrüster, ZIP 1997, 261, der eine analoge Anwendung befürwortet. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 1. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 11; Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 112 HGB Rz. 23, 26. 4 Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 112 HGB Rz. 26. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 10. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 10. 7 Emmerich in Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1996, § 112 HGB Rz. 17.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
3. Abweichende vertragliche Vereinbarungen 4.308
Das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB kann durch den Gesellschaftsvertrag verschärft, eingeschränkt oder abbedungen werden, und zwar für alle oder einzelne Gesellschafter.1 Ein pauschales Verbot jedweder (also auch nicht konkurrierender) unternehmerischer Tätigkeiten unterliegt allerdings dem Sittenwidrigkeitsverbot des § 138 BGB, insbesondere bei einer langfristigen Bindung.2
4.309
Darüber hinaus muss das vertragliche Wettbewerbsverbot mit § 1 GWB vereinbar sein. Geht das vertragliche Wettbewerbsverbot über den Regelungsgehalt des § 112 HGB hinaus, steht es nur im Einklang mit § 1 GWB, wenn es zum Schutz der Gesellschaft notwendig und durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht geboten ist.3 Das Wettbewerbsverbot muss in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht vor § 1 GWB und vor § 138 BGB Bestand haben. Sachlich darf sich das vertragliche Wettbewerbsverbot nur auf den tatsächlichen Unternehmensgegenstand der Gesellschaft und den für sie relevanten Markt erstrecken.4 Auch der örtliche Geltungsbereich des Verbotes ist auf den für die Gesellschaft räumlich relevanten Markt beschränkt. Ob ein Wettbewerbsverbot über den Zeitpunkt des Ausscheidens der Komplementär-GmbH hinaus gelten darf, hängt davon ab, inwieweit dies für den Bestand der GmbH & Co. KG erforderlich ist (s. zu den Unterschieden bei einem Kommanditisten Rz. 4.315 ff.). Grundsätzlich sieht die Rechtsprechung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft als mit § 1 GWB und § 138 BGB vereinbar an.5 Gestaltungshinweis: Es ist ratsam, im Gesellschaftsvertrag Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbots, insbesondere seine sachlichen, zeitlichen und räumlichen Grenzen, unter Beachtung von § 1 GWB und § 138 BGB konkret zu regeln und Verstöße ggf. durch eine Vertragsstrafe zu sanktionieren.
4. Folgen eines Verstoßes 4.310
Verstößt die Komplementär-GmbH gegen das Wettbewerbsverbot, hat die GmbH & Co. KG einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 161 Abs. 2, 113 Abs. 1 Halbs. 1 HGB). Daneben kann sie ihr Eintrittsrecht (§§ 161 Abs. 2, 113 Abs. 1 Halbs. 2 HGB) oder Unterlassungsansprüche geltend machen.
4.311
Der Schadensersatzanspruch umfasst neben einer Vermögensminderung (§ 249 BGB) gem. § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn. Bei der Bestimmung des entgangenen Gewinnes kann nur dann auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn aus dem Konkurrenzgeschäft abgestellt werden, soweit die Gesellschaft beweisen kann, dass sie andernfalls das Geschäft selbst abgeschlossen hätte.6 Sofern der entgangene Gewinn nicht höher ist als der von der Wettbewerbsgesellschaft tatsäch1 2 3 4
Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 12 f. BGH v. 12.7.1962 – II ZR 13/61, BGHZ 37, 381 (384). Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 82. Martens in Schlegelberger, § 165 HGB Rz. 21; a.A. Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 55. 5 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 = GmbHR 1984, 234; BGH v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309. 6 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 60.
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§4
Wettbewerbsverbote
lich erwirtschaftete, ist das Eintrittsrecht gem. § 113 HGB aufgrund seiner geringeren Voraussetzungen vorzugswürdig.1 Das Eintrittsrecht des § 113 Abs. 1 Alt. 2 HGB gewährt ebenfalls den Gewinn, den nunmehr das konkurrierende Unternehmen aus diesem Geschäft erzielt hat. Dabei muss die Gesellschaft jedoch keinen Schaden nachweisen.2 Im Gegenzug ist sie verpflichtet, die Verluste und Aufwendungen der Konkurrenzgesellschaft zu ersetzen.3 Das Eintrittsrecht entfaltet keine Außenwirkung; es beschränkt sich auf das Innenverhältnis zwischen den konkurrierenden Gesellschaften.4
4.312
Daneben bestehen bei weiterhin drohenden Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot Unterlassungsansprüche, die entweder die übrigen Gesellschafter geltend machen können oder jeder einzelne Mitgesellschafter, also auch jeder Kommanditist.5 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann zudem ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Gesellschafters (hier der Komplementär-GmbH) aus der GmbH & Co. KG nach §§ 161 Abs. 2, 140 HGB sein (s. zu den Einzelheiten Rz. 8.235).
4.313
Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bzw. Eintrittsrechts erfordert grds. gem. § 113 Abs. 2 HGB einen einstimmigen Beschluss der übrigen Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch abweichende Mehrheitserfordernisse vorsehen. Hat die GmbH & Co. KG die Geltendmachung des Anspruchs beschlossen, kann der Anspruch nicht nur von der GmbH & Co. KG selbst, sondern im Wege der actio pro socio auch von jedem Gesellschafter der GmbH & Co. KG geltend gemacht werden.6 Liegt in der Tätigkeit der Komplementär-GmbH gleichzeitig eine schwere Verletzung ihrer Geschäftsführungspflichten, soll es den übrigen Gesellschaftern erlaubt sein, bereits ohne Gesellschafterbeschluss Schadensersatz, Auskunftserteilung und Rechnungslegung im Wege der actio pro socio zu verlangen.7
4.314
III. Wettbewerbsverbote zulasten der Kommanditisten 1. Zugunsten der GmbH & Co. KG Gemäß § 165 HGB findet § 112 Abs. 1 HGB auf die Kommanditisten der GmbH & Co. KG keine Anwendung. Kommanditisten unterliegen damit grundsätzlich kei-
1 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 61; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 28. 2 Doehner/Hoffmann, MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 28. 3 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 64; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 30. 4 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 61; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 30. 5 OLG Nürnberg v. 1.8.1980 – 1 U 74/80, BB 1981, 452; Roth in Baumbach/Hopt, § 113 HGB Rz. 4. 6 Emmerich in Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1996, § 113 HGB Rz. 15; Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht § 113 HGB Rz. 32; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 113 HGB Rz. 37. 7 Emmerich in Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1996, § 113 HGB Rz. 12a; ebenso Roth in Baumbach/Hopt, § 113 HGB Rz. 4; Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 78 m.w.N.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
nem gesetzlichen Wettbewerbsverbot.1 Da ein Kommanditist typischerweise gem. §§ 164, 166 HGB nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist und aufgrund seiner eingeschränkten Kontrollrechte typischerweise nicht oder in weit geringerem Umfang an Geschäftsgeheimnisse gelangt, ist die Gefahr einer Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen und die Entziehung von Geschäftschancen zugunsten eines konkurrierenden Unternehmens regelmäßig nicht gegeben oder zumindest stark verringert. 4.316
Auch wenn der Kommanditist nicht dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 112 HGB unterliegt, ist er aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht dennoch verpflichtet, auf die Belange der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen und das Gesellschaftsinteresse nicht zu gefährden.2 Wie weit diese Rücksichtnahmepflicht geht, bestimmt sich nach dem Einfluss des Kommanditisten auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG im Einzelfall. Grundsätzlich führt eine konkurrierende Tätigkeit des Kommanditisten lediglich dazu, dass er die ihm zustehenden Einsichtsrechte nicht selbst, sondern nur durch Sachverständige wahrnehmen darf, die kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Rechtsanwälte).3 Damit ist der Gefahr begegnet, dass durch den Kommanditisten gewonnene Kenntnisse zu wettbewerbswidrigen Zwecken und zum Nachteil der Gesellschaft verwendet werden. Eines Wettbewerbsverbots bedarf es in diesen Fällen nicht.
4.317
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch dann gerechtfertigt, wenn der Kommanditist so maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann, dass seine Stellung mit der eines Komplementärs vergleichbar ist. In diesem Fall unterliegt er dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot analog §§ 112, 113 HGB.4 Bei beherrschendem Einfluss gelangt der Kommanditist eher an interne Informationen, die er zum Nachteil der Gesellschaft nutzen kann, sodass eine entsprechende Anwendung des Wettbewerbsverbotes gerechtfertigt erscheint.5 Dies gilt insbesondere, wenn: – der Kommanditist ausnahmsweise selbst die Geschäftsführung wahrnimmt,6 – dem Kommanditisten erweiterte Kontroll- und Informationsrechte zukommen, die ihn in die Lage versetzen, vertrauliche Informationen über die Gesellschaft zu erlangen oder seinen Willen gegenüber der Geschäftsführung durchzusetzen,7 – die Mehrheitsbeteiligung eines Kommanditisten oder die Ausgestaltung des Ge-
1 2 3 4
Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 2. Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 3. Roth in Baumbach/Hopt, § 166 HGB Rz. 7. BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, GmbHR 1984, 203 = ZIP 1984, 446; BGH v. 4.12.2001 – X ZR 167/99, 08, OLG Frankfurt v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, NZG 2009, 903; Schlitt/MaierReinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 33; ebenso Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 3; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 135. 5 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 33. 6 Überw. A.: Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 3; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 48, 49; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 165 HGB Rz. 3; a.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 165 HGB Rz. 9; Armbrüster, ZIP 1997, 261: allein erweiterte Informationsrechte führten nicht zu einem Wettbewerbsverbot. 7 Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 135; Martens in Schlegelberger, § 165 HGB Rz. 17; K. Müller, NJW 2007, 1724; a.A. Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 33.
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§4
Wettbewerbsverbote
sellschaftsvertrags ihm maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft verschafft.1 Bei der Frage, ob der Kommanditist aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung bzw. der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags einen maßgeblichen Einfluss ausübt, orientiert sich die Rechtsprechung an konzernrechtlichen Kategorien. Ein maßgeblicher Einfluss wurde bejaht:
4.318
– Im „Werbeagentur“-Urteil hat sich der BGH für die analoge Anwendung des Wettbewerbsverbotes auf einen Kommanditisten ausgesprochen, der jeweils zu 80 % am Kommanditkapital und Stammkapital beteiligt war.2 – Darüber hinaus ist ein Einfluss anzunehmen, wenn der Kommanditist zwar keine Geschäftsanteile an der GmbH besitzt, aber an der KG mehrheitsbeteiligt ist und aufgrund der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der KG einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann.3 – Handelt es sich bei dem beherrschenden Gesellschafter um eine Zwischenholding, erstreckt sich das Wettbewerbsverbot auch auf die Muttergesellschaft, insbesondere wenn diese zu 100 % an dem herrschenden Unternehmen beteiligt ist.4 – Eine die Gesellschaft beherrschende Stellung kraft Mehrheitsbeteiligung ist auch dann anzunehmen, wenn den Gesellschaftern die Stimmanteile anderer Gesellschafter zuzurechnen sind, wie beispielsweise im Falle eines Stimmbindungsvertrags. Hingegen reicht es für eine Zurechnung nach der Rechtsprechung nicht aus, dass der Gesellschafter durch widerrufliche Vollmacht ermächtigt ist, das Stimmrecht anderer Gesellschafter auszuüben.5 – Nach umstrittener, aber richtiger Ansicht kann ein maßgeblicher Einfluss auch aufgrund einer Sperrminorität angenommen werden, wenn der Kommanditist wesentliche Entscheidungen blockieren kann.6 Offengelassen hat die Rechtsprechung im Falle von Mehrheitsgesellschaftern bislang, ob die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung ausreicht oder ob der Kommanditist von seiner Einflussmöglichkeit auch tatsächlich Gebrauch machen muss, damit angenommen werden kann, er nehme eine beherrschende Stellung innerhalb der KG ein.7 Nach überwiegender Auffassung reicht al1 BGH v. 4.12.2001 – X ZR 167/99, ZIP 2002, 479 (480); BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, WM 2009, 1138 (1139) = GmbHR 2009, 881; KG v. 6.3.2014 – 2 W 1/14, NZG 2014, 1058; Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 3; Sudhoff/Schulte, Personengesellschaften, § 11 Rz. 41 f. („wesentliche“ Beteiligung); Martens in Schlegelberger, § 165 HGB Rz. 16; a.A. Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 165 HGB Rz. 10 (allein das Halten einer Mehrheitsbeteiligung ändere noch nichts an der Grundregel des § 165 HGB); Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 165 HGB Rz. 14. 2 BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162. 3 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 36 m.w.N. 4 BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 (165); Roth in Baumbach/Hopt, § 112 HGB Rz. 2; Doehner/Hoffmann in Münch Hdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 51; Löffler, NJW 1986, 223. 5 OLG Frankfurt v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, DB 2009, 1640 (1642). 6 Martens in Schlegelberger, § 165 HGB Rz. 17; Doehner/Hoffmann in Münch Hdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 50; a.A. Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 165 HGB Rz. 15; K. J. Müller, NJW 2007, 1724 (1726 f.). 7 BGH v. 5.2.1979 – II ZR 210/76, AG 1980, 47; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas, § 165 HGB Rz. 8; Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 35.
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Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
lein die Möglichkeit aus, ohne dass die tatsächliche Einflussnahme nachgewiesen werden muss.1 Es bestehe nach allgemeiner Lebenserfahrung die Vermutung, dass ein Kommanditist auch von der Möglichkeit zur Einflussnahme Gebrauch macht.2 4.320
Wird Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag ein Wettbewerbsverbot nach Maßgabe der §§ 112, 113 HGB auferlegt, ist dieses an § 138 BGB und § 1 GBW zu messen.3 Vertraglichen Wettbewerbsverboten sind demnach sachliche, zeitliche und räumliche Grenzen gesetzt (s. Rz. 4.309). Demnach ist ein Wettbewerbsverbot nur insoweit gestattet, als es zur gesellschaftstreuen Mitarbeit und für die Funktionserhaltung der KG notwendig ist.4
2. Zugunsten der Komplementär-GmbH 4.321
Geschäftsgegenstand der Komplementär-GmbH ist typischerweise ausschließlich die Geschäftsführung und Vertretung der GmbH & Co. KG, so dass bereits aus diesem Grund der Geschäftsbetrieb der GmbH so begrenzt ist, dass der Kommanditist kaum eine konkurrierende Tätigkeit vornehmen kann. Gegen ein Wettbewerbsverbot zulasten des Kommanditisten im Verhältnis zur Komplementär-GmbH spricht, dass ein solches gesetzlich nicht normiert ist und grds. auch keine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des Kommanditisten der GmbH & Co. KG im Verhältnis zur GmbH besteht.5 Unterliegt der Kommanditist schon im Verhältnis zur GmbH & Co. KG i.d.R. keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot (s. Rz. 4.315), so gilt dies erst recht gegenüber der Komplementärin der KG. Etwas anderes kann gelten, wenn der Kommanditist zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist.
3. Folgen eines Verstoßes 4.322
Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot zulasten des Kommanditisten richten sich primär nach der vertraglichen Ausgestaltung. Gilt ausnahmsweise das gesetzliche Wettbewerbsverbot, so kann die Gesellschaft analog § 113 HGB Schadensersatz bzw. ihr Eintrittsrecht geltend machen.6 Ebenso bestehen bei drohender Wiederholung Unterlassungsansprüche (s. Rz. 4.313). Da das Wettbewerbsverbot zugunsten der GmbH & Co. KG besteht, muss die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH diese Ansprüche geltend machen. Auch kann der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund für die Ausschließung des Kommanditisten aus der GmbH & Co. KG nach §§ 161 Abs. 2, 140 HGB bilden (s. zu den Einzelheiten Rz. 8.235). 1 BGH v. 5.2.1979 – II ZR 210/76, AG 1980, 47; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 165 HGB Rz. 8; Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 35. 2 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 33; Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 165 HGB Rz. 18. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 165 HGB Rz. 4; Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 112 HGB Rz. 37. 4 BGH v. 23.6.2009 – KZR 58/07, ZIP 2009, 2263; BGH v. 21.2.1978 – KZR 6/77, GmbHR 1978, 107; KG v. 6.3.2014 – 2 W 1/14, NZG 2014, 1058; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 141 ff. m.w.A. 5 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 134. 6 Martens in Schlegelberger, § 165 HGB Rz. 126 ff.
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Wettbewerbsverbote
IV. Wettbewerbsverbote zulasten der GmbH-Gesellschafter 1. Zugunsten der GmbH Der Nur-Gesellschafter der Komplementär-GmbH unterliegt grundsätzlich keinem Wettbewerbsverbot.1 Die Rechtsprechung hat aber in Übereinstimmung mit dem Schrifttum ein solches Wettbewerbsverbot aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht analog § 112 HGB für solche Gesellschafter hergeleitet, die maßgeblich auf die Geschicke des Unternehmens kraft ihrer Gesellschafterstellung einzuwirken vermögen.2 Im Übrigen kann ein solches Verbot vertraglich vereinbart werden. Hierbei ist aber wiederum der durch § 138 BGB gesetzte Rahmen ebenso zu beachten wie die Schranken des § 1 GWB. Zugunsten der GmbH wird sich in aller Regel schon deshalb kein Wettbewerbsverbot herleiten lassen, da sie nur die Komplementärstellung in der KG innehat und daher Überschneidungen mit dem Unternehmensgegenstand der GmbH kaum denkbar sind.
4.323
2. Zugunsten der GmbH & Co. KG Das gesetzliche Wettbewerbsverbot der §§ 161 Abs. 2, 112, 113 HGB gilt nicht für die Gesellschafter der GmbH; nicht sie sind, sondern die GmbH ist Komplementärin der GmbH & Co. KG. Damit besteht kein gesetzliches Wettbewerbsverbot der GmbH-Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH & Co. KG. Umstritten ist, ob dennoch ein Wettbewerbsverbot der GmbH-Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH & Co. KG begründet werden kann. Teilweise wird dies abgelehnt, da die GmbH-Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH & Co. KG keine unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten treffe, sodass daraus auch kein Wettbewerbsverbot abgeleitet werden könne.3 Allenfalls soll dann die GmbH aufgrund ihrer eigenen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Komplementärin gegenüber der GmbH & Co. KG verpflichtet sein, so weit wie möglich auf ihre Gesellschafter einzuwirken, dass diese keine Handlungen vornehmen, die der GmbH & Co. KG Schaden zufügen können.4 Angesichts der besonderen Verzahnung der GmbH und KG kann dies jedoch nicht überzeugen.5 Unterwirft die Rechtsprechung den Kommanditisten dem Wettbewerbsverbot, wenn dieser maßgeblichen Einfluss auf die KG ausübt (s. Rz. 4.317), so muss das Wettbewerbsverbot ebenfalls für den GmbH-Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH & Co. KG gelten, wenn dieser eine absolute Mehrheit des Stammkapitals der GmbH hält und er daher die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG mittelbar beeinflussen kann.6 In diesem Fall ist eine konkur1 Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 23. 2 BGH v. 30.11.2004 – X ZR 109/02, DB 2005, 382; vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, § 13 GmbHG Rz. 28; Bayer in Hommelhoff/Lutter, § 14 GmbHG Rz. 26; von der Osten, GmbHR 1989, 450; BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203. 3 Vgl. Mussaeus in 20. Aufl. 2009, § 4 Rz. 270. 4 Vgl. Mussaeus in 20. Aufl. 2009, § 4 Rz. 270; a.A. Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 48. 5 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 48; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 26; Henze, ZHR 175 (2011), S. 1 ff. 6 Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 52 Rz. 26; Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 48.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
rierende Tätigkeit des GmbH-Gesellschafters ebenso gefährlich für die GmbH & Co. KG wie eine Konkurrenztätigkeit des Kommanditisten (s. Rz. 4.318).1
V. Wettbewerbsverbote zulasten der GmbH-Geschäftsführer 1. Zugunsten der GmbH 4.325
Zwar kann ein Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich Nebentätigkeiten ausüben, sofern ihm dies nicht im Anstellungsvertrag verboten ist. Obwohl aber weder für den Gesellschafter noch für den Geschäftsführer einer GmbH ein gesetzliches Wettbewerbsverbot normiert ist, besteht Einigkeit, dass den GmbH-Geschäftsführern grundsätzlich jeder Wettbewerb mit der GmbH verboten ist.2
4.326
Dieses Wettbewerbsverbot wird aus der Treuepflicht des Geschäftsführers gegenüber der GmbH hergeleitet.3 Diese Pflicht verbietet es ihm, Geschäftschancen, die der Gesellschaft gebühren, selbst wahrzunehmen und auf eigene Rechnung zu verwerten.4 Nach h.M. umfasst das Wettbewerbsverbot eine Tätigkeit als Geschäftsführer oder eine sonstige leitende Tätigkeit in einer anderen Gesellschaft desselben Geschäftszweigs; ebenso ist dem Geschäftsführer eine eigene unternehmerische Tätigkeit im selben Geschäftsbereich verboten.5 Der Geschäftsbereich der GmbH wird hierbei durch den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand definiert, auch wenn die GmbH in diesem Bereich zwar derzeit noch nicht tätig wurde, jedoch jederzeit tätig werden kann.6
4.327
Eine Befreiung des Geschäftsführers vom Wettbewerbsverbot ist vertraglich möglich und muss im Anstellungsvertrag als Ausnahme ausdrücklich vorgesehen werden.7 Der zeitliche Rahmen des Wettbewerbsverbots erstreckt sich auf die Tätigkeit bei 1 Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 48, 2 Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 153 ff. m.w.N.; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 360 ff.; Haas/Ziemons in Beck’scher Online-Komm. GmbHG, 22. Aufl., § 43 GmbHG Rz. 155 ff.; Bauer/Diller in Wettbewerbsverbote: rechtliche und taktische Hinweise für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Organmitglieder, 7. Aufl. 2015, § 24 II 1 Rz. 1027 ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 261; Haß, GmbHR 1994, 666; Keller, GmbHR 2005, 1235; Messer in FS Ullmann, 2006, S. 769. 3 Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rz. 29 ff.; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 367; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 97. 4 BGH v. 25.4.1983 – II ZR 170/82, GmbHR 1983, 301; BGH v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, GmbHR 1986, 42; BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, GmbHR 1989, 365. 5 Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rz. 30 ff.; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 100 f.; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 163; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 41. 6 Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 361 f.; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 100 f. 7 Allg.M. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 46; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 367; Bauer/Diller in Wettbewerbsverbote: rechtliche und taktische Hinweise für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Organmitglieder, 7. Aufl. 2015, § 24 II 3 Rz. 1032. Zur vermuteten Einwilligung nach § 112 Abs. 2 HGB analog, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer bereits bei Gründung der GmbH in einem Wettbewerbsverhältnis steht, Tillmann in FS Felix, 1989, S. 507 ff.; vgl. auch Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 21.
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§4
Wettbewerbsverbote
der GmbH, d.h. auf das Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer. Ein darüber hinausgehendes Wettbewerbsverbot bedarf einer vertraglichen Grundlage.1 Angemessen ist i.d.R. ein Zeitraum von zwei Jahren.2 Längere Fristen können nur in Einzelfällen gerechtfertigt sein.3 Sofern ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot über Kunden- und Mandantenschutzklauseln hinausgeht, ist nach h.M. eine Karenzentschädigung nötig.4
2. Zugunsten der GmbH & Co. KG Das Wettbewerbsverbot gem. §§ 161 Abs. 2, 112, 113 HGB gilt nach seinem Wortlaut nicht für den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, und zwar unabhängig davon, ob er Nur-Geschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer ist. Beide sind insoweit keine Gesellschafter der GmbH & Co. KG. Dies sind allein die GmbH und die Kommanditisten. Soweit die Geschäftsführer Kommanditisten sind, gelten die für die Kommanditisten dargestellten Grundsätze (s. Rz. 4.316 ff.). Im Ergebnis besteht allerdings Einigkeit, dass der GmbH-Geschäftsführer auch einem Wettbewerbsverbot zugunsten der GmbH & Co. KG unterliegt.
4.328
Dazu wird zum Teil das Wettbewerbsverbot zulasten der GmbH gem. § 112 HGB auch auf den Geschäftsführer erstreckt,5 andere leiten ein Wettbewerbsverbot aus der Schutzwirkung des Anstellungsvertrags zugunsten der GmbH & Co. KG ab.6 Die Gefahr der Informationsnutzung zugunsten konkurrierender Unternehmen sowie die Möglichkeit, der GmbH & Co. KG Geschäfte zugunsten eines anderen Un-
4.329
1 Zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vgl. BGH v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, GmbHR 1990, 77; OLG Hamm v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259; BGH v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, BB 2002, 800 = GmbHR 2002, 431; von der Osten, GmbHR 1989, 450; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, S. 168 ff. 2 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 7; BGH v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584; BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, GmbHR 2005, 1117 m. Komm. Blöse; Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 178; Haas/Ziemons in Michalski, § 43 GmbHG Rz. 150; Bauer/Diller in Wettbewerbsverbote: rechtliche und taktische Hinweise für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Organmitglieder, 7. Aufl. 2015, § 24 VI 3. Rz. 1058. 3 BGH v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 25; Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 374; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 100, Erstreckung bis auf vier Jahre sei möglich; Thüssing, NZG 2004, 9; vgl. aber BGH v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717, ein umfassendes Wettbewerbsverbot für drei Jahre ist regelmäßig unwirksam. 4 Jaeger in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 35 GmbHG Rz. 379; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 202; Bauer/Diller in Wettbewerbsverbote: rechtliche und taktische Hinweise für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Organmitglieder, 7. Aufl. 2015, § 24 VII 1 Rz. 1073 ff.; Heller, GmbHR 2000, 371; a.A. Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 GmbHG Rz. 254; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 GmbHG Rz. 25. 5 Hierfür Armbrüster, ZIP 1997, 261; Cahn, Der Konzern 2007, 716; Hoffmann-Becking, ZHR 175 (2011), 597; OLG Köln v. 10.1.2008 – 18 U 1/07, NZG 2009, 306 (307) = GmbHR 2008, 1103 für Gesellschafter-Geschäftsführer; a.A. BGH für die AG & Co. KG in BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, NZG 2009, 744 (1. Leitsatz) = GmbHR 2009, 881. 6 BGH v. 24.3.1980, II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (337 f.) = GmbHR 1980, 179; BGH v. 17.3. 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190 (193) = GmbHR 1987, 304; Henze/Notz in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn § 177a HGB Anh. A Rz. 134; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 82; Weller, ZHR 175 (2011), 110.
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§4
Gesellschaftsorgane/gesellschaftsinterne Rechtsverhältnisse
ternehmens zu entziehen, sind beim Geschäftsführer in gleicher Weise wie bei der Komplementärin gegeben. 4.330
Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers mit der Komplementär-GmbH kann ein Wettbewerbsverbot zugunsten der GmbH & Co. KG ausdrücklich vereinbart werden. Dabei besteht die Möglichkeit, das Wettbewerbsverbot auch auf einen nachvertraglichen Zeitraum zu erstrecken. Hier sind jedoch die sachlichen, räumlichen und insbesondere zeitlichen Grenzen der § 1 GWB und § 138 BGB zu beachten (s. Rz. 4.309). Eine Karenzentschädigung ist auch in diesem Fall erforderlich. Dies lässt sich aus dem Zweck der Karenzentschädigung ableiten, die Nachteile des Wettbewerbsverbots für das berufliche Fortkommen des betroffenen Geschäftsführers auszugleichen. Ähnlich wie im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der GmbH könnte ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot nach § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG unwirksam sein.1
4.331
Gestaltungshinweis: Die Aufnahme eines ausdrücklichen Wettbewerbsverbots sowie eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hinsichtlich des Geschäftszweiges der GmbH & Co. KG zugunsten der GmbH & Co. KG in Verbindung mit einer Vertragsstrafe in den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers in den Grenzen des § 1 GWB und § 138 BGB ist zum Schutz der GmbH & Co. KG zu empfehlen.
3. Folgen eines Verstoßes 4.332
Verstößt der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, stehen der GmbH ebenso wie der GmbH & Co. KG Ansprüche auf Schadensersatz oder wahlweise auf Gewinnherausgabe nach § 675 i.V.m. § 667 BGB bzw. nach § 687 Abs. 2 i.V.m. §§ 681, 667 BGB zu.2 Darüber hinaus hat die jeweilige Gesellschaft bei weiterhin drohender Verletzung einen Unterlassungsanspruch.3 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann einen wichtigen Grund für die Abberufung des Geschäftsführers begründen.4
VI. Wettbewerbsverbote zulasten der Mitglieder des Aufsichtsoder Beirats 4.333
Sowohl die Komplementär-GmbH als auch die GmbH & Co. KG können einen Aufsichtsrat oder Beirat zu Zwecken der Kontrolle und Beratung der Geschäftsführung einrichten. Gegebenenfalls besteht bei der Komplementär-GmbH sogar eine gesetzliche Verpflichtung, einen Aufsichtsrat zu errichten (s. zuvor Rz. 4.174 ff.).
1 Vgl. aber Schlitt/Maier-Reinhardt in Reichert, GmbH & Co. KG, § 27 Rz. 58. 2 Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 166 m.w.N. 3 Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 43 GmbHG Rz. 262; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, § 35 GmbHG Rz. 202; Thüssing, NZG 2004, 9. 4 BGH v. 19.10.1987 – II ZR 97/87, GmbHR 1988, 100; Michalski/Funke in Michalski, § 13 GmbHG Rz. 278; Görner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 34 GmbHG Rz. 83.
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§4
Wettbewerbsverbote
1. Wettbewerbsverbot zulasten der Mitglieder des Aufsichtsrats der Komplementär-GmbH Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot zulasten der Mitglieder des Aufsichtsrats der GmbH ist nicht normiert. Nach allgemeiner Auffassung trifft die Aufsichtsratsmitglieder jedoch eine Loyalitätspflicht, die es den Mitgliedern verbietet, gesellschaftsinterne Informationen, die sie aufgrund ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat erlangt haben, zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines anderen Unternehmens, mit dem das Aufsichtsratsmitglied aufgrund seiner Beteiligung oder seiner Position als Arbeitnehmer verbunden ist, auszunutzen.1 Ein darüber hinausgehendes allgemeines Wettbewerbsverbot wird überwiegend abgelehnt, da es sich bei dem Aufsichtsratsmandat primär um eine Nebentätigkeit handelt und die Anforderungen an die Mitglieder nicht überspannt werden dürften.2 Möglich sei es jedoch, ein solches in der Satzung vorzusehen. Teilweise wird auch ein generelles Wettbewerbsverbot der Aufsichtsratsmitglieder angenommen, da das Aufsichtsratsmitglied zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion verpflichtet sei, sich umfassend zu informieren, sodass die Gefährdungslage der Gesellschaft ein Wettbewerbsverbot erfordere.3
4.334
2. Wettbewerbsverbot zulasten der Mitglieder des Aufsichtsrats der GmbH & Co. KG Ebenso wenig ist ein Wettbewerbsverbot zulasten der Aufsichtsratsmitglieder der GmbH & Co. KG gesetzlich vorgesehen. Jedoch verbietet es die dem Aufsichtsratsmitglied obliegende Treuepflicht, Geschäftsgeheimnisse zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines anderen Unternehmens zu nutzen, zu dem es aufgrund seiner Beteiligung oder seiner Position als Geschäftsführer oder Arbeitnehmer in Beziehung steht.4 Ob darüber hinaus ein allgemeines Wettbewerbsverbot besteht, hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Aufgaben der Aufsichtsrat betraut ist.5 Zumeist wird ein Wettbewerbsverbot bejaht, soweit der Aufsichtsrat mit der Geschäftsführung der GmbH & Co. KG betraut ist (soweit dies überhaupt zulässig ist, s. Rz. 4.218).6 Soll der Aufsichtsrat nur die Geschäftsführung überwachen oder hat er primär beratende Funktion, so soll kein generelles Konkurrenzverbot angenommen werden können.7 Allerdings besteht auch insoweit die Möglichkeit, vertraglich ein Wettbewerbsverbot zu vereinbaren.8 1 Giedinghagen in Michalski, § 52 GmbHG Rz. 181; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 68. 2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rz. 68; Heermann in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 52 GmbHG Rz. 138; Giedinghagen in Michalski, § 52 GmbHG Rz. 181. 3 Uwe H. Schneider in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 506; Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1278); Spindler in MünchKomm. GmbHG, 2012, § 52 GmbHG Rz. 580; Fleck, GmbHR 1995, 880 (883); Kellermann in FS Fischer, 1979, S. 307 (316). 4 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 74. 5 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 134. 6 Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 74; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 58a; jedenfalls gegen ein allgemeines Wettbewerbsverbot Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 134. 7 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rz. 134; Mutter in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 8 Rz. 74; Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 58a. 8 Doehner/Hoffmann in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 16 Rz. 58a.
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4.335
§5 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten A. Vertretung der GmbH & Co. KG 5.1
Im Verhältnis zu Dritten wird die GmbH & Co. KG organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten, die wiederum durch ihre Geschäftsführer gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vertreten wird. Die beschränkt haftenden Kommanditisten sind gem. § 170 HGB zwingend von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen (Rz. 5.25). Die Vertretungsmacht im Außenverhältnis gegenüber Dritten ist von der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis zu unterscheiden (Rz. 4.6).
I. Komplementär-GmbH als Vertreter der GmbH & Co. KG 5.2
Die Vertretung der typischen GmbH & Co. KG, bei der die GmbH die einzige persönlich haftende Gesellschafterin ist, obliegt der Komplementär-GmbH. Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, besteht grundsätzlich Einzelvertretungsmacht (§§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB).
5.3
Die Vertretungsmacht der GmbH erstreckt sich dabei auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen, einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken, der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura (§ 126 Abs. 1 HGB) sowie der Kündigung einer stillen Gesellschaft mit der GmbH & Co. KG.1 Eine Beschränkung dieses gesetzlich festgelegten Umfangs der Vertretungsmacht ist – unabhängig von den Beschränkungen im Innenverhältnis – gegenüber Dritten gem. §§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB unwirksam.
5.4
Ist die GmbH die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG, kann ihr die Vertretungsmacht weder entzogen noch kann diese beschränkt werden.2 Dies würde gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft verstoßen, wonach die Vertretung durch einen persönlich haftenden Gesellschafter zum Wesen einer Personengesellschaft gehört. Daher ist auch eine vertragliche Bestimmung unzulässig, nach der die Komplementär-GmbH bei der Vertretung der Gesellschaft an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden ist.3
5.5
Bei außergewöhnlichen Geschäften muss der Vertreter der GmbH & Co. KG zudem die Zustimmung aller Gesellschafter, also auch der Kommanditisten, einholen (§ 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB; zur Abgrenzung außergewöhnlicher von gewöhnlichen Geschäften s. Rz. 4.39 f.). Zwar sieht § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB lediglich ein Widerspruchsrecht des Kommanditisten bei Vornahme außergewöhnlicher Geschäfte vor. Es ist aber allgemein anerkannt, dass über den Wortlaut des § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB hinaus entsprechend § 116 Abs. 2 HGB eine Zustimmung
1 So BGH v. 26.10.1978 – II ZR 119/77, GmbHR 1979, 245. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 4 Rz. 10. 3 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 4 Rz. 10.
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§5
Vertretung der GmbH & Co. KG
der Kommanditisten erforderlich ist.1 Das Zustimmungserfordernis besteht allerdings nur im Innenverhältnis, sodass die Maßnahme im Außenverhältnis gegenüber Dritten auch ohne vorherige Zustimmung wirksam ist (§§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB). Nimmt der Geschäftsführer außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen ohne die Zustimmung der Kommanditisten vor, können diese oder die GmbH & Co. KG selbst ihn klageweise auf Schadensersatz oder Unterlassung in Anspruch nehmen (Rz. 4.41). Neben der organschaftlichen Vertretung der GmbH & Co. KG durch die GmbH kann sie auch rechtsgeschäftlich vertreten werden, etwa durch Prokuristen oder Generalbevollmächtigte.2 Rechtsgeschäftliche Vertreter können Kommanditisten, Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und sonstige Dritte sein. Zumeist wird die Vertretungsmacht des Prokuristen derart eingeschränkt, dass er nur gemeinsam mit einem Gesellschafter die GmbH & Co. KG vertreten kann. Nicht zulässig ist es, dass der Prokurist der GmbH & Co. KG nur gemeinsam mit dem GmbH-Geschäftsführer zur Vertretung berechtigt ist.3 Dies würde gegen den Grundsatz verstoßen, dass ein Prokurist nicht an die Mitwirkung eines unternehmensfremden Dritten gebunden werden kann. Dieser Grundsatz liegt darin begründet, dass aus dem Handelsregister die Beschränkung der Prokura ersichtlich sein muss. Da die GmbH-Geschäftsführer im Verhältnis zur KG unternehmensfremde Dritte sind, ist ihre Mitwirkungspflicht nicht eintragungsfähig.
5.6
II. Geschäftsführer als Vertreter der Komplementär-GmbH Die Komplementär-GmbH wird gem. § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer vertreten. Als Geschäftsführer können GmbH-Gesellschafter oder Nichtgesellschafter (auch Kommanditisten) berufen werden. Der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt bei Kapitalgesellschaften nicht.4 Da zu den Aufgaben der GmbHGeschäftsführer u.a. die Vertretung der GmbH & Co. KG gehört, sind die GmbH-Geschäftsführer gleichzeitig „mittelbare Vertreter“ der GmbH & Co. KG (zur mittelbaren Geschäftsführung s. Rz. 4.10).
5.7
Hat die GmbH mehrere Geschäftsführer, haben diese, soweit die Satzung der GmbH keine anderweitige Regelung vorsieht, Gesamtvertretungsmacht für die GmbH nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG.5 Für die Abgabe einer Willenserklärung oder die Zustellung eines Schriftstückes gegenüber der GmbH genügt es, wenn
5.8
1 S. nur Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 2; Horn in Heymann, § 164 HGB Rz. 4 m.w.N.; Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 164 HGB Rz. 4 f. 2 OLG Hamm v. 3.7.1967 – 15 W 283/67, MDR 1967, 1016. 3 BayObLG v. 3.8.1994 – 3Z BR 174/94, DB 1994, 1922. 4 Die Auffassung des BPatG v. 24.7.1974 – 27 W (pat) 175/73, BB 1975, 1127, wonach ein nach § 170 HGB von der Vertretung der KG ausgeschlossener Kommanditist die KG auch nicht als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vertreten kann, ist abzulehnen – vgl. Gustavus, BB 1976, 58; Hesselmann, GmbHR 1976, 112; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 170 HGB Rz. 19; Roth in Baumbach/Hopt, § 170 HGB Rz. 3 und Anh. § 177a HGB Rz. 27. 5 Es können auch einzelne Geschäftsführer allein zur Vertretung berechtigt sein, sog. Einzeloder Alleinvertretungsbefugnis, vgl. BGH v. 19.3.2007 – II ZB 19/06, DB 2007, 1244 = GmbHR 2007, 704.
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§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
diese an einen der vertretungsberechtigten Geschäftsführer erfolgt (Passivvertretung). Sofern die GmbH keinen Geschäftsführer hat (Führungslosigkeit),1 wird sie durch die Gesamtheit ihrer Gesellschafter vertreten. Um die Erreichbarkeit der Gesellschaft umfassend zu gewährleisten, ermöglicht § 10 Abs. 2 Satz 2 GmbHG die Eintragung einer für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigten Person mit einer inländischen Anschrift in das Handelsregister. Auch gegenüber einer solchen Person kann nunmehr nach § 35 Abs. 2 Satz 4 GmbHG die Abgabe und Zustellung erfolgen. 5.9
Die Vertretungsmacht der GmbH-Geschäftsführer ermächtigt zur Vornahme aller gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken, der Aufnahme und Gewährung von Krediten, der Erteilung und des Widerrufs der Prokura.2 Damit deckt die Vertretungsmacht auch außergewöhnliche Geschäfte.3 Im Sinne eines umfassenden Verkehrsschutzes kann die Vertretungsmacht gegenüber Dritten sachlich nicht beschränkt werden: Die Geschäftsführer sind zwar im Innenverhältnis Beschränkungen unterworfen (§ 37 Abs. 1 GmbHG; Rz. 4.47). Dritten gegenüber haben solche Beschränkungen grundsätzlich aber keine Wirkung (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG; s. aber Rz. 5.12).
5.10
Fraglich ist, ob Beschränkungen der Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers auch gegenüber den Kommanditisten und der GmbH & Co. KG aufgrund von §§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB bzw. 37 Abs. 2 GmbHG unwirksam sind. Durch §§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB werden die Kommanditisten nicht geschützt, da diese Bestimmungen nicht im Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern gelten.4 Auch § 37 Abs. 2 GmbHG findet keine Anwendung, da es sich bei der Vertretung durch die GmbH-Geschäftsführer (im Verhältnis zur KG) nicht um eine rechtsgeschäftliche Tätigkeit gegenüber Dritten, sondern um die Erfüllung der Geschäftsführertätigkeit gem. § 114 HGB handelt und § 37 Abs. 2 GmbHG für das Innenverhältnis zwischen GmbH und KG nicht gilt. Insoweit muss sich die GmbH & Co. KG grundsätzlich eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer der GmbH entgegenhalten lassen; auf ihre Unwirksamkeit im Außenverhältnis kann sie sich nicht berufen.5
5.11
Darüber hinaus kann die GmbH auch rechtsgeschäftliche Vertreter durch Erteilung einer Prokura (§§ 48 ff. HGB), einer Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) oder einer Vollmacht (§ 164 BGB) bestellen. Einschränkungen bestehen insoweit, als dass der GmbH-Geschäftsführer nicht zugleich rechtsgeschäftlicher Vertreter der GmbH sein kann, da die gesetzliche Vertretungsmacht eine rechtsgeschäftliche
1 Zum Begriff der Führungslosigkeit: AG Hamburg v. 27.11.2008 – 67c IN 478/08, DZWIR 2009, 173. 2 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 25. 3 Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 25. 4 Vgl. BGH v. 20.9.1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26 (28, 32 f.); BGH v. 5.4.1973 – II ZR 45/71, WM 1973, 637; BGH v. 26.10.1978 – II ZR 119/77, WM 1979, 71 (72) = GmbHR 1979, 245; Roth in Baumbach/Hopt, § 126 HGB Rz. 6. 5 S. dazu im Einzelnen Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 29 ff.
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§5
Vertretung der GmbH & Co. KG
ausschließt.1 Ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer kann aber (von einer vertretungsberechtigen Anzahl von Geschäftsführern einschließlich seiner selbst) zur Einzelvertretung für ein konkretes Geschäft oder bestimmte Arten von Geschäften ermächtigt werden.2
III. Missbrauch der Vertretungsmacht Bei einem Missbrauch der Vertretungsmacht müssen sich auch Dritte Beschränkungen der Vertretungsbefugnis entgegenhalten lassen. Ein Missbrauch liegt zum einen vor, wenn Dritte und der GmbH-Geschäftsführer bewusst zum Nachteil der GmbH & Co. KG zusammenwirken (sog. kollusives Zusammenwirken). Zum anderen ist ein Missbrauch der Vertretungsmacht auch dann gegeben, wenn der Vertragspartner die Überschreitung der Vertretungsmacht erkannt hat oder sie sich ihm aufdrängen musste, d.h. die Überschreitung der Vertretungsmacht für den Dritten evident ist.3 Auf ein vorsätzliches Handeln des Vertreters selbst kommt es nicht an.4
5.12
IV. Entziehung der Vertretungsmacht 1. Entziehung der Vertretungsmacht der Komplementär-GmbH Nach der gesetzlichen Regelung kann die Vertretungsmacht der KomplementärGmbH nur durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag aller anderen Gesellschafter der GmbH & Co. KG entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§§ 161 Abs. 2, 127 Halbs. 1 HGB). Ein wichtiger Grund ist insbesondere bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Vertretung der GmbH & Co. KG gegeben (§ 127 Halbs. 2 HGB). Eine vollständige Entziehung der Vertretungsbefugnis kommt nur dann in Betracht, wenn mildere Mittel nicht ausreichen, um den für die Gesellschafter unzumutbaren Zustand zu beseitigen. Als milderes Mittel kann beispielsweise die Alleinvertretung durch eine Gesamtvertretungsbefugnis ersetzt werden.5
5.13
Da die gesetzlichen Bestimmungen dispositiv sind, kann der Gesellschaftsvertrag die Entziehung der Vertretungsmacht erschweren oder erleichtern. So kann etwa auf ein gerichtliches Verfahren verzichtet werden und die Entziehung durch Ge-
5.14
1 Vgl. BGH v. 6.3.1975 – II ZR 80/73 BB 1975, 535; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 17; wohl aber Prokurist der GmbH & Co. KG. 2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 120. 3 So BGH v. 27.3.1985 – VIII ZR 5/84, BGHZ 94, 132 (138) = NJW 1985, 2409; BGH v. 19.4. 1994 – XI ZR 18/93, NJW 1994, 2082 f.; OLG Hamm v. 22.8.2005 – 5 U 69/05, NZG 2006, 827; OLG Stuttgart v. 16.12.2008 – 12 U 172/08, DB 2009, 445; Hillmann in Ebenroth/Boujoung/Joost/Strohn, § 126 HGB Rz. 21; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 126 HGB Rz. 21; leichte Fahrlässigkeit hielten noch für ausreichend BGH v. 24.4.1972 – II ZR 153/69, DB 1973, 129 und einschränkend BGH v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1461 = GmbHR 1984, 96. 4 BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112 (114); BGH v. 10.12.1980 – VIII ZR 186/79, DB 1981, 840; BGH v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, GmbHR 1984, 96 = WM 1984, 305; BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 59/87, WM 1988, 1199 (1201). 5 BGH v. 10.12.2001 – II ZR 139/00, DB 2002, 678.
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sellschafterbeschluss erfolgen.1 Die Entziehungsgründe können erweitert oder weiter begrenzt werden. Das Recht zum Entzug der Vertretungsbefugnis aus wichtigem Grund kann aber nicht gänzlich abbedungen werden.2 Von der Entziehung der Vertretungsmacht ist die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis (§§ 161 Abs. 2, 117 HGB) zu unterscheiden (Rz. 4.20). In der Praxis werden die Maßnahmen meist miteinander verbunden. 5.15
Die Entziehung der Vertretungsmacht bereitet Schwierigkeiten, wenn die Komplementär-GmbH die alleinige Komplementärin der GmbH & Co. KG ist. Das im Recht der Personengesellschaft geltende Prinzip der Selbstorganschaft verbietet es grundsätzlich, sämtliche Komplementäre einer KG von der Vertretung auszuschließen (Rz. 5.4).3 Deshalb hält der BGH die Entziehung der Vertretungsmacht des alleinigen Komplementärs nur dann für zulässig, wenn die übrigen Gesellschafter zugleich eine Auflösungs-, Übernahme- oder Ausschließungsklage anstrengen.4 Wird eine dieser Klagen erhoben, kann der alleinigen Komplementär-GmbH die Vertretungsbefugnis durch einstweilige Verfügung (§ 940 ZPO) entzogen und einem Dritten, z.B. einem Kommanditisten, übertragen werden. Während des Prozesses sei das Prinzip der Selbstorganschaft aufgrund einer analogen Anwendung des §§ 161 Abs. 2, 146 Abs. 2 HGB suspendiert.5 Die Geschäftsführungsbefugnis hingegen kann der alleinigen Komplementärin ohne weiteres entzogen werden; das Prinzip der Selbstorganschaft steht dem nicht entgegen, da die Vertretungsbefugnis bestehen bleibt (Rz. 4.12).6
5.16
Diese Lösung des BGH ist in Teilen der Literatur zu Recht auf Ablehnung gestoßen.7 Der BGH berücksichtigt nicht hinreichend, dass mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. des § 127 HGB nicht immer auch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Auflösungs-, Ausschließungs- oder Übernahmeklage gegeben sind. Ein Fortbestand der Vertretungsmacht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerspräche jedoch § 127 HGB und wäre für die Kommanditisten unzumutbar. Auch ist es nicht sachgerecht, die Kommanditisten zum Zwecke der Entziehung der Vertretungsmacht zu solch einschneidenden Maßnahmen wie Ausschließung, Übernahme oder Auflösung zu zwingen. Deshalb sollte für die KG mit nur einem Komplementär die Vorschrift des § 170 HGB, wonach der Kommanditist nicht zur Vertretung der KG ermächtigt ist, für die Ausnahmesituation, dass ein wichtiger Grund i.S. des § 127 HGB gegeben ist, modifiziert werden. 1 BGH v. 3.2.1997 – II ZR 71/96, NJW-RR 1997, 925; Roth in Baumbach/Hopt, § 127 HGB Rz. 12; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 127 HGB Rz. 18, 19. 2 BGH v. 3.11.1997 – II ZR 353/96, NJW 1998, 1225. 3 BGH v. 25.5.1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, 367 (369); BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 (200); Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 170 HGB Rz. 3; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 170 HGB Rz. 3. 4 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 (201); BGH v. 10.12.2001 – II ZR 139/00, DB 2002, 678; Martens in Schlegelberger, § 170 HGB Rz. 6. 5 Vgl. dazu BGH v. 11.7.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105 (108 ff.) = GmbHR 1961, 104; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 170 HGB Rz. 32. 6 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 (201 f.); BGH v. 25.4.1983 – II ZR 170/82, GmbHR 1983, 301. 7 Vgl. Wiedemann, JZ 1969, 471; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 127 HGB Rz. 7; Martens in Schlegelberger, § 170 HGB Rz. 6.
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Vertretung der GmbH & Co. KG
Um den Gesellschaftern Verhandlungsspielraum für weniger einschneidende Maßnahmen zu eröffnen, sollte das Gericht der Komplementär-GmbH die Vertretungsmacht im Wege einer einstweiligen Verfügung (§ 940 ZPO) zeitweise entziehen können, mit der Folge, dass alle Gesellschafter, also auch die Kommanditisten, nunmehr gemeinsam die Gesellschaft vertreten (Gesamtvertretung). Kommt es währenddessen zu keiner Einigung, erhielte die Komplementär-GmbH mit dem Fristablauf wieder die alleinige Vertretungsmacht. Die übrigen Gesellschafter könnten dies durch die Erhebung einer Auflösungs-, Übernahme- oder Ausschließungsklage, verbunden mit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung, verhindern.1 Der Ausschluss der Komplementär-GmbH von der Vertretung und die Anordnung der Gesamtvertretung ist von allen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§§ 161 Abs. 2, 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Mit dem Ablauf des gerichtlich bestimmten Zeitraums sind die Kommanditisten verpflichtet, mit der Komplementär-GmbH die wieder auflebende Alleinvertretungsmacht der Komplementär-GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
5.17
2. Abberufung der GmbH-Geschäftsführer Die Bestellung des GmbH-Geschäftsführers kann gem. § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit widerrufen werden (Rz. 4.22). Für die Abberufung des Geschäftsführers ist grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig. Handelt es sich hingegen um eine mitbestimmte GmbH, so obliegt die Abberufung dem mitbestimmten Aufsichtsrat (Rz. 4.190). Ein Fremdgeschäftsführer kann sich grundsätzlich nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen seine Abberufung zur Wehr setzen, da insoweit § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG entsprechend gilt.2
5.18
Gem. § 39 Abs. 1 GmbHG ist die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache. Wurde die Eintragung versäumt, können sich Dritte gem. § 15 Abs. 1 HGB auf die fehlende Eintragung berufen, mit der Folge, dass die Vertretungsbefugnis ihnen gegenüber unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB als fortbestehend gilt.
5.19
Die Fiktion des § 15 HGB gilt jedoch nur im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter können sich folglich nicht auf den Rechtsschein des Handelsregisters berufen, wenn es sich um die Geschäftsführung und damit um das Innenverhältnis handelt.3 Umstritten ist, ob Gesellschafter und Organmitglieder als Dritte anzusehen sind, sofern sie Rechtsgeschäfte mit ihrer Gesellschaft abschließen.4 Die Publizitätswirkung des § 15 Abs. 1 HGB setzt allerdings voraus, dass die einzutragende Tatsache dem Dritten nicht bekannt war. Es schadet nur positive Kenntnis, nicht bereits (grob) fahrlässige Unkenntnis.5 Ein Gesellschafter, der aufgrund seiner unternehmensinternen Stellung von der Abberu-
5.20
1 Ähnlich Martens in Schlegelberger, § 170 HGB Rz. 6, der allerdings dem Komplementär die Initiative für die Auflösungsklage zuordnen will. 2 OLG Hamm v. 17.9.2001 – 8 U 126/01, GmbHR 2002, 327. 3 Vgl. Krebs in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 15 HGB Rz. 42. 4 S. dazu im Einzelnen Preuß in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 15 HGB Rz. 24 m.w.N.; Krebs in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 15 HGB Rz. 42 m.w.N. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, § 15 HGB Rz. 7.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
fung des Geschäftsführers weiß, kann sich damit jedenfalls nicht auf den Schutz von § 15 Abs. 1 HGB berufen. Für die Wissenszurechnung bei der GmbH & Co. KG genügt bereits, dass einem vertretungsberechtigten Gesellschafter das Erlöschen der Vertretungsmacht bekannt ist.1 Im Ergebnis scheidet damit für die GmbH & Co. KG eine Berufung auf § 15 Abs. 1 HGB im Verhältnis zur Komplementär-GmbH stets aus. Da sich die vertretungsberechtigte Komplementär-GmbH ihrerseits die Kenntnis der Gesellschafterversammlung von der Abberufung des Geschäftsführers zurechnen lassen muss, kommt es bei der GmbH & Co. KG ebenfalls zwangsläufig zur Wissenszurechnung. 5.21
Einer Abberufung des GmbH-Geschäftsführers nur für den Bereich der GmbH & Co. KG2 steht – jedenfalls soweit die Vertretungsbefugnis betroffen ist – § 37 Abs. 2 GmbHG entgegen.3
V. Weitere Komplementäre neben der GmbH 5.22
Sind neben der GmbH noch weitere Komplementäre vorhanden, so ist jeder Komplementär allein zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft und zu deren Vertretung berufen (§§ 161 Abs. 2, 115 Abs. 1, 125 Abs. 1 HGB). Widerspricht ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben (§ 115 Abs. 1 HGB). Im Verhältnis zu Dritten ist ein Rechtsgeschäft trotz Widerspruchs eines geschäftsführenden Gesellschafters wirksam (§ 126 Abs. 2 HGB). Auf diese Weise kann ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter die persönliche Haftung der Komplementär-GmbH (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB) für Verbindlichkeiten der KG begründen, ohne dass die GmbH in der Lage ist, dies zu verhindern.
5.23
Will die GmbH ihren Einfluss in der KG neben den übrigen Komplementären sichern oder verstärken, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. So können die anderen Komplementäre durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Bestimmung von der Geschäftsführung und der Vertretung ausgeschlossen werden (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB), oder es kann vereinbart werden, dass die GmbH alleine, die anderen Komplementäre aber nur in Gemeinschaft mit der GmbH zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt sein sollen (§§ 161 Abs. 2, 115 Abs. 2, 125 Abs. 2 HGB).4 Auch kann die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht für die übrigen Komplementäre abweichend von §§ 117, 127 HGB so gestaltet werden, dass sie entsprechend der Regelung des § 38 Abs. 1 GmbHG ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Gesellschafterbeschluss der GmbH & Co. KG erfolgen kann (s. bereits Rz. 5.14).5 1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 125 HGB Rz. 13 2 Dazu näher Hopt, ZGR 1979, 1; Hüffer, ZGR 1981, 348; Weimar/Geitzhaus, DB 1987, 2026 (2087). 3 Kritisch zu einem solchen partiellen Kompetenzentzug auch Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 164 HGB Rz. 51 f. 4 Boesche in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 125 HGB Rz. 37. 5 §§ 117, 127 HGB sind nach h.M. auch in Bezug auf die Notwendigkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes dispositive Vorschriften – vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 127 HGB Rz. 1, 11, 12; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 127 HGB Rz. 19.
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Vertretung der GmbH & Co. KG
Soll der Einfluss der Komplementär-GmbH auf die KG dagegen gering bleiben, kann im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden, dass die GmbH nur mit anderen Komplementären zusammen zur Geschäftsführung und Vertretung ermächtigt ist. Sofern mehrere Komplementäre vorhanden sind, kann sie sogar gänzlich von der Vertretung ausgeschlossen werden (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB).1 Ist neben der GmbH nur noch ein weiterer Komplementär vorhanden und scheidet dieser aus, erstarkt die Gesamtvertretungsmacht zur Alleinvertretungsmacht.2
5.24
VI. Vertretungsmacht des Kommanditisten Die Kommanditisten sind von der organschaftlichen Vertretung der GmbH & Co. KG zwingend ausgeschlossen (§ 170 HGB). Ihnen kann jedoch, ebenso wie Nichtgesellschaftern, durch Rechtsgeschäft (einschließlich einer entsprechenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG) Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt werden. Dabei kann bestimmt werden, dass jeder Prokurist nur gemeinsam mit dem alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter der GmbH & Co. KG handeln darf. Da in der typischen GmbH & Co. KG die KomplementärGmbH zur Vertretung berechtigt ist, welche wiederum durch ihren Geschäftsführer handelt, darf der Prokurist dann nur gemeinsam mit dem GmbH-Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten. Hingegen wäre die direkte Anordnung, dass der Prokurist der GmbH & Co. KG die Gesellschaft nur mit dem GmbH-Geschäftsführer die KG vertreten darf, unzulässig (Rz. 5.6).3 Die Geschäftsführer der GmbH können – ebenso wie die Prokuristen der GmbH – auch zu Prokuristen der GmbH & Co. KG bestellt werden.4 Die einem Kommanditisten rechtsgeschäftlich eingeräumte Handlungsvollmacht für die KG kann nicht nach dem nur für die organschaftliche Vertretung geltenden § 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB zum Handelsregister angemeldet und eingetragen werden.5
5.25
Die Prokura des Kommanditisten ist grundsätzlich jederzeit widerruflich (§ 52 Abs. 1 HGB). Zuständig für den Widerruf ist der Geschäftsführer der vertretungsberechtigten GmbH. Die freie Widerruflichkeit ist jedoch eingeschränkt, wenn die Prokura aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung erteilt worden ist. In diesem Fall kann die Prokura nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes analog § 127 HGB entzogen werden. Wird sie ohne einen wichtigen Grund entzogen, ist der Entzug zwar wirksam, der Kommanditist hat aber einen Anspruch auf Wiedererteilung.6
5.26
1 So auch Cahn-Garnier, GmbH & Co., Kommanditgesellschaft, S. 25 f.; Schulze zur Wiesche/Ottersbach in GmbH & Co. KG, § 1 Rz. 93. 2 Vgl. BGH v. 25.5.1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, 367. 3 So OLG Hamburg v. 15.12.1960 – 2 W 190/59, GmbHR 1961, 128 mit zust. Komm. Hesselmann; BayObLG v. 20.1.1970 – BReg. 2Z 68/69, BB 1970, 226 (227); BayObLG v. 3.8.1994 – 3Z BR 174/94, GmbHR 1995, 305 (Leitsätze). 4 OLG Hamm v. 8.2.1973 – 15 W 344/72, BB 1973, 354; BayObLG v. 14.7.1980 – BReg. 1Z 17/80, GmbHR 1981, 14 = BB 1980, 1487. 5 OLG Frankfurt a.M. v. 26.9.2005 – 20 W 192/05, GmbHR 2006, 265. 6 Vgl. BGH v. 27.6.1955 – II ZR 232/54, BGHZ 17, 392 (396 f.).
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
VII. Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) 1. Einführung 5.27
Die Vertretungsmacht wird durch das sog. Verbot des Selbstkontrahierens eingeschränkt. Gemäß § 181 BGB kann ein Vertreter, soweit ihm dies nicht besonders gestattet ist, grundsätzlich keine Rechtsgeschäfte im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen (sog. Insichgeschäft) oder als Vertreter eines Dritten (sog. Mehrfachvertretung) vornehmen. Liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens vor, ist ein Vertrag schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB analog) und wird erst durch eine Genehmigung mit ex-tunc-Wirkung wirksam (§ 184 Abs. 1 BGB analog); einseitige Rechtsgeschäfte sind nichtig (§ 180 BGB analog).1
5.28
Bei der GmbH & Co. KG ist dies problematisch, weil viele Rechtsgeschäfte aufgrund der personellen Verflechtung ein Selbstkontrahieren erfordern können.2
5.29
So liegt bereits bei der Gründung der GmbH & Co. KG (Rechtsgeschäft zwischen Kommanditisten und Komplementär-GmbH) ein Insichgeschäft vor, wenn die Komplementär-GmbH von Geschäftsführern vertreten wird, die gleichzeitig Kommanditisten sind. Unproblematisch ist es dagegen, wenn die bei Gründung für die GmbH handelnden und vertretungsberechtigten Geschäftsführer nicht auch Kommanditisten sind oder ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der nicht auch Kommanditist ist, zur Einzelvertretung bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags ermächtigt ist, selbst wenn an der Ermächtigung ein Geschäftsführer mitgewirkt hat, der auch Kommanditist ist.3 Es liegt dann jeweils kein Fall des Selbstkontrahierens vor.
5.30
Um Fälle des Selbstkontrahierens handelt es sich ferner, wenn die GmbH & Co. KG ein Rechtsgeschäft mit ihrer Komplementär-GmbH abschließt oder mit dem GmbH-Geschäftsführer, von dem sie bei Abschluss des Geschäfts vertreten wird. Das Gleiche gilt für Rechtsgeschäfte der GmbH mit ihrem – sie bei dem konkreten Geschäft vertretenden – Geschäftsführer.
2. Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens 5.31
Es empfiehlt sich daher, sowohl im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG als auch in der Satzung der GmbH eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu regeln (s. Mustervertrag A § 5 Abs. 3 und B § 6 Abs. 1). Die Frage, ob dabei eine generelle Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens sinnvoll ist, oder ob diese sich nur auf bestimmte Personen bzw. Rechtsgeschäfte beziehen soll, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt primär von dem Geschäftsbetrieb der KG und der Intensität der personellen Verflechtung innerhalb der GmbH & Co. KG ab.4 Die generelle Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot 1 Ellenberger in Palandt, § 181 BGB Rz. 15 m.w.N. 2 Watermeyer in Beck’sches Hdb. PersGes., § 13 Rz. 37; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 170 HGB Rz. 81. 3 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72 (76 f.) = GmbHR 1975, 131; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 135 m.w.N. 4 BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, NJW 1972, 623; Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 23.
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Vertretung der GmbH & Co. KG
ist eintragungspflichtig gem. § 106 Abs. 2 Nr. 4 HGB, §§ 10 Abs. 1, 39 Abs. 1 GmbHG.1 Eintragungsfähig ist auch die Befreiung der Komplementär-GmbH selbst (als juristische Person).2 a) Gestattung durch die GmbH & Co. KG Insichgeschäfte zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH können ausschließlich von der KG gestattet werden.3 Die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens kann im Gesellschaftsvertrag der KG geregelt werden. Alternativ kann auch eine gesellschaftsvertragliche Ermächtigung vorgesehen werden, die durch späteren einfachen Mehrheitsbeschluss auszufüllen ist.4 Fehlt eine vertragliche Grundlage, ist die Gestattung als Maßnahme der Geschäftsführung vom Vertretungsorgan der Komplementär-GmbH auszusprechen, das aufgrund des Verbots des Selbstkontrahierens daran allerdings gehindert sein kann.5 Als Ausweg lässt der BGH eine „ad-hoc“-Befreiung durch einzelfallbezogenen Gesellschafterbeschluss zu, wobei auch Formvorschriften im Gesellschaftsvertrag durch „einstimmiges“ schlüssiges Verhalten für den Einzelfall abbedungen werden können.6 Entsprechendes gilt für Rechtsgeschäfte der GmbH & Co. KG mit ihrer Komplementär-GmbH, vorausgesetzt, auch für diese liegt eine Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot der Mehrfachvertretung vor.7
5.32
Eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ist auch bei einer Komplementärin möglich, die keine GmbH, sondern eine nach englischem Recht gegründete und registrierte Limited ist.8 Auch in diesem Fall kann die Befreiung der persönlich haftenden Gesellschafterin sowie ihrer Organe in das Handelsregister eingetragen werden.9
5.33
b) Gestattung durch die Komplementär-GmbH Für die Gestattung von Insichgeschäften zwischen Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer ist die GmbH zuständig, ebenso wie für die Gestattung der Mehrfachvertretung bei Rechtsgeschäften zwischen Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG (die eine entsprechende Befreiung auch bei der GmbH & Co. KG voraussetzt, Rz. 5.32). Sofern die Befreiung des GmbH-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht bereits in der Satzung vorgesehen ist, erfolgt die Gestattung durch die Gesellschafterversammlung der GmbH.10 Handelt es sich hingegen um eine mitbestimmte GmbH, ist der Aufsichtsrat zuständig.11 Soll der GmbH-Geschäftsführer umfassend von dem Verbot des Selbstkontrahierens be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. BGH v. 28.2.1983 – II ZB 8/82, BGHZ 87, 59 (60) = GmbHR 1983, 269. LG Gera v. 23.12.1993 – 4 HT 18/93, ZIP 1994, 537 = GmbHR 1994, 633. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 4 Rz. 20. Breitfeld in Reichert, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 23. BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, NJW 1972, 623 BGH v. 7.2.1972 – II ZR 169/69, NJW 1972, 623. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 4 Rz. 20. Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 28.7.2006 – 20 W 191/06, GmbHR 2006, 1156. Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 28.7.2006 – 20 W 191/06, GmbHR 2006, 1156. Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 144. Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 144.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
freit werden, bedarf es nach h.M. einer Satzungsregelung bzw. einer nachträglichen Satzungsänderung; ein einfacher Beschluss reicht insoweit nicht aus.1 5.35
Handelt es sich bei der GmbH um eine sogenannte „Einpersonen-GmbH“, bei der der einzige Gesellschafter zugleich Geschäftsführer der GmbH ist, greift entgegen einer älteren Rechtsprechung des BGH2 § 181 BGB ein (§ 35 Abs. 3 GmbHG). Auch hier muss die Gestattung in der Satzung erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist diesem Formerfordernis jedoch Genüge getan, sofern die Satzung eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit vorsieht, der Alleingesellschafter vor dem Notar zum von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer bestellt ist und dies im Handelsregister eingetragen ist.3
5.36
Gestaltungshinweis: Handelt es sich um eine Einpersonen-GmbH, bei der der einzige Gesellschafter zugleich Geschäftsführer der GmbH und Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, stehen zur Vermeidung einer schwebenden Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co. KG mehrere Möglichkeiten offen: – Die Satzung sieht eine Befreiung vor, die in das Handelsregister eingetragen ist. – Die Satzung enthält eine Ermächtigung der Gesellschafterversammlung zur Erteilung der Befreiung im Einzelfall durch einfachen Gesellschafterbeschluss; in diesem Fall kann der Alleingesellschafter den Beschluss ohne Beteiligung einer weiteren Person fassen.4 – Der Alleingesellschafter ändert nachträglich die Satzung der GmbH und sieht dort eine Befreiung vor; anschließend genehmigt er als Geschäftsführer den Abschluss des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co. KG.5 – Der Alleingesellschafter der GmbH erteilt durch Gesellschafterbeschluss eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot und genehmigt anschließend als Geschäftsführer der GmbH den KG-Gesellschaftsvertrag.
B. Haftung der GmbH & Co. KG 5.37
Für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet die GmbH & Co. KG ihren Gläubigern unbeschränkt mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen.
5.38
Ein Fehlverhalten ihrer geschäfts- und vertretungsberechtigten KomplementärGmbH wird ihr analog § 31 BGB zugerechnet. Da die Komplementär-GmbH als juristische Person selbst nicht unmittelbar handeln kann, muss sie sich die Handlung ihres Geschäftsführers analog § 31 BGB zurechnen lassen (Rz. 4.50), sodass durch eine doppelte Anwendung der Zurechnungsnorm die Pflichtverletzung des 1 OLG Köln v. 2.10.1992 – 2 Wx 33/92, GmbHR 1993, 37 = NJW 1993, 1018; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 145; Schramm in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 181 BGB Rz. 50; a.A. Zöllner in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 281. 2 Vgl. BGH v. 29.6.1972 – VII ZR 190/71, BGHZ 59, 97; BGH v. 27.9.1972 – IV ZR 225/69, BGHZ 59, 236; BGH v. 19.11.1979 – II ZR 197/78, BGHZ 75, 358 (362) = GmbHR 1980, 166. 3 BGH v. 3.4.2000 – II ZR 379/99, DStR 2000, 697 (697). 4 Vgl. zu dieser Variante BayObLG v. 7.9.1984 – BReg. 3Z 163/83, GmbHR 1985, 116. 5 Vgl. hierzu BayObLG v. 10.4.1981 – BReg. 1Z 26/81, GmbHR 1981, 195 = BB 1981, 869.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
GmbH-Geschäftsführers der GmbH & Co. KG zugerechnet wird. Dabei gilt § 31 BGB sowohl im rechtsgeschäftlichen als auch im außer-rechtsgeschäftlichen Bereich (insbesondere bei unerlaubten Handlungen).1 § 278 BGB findet bei der Zurechnung des Handelns des Vertretungsorgans im rechtsgeschäftlichen Bereich ebenso wenig Anwendung2 wie § 831 BGB im deliktischen Bereich.3
C. Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG Die Haftungsverfassung der GmbH & Co. KG ist durch die Kombination der beschränkten Kommanditistenhaftung und der unbeschränkten Haftung der Komplementär-GmbH geprägt.
5.39
I. Haftung der Komplementär-GmbH 1. Unbeschränkte Haftung der Komplementär-GmbH Die Komplementär-GmbH haftet den Gläubigern der GmbH & Co. KG für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG mit ihrem gesamten Vermögen unmittelbar, persönlich und unbeschränkt (§§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB). Folglich müssen Gläubiger der GmbH & Co. KG nicht zunächst gegen die Gesellschaft vorgehen; sie können sich unmittelbar an die Komplementär-GmbH halten. Ausnahmen bestehen insoweit im Fall der Insolvenz (s. Rz. 10.1).
5.40
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG und die der Komplementär-GmbH identisch sind.4 Die Forderung gegen die Komplementär-GmbH ist akzessorisch zur Forderung gegen die KG (Leitforderung). Die Forderung gegen die KG bestimmt Inhalt und Umfang der Haftung der Komplementär-GmbH. Einwendungen gegen die Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen auch gegen die Komplementärhaftung. Folglich führt etwa ein Erlass gegenüber der GmbH & Co. KG auch zum Erlöschen der Haftung der Komplementär-GmbH.5 Dabei ist der Begriff der Einwendungen weit zu verstehen. Umfasst werden auch rechtshemmende Einreden (bspw. Verjährung).6 Wird die Verjährung der Forderungen gegenüber der Gesellschaft gehemmt, so wirkt sich dies auch zulasten der
5.41
1 Zur Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die KG vgl. BGH v. 8.2.1952 – I ZR 92/51, NJW 1952, 537; Roth in Baumbach/Hopt, § 124 HGB Rz. 25; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 2c). 2 Str.: Grundmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 278 BGB Rz. 11; Grüneberg in Palandt, § 278 BGB Rz. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3. 3 Wagner in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 831 BGB Rz. 18; Sprau in Palandt, § 831 BGB Rz. 3; Staudinger in Schulze u.a., BGB, 8. Aufl. 2014, § 831 BGB Rz. 7. 4 Vgl. Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 29 Rz. 3; Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 42 Rz. 4. 5 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 42 Rz. 6. 6 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 129 HGB Rz. 4; Hillmann in Ebenroth/ Boujoung/Joost/Strohn, § 129 HGB Rz. 3.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
Komplementärin aus.1 Auf prozessuale Einwendungen der Gesellschaft, wie die Unzuständigkeit des Gerichts oder die Einrede der Rechtshängigkeit, kann sich die Komplementärin allerdings nicht berufen.2 Der Grundsatz der Akzessorietät führt dazu, dass Komplementär-GmbH und KG nicht als Gesamtschuldner haften.3 5.42
Besteht die Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft in einer Geldforderung, so ist die Komplementär-GmbH ebenfalls zur Geldzahlung verpflichtet. Der Haftungsgegenstand der Komplementärin ist hingegen umstritten, sofern die GmbH & Co. KG zur Erbringung einer anderen Leistung verpflichtet ist. Während nach der Erfüllungstheorie4 die Komplementärin zur Erbringung der Leistung in natura verpflichtet sein soll, tendiert die Haftungstheorie5 dazu, die persönlich haftende Gesellschafterin allein zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verpflichten.6 Die Rechtsprechung hat sich dazu noch nicht abschließend positioniert, neigt aber dazu, die Komplementärin grundsätzlich zur inhaltsgleichen Leistung zu verpflichten, sofern nicht die Erbringung der Leistung für die Komplementärin unmöglich oder unzumutbar ist.7 Bei der GmbH & Co. KG wird diese Problematik meist im Rahmen von Duldungs- und Unterlassungspflichten, insbesondere bei Wettbewerbsverboten, praktisch relevant.8
5.43
Die unbeschränkte Haftung der Komplementär-GmbH kann nicht durch Vereinbarungen im Innenverhältnis ausgeschlossen werden (§§ 161 Abs. 2, 128 Satz 2 HGB). Der GmbH & Co. KG und ihren Kommanditisten bleibt es jedoch unbenommen, die Komplementär-GmbH im Innenverhältnis von der Haftung freizustellen. Diese Freistellung beseitigt zwar nicht die unbeschränkte Haftung im Außenverhältnis, führt aber im Falle der Inanspruchnahme der Komplementär-GmbH zu einem Ausgleichsanspruch gegen die GmbH & Co. KG bzw. gegen die Kommanditisten.
2. Einlage 5.44
Die Frage, ob die persönlich haftende Komplementär-GmbH eine Einlage geleistet hat, ist infolge ihrer unbeschränkten Haftung im Verhältnis zu den Gläubigern der 1 BGH v. 22.3.1988 – X ZR 64/87, NJW 1988, 1976 (1977); BGH v. 11.12.1978 – II ZR 235/77, NJW 2997, 1361 (1362); Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 42 Rz. 7. 2 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 129 HGB Rz. 5; Hillmann in Ebenroth/ Boujoung/Joost/Strohn, § 129 HGB Rz. 3. 3 BGH v. 20.4.1967 – II ZR 220/65, NJW 1967, 2155 (2156); Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 29 Rz. 3. 4 Ihrig in Reichert, GmbHG & Co. KG, § 42 Rz. 12 f., hinsichtl. etwaiger Grenzen der Erfüllungstheorie Rz. 14; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 128 HGB Rz. 24. 5 Gummert in MünchHdb. GesR, Bd. I, § 18 Rz. 40. 6 Zum Streitstand vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 5 IV 2, S. 286 ff.; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 128 HGB Rz. 24; Habersack Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 128 HGB Rz. 27; Boesche in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 128 HGB Rz. 26; Steitz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 128 HGB Rz. 22; krit. bezogen auf die Theorien allgemein und für eine Interessenabwägung nach Auslegung: Roth in Baumbach/Hopt, § 128 HGB Rz. 8. 7 BGH v. 11.12.1978 – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217; BGH v. 14.2.1957 – II ZR 190/55, BGHZ 23, 302 (305); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 49 III 1b ff. 8 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 42 Rz. 15.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
Gesellschaft ohne Belang. Relevant ist die Leistung einer Einlage durch die Komplementär-GmbH allein im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern.
3. Haftung der Komplementär-GmbH nach Ausscheiden Für Verbindlichkeiten, die vor ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft begründet werden, haftet die Komplementär-GmbH nach ihrem Ausscheiden weiter, wenn die Verbindlichkeiten vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden und daraus gerichtlich Ansprüche gegen die Komplementär-GmbH geltend gemacht worden sind (§§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 1 HGB). Die Nachhaftung gilt für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten und auch dann, wenn die Verbindlichkeit aufgrund eines bei Ausscheiden bereits bestehenden Dauerschuldverhältnisses erst nach dem Ausscheiden entsteht.1
5.45
II. Kommanditistenhaftung 1. Beschränkte Haftung des Kommanditisten Auch der Kommanditist einer GmbH & Co. KG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unmittelbar und persönlich. Im Gegensatz zur Haftung des Komplementärs ist seine Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft auf die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme begrenzt (§ 171 Abs. 1 Halbs. 1 HGB). Soweit die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Höhe der Einlage der Haftsumme entspricht, wird der Kommanditist durch Leistung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen von seiner persönlichen Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern frei (§ 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB).
5.46
Im Übrigen ist die Haftung des Kommanditisten akzessorisch zur Haftung der Gesellschaft. Die Haftung knüpft an die formelle Kommanditistenstellung an, sodass die nur mittelbare Beteiligung an der GmbH & Co. KG über einen Treuhänder nicht zu einer persönlichen und akzessorischen Gesellschafterhaftung des Treugebers gem. § 172 Abs. 4 HGB gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führt.2
5.47
Macht ein Gesellschafter der GmbH & Co. KG eine Drittgläubigerforderung gegen die Gesellschaft geltend, kann er dafür grundsätzlich auch unmittelbar die anderen Kommanditisten gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 Satz 1 HGB in Anspruch nehmen. Der Gesellschafter ist dabei nicht verpflichtet, zunächst die KG in Anspruch zu nehmen.3 Eine generell nur subsidiäre Haftung des Kommanditisten lässt sich auch nicht aus der Treuepflicht des Mitgesellschafters ableiten, da der Kommanditist selbst nicht schutzbedürftig ist.4 Zum einen steht ihm, sofern er die Gesell-
5.48
1 BAG v. 19.5.2004 – 5 AZR 405/03, NJW 2004, 3287 (3288). 2 BGH v. 11.11.2008 – XI ZR 468/07, NZG 2009, 57 (58) Rz. 18 ff.; BGH v. 21.4.2009 – XI ZR 148/08, NZG 2009, 779 (780) Rz. 15; BGH v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, NZG 2011, 588 f. Rz. 10. 3 BGH v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, NZG 2013, 1334 (1337); BGH v. 18.3.2014 – II ZR 185/13, Rz. 15 (nach juris), IBRRS 2014, 3476. 4 BGH v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, NZG 2013, 1334 (1337); BGH v. 18.3.2014 – II ZR 185/13, Rz. 15 (nach juris), IBRRS 2014, 3476.
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schaftsverbindlichkeit begleicht, ein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 110 HGB gegen die Gesellschaft zu. Zum anderen kann er bereits allein aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen.1 Soll die Haftung gegenüber Mitgesellschaftern ausgeschlossen werden, muss sich dies eindeutig aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.2
2. Einlage und Haftsumme 5.49
Die Verpflichtung des Kommanditisten zur Leistung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG ist von der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme des Kommanditisten zu unterscheiden. Die Verpflichtung zur Leistung der zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Einlage ist eine Verpflichtung im Innenverhältnis. Die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme bestimmt im Außenverhältnis den Umfang, in dem der Kommanditist unmittelbar und persönlich von Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen werden kann.
5.50
Die Unterscheidung zwischen Verpflichtung zur Erbringung einer Einlage im Innenverhältnis und der Haftung des Kommanditisten in Höhe der eingetragenen Haftsumme im Außenverhältnis (§ 171 Abs. 1 HGB) verdeutlicht nachfolgendes Beispiel Der Kommanditist K ist mit einer Haftsumme von 10 000 Euro im Handelsregister der X-KG eingetragen. Später widerruft er wirksam seine Beitrittserklärung zur X-KG. Nach dem Widerruf hat die X-KG keinen Anspruch mehr auf Erbringung der Einlage; die Verpflichtung im Innenverhältnis ist weggefallen. Die gesetzliche Außenhaftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB wird durch Widerruf der Beitrittserklärung jedoch nicht beseitigt.3
5.51
Mangels besonderer Vereinbarung entspricht die Höhe der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme regelmäßig der im Innenverhältnis vereinbarten Einlage.4 Die Verpflichtungen können aber sowohl in ihrer Höhe als auch nach ihrem Inhalt variieren.5 So kann die Haftsumme die Einlage über- oder unterschreiten (vgl. § 172 Abs. 3 HGB). Überschreitet die vereinbarte Haftsumme die vereinbarte Einlage, kann im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter der Differenzbetrag zwischen vereinbarter Einlage und vereinbarter Haftsumme nicht ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages in eine (weitere) Einlage umgewandelt und von der Gesellschaft eingefordert werden. Ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages muss der Kommanditist diesen Differenzbetrag nicht leisten, solange er nicht im Außenverhältnis von Gläubigern der GmbH & Co. KG in Anspruch genommen wird.6 1 BGH v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, NZG 2013, 1334 (1337); BGH v. 18.3.2014 – II ZR 185/13, Rz. 15 (nach juris), IBRRS 2014, 3476; Strohn in Ebenroth/Boujoung/Joost/Strohn, § 110 HGB Rz. 33. 2 BGH v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, NZG 2013, 1334 (1337); BGH v. 18.3.2014 – II ZR 185/13, Rz. 14 (nach juris), IBRRS 2014, 3476. 3 Vgl. BGH v. 12.7.2010 – II ZR 269/07 (KG), ZIP 2010, 1689 (1690) Rz. 6. 4 BGH v. 28.3.1977 – II ZR 230/75, DB 1977, 1249 (1250). 5 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 43 Rz. 4. 6 Vgl. BGH v. 2.7.2007 – II ZR 181/06, DStR 2007, 2021.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
3. Haftungsbefreiung durch Leistung der Einlage a) Leistung der Einlage Die Leistung der Einlage ist im Außenverhältnis insofern von Bedeutung, als die unmittelbare und persönliche Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgeschlossen ist, soweit er seine Einlage in Höhe der eingetragenen Haftsumme erbracht hat (§ 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). Im Interesse einer effektiven Kapitalaufbringung muss die erbrachte Einlageleistung in Höhe der Haftsumme vollwertig und für die Gesellschaft verwertbar sein.1 Den Gläubigern haften in diesem Fall nur das Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG und das der Komplementär-GmbH. Der Anspruch auf Leistung der Einlage ist Bestandteil des Gesellschaftsvermögens der GmbH & Co. KG und kann von ihren Gläubigern gepfändet werden.2
5.52
Eine Leistung des Kommanditisten an die Gesellschaft wirkt nur dann haftungsbefreiend, wenn der Kommanditist in Erfüllung seiner Einlageverpflichtung leistet. Rechtsgrund der Leistung muss die Einlageschuld sein. Ob eine Leistung auf die Einlageverpflichtung oder auf eine andere Verbindlichkeit des Kommanditisten gegenüber der KG erfolgt, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.3
5.53
Wird ein Kommanditist, der seine Einlage noch nicht geleistet hat, von einem Gesellschaftsgläubiger in Höhe seiner Haftsumme in Anspruch genommen, so leistet er nicht auf seine Einlageschuld, sondern aufgrund seiner unmittelbaren und persönlichen Haftung im Außenverhältnis. Zwar kann der Kommanditist dann nicht mehr von den Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.4 Der Einlageanspruch der Gesellschaft bleibt aber bestehen. Der Kommanditist kann sich durch Aufrechnung mit seinem Ersatzanspruch gegen die Gesellschaft aus §§ 161 Abs. 2, 110 Abs. 1 HGB von der Einlageverbindlichkeit befreien.5 Dem in Anspruch genommenen Kommanditisten ist es jedoch auch möglich, statt der Gesellschaftsverbindlichkeit seine Einlage zu leisten und so die Außenhaftung abzuwenden.
5.54
Die Leistung der Einlage kann auch durch einen Dritten erfolgen (§ 267 BGB). Die Leistung durch einen Dritten kann problematisch sein, wenn die Einlage zwar dem Kommanditisten gutgeschrieben wird, aber von Konten anderer Mitgesellschafter abgebucht wird. Wird die Einlageleistung durch einen anderen Kommanditisten erbracht, so ist ggf. darauf zu achten, dass sie aus dem „freien“ Vermögen der Gesellschaft erfolgt.6 Soweit aus Sicht des leistenden Kommanditisten eine Einlagenrückgewähr vorliegt, setzt er sich der Haftung gem. § 172 Abs. 4 HGB aus (dazu Rz. 5.61).
5.55
1 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, BGHZ 95, 188 = GmbHR 1986, 21; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. II, 2004, § 9 III 4b); Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 43 Rz. 12; von Gerkan in FS Kellermann, S. 67 ff. 2 BGH v. 19.12.1974 – II ZR 27/73, BGHZ 63, 338; Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 30 Rz. 27 ff. 3 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 48. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 54 II 2a). 5 BGH v. 19.12.1974 – II ZR 27/73, BGHZ 63, 338 (342); BGH v. 30.4.1984 – II ZR 132/83, NJW 1984, 2290. 6 Peters, RNotZ 2002, 425; allg. zur „Einbuchung“ eines Kommanditisten zulasten des Kontos eines Mitgesellschafters Tillkorn, DNotZ 2014, 724.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
Ferner kann auch die Komplementär-GmbH die Einlage aus ihrem Vermögen für einen Kommanditisten leisten. Weil dadurch das den Gläubigern zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen nicht vergrößert wird, sondern vielmehr bei der Komplementärin wegfällt, wird dieses Vorgehen zum Teil für unzulässig gehalten.1 Da § 172 Abs. 4 HGB nur das Gesellschaftsvermögen schützt und nicht auch das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters, ist mit der überwiegenden Meinung davon auszugehen, dass auch dieses Vorgehen zulässig ist, sofern die Kapitalerhaltungsvorschriften für die GmbH eingehalten werden.2 b) Überbewertung der Einlage
5.57
Bei Sacheinlagen ist zu beachten, dass ein vollständiger Ausschluss der Haftung nur dann eintritt, wenn der objektive Zeitwert der geleisteten Einlage der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme entspricht.3 Wurde die Einlage des Kommanditisten überbewertet – was im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern durchaus zulässig ist4 –, bleibt die unmittelbare und persönliche Haftung des Kommanditisten in Höhe der Differenz zwischen dem objektiven Wert der Einlage und der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme bestehen. Zum vollständigen Haftungsausschluss muss der Kommanditist den Differenzbetrag an die GmbH & Co. KG zahlen.
5.58
Der Kommanditist trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Einlage erbracht hat5 und diese im Zeitpunkt der Erbringung vollwertig war.6 c) Einbringung von Anteilen an der Komplementär-GmbH
5.59
Erbringt ein Kommanditist, der zugleich auch Gesellschafter der KomplementärGmbH ist, seine Einlage dadurch, dass er Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH in die KG einbringt, gilt die Einlage gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gem. § 172 Abs. 6 Satz 1 HGB als nicht geleistet. Die persönliche und unmittelbare Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis gem. § 171 Abs. 1 HGB besteht fort. Der Grund für die Sonderregelung des § 172 Abs. 6 HGB liegt darin, dass den Gläubigern der GmbH & Co. KG gleichermaßen wie den Gläubigern einer typi1 Steckhan, DNotZ 1974, 69. 2 BGH v. 14.1.1985 – II ZR 103/84, BGHZ 93, 246 (250 f.); OLG Köln v. 22.3.1976 – 16 Wx 184/75, OLGZ 1976, 306 (308); Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 HGB, Rz. 66; Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 6; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 44, 47. 3 Vgl. BGH v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319 (329); BGH v. 8.7.1985 – II ZR 269/84, GmbHR 1986, 21; Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 6. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 6. 5 OLG Hamm v. 24.3.1987 – 7 U 20/86, NJW-RR 1987, 1254 (1255); OLG Köln v. 14.6.1971 – 2 U 45/71, GmbHR 1971, 219; Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 10; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 61. 6 BGH v. 18.11.1976 – II ZR 129/75, DB 1977, 394; OLG Hamm v. 24.3.1987 – 7 U 20/86, NJW-RR 1987, 1254 (1255); OLG Köln v. 14.6.1971 – 2 U 45/71, GmbHR 1971, 219; Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 10; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 61; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 171 HGB Rz. 58; Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 172 HGB Rz. 80.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
schen KG – neben der jeweiligen Gesellschaft selbst – zwei Haftungsmassen zur Verfügung stehen sollen: das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters (unbeschränkt) und das Vermögen des Kommanditisten (beschränkt). Könnten die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH als Kommanditeinlage mit haftungsbefreiender Wirkung geleistet werden, stünde den Gläubigern der GmbH & Co. KG nur die Haftungsmasse der Komplementär-GmbH zur Verfügung.1 § 172 Abs. 6 HGB steht der Bildung einer Einheits-GmbH & Co. KG nicht entgegen; erforderlich ist jedoch die kumulative Aufbringung des Komplementärund Kommanditistenkapitals.2
5.60
4. Einlagenrückgewähr Die Erhaltung des Haftkapitals in der Kommanditgesellschaft wird durch § 172 Abs. 4 HGB sichergestellt. Soweit dem Kommanditisten seine Einlage zurückgewährt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet mit der Folge, dass die Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auflebt und nur durch erneute tatsächliche Wertzuführung wieder beseitigt werden kann. Bei vollständiger Entnahme seiner geleisteten Einlage haftet der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern wieder unmittelbar und persönlich in Höhe der Haftsumme (sofern die zurückgewährte Einlage mindestens der Haftsumme entspricht). Entnimmt der Kommanditist einen Betrag, der höher als seine Einlage ist, lebt seine Außenhaftung dennoch nur in Höhe der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme wieder auf.3 Entnimmt der Kommanditist die Einlage im Innenverhältnis ohne Rechtsgrund, können die Gesellschaftsgläubiger auch auf entsprechende Rückzahlungsansprüche der GmbH & Co. KG (§ 812 Abs. 1 BGB) durch Pfändung zugreifen.
5.61
Eine Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten wird auch gem. § 172 Abs. 4 HGB für Neuverbindlichkeiten angenommen, wenn das Ausscheiden aus der Gesellschaft sich als bewusste Umgehung der Haftung wegen Einlagenrückgewähr darstellt.4
5.62
a) Rückzahlung Eine Rückzahlung i.S. des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB kann jede Zuwendung eines Vermögenswerts an den Kommanditisten durch die Gesellschaft oder einen Dritten zulasten der Gesellschaft sein, ohne dass der Gesellschaft eine gleichwertige Gegenleistung zufließt.5 Entscheidend ist, ob die Leistung an den Kommanditisten 1 Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 13. 2 K. Schmidt, GmbHR 1984, 272. 3 BGH v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324 = NJW 1973, 1036; BGH v. 12.7.1982 – II ZR 201/81, BGHZ 84, 383, 387 = MDR 1982, 990; BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, NJW 1990, 1725 (1729) = GmbHR 1990, 251; BGH v. 20.4.2009 – II ZR 88/08, NJW 2009, 2126 (2127); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 8; Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 5. 4 LG Köln v. 25.10.2012 – 22 O 300/12, NZI 2013, 46; kritisch Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 30 Rz. 50. 5 Vgl. BGH v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319 (331); BAG v. 28.9.1982 – 3 AZR 304/80, ZIP 1983, 170 (171); OLG Hamm v. 5.1.1994 – 8 U 11/93, GmbHR 1995, 457; Kindler in
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
wirtschaftlich als Rückzahlung aufzufassen ist. Auch „verdeckte Rückzahlungen“, etwa im Rahmen von Verkehrsgeschäften zu nicht marktgerechten Preisen, sind haftungsschädlich.1 Eine Rückzahlung wirkt immer dann haftungsbegründend, soweit dadurch – nach Maßgabe des Jahresabschlusses oder Zwischenabschlusses zu fortgeführten Buchwerten ohne Rücksicht auf stille Reserven – das Kapitalkonto des Kommanditisten unter den Betrag der Haftsumme sinkt, wobei es nicht darauf ankommt, dass die Leistung an den Kommanditisten zulasten seines Darlehenskontos dokumentiert worden ist.2 Beispiele für haftungsbegründende (verdeckte) Rückzahlungen sind:3 5.64
– Überentnahmen;4 – unbefugte Entnahme von Gegenständen aus dem Gesellschaftsvermögen (die ggf. gar nicht zulasten des Kapitalkontos dokumentiert wird);5 – unangemessenes Verhältnis6 von Leistung und Gegenleistung bei einem Geschäft zwischen der GmbH & Co. KG und dem Kommanditisten (z.B. Kauf durch die GmbH & Co. KG zu überhöhtem Preis oder Verkauf an Kommanditisten unter marktüblichem Preis; Darlehen, Vermietung an den Kommanditisten zu Sonderkonditionen);7 – Begleichung persönlicher Verbindlichkeiten des Kommanditisten durch die Gesellschaft;8 – Zahlung von Zinsen auf die Einlage, wenn die Gesellschaft keine Gewinne erzielt;9 – Rückzahlung eines (zusätzlich zur Kommanditeinlage gezahlten) Agios, wenn und soweit dadurch der Stand des Kapitalkontos des Kommanditisten unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat;10 – Abtretung einer Eigentümergrundschuld durch die Gesellschaft an einen Kreditgeber des Kommanditisten;11
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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Koller/Kindler/Roth/Morck, § 172 HGB Rz. 23; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 66. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 68. Vgl. BGH v. 9.7.2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 172 HGB Rz. 23 m.w.N.; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 67. Weitere Beispiele bei Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 6. Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 6. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 67. Vgl. BGH v. 13.2.1967 – II ZR 158/65, BGHZ 47, 149 (150); BGH v. 28.1.1980 – II ZR 250/78, BGHZ 76, 127 (130) = DB 1980, 781; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 68. Huber, ZGR 1988, 1. Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 6. BGH v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319 (332). BGH v. 9.7.2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074; bestätigt durch BGH v. 5.5.2008 – II ZR 105/07, ZIP 2008, 1175; ebenso K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 67; a.A. Bayer/Lieder, ZIP 2008, 809; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 172 HGB Rz. 22; Horn in Heymann, § 172 HGB Rz. 10. BGH v. 20.10.1975 – II ZR 214/74, BB 1976, 383 (384).
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
– überhöhte, unangemessene Vergütung durch die KG für die Geschäftsführertätigkeit eines Kommanditisten;1 – Zahlungen der GmbH & Co. KG an einen Dritten, wenn der Dritte seinerseits dem Kommanditisten aufgrund der Zahlung entsprechende Vermögensvorteile verschafft;2 – Umwandlung einer Einlage in ein Darlehen;3 – Leistung einer Stammeinlage bei der Gründung der Komplementär-GmbH oder Erwerb von Geschäftsanteilen der GmbH von Kommanditisten zulasten des Kommanditkapitals (vgl. § 172 Abs. 4 HGB); – Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen der Komplementär-GmbH an den Kommanditisten, wenn die Komplementär-GmbH aufgrund der Leistung an den Kommanditisten Rückgriff bei der GmbH & Co. KG nehmen kann (z.B. aufgrund §§ 161 Abs. 2, 110 HGB);4 – Leistung von Schadensersatz an einen getäuschten Anlegerkommanditisten;5 – Leistung an eine andere Gesellschaft, wenn der Kommanditist an der anderen Gesellschaft beteiligt ist und auf ihre Geschäftsführung maßgeblichen Einfluss hat.6 Gestaltungshinweis: Um ein Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung zu vermeiden, sollten bei Geschäften zwischen der GmbH & Co. KG und einem Kommanditisten die Vertragsbedingungen und die Vergütung eindeutig und in angemessener Höhe in einem schriftlichen Vertrag festgelegt werden.
5.65
Die durch Rückzahlung der Einlage aufgelebte unmittelbare und persönliche Haftung des Kommanditisten erlischt wieder, wenn der Kommanditist seine Einlage (erneut) in das Gesellschaftsvermögen leistet.7
5.66
b) Insbesondere: Haftungsschädliche Gewinn- und Liquiditätsentnahmen Die Haftung des Kommanditisten lebt auch wieder auf, wenn er Gewinne entnimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der Einlage (Haftsumme) gemindert ist bzw. die Entnahme eine solche Minderung zur Folge hätte (§ 172 Abs. 4 Satz 2 HGB). Dabei genügt bereits eine anteilige Unterbilanz, d.h. dass das buchmäßig ausgewiesene Eigenkapital der GmbH & Co. KG unter 1 BAG v. 28.9.1982 – 3 AZR 304/80, WM 83, 514; Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 6; Riegger, DB 1983, 1909; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 172 HGB Rz. 24. 2 BGH v. 20.10.1975 – II ZR 214/74, BB 1976, 383; Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 6; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 172 HGB Rz. 9; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 70. 3 Huber, ZGR 1988, 1. 4 Vgl. BGH v. 28.1.1980 – II ZR 250/78, BGHZ 76, 127 (130); BGH v. 14.1.1985 – II ZR 103/84, BGHZ 93, 246; Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 172 HGB Rz. 13; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 71; zum Meinungsstand vgl. auch Sassenrath, Die Umwandlung von Komplementär- in Kommanditbeteiligungen, S. 57 ff. 5 OLG München v. 21.12.1999 – 25 U 3744/99, NJW-RR 2000, 624 (625). 6 BGH v. 25.2.2009 – II ZR 99/08, BGH v. 25.5.2009 – II ZR 99/08, NZG 2009, 825 (2. Leitsatz). 7 Vgl. OLG München v. 27.7.1990 – 23 U 2030/90, DStR 1990, 777.
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5.67
§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
dem Betrag des Nominalkapitals liegt, ohne dass es auf eine buchmäßige Überschuldung ankommt.1 Stille Reserven werden nicht berücksichtigt.2 5.68
Zu einem (teilweisen) Wiederaufleben der Haftung kann eine Gewinnentnahme demnach auch dann führen, wenn die Gesellschaft stille Reserven gebildet hat und der Gesellschafter ohne Aufdeckung dieser Reserven Entnahmen tätigen will, sodass sein Kapitalanteil buchmäßig unter die Einlage absinkt.
5.69
Haftungsschädlich sind ferner nicht durch Gewinne oder einen positiven Saldo auf dem Kapitalkonto gedeckte Liquiditätsentnahmen. Es ist nicht unüblich, gesellschaftsvertraglich eine von § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB abweichende Bestimmung vorzusehen, nach der Liquidität auch dann an die Kommanditisten ausgeschüttet werden darf, wenn zwar kein Jahresüberschuss (z.B. wegen hoher Abschreibungen auf das Anlagevermögen), aber dennoch Liquiditätsüberschüsse erwirtschaftet werden.3 In solchen Fällen ist häufig im Gesellschaftsvertrag festgelegt, dass die freie Liquidität an die Gesellschafter auszuschütten ist (z.T. auch als „Garantieausschüttung“ oder „garantierte Verzinsung“ bezeichnet). Auch ohne Jahresüberschuss dürfen dann Entnahmen der Kommanditisten erfolgen.
5.70
Zwar sieht § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB grundsätzlich nur eine Gewinnbeteiligung der Kommanditisten vor. Die Vorschrift ist jedoch dispositiv; eine abweichende Vereinbarung ist zulässig.4 Eine nicht durch Gewinne oder einen positiven Saldo auf dem Kapitalkonto gedeckte Liquiditätsentnahme bedeutet dennoch eine Rückzahlung der Hafteinlage, sodass die summenmäßig beschränkte Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB in dem Umfang wieder auflebt, in dem sein Kapitalanteil die Haftsumme unterschreitet.5 Zur Haftung im Innenverhältnis s. Rz. 5.49 ff.
5.71
Bei der Investmentkommanditgesellschaft darf die Rückgewähr der Einlage oder eine Entnahme, die den Wert der Kommanditeinlage unter den Betrag der Einlage herabmindert, nur mit Zustimmung des betroffenen Kommanditisten erfolgen, wobei er auf das Wiederaufleben der Haftung hinzuweisen ist, § 127 Abs. 2 KAGB (offene Investment-KG) sowie § 152 Abs. 2 KAGB (geschlossene Investment-KG). Ferner gilt die Erfüllung des Abfindungsanspruchs nicht als Rückzahlung der Einlage des Kommanditisten, wenn ein Kommanditist während der Laufzeit der Investmentkommanditgesellschaft aus der Investmentkommanditgesellschaft ausscheidet, § 133 Abs. 2 Satz 1 KAGB (offene Investment-KG) sowie § 152 Abs. 6 Satz 1 KAGB (geschlossene Investment-KG) (s. Rz. 2.309, 2.347, 2.349). 1 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 57 m.w.N., dort auch zur Kritik an der Maßgeblichkeit von Buchwerten. 2 BGH v. 11.12.1989 – II ZR 78/89, GmbHR 1990, 209; Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 8; vgl. hierzu Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 56 ff. 3 Ausführlich zur Liquiditätsentnahme Dubois/Schmiegel, NZI 2013, 913. 4 BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 (2279) Rz. 9; Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 7. 5 BGH v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324 (1. Leitsatz) = NJW 1973, 1036. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit der Kommanditist im Innenverhältnis zur Rückgewähr der erhaltenen Beträge verpflichtet ist. Nach der Rspr. ist dies – jedenfalls in der Publikumsgesellschaft – nur der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag dies (zweifelsfrei) vorsieht, vgl. BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 (2279); OLG München v. 22.12.2014 – 14 U 2588/13, NZG 2015, 226 (227).
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
Der Gläubiger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Entnahme,1 während der Kommanditist die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass sich die Entnahme nicht haftungsschädlich ausgewirkt hat.2 § 172 Abs. 4 HGB dient dem Gläubigerschutz, dessen Durchsetzung erheblich erschwert würde, wenn der Gläubiger auch die Haftungsschädlichkeit einer Entnahme darzulegen und zu beweisen hätte.3
5.72
Ist der Jahresabschluss fehlerhaft, lebt die Haftung des Kommanditisten gem. § 172 Abs. 5 HGB dann nicht auf, wenn die Bilanz in gutem Glauben errichtet und der Gewinn in ebenso gutem Glauben entnommen worden ist. Die Ausnahmevorschrift gilt allerdings nur für den Jahresabschluss und den Gewinnverwendungsbeschluss, nicht jedoch für Garantie- oder Gewinnvorauszahlungen.4 Zu beachten ist, dass es nach h.M. neben der Gutgläubigkeit des Kommanditisten auch auf den guten Glauben der Personen ankommt, die den Jahresabschluss aufgestellt haben.5
5.73
Im Übrigen ist zu beachten, dass die Vorschrift des § 172 Abs. 5 HGB bei der gutgläubigen Entnahme von Scheingewinnen nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung die Verpflichtung des Gesellschafters im Innenverhältnis zur Rückgewähr der Entnahme gem. § 812 Abs. 1 BGB unberührt lässt.6 Demgegenüber erscheint die Gegenauffassung überzeugender, die einen Ausschluss der Rückzahlungspflicht auch im Innenverhältnis annimmt.7 Dem entnehmenden Gesellschafter ist nicht geholfen, wenn die Gesellschaftsgläubiger durch Pfändung eines Rückgewähranspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter doch noch in Höhe des gutgläubig entnommenen Gewinnanteils auf das Privatvermögen des Kommanditisten zugreifen können.
5.74
Sofern die Zulässigkeit von Liquiditätsentnahmen im Innenverhältnis nicht eindeutig geregelt ist, lebt ggf. nicht nur die Außenhaftung gem. § 172 Abs. 4 HGB wieder auf. Im Innenverhältnis können sich dann Rückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen die Kommanditisten ergeben, die nicht auf die Einlageverpflichtung beschränkt sind. Dies gilt dem BGH zufolge – jedenfalls in der Publikumsgesellschaft – aber nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Rückzahlungspflicht ausdrücklich vorsieht. Dass die gewinnunabhängigen Auszahlungen auf ein „Darlehenskonto“ gebucht werden, reicht zur Begründung einer Innenhaftung
5.75
1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 172 HGB Rz. 74; Haas/Mock in Röhricht/von Westphalen/Haas, § 172 HGB Rz. 45. 2 BGH v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, NZG 2011, 588 (590) Rz. 21; so schon K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 172 HGB Rz. 74; Strohn in Ebenroth/Boujoung/Joost/ Strohn, § 172 HGB Rz. 55; Haas/Mock in Röhricht/von Westphalen/Haas, § 172 HGB Rz. 45; zu den Anforderungen an den Nachweis der Haftungsunschädlichkeit Stumpf, BB 2012, 1429. 3 Stumpf, BB 2012, 1429. 4 BGH v. 20.4.2009 – II ZR 88/08, NJW 2009, 2126 (2126). 5 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 201/81, BGHZ 84, 383 (385); Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 11; Thiessen in Großkomm. HGB, § 172 HGB Rz. 144 f.; a.A. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 87 ff. 6 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 9; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 172 HGB Rz. 54; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 169 HGB Rz. 17. 7 Vgl. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 HGB Rz. 94; Thiessen in Großkomm. HGB, § 172 HGB Rz. 16; Oetker in Oetker, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015, § 172 HGB Rz. 46; Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 172 HGB Rz. 65.
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§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
des Kommanditisten auf Rückzahlung von Liquiditätsausschüttungen nicht aus.1 Auch auf die Treuepflicht des Kommanditisten wird sich eine Rückzahlungspflicht kaum stützen lassen, wenn die Behandlung von Liquiditätsüberschüssen gesellschaftsvertraglich geregelt ist.2 Führt die Entnahme aus dem KG-Vermögen zu einer Unterbilanz bei der Komplementär-GmbH, kommen Erstattungsansprüche in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG in Betracht (Rz. 5.91).
5. Haftungserweiterungen a) Interne Verlustbeteiligung 5.76
Gelegentlich wird im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die KomplementärGmbH von der Beteiligung am Verlust ausgeschlossen ist. Eine solche Bestimmung berührt die Außenhaftung der Komplementär-GmbH nicht, könnte im Innenverhältnis aber zur Folge haben, dass die übrigen Gesellschafter verpflichtet sind, die Komplementär-GmbH von jeglicher Inanspruchnahme für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG freizustellen. Da ein solcher Freistellungsanspruch aufgrund eines Titels gegen die Komplementär-GmbH pfändbar wäre, drohte den Kommanditisten eine Haftung über die Einlage hinaus, ungeachtet der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme, auf die die Haftung beschränkt ist (§ 171 Abs. 1 HGB), und der Teilnahme am Verlust der GmbH & Co. KG (§ 167 Abs. 3 HGB). Diese Konsequenz ist von den Kommanditisten nur in den seltensten Fällen beabsichtigt. Sie würde ihnen den Vorteil der beschränkten Kommanditistenstellung nehmen. Auch aus steuerlichen Gründen ist eine derartige Regelung nicht geboten.3 Eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die die Verlustbeteiligung der Komplementär-GmbH ausschließt, muss daher so verstanden werden, dass nur die GmbH & Co. KG eine Freistellungspflicht gegenüber der Komplementär-GmbH trifft. Haben die Kommanditisten ihre Einlagen noch nicht vollständig erbracht, haften sie gem. § 171 Abs. 1 HGB in beschränkter Höhe für den Freistellungsanspruch. Eine über die Kommanditeinlage hinausgehende Haftung kommt nur dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorsieht, dass die Kommanditisten entgegen der Bestimmung des § 167 Abs. 3 HGB4 – nach der zwar durch Verluste ein negatives Kapitalkonto entstehen kann, das durch Gewinne aufgefüllt werden muss, bevor Gewinne ausgeschüttet werden dürfen, aber eben keine Verlustausgleichshaftung entsteht5 – auch über den Betrag der Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnehmen.6 1 BGH v. 1.7.2014 – II ZR 72/12, GWR 2014, 458 = IBRRS 2014, 3839; BGH v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, BGH NJW 2013, 2278 (1. und 2. Leitsatz); a.A. die Vorinstanz OLG Hamm v. 9.3. 2011 – I-8 U 133/10, BeckRS 2011, 07064. 2 Dubois/Schmiegel, NZI 2013, 913 (917). 3 Vgl. BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 (169). 4 Die Vorschrift enthält dispositives Recht, vgl. nur RG v. 16.4.1942 – II 117/41, RGZ 169, 105 (107) sowie OLG Karlsruhe v. 25.11.1981 – 6 U 14/81, BB 1982, 327 (328). 5 Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 167 HGB Rz. 7; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16. 6 Vgl. BGH v. 28.11.1994 – II ZR 240/93, GmbHR 1995, 128; BGH v. 27.9.1982 – II ZR 241/81, BB 1982, 2007; OLG Karlsruhe v. 25.11.1981 – 6 U 14/81, BB 1982, 327 (328); Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 43; Huber, ZGR 1988, 1; Huber, Vermögensanteil, S. 308 f.; K. Schmidt, GmbHR 1984, 280; Weber/Jansen, NJW 1971, 1671 (1678); Buchheister, BB 1973, 687.
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
Häufig wird im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG auch die Verzinsung von Verlustanteilen vereinbart. Die Bestimmung kann z.B. lauten: „Der Saldo auf dem (variablen) Kapitalkonto II, den Privatkonten und einem etwaigen Verlustvortragskonto wird mit X % p.a. im Soll und Haben verzinst.“ Aus dieser Regelung ergibt sich aber noch kein unmittelbarer Anspruch der KG auf Zahlung von Zinsen, wenn – wie in der Praxis häufig – gleichzeitig vereinbart ist, dass Verlustanteile auf Verlustvortragskonten zu erfassen und mit künftigen Gewinnen vorrangig zu verrechnen sind. In diesem Fall beschränkt sich die Bedeutung der Verzinsungspflicht darauf, dass im Fall zukünftiger Gewinne in Höhe der „Zinsen“ Rücklagen auf den Kapitalkonten II der betreffenden Gesellschafter zu bilden und die entsprechenden Zinsbeträge dadurch einer Entnahme zu entziehen sind.1
5.77
b) Haftung der Kommanditisten vor Eintragung in das Handelsregister nach § 176 HGB Der Kommanditist haftet unbeschränkt wie ein persönlich haftender Gesellschafter, wenn er der Geschäftsaufnahme einer (noch) nicht im Handelsregister eingetragenen KG zugestimmt hat, es sei denn, seine Beteiligung als Kommanditist war dem Gläubiger bekannt (§ 176 Abs. 1 Satz 1 HGB). Gleiches gilt für Verbindlichkeiten, die zwischen dem Eintritt des Kommanditisten in eine bereits bestehende KG und seiner Eintragung in das Handelsregister begründet werden (§ 176 Abs. 2 HGB). Für Fälle seit Neuregelung des Firmenrechts der Handelsgesellschaften (seit 1.1.1981) hat die Rechtsprechung klargestellt, dass die Firmierung der GmbH & Co. KG grundsätzlich ausreicht, um die Haftung des Kommanditisten gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter nach § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuschließen. Die Verkehrserwartung, dass bei der GmbH & Co. KG nur die GmbH unbeschränkt haftet, während die an der Gesellschaft beteiligten natürlichen Personen Kommanditisten sind, sei so typisch, dass sie mit der von § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB geforderten positiven Kenntnis gleichgestellt werden könne.2 Nach herrschender Auffassung gilt dies auch für § 176 Abs. 2 HGB.3
5.78
Etwas anderes gilt, wenn es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Investmentgesellschaft im Sinne des KAGB handelt: Der Eintritt eines Kommanditisten in eine offene Investmentkommanditgesellschaft oder eine geschlossene Investmentkommanditgesellschaft wird erst mit Eintragung in das Handelsregister wirksam (§ 127 Abs. 4 KAGB sowie § 152 Abs. 4 KAGB), sodass eine Haftung gem. § 176 HGB ausgeschlossen ist (s. Rz. 2.326).
5.79
Trotz nachträglicher Eintragung des Kommanditisten in das Handelsregister gilt die unbeschränkte Haftung für die von § 176 HGB erfassten Verbindlichkeiten fort. Die Rechtsprechung zum GmbH-Recht, nach der die Eintragung der GmbH zum Erlöschen der Handelndenhaftung führt, ist nach überwiegender Ansicht nicht
5.80
1 OLG Düsseldorf v. 20.3.1991 – 17 U 134/90, DB 1991, 1163. 2 OLG Frankfurt/M. v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326 = ZIP 2007, 1809; OLG Schleswig v. 14.9.2004 – 5 U 86/04, DZWIR 2005, 163; hierauf hinweisend bereits BGH v. 21.3.1983 – II ZR 113/82, GmbHR 1983, 238; vgl. auch Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 19, anders noch BGH v. 18.6.1979 – II ZR 194/77, NJW 1980, 54 (Leitsatz). 3 Ihrig in Reichert, GmbH & Co. KG, § 43 Rz. 26; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rz. 50; K. Schmidt, GmbHR 2002, 341 (344 f.); Horn in Heymann, § 176 HGB Rz. 11.
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§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
auf § 176 HGB übertragbar.1 Allerdings soll die unbeschränkte Haftung analog § 160 HGB auf fünf Jahre begrenzt sein.2 5.81
Gestaltungshinweis: Zur Vermeidung einer erweiterten Haftung empfiehlt es sich auch weiterhin, die Wirksamkeit des Eintritts in die KG unter die aufschiebende Bedingung der Eintragung in das Handelsregister zu stellen. aa) Anwendung des § 176 HGB auf gesetzliche Verbindlichkeiten
5.82
Die herrschende Auffassung sieht § 176 HGB als abstrakte Vertrauensschutzvorschrift an, sodass die unbeschränkte Haftung nur für solche Verbindlichkeiten gilt, bei deren Begründung typischerweise vertraut wird. Mithin gelte § 176 HGB nur für rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Verbindlichkeiten,3 da Vertrauensschutz bei gesetzlichen Verbindlichkeiten, beispielsweise im Deliktsrecht, keine Rolle spiele.4 Damit fände die unbeschränkte Haftung keine Anwendung auf Deliktsansprüche, Steuerforderungen und öffentlich-rechtliche Beitrags- und Gebührenforderungen.
5.83
Überzeugender ist es, § 176 HGB auch auf gesetzliche Verbindlichkeiten zu erstrecken.5 Der Wortlaut differenziert nicht zwischen gesetzlichen und anderen Verbindlichkeiten.6 Ferner haften GbR- und OHG-Gesellschafter nach ganz überwiegender Auffassung für alle Verbindlichkeiten gem. § 128 Satz 1 HGB (analog) persönlich und unbeschränkt.7 Dies ist als allgemeiner Grundsatz zu verstehen, wonach derjenige, der Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verbindlichkeiten uneingeschränkt haftet, sofern sich aus Gesetz oder Vereinbarung nichts anderes ergibt. Die akzessorische Haftung im Fall von § 176 Abs. 1 HGB auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten zu begrenzen, erscheint insofern systemwidrig und auch im Rahmen einer Abwägung des Interesses des Kommanditisten an einer Haftungsbegrenzung mit dem Interesse des Gläubigers eines gesetzlichen Anspruchs nicht geboten.8 bb) Analoge Anwendung des § 176 HGB auf Kann-KG?
5.84
Nach § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB kann sich der Gesellschafter einer kleingewerbetreibenden oder vermögensverwaltenden GbR vor Eintragung als KG zur Vermeidung seiner unbeschränkten Haftung nicht darauf berufen, dass dem Gläubiger seine Stellung als Kommanditist bekannt war. Seit der BGH die Haftung von GbR1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rz. 42 f.; Roth in Baumbach/ Hopt, § 176 HGB Rz. 13. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 176 HGB Rz. 13. 3 BGH v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209 (215 f.) = NJW 1982, 883; Strohn in Ebenroth/Boujoung/Joost/Strohn, § 176 HGB Rz. 1; Saenger/Wackerbeck, JA 2006, 771. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 55 I 1b), 3. 5 Mattheus/Schwab, ZGR 2008, 65; Jacobs, DB 2005, 2227; Dauner-Lieb in FS Lutter, 2000, S. 835 (848); K. Schmidt, GmbHR 2002, 341; differenzierend Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 30 Rz. 103; der gesetzliche Verbindlichkeiten aus dem Anwendungsbereich herausnehmen will, die in keinem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit entstehen. 6 Jacobs, DB 2005, 2227. 7 BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 218/05, NJW 2007, 2490 (2492) = BGHZ 172, 169. 8 Im Ergebnis so auch Dauner-Lieb in FS Lutter, 2000, S. 835 (848); Jacobs, DB 2005, 2227 (2232 f.); zuvor Knobbe-Keuk in FS Stimpel, 1985, S. 187 (201).
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
Gesellschaftern auf die Grundlage des § 128 HGB (analog) gestellt hat,1 können sich die zukünftigen Kommanditisten ihrer unbeschränkten Haftung damit nicht mehr durch Mitteilung ihrer Kommanditistenstellung an den Geschäftspartner entziehen. Diese Ungleichbehandlung mit den zukünftigen Kommanditisten einer ein Handelsgewerbe betreibenden Gesellschaft sollte durch Anwendung des § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die kleingewerbetreibende und vermögensverwaltende GbR vermieden werden, sobald der Eintragungsantrag gestellt ist.2 cc) Analoge Anwendung des § 176 bei Firmenänderung der GmbH & Co. KG? Die Rechtsprechung hat in analoger Anwendung des § 176 HGB eine unbeschränkte Kommanditistenhaftung für Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG angenommen, wenn diese, auch unter Hinweis auf die Haftungsbeschränkung, unter einer geänderten, nicht eingetragenen Firma (z.B. A-GmbH & Co. KG in B-GmbH & Co. KG) Verpflichtungen begründet. Vor Eintragung der geänderten Firma dürfe der Rechtsverkehr davon ausgehen, dass eine neue Gesellschaft gegründet worden sei, sodass alle Kommanditisten mangels Eintragung unbeschränkt haften.3 Diese Rechtsprechung überzeugt nicht, da es an einer für die Analogie notwendigen planwidrigen Regelungslücke fehlt. § 15 HGB regelt abschließend die Rechtsfolgen nicht eingetragener, aber eintragungsbedürftiger Tatsachen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung seit Neuregelung des Firmenrechts die Firmierung der GmbH & Co. KG ausreichen lässt, um die unbeschränkte Haftung des Kommanditisten nach § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuschließen (Rz. 5.78), ist eine unbegrenzte Kommanditistenhaftung im Falle der Firmenänderung nicht mehr haltbar.4
5.85
c) Durchgriffshaftung Eine unbeschränkte Haftung des Kommanditisten ist unter besonderen Umständen auch im Rahmen der sog. Durchgriffshaftung möglich. Die Durchgriffshaftung wurde im Recht der Kapitalgesellschaften entwickelt, bei denen die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist (§§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Durchgriff auf das Privatvermögen des Gesellschafters ist die Ausnahme und auf Fallkonstellationen beschränkt, in denen die strikte Vermögenstrennung unbillig erscheint.
5.86
aa) Vermögensvermischung Eine unbeschränkte Haftung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Vermögensmassen der KG, der Komplementär-GmbH und der Kommanditisten derart vermischt sind, dass eine Trennung und eine eindeutige Zuordnung der Ver1 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 2 K. Schmidt, GmbHR 2002, 341; J. Wagner, NJW 2001, 1110; Dauner-Lieb in FS Lutter, 2000, S. 835 (845 f.); Mülbert, AcP 199 (1999), 38; a.A. Clauss/Fleckner, WM 2003, 1790; Jacobs, DB 2005, 2227. 3 OLG Frankfurt/M. v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326 = ZIP 2007, 1809; OLG Schleswig v. 14.9.2004 – 5 U 86/04, DZWIR 2005, 163; vgl. auch bereits BGH v. 21.3.1983 – II ZR 113/82, GmbHR 1983, 268; vgl. auch Roth in Baumbach/Hopt, Anh. § 177a HGB Rz. 19. 4 Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 49.
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5.87
§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
mögensgegenstände nicht mehr möglich sind.1 Für die Fälle der Vermögensvermischung hält der BGH an einer Durchgriffshaftung fest („TRIHOTEL“)2 (Rz. 5.93). Zur Vermeidung einer Durchgriffshaftung ist daher gerade in der Einpersonen-GmbH & Co. KG auf eine sorgfältige Buchführung und Zuordnung der einzelnen Vermögensgegenstände größter Wert zu legen.3 bb) Unterkapitalisierung 5.88
Diskutiert wird im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ferner eine Durchgriffshaftung wegen unzureichender Kapitalausstattung der Gesellschaft (sog. materielle Unterkapitalisierung).4 Der Gesetzgeber hat bislang davon abgesehen, eine am jeweiligen konkreten Kapitalbedarf orientierte Mindestkapitalausstattung vorzuschreiben und auf diesem Wege eine spezielle Haftung des Gesellschafters bei materieller Unterkapitalisierung zu schaffen.5 Gegen eine Haftung wegen Unterkapitalisierung spricht insbesondere, dass es in der Praxis kaum möglich ist, eine adäquate Kapitalausstattung hinreichend sicher zu bestimmen. Die Rechtsprechung hat eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung in der Vergangenheit nur in Einzelfällen bejaht.6 Weitere Entscheidungen zeigen eine überwiegend kritische bzw. ablehnende Haltung.7 In den meisten Fällen wird man auch ohne die Rechtsfigur der Durchgriffshaftung anhand anderer anerkannter Rechtsinstitute – wie etwa § 826 BGB – zu befriedigenden Lösungen gelangen.8 In seiner „GAMMA“-Entscheidung aus dem Jahr 2008 hat der BGH sich deutlich gegen eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung ausgesprochen.9 cc) Beherrschung
5.89
Die Erteilung von Weisungen durch den Gesellschafter und die wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Einbindung der Gesellschaft in einen Konzern begründen als solche keine Durchgriffshaftung.10 1 Vgl. zu dieser Fallgruppe der Durchgriffshaftung BGH v. 16.9.1985 – II ZR 275/84, BGHZ 95, 330 (334) = GmbHR 1986, 78; BGH v. 12.11.1984 – II ZR 250/83, WM 1985, 54 (55) = GmbHR 1985, 80; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 GmbHG Rz. 141; Altmeppen, ZIP 2001, 1837. 2 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1552. 3 Vgl. hierzu auch die Hinweise in BGH v. 12.11.1984 – II ZR 250/83, WM 1985, 54 (55) = GmbHR 1985, 80; KG Berlin v. 4.12.2007 – 7 U 77/07, GmbHR 2008, 703. 4 Zum Meinungsstand vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 7; Raiser in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 13 GmbHG Rz. 136 ff. 5 Vgl. für die GmbH BT-Drucks. 8/1347, S. 39; RegE MoMiG v. 25.5.2007, BR-Drucks. 354/07, S. 66. 6 BGH v. 8.7.1970 – VIII ZR 28/69, BGHZ 54, 222 (224); BSG v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, ZIP 1984, 1217 (1220) = GmbHR 1985, 294; zustimmend Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 13 GmbHG Rz. 20 ff. 7 BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75, BGHZ 68, 312; BAG v. 3.9.1998 – 8 AZR 189/97, ZIP 1999, 24 = GmbHR 1998, 1221; BAG v. 10.2.1999 – 5 AZR 677/97, ZIP 1999, 878 = GmbHR 1999, 655. 8 Vgl. dazu auch BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1235) = GmbHR 2008, 805. 9 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1234) = GmbHR 2008, 805. 10 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278); BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75, BGHZ 68, 312 (321).
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
d) Deliktshaftung nach § 826 BGB In der „TRIHOTEL“-Entscheidung1 hat der BGH die Gesellschafterhaftung wegen Existenzvernichtung aus der Durchgriffshaftung (dazu Rz. 5.86) ausgenommen. Sie wird für die GmbH nunmehr als ein Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S. des § 826 BGB behandelt.
5.90
Der BGH erkennt grundsätzlich einen „mittelbaren Kapitalschutz“ für die GmbH & Co. KG an, insb. über §§ 30, 31 GmbHG (s. Rz. 5.116).2 Dieser mittelbare Kapitalschutz setzt bei den Wechselwirkungen zwischen dem Vermögen der GmbH & Co. KG und dem Vermögen der Komplementär-GmbH an, wenn (a) sich durch einen Eingriff in das Vermögen der GmbH & Co. KG das Risiko der KomplementärGmbH erhöht, von den Gläubigern der GmbH & Co. KG nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB in Anspruch genommen zu werden oder (b) die Komplementär-GmbH am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt und infolge eines Eingriffs gezwungen ist, die Beteiligung an der GmbH & Co. KG außerplanmäßig abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Diese Wechselwirkungen können es rechtfertigen, neben dem mittelbaren Kapitalschutz der §§ 30, 31 GmbHG auch ergänzende Schutzinstrumente wie etwa die Existenzvernichtungshaftung für die KG heranzuziehen.3
5.91
Die Existenzvernichtungshaftung bezeichnet die Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen.4 Die Existenzvernichtungshaftung hatte der BGH zunächst als Durchgriffshaftung des Gesellschafters analog § 128 HGB wegen Missbrauchs der Rechtsform der GmbH konstruiert und diese Haftung als subsidiär gegenüber einer Innenhaftung aus §§ 30, 31 GmbHG angesehen.5
5.92
Mit der Entscheidung „TRIHOTEL“6 hält der BGH im Grundsatz an der Existenzvernichtungshaftung fest. Allerdings gibt er das bisherige Konzept einer eigenstän-
5.93
1 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 „TRIHOTEL“, ZIP 2007, 1552 = GmbHR 2007, 927. 2 Vgl. BGH v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, GmbHR 1973, 163 (165); BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (336) = GmbHR 1980, 179; BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, ZIP 1990, 578 (579) = GmbHR 1990, 251; BGH v. 6.7.1998 – II ZR 284/94, ZIP 1998, 1437 = GmbHR 1998, 935; BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, GmbHR 2015, 248; s. auch Gummert, DStR 2015, 761; Pöschke/Steenbreker, NZG 2015, 614; Geißler, GmbHR 2014, 458; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rz. 60 ff. 3 Schlichte, DB 2006, 2672 (2673); Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 12 Rz. 71 a.E.; s. auch Schiessl in 20. Aufl. 2009, § 5 Rz. 80 ff.; zweifelnd Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, § 51 Rz. 128, der in §§ 161 Abs. 2, 128, 171 ff. HGB eigenständige Schutzmechanismen der KG sieht. 4 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 „KBV“, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902; BGH v. 16.7. 2007 – II ZR 3/04 „TRIHOTEL“, ZIP 2007, 1552 = GmbHR 2007, 927. 5 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 „Bremer Vulkan“, GmbHR 2001, 1036 (1038); BGH v. 25.2. 2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848 (850) = GmbHR 2002, 549; BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 „KBV“, ZIP 2002, 1578 (1579) = GmbHR 2002, 902; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 = GmbHR 2005, 225; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 = GmbHR 2005, 299. 6 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 = GmbHR 2007, 927; bestätigt durch BGH v. 13.12.2007 – IX ZR 116/06, ZIP 2008, 455 = GmbHR 2008, 322; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308 = GmbHR 2008, 257; BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 = GmbHR 2008, 805.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
digen Haftungsfigur in Form einer Durchgriffs(außen)haftung bei Existenzvernichtung auf. Stattdessen knüpft er die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens und ordnet sie allein in § 826 BGB ein, als eine besondere Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Dabei handelt es sich um eine Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft. Die Abkehr von der Außenhaftung begründet der BGH damit, dass durch die Existenzvernichtungshaftung allein das Gesellschaftsvermögen geschützt werden soll, nicht jedoch die durch den Haftungsfonds reflexartig geschützten Forderungen der Gläubiger. Bei Überschneidungen von Schadensersatzansprüchen nach § 826 BGB und Erstattungsansprüchen nach §§ 30, 31 GmbHG besteht Anspruchskonkurrenz.1 5.94
Zentrale Haftungsvoraussetzung ist der gezielte, kompensationslose und betriebsfremden Zwecken dienende Eingriff in Vermögenswerte oder Interessen der Gesellschaft, die diese zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt und die einem Gesellschafter oder einem Dritten zumindest mittelbar zum Vorteil gereichen. Der Eingriff muss kausal für die Insolvenzreife oder die Vertiefung einer bereits bestehenden Insolvenz der Gesellschaft sein. In subjektiver Hinsicht kommen das Kriterium der Sittenwidrigkeit und der Vorsatz des Schädigers hinzu. Der BGH nimmt Sittenwidrigkeit an, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung von Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge billigend in Kauf genommen hat.2 Der BGH bezeichnet solche Eingriffe anschaulich als „Selbstbedienung“ des Gesellschafters.3
5.95
Ein sog. existenzvernichtender Eingriff ist insbesondere in folgenden Fällen denkbar: – Konzern-Cash-Management, wenn die Tochtergesellschaft Mittel in das CashManagement einspeist, die sie später mangels Liquidität der Obergesellschaft zur Erfüllung ihrer eigenen Verbindlichkeiten nicht mehr abrufen kann.4 – Fremdnützige Stellung von Sicherheiten (bspw. für Mutter- oder Schwestergesellschaften), jeweils ohne entsprechende Vorsorge durch Rückstellungen oder anderweitige Absicherung der Gesellschaft.5 – Eingriff in Geschäftschancen,6 wie etwa die Einschränkung des Vertriebsgebiets, die Verlagerung eines Teils der Produktion oder des Kundenstamms oder die Realisierung eines Projektes in einem anderen Unternehmen, nachdem die Gesellschaft die Entwicklungskosten getragen hat.7
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (3. Leitsatz), ZIP 2007, 1552 = GmbHR 2007, 927. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1556) = GmbHR 2007, 927. Vgl. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232 (1234) = GmbHR 2008, 805. Vgl. BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 „Bremer Vulkan“, GmbHR 2001, 1036 (1038). Röhricht in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 (91). Vgl. Röhricht in VGR Bd. 5, 2002, S. 3 (13). Vgl. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 „KBV“, ZIP 2002, 1578 (1579 f.) = GmbHR 2002, 902; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 (252) = GmbHR 2005, 299; BGH v. 13.12. 2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 = GmbHR 2005, 225; vgl. auch Röhricht in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 (91); Habersack, ZGR 2008, 533.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
– Maßnahmen, die nach bilanziellen Grundsätzen nicht angemessen erfasst werden können, z.B. Abschluss nachteiliger Verträge, Abzug betriebsnotwendiger Liquidität.1 Grundsätzlich abzulehnen ist eine Existenzvernichtungshaftung dagegen in folgenden Fällen:
5.96
– Anfängliche Unterkapitalisierung: Die Auffassung, ein existenzvernichtender Eingriff setze nicht zwingend einen unkompensierten benachteiligenden Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen voraus, sondern finde auch Anwendung, wenn der Gesellschaft von vornherein die Fähigkeit vorenthalten wird, die vorhersehbaren Risiken ihres Geschäftsbetriebs zu bewältigen und ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, hat der BGH in seiner „GAMMA“-Entscheidung verworfen.2 In dem entschiedenen Fall ging es um eine sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, deren Existenz von dem Überleben des zu sanierenden, die Arbeitnehmer abgebenden Unternehmens abhing. Der BGH stellt fest, die Existenzvernichtungshaftung richte sich gegen den Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne einer „Selbstbedienung“. Eine strukturelle Benachteiligung einer Gesellschaft in einer Unternehmensgruppe sei danach erst dann haftungsbegründend, wenn der Entzug von Gesellschaftsvermögen hinzutrete. Allein die unzureichende finanzielle Ausstattung einer Gesellschaft (Rz. 5.88) ist damit nicht als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung anerkannt. – Auch bloße Managementfehler sind nicht haftungsbegründend.3 Die Existenzvernichtungshaftung soll sich auf Missbrauchsfälle beschränken und bietet keine Absicherung gegen die gewöhnlichen Risiken des Geschäftsbetriebs.4 – An einem existenzvernichtenden Eingriff fehlt es ferner, wenn der Gesellschafter zwar Forderungen der Gesellschaft gegen Dritte auf ein eigenes Konto einzieht, mit diesen Mitteln jedoch Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht und zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus eigenem Vermögen weitere Gesellschaftsschulden tilgt.5 Rechtsfolge des existenzvernichtenden Eingriffs ist die Haftung des Gesellschafters auf Schadensersatz. Dabei umfasst der Schadensersatzanspruch wegen existenzvernichtenden Eingriffs den Ersatz nach §§ 30, 31 GmbHG, ermöglicht aber darüber hinaus auch den Ersatz von Schäden, die durch eine Rückzahlung nach §§ 30, 31 GmbHG nicht ausgeglichen werden.6 Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf den zur Begleichung der Gesellschaftsschulden notwendigen Betrag.7 Zudem erkennt der BGH Verzugszinsen (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) ab dem Zeitpunkt der
1 Vgl. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1555) = GmbHR 2007, 927; Röhricht in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 (93); Röhricht, ZIP 2005, 505 (515). 2 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 „GAMMA“, ZIP 2008, 1232 (1234) = GmbHR 2008, 805. 3 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 (252) = GmbHR 2005, 299; vgl. zur Abgrenzung auch OLG Köln v. 13.4.2006 – 7 U 31/05, ZIP 2007, 28 = AG 2007, 371. 4 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250; Röhricht in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83 (105); Röhricht, ZIP 2005, 505 (514). 5 BGH v. 2.6.2008 – II ZR 104/07, ZIP 2008, 1329 = GmbHR 2008, 929. 6 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1558) = GmbHR 2007, 927. 7 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1560), Rz. 55: „soweit“ = GmbHR 2007, 927.
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5.97
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
Entziehung zu.1 Die Wiederherstellung der Gesellschaft als „werbendes Unternehmen“ fordert der BGH aber nicht.2 5.98
Anspruchsgegner kann nicht nur der Alleingesellschafter sein, sondern auch ein Gesellschafter, der an dem Eingriff in das Gesellschaftsvermögen mitgewirkt hat,3 wobei dies auch auf mittelbar beteiligte Gesellschafter zutreffen kann.4 Ebenso hat der BGH die Obergesellschaft als Haftungsschuldner angesehen, die eine Schwestergesellschaft der durch den Eingriff betroffenen Gesellschaft begünstigte.5 Auch nicht selbst durch den Eingriff begünstigte Gesellschafter können Anspruchsgegner sein, wenn sie den Eingriff durch ihr Einverständnis unterstützt haben.6 Der BGH lässt es sogar ausreichen, dass der Anspruchsgegner noch nicht einmal mittelbar an der Gesellschaft beteiligt ist, sondern über die Beteiligung von Angehörigen (Ehefrau, Mutter) und von diesen erteilten Vollmachten die Kontrolle über den Eingriff ausübt („faktischer“ Gesellschafter).7 Maßgebend ist nach Ansicht des BGH nicht die formaljuristische Konstruktion, sondern die tatsächliche Einflussmöglichkeit.8
5.99
Der Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB steht nicht den Gläubigern der Gesellschaft zu,9 sondern ist als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet.10 Die Gesellschaft ist als unmittelbar Geschädigte die Anspruchsinhaberin, weil ihr durch das Handeln des Gesellschafters Gesellschaftsvermögen entzogen wurde und sie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Die Gesellschaftsgläubiger hingegen sind nur mittelbar von der Eingriffsfolge betroffen und deshalb nicht anspruchsberechtigt. Auf diese Weise wird auch ein „Wettlauf der Gesellschaftsgläubiger“ vermieden.11 Außerhalb des Insolvenzverfahrens können Gesellschaftsgläubiger daher sowohl Rückerstattungsansprüche nach § 31 GmbHG als auch Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB nur nach vorheriger Pfändung und Überweisung (§§ 829, 835 ZPO) geltend machen. Während des Insolvenzverfahrens wird der Anspruch der Gesellschaft wegen Existenzvernichtungshaftung aus § 826 BGB vom Insolvenzverwalter geltend gemacht.12
5.100
Bedeutung für die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs wegen existenzvernichtenden Eingriffs hat die Darlegungs- und Beweislast.13 Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen hat derjenige, der den Anspruch geltend macht, sämtliche Tat1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
BGH v. 13.12.2007 – IX ZR 116/06, ZIP 2008, 455 = GmbHR 2008, 322. Vgl. auch Weller, ZIP 2007, 1681. BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549. BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 (118) = GmbHR 2005, 225; BGH v. 13.12. 2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 (251) = GmbHR 2005, 299. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902. BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, ZIP 2002, 848 = GmbHR 2002, 549. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1558) = GmbHR 2007, 927. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1558) = GmbHR 2007, 927. Rechtsprechung bis zur Entscheidung „TRIHOTEL“, vgl. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 „KBV“, ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1557) = GmbHR 2007, 927; bestätigt in BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308 (310) = GmbHR 2008, 257. Vgl. Habersack, ZGR 2008, 533. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1557) = GmbHR 2007, 927. Dazu Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 13 GmbHG Rz. 42; Hommelhoff, ZGR 1994, 395; Krieger, ZGR 1994, 375 (387).
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
sachen vorzutragen, die den Tatbestand der ihm günstigen Rechtsnorm erfüllen; dem genügen allgemein gefasste Behauptungen grundsätzlich nicht. Auf diese allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast weist der BGH für die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB besonders hin und hebt hervor, dass die Gesellschaft als Anspruchsgläubigerin auch den Kausalitätsnachweis zu erbringen hat.1 Eine sinnvolle Vorkehrung zur Haftungsvermeidung stellt eine sorgfältige und ordnungsgemäße Buchführung dar.2 Die Dokumentation kann dem Gesellschafter den Nachweis erleichtern, dass der Gesellschaft kein Nachteil zugefügt wurde, der nicht durch einen Vorteil kompensiert wurde. Da die Haftung des Gesellschafters jedoch auch an Eingriffe anknüpfen kann, die in ihren Auswirkungen buchhaltungs- und bilanztechnisch nicht erfasst werden können, bietet allein die ordnungsgemäße Buchführung keinen ausreichenden Schutz. Bei solchen Maßnahmen sollten in einer begleitenden Dokumentation der Geschäftsführung möglichst die Gründe der Maßnahme und deren Vor- und Nachteile für die Gesellschaft festgehalten werden.
5.101
6. Haftung des Kommanditisten nach Ausscheiden aus der Gesellschaft Scheidet ein Kommanditist unter Einlagenrückgewähr aus der Gesellschaft aus, haftet er – beschränkt auf seine Haftsumme – für Verbindlichkeiten fort, die vor dem Ausscheiden aus der Gesellschaft begründet werden, wenn die Verbindlichkeiten vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind (§§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 1 HGB). Die Nachhaftung gilt für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten und auch, wenn die Verbindlichkeit aufgrund eines bei Ausscheiden bereits bestehenden Dauerschuldverhältnisses erst nach dem Ausscheiden entsteht.3 Die Nachhaftungsfrist des § 160 HGB beginnt grundsätzlich mit der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters im Handelsregister. Die Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister ist für den Fristbeginn jedoch nicht konstitutiv. Ohne Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister beginnt die Nachhaftungsfrist bereits mit positiver Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters.4 Scheidet ein Kommanditist ohne Einlagenrückgewähr durch Übertragung seines Kommanditanteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge (und somit grundsätzlich ohne einer Nachhaftung ausgesetzt zu sein) aus der Gesellschaft aus, soll die Haftung des ausscheidenden Kommanditisten entsprechend § 172 Abs. 4 HGB wieder aufleben, wenn der übliche Nachfolgevermerk („im Wege der Sonderrechtsnachfolge“ oder „als Rechtsnachfolger“) nicht in das Handelsregister eingetragen wurde.5 1 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (1558) = GmbHR 2007, 927; nochmals bestätigt durch BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308 (310) = GmbHR 2008, 257. 2 Vgl. hierzu Schulze-Osterloh, ZIP 1993, 1838; Krieger, ZGR 1994, 375. 3 BAG v. 19.5.2004 – 5 AZR 405/03, NJW 2004, 3287 (3288); BGH v. 24.9.2007 – II ZR 284/05, DB 2007, 2586. 4 BGH v. 24.9.2007 – II ZR 284/05, ZIP 2007, 2262; zuvor grundlegend Altmeppen, NJW 2000, 2529. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 160 HGB Rz. 43; Boesche in Oetker, § 160 HGB Rz. 14; Klöhn in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 160 HGB Rz. 13 f. 5 BGH v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82 ff. = GmbHR 1981, 262; vgl. dazu aus neuerer Sicht Friedl, DStR 2008, 510; Bueren, ZHR 176 (2014), 715.
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5.102
§5 5.103
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
In der Investmentkommanditgesellschaft haftet der ausgeschiedene Kommanditist ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens nicht mehr für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 133 Abs. 2 Satz 2 KAGB für die offene Investment-KG und § 152 Abs. 6 Satz 2 KAGB für die geschlossene Investment-KG).
7. Rechtsscheinhaftung des Kommanditisten 5.104
Eine Rechtsscheinhaftung des Kommanditisten (entsprechend § 179 BGB) kann dadurch begründet werden, dass der Kommanditist vortäuscht, er oder eine andere natürliche Person sei unbeschränkt haftender Gesellschafter,1 oder durch Zeichnung der Firma ohne Rechtsformzusatz;2 in diesem Fall haftet der Kommanditist unbeschränkt und als Gesamtschuldner neben der GmbH & Co. KG als tatsächlicher Unternehmensträgerin.3 Die Rechtsscheinhaftung trift ausschließlich den für die Gesellschaft Auftretenden. Eine zusätzliche Rechtsscheinhaftung eines im Hintergrund gebliebenen Gesellschaftsorgans wegen bloßer Mitverursachung des Rechtsscheins durch Verletzung von Handlungs-, Überwachungs- oder Instruktionspflichten kommt nicht in Betracht.4 In einer älteren Entscheidung hatte der BGH demgegenüber auch die Rechtsscheinhaftung des im Hintergrund gebliebenen Geschäftsführers angenommen;5 jedoch nicht wegen Verletzung von Überwachungspflichten, sondern wegen pflichtwidrig unterlassener Handelsregisteranmeldung des haftungsbeschränkenden Rechtsformzusatzes.6
5.105
Gestaltungshinweis: Zur Vermeidung der Rechtsscheinhaftung sollten Geschäftsbögen verwendet werden, die den Anforderungen der §§ 125a, 177a HGB genügen. Bereits bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen – z.B. Vertragsverhandlungen – sollte auf die Rechtsform hingewiesen werden. Zur Begründung der Rechtsscheinhaftung reicht allerdings nicht schon jede mündliche, insbesondere telefonische Erklärung, ohne den haftungsbeschränkenden Zusatz aus.7 Denn im mündlichen Geschäftsverkehr wird vielfach nur der prägnante und einprägsame Teil der Firma genannt, sodass der Geschäftspartner aufgrund dieser unvollständigen Firmenangabe noch nicht auf eine persönliche Haftung der Gesellschafter vertrauen darf.8 Zudem ist auf die ordnungsgemäße Handelsregisteranmeldung des haftungsbeschränkenden Rechtsformzusatzes zu achten.
1 BGH v. 1.6.1981 – II ZR 1/81, GmbHR 1982, 154 (155); BGH v. 24.6.1991 – II ZR 293/90, ZIP 1991, 1004 (1005) = GmbHR 1991, 360. 2 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, ZIP 2007, 908 = GmbHR 2007, 593 m. Komm. Römermann; OLG Saarbrücken v. 21.10.2008 – 4 U 385/07 - 128, GmbHR 2009, 209. 3 BGH v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, GmbHR 1990, 212 (213); Hopt in Baumbach/Hopt, § 19 HGB Rz. 30. 4 Vgl. BGH v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, ZIP 2007, 908 = GmbHR 2007, 593 m. Komm. Römermann. 5 BGH v. 8.5.1978 – II ZR 97/77, BGHZ 71, 354 (358). 6 BGH v. 8.5.1978 – II ZR 97/77, BGHZ 71, 354 (358). 7 BGH v. 1.6.1981 – II ZR 1/81, BB 1981, 1481 (1483) = GmbHR 1982, 154. 8 Vgl. BGH v. 1.6.1981 – II ZR 1/81, BB 1981, 1481 (1483) = GmbHR 1982, 154; zust. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II 2c) bb).
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
III. Haftung des Kommanditisten für Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der Komplementär-GmbH 1. Grundsatz Die Komplementär-GmbH und die GmbH & Co. KG sind für Zwecke der Kapitalaufbringung und -erhaltung grundsätzlich als jeweils selbständige Rechtsträger anzusehen mit der Folge, dass die Gesellschafter beider Gesellschaften ihre Einlageverpflichtungen ihnen gegenüber jeweils gesondert zu erfüllen haben.1 Leistungen der Komplementär-GmbH an die GmbH & Co. KG und Leistungen der GmbH & Co. KG an die Kommanditisten können aber gegen die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln des GmbH-Rechts verstoßen und Erstattungsansprüche gegen die Kommanditisten auslösen.
5.106
2. Haftung für Kapitalaufbringung Inzwischen kann als geklärt gelten, dass die Komplementär-GmbH den allgemeinen GmbH-rechtlichen Regelungen über die Kapitalaufbringung unterliegt.2 Lange war unklar, ob GmbH und KG insofern als „wirtschaftliche Einheit“ behandelt werden konnten.3 Häufig wurde für die Komplementär-GmbH noch nicht einmal ein eigenes Bankkonto eingerichtet und die Bareinlage in die GmbH unmittelbar als Darlehen an die GmbH & Co. KG weitergereicht.4 Diese Fälle wurden teils den Grundsätzen der Kapitalaufbringung5 und teils den Grundsätzen der Kapitalerhaltung6 zugeordnet. Dieser Unsicherheit hat der BGH ein Ende bereitet. Er hat entschieden, dass die allgemeinen Kapitalaufbringungsregeln des GmbHRechts (§ 19 GmbHG) auch bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gelten, ohne dass unter dem Gesichtspunkt einer „wirtschaftlichen Einheit“ der beiden Gesellschaften ein „Sonderrecht“ für die Kapitalaufbringung bei der Komplementär-GmbH anzuerkennen wäre.7
5.107
Für den praktisch relevanten Fall der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung erfolgenden Darlehensgewährung durch die Komplementär-
5.108
1 Vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, ZIP 2008, 174 (176) = GmbHR 2008, 203; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rz. 68. 2 Zu den Kapitalaufbringungsregeln der GmbH im Einzelnen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 II m.w.N.; Ebbing in Michalski, § 19 GmbHG Rz. 30 ff.; Fastrich in Baumbach/ Hueck, § 19 GmbHG Rz. 6 ff. 3 Für wirtschaftliche Einheit OLG Köln v. 5.2.2002 – 18 U 183/01, GmbHR 2002, 968; OLG Thüringen v. 28.6.2006 – 6 U 717/05, ZIP 2006, 1534 = GmbHR 2006, 940; gegen wirtschaftliche Einheit OLG Karlsruhe v. 25.2.2007 – 1 U 122/06, ZIP 2007, 2319 = GmbHR 2008, 147; OLG Hamm v. 31.10.2006 – 27 U 81/06, GmbHR 2007, 201. 4 Vgl. OLG Karlsruhe v. 25.5.2007 – 1 U 122/06, ZIP 2007, 2319 = GmbHR 2008, 147; OLG Köln v. 5.2.2002 – 18 U 183/01, GmbHR 2002, 968; OLG Thüringen v. 28.6.2006 – 6 U 717/05, ZIP 2006, 1534 = GmbHR 2006, 940; OLG Hamm v. 31.10.2006 – 27 U 81/06, GmbHR 2007, 20; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rz. 69. 5 OLG Hamm v. 31.10.2006 – 27 U 81/06, GmbHR 2007, 201. 6 OLG Karlsruhe v. 25.5.2007 – 1 U 122/06, ZIP 2007, 2319 = GmbHR 2008, 147; OLG Köln v. 5.2.2002 – 18 U 183/01, GmbHR 2002, 968. 7 BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, ZIP 2008, 174 = GmbHR 2008, 203 m. Komm. Rohde.
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§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
GmbH an die von den GmbH-Gesellschaftern beherrschte KG gilt seit Inkrafttreten des MoMiG damit § 19 Abs. 5 GmbHG. Der wirksamen Erbringung der Einlage steht eine Darlehensgewährung demnach nicht entgegen, wenn sie auf einer vorausgehenden Vereinbarung beruht und ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch der Komplementär-GmbH begründet wird, der jederzeit fällig ist oder erforderlichenfalls durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann (vgl. § 19 Abs. 5 GmbHG). 5.109
In der Entscheidung „MPS“ vom 1.12.2008 hat der BGH Stellung zu der Frage bezogen, wann eine Darlehensforderung gegen Gesellschafter als vollwertig anzusehen ist.1 Für die Vollwertigkeit soll die bilanzielle Betrachtungsweise gelten,2 und zwar zum Zeitpunkt der Begründung des Rückzahlungsanspruchs.3 Unerheblich ist insoweit, ob die (Komplementär-)GmbH später mit ihrer Forderung auf Darlehensrückzahlung gegen die GmbH & Co. KG ausfällt (unabhängig davon ist die Geschäftsführung aber gehalten, etwaige Änderungen des Kreditrisikos zu prüfen und auf eine Bonitätsverschlechterung mit einer Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten zu reagieren, andernfalls macht sie sich ggf. gem. § 43 GmbHG schadensersatzpflichtig, vgl. hierzu auch Rz. 4.58 ff.). Nach einer verbreiteten Auffassung setzt die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs auch bei einem kurzfristigen Darlehen eine marktübliche Verzinsung voraus.4 Soweit in der handelsbilanziellen Praxis aus Vereinfachungsgründen bei kurzfristigen Darlehen auf eine Verzinsung verzichtet wird, kann dies nicht auf den Rückgewährungsanspruch im Rahmen der Kapitalerhaltung übertragen werden.5 Andernfalls wäre eine effektive Kapitalaufbringung zum Schutz der Gläubiger nicht gesichert, da eine verlässliche Grenzziehung zwischen kurz- und langfristigen Darlehen kaum möglich ist. Eine Besicherung ist nicht unbedingt erforderlich, falls kein konkretes Ausfallrisiko abzusehen ist.6 Bestehen jedoch Zweifel an der Vollwertigkeit des
1 BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, ZIP 2009, 70 (72) = GmbHR 2009, 199 m. Komm. Podewils. 2 Vgl. Begr. RegE zu § 8 Abs. 2 GmbHG, BR-Drucks. 354/07, S. 78. 3 Siehe Ebbing in Michalski, § 19 GmbHG Rz. 173; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 19 GmbHG Rz. 79; Roth in Roth/Altmeppen, § 19 GmbHG Rz. 106; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 19 GmbHG Rz. 115; Wicke in Wicke, § 19 GmbHG Rz. 36; Bormann, GmbHR 2007, 897 (902); Gehrlein, Der Konzern 2007, 771 (782); Kallmeyer, DB 2007, 2755; Bormann in Bormann/Kauka/Ockelmann, HdB GmbH, Kap. 4 Rz. 52; a.A. für Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Anmeldung Schwandtner in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 19 GmbHG Rz. 348; Markwardt, BB 2008, 2414 (2420); für die Eintragung in das Handelsregister Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1067). 4 Schwandtner in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 19 GmbHG Rz. 345; Wicke in Wicke, § 19 GmbHG Rz. 32a; Spliedt ZIP 2009, 149 (150); a.A. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293); Gehrlein, Der Konzern 2007, 771 (785); Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801 (804). 5 Illhardt, Die Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, 2013, S. 112 f.; Schwandtner in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 19 GmbHG Rz. 345. 6 BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 „MPS“, NJW 2009, 850 (851) = GmbHR 2009, 199 m. Komm. Podewils; Schwandtner in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 19 GmbHG Rz. 344; Altmeppen, ZIP 2009, 51; a.A. Bormann in Bormann/Kauka/Ockelmann, Hdb. GmbH-Recht, 3. Aufl. 2015, Kap. 4 Rz. 47 f.
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Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
Rückgewähranspruchs mangels Bonität des Schuldners, so kann eine ausreichende Besicherung die Vollwertigkeit (wieder-)herstellen.1 Gestaltungshinweise: – Zur Haftungsvermeidung für Gesellschafter und Geschäftsführung kann die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch entsprechende sachverständige Erklärungen belegt werden. – Für die Gewährung sämtlicher Darlehen an Gesellschafter sollte der Geschäftsführung – z.B. über eine Geschäftsordnung – die ordnungsgemäße Prüfung der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs aufgegeben werden, und zwar sowohl zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung als auch laufend während der Darlehensgewährung. Die fortlaufende Prüfung kann bei umfangreichen langfristigen Darlehen die Einrichtung eines geeigneten Informations- oder „Frühwarnsystems“ zwischen der darlehensgebenden Gesellschaft und dem darlehensnehmenden Gesellschafter (bzw. zwischen der Komplementär-GmbH und der GmbH & Co. KG) erforderlich machen.2 Dafür sollte sich die Geschäftsführung umfassenden Einblick in die wirtschaftliche Situation des Gesellschafters einräumen lassen und ggf. auch die Mitwirkung des betreffenden Gesellschafters einfordern. – Es sollte eine schriftliche Darlehensvereinbarung getroffen werden, die es ermöglicht, auf eine etwaige Bonitätsverschlechterung mit einer Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten zu reagieren.
5.110
Durch § 19 Abs. 5 GmbHG ist die Weiterreichung der Einlage als Darlehen von der Komplementär-GmbH an die GmbH & Co. KG im Grundsatz gesetzlich legitimiert. Zu beachten ist, dass eine solche Gestaltung in der Anmeldung nach § 8 GmbHG anzugeben ist (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2 a.E. GmbHG). Der Registerrichter soll in die Lage versetzt werden zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der wirksamen Einlageleistung gegeben sind oder nicht.
5.111
Für Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbH nicht eingehalten sind, bleibt die frühere Rechtsprechung des BGH zur Behandlung von Darlehen der Komplementär-GmbH an die von ihren Gesellschaftern beherrschte KG von Bedeutung.3 Danach war die Einlageforderung der Komplementär-GmbH nicht erfüllt, wenn die an sie gezahlten Einlagemittel umgehend als „Darlehen“ an die von dem oder den Gesellschafter(n) beherrschte GmbH & Co. KG weitergereicht wurden.4 Dem BGH zufolge lag dann bereits keine wirksame Kapitalaufbringung vor, sodass die Regeln über die Kapitalerhaltung gar nicht erst zur Anwendung kamen. Für den Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln durch Hin- und Herzahlen genügte es, wenn mehrere (Komplementär-)GmbH-Gesellschafter, die zugleich auch Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren, das gleichgerichtete Interesse verfolgten, die von ihnen jedenfalls gemeinsam be-
5.112
1 Schwandtner in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 19 GmbHG Rz. 344. 2 Vgl. BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, ZIP 2009, 70 (72) = GmbHR 2009, 199 m. Komm. Podewils. 3 Zur weiteren Anwendbarkeit vgl. Begr. RegE zu § 8 Abs. 2 GmbHG, BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 78. 4 Vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, ZIP 2008, 174 = GmbHR 2008, 203; ablehnend: K. Schmidt, ZIP 2008, 481.
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Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
herrschte GmbH & Co. KG mit der für ihren Betrieb erforderlichen Liquidität auszustatten und dazu die an die (Komplementär-)GmbH zu zahlenden Einlagebeträge zu verwenden. Von einer entsprechenden Vor-Absprache der Beteiligten bei Begründung der Einlageschuld wurde jedenfalls bei fehlendem Bankkonto der Komplementär-GmbH, unabhängig davon aber auch aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs mit der Weiterleitung der Einlagemittel ausgegangen.1 Der Gesellschafter der Komplementär-GmbH, der zugleich (allein oder gemeinsam mit anderen) beherrschender Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, hat in diesen Fällen, solange das Darlehen nicht zurückgezahlt ist, weiterhin seine Einlage gegenüber der Komplementär-GmbH zu erbringen. 5.113
Gestaltungshinweis: Zur Haftungsvermeidung ist bei einer neu zu gründenden GmbH & Co. KG die Stammeinlage der GmbH auf ein eigenes Bankkonto der Komplementär-GmbH einzuzahlen; im Fall einer zeitnahen darlehensweisen Weiterleitung an die GmbH & Co. KG ist auf die Einhaltung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG (Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs im Zeitpunkt der Weiterleitung, jederzeitige Fälligkeit/Kündbarkeit im Falle einer Bonitätsverschlechterung, Vereinbarung im Voraus, Aufdeckung gegenüber dem Handelsregister) und eine entsprechende Dokumentation zu achten. Nach der gesetzlichen Regelung kann der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers nicht jederzeit fällig gestellt werden (§ 488 Abs. 3 BGB). Eine fristlose Kündigung des Darlehens ist nach Auszahlung bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers aber „in der Regel“ möglich (§ 490 Abs. 1 BGB). Zur Sicherheit sollte eine schriftliche Darlehensvereinbarung geschlossen werden, die ein fristloses Kündigungsrecht der GmbH vorsieht.
3. Haftung für Kapitalerhaltung 5.114
Wie bei der Kapitalaufbringung (Rz. 5.107 ff.) unterliegt die Komplementär-GmbH als eigenständiger Rechtsträger auch den allgemeinen Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Rechts.2
5.115
Darüber hinaus können die GmbH-Regeln über die Kapitalerhaltung durch Leistungen aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG aber auch mittelbar betroffen sein (s. dazu Rz. 5.91).
5.116
Die Erstattungsansprüche analog § 31 GmbHG stehen in diesen Fällen des „mittelbaren Kapitalschutzes“ der Komplementär-GmbH nach h.M. der GmbH & Co. KG und nicht der Komplementär-GmbH zu3 und können neben den Ansprüchen nach 1 Vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, ZIP 2008, 174 (175) = GmbHR 2008, 203. 2 Zu den Kapitalerhaltungsregeln der GmbH im Einzelnen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III f. m.w.N.; Ekkenga in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 30 GmbHG Rz. 45 ff.; Fleischer in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 30 Rz. 3 ff.; Heidinger in Michalski, § 30 GmbHG Rz. 21 ff.; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rz. 13 ff. 3 BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, GmbHR 2015, 248; BGH v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, ZIP 2008, 174 (176) = GmbHR 2008, 203; BGH v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324; BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, ZIP 1990, 578 (579) = GmbHR 1990, 251; BGH v. 6.7.1998 – II ZR 284/94, ZIP 1998, 1437 = GmbHR 1998, 935; vgl. hierzu auch Fastrich in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rz. 69 und § 31 GmbHG Rz. 7; Gummert, DStR 2015, 761; Pöschke/Steenbreker, NZG 2015, 614; Geißter, GmbHR 2015, 458.
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§5
Haftung der Gesellschafter der GmbH & Co. KG
§§ 171 f. HGB geltend gemacht werden.1 Verpflichteter des Erstattungsanspruchs nach § 31 GmbHG ist zunächst der Empfänger der Leistung. Jedoch unterliegen die Kommanditisten der Ausfallhaftung analog § 31 Abs. 3 GmbHG.2 Der Anspruch analog § 31 GmbHG ist nicht auf die Höhe des Stammkapitals beschränkt, sondern auf die Rückzahlung sämtlicher erhaltener Entnahmen gerichtet und bedeutet für die Kommanditisten damit eine Haftungsverschärfung gegenüber der Pflicht zur Leistung der Hafteinlage.3 Die mittelbare Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln des GmbH-Rechts gelten nicht nur für Leistungen der GmbH & Co. KG an ihren Kommanditisten, der zugleich auch Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, sondern auch für Leistungen an „Nur-Kommanditisten“, die nicht zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind,4 sowie an Gesellschafter der Komplementär-GmbH, die nicht zugleich Kommanditisten der GmbH & Co. KG sind.5
5.117
Erfolgt die Leistung an einen „Nur-Kommanditisten“, so ist eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG regelmäßig ausgeschlossen, sofern weitere natürliche Personen als Komplementäre an der KG beteiligt sind.6 Handelt es sich um eine Leistung an einen Kommanditisten, der zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, so scheitert die entsprechende Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG aber nicht schon grundsätzlich daran, dass neben der GmbH noch eine weitere natürliche Person unbeschränkt haftet.7 Abhängig von den Regelungen im Innenverhältnis kann der (im Außenverhältnis mit den anderen Komplementären als Gesamtschuldner haftenden) GmbH aber gegen die anderen Komplementäre ein Freistellungsanspruch zustehen. Sofern dieser Freistellungsanspruch werthaltig ist, kann er von der Komplementär-GmbH aktiviert und eine Unterbilanz damit vermieden werden.8
5.118
In der Praxis spielt die Haftung analog §§ 30, 31 GmbHG insbesondere bei Darlehen der Komplementär-GmbH an die GmbH & Co. KG sowie Darlehen der GmbH & Co. KG an einen Kommanditisten eine wichtige Rolle. Diesbezüglich hat der BGH in seiner „MPS“-Entscheidung bereits vor Inkrafttreten des MoMiG anerkannt, dass die Gewährung auch eines ungesicherten Darlehens bei Vorliegen eines vollwertigen Rückzahlungsanspruchs (in der Aktiengesellschaft und damit auch in der GmbH bzw. der GmbH & Co. KG) zulässig ist.9
5.119
1 BGH v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324. 2 Roth in Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rz. 173; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, § 31 GmbHG Rz. 25; a.A. Ekkenga in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 31 GmbHG Rz. 60a. 3 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, § 31 GmbHG Rz. 10; Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rz. 171. 4 BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, ZIP 1990, 578 = GmbHR 1990, 251; BGH v. 27.3.1995 – II ZR 30/94, NJW 1995, 1960 = GmbHR 1995, 442. 5 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rz. 70. 6 BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 = GmbHR 2015, 248; BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, GmbHR 1990, 251 = BGHZ 110, 342 (335, 357). 7 BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 = GmbHR 2015, 248. 8 BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 = GmbHR 2015, 248. 9 BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, ZIP 2009, 70 = GmbHR 2009, 199 m. Komm. Podewils.
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§5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu Dritten
5.120
Unabhängig davon regelt § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nunmehr, dass das Auszahlungsverbot nicht bei Leistungen gilt, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen einen Gesellschafter gedeckt sind. Demnach sind nunmehr Darlehen der GmbH & Co. KG an ihre Kommanditisten und Darlehen der Komplementär-GmbH an die GmbH & Co. KG, die bilanziell durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt sind (zur Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruches Rz. 5.109 f.), unabhängig von der Höhe des freien Vermögens und auch bei bestehender Unterbilanz zulässig,1 soweit hierin kein Verstoß gegen die Kapitalaufbringung (Rz. 5.107 ff.) oder ein existenzvernichtender Eingriff (Rz. 5.92 ff.) liegt.
5.121
Praktisch relevant ist ferner die Bestellung von Sicherheiten aus dem Vermögen der GmbH & Co. KG zur Besicherung von Verbindlichkeiten eines Kommanditisten oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen (sog. Upstream-Sicherheiten), weil durch eine Inanspruchnahme der Sicherheiten die Kapitalerhaltung der Komplementär-GmbH ebenfalls mittelbar beeinträchtigt werden kann.2 Üblicherweise wird daher in der entsprechenden Finanzierungs- bzw. Sicherheitendokumentation vereinbart, dass eine Durchsetzung der Sicherheiten nur insoweit erfolgen darf, dass ein Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften bei der GmbH & Co. KG und der Komplementär-GmbH dadurch nicht herbeigeführt wird (sog. Limitation Language).3
IV. Haftung des geschäftsführenden Kommanditisten 5.122
Die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG sind aufgrund der dispositiven Bestimmung des § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Wird dem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag dennoch das Recht zur Geschäftsführung eingeräumt oder führt er die Geschäfte als Geschäftsführer der KomplementärGmbH, hat die Erweiterung seiner Befugnisse grundsätzlich keine Auswirkungen auf seine Haftung als Gesellschafter.4 Gegebenenfalls kommt jedoch eine Haftung als Geschäftsführer der GmbH & Co. KG bzw. der Komplementär-GmbH in Betracht (dazu Rz. 4.1, 4.49 ff.).
1 Kallmeyer, DB 2007, 2755; Winter, DStR 2007, 1484. 2 Ekkenga in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 31 GmbHG Rz. 176; Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 30 GmbHG Rz. 66; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rz. 34 ff. 3 Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rz. 148 m.w.N. 4 Vgl. BGH v. 17.3.1966 – II ZR 282/63 „Rektorfall“, BGHZ 45, 204; BGH v. 7.11.1994 – II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130; Herchen in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 30 Rz. 109; Schilling Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 164 HGB Rz. 12; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 171 HGB Rz. 29; Johansson in Gummert, MAH, PersGesR, § 2 Rz. 313; K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (mit Verweis auf die andere Rechtslage im amerikanischen Recht; a.A. eine ältere Ansicht in der Literatur: vgl. J. v. Gierke, Handelsrecht, § 37 VI 1b); Paulick, Die eingetragene Genossenschaft, S. 70, 76 ff.; Müller-Erzbach in FS E. Heymann, 1940, Bd. II, S. 737.
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§6 Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter A. Einkommensteuer I. Allgemeines Die GmbH & Co. KG ist als Personengesellschaft weder körperschaftsteuerpflichtig, da sie keines der in § 1 KStG genannten Gebilde darstellt, noch unterliegt sie der Einkommensteuer, da nach § 1 EStG nur natürliche Personen dieser Steuer unterliegen. Aus diesem Grunde erfasst § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG den von einer Personengesellschaft erwirtschafteten Gewinn unmittelbar anteilig bei dem einzelnen Mitunternehmer1 und unterwirft ihn der Einkommensteuer, soweit der Mitunternehmer eine natürliche Personen ist, oder aber der Körperschaftsteuer, soweit der Mitunternehmer eine Körperschaft i.S. des § 1 KStG ist. Der von der Personengesellschaft erzielte Gewinn ist dem Gesellschafter an dem Zeitpunkt zuzurechnen, an dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft abläuft.2 Es kommt nicht darauf an, ob der Gewinn entnommen wird. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 war es auch für die Höhe des Steuersatzes unerheblich, ob der Gewinnanteil entnommen worden ist oder nicht. Seit dem Veranlagungszeitraum 2008 kann eine natürliche Person als Mitunternehmer auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 34a EStG bei thesaurierten Gewinnanteilen einen begünstigten Steuersatz in Anspruch nehmen (s. Rz. 6.188 ff.).
6.1
Die Überbetonung der steuerlichen Rechtssubjektivität der einzelnen Gesellschafter einer Personengesellschaft gipfelte in der früher herrschenden Bilanzbündeltheorie, die den gemeinsamen Betrieb der Gesellschaft unter Negierung der Existenz der Personengesellschaft als einen von den einzelnen Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil geführten eigenen Betrieb ansah. Die Bilanz der Personengesellschaft stellte nichts anderes als eine bloße Zusammenfassung der Einzelbilanzen aller Gesellschafter dar.3 Zweck der Bilanzbündeltheorie war es, den Mitunternehmer dem Einzelunternehmer weitgehend gleichzustellen. Unter dem Einfluss des Schrifttums4 gelangte der BFH schließlich mit Beschluss des Großen Senats vom 25.6.19845 zu einer begrenzten Steuerrechtssubjektivität der Personengesellschaft. Die Personengesellschaft ist insoweit Steuerrechtssubjekt als sie in der Einheit der Gesellschaft Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirk-
6.2
1 Zu dem durch die unmittelbare Zurechnung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmer Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 I 1, S. 361. 2 S. nur BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 = GmbHR 1989, 56. 3 RFH v. 14.7.1937, RStBl. 1937, 937; BFH v. 11.12.1956 – I 194/56 U, BStBl. III 1957, 105; BFH v. 11.12.1969 – IV R 92/68, BStBl. II 1970, 618. 4 Meßmer, StbJb. 1972/73, 127; ferner die Nachweise bei Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 I 1, S. 363 Fn. 6. 5 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761 f.) = GmbHR 1984, 350 (362).
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
licht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.1 Sie ist Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und der Einkünftequalifikation.2
II. Art der Einkunftserzielung durch die Gesellschaft 1. Gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft 6.3
Eine GmbH & Co. KG, die einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 EStG unterhält, vermittelt ihren Gesellschaftern Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wie jede andere gewerbliche Mitunternehmerschaft auch. Es wäre systematisch verfehlt, die gewerbliche Tätigkeit einer GmbH & Co. KG mit einer Mitunternehmerschaft kraft Rechtsform (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) begründen zu wollen.
6.4
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass die Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG betreibt. § 15 Abs. 2 EStG definiert ein gewerbliches Unternehmen als selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, die weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als selbständige Arbeit anderer Art anzusehen ist. Außerdem darf die Tätigkeit nicht vermögensverwaltender Natur sein. Eine gewerbliche Personengesellschaft muss daher u.a. mit Gewinnerzielungsabsicht, d.h. der Absicht, einen Totalgewinn zu erzielen, handeln. Die bloße Absicht, den Gesellschaftern Einkommensteuervorteile (z.B. durch Verlustzuweisungen) zu vermitteln, reicht nicht aus.3 Die Gewinnerzielungsabsicht ist zweistufig zu prüfen.4 Selbst wenn auf der Ebene der Gesellschaft Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist, kann diese für den einzelnen Gesellschafter fehlen (z.B. wegen nur befristeter Mitgliedschaft).5 Besteht keine Gewinnerzielungsabsicht, kann die Personengesellschaft auch nicht i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sein.6 Auch die Eintragung einer KG in das Handelsregister begründet lediglich die widerlegbare Vermutung, dass ein Handelsgewerbe betrieben wird. Sie macht eine nicht gewerblich tätige Gesellschaft jedoch nicht zu einer gewerblich tätigen.7 1 BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 = GmbHR 1991, 281; BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = FR 1995, 649; BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 = FR 2005, 1026 m. Komm. Kempermann; BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142; ferner Gschwendtner in FS Franz Klein, 1994, S. 751 (752 ff.); Bordewin in FS L. Schmidt, 1993, S. 421 (423); Schulze zur Wiesche, FR 1996, 237; Bodden, DStZ 1996, 73 (74). 2 BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142 = FR 2013, 68 m. Komm. Kempermann. 3 BFH v. 2.7.1998 – IV R 90/96, BFH/NV 1999, 754 (758). 4 BFH v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BStBl. II 2001, 789 = FR 2001, 415. 5 BFH v. 30.6.1999 – IX R 68/96, BStBl. II 1999, 718 = FR 1999, 1245; BFH v. 10.12.1992 – XI R 45/88, BStBl. II 1993, 538 (541) = FR 1993, 513. 6 BFH v. 25.9.2008 – IV R 80/05, BStBl. II 2009, 266 = FR 2009, 530 m. Komm. Kempermann; Carlé/Bauschatz in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 15 EStG Rz. 68, 523; Bitz in Littmann/Bitz/ Pust, § 15 EStG Rz. 123. 7 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355.
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Einkommensteuer: Art der Einkunftserzielung
2. Abfärbe- oder Infektionstheorie Besteht die Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft nur zum Teil in einer gewerblichen Tätigkeit, ordnet das Gesetz in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Gewerblichkeit für die gesamten Einkünfte der Mitunternehmerschaft und somit auch derjenigen der GmbH & Co. KG, an (Abfärbe- oder Infektionstheorie).1 Die gewerblich infizierte Personengesellschaft erzielt ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit insgesamt gewerbliche Einkünfte. Es findet kein Rückbezug auf den Beginn des Wirtschaftsjahres statt.2
6.5
Gegen die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG werden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.3 Während bei einem Einzelunternehmer verschiedene, neben seinem Gewerbebetrieb ausgeübte Tätigkeiten nach den jeweiligen Kriterien der Einkunftsarten (z.B. selbständige Arbeit gem. § 18 EStG oder Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG) zu qualifizieren sind, werden bei Mitunternehmern einer Personengesellschaft, die auch gewerblich tätig ist, alle Einkünfte als gewerbliche qualifiziert. In dieser Ungleichbehandlung wurde ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Nach Auffassung des BVerfG und des BFH ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verfassungsgemäß.4 Die Ungleichbehandlung der gemischt tätigen Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer sei aufgrund der Vereinfachung der Einkünfteermittlung und zur Sicherung des Gewerbesteueraufkommens gerechtfertigt.5
6.6
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH6 führte früher jede – auch jede geringfügig – im Rahmen einer Personengesellschaft ausgeübte gewerbliche Tätigkeit zur steuerlichen Umqualifizierung der originär nicht gewerblichen Tätigkeit. Dies wurde von der Literatur heftig kritisiert.7
6.7
Mit dem Urteil vom 11.8.19998 wurde diese Rechtsprechung eingeschränkt. Der XI. Senat des BFH hat festgestellt, dass die Abfärbe- und Infektionstheorie aus Gründen des Übermaßverbotes bei „äußerst geringfügigen“ gewerblichen Einkünf-
6.8
1 BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171 = FR 1995, 20 m. Komm. Kempermann; BFH v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603 = FR 1998, 890; BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 = GmbHR 1998, 246; BFH v. 24.11.1998 – VIII R 61/97, BStBl. II 1999, 483 = GmbHR 1999, 368; auch (Innen-)Personengesellschaft: BFH v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, FR 2000, 1033 m. Komm. Wendt = DStR 2000, 1594. 2 FG Nds. v. 27.7.1999 – II 479/95, EFG 1999, 900. 3 Seer, FR 1998, 1022; Carlé/Bauschatz in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 15 EStG Rz. 488. 4 BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, FR 2005, 139; BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = FR 2008, 818 m. Komm. Keß; BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681 = GmbHR 2008, 948; BFH v. 8.10.2008 – VIII R 53/07, BStBl. II 2009, 143 = FR 2009, 429; BFH v. 29.11.2012 – IV R 37/10, BFH/NV 2013, 910 = GmbHR 2013, 723. 5 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = FR 2008, 818 m. Komm. Keß. 6 BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171 = FR 1995, 20 m. Komm. Kempermann; BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 = GmbHR 1998, 246; BFH v. 19.12.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603. 7 Schild, DStR 2000, 576; Gosch, StBP 1998, 81; Grune, BB 1998, 1081; Korn, DStR 1995, 1249; Neu, DStR 1995, 1893. 8 BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 = FR 1999, 1182 m. Komm. Wendt; vgl. auch BFH v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647 = FR 2009, 663 m. Komm. Kanzler; BFH v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506 = FR 2011, 524.
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ten nicht eingreifen solle. Der BFH hielt in dem Urteil einen Umsatzanteil der gewerblichen Umsätze i.H.v. 1,25 % (6 481 DM) der Gesamtumsätze absolut und relativ für untergeordnet. In einem weiteren Urteil stellte der IV. Senat des BFH1 klar, dass eine gewerbesteuerfreie Tätigkeit zwar abfärbt, sich die Gewerbesteuerbefreiung in solchen Fällen jedoch auch auf die Tätigkeit erstreckt, die ohne die Abfärbung freiberuflich wäre.2 Weiterhin soll eine originär gewerbliche Tätigkeit, die 2,81 % des Gesamtumsatzes einer Personengesellschaft ausmacht, nicht zu einer Abfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG der übrigen Einkünfte aus land- und Forstwirtschaft führen.3 Aus den Urteilen des BFH haben sich keine eindeutigen Prüfungskriterien entnehmen lassen, wann eine Betätigung in der Praxis als „äußerst geringfügig“ zu qualifizieren ist,4 so dass die Anwendung einer Bagatellgrenze bisher unklar und umstritten war. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Umqualifizierung bei einem Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit i.H.v. 1,25 % der Gesamtumsätze nicht eingreifen.5 Die Rechtsprechung der Instanzgerichte war in der Vergangenheit uneinheitlich. Das FG Mecklenburg-Vorpommern war der Auffassung, dass ein Umsatzanteil von 2,71 % noch geringfügig ist.6 Das FG Köln stellte auf die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall ab und war der Auffassung, dass auch ein Anteil über 1,25 % noch unschädlich sein kann.7 Das FG Münster hielt einen Anteil der originär-gewerblichen Umsätze am Gesamtumsatz i.H.v. maximal 5 % für unschädlich.8 Der BFH hat die Revisionsverfahren zum Anlass genommen, über die entschiedenen Einzelfälle hinaus eine typisierende Bagatellgrenze für die Abfärberegelung aufzustellen. Nach Auffassung des BFH ist ein gewerblicher Nettoumsatzanteil i.H.v. 3 % noch von so untergeordneter Bedeutung, dass eine Umqualifizierung der gesamten Einkünfte unverhältnismäßig ist.9 Damit ist die von der Finanzverwaltung angewandte Bagatellgrenze von 1,25 % nicht länger haltbar. 6.9
Umstritten war bisher, ob es für die Annahme einer Geringfügigkeit eine absolute Obergrenze gibt.10 In der Literatur wurden vereinzelt Kriterien entwickelt, die die 1 BFH v. 30.8.2001 – IV R 43/00, BStBl. II 2002, 152 = FR 2002, 282. 2 Eine von drei Ärzten betriebene Gemeinschaftspraxis unterhielt eine Augenklinik, die gem. § 3 Nr. 20 Buchst. b) GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist. 3 BFH v. 8.3.2004 – IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954. 4 S. zur Einschränkung der Abfärbewirkung bei geringfügiger Beteiligung (im Streitfall: 0,5 %) an einer geringfügig (im Streitfall: 1,2 % der Gesamteinnahmen) gewerblich tätigen Personengesellschaft; BFH v. 6.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383 = FR 2005, 144. 5 H 15.8 Abs. 5 EStH 2014. 6 FG MV v. 15.12.2011 – 2 K 412/08, bestätigt durch BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597. 7 FG Köln v. 1.3.2011 – 8 K 4450/08, EFG 2011, 1167, bestätigt durch BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BFH/NV 2015, 592 = FR 2015, 512. 8 FG Münster v. 19.6.2008 – 8 K 4272/06 G, EFG 2008, 1975; ähnlich FG Nds. v. 14.9.2011 – 3 K 447/10, EFG 2012, 625, aufgehoben durch BFH v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595 = FR 2015, 512 m. Komm. Kanzler. 9 BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BFH/NV 2015, 592 = FR 2015, 512; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595 = FR 2015, 512 m. Komm. Kanzler, BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597. Der BFH legt bei der Anwendung der Bagatellgrenze die Nettoumsätze zugrunde, um das Verhältnis der Umsätze bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen nicht zu verfälschen. 10 Dazu Neu, DStR 1999, 2109: weniger als 48 000 DM absolute Grenze, weniger als 10 % des Gesamtumsatzes relative Grenze; ähnlich eventuell Wendt, FR 1999, 1183; kritisch
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Einkommensteuer: Art der Einkunftserzielung
relative Größe des Anteils der gewerblichen Einkünfte an den Betriebseinnahmen und die absolute Grenze des Gewerbesteuerfreibetrags kombinieren.1 Der BFH hat entschieden, dass die gewerblichen Einkünfte nur dann geringfügig im Sinne einer Bagatellregelung sind, wenn die gewerblichen Nettoumsatzerlöse einen Höchstbetrag i.H.v. 24 500 Euro nicht übersteigen.2 Der BFH orientiert sich dabei an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Die Höchstgrenze soll eine Privilegierung von Personengesellschaften vermeiden, die besonders hohe freiberufliche Umsätze erzielen und bei der ausschließliche Anwendung der relativen Grenze damit in größerem Umfang gewerblich tätig sein könnten.3 Eine einschränkende Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG soll demgegenüber nicht in Betracht kommen, wenn es um die Beteiligung eines Berufsfremden an einer im Übrigen aus Freiberuflern bestehenden Personengesellschaft geht, auch wenn dieser nur in geringem Umfang an der Gesellschaft beteiligt ist.4 Für den Fall einer doppelstöckigen Gesellschaft hat zwar der BFH mit Urteil vom 6.10.20045 entschieden, dass die Abfärbewirkung nicht eingreift, wenn eine vermögensverwaltende Handelsgesellschaft, die lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, an einer gewerblich tätigen (anderen) Personengesellschaft beteiligt ist. Das Gericht stützte sich auf den Wortlaut der im Urteilsfall zur Anwendung kommenden (und zwischenzeitlich geänderten) Fassung des § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG, die nur auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit auf die gewerblichen Einkünfte, nicht jedoch auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und damit auf den Bezug gewerblicher Einkünfte als Mitunternehmer verwies. Die Finanzverwaltung hatte auf dieses Urteil mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.6 Der Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wurde rückwirkend auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 geändert.7 Nunmehr führt auch der Bezug gewerblicher Einkünfte i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu einer gewerblichen Infektion. Die vom BFH in seinem Urteil enthaltene Auslegung kommt damit nicht mehr zum Tragen. Damit führt jede Beteiligung einer an sich nur ver-
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Gosch, StBp 2000, 57; Drüen, FR 2000, 177; Märkle, DStR 2000, 797/807; Niehus, FR 2002, 977; Kempermann, DStR 2002, 664. Z.B. Wehrheim/Brothage, DStR 2003, 485, vereinfachend dargestellt: Weniger als 5 %: keine Infektion; mehr als 10 %: Infektion; 5 % bis 10 %: Infektion, falls Gewerbesteuerfreibetrag überschritten. Wacker in Schmidt § 15 EStG Rz. 188: 2–3 % und Einnahmen nicht höher als Gewerbesteuerfreibetrag. S. dazu auch Demuth, KÖSDI 2005, 14491: 10 % Umsatzanteil oder Gewinn bis Gewerbesteuerfreibetrag unschädlich. BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BFH/NV 2015, 592 = FR 2015, 512; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595 = FR 2015, 512 m. Komm. Kanzler; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597. BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BFH/NV 2015, 592 = FR 2015, 512; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595 = FR 2015, 512 m. Komm. Kanzler, BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597. BFH v. 28.10.2008 – VIII R 69/06, BStBl. II 2009, 642 = FR 2009, 667 m. Komm. Kanzler; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159 m. Komm. Karl. BFH v. 6.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383 = FR 2005, 144; dazu Heuermann, DB 2004, 2548. BMF v. 18.1.2005 – IV B 2 - S. 2241 - 34/05, BStBl. I 2005, 698. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 (2878). Die Rückwirkung soll zur Sicherung einer ununterbrochenen Rechtspraxis mangels eines schutzwürdigen Vertrauens des Steuerpflichtigen verfassungsgemäß sein. S. dazu Wacker in Schmidt § 15 EStG Rz. 189 m.w.N.
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mögensverwaltenden Personengesellschaft an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft insgesamt zu gewerblichen Einkünften der Personengesellschaft. In der Literatur wird erwogen, die Bagatellregelung sinngemäß auf Beteiligungseinkünfte einer nicht gewerblichen Personengesellschaft an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft anzuwenden.1 Den Urteilen des BFH lässt sich hierzu nichts entnehmen, so dass die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten bleibt. 6.11
Gewerbliche Einkünfte im Sonderbetriebsvermögensbereich eines Gesellschafters führen indes nicht zu einer Abfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.2 Der BFH wies in dem Urteil vom 28.6.2006 darauf hin, dass bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass „die Gesellschaft“ auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübe und sich Tätigkeiten einzelner Gesellschafter sich nicht unter das Gesetz subsumieren lassen.
6.12
Die Bedeutung der Abfärbe- und Infektionstheorie hat sich durch die Einführung der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG durch das Steuersenkungsgesetz 20013 relativiert. Die Anrechnung führt jedoch nicht immer zur vollständigen Kompensation der Gewerbesteuer, so dass eine Infektion im Einzelfall zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen kann. Dies liegt zum einen daran, dass die Entlastungswirkung der pauschalierten Anrechnung vom konkreten Hebesatz der Gemeinde und vom individuellen Einkommensteuersatz des Gesellschafters abhängt. Daneben ergeben sich vor allem bei Personengesellschaften dadurch Gewinnverschiebungen, dass sich das auf den einzelnen Gesellschafter entfallende Anrechnungspotenzial nach dem auf ihn nach dem Gesellschaftsvertrag entfallenden Gewinnanteil bestimmt und so etwaige Sonderbetriebseinnahmen außer Betracht lässt (s. hierzu auch Rz. 6.696). Modelle zur Vermeidung der Gewerblichkeit behalten so trotz der Geltung des § 35 EStG weiterhin ihre Aktualität:4 Die Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte mit Gewerbesteuer wird nicht vollständig neutralisiert, sondern lediglich typisierend gemindert.5 Da nur das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrages anrechenbar ist, kommt es beispielsweise in Fällen, in denen der Hebesatz über 380 % liegt, zu einem Anrechnungsüberhang und damit zu einer effektiven Mehrbelastung durch die Gewerbesteuer.6
6.13
Gestaltungshinweis: Die Infektion lässt sich durch eine Verselbständigung nach dem sog. „Ausgliederungsmodell“ vermeiden: Hierbei errichten die Gesellschafter eine beteiligungsidentische Personengesellschaft mit unterschiedlichem Zweck, in die die infizierende Tätigkeit ausgelagert wird.7 Auf die strikte Trennung der ge1 Korn, NWB 2015, 1042 (1048), ablehnend Wacker in Schmidt § 15 EStG Rz. 189. 2 BFH v. 28.6.2006 – XI R 31/05, BStBl. II 2007, 378 = GmbHR 2006, 1213; s. dazu Kempermann, FR 2007, 577 (578). 3 Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. 4 Vgl. Herzig/Lochmann, DB 2000, 1192; Seer/Drüen, BB 2000, 2176; Thiele, NWB 2012, 10. 5 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 2. 6 Thiele, NWB 2012, 10 (11). 7 Ausdrücklicher Hinweis auf diese Gestaltungsmöglichkeit BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = FR 2008, 818 m. Komm. Keß; s. hierzu BFH v. 17.1.2007 – XI R 20/05; BFH v. 17.1.2007 – XI R 19/05, BFH/NV 2007, 1315; BFH v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603 = FR 1998, 890; BMF v. 14.5.1997 – IV B 4 - S 2264 - 23/97, BStBl. I 1997, 566.
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Einkommensteuer: Art der Einkunftserzielung
werblich tätigen Gesellschaft zur nicht gewerblich tätigen Gesellschaft ist zu achten:1 – schriftliche Abfassung der Gesellschaftsverträge; – Dokumentation eines eigenen betriebswirtschaftlichen Konzeptes der gewerblichen Schwestergesellschaft; – Errichtung getrennter Bankkonten, Kassen, einer eigenständigen Buchführung; – eigenes Betriebsvermögen der gewerblich tätigen Gesellschaft (Forderungen, Bankkonto und Barkasse genügen); – Verwendung eigener Rechnungsvordrucke; – Aufteilung der Kosten (z.B. Überlassung von Personal; Aufteilung der Stromkosten); – Betreiben der gewerblichen Tätigkeit in eigenen Räumlichkeiten (sie können jedoch von der freiberuflichen GbR per Kostenersatz überlassen werden; allerdings darf keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung zwischen den Gesellschaften bestehen: Die freiberufliche GbR darf der gewerblichen GbR keine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen); – Alternativ ist auch die Ausgliederung der infizierenden Tätigkeit in eine Kapitalgesellschaft möglich. Aufgrund des Trennungsprinzips sichert die Ausgliederung auf eine Kapitalgesellschaft in noch größerem Maße die Trennung zwischen gewerblicher und nichtgewerblicher Sphäre.2 Die Ausgliederung auf eine Kapitalgesellschaft ist allerdings mit einem Mehraufwand und möglichen Steuerrisiken verbunden, z.B. aufgrund verdeckter Gewinnausschüttungen.3 Daneben ist denkbar, dass ein beteiligter Gesellschafter4 die gewerbliche Tätigkeit ggf. unter Reduzierung seines Gewinnanteils5 auf eigene Rechnung übernimmt. Der betroffene Gesellschafter unterhält dann einen von der Gesellschaft separierten Gewerbebetrieb.6 Zu achten ist auf Folgendes: – Dem Gesellschafter ist der auf die gewerbliche Tätigkeit bezogene Auftrag persönlich zu erteilen. – Die Honorar-Vergütung ist direkt durch den gewerblich tätigen Gesellschafter zu vereinnahmen (kein Zufluss über ein Konto der Gesellschaft). – Dem Gesellschafter werden die mit dem Auftrag zusammenhängenden Kosten, die bei der Gesellschaft entstanden sind, von der Gesellschaft in Rechnung gestellt. – Die Gewerblichkeit kann im Einzelfall z.B. wegen der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen auch von Vorteil sein.7
1 Vgl. Klaßmann, INF 1999, 587; Wien, DStZ 1998, 753; Schlegel/Tillmanns, DStZ 2010, 287 (290); Korn, NWB, 2015, 1042 (1049). 2 Seer/Drüen, BB 2000, 2176 (2182). 3 Korn, NWB, 2015, 1042 (1050). 4 Vgl. Seer/Drüen, BB 2000, 2176. 5 Vgl. Vorschlag von Korn, DStR 1995, 1249; Hötten, GStB 2001, 403. 6 Vgl. BMF v. 14.5.1997 – IV B 4 - S 2264 - 23/97, BStBl. I 1997, 566, Ziffer 4 „… persönlich“. 7 Müller, ErbStB 2003, 127.
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6.14
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
3. Gewerblich geprägte Personengesellschaft 6.15
Erst wenn feststeht, dass die eingetragene GmbH & Co. KG für sich betrachtet keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, weil sie sich z.B. ausschließlich mit Vermögensverwaltung befasst, bedarf es der Prüfung, ob die grundsätzlich einer anderen Einkunftsart zuzuordnende Tätigkeit wegen der Rechtsform und Ausgestaltung der Gesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren ist (gewerblich geprägte Personengesellschaft). a) Frühere Rechtslage
6.16
Die erstmals mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.19851 in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eingeführte gewerblich geprägte Personengesellschaft hat ihre Vorgeschichte, die für die Auslegung der Vorschrift von Bedeutung ist. Mit dem BFH-Urteil vom 17.3.19662 wurde eine unter dem Stichwort Geprägerechtsprechung bekannt gewordene Rechtsprechung des BFH eingeläutet.3 Die nicht gewerblich tätige GmbH & Co. KG, also z.B. eine Gesellschaft, die vermögensverwaltend tätig ist, unterhielt nach dieser Rechtsprechung gleichwohl einen Gewerbebetrieb, wenn die geschäftsführende GmbH die alleinige persönlich haftende Gesellschafterin war. Begründet wurde die Auffassung damit, dass die Komplementär-GmbH kraft Rechtsform nur gewerbliche Einkünfte haben könne und dass dies auf die GmbH & Co. KG durchschlage, wenn die Komplementär-GmbH dem Gesamtbild der GmbH & Co. KG das Gepräge gebe. Die Geprägerechtsprechung war von Anfang an scharfer Kritik ausgesetzt.4 Sie wurde schließlich mit dem Beschluss des BFH vom 25.6.19845 aufgegeben.
6.17
Mit dem jähen Ende der Geprägerechtsprechung zeichneten sich nicht gerechtfertigte Steuerausfälle ab.6 Aus diesem Grunde7 und wohl auch deswegen, weil man der Praxis ein sinnvolles Gestaltungsinstrument8 erhalten wollte, wurde die Geprägerechtsprechung mit Rückwirkung9 gesetzlich verankert.
1 BStBl. I 1985, 735. 2 BFH v. 17.3.1966 – IV 233/65, BStBl. III 1966, 171. 3 In der Folgezeit wurde diese Rechtsprechung bestätigt: BFH v. 3.8.1972 – IV R 235/67, BStBl. II 1972, 799; BFH v. 18.2.1976 – I R 116/75, BStBl. II 1976, 480 = GmbHR 1976, 250; BFH v. 7.2.1985 – IV R 31/83, BStBl. II 1985, 372 = FR 1985, 481. 4 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 455; Schulze/Osterloh, NJW 1983, 1281 (1283). 5 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 6 Vgl. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 169. 7 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 169; Groh, DB 1987, 1006 (1007). 8 Kreile, DStZ 1986, 8; hinsichtlich günstiger steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit Hilfe einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 II 2d), S. 375; hinsichtlich der Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile vgl. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 169. 9 Hierzu BFH v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811 = GmbHR 1986, 332; BFH v. 22.11. 1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 = GmbHR 1995, 537, wonach die Rückwirkung verfassungsrechtlich unbedenklich ist; a.A. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 4 III 2d), S. 76 f.
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Einkommensteuer: Art der Einkunftserzielung
b) Gesetzliche Regelung § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG fingiert eine gewerbliche Tätigkeit einer nicht gewerblich tätigen GmbH & Co. KG, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: (1) es handelt sich um eine Personengesellschaft, die keine gewerbliche Tätigkeit ausübt (Rz. 6.19); (2) nur Kapitalgesellschaften sind persönlich haftende Gesellschafter1 (Rz. 6.20 ff.); (3) nur Kapitalgesellschaften oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, sind zur Geschäftsführung befugt (Rz. 6.22 ff.); (4) die Tätigkeit der GmbH & Co. KG ist von einer Einkünfteerzielungsabsicht getragen (Rz. 6.26).
6.18
Zu den einzelnen Voraussetzungen ist anzumerken: aa) Personengesellschaft Voraussetzung ist, dass die Personengesellschaft keine gewerbliche Tätigkeit ausführt. Im Falle einer teilweisen gewerblichen Betätigung gilt sie bereits nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb. Unter Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG fallen auch ausländische Personengesellschaften.2 Streitig ist hingegen, ob auch Innengesellschaften erfasst sind.3
6.19
bb) Nur Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter Ausschließlich Kapitalgesellschaften dürfen persönlich haftende Gesellschafter sein. Als „Kapitalgesellschaften“ gelten grds. die in § 1 KStG aufgezählten Gesellschaften. Erfasst sind auch ausländische Gesellschaften4 und Vorgesellschaften.5
6.20
Unter einem persönlich haftenden Gesellschafter ist entsprechend der Definition im HGB ein Gesellschafter zu verstehen, der neben der Personengesellschaft aufgrund der §§ 124, 128, 130 HGB für deren Verbindlichkeit unbeschränkt haftet.6 Damit sind Gesellschafter einer oHG, Komplementäre einer KG oder Gesellschafter einer GbR unstreitig als persönlich haftende Gesellschafter zu qualifizieren. Komplementäre gelten als unbeschränkt Haftende selbst dann, wenn sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger für bestimmte Verbindlichkeiten nicht unbeschränkt haften. Kommanditisten sind hingegen selbst dann keine persönlich
6.21
1 Die Komplementärstellung kann auch mehreren Kapitalgesellschaften übertragen sein; BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 = GmbHR 1995, 537, zur gewerblich geprägten BGB-Gesellschaft; Kapitalgesellschaften sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Rechtsformen, wodurch sich z.B. durch die Errichtung einer Stiftung & Co. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. 2 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296 = FR 1998, 577; BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BStBl. II 2007, 924 = GmbHR 2007, 669; BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 = FR 2010, 999. 3 Ritzrow, StBp 1999, 177; dafür: Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 215; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 138; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 1435. 4 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296 = FR 1998, 577; BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BStBl. II 2007, 924 = GmbHR 2007, 669; BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550 = FR 2010, 903 m. Komm. Buciek. 5 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 216; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 174; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 1436. 6 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 II 1.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
haftenden Gesellschafter, wenn sie im Einzelfall für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, z.B. durch Bürgschaftsübernahme, unbeschränkt haften. cc) Nur Kapitalgesellschaften oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, dürfen zur Geschäftsführung befugt sein 6.22
Die gewerbliche Prägung einer GmbH & Co. KG setzt weiter voraus, dass die Geschäftsführung ausschließlich bei der Komplementär-GmbH liegt, die diese durch ihre Geschäftsführer wahrnimmt, oder aber bei Nichtgesellschaftern. Die Geschäftsführungsbefugnis muss sich aus Gesetz oder Gesellschaftsvertrag ergeben, also auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhen. Es ist nicht auf die Vertretungsmacht i.S. des §§ 125 ff. HGB abzustellen, sondern auf die Befugnis im Innenverhältnis und damit auf die Geschäftsführungsbefugnis i.S. des §§ 114 ff. HGB.1
6.23
Damit eröffnen sich für die Vertragspraxis Gestaltungsspielräume. Soll eine gewerbliche Prägung vermieden werden, müsste im Gesellschaftsvertrag einem Kommanditisten neben der Komplementär-GmbH bzw. neben dem Dritten eine eigene Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden, was zivilrechtlich durchaus zulässig ist.2 Die gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG entfällt aber nicht dadurch, dass bei ausschließlicher Geschäftsführungsbefugnis der KomplementärGmbH deren Geschäftsführer gleichzeitig Kommanditisten sind.3 Ebenso wenig ist die gewerbliche Prägung bei einer Einheitsgesellschaft ausgeschlossen, bei der die Kommanditisten für die KG das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH ausüben. Die Befugnis der Kommanditisten ergibt sich insoweit nicht aufgrund einer organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis, sondern aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder aufgrund eines gesellschaftsrechtlichen Aktes sui generis (s. Rz. 4.11 ff.).4
6.24
Die gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG liegt nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann vor, wenn anstelle der Komplementär-GmbH Personen zur Geschäftsführung befugt sind, die nicht Gesellschafter sind. Eine solche Fremdorganschaft wird im Recht der Personengesellschaften im Gegensatz zum Recht der Kapitalgesellschaften für nicht zulässig erachtet.5 Wird dennoch im Gesellschaftsvertrag unter gleichzeitigem Ausschluss aller Gesellschafter von der Geschäftsführung einem Nichtgesellschafter eine Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt, führt die Bestellung nicht zu einer Geschäftsführungsbefugnis kraft eigenen Rechts, sondern zu einer derivativen Rechtsstellung i.S. einer Generalvollmacht.6 § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG kann daher im Wege der teleologischen Reduktion nur so verstanden werden, dass die gewerbliche Prägung erhalten bleibt, wenn neben der Komplementär-GmbH auch ein Nichtgesellschafter zur Geschäftsführung berufen wird. 1 H.M., vgl. BFH v. 23.5.1996 – IV R 87/93, BStBl. II 1996, 523 = GmbHR 1996, 947; BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 = GmbHR 1995, 537; BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 222 m.w.N. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 7; Rodewald, GmbHR 1996, 914. 3 BFH v. 29.1.2004 – IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949; Herzig/Kessler, DStR 1986, 455 (456). 4 Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 57; Carlé/Carlé, GmbHR 2001, 100. 5 Vgl. z.B. Roth in Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rz. 24. 6 Felix, DStZ 1986, 117 (119); Herzig/Kessler, DStR 1986, 451 (456); Bitz in Littmann/Bitz/ Pust, § 15 EStG Rz. 176a; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 224.
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Einkommensteuer: Art der Einkunftserzielung
Eine Kapitalgesellschaft als Kommanditistin, die anstelle (oder neben) der Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung befugt ist, kann die gewerbliche Prägung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG verhindern.1 Der Wortlaut des Gesetzes steht dem nicht entgegen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG insoweit teleologisch zu reduzieren ist. Diese Auffassung wird auch von der Finanzverwaltung geteilt.2 Im Schrifttum finden sich allerdings auch gegenteilige Ansichten.3 Die gewerbliche Prägung kann damit durch die entsprechende Ausgestaltung der Geschäftsführung verhindert oder herbeigeführt werden. Von einem Gestaltungsmissbrauch ist nach mittlerweile verbreiteter Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht auszugehen.4
6.25
dd) Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht Der Gesetzgeber fordert weiterhin für die gewerblich geprägte Personengesellschaft, dass sie eine Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht ausübt. Die Gesellschaft muss in der Absicht tätig werden, einen Totalgewinn einschließlich etwaiger steuerpflichtiger Veräußerungs- oder Aufgabegewinne zu erzielen.5 Damit soll verhindert werden, dass durch die Fiktion eines Gewerbebetriebs die steuerlich irrelevante „Liebhaberei“, wie z.B. ein Gestüt,6 als gewerbliche Einkünfte (Verluste) deklariert werden könnte. Außerdem soll durch das zusätzliche Merkmal der Einkünfteerzielung zum Ausdruck gebracht werden, dass das bloße Streben nach Vermögensmehrung nicht ausreicht.
6.26
ee) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft Auch die doppelstöckige GmbH & Co. KG – eine GmbH & Co. KG (Untergesellschaft) hat wiederum eine GmbH & Co. KG zur Komplementärin oder Kommanditistin – fällt unter den Geprägetatbestand. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG scheint dies aber nur dann der Fall zu sein, wenn die Untergesellschaft eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG zur Komplementärin hat. Nach dem BFH7 kann jedoch eine selbst originär gewerblich tätige Personengesellschaft eine nur vermögensverwaltende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewerblich prägen. Der BFH weist darauf hin, dass eine ausschließlich am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung dazu führen würde, dass ein „Mehr“ an Gewerblichkeit bei der Obergesellschaft der gewerblichen Prägung der Untergesellschaft entgegenstünde 1 BFH v. 11.10.2012 – IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538 = FR 2013, 418 m. Komm. Kanzler; Spilker/Früchtl, DStR 2010, 1007; Pyszka, DStR 2010, 1372; Wagenseil, BB 2010, 2079; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 176b; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 15 EStG Rz. 1444. 2 R 15.8 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStR 2012. 3 S. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 222 a.E.; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 138. 4 Vgl. FG Nds. v. 26.6.2013 – K 10056/09, EFG 2014, 1135; FG Brandenburg v. 12.12.2001 – 1 K 455/98, EFG 2002, 265 = GmbHR 2002, 454; FG Münster v. 18.2.1993 –12 K 1569/91 F, EFG 1993, 719 = GmbHR 1994, 77; Bode in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 278; anders noch Stadie, FR 1987, 485. 5 BFH v. 25.9.2008 – IV R 80/05, BStBl. II 2009, 266 = FR 2009, 530 m. Komm. Kempermann; BFH v. 30.10.2014 – IV R 34/11, BFH/NV 2015, 397 = GmbHR 2015, 268. 6 BFH v. 14.7.1998 – VIII B 112/97, BFH/NV 1999, 169 = GmbHR 1999, 425. 7 BFH v. 8.6.2000 – IV R 37/99, BStBl. II 2001, 162 = GmbHR 2001, 157.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
und die Widersinnigkeit einer solchen Regelung aufgrund der gesetzgeberischen Intention bei der Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die sog. Geprägerechtsprechung gesetzlich zu verankern, offenkundig wäre. Nach anderer Auffassung soll eine Obergesellschaft nur dann eine vermögensverwaltende Untergesellschaft prägen, wenn die Obergesellschaft selbst gewerblich geprägt ist.1
4. Sonderproblem GmbH & Co. GbR 6.28
Mit Urteil vom 27.9.1999 hat der BGH die Haftungsbegrenzung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eingeschränkt.2 Die Gesellschafter einer GbR können ihre Haftung danach nicht mehr durch einen Namenszusatz „GbR mbH“ oder einen ähnlichen Hinweis beschränken. Es ist eine individualvertragliche Vereinbarung erforderlich. Für die bestehenden Gesellschaften in der Rechtsform einer GbR mbH, die steuerlich als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG galten, bedeutete das Urteil, dass die gewerbliche Prägung nicht mehr gegeben war.
6.29
Die Finanzverwaltung hatte daher eine Übergangsregelung3 geschaffen, wonach die Gesellschaften in der Rechtsform einer GbR mbH bis 31.12.2000 einen Antrag stellen konnten, weiterhin als gewerblich geprägte Personengesellschaften behandelt zu werden, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt formwechselnd in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden waren.4 Die Frist wurde sodann auf den 31.12.2001 verlängert.5 Infolge der Änderungen des HRefG6 können derartige GbR mbH identitätswahrend durch die schlichte Änderung des Gesellschaftsvertrages und Eintragung in das Handelsregister in eine GmbH & Co. KG „umgewandelt“ werden.7
III. Zurechnung der Einkünfte 1. Allgemeines 6.30
Die Tätigkeit der GmbH & Co. KG bzw. ihre besondere Prägung entscheidet über die Art der Einkünfte. Der Mitunternehmer-Begriff regelt hingegen die persönliche Zurechnung der Einkünfte. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bestimmt daher, dass die Gewinnanteile der Gesellschafter einer oHG, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen 1 Euhus, DStR 2011, 1350 (1352); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 217; FG Saarl. v. 18.11. 2010 – 1 K 2455/06, EFG 2011, 2067 (rkr.) zu einer originär gewerblich tätigen oHG als Obergesellschaft, an der ausschließlich natürliche Personen beteiligt waren. 2 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, DStR 1999, 1704 = GmbHR 1999, 1134. 3 BMF v. 18.7.2000 – IV C 2 - S 2241 - 56/00, BStBl. I 2000, 1198. 4 Erlass des BayStMdF v. 20.12.2000 – 31 - S 2241 - 140/13 - 56764, DB 2001, 69: rechtzeitige Anmeldung zur Eintragung genügte. 5 BMF v. 28.8.2001 – IV A 6 - S 2240 - 49/01, BStBl. I 2001, 614; zu verfahrensrechtlichen Einwendungen s. Paus, DStZ 2002, 66. 6 Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. 7 So Gronau/Konold, DStR 1999, 1965 (1970); Limmer, DStR 2000, 1230; Simon, DStR 2000, 578: hält Einbringung von Mitunternehmeranteile in zuvor neu gegründete KG für günstiger.
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Zurechnung der Einkünfte
ist, sowie die dort weiter genannten Vergütungen, die von einem Gesellschafter bezogen worden sind, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen sind. Bezieher der gewerblichen Einkünfte und Steuerschuldner der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sind die Gesellschafter, wenn sie gleichzeitig Mitunternehmer sind.1 Für den Unternehmer eröffnen sich hierin Gestaltungsspielräume. So sind Personen, die gegen Entgelt in der Geschäftsführung tätig sind, vielfach darauf bedacht, nicht als Mitunternehmer zu gelten, um den Abzug der Geschäftsführerbezüge als Betriebsausgaben zu erreichen. Soll dagegen der von den Gesellschaftern erzielte Gewinn zum Teil Familienangehörigen zugerechnet werden, deren Steuerbelastung wesentlich geringer ist als die des Unternehmers – wie z.B. bei Kindern –, wird eine Mitunternehmerstellung dieser Personen angestrebt. Es ist daher verständlich, dass die Rechtsprechung von jeher bemüht war, in den ständigen Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen Kriterien für den Mitunternehmer-Begriff aufzustellen.
6.31
2. Mitunternehmer-Begriff a) Grundsätzliches Der Mitunternehmer-Begriff ist ein offener Typusbegriff.2 Entscheidend ist das Gesamtbild im Einzelfall,3 wobei die Vielzahl von Anzeichen und Merkmalen, die eine Mitunternehmerschaft begründen, unter den tragenden Begriffen des „Unternehmerrisikos“ und „Unternehmerinitiative“ zusammengefasst werden können. Danach sind nur solche Personen als Mitunternehmer anzusehen, die Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können.4 Je stärker das Mitunternehmerrisiko vorhanden ist, umso geringere Anforderungen sind an die Mitunternehmerinitiative zu stellen,5 während umgekehrt auch eine stark aus1 So st. Rspr.: BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355; BFH v. 14.8.1986 – IV R 131/84, BStBl. II 1987, 60 = GmbHR 1987, 118; BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420 = FR 2007, 1058 m. Komm. Wältermann; BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751 = GmbHR 2010, 536; BFH v. 15.11.2011 – VIII R 12/09, BStBl. II 2012, 207 = FR 2012, 639; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 250; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 205. 2 Z.B. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769) = GmbHR 1984, 355 (362); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 II 3, S. 381; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 261. 3 St. Rspr., vgl. nur BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 = FR 2006, 823 m. Komm. Kempermann; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 4.11.2004 – III R 21/02, BStBl. II 2005, 168 = FR 2005, 253; BFH v. 17.5.2006 – VIII R 21/04, BFH/NV 2006, 1839; BFH v. 10.5.2007 – IV R 2/05, BStBl. II 2007, 927; BFH v. 21.7.2010 – IV R 63/07, BFH/NV 2011, 214; Schulze zur Wiesche, DB 1997, 244. 5 BFH v. 17.1.1980 – IV R 115/76, BStBl. II 1980, 336 = FR 1980, 339; BFH v. 19.2.1981 – IV R 152/76, BStBl. II 1981, 602 (604) = FR 1981, 415; BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/83, GmbHR
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
geprägte Mitunternehmerinitiative ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko kompensiert.1 6.33
Die begriffsbildenden Merkmale müssen nicht in gleich starker Ausprägung gegeben sein, dürfen aber auch nicht gänzlich entfallen.2 Soweit der VIII. Senat in früheren Entscheidungen3 die Prüfung der Mitunternehmerinitiative unterließ, so geschah dies deshalb, weil es offensichtlich bereits an einem Mitunternehmerrisiko fehlte und allein aus diesem Grunde eine Mitunternehmerschaft nicht angenommen werden konnte. b) Mitunternehmerrisiko
6.34
Unter Mitunternehmerrisiko versteht man die gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens, wobei dieses Risiko regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts seinen Ausdruck findet.4
6.35
Die Beteiligung eines Gesellschafters an den stillen Reserven und dem Geschäftswert ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 155 Abs. 1 HGB). Der Gesellschafter kann von den stillen Reserven und von einem eventuell vorhandenen Geschäftswert im Falle der Kündigung oder der Liquidation der Gesellschaft nur dann ausgeschlossen werden, wenn dies ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden ist. Zwar würde durch einen solchen Ausschluss am Vermögenszuwachs der Gesellschaft ein wichtiges Indiz gegen die Annahme einer Mitunternehmerschaft geschaffen,5 doch kann eine solche Beteiligung andererseits nicht als unab-
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1987, 207 (208); BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, GmbHR 1991, 337; BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 GmbHR 1998, 710; BFH v. 15.10.1998 – IV R 18/98, BStBl. II 1999, 286 = GmbHR 1999, 193; BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66 – 70/97, BStBl. II 2000, 183; BFH v. 16.11.2011 – I R 31/10, BFH/NV 2012, 786. BFH v. 15.12.1992 – VIII R 42/90, BStBl. II 1994, 702 = GmbHR 1993, 520; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 = GmbHR 1998, 710; BFH v. 7.11.2006 – VIII R 5/04, BFH/NV 2007, 906. BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, GmbHR 1991, 337; BFH v. 15.12.1992 – VIII R 42/90, BStBl. II 1994, 702 = GmbHR 1993, 520; BFH v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994, 700 = GmbHR 1994, 345; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 26.6.2008 – IV R 89/05, BFH/NV 2008, 1984; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 262. BFH v. 24.7.1984 – VIII R 65/84, BStBl. II 1985, 85; BFH v. 28.1.1986 – VIII R 335/82, BStBl. II 1986, 599 = GmbHR 1986, 450. St. Rspr.: BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769) = GmbHR 1984, 355 (362); BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 = FR 1992, 337; BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 15.12.1992 – VIII R 42/90, BStBl. II 1994, 702 = GmbHR 1993, 520; BFH v. 15.10.1998 – IV R 18/98, BStBl. II 1999, 286 = GmbHR 1999, 193, wonach der BFH der fehlenden Beteiligung an den stillen Reserven im Falle des Ausscheidens überhaupt keine Bedeutung beimisst; kritisch hierzu Weilbach/Weilbach, StB 2000, 176; BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66–70/97, BStBl. II 2000, 183 = GmbHR 2000, 241; BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 = FR 2006, 823 m. Komm. Kempermann; BFH v. 28.10.2008 – VII R 32/07, BFH/NV 2009, 355; BFH v. 21.7.2010 – IV R 63/07, BFH/NV 2011, 214; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159. BFH v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994, 700 = GmbHR 1994, 345; Bitz in Littmann/ Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 23e.
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Zurechnung der Einkünfte
dingbare Voraussetzung gesehen werden.1 Allerdings wird bei Ausschluss eines Gesellschafters von sämtlichen stillen Reserven und der Beschränkung auf die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft die Annahme einer Mitunternehmerschaft jedenfalls dann fraglich sein, wenn das „unterentwickelte“ Mitunternehmerrisiko nicht durch die verstärkte Mitunternehmerinitiative in Gestalt maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung kompensiert wird.2 Die Grenzen der Kompensationsfähigkeit eines schwach ausgeprägten Mitunternehmerrisikos sind dann erreicht, wenn nicht einmal der Kernbereich der Teilhabe am unternehmerischen Erfolg gewährleistet ist. Die gewinnbezogene Vergütung für einen Geschäftsführer einer KomplementärGmbH macht diesen z.B. noch nicht zum Mitunternehmer in der KG, wenn er zwar alleine die Geschicke der KG lenken kann, sich seine Vergütung aber – hinsichtlich der ergebnisabhängigen Komponente und des Festgehaltes – im Rahmen des Üblichen und für Fremdgeschäftsführer Angemessenen hält.3 Andererseits reicht die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Misserfolg des Unternehmens durch eine – unangemessene – Geschäftsführervergütung als Minimalvoraussetzung für ein Mitunternehmerrisiko aus. Eine persönliche Verlusthaftung ist nicht erforderlich.4 Umgekehrt kann hingegen das Verlustrisiko aus einer möglichen Haftungsinanspruchnahme als Mitunternehmerrisiko angesehen werden.5 Das Risiko einer unbeschränkten Außenhaftung reicht aus, selbst wenn im Innenverhältnis Freistellung vereinbart ist.6
6.36
c) Mitunternehmerinitiative Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, die z.B. Gesellschaftern oder Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen.7 Dabei reicht die rechtliche Möglichkeit zur Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen aus. Es ist unerheblich, ob der einzelne Gesellschafter tatsächlich Unternehmerinitiative entfaltet. Der BFH lässt es für die Annahme der Mitunternehmerinitiative ausreichen, wenn dem einzelnen Gesellschafter Rechte zustehen, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Wi1 BFH v. 9.10.1969 – IV 264/64, BStBl. II 1970, 320; BFH v. 15.12.1992 – VIII R 42/90, BStBl. II 1994, 702 = GmbHR 1993, 520. 2 BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 7.11.2006 – VIII R 5/04, BFH/NV 2007, 906; BFH v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 2056 = GmbHR 2010, 1168. 3 BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BB 1997, 452 = GmbHR 1997, 267; FG Hamburg v. 7.4.1995 – V 129/93, EFG 1995, 834; anders bei unangemessen hohen gewinnabhängigen Bezügen (Tantiemen): BFH v. 21.9.1995 – VIII R 65/94, BStBl. II 1996, 66. 4 BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 = FR 1992, 337. 5 BFH v. 11.6.1985 – VIII R 252/80, GmbHR 1986, 68 (69); BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, BFHE 163, 346 = GmbHR 1991, 337; BFH v. 29.4.1992 – XI R 58/89, BFH/NV 1992, 803 = GmbHR 1993, 124. 6 BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 = FR 2006, 823 m. Komm. Kempermann; BFH v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751 = GmbHR 2010, 536; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159. 7 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769) = GmbHR 1984, 355 (362); BFH v. 1.8. 1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267; BFH v. 16.11.2011 – I R 31/10, BFH/NV 2012, 786.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
derspruchsrechten eines Kommanditisten gem. §§ 164, 166 HGB angenähert sind. Auch eine Stellung, die den Rechten und Pflichten eines persönlich haftenden Geschäftsführers zur Alleingeschäftsführung und -vertretung1 oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten eines Gesellschafters einer GbR nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen, sollen ausreichen.2 Selbst größere Bindungen des persönlich haftenden Gesellschafters in der Ausübung seiner Geschäftsführung durch Gesellschafter- oder Beiratsbeschlüsse oder die Bindung an Mitgeschäftsführer vermögen die erforderliche Unternehmerinitiative nicht in Frage zu stellen.3 Ausreichend für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative ist auch eine lediglich mittelbare Einflussnahme auf die Gesellschaft, beispielsweise die gemeinsame Ausübung der Gesellschafterrechte über einen Treuhänder4 oder über einen Beirat der Gesellschaft.5 d) Verdeckte Mitunternehmerschaft 6.38
Nach h.A. setzt die Einordnung als Mitunternehmer nicht zwingend voraus, dass zwischen den Beteiligten ausdrücklich ein Gesellschaftsverhältnis oder gesellschaftsähnliches Verhältnis vereinbart ist. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft genügt auch eine konkludente Vereinbarung und damit ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis (sog. verdeckte Mitunternehmerschaft).6 Ein derartiges verdecktes Gesellschaftsverhältnis kann vorliegen, wenn die Beteiligten ihre vertraglichen Beziehungen als eine Summe von Austauschverträgen gestalten und sich diese Beziehungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich als Gesellschaftsverhältnis darstellen.7
6.39
Die Loslösung von der vordergründigen Betrachtung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hat ihren Ursprung in der Rechtsfigur der faktischen Mitunternehmerschaft. Ausgehend von der BFH-Entscheidung vom 29.1.19768 nahm die Rechtsprechung und ihr folgend die Finanzverwaltung zunächst an, dass eine 1 BFH v. 9.2.1999 – VIII R 43/98, BFH/NV 1999, 1196 = FR 1999, 792. 2 BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 = FR 1994, 508; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 4.11.1997 – VIII R 18/95, BStBl. II 1999, 384 = FR 1998, 613. 3 BFH v. 10.5.2007 – IV R 2/05, BStBl. II 2007, 927. 4 BFH v. 16.11.2011 – I R 31/10, BFH/NV 2012, 786. 5 BFH v. 30.11.2005 – I R 54/04, BFH/NV 2006, 1148 = GmbHR 2006, 556, wobei es ausreichend sein soll, dass sich der Mitunternehmer an der Wahl der Beiratsmitglieder aus dem Kreis der Gesellschafter beteiligen kann. 6 St. Rspr.; z.B. BFH v. 13.7.1983 – I R 37/91, BStBl. II 1992, 282; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 22.1.2004 – IV R 44/02, BStBl. II 2004, 500 = FR 2004, 709 m. Komm. Kanzler; BFH v. 25.9.2008 – IV R 16/07, BStBl. II 2009, 989 = FR 2009, 1163; BFH v. 21.4.2009 – II R 26/07, BStBl. II 2009, 602 = GmbHR 2009, 950; vgl. auch Fichtelmann, INF 1996, 257, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. 7 BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267; BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 = GmbHR 1998, 710; BFH v. 18.6.1998 – IV R 94/96, BFH/NV 1999, 295 = GmbHR 1999, 563; vgl. auch Janssen, BB 1994, 1457; Felix, KÖSDI 1995, 10123; Stahl, KÖSDI 1991, 8533; Helmat, WiB 1996, 205 ff.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 280. 8 BFH v. 29.1.1976 – IV R 97/74, BStBl. II 1976, 332 = GmbHR 1976, 170.
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Zurechnung der Einkünfte
Mitunternehmerschaft auch durch andere Rechtsverhältnisse als ein Gesellschaftsverhältnis begründet werden kann.1 Als faktischer Mitunternehmer galt jeder, der aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände Mitunternehmerinitiative entfalten konnte und Mitunternehmerrisiko trug. Durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25.6.19842 vollzog sich die Wende von dem Begriff der faktischen zur verdeckten Mitunternehmerschaft.3 Der BFH begnügte sich für die Annahme einer Mitunternehmerschaft nicht mehr mit der Feststellung, dass eine Person Unternehmerrisiko trage und Unternehmerinitiative entfalten könne. Er setzte zudem voraus, dass die diese Kriterien erfüllenden Personen auch durch ein nachzuweisendes Gesellschaftsverhältnis oder durch ein damit vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis miteinander verbunden seien. In diesem Sinne folgten weitere Entscheidungen.4 Der VIII. Senat des BFH hielt sich zunächst eng an die Vorgabe des Großen Senats und verlangte für die Mitunternehmerstellung die Gesellschafterstellung des Betroffenen5 oder ein gesellschaftsähnliches Gemeinschaftsverhältnis6. Demgegenüber entwickelte der IV. Senat die Entscheidung des Großen Senats dahin gehend fort, dass – soweit in der Person eines Beteiligten Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko gegeben sind – das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses vermutet wird.7 In der Folgezeit nahmen sodann sowohl der IV. Senat als auch der VIII. Senat an, dass aus dem Vorliegen der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos eine tatsächliche, durch substantiiertes Bestreiten widerlegbare Vermutung eines Gesellschaftsverhältnisses folgt.8 Diese Vermutung ist in der Literatur als Zirkelschluss kritisiert worden.9 Dieser Kritik wird man entgegenhalten können, dass die verdeckte Mitunternehmerschaft sich zivilrechtlich zumeist als bloße Innengesellschaft darstellt, die im Wesentlichen als partnerschaftliche Form der Ergebnisbeteiligung durch Mitunternehmer1 BFH v. 11.12.1980 – IV R 91/76, BStBl. II 81, 310 = FR 1981, 306, unter Hinweis auf die st. Rspr.; vgl. auch Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 24. 2 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 3 Zu dieser Einschätzung auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 II 3b), S. 384; ferner Hennerkes/Binz, DB 1985, 1307; Woerner, BB 1986, 704; Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106; Herzig, BB 1986, 533. 4 BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10 = GmbHR 1986, 139; BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267. 5 BFH v. 22.1.1985 – VIII R 303/81, BStBl. II 1985, 363 = GmbHR 1985, 378. 6 Z.B. BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, GmbHR 1990, 525. 7 BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10 = GmbHR 1986, 139. 8 BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261 unter Hinweis auf BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10 = GmbHR 1986, 139 und BFH v. 31.1.1985 – IV R 104/82, BFH/NV 1986, 17; zur Widerlegbarkeit durch substantiiertes Bestreiten BFH v. 29.1.1992 – X R 193/87, BStBl. II 1992, 465; BFH v. 8.4.1992 – XI R 46/89, BFH/NV 1992, 728. Im Ergebnis lässt der VIII. Senat, BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261, und BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, GmbHR 1997, 267, aber die bloße Kumulation von Mitunternehmerrisiko und -initiative unter Hinweis darauf, dass lediglich einzelne Austauschverträge vorliegen, nicht für die Annahme einer Mitunternehmerschaft ausreichen. Vielmehr müsse hinsichtlich eines Gesellschaftsverhältnisses ein Rechtsbindungswille festgestellt werden. 9 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 II 3b), S. 385; Knobbe-Keuk, StuW 1986, 109; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 81.
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risiko und -initiative gekennzeichnet ist. Andererseits ist aber zuzugeben, dass der Rückgriff auf die Vermutung des Vorliegens eines Gesellschaftsverhältnisses gerade nicht den Nachweis gewährleistet, dass die Mitunternehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko ihren Ursprung in einem zusätzlich zu diesem Mitunternehmermerkmal bestehenden Gesellschaftsverhältnis haben. 6.41
In der Folgezeit löste sich der BFH von dem Konzept der widerlegbaren Vermutung.1 Sowohl in dem unten behandelten Urteil vom 21.9.19952 als auch in den Entscheidungen des BFH vom 16.12.19973 und vom 18.6.19984 zeichnet sich die Tendenz ab, dass der Rechtsbindungswille zu einem Gesellschaftsverhältnis positiv festzustellen ist, wenn von der Existenz einer Mitunternehmerschaft ausgegangen werden soll.5 Die Rechtsprechung findet in den Fallgestaltungen, die als verdeckte Mitunternehmerschaften in Betracht kommen, in aller Regel ein Bündel von Austauschverträgen vor, die auf das Vorliegen eines verdeckten Gesellschaftsverhältnisses zu untersuchen sind. Die Suche nach den in diesen Austauschverträgen verborgenen gemeinsamen Gesellschaftszweck, der die Innengesellschaft vom schuldrechtlichen Austauschvertrag unterscheidet,6 bringt die Gefahr mit sich, dass die Rechtsprechung wie zu Zeiten der faktischen Mitunternehmerschaft allzu vordergründig bleibt, ohne ernsthaft nach dem Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses zu fragen.7 Ein zu großzügiges Verständnis des erforderlichen Gesellschaftsverhältnisses führt zu Aufweichungstendenzen, die letztlich wieder in der Sackgasse der faktischen Mitunternehmerschaft mittels wirtschaftlicher Betrachtungsweise zivilrechtlicher Gestaltungen münden.
6.42
Bei der Untersuchung schuldrechtlicher Austauschverträge und dahinter verborgener Gesellschaftsverhältnisse oder wirtschaftlich vergleichbarer Gemeinschaftsverhältnisse ist die Rechtsprechung nicht an die Einordnung gebunden, die die Beteiligten hinsichtlich der Rechtsverhältnisse vorgenommen haben. Für die Beurteilung kommt es vielmehr darauf an, welche Rechtsfolgen die Beteiligten gewollt haben.8 Es ist demnach rechtlich durchaus möglich, ein als Arbeits- oder Pachtverhältnis bezeichnetes Rechtsverhältnis in Wirklichkeit als Innengesellschaft oder in der Terminologie des VIII. Senats als wirtschaftlich vergleichbares Gemein1 So auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 81. 2 BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131, s. Fall unter Rz. 6.57. 3 BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 = GmbHR 1998, 710, s. Fall unter Rz. 6.58. 4 BFH v. 18.6.1998 – IV R 94/96, BFH/NV 1999, 295 = GmbHR 1999, 563, s. Fall unter Rz. 6.59. 5 Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Begründung des Urteils des FG BW v. 18.7.1997 – 14 K 39/92, EFG 1998, 288, s. Fall Rz. 6.57. 6 BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267; BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 = GmbHR 1998, 710; BFH v. 18.6.1998 – IV R 94/96, BFH/NV 1999, 295 = GmbHR 1999, 563; Fischer, FR 1998, 813; Rodewald, GmbHR 1997, 582; Janssen, BB 1994, 1757 (1758); Priester in FS L. Schmidt, 1993, S. 331 (339). 7 So beklagt Korn, KÖSDI 1991, 8487, den Griff in die Mottenkiste der faktischen Mitunternehmerschaft; zustimmend Stahl, KÖSDI 1991, 8534; vgl. ferner Priester in FS L. Schmidt, 1993, S. 351 f. mit Bedenken gegen die vordergründige Addition mehrerer schuldrechtlicher Risiken zu einem Gesellschafterrisiko. 8 BFH v. 5.6.1986 – IV R 272/84, BStBl. II 1986, 802 = GmbHR 1987, 116; dazu auch Janssen, BB 1994, 1757.
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schaftsverhältnis zu qualifizieren, wenn sich aus den Gesamtumständen der Rechtsbeziehungen der Beteiligten der Rechtsfolgewille ableiten lässt, die Hingabe von Vermögenswerten als Beiträge zur gemeinsamen Zweckerreichung und die vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinne als partnerschaftliche Gewinnteilhabe aufzufassen sind.1 Das Führen eines Gewerbebetriebes auf gemeinsame Rechnung kann ein Gesellschaftszweck im Sinne des § 705 BGB sein.2 Die Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Identifizierung eines Gesellschaftsverhältnisses besteht in der Auswahl sachgerechter Kriterien für die Untersuchung von Austauschverträgen. Sowohl der IV. wie auch der VIII. und der XI. Senat bekennen sich insoweit zur Kategorie der Fremdüblichkeit.3 Danach liegt keine Mitunternehmerschaft vor, wenn unternehmerischer Einfluss und Vergütungsrisiko aus Vertragsbeziehungen resultieren, die unter fremden Dritten üblich sind. Die Austauschverträge sind dann als solche zu respektieren. Umgekehrt liegt ein Anhaltspunkt für ein Gesellschaftsverhältnis vor, wenn sich die Bezüge aus einem Austauschvertrag nicht als Gegenleistung für übernommene Sachleistungen erklären lassen, d.h. einem Drittfremdvergleich nicht standhalten.4
6.43
Die grundsätzliche Problematik der Rechtsfigur der verdeckten Mitunternehmerschaft und der dazu von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien besteht darin, dass die Kriterien, die zur Identifizierung des verdeckten Gesellschaftsverhältnisses herangezogen werden, oftmals deckungsgleich mit den Kriterien sind, die zur Begründung der Mitunternehmermerkmale (Risiko und Initiative) dienen.5 Zugleich wird sie auch als Anzeichen für das Vorliegen des Mitunternehmerrisikos gewertet. Eine exakte Trennung zwischen den Mitunternehmermerkmalen auf der einen und dem Gesellschaftsverhältnis auf der anderen Seite ist schwierig, da die Mitunternehmermerkmale und die Außenwirkung des Gesellschaftszweckes sich zumeist decken.6
6.44
Die Schwierigkeit bei der Auffindung einer verdeckten Innengesellschaft oder eines wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses macht sich in der unterschiedlichen Rechtsprechung des IV. und des VIII. Senats des BFH bemerkbar.
6.45
1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 280; Woerner, BB 1986, 704; Schulze zur Wiesche, StBp 1991, 251 (252); kritisch zur unbegrenzten Ersatzfunktion des wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses für das notwendige Gesellschaftsverhältnis Priester in FS L. Schmidt, 1993, S. 331 (337). 2 Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 215. 3 Zustimmend Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 24; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 288; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 216: Indizwirkung. 4 BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; BFH v. 29.4.1992 – XI R 58/89, BFH/NV 1992, 803 = GmbHR 1993, 124; BFH v. 18.6.1998 – IV R 94/96, BFH/NV 1999, 295 = GmbHR 1999, 563. Für das Gesellschaftsverhältnis selbst gilt aber der Maßstab des Fremdvergleichs gerade nicht, da dies der Natur des verdeckten Rechtsverhältnisses widersprechen würde; BFH v. 8.11.1995 – XI R 14/95, FR 1996, 144 = DStR 1996, 215. 5 Nach BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131, deutet die überhöhte Geschäftsführervergütung auf ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis hin. 6 Dies wird deutlich aus der in der Entscheidung BFH v. 8.7.1992 – XI R 61 - 62/89, BFH/NV 1993, 14, getroffenen Feststellung, dass die Mitunternehmermerkmale konstitutiv für das Gesellschaftsverhältnis sind, hierzu auch Priester in FS L. Schmidt, 1993, S. 331 (345).
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Während der IV. Senat eher dazu neigt, sich über die formelle Bezeichnung der Rechtsverhältnisse hinwegzusetzen und eine Innengesellschaft anzunehmen, tendiert der VIII. Senat, soweit kein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) vorliegt, der einen „Durchgriff“ etwa auf den nicht als Kommanditisten beteiligten Geschäftsführer der Komplementär-GmbH rechtfertigt, mehr dazu, die von den Beteiligten gewählten Rechtsverhältnisse zu respektieren.1 6.46
Im Schrifttum2 wird zunehmend die Auffassung vertreten, ein Gesellschaftsverhältnis sei keineswegs eine unerlässliche Voraussetzung für die subjektive Zurechnung gewerblicher Einkünfte. Fischer kritisiert, dass in vielen Fällen, in denen die Rechtsfigur des „wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses“ bemüht wird, vielfach keine signifikante zivilrechtliche Binnenstruktur zu erkennen sei. Statt der Konstruktion zivilrechtlicher Gesellschaftsverhältnisse solle vielmehr auf rein steuerrechtliche Kriterien abgestellt werden. Die jeweiligen Außenbeziehungen der Beteiligten seien durch die (direkte) Anwendung der Grundsätze des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 15 EStG normativ neu zu bewerten, so dass auch nicht von einem „Durchgriff“ durch einen oder mehrere Rechtsträger gesprochen werden könne. Da es die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung lediglich erfordere, dass die subjektive Zurechnung von Einkünften sich mit Hilfe der in § 2 Abs. 1 EStG angelegten Grundsätze bewältigen lasse, sei bei Einkünften aus Mitunternehmerschaften darauf abzustellen, ob ein Beteiligter Einkünfte „erzielt“, indem er am Markt durch Leistung mit Gewinnerzielungsabsicht Leistungen bewirkt. „Bewirkt“ werde die Leistung schließlich durch denjenigen, der disponiere oder die Erbringung der Leistung beherrsche. Nach Fischer wäre daher die schlichte Subsumtion der tatsächlichen Verhältnisse unter die steuerlichen Tatbestandselemente ausreichend. Auch ein Rückgriff auf die Grundsätze des § 42 AO oder die Annahme eines Scheingeschäftes i.S.v. § 117 BGB sei nicht erforderlich, um den wirklichen Gehalt der Rechtsbeziehungen zu offenbaren.
6.47
Dogmatisch vermag dieser Ansatz zu überzeugen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die direkte Anwendung der steuerlichen Tatbestandselemente zu einer höheren Rechtssicherheit führt, nähert sie sich doch wiederum der Rechtsfigur der faktischen Mitunternehmerschaft an, (unter anderem) mit dem Unterschied, dass nicht gänzlich auf die Existenz von rechtlichen Grundlagen verzichtet werden soll.
6.48
Nachstehend sollen in einem kurzen Überblick einige von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung aufgegriffene Fallgestaltungen, die für die GmbH & Co. KG von Interesse sind, dargestellt werden: 1 So bereits BFH v. 5.6.1986 – IV R 272/84, GmbHR 1987, 116, einerseits und BFH v. 22.1. 1985 – VIII R 303/81, GmbHR 1985, 378, andererseits. Die Tendenz zeigt sich auch an den folgenden Entscheidungen der genannten Senate; vgl. BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131, einerseits und BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261, sowie BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, GmbHR 1997, 267 andererseits. In Richtung des VIII. Senats tendiert offenbar auch der XI. Senat, vgl. BFH v. 8.7.1992 – XI R 61–62/89, BFH/NV 1993, 14; BFH v. 29.4.1992 – XI R 58/89, BFH/NV 1992, 803 = GmbHR 1993, 124. 2 Fischer, FR 1998, 813; Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 2001 (Modell einer gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung); ähnlich auch Bodden, FR 2002, 559; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 214 f.
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aa) Ablehnung einer Mitunternehmerschaft In den folgenden Fällen verneinte der BFH eine Mitunternehmerschaft:
6.49
– Der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, bei der er für 20 Jahre fest angestellt war, Festvergütung), der an der KG nicht beteiligt war, verpachtete das Anlagevermögen seines Betriebes an die GmbH & Co. KG und stellte dieser den Kaufpreis für das an diese veräußerte Umlaufvermögen seines Betriebes als Darlehen gegen einen Zins von 4 % p.a. zur Verfügung.1 – Die Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG – jeweils mit Anstellungsvertrag bei der GmbH und der KG – waren an der KG nicht beteiligt, wohl aber Alleingesellschafter an der Komplementär-GmbH. Der Jahresgewinn der GmbH & Co. KG floss zu 98 % den Kommanditisten (jeweils Ehefrauen der Geschäftsführer) zu; allerdings erhielten die Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von bis zu 1/3 des Jahresgewinns.2 – Die Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH waren weder an der GmbH noch an der GmbH & Co. KG beteiligt, wohl aber die beiden Ehefrauen, die jeweils die alleinigen Gesellschafter beider Gesellschaften waren. Die Geschäftsführer erhielten eine Festvergütung. Sie waren allerdings Gesellschafter einer Grundstücks-GbR sowie Geschäftsführer und Hauptgesellschafter einer zweiten GmbH & Co. KG. Der Grundbesitz der GbR war im Wesentlichen an die erste GmbH & Co. KG vermietet und mit Grundpfandrechten zur Absicherung von Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft belastet. Die zweite GmbH & Co. KG gewährte zudem der ersten GmbH & Co. KG Darlehen und Sicherheiten.3 – Die Ehemänner waren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Ehefrauen fungierten als Kommanditisten der GmbH & Co. KG. Das Anlagevermögen des früheren Unternehmens der Ehemänner wurde von diesen in eine GbR eingebracht, die dieses Anlagevermögen an die GmbH & Co. KG verpachtete. Für den Fall der Ehescheidung sah der KG-Vertrag die Möglichkeit zum Ausschluss der Ehefrauen vor.4 – Ein Unternehmen wurde durch den Ehemann an die von ihm als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH beherrschte GmbH & Co. KG (Kommanditistin: Ehefrau) veräußert, obwohl der Ehemann eine gewinnabhängige Vergütung von 33 1/3 % des Gewinns der GmbH & Co. KG erhielt.5 Den Kaufpreis für das Einzelunternehmen hatte der Ehemann der GmbH & Co. KG gestundet.6 1 BFH v. 22.1.1985 – VIII R 303/81, BStBl. II 1985, 363 = GmbHR 1985, 378. Ähnlich auch BFH v. 8.7.1992 – XI R 61–62/89, BFH/NV 1993, 14. 2 BFH v. 28.1.1986 – VIII R 335/82, BStBl. II 1986, 599 = GmbHR 1986, 450. Zur Unbeachtlichkeit des Vergütungsrisikos eines leitenden Angestellten auch BFH v. 8.7.1992 – XI R 61–62/89, BFH/NV 1993, 14. 3 BFH v. 6.12.1988 – VIII R 362/83, BStBl. II 1989, 705 = GmbHR 1989, 265. Ähnlich BFH v. 29.4.1992 – XI R 58/89, BFH/NV 1992, 803 = GmbHR 1993, 124, wo wegen weiterer Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen wird. 4 BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645 = FR 1990, 646. 5 Die Drittüblichkeit wird in der Literatur bezweifelt u.a. von Schmidt, FR 1994, 193, und Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 24a. 6 BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261.
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§6 6.54
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– Der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der sein Einzelunternehmen in die GmbH & Co. KG eingebracht hatte, war nach Übertragung seiner Beteiligung an der KG auf die Komplementär-GmbH nur an dieser beteiligt. Als Kommanditistin fungierte seine Ehefrau. Er bezog ein Festgehalt aufgrund seines Anstellungsvertrages mit der GmbH zuzüglich einer Tantieme. Die GmbH erhielt neben einem Aufwandsersatz 3 % des „Reingewinns“ der GmbH & Co. KG als Haftungsprämie. Daneben bestanden zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ein Darlehens- und ein Pachtverhältnis zu fremdüblichen Konditionen.1 – Die Ehegatten traten auf dem Gebiet der Entwicklung und dem Vertrieb von EDV-Programmen nach außen jeweils getrennt unter selbständiger Firmenbezeichnung auf. Die Tätigkeit wurde jedoch in gemeinsamen Räumen ausgeübt. Der Ehemann hatte die alleinige Fachkompetenz auf dem Gebiet der Entwicklung der Programme. Klare Vereinbarungen über die Gewinnverteilung bestanden nicht.2 – Ein Vater übertrug seine Kommanditbeteiligung an einer KG vollständig und bis auf einen Restanteil i.H.v. 2 % seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH auf seine Tochter. Die GmbH war nicht am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt, aber deren geschäftsführende, einzige Komplementärin. Mit dem Tod des Vaters erbte die Tochter als Alleinerbin dessen Geschäftsanteil an der GmbH sowie eine Forderung gegen die KG. Der Geschäftsanteil des Vaters an der GmbH sowie die Forderung gegen die KG waren zunächst Sonderbetriebsvermögen im Rahmen seiner Kommanditbeteiligung. Der Gesellschaftervertrag der GmbH sah ein Vetorecht des Vaters gegen Beschlüsse vor, die über den gewöhnlichen Rahmen des Geschäftsbetriebs hinausgingen.3 bb) Annahme einer Mitunternehmerschaft
6.57
6.58
In den folgenden Fällen wurde eine verdeckte Mitunternehmerschaft angenommen: – Der Ehemann veräußerte sein Einzelunternehmen an die GmbH & Co. KG. Am Festkapital der GmbH & Co. KG waren die Komplementär-GmbH zu 96 % und die Ehefrau zu 4 % (als Kommanditistin) beteiligt. Aufgrund der gesellschaftsund anstellungsvertraglichen Regelungen beherrschte der Ehemann, der Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH war, die GmbH & Co. KG. Er erhielt aufgrund des mit der GmbH & Co. KG geschlossenen Anstellungsvertrages neben einem erheblichen Festgehalt eine Tantieme in Höhe von 56 % des Reingewinns der GmbH & Co. KG vor Abzug der Ertragsteuern.4 – Die Ehefrau war einzige Kommanditistin der GmbH & Co. KG und an der Komplementär-GmbH zu 95 % beteiligt. 5 % der Geschäftsanteile hielt der Ehemann, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war. Er bezog 1 2 3 4
BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272 = GmbHR 1997, 267. FG BW v. 18.7.1997 – 14 K 39/92, EFG 1998, 288 (rkr.). BFH v. 21.4.2009 – II R 26/07, BStBl. II 2009, 602 = GmbHR 2009, 950. BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131. Vgl. hierzu Fischer, FR 1998, 813, der kritisiert, dass der BFH in der Entscheidung keinen rechtsgeschäftlichen Willen zu einem partnerschaftlichen Zusammenwirken festgestellt hat.
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aufgrund eines Angestelltenvertrages ein festes Gehalt und daneben 5 % des Nettoumsatzes als Provision und 20 % des steuerlichen Reingewinns als Tantieme. Der Ehemann nahm in erheblichem Umfang Entnahmen und Einlagen bei der KG vor, gewährte ihr ein Darlehen und verpachtete an die Gesellschaft ein Grundstück. Die mit der KG in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Verträge wurden jedoch ganz oder teilweise nicht durchgeführt, indem der Ehemann auf die ihm geschuldete Provision bzw. auf eine Verzinsung der Forderungen aus dem Darlehens- oder Mietvertrag verzichtete.1 – Ein Ehepaar war an zwei GmbH & Co. KG beteiligt. Alleinige Kommanditistin beider KG war die Ehefrau. Die Geschäftsanteile an der einen KomplementärGmbH wurden zu 95 % von der Ehefrau und zu 5 % vom Ehemann, die Anteile an der zweiten Komplementär-GmbH wurden zu 90 % von der Ehefrau und zu 10 % vom Ehemann gehalten. Der Ehemann überließ der GmbH & Co. KG auf seinen Grundstücken errichtete Verwaltungsgebäude und Hallen zur Nutzung und verzichtete mehrmals auf eine entsprechende Vergütung. Die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen wurden nicht beachtet. Mietzinsen wurden daneben verspätet ohne Verzugszinsen gezahlt, Instandhaltung und Nebenkostenabrechnungen wichen ebenfalls von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Ferner gewährte der Ehemann den GmbH & Co. KG Darlehen, die nur teilweise verzinst wurden. Daneben verbürgte er sich für Kredite der GmbH & Co. KG. Die vereinbarten Aval-Provisionen wurden nicht entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen geleistet.2 – Die Finanzverwaltung nimmt bei Medienfonds als Produktionsunternehmen eine verdeckte Mitunternehmerschaft für Personen an, die zwar nicht an der als GmbH & Co. KG ausgestalteten Fondsgesellschaft beteiligt sind, die aber an den Einspielergebnissen oder Lizenzerträgen aus den von ihnen an den Fonds übertragenen Rechten beteiligt sind und unternehmerischen Einfluss, d.h. insbesondere Einfluss auf die Finanzierung, technische und künstlerische Gestaltung und den Vertrieb, nehmen können.3
6.59
6.60
cc) Zusammenfassung der Fallkonstellationen Fasst man die Fallkonstellationen zusammen, ergibt sich bei Beurteilung einer verdeckten Mitunternehmerschaft bezüglich des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH, der selbst nicht Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, Folgendes:
6.61
(1) Besteht die einzige Rechtsbeziehung zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer in der Geschäftsführungstätigkeit, stößt bereits die Feststellung einer Mitunternehmerinitiative auf Schwierigkeiten. Die vom Geschäftsführer getroffenen Entscheidungen sind dann nicht Ausdruck einer Mitunternehmerinitiative mit der Indikation eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses oder wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses zwischen ihm und der
6.62
1 BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 = GmbHR 1998, 710. Kritisch hierzu Fischer, FR 1998, 813, der die Frage aufwirft, ob das konkludente Gesellschaftsverhältnis nicht unzulässigerweise fingiert wurde. 2 BFH v. 18.6.1998 – IV R 94/96, BFH/NV 1999, 295 = GmbHR 1999, 563. 3 BMF v. 23.2.2001 – IV A 6 - S 2241 - 8/01, BStBl. I 2001, 175 Tz. 27, geändert durch BMF v. 5.8.2003 – IV A 6 - S 2241 - 81/03, BStBl. I 2003, 406.
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GmbH. Er wird vielmehr als Organ der Komplementär-GmbH tätig und nimmt lediglich Fremdinteressen wahr.1 6.63
(2) Bestehen zwischen Geschäftsführer und GmbH & Co. KG weitere Vermögensbeziehungen, so ist dies grundsätzlich für die Annahme einer verdeckten Mitunternehmerschaft nicht ausreichend.2 Dies gilt auch, wenn diese betont erfolgsorientiert gestaltet sind, so z.B. stille Beteiligungen, partiarisches Darlehen oder pachtweise Überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen. Auch die Bündelung mehrerer erfolgsorientierter Rechtsbeziehungen führt nicht bereits wegen dieser Tatsache zur Annahme einer Mitunternehmerschaft, da die schlichte Bündelung von Risiken aus Austauschverträgen bei Vereinbarung angemessener leistungsbezogener Entgelte kein gesellschaftsrechtliches Risiko begründet. Das gebündelte Gläubigerrisiko ist vom Gewinn- und Haftungsrisiko des Gesellschafters zu unterscheiden. Die Quantität von Gläubigerrisiken kann nicht in die Qualität einer Gesellschafterrisikos umschlagen.3 Auch ein dem Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich vergleichbares Verhältnis wird man nicht annehmen können, wenn die erfolgsorientierte Vergütung insgesamt angemessen und somit Ausdruck eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist.4 Erst bei ungewöhnlich hoher Erfolgsbeteiligung könnte dieser Umstand für ein Gesellschafterverhältnis und damit für eine Mitunternehmerschaft sprechen, selbst wenn der Geschäftsführer nicht am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Allerdings wird man nicht jede die Angemessenheitsgrenze überschreitende Vergütung an den Geschäftsführer als Indiz für eine partnerschaftliche Gewinnteilhabe und damit für ein Gesellschaftsverhältnis ansehen können. Die Korrektur wird hier i.d.R. über die Gewinnverteilung geregelt werden müssen5 (ggf. verdeckte Gewinnausschüttung, wenn zum Nachteil der GmbH). Erst wenn sich die Vergütungshöhe nicht mehr als Ausdruck abgestimmter gegenseitiger Interessen darstellt und der Gewinn der Gesellschaft durch insgesamt erfolgsorientierte Vergütungen zu mehr als der Hälfte6 aufgezehrt wird oder aber die Vergütungen abstrakt eine solche Höhe erreichen, dass sie nicht mehr als Entgelt in einem Austauschverhältnis erscheinen, kann man eine partnerschaftliche Gewinnbeteiligung und damit ein Gesellschaftsverhältnis annehmen.7 1 BFH v. 22.1.1985 – VIII R 303/81, BStBl. II 1985, = GmbHR 1985, 378; Tillmann, StKongrR 1987, 89 (96); dazu Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 24a unter (1). 2 BFH v. 21.4.2009 – II R 26/07, BStBl. II 2009, 602 = GmbHR 2009, 950 zu einer fremdüblich verzinsten Kapitalforderung. 3 Woerner, BB 1986, 708; Janssen BB 1994, 1757 (1759). 4 BFH v. 22.10.1987 – IV R 17/84, GmbHR 1988, 157; BFH v. 6.12.1988 – VIII R 362/83, BStBl. II 1989, 705 = GmbHR 1989, 265; BFH v. 26.6.1990 – VIII 81/85, BStBl. II 1994, 645. 5 Ebenso Helmert, WiB 1996, 205 (207). 6 Hier wird man nach der Entscheidung des BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131 (s.o. Rz. 6.57) die kritische Grenze ansetzen müssen; vgl. auch Helmert, WiB 1996, 205 (207): 50 % bei mehreren Geschäftsführern, 25 % für den einzelnen Geschäftsführer. Diese Schlussfolgerung überzeugt insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des I. Senats zur üblichen Höhe von Gewinntantiemen, BFH v. 5.10.1994 – I R 50/94, BStBl. II 1995, 549 = GmbHR 1995, 385; Rodewald, GmbHR 1997, 582: kritische Grenze bei Gewinnzuweisung von mehr als einem Drittel des KG-Gewinns an Geschäftsführer. 7 Nach den Kriterien des IV. Senats ist die Fortführung des Einzelunternehmens durch den Unternehmer im Rahmen einer GmbH & Co. KG problematisch, da stets die Einordnung als Mitunternehmerschaft droht, wenn die Geschäftsführerbezüge die Grenze des Üblichen
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(3) Ein Indiz für eine verdeckte Mitunternehmerschaft wird man auch darin erblicken können, wenn sich der mit der GmbH & Co. KG in vielfältigen Leistungsbeziehungen stehende Geschäftsführer nicht nur auf die Erbringung der vereinbarten Leistung beschränkt, sondern auch in anderer Weise zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks tätig wird, z.B. nicht unerhebliche Bürgschaften für die GmbH & Co. KG eingeht oder aber auch weitere Betriebsgrundlagen der GmbH & Co. KG ohne besonderes Entgelt zur Verfügung stellt.1
6.64
In den zuletzt genannten Fällen, in denen der Geschäftsführer im Übermaß an Gewinnen von der GmbH & Co. KG abzieht oder seine Leistungsbefugnisse oder Leistungsverpflichtungen überschreitet, liegt zwar ein Mitunternehmerrisiko vor. Jedoch müsste auch eine Mitunternehmerinitiative nachgewiesen werden. Diese ließe sich zwar grundsätzlich damit in Abrede stellen, dass alles, was der Geschäftsführer an Initiative entfaltet, nichts anderes als fremdorientierte Initiative in seiner Eigenschaft als bloßer Geschäftsführer sei. Aus dem „Hinauswachsen“ über die üblichen Leistungsbeziehungen zwischen Geschäftsführern und Gesellschaft kann man aber aufgrund der „faktischen Position“ eine über die fremdorientierte Geschäftsführerinitiative hinausreichende eigene Mitunternehmerinitiative herleiten.
6.65
Gestaltungshinweis: Zur Vermeidung einer verdeckten Mitunternehmerschaft sollte auf Folgendes geachtet werden:
6.66
– Die Verträge zwischen der KG oder der Komplementär-GmbH und dem Geschäftsführer sollten zivilrechtlich wirksam sein, zu fremdüblichen Konditionen abgeschlossen und auch tatsächlich durchgeführt werden. Ggf. vereinbarte erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile sollten nicht zu einer übermäßigen „Gewinnabschöpfung“ bei der GmbH & Co. KG führen. – Der Geschäftsführer bzw. die GmbH & Co. KG sollten auf ihnen jeweils zustehende Ansprüche nicht verzichten. – Bei Austauschverträgen, wie z.B. Darlehens- oder insbesondere Mietverträgen zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH & Co. KG, sollte auf erfolgsabhängige Vertragsbestandteile verzichtet werden,2 wenn dies auch unter fremden Dritten nicht üblich ist. – Im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG sollten die Befugnisse des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH nicht zu weitgehend ausgestaltet werden, um seine unternehmerische Einflussnahme auf die GmbH & Co. KG einzuschränken. Denkbar wäre hier z.B. die Aufnahme von gewissen Zustimmungsvorbehalten für die Gesellschafterversammlung.
3. Komplementär-GmbH als Mitunternehmer Die Komplementär-GmbH erfüllt in aller Regel die Voraussetzung für eine Mitunternehmerstellung. Eine Mitunternehmerinitiative ist schon deswegen anzuüberschreiten. U.E. hilft es dabei wenig, wenn der Geschäftsführeranstellungsvertrag statt mit der KG mit der Komplementär-GmbH geschlossen wird; so aber Helmert, WiB 1996, 205 (207). 1 BFH v. 22.10.1987 – IV R 17/84, GmbHR 1988, 157. 2 So auch Schulze zur Wiesche, StBp 1997, 221.
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nehmen, weil dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter allenfalls die Geschäftsführung, nicht aber die Vertretung der KG entzogen werden kann.1 Selbst wenn sie sich die Beschränkung auferlegt hätte, von ihrer Vertretungsmacht keinen Gebrauch zu machen und diese durch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte wahrnehmen ließ, würde eine solche Beschränkung nur im Innenverhältnis wirken und ihr weiterhin die Möglichkeit belassen, eine solche Initiative nach außen zu entfalten. Das ist für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative ausreichend, aber auch erforderlich.2 Erst recht vermag eine Bindung der Geschäftsführung an Zustimmungsbeschlüsse der Kommanditisten oder eines Beirates die Mitunternehmerinitiative nicht in Frage zu stellen.3 6.68
Die Komplementär-GmbH trägt auch Mitunternehmerrisiko, selbst wenn sie – wie vielfach in GmbH & Co. KG-Verträgen vorgesehen – am Vermögen und Verlust nicht beteiligt ist und nur eine gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütung erhält. Die fehlende Beteiligung am Verlust hat nur interne Verrechnungswirkung, da die Kommanditisten i.d.R. trotz einer solchen Absprache nicht über ihre Einlage hinaus den Gläubigern haften. Die Komplementär-GmbH haftet den Gläubigern gegenüber für Verbindlichkeiten der KG persönlich und unbeschränkt, was für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos ausreicht.4 Dies gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn ein der Höhe nach unbeschränkter Freistellungsanspruch gegenüber den übrigen Gesellschaftern besteht, da trotz des Freistellungsanspruchs erhebliche wirtschaftliche Risiken bestehen, wenn die KomplementärGmbH von den Gläubigern der KG in Anspruch genommen wird.5 Trägt die Komplementär-GmbH Mitunternehmerrisiko bereits durch die Übernahme der persönlichen Haftung, so ist eine Kapitaleinlage in die GmbH & Co. KG für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos nicht erforderlich.6
4. Kommanditist als Mitunternehmer a) Allgemeines 6.69
Auch der als Kommanditist beteiligte Gesellschafter ist nur Mitunternehmer, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. An die Mitunternehmerinitiative können bei einem Kommanditisten keine 1 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 = NJW 1969, 507. 2 BFH v. 11.6.1985 – VIII R 252/80, GmbHR 1986, 68 (69). 3 BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. 1987, 553 = GmbHR 1987, 489 (490); BFH v. 10.5. 2007 – IV R 2/05, BStBl. II 2007, 927; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159. 4 BFH v. 11.6.1985 – VIII R 252/80, GmbHR 1986, 68; BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. II 1987, 553 = GmbHR 1987, 489 (490); BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 = FR 2006, 823 m. Komm. Kempermann; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159; a.A. Karl, BB 2010, 1312 der das Mitunternehmerrisiko einer Komplementär-GmbH aufgrund der beschränkten Außenhaftung als gering gewichtet. 5 BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159. 6 BFH v. 3.2.1977 – IV R 122/73, BStBl. II 1977, 346 = GmbHR 1977, 186; BFH v. 11.6.1985 – VIII R 252/80, GmbHR 1986, 709; BFH v. 15.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 m.w.N.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 709; auch Carlé/Bauschatz in Korn/Carlé/ Stahl/Strahl, § 15 EStG Rz. 68.1.
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allzu hohen Anforderungen gestellt werden, da bereits dessen Stellung nach dem HGB gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter deutlich schwächer ausgestaltet ist. Seine gesetzlichen Rechte beschränken sich im Wesentlichen auf sein Widerspruchsrecht gegen außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung gem. § 164 HGB und seine Überwachungsrechte nach § 166 HGB. Reicht das Regelstatut nach dem HGB für die Annahme einer Mitunternehmerstellung aus, wird man andererseits gesellschaftsvertraglichen Regelungen, die den gesetzlichen Status einschränken, mit Vorsicht begegnen müssen, wenn man die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten nicht in Gefahr bringen will.1 Gerade bei Familienpersonengesellschaften (s. hierzu Rz. 2.201 ff.), wie z.B. im Falle einer schenkweisen Aufnahme von Kindern, prüft der BFH2 kritisch, ob den als Kommanditisten in eine KG aufgenommenen Kindern die Rechtsstellung eines Mitunternehmers zugebilligt werden kann.3 Er verneint dies, wenn ihnen nicht wenigstens annäherungsweise diejenigen Rechte eingeräumt sind, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB über die KG zukommen. Der Große Senat des BFH4 hat diesen Grundsatz allgemein auf Kommanditisten ausgedehnt.
6.70
b) Kündigungsrechte Auch wenn dem Kommanditisten die gesetzlichen Mitwirkungsrechte zustehen, kann ihm die Stellung als Mitunternehmer zu versagen sein, wenn durch die Einräumung von Sonderrechten zugunsten bestimmter Gesellschafter die Entfaltung der Mitunternehmerinitiative aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist. Der BFH5 erachtet das dem persönlich haftenden Gesellschafter eingeräumte jederzeitige Kündigungsrecht gegenüber dem Kommanditisten zum Ende des Geschäftsjahres mit der Rechtsfolge der bloßen Buchwertabfindung des Kommanditisten als so dominierend, dass ein Kommanditist unter diesen Umständen seine Rechte 1 Dazu auch Märkle, BB 1993, Beilage 2, S. 9; Stahl, KÖSDI 1991, 8531; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (271). 2 BFH v. 6.4.1979 – I R 116/77, BStBl. II 1979, 620; BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 = FR 1981, 515. Läuft das den Kommanditisten eingeräumte Stimmrecht ins Leere, weil sie durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Gestaltungen die Komplementäre an keiner Beschlussfassung hindern können, selbst dann nicht, wenn es um die Änderung des Geschäftsvertrages geht, kann eine Mitunternehmerstellung nicht anerkannt werden: BFH v. 11.7.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 = GmbHR 1989, 264. Anders aber BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = GmbHR 1988, 239, wonach die Einschränkung des Widerspruchsrechts des Kommanditisten (§ 164 HGB) für die Mitunternehmerstellung unschädlich ist, wenn ein Hinausdrängen des betroffenen Gesellschafters aus der Gesellschaft zum Buchwert nicht möglich ist. 3 Überblick über die Fremdvergleichskriterien in Märkle, BB 1993, Beilage 2, S. 9; Stahl, KÖSDI 1991, 8529; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (271 ff.); Zipfel/Pfeffer, BB 2010, 343 (346 ff.); Gemeinhardt, BB 2012, 739 (743 ff.); Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, F. Rz. 32 ff. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, = GmbHR 1984, 355. 5 BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. 1981, 663 = FR 1981, 515; BFH v. 15.10.1981 – IV R 52/79, BStBl. II 1982, 342 = FR 1982, 300; BFH v. 9.10.1986 – IV R 259/84, BFH/NV 1987, 567; BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, FR 1996, 30 = DStR 1995, 1706 zur atypisch stillen Beteiligung.
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nicht so geltend machen könne, wie es seiner eigenen Interessenlage entspreche und folglich nicht als Mitunternehmer gelten könne.1 6.72
Das automatische Ausscheiden eines minderjährigen Kommanditisten innerhalb relativ kurzer Zeit nach Erreichen der Volljährigkeit ist ebenfalls schädlich, da in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne die Ausübung einer Mitunternehmerinitiative angesichts des Alters und der Ausbildung nicht zu erwarten ist.2
6.73
Allerdings kann ein Kündigungsrecht nicht mehr als das alleinige und maßgebliche Kriterium für eine Mitunternehmerschaft angesehen werden, wenn es gleichermaßen für alle Gesellschafter eingeschränkt ist, auch wenn die bloße Buchwertabfindung die Rechtsfolge ist.3 Gleiches gilt für den Fall, in dem das Kündigungsrecht erkennbar dem Zweck dient, die Unternehmensnachfolge durch Aufnahme von Kindern vorzubereiten, und dem Senior nach Erreichen eines bestimmten Alters der Kinder ein einmaliges Sonderkündigungsrecht zusteht.4 Eine darüber hinausgehende Forderung, wonach dem Senior ein nennenswertes Vermögensopfer durch Beteiligung der Kinder an den stillen Reserven abverlangt werden müsste,5 wäre nicht zu teilen. Denn die Buchwertabfindung kann in ihrer abstrakten Höhe, insbesondere unter Berücksichtigung einer vorübergehenden Schenkung, bereits ein derartiges Gewicht für den Senior haben, dass nicht von vornherein mit einem Missbrauch des Kündigungsrechts zur Beendigung einer nicht gewollten dauerhaften Gesellschafterstellung des Kindes gerechnet werden kann.6 Verstärkt wird diese Überlegung bei schenkweiser Beteiligung von Arbeitnehmern mit dem Ziel der Unternehmensnachfolge. Auch hier müssen nach der bereits zitierten Rechtsprechung die gleichen Grundsätze gelten. Der gewissenhaft handelnde Unternehmer wird aber durch entsprechende Kündigungsmodalitäten eine Probephase schaffen, in der der Arbeitnehmer seine Unternehmerqualitäten und gegebenenfalls seinen kooperativen Führungsstil unter Beweis stellen kann.
6.74
Eine jederzeitige einseitige Lösung von dem aufgenommenen Gesellschafter lässt sich nicht nur durch gesellschaftsvertragliche Bestimmungen erreichen, sondern auch bei schenkweiser Aufnahme durch freie Widerrufbarkeit der Schenkung des
1 Auch ein geringer vom Unternehmenswert unabhängiger Zuschlag zum Buchwert beseitigt nicht das Risiko der Nichtanerkennung der Mitunternehmerstellung, Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (272) m.w.N. 2 BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 = GmbHR 1976, 144; zustimmend Märkle, BB 1993, Beilage 2, S. 9; Knobbe-Keuk, Bilanz und Unternehmenssteuerrecht, § 12 I 2, S. 511. Eine Rückfallklausel soll aber dann unschädlich sein, wenn ihre Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eintreten und der Berechtigte keine Möglichkeit hat, den Rückfall herbeizuführen: BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 = FR 1994, 508; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (272). 3 BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/83, BStBl. II 1987, 54 = GmbHR 1987, 207. 4 BFH v. 23.6.1976 – I R 178/74, BStBl. II 1976, 678. 5 BFH v. 7.4.1987 – IV R 259/84, BFH/NV 1987, 567. 6 Entsprechend den zivilrechtlichen Überlegungen zur Wirksamkeit einer Abfindungsregelung dürfte es darauf ankommen, ob bereits bei Begründung der Gesellschafterstellung der Buchwert in einem markanten Missverhältnis zum Verkehrswert der Beteiligung steht. Nur in diesem Fall sind Zweifel an der Mitunternehmerstellung begründet.
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Gesellschaftsanteils über die gesetzlichen Gründe hinaus.1 Für die Beurteilung der Mitunternehmerstellung eines so aufgenommenen Kindes oder auch einer sonstigen Person wird man nicht erst bei der Frage einsetzen müssen, ob der so aufgenommene Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann, sondern vielmehr die vorrangige Frage stellen müssen, ob eine frei widerrufliche Schenkung überhaupt das wirtschaftliche Eigentum an dem Gesellschaftsanteil übergehen lässt.2 Die freie Widerrufbarkeit einer Schenkung mag den wirtschaftlichen Übergang des Gegenstandes der Schenkung in Frage stellen, wenn es sich um Rechtsbeziehungen der Beteiligten auf obligatorischer Grundlage handelt, so wie es der BFH im Falle der schenkweisen Übertragung einer stillen Beteiligung für schädlich hält.3 Dagegen kann der rechtliche und wirtschaftliche Übergang einer gesamthänderischen Mitbeteiligung, wie es die Übertragung eines Kommanditanteils darstellt, durch den bloß schuldrechtlich vereinbarten Widerrufsvorbehalt nicht ausgeschlossen werden. Denn der Beschenkte erlangt eine Rechtsposition, die ihm im Außen- wie auch im Innenverhältnis alle Rechte vermittelt und Pflichten aufbürdet, die einem Kommanditisten nach dem Gesetz bzw. dem Gesellschaftsvertrag zukommen. Allenfalls wäre zu fragen, ob ein so aufgenommener Gesellschafter Mitunternehmerinitiative in dem von der Rechtsprechung verstandenen Sinne zu entfalten vermag. Nach Auffassung des BFH kann der Mitunternehmerstellung eines beschenkten Kindes entgegenstehen, dass der Vater als Schenker das Recht hat, nach 10 Jahren ohne weitere Voraussetzungen und entschädigungslos eine Rückübertragung des Kommanditanteils zu verlangen.4 Enthält der Gesellschaftsvertrag selbst keine diesbezüglichen Einschränkungen, insbesondere keine jederzeitige Möglichkeit der Hinauskündigung des betreffenden Gesellschafters, so wird man dem betreffenden Gesellschafter eine Mitunternehmerinitiative allerdings nicht absprechen können. Es geht zu weit, außergesellschaftsvertragliche Vorgänge zur Beurteilung der Mitunternehmerinitiative mit heranziehen zu wollen. Anderenfalls müssten auch anderweitige außergesellschaftliche Umstände in die Beteiligung einfließen, wie z.B. familiäre Besonderheiten oder sonstige private Verpflichtungsgründe. Damit würde die Prüfung der Rechtsstellung des aufgenommenen Gesellschafters das Regelstatut des HGB verlassen und ohne eindeutige Kriterien erfolgen. c) Befristung der Gesellschafterstellung Die Gesellschafterstellung kann auch aus anderen Gründen als der Kündigung von vornherein befristet sein, so z.B. wenn sich jemand bei Erwerb des Kommanditanteils gleichzeitig verpflichtet, diesen nach Ablauf einer bestimmten Frist an ei1 Zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Widerrufsvorbehalts und zur Kollision von Schenkungs- und Gesellschaftsrecht vgl. Jülicher, ZGR 1996, 280; Ivens, ZErb 2010, 286; Pauli, ZEV 2013, 289 (293 ff.). 2 Verneinend: BFH v. 18.7.1974 – IV B 34/74, BStBl. II 1974, 740; BFH v. 19.9.1974 – IV R 95/73, BStBl. II 1975, 141; BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653; ebenso Knobbe-Keuk in FS Flume, Band 2, 1978, S. 152 ff.; vgl. auch Kempermann, StuW 1992, 81 (82); kein wirtschaftliches Eigentum bei Hinauskündigungsklausel BFH v. 21.11. 1989 – VIII R 70/84, BFH/NV 1991, 223; bei Schenkung i.V.m. kurzfristig kündbarer Betriebsverpachtung: BFH v. 28.9.1995 – IV R 34/93, BFH/NV 1996, 314 = GmbHR 1996, 549. 3 BFH v. 18.7.1974 – IV B 34/74, BStBl. II 1974, 740. 4 BFH v. 30.5.2006 – IV B 168/04, BFH/NV 2006, 1828.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
nen Dritten abzutreten.1 Die Möglichkeit der Entfaltung der Mitunternehmerinitiative steht hier weniger im Vordergrund als die Frage nach dem Mitunternehmerrisiko. Denn sollte wegen der rechtlichen oder tatsächlichen Befristung der Beteiligung keine Möglichkeit bestehen, ein positives Totalergebnis in Form eines entnahmefähigen laufenden Gewinns oder in Form eines die Einlagen übersteigenden Abfindungsguthabens oder eines Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils zu erzielen, wird man die Mitunternehmerstellung wegen fehlender Teilhabe am Unternehmenserfolg und damit wegen fehlenden Mitunternehmerrisikos verneinen müssen.2 Besteht die Gesellschafterstellung nur für den Zeitraum einer juristischen Sekunde ist zweifelhaft, ob dadurch Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative begründet werden.3 d) Mitwirkungsrechte nach HGB 6.76
Die Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach den Regelungen des HGB sind für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative ausreichend. Das Widerspruchsrecht des § 164 HGB ist allerdings verzichtbar.4 Demgegenüber kann jemand kein Mitunternehmer sein, dessen Stimmrecht in Grundlagengeschäften ausgeschlossen ist.5 In diesem Sinne hat der BFH mit Urteil vom 11.10.1988,6 die Mitunternehmerstellung schenkweise aufgenommener Kommanditisten verneint, wenn ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung kein Gewicht hat und auch das Widerspruchsrecht des § 164 HGB abbedungen ist.7 Der Senat stellte somit wieder auf die Mitunternehmerinitiative ab. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Regelung, wonach Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nur mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden konnten, hatte zur Folge, dass die als Kommanditisten aufgenommenen minderjährigen Kinder des Mehrheitsgesellschafters aufgrund ihrer geringen Beteiligung diesen in keinem Fall daran hindern konnten, in der Gesellschafterversammlung einen Beschluss zu treffen. Andererseits soll nach Auffassung des BFH der Annahme einer Mitunternehmerinitiative nicht entgegenstehen, dass sich der Schenker einer Kommanditbeteiligung einen Nießbrauch an der Beteiligung vorbehält und der Beschenkte in Grundlagengeschäften sein Stimmrecht lediglich mit der Beschränkung persönlich ausüben darf, die Zustimmung des Schenkers einzuholen.8 In diesem Fall soll der Beschenkte Mitunternehmerinitiative haben, weil der 1 Vgl. hierzu BFH v. 15.7.1986 – VIII R 154/85, BStBl. II 1986, 896 = GmbHR 1987, 284. 2 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768) = GmbHR 1984, 355; vgl. auch Bordewin, BB 1980, 348; vgl. hierzu auch den oben (Rz. 6.72) dargestellten Fall der befristeten Beteiligung Minderjähriger, die kurz nach Erreichen der Volljährigkeit aus der Gesellschaft ausscheiden müssen; BFH v. 29.1.1976 – IV R 73/73, BStBl. II 1976, 324 (mangelnde Mitunternehmerinitiative). 3 FG München v. 7.10.2008 – 6 K 3945/06, EFG 2009, 184 (rkr.); FG Hamburg v. 22.7.2010 – 2 K 179/08, EFG 2011, 331 (nrkr., der BFH hat die Sache im Revisionsverfahren aus anderen Gründen zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen). 4 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 23e zu (1). 5 BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 = GmbHR 2009, 386. 6 BFH v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 = GmbHR 1989, 264. 7 Diese Entscheidung bedauert ebenfalls Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 12 I 2, S. 511. 8 BFH v. 16.12.2009 – II R 44/08, BFH/NV 2010, 690 = GmbHR 2010, 499.
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Zurechnung der Einkünfte
Schenker im Bereich der Grundlagengeschäfte nicht ohne Mitwirkung des Beschenkten handeln kann. Für die Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters ist es im Übrigen nicht von Bedeutung, ob er von den Stimm- oder Kontroll- und Informationsrechten tatsächlich Gebrauch macht. Insoweit genügt für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative bereits die bloße Möglichkeit zur Ausübung der Rechte durch den Gesellschafter.1 e) Leistung einer Einlage Element des Mitunternehmerrisikos ist auch die Leistung einer Einlage durch den Kommanditisten. Zwar hat es der BFH2 unter Berufung auf die zivilrechtliche h.M. für ausreichend erachtet, wenn ein Gesellschafter Beiträge im weiteren Sinne erbringe, wozu alle Arten von Leistungen gehören, die Gesellschafter zur Förderung des gemeinsamen Zwecks im Gesellschaftsvertrag versprechen (z.B. die persönliche Haftung des Gesellschafters einer oHG). Jedoch wird man für einen Kommanditisten, dessen Haftung von vornherein beschränkt ist, von einem so weitgehenden Beitragsbegriff nicht ausgehen können. Die Beiträge des Kommanditisten sind im engeren Sinne zu verstehen, nämlich in der Erbringung von Sachen, Leistungen oder Dienstleistungen. Dabei wird man gerade bei der Aufnahme naher Angehöriger, deren Beitrag in einer Dienstleistung besteht, die Mitunternehmerstellung kritisch prüfen müssen, wenn die Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist. Fremde Personen werden nämlich in solchen Fällen i.d.R. nicht als Gesellschafter aufgenommen.3 Man wird auch regelmäßig davon ausgehen müssen, dass der Kommanditist eine Vermögenseinlage als Kommanditeinlage zu erbringen hat. Die bloße Verpflichtung zu einer Kapitaleinlage reicht aber nicht aus, wenn diese nur aus künftigen Gewinnanteilen zu leisten ist (nominelle Kapitaleinlage).4 Die Mitunternehmerstellung wird in diesem Falle im Jahr des Vertragsabschlusses noch nicht erworben. Allenfalls nach Ablauf des ersten Jahres, wenn der Kommanditist durch stehen gelassene Gewinne eine Kapitaleinlage erbracht hat,5 könnte die Mitunternehmerstellung begründet werden.
6.77
f) Beteiligung an Gewinn und Verlust Ein Kommanditist trägt kein Mitunternehmerrisiko, wenn er nach dem Gesellschaftsvertrag oder der tatsächlichen Handhabung des Gesellschaftsvertrags an den Gewinnchancen und Verlustrisiken des Unternehmens nicht teilnimmt.
6.78
Für das Vorliegen eines Mitunternehmerrisikos ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Kommanditist am Verlust beteiligt ist.6 Die Mitunternehmerstellung ist
6.79
1 BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681 = GmbHR 2008, 948; BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 = GmbHR 2009, 386. 2 BFH v. 24.7.1984 – VIII R 65/84, BStBl. II 1985, 85. 3 BFH v. 26.8.1958 – I 116/58 U, BStBl. III 1958, 445. 4 Märkle, BB 1993, Beilage 2, S. 9. 5 BFH v. 4.8.1971 – I R 209/69, BStBl. II 1972, 10; BFH v. 1.2.1973 – IV R 9/68, BStBl. II 1973, 221; BFH v. 1.2.1973 – IV R 138/67, BStBl. II 1973, 526; dagegen Stahl, KÖSDI 1991, 8531, der wegen des bei Beitritt bestehenden Haftungsrisikos des Kommanditisten ein Mitunternehmerrisiko bejaht. 6 BFH v. 24.1.1980 – IV R 156/78, IV R 157/78, BStBl. II 1980, 271 = GmbHR 1980, 195.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
aber wiederum problematisch, wenn der Kommanditist neben der fehlenden Beteiligung am Verlust im Falle des Ausscheidens nicht an den stillen Reserven beteiligt ist und diese Beschränkung des Mitunternehmerrisikos nicht durch eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen wird (s. hierzu auch Rz. 6.32 ff.).1 6.80
Ein anschauliches Beispiel für fehlendes Mitunternehmerrisiko bietet das BFH-Urteil vom 5.8.1965.2 Im Urteilsfall schloss der Unternehmer mit den Prokuristen des Unternehmens eine Vereinbarung, die darauf gerichtet war, eine KG zu gründen. Die Gewinnbeteiligung des Kommanditisten betrug 35 % und blieb als zinsloses Darlehen in der Gesellschaft stehen. Der Prokurist war an den stillen Reserven des Anlagevermögens nicht beteiligt. Er nahm am Verlust nicht teil. Der BFH erkannte seine Mitunternehmerstellung besonders wegen des Ausschlusses des Unternehmerrisikos nicht an und deutete das Vertragsverhältnis in eine typische stille Beteiligung um, an der der Prokurist mit seinen Dienstleistungen beteiligt ist.
6.81
Dieselbe Linie wird in dem Urteil des BFH vom 28.10.1999 verfolgt.3 Der beteiligte Kommanditist erhielt als Gewinnanteil lediglich 8 % der Kommanditeinlage. Dieser Gewinnanteil wurde ihm auch in den Geschäftsjahren gewährt, in denen die GmbH & Co. KG Verluste erwirtschaftete. Im Falle seines Ausscheidens wurde lediglich die Kommanditeinlage zurückbezahlt. Dies galt auch für den Fall der Liquidation der KG. Das die Kommanditeinlagen übersteigende Vermögen sollte der Komplementär-GmbH zufallen. Im Übrigen entsprachen seine gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungspflichten denjenigen eines Kommanditisten, insbesondere war er berechtigt, bei außergewöhnlichen Maßnahmen der Geschäftsführung entsprechend seinen Kapitalanteilen mitzuwirken. Der BFH entschied, dass ein Kommanditist, der weder am laufenden Gewinn noch am Gesamtgewinn der KG beteiligt ist, auch dann nicht Mitunternehmer ist, wenn seine gesellschaftsrechtlichen Pflichten dem handelsrechtlichen Regelstatut entsprechen. Er ist einkommensteuerlich wie ein Darlehensgeber oder ein stiller Gesellschafter zu behandeln. g) Beteiligung an stillen Reserven
6.82
Ein Kommanditist trägt Mitunternehmerrisiko, wenn er am laufenden Gewinn und Verlust und im Liquidationsfall an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines selbstgeschaffenen Geschäfts- und Firmenwerts beteiligt ist.4 Nicht erforderlich ist eine Teilhabe an den stillen Reserven bei vorzeitigem Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft. Um dem Unternehmen die notwendige Liquidität bei vorzeitigem Ausscheiden eines Gesellschafters zu erhal1 BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 = FR 1992, 337 (allgemein zur Verlustteilnahme); BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131 (allgemein zur Kompensation von Mitunternehmermerkmalen). 2 BFH v. 5.8.1965 – VI 138/65 U, BStBl. III 1965, 560. 3 BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66 – 70/97, BStBl. 2000, 183 = GmbHR 2000, 241; vgl. auch Kempermann, FR 2000, 257. 4 BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663 = FR 1981, 515; BFH v. 25.4.1981 – IV R 61/78, BStBl. II 1982, 59; BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 = FR 2006, 823 m. Komm. Kempermann; BFH v. 28.10.2008 – VII R 32/07, BFH/NV 2009, 355; BFH v. 21.7. 2010 – IV R 63/07, BFH/NV 2011, 214; BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 = GmbHR 2013, 159.
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§6
Zurechnung der Einkünfte
ten, ist es in der Praxis üblich, dass der Buchwert oder ein deutlich unter dem Verkehrswert liegender Wert in den Gesellschaftsverträgen als Abfindungsguthaben vereinbart wird (sog. Buchwertklausel).1 Hinzukommen muss weiter, dass solche Vereinbarungen i.d.R. nicht einseitig zu Lasten bestimmter Gesellschafter getroffen werden, sondern gleichmäßig alle Gesellschafter treffen. Diese Umstände sprechen gegen die Beeinträchtigung der Mitunternehmerstellung durch eine Buchwertklausel. Der BFH hält daher eine Buchwertklausel bei isolierter Betrachtung für die Anerkennung der Mitunternehmerstellung für unschädlich,2 insb. dann, wenn die Klausel für alle Gesellschafter unter den gleichen Bedingungen gilt.3 In einem Urteil vom 15.10.19984 maß der BFH der fehlenden Beteiligung an den stillen Reserven im Falle des Ausscheidens überhaupt keine Bedeutung bei, weil das Merkmal der Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt war und so das weniger stark ausgeprägte Mitunternehmerrisiko kompensierte. In dem Fall ging es um eine GmbH & Co. KG, an der zwei Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als stille Gesellschafter beteiligt waren und über den Vertrag der stillen Gesellschaft Weisungsbefugnisse bei der Komplementär-GmbH eingeräumt bekamen. Die beiden stillen Gesellschafter erhielten 90 % des Gewinns der GmbH. An den stillen Reserven und dem Geschäftswert waren die stillen Gesellschafter nicht beteiligt.5
6.83
h) Versagungsgründe Das Studium der Rechtsprechung zeigt, dass für die Frage der Mitunternehmerstellung eine Prüfung und Wertung aller Umstände des Einzelfalles unumgänglich ist. Es lassen sich jedoch gewisse Hauptkriterien herausstellen, deren Vorliegen i.d.R. fast immer zur Versagung der Mitunternehmerstellung führt: – die Möglichkeit der jederzeitigen Hinauskündigung6 des Kommanditisten durch einen Gesellschafter zum Buchwert; – der völlige Ausschluss von den stillen Reserven des Unternehmens, also auch im Falle der Liquidation, verbunden mit einer fehlenden Teilhabe am Verlust;7 – die kurze Befristung der Kommanditistenstellung;
1 Vgl. Notthoff, DStR 1998, 210; insbesondere zu Abfindungsregelungen bei Familiengesellschaften Jorde/Stroot, Ubg 2010, 45; Wolf, MittBayNot 2013, 9. 2 BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/83, BStBl. II 1987, 54 = GmbHR 1987, 207; BFH v. 30.7.1975 – I R 174/73, BStBl. II 1975, 818; BFH v. 22.1.1970 – IV R 178/68, BStBl. II 1970, 416. 3 BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/83, BStBl. II 1987, 54 = GmbHR 1987, 207. 4 BFH v. 15.10.1998 – IV R 18/98, BStBl. II 1999, 286 = GmbHR 1999, 193. 5 Vgl. kritisch hierzu Weilbach/Weilbach, StB 2000, 176; Schulze zur Wiesche, GmbHR 1999, 902. 6 Der mittelbare Entzug der Gesellschaftsbeteiligung durch Widerruf der Schenkung reicht nach der Rechtsprechung aus (s. Rz. 6.74). Von einer gesellschaftsvertraglichen Hinauskündigungsklausel sollte bereits aus zivilrechtlichen Gründen abgesehen werden. 7 BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BStBl. II 1992, 330 = FR 1992, 337; dies gilt auch bei mittelbarer Beteiligung über eine GmbH: BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66 - 70/97, BStBl. II 2000, 183 = GmbHR 2000, 241; dazu Anm. Stuhldreier, GmbH-StB 2000, 91.
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6.84
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
– die Vereinbarung einer bloßen Umsatzbeteiligung;1 – der vertragliche Ausschluss vom Stimmrecht bzw. die lediglich formale Einräumung eines Stimmrechts, die es nicht zulässt, den Mehrheitsgesellschafter selbst von der Beschlussfassung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages abzuhalten.2
IV. Gewinnermittlung 1. Allgemeines 6.85
Die GmbH & Co. KG als Personengesellschaft ist nicht selbst einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig (s. Rz. 6.1). Für die Gewinnermittlung, die die Grundlage für die Zuweisung der Gewinnanteile an die Gesellschafter bildet, ist sie jedoch als ein eigenständiges Subjekt der Gewinnerzielung3 und somit auch der Gewinnermittlung anzusehen (s. Rz. 6.2).4 Für die Ermittlung des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft5 bedarf es zunächst der Gewinnermittlung der GmbH & Co. KG und damit der Feststellung, welcher Gewinnanteil auf den einzelnen Gesellschafter entfällt. Die Gewinnermittlung auf Gesellschaftsebene ist um diejenigen Modifikationen zu ergänzen, die sich aus Ergänzungsbilanzen für einzelne Gesellschafter ergeben. Der Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft ergibt zusammen mit dem Ergebnis der Ergänzungsbilanzen die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG genannten Einkünfte.6 Weiterhin ist zur Ermittlung des Gesamtgewinns das Ergebnis etwaiger Sonderbilanzen für die einzelnen Gesellschafter hinzuzurechnen, insbesondere Vergütungen für Dienstleistungen oder Überlassungen von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Verkürzt ausgedrückt bedeutet dies, dass der anteilige steuerliche Gewinn des einzelnen Gesellschafters an der Mitunternehmerschaft in zwei Stufen ermittelt wird (sog. zweistufige Gewinnermittlung):7
1 BFH v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, FR 2000, 1033 m. Komm. Wendt = DStR 2000, 1594. 2 BFH v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762 = GmbHR 1989, 264; BFH v. 10.12. 2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 = GmbHR 2009, 386. 3 Z.B. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = FR 1995, 649. 4 Bodden, DStZ 1996, 73 (77); Schulze zur Wiesche, FR 1996, 237; BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1989, 751 = GmbHR 1984, 355. 5 BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199. 6 BFH v. 25.9.1995 – IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68 = FR 1996, 113 m. Komm. Prinz; BFH v. 29.10.1991 – VIII R 145/85, BStBl. II 1992, 647. Nach a.A. (z.B. Groh, ZIP 1998, 89) sollen die Ergänzungsbilanzen dem Bereich der Sonderbilanzen zuzuordnen sein, weil die typischerweise in der Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Posten nicht Gegenstand der Steuerbilanz der Gesellschaft sein dürfen. BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826, hat diese Frage offen gelassen und im Übrigen auf die ständige anders lautende Rechtsprechung des BFH verwiesen. 7 St. Rspr., vgl. nur BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826; BFH v. 13.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163 = GmbHR 1999, 199; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 13/99, BStBl. II 2000, 612 = GmbHR 2000, 893; Gschwendtner, DStR 1993, 817 (818); Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 61; s. Rz. 6.488 ff.
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§6
Gewinnermittlung
Erste Stufe: Ergebnis der Handelsbilanz daraus abgeleitetes Ergebnis der Steuerbilanz = Gewinnanteil an dem Gesamthandsgewinn der GmbH & Co. KG +/– Wertkorrekturen aus den Ergänzungsbilanzen Zweite Stufe: Ergebnis der Sonderbilanzen Die Ergebnisse der Gesamthandsbilanz, der Ergänzungsbilanzen sowie der Sonderbilanzen sind sodann zusammenzufassen. Man kann die Zusammenfassung von Gesamthands(steuer)bilanz, Ergänzungs- und Sonderbilanzen der Gesellschafter als Gesamtbilanz1 verstehen oder die Zusammenfassung der verschiedenen Bilanzierungsebenen als additive Gewinnermittlung2 ohne Schaffung einer eigenständigen Gesamtbilanz ansehen.
6.86
Die Rechtsprechung3 und Teile der Literatur4 gehen jedoch davon aus, dass bei den Sondervergütungen, d.h. bei den durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfassten Rechtsbeziehungen, in der Steuerbilanz der GmbH & Co. KG und in den Sonderbilanzen korrespondierend zu bilanzieren und das Imparitätsprinzip nicht anwendbar ist (additive Gewinnermittlung mit korrespondierender Bilanzierung). Im Hinblick auf Tätigkeitsvergütungen bedeutete das z.B., dass einer Aufwandsbuchung bei der Gesellschaft auch ohne Zufluss eine Ertragsbuchung bei dem Gesellschafter entspricht. Ferner können infolge der korrespondierenden Bilanzierung Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft (jedenfalls vor Ausscheiden oder Abwicklung der Gesellschaft) nicht mit steuerlicher Wirkung wertberichtigt werden.5 Den Forderungen kommt Eigenkapitalcharakter zu.
6.87
1 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 V, S. 479; den Begriff der Gesamtbilanz verwendet auch die Rechtsprechung; vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 = FR 1993, 779; BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 = GmbHR 1996, 381; BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFH/NV 2012, 2053 = GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 17.4.2013 – II R 12/11, BStBl. II 2013, 740 = GmbHR 2013, 946. 2 So Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 V, S. 480 unter Hinweis auf die zur Schaffung einer Gesamtbilanz fehlende gesetzliche Grundlage; den Begriff der Gesamtbilanz verwendet auch die Rechtsprechung; vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 = FR 1993, 779; BFH v. 30.11.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 = GmbHR 1996, 381; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 405 m.w.N. 3 BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 = FR 1993, 779; BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 = FR 1993, 297; BFH v. 25.1.1994 – VIII B 111/93, BStBl. II 1994, 455 = GmbHR 1994, 332; BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 = GmbHR 1996, 381; BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174 = GmbHR 1998, 553; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 13/99, BStBl. II 2000, 612 = GmbHR 2000, 893; BFH v. 11.12.2003 – IV R 42/02, BStBl. II 2003, 871 = FR 2004, 580; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2004, 353; BFH v. 9.12.2009 – IV B 129/08, BFH/NV 2010, 640; BFH v. 6.3.2014 – IV R 14/11, BStBl. II 2014, 624 = GmbHR 2014, 942; FG BW v. 30.11.1995 – 6 K 192/91, EFG 1996, 369. 4 Etwa Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 404; J. Lang in FS L. Schmidt, 1993, S. 291 (304); Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 95; Groh, StuW 1995, 383; Lindwurm, DStR 2000, 53/60. 5 BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294; BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 = GmbHR 2006, 1217; BFH v. 9.12.2009 – IV B 129/08, BFH/NV 2010, 640.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.88
Bei einer rein additiven Gewinnermittlung1 wäre demgegenüber das Imparitätsprinzip bei der Abbildung von allen Rechtsbeziehung zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern zu beachten, was zur Folge hätte, dass ein Mitunternehmer in seiner Sonderbilanz z.B. Teilwertabschreibungen auf Forderungen gegen die Gesellschaft vornehmen könnte.
6.89
Der additiven Zusammenfassung von Gesellschafts- (einschließlich Ergänzungs-) und Sonderbilanzen ist zuzustimmen, denn eine Gesamtbilanz findet keine Stütze im Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Das Imparitätsprinzip kann hingegen bei Beziehungen zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft insoweit nicht gelten, als dies eine das steuerliche Eigenkapital der Gesellschaft betreffende Absprache beinhalten würde. In diesem Fall hat die korrespondierende Bilanzierung seine Berechtigung.
2. Gesamthandsgewinn der GmbH & Co. KG a) Einheitliche Bilanzierung und Bewertung in der Steuerbilanz 6.90
Für die Gewinnermittlung der Gesellschaft gelten die allgemeinen Grundsätze, wonach unter Gewinn der Unterschiedsbetrag zu verstehen ist, der sich zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen ergibt (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dabei ist von der Handelsbilanz der GmbH & Co. KG auszugehen, in der nur solche Vermögensgegenstände ausgewiesen sind, die zivilrechtlich zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft gehören. Aus der Handelsbilanz ist sodann durch Anpassung der Handelsbilanz an die einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften die Steuerbilanz der GmbH & Co. KG abzuleiten.2 In der Steuerbilanz der GmbH & Co. KG wird ebenfalls nur das Gesamthandsvermögen ausgewiesen.3
6.91
Auch wenn Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens im Allgemeinen zum steuerlichen Betriebsvermögen der Gesellschaft rechnen,4 gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es möglich, dass Bestandteile des Vermögens einer Personengesellschaft steuerrechtlich Privatvermögen sein können.5 Im Bereich von aktiven Wirtschaftsgütern handelt es sich hierbei vielfach um Grundbesitz, der der Gesellschaft gehört, aber ausschließlich 1 Vertreten u.a. von Schulze zur Wiesche, FR 1993, 37 (43), Kusterer, DStR 1993, 1209 (1212); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 V, S. 481; G. Söffing, BB 1999, 96; Paus, FR 1999, 201; Raupach, DStZ 1992, 692: Korrespondenzprinzip soll nur eingeschränkt auf Sondervergütungen angewendet werden. 2 BFH v. 14.11.1985 – IV R 63/83, BStBl. II 1986, 58 = GmbHR 1986, 248; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 401. 3 BFH v. 6.11.1980 – IV R 5/77, BStBl. II 1981, 307 = FR 1981, 173. 4 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 481. 5 BFH v. 30.6.1987 – VIII R 352/82, BStBl. II 1988, 418; BFH v. 3.10.1989 – VIII R 184/85, BStBl. II 1990, 319 = FR 1990, 56; BFH v. 25.11.2004 – IV R 7/03, BStBl. II 2005, 354 = GmbHR 2005, 492; BFH v. 3.3.2011 – IV R 45/08, BStBl. II 2011, 552 = GmbHR 2011, 664; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 278 m.w.N.
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§6
Gewinnermittlung
der dauerhaften, unentgeltlichen1 und privaten2 Nutzung durch die Gesellschafter dient.3 Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sind jedoch die gesamten Einkünfte einer Personengesellschaft gewerbliche. Das schließt die Annahme von Privatvermögen einer Personengesellschaft aus.4 Auch im Bereich passiver Wirtschaftsgüter kann ein Bezug zur betrieblichen Sphäre der Gesellschaft fehlen. Verbindlichkeiten einer Personengesellschaft sind einkommensteuerrechtlich nicht bereits deswegen Betriebsschulden, weil die Personengesellschaft zivilrechtlich die Erfüllung der Verbindlichkeiten schuldet. Es handelt sich nur um eine betriebliche Schuld, wenn sie ausschließlich betrieblich veranlasst ist.5
6.92
Die Gewinnermittlung der GmbH & Co. KG erfolgt unabhängig von bestehenden Rechtsbeziehungen zwischen ihr und ihren Gesellschaftern, die bei der Ermittlung des Gewinns der GmbH & Co. KG wie zwischen Fremden zu beurteilen sind. Die an Gesellschafter gezahlten Tätigkeitsvergütungen, Darlehens- oder Mietzinsen mindern den steuerlichen Gewinn der GmbH & Co. KG. Das Leistungsentgelt muss allerdings einem Fremdvergleich standhalten. Sollten Vergütungen aufgrund der Gesellschafterstellung überhöht sein, so ist der unangemessene Teil der Vergütung dem Gesamthandsgewinn der GmbH & Co. KG unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Entnahme hinzuzurechnen.6
6.93
Die eigene Rechtssubjektivität der GmbH & Co. KG bei der Gewinnermittlung lässt grundsätzlich nur die einheitliche Bilanzierung und Bewertung der Wirtschaftsgüter zu. So können die einzelnen Gesellschafter bezüglich ihres Gewinnanteils z.B. keine unterschiedlichen Abschreibungsmethoden wählen, wenn ein Gesellschafter hinsichtlich seines ideellen Anteils an einem Wirtschaftsgut des abnutzbaren Anlagevermögens die degressive Abschreibungsmethode wünscht, während ein anderer Gesellschafter die lineare anwenden möchte.7 Die Grenze ist dort zu ziehen, wo steuerliche Wahlrechte bzw. Vergünstigungen personen- und nicht unternehmensbezogen sind.
6.94
1 Anders bei entgeltlicher Nutzung durch die Gesellschafter; die Wirtschaftsgüter dienen dann der Einkünfteerzielung der Gesellschaft und sind Betriebsvermögen, Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 496. Bei einer Nutzungsüberlassung zu 10 % des ortsüblichen Entgelts soll das Wirtschaftsgut Betriebsvermögen bleiben, vgl. BFH v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692 = FR 2011, 769 m. Komm. Kanzler zur verbilligten Bestellung eines Erbbaurechts. 2 Z.B. Einfamilienhaus, das von Gesellschafter für eigene Wohnzwecke genutzt wird: BFH v. 23.11.2000 – IV R 82/99, BStBl. II 2001, 232 = FR 2001, 299 m. Komm. Kempermann. 3 Vgl. insofern den Sachverhalt bei BFH v. 3.10.1989 – VIII R 184/85, BStBl. II 1990, 319 = FR 1990, 56. 4 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 10 I, S. 415 f.; s. auch Rz. 6.511 ff. 5 BFH v. 29.10.1991 – VIII R 148/85, BStBl. II 1992, 647 = FR 1992, 518; BFH v. 5.3.1991 – VIII R 93/84, BStBl. II 1991, 516 = GmbHR 1991, 386; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 485 ff. 6 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 10 I 2a), S. 423. 7 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 410; BFH v. 7.8.1986 – IV R 137/83, BStBl. II 1986, 910 = FR 1986, 594.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
b) Personenbezogene Wahlrechte bzw. Vergünstigungen aa) § 6b EStG-Rücklage 6.95
Bei der Rücklage nach § 6b EStG wechselten sich in der Vergangenheit die personen- und die unternehmensbezogene Sichtweise ab.1 Seit geraumer Zeit2 wird allerdings nunmehr eine personenbezogene Betrachtungsweise angestellt:
6.96
Der begünstigte Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens kann – einheitlich für alle begünstigten Gesellschafter auf Wirtschaftsgüter desselben Gesamthandsvermögens sowie – von den einzelnen Gesellschaftern anteilig auf Wirtschaftsgüter ihres Sonderbetriebsvermögens bei dieser oder einer anderen Personengesellschaft sowie auf Wirtschaftsgüter ihres Betriebsvermögens übertragen werden.
6.97
Einzelunternehmer oder Kapitalgesellschaften, die Mitunternehmer einer Personengesellschaft sind, können einen begünstigten Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des eigenen Betriebsvermögens auf – ihr Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft und auch – unter Bildung einer Ergänzungsbilanz auf ihren Anteil an den Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens übertragen. Die Entscheidung darüber, ob in einer Sonderbilanz eine § 6b EStG-Rücklage gebildet werden soll, steht dem Mitunternehmer und nicht der Mitunternehmerschaft zu.3 bb) Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG
6.98
Durch § 4 Abs. 4a EStG wird die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften nach Maßgabe eines Überentnahmemodells der Höhe nach begrenzt. Schuldzinsen sind nur dann uneingeschränkt abziehbar, wenn die Summe des Gewinns und der Einlagen die Summe der privaten Entnahmen übersteigt. Der Gesetzestext lässt jedoch offen, ob § 4 Abs. 4a EStG gesellschafts- oder gesellschafterbezogen zu verstehen ist. Die Finanzverwaltung vertrat zunächst die Ansicht, die Überentnahmeregelung sei gesellschaftsbezogen anzuwenden.4 Das hatte zur Folge, dass die Anteile am Gewinn, die Entnahmen und die Einlagen aller Gesellschafter saldiert wurden, die Bagatellgrenze von 2 050 Euro nur einmal zur Anwendung gelangte und die ermittelten nicht abzugsfähigen Schuldzinsen nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen wa1 Einzelheiten siehe 20. Aufl. 2009, § 7 Rz. 106 ff. 2 Gem. § 52 Abs. 18a Satz 1 EStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2001. 3 BFH v. 25.1.2006 – IV R 14/04, BStBl. II 2006, 874; s. dazu Ley, WPg 2006, 904. 4 BMF v. 22.5.2000 – IV C 2 - S 2144 - 60/00, BStBl. I 2000, 588; BMF v. 17.11.2005 – IV B 2 S 2144 - 50/05, BStBl. I 2005, 1019 Tz. 25, 30. Ebenso für gesellschaftsbezogene Anwendung: Kohlhaas, DStR 2000, 901; Neufang, Stbg 2000, 901; Korn/Strahl, KÖSDI 2000, 12283.
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§6
Gewinnermittlung
ren.1 Nach Auffassung der Rechtsprechung ist die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG gesellschafterbezogen anzuwenden.2 Die Finanzverwaltung hat sich der gesellschafterbezogenen Anwendung inzwischen angeschlossen.3 Entnahmen oder Einlagen können danach nicht saldiert werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Schuldzinsenhinzurechnung zwar gesellschafterbezogen zu ermitteln. Der Sockelbetrag i.H.v. 2 050 Euro soll jedoch betriebsbezogen, d.h. nur einmal pro Personengesellschaft, zum Ansatz gebracht werden können.4 cc) Teileinkünfteverfahren Nach der Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens und der Einführung des Halb- und später des Teileinkünfteverfahrens sind ggf. außerbilanzielle Korrekturen erforderlich, wenn sich Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft befinden. Die vollständige oder teilweise Steuerbefreiung der Dividendeneinkünfte bzw. der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft führt dazu, dass steuerfreie Einnahmen oder nicht abzugsfähige Betriebsausgaben in der Steuerbilanz enthalten sind, die außerhalb der Bilanz abzuziehen oder hinzuzurechnen sind.5
6.99
Bei natürlichen Personen als Mitunternehmern gelangt das sog. Teileinkünfteverfahren zur Anwendung. Gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a), b), d) EStG sind 40 % der offenen oder verdeckten Gewinnausschüttungen sowie 40 % der Einnahmen aus der Veräußerung oder Entnahme von Anteilen an Kapitalgesellschaften und 40 % des auf solche Anteile entfallenden Veräußerungspreises i.S. des § 16 Abs. 2 EStG steuerfrei.6 Andererseits dürfen gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben und Veräußerungskosten sowie Anschaffungskosten, die mit den in § 3 Nr. 40 Satz 1 und 2 EStG genannten Mehrungen in Zusammenhang stehen, nur zu 60 % abgezogen werden.7 Nach § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG ist ab dem VZ 2011 für die Anwendung des Teilabzugsverbots die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 EStG ausreichend.8 Da die steuerfreien und nicht abzugsfähigen Teilbeträge in
6.100
1 Vgl. Kohlhaas, DStR 2000, 901; Korn/Strahl, KÖSDI 2000, 12283. 2 BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420; gl.A. Prinz, FR 2000, 135; Wendt, FR 2000, 431; Ley, KÖSDI 2006, 15277 (15283); Frank/Seitz, Stbg 2000, 97; Paus, FR 2000, 957; Schulze zur Wiesche, DB 2000, 2189; Groh, DStR 2001, 105; differenzierend Korn, KÖSDI 2000, 12557. 3 Vgl. BMF v. 7.5.2008 – IV B 2-S 2144/07/0001, BStBl. I 2008, 588. 4 BFH v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420 = FR 2007, 1058 m. Komm. Wältermann. 5 Hoffmann, DB 2000, 1931 (1932); Groh, DB 2000, 2444 (2446). 6 van Lishaut, GmbHR 2000, 1121 (1123): Begünstigt ist auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (soweit der Gewinn auf die Veräußerung des Kapitalgesellschaftsanteils entfällt) sowie nach Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2000/2001, S. 213 auch der Teilwertansatz bei Entnahmen und i.d.R. Zuschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG. 7 Seibt, DStR 2000, 2061 (2067); Starke, FR 2001, 25. 8 Bis einschließlich VZ 2010 ist für die Anwendung des Teilabzugsverbots Voraussetzung, dass aus der Beteiligung Einnahmen erzielt werden: BMF v. 23.10.2013 – IV C 6 S 2128/07/10001, BStBl. I 2013, 1269 Rz. 19; vgl. auch BFH v. 28.2.2013 – IV R 49/11, BStBl. II 2013, 802 = GmbHR 2013, 656.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
der Steuerbilanz enthalten sind, sind sie außerhalb der Bilanz abzuziehen oder hinzuzurechnen.1 6.101
Bei Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer sind nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG bei der Gewinnermittlung einer Kapitalgesellschaft die Gewinnausschüttungen einer anderen Kapitalgesellschaft sowie Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft in voller Höhe außer Ansatz zu lassen. Allerdings gelten 5 % der Gewinnausschüttung bzw. des Veräußerungsgewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe (§ 8b Abs. 5 und Abs. 3 KStG). Nach § 8b Abs. 6 KStG gelten diese Vorschriften auch, soweit einer Kapitalgesellschaft derartige Gewinne im Rahmen eines Gewinnanteils an einer Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugerechnet werden,2 d.h., soweit im steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft oder Erlöse aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft enthalten sind.3 Die steuerfreien und nicht abzugsfähigen Teilbeträge in der Steuerbilanz sind somit hier außerhalb der Bilanz vollständig und nicht nur zu 40 % zu kürzen und hinzuzurechnen. Steuerpflichtig sind gemäß § 8b Abs. 4 KStG jedoch Ausschüttungen auf sogenannte Streubesitzanteile, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat.4 Da die bezogene Dividende steuerpflichtig ist, findet das Teilabzugsverbot des § 3c EStG insoweit keine Anwendung.5
6.102
Maßgeblich für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens und der Körperschaftsteuerfreiheit ist der Gewinnverteilungsschlüssel der Personengesellschaft.6 In der Praxis ergeben sich häufig Probleme bei der Zu- und Abrechnung bei mehrstöckigen Personengesellschaften, in denen die Beteiligungsverhältnisse bei den Anteilseignern nicht immer bekannt sind.7 dd) Sonderabschreibungen
6.103
Gewisse Sonderabschreibungen entfalten rein gesellschafterbezogene Wirkungen.8 Mit Urteil vom 17.7.2001 hat der BFH9 entschieden, dass die erhöhten Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsgebieten nach § 7h EStG nur die Gesellschafter einer Personengesellschaft und nicht die Gesellschaft als solche berechtigen.10 Bei Ausscheiden eines Gesellschafters gehen so die auf ihn entfallenden erhöhten Abschreibungen verloren, da der ausgeschie1 Hoffmann, DB 2000, 1931 (1932); Groh, DB 2000, 2444 (2446). 2 Für die Gewerbesteuer: s. Rz. 6.654; BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279 = GmbHR 2006, 1273; BMF v. 21.3.2007 – IV B 7 - G - 1421/0, BStBl. I 2007, 302. 3 § 8b Abs. 6 KStG gilt ebenso bei einer Veräußerung des Mitunternehmeranteils. 4 Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, 561. Die Regelung ist anzuwenden für Streubesitzdividenden, die nach dem 28.2.2013 zufließen, vgl. § 34 Abs. 7a Satz 2 KStG a.F. 5 Benz/Jetter, DStR 2013, 489 (492); Herlinghaus, FR 2013, 529 (535). 6 Starke, FR 2001, 25. 7 Hoffmann, DB 2000, 1931. 8 Kempermann, DStZ 1995, 225. 9 BFH v. 17.7.2001 – IX R 50/98, BStBl. II 2001, 760 = FR 2001, 1182. 10 Allgemein zu personenbezogenen Steuervergünstigungen BFH v. 7.11.2006 – VIII R 13/04, BStBl. II 2008, 545.
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§6
Gewinnermittlung
dene Gesellschafter keine Einkünfte mehr aus der Vermietung bezieht. Selbst wenn die verbleibenden Gesellschafter seinen Anteil übernehmen (Anwachsung), sind die begünstigten Herstellungskosten den verbleibenden Gesellschaftern jeweils nur in Höhe ihrer ursprünglichen Beteiligung zuzurechnen.
3. Ergänzungsbilanzen a) Allgemeines Ergänzungsbilanzen sind ein ausschließlich im Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung existierendes Rechnungslegungsinstrument.1 Sie enthalten die Korrekturen zu den Wertansätzen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft für die betrieblichen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens in der Gesamthandssteuerbilanz der Gesellschaft.2 In der steuerlichen Praxis bestehen bei der laufenden Besteuerung im Wesentlichen zwei Einsatzfelder der Ergänzungsbilanz. Sie dient zum einen der Erfassung individueller Aufwendungen des Gesellschafters im Zusammenhang mit der Gründung einer Personengesellschaft, dem Gesellschafterwechsel sowie dem Ein- und Austritt von Gesellschaftern.3 Daneben werden mittels der Ergänzungsbilanz personenbezogene Steuervergünstigungen, die nur einzelnen Gesellschaftern zustehen, diesen Gesellschaftern zugeordnet. Eine Ergänzungsbilanz weist dementsprechend z.B. eine Rücklage nach § 6b EStG für Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsvermögen aus oder berücksichtigt die nur von einzelnen Gesellschaftern in Anspruch genommene Sonderabschreibung.4
6.104
b) Entgeltlicher Erwerb eines Gesellschaftsanteils und personenbezogene Steuervergünstigungen Bei entgeltlichem Erwerb eines Gesellschaftsanteils wird die Differenz zwischen dem Buchwert der steuerlichen Kapitalkonten des Verkäufers und dem Kaufpreis in einer Ergänzungsbilanz ausgewiesen. Ist der Kaufpreis höher als der entsprechende Buchwert, werden die Mehraufwendungen des Käufers in einer positiven Ergänzungsbilanz erfasst. Die den Buchwert übersteigenden Aufwendungen sind bilanziell zu erfassen (Aufstockung), ein gleich hohes Mehrkapital ist zu passivieren. Ist der Kaufpreis niedriger, entsteht eine sog. negative Ergänzungsbilanz.
6.105
Beispiel An der ABC-GmbH & Co. KG sind seit der Gründung die Komplementär-GmbH (A-GmbH) mit 5 %, der Kommanditist B mit 70 % sowie der Kommanditist C mit 25 % beteiligt. C will zum Ende des Geschäftsjahres 2014 aus der GmbH & Co. KG ausscheiden und seinen Gesell1 Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, 1990; Gschwendtner, DStR 1993, 817 (818). 2 BFH v. 25.9.1995 – IV R 57/94, BStBl. II 1996, 68 = FR 1996, 113 m. Komm. Prinz. 3 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 64; Schoor, StBp 2006, 212; Schoor, StBp 2006, 255. 4 Gschwendtner, DStR 1993, 817 (819); Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, 1990, S. 187 ff.
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6.106
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
schaftsanteil an D verkaufen. D ist bereit, den Kapitalanteil des C laut Buchführung der KG im Zeitpunkt des Erwerbs zu übernehmen und den Kaufpreis i.H.v. 250 000 Euro an C in bar zu entrichten. Die Bilanz zum Ausscheidenszeitpunkt stellt sich wie folgt dar: Bilanz zum 31.12.2014 Grund und Boden Gebäude Maschinen Vorräte
Euro 120 000 175 000 100 000 105 000
Kapital A-GmbH Kapital B Kapital C § 6b EStG Rücklage
500 000
Euro 15 000 210 000 75 000 200 000 500 000
Die GmbH & Co. KG hat bereits ein Gutachten über den Wert ihres Unternehmens anfertigen lassen. Daraus ergibt sich u.a. Folgendes: Euro 400 000 160 000 120 000 120 000
Teilwert des Grundstücks davon Grund und Boden Teilwert Maschinen Teilwert Vorräte
D übernimmt das Kapitalkonto des ausgeschiedenen Gesellschafters C i.H.v. 75 000 Euro. Seine Anschaffungskosten betragen jedoch 250 000 Euro. Die Mehraufwendungen werden daher in einer positiven Ergänzungsbilanz entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel anteilig auf die auf D entfallenden stillen Reserven auf die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens einschließlich nicht bilanzierter Wirtschaftsgüter und des Firmenwertes verteilt. Die positive Ergänzungsbilanz des D hat damit folgendes Bild: Ergänzungsbilanz D zum 1.1.2015 Firmenwert Grund und Boden Gebäude Maschinen Vorräte Rücklage § 6b EStG
Euro 90 000 10 000 16 250 5 000 3 750 50 000
(Mehr-)Kapital
175 000
Euro 175 000
175 000
c) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft 6.107
Bei doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaften sind bei einem entgeltlichen Erwerb eines Anteils an der Obergesellschaft ggf. auf mehreren Ebenen Ergänzungsbilanzen zu bilden, falls die Anschaffungskosten das Kapitalkonto überschreiten. (1) Ergänzungsbilanz auf der Ebene der Obergesellschaft: Sie erfasst für den neuen Gesellschafter die Mehr-(Minder-)Werte der Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen der Obergesellschaft einschließlich solcher Wirtschaftsgüter, die der Untergesellschaft zur Nutzung überlassen sind (= Sonderbetriebsvermögen der Ober- bei der Untergesellschaft). Nicht erfasst ist der Anteil der Obergesellschaft an der Untergesellschaft, weil dieser in steuerlicher Hinsicht kein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut darstellt. (2) Ergänzungsbilanz auf der Ebene der Untergesellschaft: Sie erfasst für den neuen Gesellschafter der Obergesellschaft als 512
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§6
Gewinnermittlung
Mitunternehmer der Untergesellschaft1 die Mehr-(Minder-)Werte der durch den Gesellschaftsanteil der Obergesellschaft repräsentierten Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen der Untergesellschaft, soweit sie auf die Anschaffungskosten für den erworbenen Anteil an der Obergesellschaft mittelbar entfallen.
4. Sonderbilanzen a) Allgemeines Dem – auf der ersten Stufe ermittelten – Anteil am Gewinn der Personengesellschaft wird auf der zweiten Stufe das Ergebnis aus dem Einsatz zusätzlicher nicht zum Gesamthandsvermögen zählender Wirtschaftsgüter hinzugerechnet.2 Hierbei handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die zivilrechtlich und wirtschaftlich oder nur wirtschaftlich (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO)3 im Eigentum des Mitunternehmers stehen und die dazu geeignet und bestimmt sind, entweder dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder der Beteiligung des Gesellschafters zumindest förderlich zu sein (Sonderbetriebsvermögen II).4 Die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens I und II werden in den Sonderbilanzen I und II der jeweiligen Gesellschafter erfasst.5 Aufgrund der einheitlichen Zuordnung der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zu dem jeweiligen Gesellschafter kommt auch die Aufstellung einer einheitlichen Sonderbilanz in Betracht. In den Sonderbilanzen finden die mit dem Sonderbetriebsvermögen im Zusammenhang stehenden Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sowie die Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG, soweit sie einem Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens zugeordnet werden können, ihren Niederschlag.6
6.108
Bei dem Sonderbetriebsvermögen handelt es sich nicht um einen eigenständigen Betrieb des Gesellschafters, vielmehr ist das Sonderbetriebsvermögen unselbständiger Teil des als Gesamthandsvermögen und Sondervermögen gebildeten einheitlichen Betriebs der Personengesellschaft. Rechtsgrundlage für die Aufstellung von Sonderbilanzen ist deswegen nicht § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern § 4 Abs. 1 EStG.7 Die aus § 4 Abs. 1 EStG gewonnene Abgrenzung des Betriebsvermögens erfährt allerdings eine Bestätigung und Klarstellung durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG,8 wonach insbesondere Wirtschaftsgüter, die zur Erzielung gewerblicher Einkünfte dienen, in den Sonderbetriebsvermögensvergleich einzubeziehen sind.
6.109
1 Wie hier Ludwig, BB 2007, 2152 (2155); nach a.A. soll die Ergänzungsbilanz für die Obergesellschaft als Gesellschafterin der Untergesellschaft für den mittelbar beteiligten Gesellschafter gebildet werden Ley, KÖSDI 2011, 17277 (17277); Dörfler/Zerbe, DStR 2012, 1212 (1213); Rätke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz. 637 m.w.N. zum Streitstand. 2 Statt aller BFH v. 18.12.1991 – XI R 42/88, XI R 43/88, BStBl. II 1992, 585 = FR 1992, 514. 3 BFH v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, FR 2002, 1119. 4 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 506 m.w.N. 5 BFH v. 14.6.1994 – VIII R 37/93, BStBl. II 1995, 246 = GmbHR 1995, 314 m.w.N. zur Sonderbilanzrechtsprechung des BFH. 6 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 475. 7 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 72 f. m.w.N. 8 BFH v. 2.12.1982 – IV R 72/79, BStBl. II 1983, 215 = FR 1983, 230.
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§6 6.110
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Die Gewinnermittlung für beide Betriebsvermögensbereiche vollzieht sich einheitlich durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG.1 Der Gewinnanteil der GmbH & Co. KG, der auf den einzelnen Gesellschafter entfällt, wird mit dem aus der Bilanz des Sonderbilanzgewinns als Steuerbilanzgewinn zweiter Stufe zusammengefasst. Für das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter ist gem. § 141 AO die Personengesellschaft buchführungspflichtig.2 b) Bilanzierungskonkurrenz bei Zugehörigkeit des überlassenen Wirtschaftsguts zu einem anderen Betriebsvermögen
6.111
Gehört das der GmbH & Co. KG von einem Gesellschafter überlassene Wirtschaftsgut zu einem anderen Betriebsvermögen, so entsteht das Problem der Bilanzierungskonkurrenz, d.h., es ist zu entscheiden, ob das betreffende Wirtschaftsgut gleichwohl als Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Gesellschaft behandelt werden kann.
6.112
Die Eigenschaft der Wirtschaftsgüter als Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bleibt aufgrund der vorrangigen Zuordnungsnorm des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann erhalten, wenn die Wirtschaftsgüter bereits zu einem anderen Betriebsvermögen des Gesellschafters gehören, so z.B. wenn die KomplementärGmbH der GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlässt.3 Das Gleiche gilt, wenn die von einem Kommanditisten überlassenen Wirtschaftsgüter zu einem Betriebsvermögen des Kommanditisten gehören.4 In der Praxis sind vielfach Grundstücksüberlassungen und Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter als Beispiele für Sonderbetriebsvermögen anzutreffen. Bei der GmbH & Co. KG gilt das insbesondere für das ihr darlehensweise zur Verfügung gestellte Stammkapital der Komplementär-GmbH. Auch wenn die Komplementär-GmbH kraft Rechtsform einen eigenen Gewerbebetrieb unterhält (§ 8 Abs. 2 KStG), stellt die Darlehensforderung gegen die GmbH & Co. KG Sonderbetriebsvermögen dar. Dieses und andere der GmbH & Co. KG überlassene Wirtschaftsgüter sind nicht in die Steuerbilanz der Komplementär-GmbH oder in die Steuerbilanz eines Eigenbetriebs eines Kommanditisten einzustellen. Sie sind vielmehr aus dieser Bilanz herauszunehmen und erfolgsneutral in das Sonderbetriebsvermögen zu übernehmen. Hierin liegt eine Durchbrechung des Grundsatzes der 1 Rose in FS Moxter, 1994, S. 1089 (1099); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 475; auf die „allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze“ verweist BFH v. 14.6.1994 – VIII R 37/93, GmbHR 1995, 314. 2 BFH v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797; a.A. Schön, DStR 1993, 185 (193). 3 St. Rspr. z.B. BFH v. 28.11.1991 – XI R 14/90, BFH/NV 1992, 377; BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261; BFH v. 24.3.1999 – VIII R 41/98, BStBl. II 2000, 339 = GmbHR 2000, 494 m. Komm. Bitz; BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 = GmbHR 2005, 1512; BFH v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361 = GmbHR 2005, 998; h.M. im Schrifttum, z.B. Schneider in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 758; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 534; Brandenberg, FR 1997, 87; Märkle, DStZ 1997, 233; Neu, DStR 1998, 1250; Kempermann in FS Flick, 1997, S. 445/9; Schmitz, NWB 2010, 425 (426); a.A., d.h. für Subsidiaritätstheorie, Schmid, DStR 1997, 941; Graf Kerssenbrock, BB 2000, 763; Söffing, DB 2007, 1994 (1995 ff.). 4 Grundsatz des Vorrangs des mitunternehmerischen (Sonder-)Betriebsvermögens; allgemein BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 = GmbHR 1995, 537 m.w.N.
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§6
Gewinnermittlung
Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, die durch die zwingende Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Zuordnungsnorm geboten ist.1 Der Grundsatz vorrangiger Erfassung von Wirtschaftsgütern, die der Gesellschaft zur Nutzung überlassen sind, als Sonderbetriebsvermögen statt in einem anderen Betriebsvermögen, wird allerdings in folgenden Fällen durchbrochen:
6.113
aa) Leistungen im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs Soweit die Leistungen eines Gesellschafters nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind bzw. mit dem Gesellschaftsverhältnis lediglich zufällig zusammenfallen, ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht anwendbar.2 Hier gilt der Vorrang des eigenen gewerblichen Betriebsvermögens des Mitunternehmers gegenüber dem Sonderbetriebsvermögen. In der Praxis sind hier insbes. die Leistungen im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs eines nicht nur für die Personengesellschaft tätigen3 eigenen Gewerbebetriebs des Mitunternehmers zu fremdüblichen4 Konditionen betroffen. Dies gilt allerdings nur, wenn das Betriebsvermögen des Gesellschafters zu einem Gewerbebetrieb gehört.
6.114
bb) Nutzungsüberlassung zwischen gewerblichen Schwesterpersonengesellschaften Unabhängig von einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des BFH5 kein Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Gesellschaft vor, wenn ihr Wirtschaftsgüter zur Nutzung von einer Schwester-Personengesellschaft überlassen wurden und diese selbst gewerblich tätig oder gewerblich geprägt ist.6 Das Gleiche gilt bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bei der Überlassung von Wirtschaftsgütern durch eine Besitzgesellschaft.7 Das eigene gewerbliche Betriebsvermögen bzw. die eigenen gewerblichen Betriebseinnahmen haben in diesen Fällen Vorrang gegenüber Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen. 1 BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261. 2 BFH v. 22.1.1981 – IV R 160/76, BStBl. II 1981, 427 = FR 1981, 332; BFH v. 26.3.1987 – IV R 65/85, BStBl. II 1987, 564 = FR 1987, 358; BFH v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498 = FR 2012, 768 m. Komm. Kanzler. 3 FG Nds. v. 22.5.1995 – VIII 201/90, EFG 1995, 833. 4 Str., dafür Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 535; Kahle, FR 2012, 109 (116); Erhardt/Zeller, DStR 2012, 1636 (1636): sofern es sich nicht um eine Forderung mit darlehensähnlichen Charakter handelt; a.A. Ley, KÖSDI 2002, 13459 (13463); Schmitz, NWB 2010, 425 (427). 5 BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 = GmbHR 1995, 537; BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82 = GmbHR 1994, 813; BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328 = GmbHR 1997, 563; BFH v. 24.11.1998 – VIII R 61/97, BStBl. II 1999, 483 = GmbHR 1999, 368; Vorrang von Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütung bei nutzender Personengesellschaft hingegen, wenn leistende Personengesellschaft vom beherrschenden Gesellschafter nur zwischengeschaltet ist: BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052 m. Komm. Schiffers, s. auch Rz. 6.543. 6 Die Finanzverwaltung schließt sich dem für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1998 beginnen, an: BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583; zustimmend auch Söffing, BB 1997, 337; Neu, DStR 1996, 1757; Märkle, DStZ 1997, 233; Bordewin, DStZ 1997, 98. 7 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325 = GmbHR 1996, 861; BFH v. 24.11.1998 – VIII R 61/97, BStBl. II 1999, 483 = GmbHR 1999, 368.
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6.115
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
c) Konsequenzen der Einordnung als Sonderbetriebsvermögen 6.116
Materiell-rechtliche Folgerungen aus der Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen des eigenen Gewerbebetriebs des Gesellschafters sind vielfältiger Art, so z.B. für die Qualifikation von Forderungen des Gesellschafters gegen die GmbH & Co. KG als Eigenkapital in der Gesamtbilanz der Gesellschaft.1 Wertminderungen einer solchen im Sonderbetriebsvermögen ausgewiesenen Darlehensforderung sollen daher nach der Rechtsprechung2 erst mit Beendigung der Personengesellschaft gewinnmindernd geltend gemacht werden können. Im Schrifttum wird eine Reihe von differenzierenden Lösungen vertreten.3 Welcher Auffassung zu folgen ist, hängt im Ergebnis wesentlich von dem Verständnis der Steuerbilanz der Personengesellschaft als additiver, strukturierter oder konsolidierter Gesamtbilanz ab (s. Rz. 6.85 ff.).
6.117
Die Zugehörigkeit zum Sonderbetriebsvermögen ist ferner bei Umwandlungs- und Einbringungsvorgängen von Bedeutung. Die ertragssteuerlich neutrale Einbringung von Anteilen an einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) in eine Kapitalgesellschaft gem. § 20 Abs. 1 und 2 UmwStG setzt voraus, dass auch die zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters zu rechnenden Wirtschaftsgüter auf die Kapitalgesellschaft übergehen, sofern es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt (s. auch Rz. 6.527).4 Das ist insbesondere in Hinblick auf die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG relevant. Nach Auffassung des BFH5 ist die Beteiligung an einer nicht am Gewinn und Verlust der KG beteiligten Komplementär-GmbH dann eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage, wenn der Kommanditist seinen Willen in der GmbH durchsetzen kann.6 1 H.M., vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 = FR 1993, 779; BFH v. 13.10. 1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163 = GmbHR 1999, 199; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347 = GmbHR 2000, 570; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 1.3.2005 – VIII R 5/03, BFH/NV 2005, 1523; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 540. 2 BFH v. 22.1.1981 – IV R 160/76, BStBl. II 1981, 427 = FR 1981, 332; BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714 = FR 1993, 779 (Wertminderung einer Forderung gegen oHG französischen Rechts); BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/62, BStBl. II 1996, 219 = GmbHR 1996, 381; BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180 = GmbHR 1998, 50; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347 = GmbHR 2000, 570; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 = GmbHR 2006, 1217; BFH v. 9.12.2009 – IV B 129/08, BFH/NV 2010, 640. 3 Für die uneingeschränkte Geltung der allgemeinen Bewertungsvorschriften, insbesondere des Imparitätsprinzips: Kusterer, DStR 1993, 1299; Söffing, BB 1999, 96; Paus, FR 1999, 201; zur eingeschränkten Geltung des Imparitätsprinzips nur bei nicht wegen des Gesellschafterverhältnisses begründeten Darlehensverhältnissen: Sieker, Eigen- und Fremdkapital bei Personengesellschaften, 1991, S. 81 ff.; zur anteiligen Suspendierung der allgemeinen Bewertungsvorschriften in Höhe der Beteiligungsquote des Gesellschafters: Müller, Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften, 1992, S. 122 ff.; Übersicht bei Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 546, 405. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, DB 1996, 1314 = GmbHR 1996, 549; BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Tz. 20.12, Tz. 20.10. 5 BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = GmbHR 2010, 317. 6 Nach der Finanzverwaltung ist zudem Voraussetzung, dass der Kommanditist nicht mehrheitlich an der KG beteiligt ist. Eine Ausnahme soll wiederum für eine 100%ige Beteiligung gelten, weil der Kommanditist dann die GmbH benötigt, um überhaupt eine Personengesellschaft zu begründen, dazu OFD Rheinland v. 23.3.2011 – S 2242 - 25 - St 111, FR 2011, 489.
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d) Drohende Gewinnrealisierung Mit der Bildung von Sonderbetriebsvermögen ist in der Praxis die permanente Gefahr einer nicht gewollten oder nicht vermeidbaren Gewinnrealisierung bezüglich der im Sonderbetriebsvermögen vorhandenen stillen Reserven verbunden.1 Die Betriebsvermögenseigenschaft der Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens hat eine personelle und eine sachliche Voraussetzung. Wird z.B. der Gesellschaft ein Grundstück vermietet, bleibt die Betriebsvermögenseigenschaft nur erhalten, wenn der Vermieter Gesellschafter (Mitunternehmer) ist und das Grundstück von der Gesellschaft auch genutzt wird. Will sich der Gesellschafter z.B. aus Altersgründen zur Ruhe setzen und seine Beteiligung an der GmbH & Co. KG veräußern, endet seine Gesellschafterstellung und der Grundbesitz wird zwangsweise ins Privatvermögen überführt mit der Folge, dass die in ihm vorhandenen stillen Reserven zu versteuern sind.2 Es handelt sich um eine Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen. Ebenso ist an Erbgänge zu denken, wenn Gesellschafternachfolger und Grundstückseigentümer verschiedene Personen sind.
6.118
Gestaltungshinweise: Sind z.B. in dem Unternehmen selbst keine oder nicht allzu hohe stille Reserven vorhanden, könnte der im Sonderbetriebsvermögen befindliche Grundbesitz zunächst unentgeltlich auf die GmbH & Co. KG übertragen werden. Die Überführung von Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG ist nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG ohne Aufdeckung der stillen Reserven vorzunehmen. Anschließend wäre das Unternehmen mit allen Aktiva und Passiva (Asset Deal) mit Ausnahme des Grundbesitzes an den Erwerber zu veräußern. Auch wenn bei einer solchen Veräußerung eventuell in Kauf genommen werden muss, dass es sich nicht um eine Betriebsveräußerung i.S. des § 16 EStG handelt, wären die nur geringfügigen stillen Reserven zwar mit dem vollen Steuersatz zu versteuern, jedoch bliebe der Grundbesitz, der sich nunmehr im Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG befindet, als Betriebsvermögen weiter erhalten. Damit könne die Zwangsauflösung der im Grundbesitz vorhandenen stillen Reserven verhindert werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Überführung des betroffenen Wirtschaftsgutes in ein anderes Betriebsvermögen des ausscheidenden Gesellschafters (sog. Ausgliederungsmodell3). Die Übertragung ist nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG steuerneutral durchzuführen. Das Wirtschaftsgut wäre jedoch innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren, innerhalb deren keine Veräußerung oder Entnahme stattfinden dürfte, steuerverhaftet (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG). Eine Gewinnrealisierung tritt nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG auch ein, soweit der Anteil an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Das Gleiche gilt, wenn innerhalb von sieben Jahren nach steuerneutraler Einbringung durch die Übertragung der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Wirtschafts-
6.119
Nach anderer Auffassung soll es ausreichen, dass der Kommanditist Mehrheitsbeschlüsse in der GmbH verhindern kann, so Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 714 m.w.N. 1 Vgl. Märkle, DStZ 1997, 233. 2 BFH v. 19.5.1993 – I R 124/91, BStBl. II 1993, 889 = GmbHR 1994, 73 m.w.N. 3 Vgl. dazu auch Märkle, DStZ 1997, 233; Strahl, FR 2001, 1154; Schmitt/Franz, BB 2001, 1278.
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gut aus einem anderen Grunde unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder sich erhöht (§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG, s. auch Rz. 11.301 ff.).1 Ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auch für Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften gilt, ist gegenwärtig allerdings umstritten.2 Die Überführung des betroffenen Wirtschaftsgutes in eine gewerblich geprägte Schwestergesellschaft sollte daher derzeit nicht als Lösungsalternative erwogen werden. Bei der Durchführung des Ausgliederungsmodells sollte darauf geachtet werden, dass die Übertragung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausgliederung erfolgt, weil ansonsten beide Übertragungsvorgänge nach der sog. „Gesamtplan-Rechtsprechung“3 des BFH zu einem einheitlichen Vorgang zusammengezogen werden könnten.4 Für eine unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge hätte dies zur Folge, dass die stillen Reserven aufgedeckt werden müssten. Bei einer Veräußerung des Mitunternehmeranteils käme die Tarifermäßigung nicht zur Anwendung, da der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG qualifiziert werden würde. Die in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG enthaltene Drei-Jahresfrist ist nur auf die Weiterveräußerung oder Entnahme des nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsguts, nicht hingegen auf den Mitunternehmeranteil zu beziehen, so dass die Anwendung der Grundsätze der Gesamtplan-Rechtsprechung nicht ausgeschlossen erscheint.5 Die Rechtsprechung des IV. Senats des BFH hat die Gesamtplan-Rechtsprechung in jüngerer Zeit in Frage gestellt. Demnach soll bei der Buchwertübertragung eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG unter gleichzeitiger Ausgliederung6 oder vorheriger Veräußerung7 von Sonderbetriebsvermögen eine Gesamtplanbetrachtung nicht in Betracht kommen. Die Finanzverwaltung8 wendet das Urteil vom 2.8.2012 nicht an, so dass es auch bei der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils zunächst bei der dargestellten Rechtsunsicherheit verbleibt.9 Bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils vom Unternehmer auf seinen Sohn im Wege z.B. der vorweggenommenen Erbfolge 1 Vgl. dazu Reiß, BB 2000, 1965; Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2000, 1713. 2 Ablehnend BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = GmbHR 2010, 317; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Tz. 18; Gosch, DStR 2010, 1173 (1175); a.A. BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 = GmbHR 2010, 724, der eine Buchwertfortführung im Wege der verfassungskonformen Auslegung zulässt; Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 702 m.w.N. Der I. Senat hält sein ablehnendes Ergebnis inzwischen für verfassungswidrig und hat die Rechtsfrage dem BVerfG vorgelegt, vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004 = GmbHR 2013, 1210 (Az. des BVerfG 2 BvL 8/13). 3 BFH v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 = GmbHR 2001, 35; BFH v. 6.12.2000 – VIII R 21/00, BStBl. II 2003, 194 = GmbHR 2001, 265; zustimmend BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458 Tz. 7. 4 Strahl, FR 2001, 1154; Schmitt/Franz, BB 2001, 1278; Strahl, KÖSDI 2003, 13918. 5 Vgl. Strahl, FR 2001, 1154. 6 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFH/NV 2012, 2053 = GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann. 7 BFH v. 9.12.2014 – IV R 29/14, BFH/NV 2015, 415 = GmbHR 2015, 263 m. Komm. Schmidtmann. 8 BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2013, 1164. 9 So auch Mielke, DStR 2015, 673 (677).
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ist der Ansatz zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG auch dann möglich, wenn der Unternehmer z.B. das im Sonderbetriebsvermögen befindliche Grundstück zurückbehält.1 Der Nachfolger darf seinen Mitunternehmeranteil jedoch fünf Jahre lang nicht veräußern oder aufgeben. Damit ist ein schrittweiser Generationswechsel möglich. e) Abgrenzung: Bilanzierung der Beteiligung an GmbH & Co. KG Die der GmbH & Co. KG zur Nutzung überlassenen und in einem Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter ausgewiesenen Wirtschaftsgüter sind nicht zu verwechseln mit der Beteiligung selbst. Die Beteiligung an der GmbH & Co. KG ist in der Handelsbilanz des Gesellschafterunternehmens zu erfassen, also z.B. in der Handelsbilanz der Komplementär-GmbH, wenn diese an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. In der Handelsbilanz ist die Beteiligung an der Personengesellschaft mit den Anschaffungskosten auszuweisen.2 In der Steuerbilanz des Gesellschafterunternehmens kommt dem handelsbilanziellen Ansatz der Beteiligung an der GmbH & Co. KG keine eigenständige Bedeutung zu.3 Maßgeblich sind vielmehr die bei der Personengesellschaft geführten Kapitalkonten einschließlich des dort in Ergänzungsbilanzen ausgewiesenen Mehr- oder Minderkapitals4 (sog. Spiegelbildmethode). Der auf den Gesellschafter entfallende Gewinnanteil der GmbH & Co. KG wird nicht durch die steuerliche Behandlung seiner Beteiligung in der Steuerbilanz bestimmt. Ansonsten wären z.B. außerplanmäßige Abschreibungen auf die Beteiligung handelsrechtlich völlig irrelevant. Vielmehr wird der von der GmbH & Co. KG erwirtschaftete steuerliche Gewinn bzw. Verlust im Rahmen eines einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens (§§ 180 ff. AO) den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet und in deren Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer-Veranlagung übernommen.5 Der dem Gesellschafterunternehmer zugewiesene Gewinnanteil ist somit für dessen Steuerbilanz maßgebend. Da diese wiederum aus dessen Handelsbilanz abgeleitet wird, ist nicht auszuschließen, dass bereits Sondervergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern in dessen Handelsund damit auch Steuerbilanz den Niederschlag gefunden haben. In diesem Falle müssten die bereits in der Bilanz des Gesellschafterunternehmens gewinnerhöhend erfassten Sondervergütungen nachträglich eliminiert werden, da anderenfalls durch die Gewinnzuweisung aufgrund der einheitlichen Gewinnfeststellung die Vergütungen doppelt erfasst würden.
1 Vgl. Pflüger/Herold, GStB 2002, 11; Melchior, DStR 2002, 1. 2 Karrenbauer in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 32 ff.; Schubert/Gadeck in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 255 HGB Rz. 141; IDW RS HFA 18; Dietel, DStR 2002, 2140. 3 BFH v. 6.11.1985 – I R 242/81, BStBl. II 1986, 333 = GmbHR 1986, 246; BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 = GmbHR 1991, 281; BFH v. 18.2.1993 – IV R 40/92, BStBl. II 1994, 224 = FR 1993, 839; BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399 = GmbHR 1999, 788; BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804 = GmbHR 2003, 1220 m. Komm. Haritz; FG Münster v. 27.8.2009 – 8 K 4552/04 F, EFG 2009, 1951 (rkr.) für die Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft. 4 Mayer, DB 2003, 2034; Reiß, DStR 1998, 1887; a.A. Fromm, GmbHR 2005, 425. 5 Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz. 270, „Beteiligung an Personengesellschaft“.
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5. Sondervergütungen, Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben a) Allgemeines 6.121
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ordnet die Vergütungen, die der Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezieht, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Fraglich ist, ob diese Zuordnung auch dann gilt, wenn etwa ein Kommanditist, der lediglich geringfügig an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, Arbeitslohn in untergeordneter Stellung bezieht oder ein Kommanditist nur gelegentlich im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit, z.B. als Rechtsanwalt, für die GmbH & Co. KG tätig wird. Es ist einerseits denkbar, dass alles, was eine GmbH & Co. KG ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zuwendet, als Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu behandeln ist und damit in den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft eingeht. Andererseits könnten die Vergütungen dem Gesellschafter außerhalb des Gesamtgewinns originär in der Einkunftsart zufließen, in die sie bei isolierter Betrachtungsweise fallen. Die praktische Bedeutung liegt im Wesentlichen in der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft.1
6.122
Will man Abgrenzungskriterien gewinnen, muss in erster Linie der Wortlaut des Gesetzes herangezogen werden. Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wonach Vergütungen, die ein Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat, als gewerbliche Einkünfte dem Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft zugeordnet werden, gibt jedoch für eine solche Abgrenzung nichts her. Vor dem Hintergrund der früher geltenden Bilanzbündeltheorie sah sich die Rechtsprechung auch nicht veranlasst, über den Wortlaut des Gesetzes hinaus Abgrenzungskriterien zu entwickeln, da schuldrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern schlechthin nicht anerkannt wurden. Nachdem die Bilanzbündeltheorie aufgegeben wurde, verstärkten sich die Bemühungen um eine sachgerechte Abgrenzung hinsichtlich der Vergütungen, die unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG fallen, und solchen, die außerhalb dieses Normbereichs dem Gesellschafter originär in der betreffenden Einkunftsart zufließen.
6.123
Der Zweck der Vorschrift, der für die Auslegung mit herangezogen werden kann, besteht darin, das Besteuerungsergebnis unabhängig davon zu halten, ob Leistungen eines Gesellschafters durch einen Gewinnvorab oder besonderes Entgelt vergütet werden sollen.2 Wenn die gewählten rechtlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft nicht beeinflussen sollen, wird man für die sachgerechte Abgrenzung wenigstens einen gewissen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Gesellschafters und der Betätigung der Gesellschaft fordern müssen.3 Unternimmt man nunmehr den weiteren Versuch, den Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Gesellschafters 1 Die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG führt nicht immer zur vollständigen Kompensation, s. unter Rz. 6.681 ff. 2 BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. II 1987, 553 = GmbHR 1987, 489. 3 BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. II 1987, 553 = GmbHR 1987, 489.
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und der Betätigung der Gesellschaft herzustellen, führt auch das nicht entscheidend weiter. So wollen der I. und der VIII. Senat des BFH nur solche Vergütungen als gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfassen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (Positivformel).1 Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sei weit zu verstehen und müsse immer dann angenommen werden, wenn die Leistung des Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Beitrag zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks anzusehen sei.2 Eine weitere Konkretisierung der gesellschaftlichen Veranlassung hat der I. Senat in der Entscheidung vom 11.12.19863 vorgenommen. Danach sei eine gemeinschaftliche Veranlassung immer anzunehmen, wenn die vom Gesellschafter erbrachte Leistung bereits im Gesellschaftsvertrag vorgesehen war. Aber auch wenn der Gesellschafter aufgrund schuldrechtlichen Vertrages für die Gesellschaft tätig wird, soll die Vergütung als gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren sein, wenn die Tätigkeit auf die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gerichtet ist.4 Zu Recht wird von Knobbe-Keuk5 die Berechtigung einer derart weiten Auslegung in Frage gestellt. Denn letztendlich lässt sich jede Tätigkeit für eine Gesellschaft auch als auf die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gerichtet sehen. Hier verwundert es auch nicht, wenn der BFH in seinem Urteil vom 13.11.19856 auch die Vergütung an einen Arbeitnehmer-Kommanditisten, der selbst nur geringfügig beteiligt ist, als Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auffasst.7
6.124
Nach der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH erfasst § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sowohl seinen Wortlaut als auch seinem Zweck entsprechend grundsätzlich alle Leistungen eines Mitunternehmers auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Grundlage mit Ausnahme solcher Leistungen, bei denen kein wirtschaftlicher Zusammenhang zur Mitunternehmerstellung besteht, Leistungen und Mitunternehmerstellung also rein zufällig zusammentreffen (Negativformel).8 Eine solch fehlende Beziehung zwischen Leistung und Mitunternehmerstellung ist danach z.B. anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer einen Kommanditisten beerbt und das Arbeitsverhältnis alsbald nach dem Erbfall und dem Eintritt des Arbeitneh-
6.125
1 BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757 (763); BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. II 1987, 553 = GmbHR 1987, 489; BFH v. 8.12.1982 – I R 9/79, BStBl. II 1983, 570 = FR 1983, 307; BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052 m. Komm. Schiffers. 2 BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757 (763); in der genannten Entscheidung greift der BFH den Beitragsgedanken von Woerner, BB 1974, 592 und Woerner, DStZ 1980, 203 auf; vgl. auch BFH v. 27.5.1981 – I R 112/79, BStBl. II 1982, 192 = FR 1981, 490. 3 BFH v. 11.12.1986 – IV R 222/84, BStBl. II 1987, 553 = GmbHR 1987, 489. 4 BFH v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757. 5 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 IV 6b), S. 478. 6 BFH v. 13.11.1985 – VIII R 263/80, BFH/NV 1987, 237. 7 Ähnlich BFH v. 23.4.1996 – VIII R 53/94, BB 1996, 1812 = GmbHR 1996, 787 (Abfindung an Angestelltenkommanditisten). 8 BFH v. 24.1.1980 – IV R 156/78, IV R 157/78, BStBl. II 1980, 271 = GmbHR 1980, 195; BFH v. 24.1.1980 – IV R 154/77, IV R 155/77, BStBl. II 1980, 269 GmbHR 1980, 214; BFH v. 25.1. 1980 – IV R 159/78, BStBl. II 1980, 275 = FR 1980, 293; BFH v. 1.2.2001 – IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520 = GmbHR 2001, 528 m. Komm. Hoffmann.
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mers in die KG beendet wird. Das Gleiche gilt, wenn ein Rechtsanwalt von einer Publikums-GmbH & Co. KG, an der er nur geringfügig beteiligt ist, gelegentlich einen Auftrag zur Führung eines Prozesses erhält.1 Gesellschafter, die gelegentlich für eine Verlags-GmbH & Co. KG als Autoren tätig werden, oder aber Gesellschafter-Architekten, die gelegentlich mit der Bauplanung und Bauaufsicht durch die GmbH & Co. KG beauftragt werden,2 erbringen nach Auffassung des BFH hingegen Leistungen im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses mit der Folge, dass die an sie gezahlten Vergütungen gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen. Auch sind Vergütungen dann nicht „von der Gesellschaft“, wenn die zugrundeliegende Tätigkeit zwar im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung der Personengesellschaft steht, die Vergütung aber von einem Dritten gezahlt wird.3 6.126
Für die Praxis lässt sich zusammenfassend Folgendes feststellen: Auch der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg, eine sachgerechte Abgrenzung hinsichtlich der hinzuzurechnenden Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch das Kriterium der „gesellschaftlichen Veranlassung“ vorzunehmen, kann nicht befriedigen, da – von Ausnahmefällen abgesehen4 – sämtliche Dienstleistungsvergütungen, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Gehalt für die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks, als gewerbliche Einkünfte qualifiziert werden. Ein derartig weiter Anwendungsbereich der Norm ist mit ihrem Sinn, Tätigkeitsvergütungen der Gesellschafter unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Ausgestaltung letztendlich als eine bloße Gewinnverteilungsabrede zu qualifizieren, ohne damit den steuerlichen Gewinn der Gesellschaft zu beeinflussen, nicht zu vereinbaren. Es wird niemand auf den Gedanken kommen, wenn ein Gesellschafter gelegentlich in seiner Eigenschaft als Freiberufler tätig wird, hierin eine Beitragsleistung des Gesellschafters zu sehen und die gezahlte Vergütung wirtschaftlich als eine Gewinnverteilungsabrede zu deuten. Der von der Gesellschafterstellung nicht trennbare Gesellschafterbeitrag kann nur in der geschäftsführenden Tätigkeit oder einer ihr vergleichbaren Tätigkeit gesehen werden, so dass auch nur der in Einzelunternehmen nicht abziehbare Unternehmerlohn § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterfallen sollte.5 Dieses Ergebnis lässt sich durch eine einschränkende Auslegung des Wortlautes erreichen, die vom Gesetzeszweck her gedeckt ist, ohne dass der Gesetzgeber gezwungen ist, durch einen klärenden Zusatz des Gesetzestextes eingreifen zu müssen. b) Geschäftsführervergütungen
6.127
Die steuerliche Beurteilung der an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu zahlenden Geschäftsführervergütungen hängt einerseits davon ab, ob der Ge1 BFH v. 24.1.1980 – IV R 154/77, IV R 155/77, BStBl. II 1980, 269 = GmbHR 1980, 214. 2 BFH v. 23.5.1979 – I R 56/77, BStBl. II 1979, 763; BFH v. 23.5.1979 – I R 85/77, BStBl. II 1979, 767. 3 BFH v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498 = FR 2012, 768 m. Komm. Kanzler; BFH v. 14.3.2012 – X R 29/11, BFH/NV 2012, 1586. 4 Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung wird nur in seltenen Ausnahmefällen fehlen, so auch Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 523. 5 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 IV 6b), S. 478.
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schäftsführer selbst als Kommanditist an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Andererseits ist von Bedeutung, ob er im Rahmen seiner Geschäftsführungstätigkeit ausschließlich für den Geschäftsbetrieb der KG oder daneben auch für den eigenen Geschäftsbetrieb der GmbH tätig wird. aa) Geschäftsführer ist kein Mitunternehmer der KG Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers wird vielfach mit der KomplementärGmbH abgeschlossen. Diese zahlt dann das Geschäftsführergehalt und erhält die von ihr verauslagten Beträge von der GmbH & Co. KG als Auslagenerstattung vergütet. Ist der Geschäftsführer selbst nicht als Kommanditist oder sonst als Mitunternehmer an der GmbH & Co. KG beteiligt, erzielt er nach einhelliger Auffassung Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit. Eine Sondervergütung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG liegt nicht vor.1 Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der GmbH, so ergeben sich keine Besonderheiten, abgesehen davon, dass auf die Angemessenheit des Gehalts zu achten ist. Bei überhöhten Vergütungen könnte eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorliegen (s. unter Rz. 6.239 ff.).
6.128
Die steuerliche Behandlung der Auslagenerstattung als Vorabgewinn oder als Sondervergütung hängt von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages ab. Haben die Gesellschafter der KG im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Vergütung als Aufwand der KG behandelt und auch dann gezahlt werden soll, wenn ein Verlust erwirtschaftet wird, und wird die Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt, ist die Komplementärsvergütung als eine Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG zu qualifizieren.2 Die Sondervergütungen mindern in diesem Falle den Steuerbilanzgewinn der GmbH & Co. KG, nicht jedoch den Gesamtgewinn, da die Sondervergütungen in der Sonderbilanz als Sonderbetriebseinnahmen anzusetzen sind.
6.129
Ein Vorabgewinn ist hingegen immer dann anzunehmen, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über einen Auslagenersatz enthält oder es aus dem Gesellschaftsvertrag nicht eindeutig hervorgeht, ob ein dort vorgesehener Aufwendungsersatz als Sondervergütung gezahlt wird. Die an die Komplementär-GmbH geleistete Auslagenerstattung wird ihr in diesem Fall vorweg aus dem Gewinn gewährt. Der Steuerbilanzgewinn der GmbH & Co. KG wird dadurch nicht gemindert, er ist handels- und einkommensteuerlich Teil der „Gewinnanteile“ i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG.3
6.130
Erhält der Geschäftsführer die Vergütung unmittelbar von der GmbH & Co. KG, da er z.B. seinen Dienstvertrag unmittelbar mit der GmbH & Co. KG abgeschlossen hat, ist die Vergütung bei der GmbH & Co. KG als Betriebsausgabe abziehbar.4
6.131
1 2 3 4
BFH v. 6.5.1965 – IV 135/64 U, BStBl. III 1965, 502. BFH v. 13.10.1998 – VIII R 4/98, BStBl. II 1999, 284 = GmbHR 1999, 198. BFH v. 13.7.1993 – VIII R 50/92, BStBl. II 1994, 282 = GmbHR 1994, 261. Die sogenannte Drittanstellung ist grundsätzlich zulässig, vgl. Schneider/Hohenstatt in Scholz, § 35 GmbHG Rz. 308; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 165 m.w.N. Zu den denkbaren Gestaltungen aus zivilrechtlicher Sicht Goette, DStR 1994, 258; Freckmann, DStR 2008, 52 (54).
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Der Geschäftsführer hat wiederum Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit. Die Komplementär-GmbH wird durch diesen Vorgang unmittelbar nicht berührt. bb) Geschäftsführer ist gleichzeitig Mitunternehmer der KG 6.132
Ist der Geschäftsführer gleichzeitig Kommanditist der GmbH & Co. KG, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH,1 die auch vom Bundesverfassungsgericht2 bestätigt worden ist, die Geschäftsführervergütung steuerlich als eine direkte von der GmbH & Co. KG an den Geschäftsführer gezahlte Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG zu sehen. Unerheblich ist dabei, ob die Tätigkeitsvergütung von der GmbH & Co. KG oder von der KomplementärGmbH ausbezahlt wird bzw. ob die Komplementär-GmbH die Vergütungen von der GmbH & Co. KG ersetzt erhält oder nicht3 und ob zivilrechtlich ein Dienstvertrag mit der GmbH & Co. KG oder mit der Komplementär-GmbH besteht.4
6.133
Nur wenn die Komplementär-GmbH ausnahmsweise noch einen eigenen Gewerbebetrieb unterhält oder andere Tätigkeiten verrichtet, die mit der Zahlung der Geschäftsführervergütung ebenfalls abgegolten werden, kann der nicht auf die Führung der Geschäfte der KG entfallende Teil der Vergütungen von der Komplementär-GmbH als Betriebsausgabe abgezogen werden. Der Geschäftsführer bezieht diesen Teil der Vergütung sodann konsequenterweise als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit. Die Vergütungen sind im Schätzwege aufzuteilen.5
6.134
Der BFH betont ausdrücklich, dass es völlig gleichgültig sei, ob der Gesellschafter im Auftrag der Gesamtheit der Unternehmer oder im Auftrag eines Mitunternehmers – also der Komplementär-GmbH – für die Personengesellschaft gehandelt habe.6 Jeder Mitunternehmer verkörpert für seine Person die Gesellschaft, so dass die Tätigkeit für einen Mitunternehmer immer zugleich eine Tätigkeit für die Gesellschaft als die Zusammenfassung der gesamthänderisch miteinander verbundenen Mitunternehmer sei. Auch soweit lediglich ein Anstellungsverhältnis zur Komplementär-GmbH besteht, blickt die Rechtsprechung durch die Vertragsbeziehungen hindurch auf die Beziehung zwischen dem Geschäftsführer und der Kommanditgesellschaft. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist nach der Rechtsprechung die Geschäftsführertätigkeit bei der Komplementär-GmbH stets eine solche für die KG. Es wird vermutet, dass der Geschäftsführer die unternehmerische Leistung, 1 BFH v. 2.8.1960 – I 221/59 S, BStBl. III 1960, 408; BFH v. 14.12.1978 – IV R 98/74, BStBl. II 1979, 284; BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 = FR 1993, 297; BFH v. 6.7. 1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052 m. Komm. Schiffers; BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191 = GmbHR 2003, 302 m. Komm. Roser; BFH v. 8.9. 2005 – IV B 23/04, BFH/NV 2006, 51; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182 = GmbHR 2006, 604; BFH v. 30.8.2007 – IV R 14/06, BStBl. II 2007, 942 = GmbHR 2007, 1227 zu Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung als Sondervergütungen eines Mitunternehmers; a.A. Breithecker/Zisowski, BB 1998, 508. 2 BVerfG v. 23.11.1965 – 1 BvR 271/65, zit. bei Hesselmann, GmbHR 1966, 38. 3 BFH v. 14.12.1978 – IV R 98/74, BStBl. II 1979, 284. 4 BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 = FR 1993, 297. 5 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 717. 6 BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052 m. Komm. Schiffers; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182 = GmbHR 2006, 604.
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für die er die Tätigkeitsvergütung über die Komplementär-GmbH erhält, tatsächlich in seiner Eigenschaft als Kommanditist erbringt. Die Auffassung des BFH1 bedarf schon alleine deswegen einer kritischen Prüfung, da sie auf der mittlerweile aufgegebenen Bilanzbündeltheorie beruht, wonach jeder Gesellschafter als Unternehmer des Betriebes der Gesellschaft anzusehen ist, so dass grundsätzlich die gesamte Tätigkeit eines Gesellschafters im Rahmen des Unternehmens als selbständige Unternehmenstätigkeit anzusehen ist.2 Diese Auffassung löst sich jedoch völlig vom Wortlaut des Gesetzes und setzt sich gleichzeitig über die steuerlich anzuerkennende juristische Eigenständigkeit der GmbH hinweg und ist daher abzulehnen.
6.135
Wie weit die Negierung der Komplementär-GmbH geht, wird aus der von Biergans3 vertretenen Meinung deutlich, der die GmbH wirtschaftlich nur als Leistungsvermittler ansieht. Einem solchen Gedanken kann bereits vom Ansatz her nicht gefolgt werden. Dem einzig persönlich haftenden Gesellschafter, dem die Geschäftsführung und Vertretung als organschaftliche Verpflichtung obliegt und deren Nicht- oder Schlechterfüllung weitreichende zivilrechtliche Konsequenzen und damit auch wirtschaftliche Nachteile zur Folge hat, wird man auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein über die bloße Leistungsvermittlung hinausgehendes Eigeninteresse nicht absprechen können, selbst wenn die eigentliche Vergütung – die nur einen Teilbereich des gesamten Interessensbereichs darstellt – bei der Komplementär-GmbH ein durchlaufender Posten ist. Vollends ins Wanken gerät die Auffassung von der bloßen Vermittlerrolle der Komplementär-GmbH, wenn sie selbst eine gewichtige Beteiligung an der GmbH & Co. KG innehat und dafür auch eine entsprechend hohe Gewinnbeteiligung erhält und hieraus die Vergütung an den Geschäftsführer bezahlt.4
6.136
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht dazu dienen, sich über die eindeutigen Vertragsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den im Dienste der Gesellschaft Tätigen hinwegzusetzen.5 Nach richtigem Verständnis des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise handelt es sich dabei lediglich um die Verdeutlichung einer am wirtschaftlichen Gesetzeszweck orientierten Auslegung.6 Soweit der BFH7 davon ausgeht, dass die unternehmerische Leistung, für die der Geschäftsführer eine Vergütung erhalte, in der Eigenschaft als Kommanditist erbracht werde, kommt darin der Beitragsgedanke zum Ausdruck, wonach nur
6.137
1 Zustimmend Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 48; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 717; Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 533; teilweise zustimmend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 224 ff.; a.A. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 IV 1, S. 462 f.; Lempenau, StbJb. 1982/83, S. 223. 2 Nunmehr wird in der Literatur argumentiert, die BFH-Rechtsprechung diene der partiellen Gleichstellung der Gesellschafterbeiträge mit den Beiträgen eines Einzelunternehmers, Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 48. 3 Biergans, DStR 1988, 655 (657). 4 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 233. 5 Strikte Anwendung zivilrechtlicher Begriffe und Rechtsverhältnisse, soweit sie in Steuergesetzen Verwendung finden, fordert z.B. Crezelius, Steuerliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, S. 178 ff. 6 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rz. 95 ff. 7 BFH v. 14.12.1978 – IV R 98/74, BStBl. II 1979, 284.
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die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Leistung zu einer Hinzurechnung der Vergütung zum Gewinnanteil des Gesellschafters berechtigt. Die Überlegung negiert allerdings den Umstand, dass zivilrechtlich keinerlei vertragliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH & Co. KG bestehen; anderenfalls bedürfte es in Schadensfällen nicht der Konstruktion eines Dienstvertrages mit Schutzwirkung zugunsten der GmbH & Co. KG bzw. der Annahme einer Schutzwirkung aus der Organstellung verbundener Unternehmen,1 um der GmbH & Co. KG einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer unmittelbar zuzugestehen. Bei dieser Rechtslage muss die Behauptung des BFH, der Geschäftsführer werde tatsächlich als Kommanditist tätig, als bloße Unterstellung gewertet werden. Seine auf Mehrung des Gesellschaftsvermögens ausgerichtete Tätigkeit erbringt er der GmbH & Co. KG gegenüber nicht als eigene Rechtspersönlichkeit, vielmehr als bloßes Organ der Komplementär-GmbH und damit als Gesellschafterbeitrag der Komplementär-GmbH. c) Pensionszusagen 6.138
Pensionszusagen (s. Rz. 6.266 ff.) zugunsten des Geschäftsführers, der zugleich Kommanditist der GmbH & Co. KG ist, lösen zum Teil, z.B. in Bezug auf die Anwendbarkeit der Gewinnermittlungsmethode (rein additive/korrespondierende) oder in Bezug auf die Begründetheit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des BFH, ähnliche steuerliche Fragestellungen wie die Zahlung der Geschäftsführervergütungen aus. Aus der Tatsache, dass die bloße Zusage einer Pension zunächst nicht unmittelbar zu einer Zahlung an den Gesellschafter führt, knüpft sich jedoch eine Reihe weiterer Probleme, die im Schrifttum kontrovers diskutiert werden.
6.139
Einigkeit besteht hinsichtlich der Behandlung der Pensionszusagen in der Handelsbilanz und dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 EStG zufolge in der (Gesamthands-)Steuerbilanz der Personengesellschaft. Hier ist nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 6a EStG eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Zuführungen zur Rückstellung mindern den Gewinn der GmbH & Co. KG damit auf der ersten Gewinnermittlungsstufe.2 Nach herrschender Meinung ist in der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafters eine entsprechende Forderung zu aktivieren.3 1 BGH v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, GmbHR 1980, 127; BGH v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, GmbHR 1995, 589 = DB 1995, 1116; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, DB 2002, 1150 = GmbHR 2002, 588; eingehend Uwe H. Schneider in Scholz, § 43 GmbHG Rz. 423 ff. m.w.N.; s. auch Rz. 4.38. 2 BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 = FR 1993, 297; BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174 = GmbHR 1998, 553; BFH v. 7.2.2002 – IV R 62/00, BStBl. II 2005, 88 = GmbHR 2002, 656 m. Komm. Hoffmann; BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Tz. 9; die frühere (inzwischen überholte) Rspr. des BFH ging noch davon aus, dass keine Rückstellung in der Steuerbilanz der Personengesellschaft gebildet werden darf: BFH v. 21.12.1972 – IV R 53/72, BStBl. II 1973, 298; BFH v. 8.1.1975 – I R 142/72, BStBl. II 1975, 437. 3 Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 322; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 85b; Wacker in Schmidt § 15 EStG Rz. 586; a.A. Söffing, BB 1999, 96; Paus, FR 1999, 121; für eine Berücksichtigung von Abreden der Gesellschafter: Otto, DStR 2007, 268 (270); Fuhrmann/ Demuth, DStZ 2007, 823.
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Die Rechtsprechung hatte zunächst offen gelassen, ob der Aktivposten in der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafters oder anteilig in den Sonderbilanzen aller Gesellschafter zu erfassen ist.1 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung2 ist die Pensionszusage lediglich in der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafters zu erfassen.3 Dem ist zu folgen.4 Der Argumentation, dass dem begünstigten Gesellschafter mit der Zusage noch kein endgültiger Vorteil zuwächst und die Forderung damit nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel anteilig in den Sonderbilanzen aller Gesellschafter zu erfassen ist, ist entgegenzuhalten, dass dies zumindest bei unverfallbaren Pensionsansprüchen nicht der Fall ist. Eine anteilige Aktivierung in den Sonderbilanzen aller Gesellschafter würde zudem außer Acht lassen, dass der Gesetzeswortlaut bereits die Rechte aus der Pensionszusage als „bezogen“ ansieht. Eine anteilige Erfassung in den Sonderbilanzen aller Gesellschafter würde sich zunächst für alle Gesellschafter – auch für solche, die keine Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen haben, – gewinnerhöhend auswirken. Dafür ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.5
6.140
Im Übrigen gilt nach der Rechtsprechung des BFH für die Gewährung von Pensionen Folgendes:
6.141
– Die korrespondierende Bilanzierung von Pensionsansprüchen eines Gesellschafters in dessen Sonderbilanz und der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft ist auch nach dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft fortzuführen, weil § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG nach dem Ausscheiden geleistete Pensionszahlungen den während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft bezogene Sondervergütungen gleichstellt.6 – Pensionsrückstellungen zugunsten eines Arbeitnehmers, der später Gesellschafter der Gesellschaft wird, sind nicht gewinnerhöhend aufzulösen, da es sich nicht um eine Vergütung für die Tätigkeit eines Gesellschafters im Dienste der Gesellschaft handelt, sondern um eine solche für die Tätigkeit eines Arbeitnehmers (s. auch Rz. 11.121 ff.).7 – Für Pensionszusagen, die dem Gesellschafter-Ehegatten, der in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stand, gegeben werden und die auch die Witwenversorgung mit umfasst,8 sind Rückstellungen zu bilden, wenn und soweit sie be1 BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. II 1993, 792 = FR 1993, 297. 2 BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182 = GmbHR 2006, 605; BFH v. 30.3.2006 – VI R 25/04, BStBl. II 2008, 171 = FR 2005, 1104; BFH v. 16.10.2008 – IV R 82/06, BFH/NV 2009, 581= GmbHR 2009, 388. 3 S. dazu BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317; Wacker, FR 2008, 801. 4 So auch Wacker in Schmidt § 15 EStG Rz. 586; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 323. 5 So auch Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 323. 6 BFH v. 6.3.2014 – IV R 14/11, BStBl. II 2014, 624 = GmbHR 2014, 942. 7 BFH v. 8.1.1975 – I R 142/72, BStBl. II 1975, 437; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 IV 3, S. 463; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 590. Zum Aspekt der Behandlung von Geschäftsführer-Pensionsrückstellungen bei Umwandlung der GmbH in eine Personengesellschaft, wenn der Pensionsbegünstigte Gesellschafter der Gesellschaft wird: Paus, FR 1995, 533 (534); Götz, DStR 1998, 1946. 8 BFH v. 29.1.1976 – IV R 42/73, BStBl. II 1976, 372; näher zu den Voraussetzungen einer Anerkennung der Rückstellung (Fremdvergleich) BFH v. 10.12.1992 – IV R 118/90, BStBl. II 1994, 381 = FR 1993, 497; BFH v. 25.7.1995 – VIII R 38/93, BStBl. II 1996, 153 = GmbHR
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trieblich veranlasst sind. Dies gilt auch für eine Pensionszusage von einer Einpersonen-GmbH & Co. KG zugunsten des in der Gesellschaft als Arbeitnehmer tätigen Gesellschafter-Ehegatten.1 – Sog. „Nur-Pensionen“, bei denen außer der Pension kein geldwerter Vorteil, insbesondere Arbeitslohn, gezahlt wird, werden nicht anerkannt.2 – Rückdeckungsversicherungsbeiträge für Pensionsansprüche der Mitunternehmer stellen keine Betriebsausgaben, sondern Entnahmen dar, die allen Gesellschaftern anteilig entsprechend der Gesamthandsbindung zuzurechnen sind.3 d) Mittelbare Leistungen aa) Management-GmbH 6.142
Als unproblematisch wurde es vor einiger Zeit noch angesehen, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst nicht an der GmbH & Co. KG beteiligt war, vielmehr nur eine mittelbare Kommanditbeteiligung über eine dazwischengeschaltete GmbH hielt.4 Die Geschäftsführervergütungen sollten in diesem Fall keine Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen und demzufolge bei der GmbH & Co. KG als Betriebsausgaben abzugsfähig sein.
6.143
Vergütungen für Management- und Verwaltungsleistungen eines Kommanditisten für die Gesellschaft sind nach der Rechtsprechung aber grundsätzlich auch dann als Sondervergütungen zu qualifizieren, wenn der Gesellschafter seine Leistung im Auftrag eines zwischengeschalteten Dritten erbringt.5 Es ist gleichgültig, auf welcher schuldrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage der Gesellschafter seine Tätigkeit erbringt, wenn er letztlich im „Dienst der Personengesellschaft“ tätig wird. Nach der Entscheidung des BFH vom 6.7.19996 kann die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht dadurch verhindert werden, dass die Management- und Verwaltungsleistungen über eine von dem Kommanditisten als Gesellschafter-Geschäftsführer beherrschte Kapitalgesellschaft, eine sog. Management-GmbH, erbracht werden, die selbst nicht an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter dem Aspekt der Gleichstellung mit einem Einzelunternehmer soll anzunehmen sein, dass der Geschäftsführer-Kommanditist die Geschäfte der KG über die Management-GmbH führt und
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1995, 911; BFH v. 20.4.1999 – VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1457 = FR 1999, 1050; BFH v. 18.12.2001 – VIII R 69/98, BStBl. II 2002, 353 = GmbHR 2002, 498 m. Komm. Eisendick. BFH v. 21.4.1988 – IV R 80/96, GmbHR 1988, 452 = BStBl. II 1988, 883. BFH v. 25.7.1995 – VIII R 38/93, BStBl. II 1996, 153 = GmbHR 1995, 911. BFH v. 28.6.2001 – IV R 41/00, BStBl. II 2002, 724 = GmbHR 2001, 1181; BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, BStBl. I 2008, 317 Tz. 19. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 IV 5a), S. 466; Felix, KÖSDI 1988, 7058; allerdings wurde auch auf die Gefahr eines Gestaltungsmissbrauchs hingewiesen: Schulze zur Wiesche, StBP 1992, 248 (251); vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 17.11.1986 – 5 K 302/85, EFG 1987, 187. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191 = GmbHR 2003, 302; BFH v. 7.12.2004 – VIII R 58/02, BStBl. II 2005, 390 = GmbHR 2005, 643; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182 = GmbHR 2006, 605; BFH v. 31.3.2008 – IV B 120/07, BFH/NV 2008, 1320; FG Nds. v. 22.5.2013 – 4 K 1/12, EFG 2013, 1855. BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052.
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deshalb der an die Management-GmbH gezahlte Betrag ein Entgelt für eine mittelbare Tätigkeit des Kommanditisten im Dienste der Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt. In der vorgenannten Entscheidung hat der BFH zunächst noch maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kommanditist sowohl die Personen- als auch die Kapitalgesellschaft beherrschte, die Kapitalgesellschaft also „nur formal“ zwischengeschaltet war.1 Mit Urteil vom 7.12.20042 entschied der BFH, dass eine Beherrschung des Drittunternehmens durch den Gesellschafter für die Annahme von Sondervergütungen nicht erforderlich sei. Der BFH qualifizierte auch Zahlungen für Dienstleistungen, die eine Mitunternehmerin einer KG von einer GmbH erhielt, deren Anteile zu 100 % ihr Ehemann hielt, der gleichzeitig auch Mitunternehmer derselben KG war, als Sondervergütungen der Ehefrau. Die Ehefrau war an der GmbH nicht beteiligt. Nach Auffassung des BFH ist es ausreichend, dass sich die Leistung des Gesellschafters für seine Personengesellschaft hinreichend von der Tätigkeit für den übrigen Geschäftsbereich des Drittunternehmens abgrenzen lässt und zwischen dem Drittunternehmen und der Personengesellschaft eine Beziehung besteht, die es rechtfertigt, die Zahlungen an den Gesellschafter wirtschaftlich der Personengesellschaft zuzurechnen. Das ist der Fall, wenn die Personengesellschaft dem Drittunternehmen die Aufwendungen für die Leistungen an den Gesellschafter ersetzt.3
6.144
Die Managementleistungen können auch von einer Tochtergesellschaft erbracht werden. Erschöpft sich die Tätigkeit einer Tochter-GmbH darin, Aufgaben im Dienste der Mutter-KG zu erbringen, stellen Vergütungen an den Geschäftsführer der Tochter-GmbH, der gleichzeitig Gesellschafter der Mutter-KG ist, Sondervergütungen dar.4 Der Geschäftsführer soll in diesem Fall wirtschaftlich betrachtet nur einen Beitrag zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks der Muttergesellschaft geleistet haben.
6.145
bb) Sonstige mittelbare Leistungen Sondervergütungen kommen allgemein immer dann in Betracht, wenn ein Dritter (sei es eine natürliche Person, sei es eine Kapital- oder Personengesellschaft) in den Leistungsaustausch zwischen dem Gesellschafter und seiner Personengesellschaft eingeschaltet ist und die über den Dritten erbrachten Leistungen nicht dem dazwischengeschalteten Dritten, sondern der leistungsempfangenden Personengesellschaft zugutekommen sollen.5 Zutreffen kann dies bspw. in den sog. Anweisungsfällen, in denen der Gesellschafter einem Dritten z.B. ein Grundstück mit der Anweisung vermietet, dieses an die Personengesellschaft weiterzuvermieten.
1 BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052. 2 BFH v. 7.12.2004 – VIII R 58/02, BStBl. II 2005, 390 = GmbHR 2005, 643; s. hierzu Gschwendtner, DStR 2005, 771. 3 BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182 = GmbHR 2006, 604; BFH v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498 = FR 2012, 768 m. Komm. Kanzler. 4 FG Nds. v. 1.2.2011 – 8 K 74/06, EFG 2011, 668. 5 BFH v. 6.7.1999 – VIII R 46/94, BStBl. II 1999, 720 = GmbHR 1999, 1052; Gschwendtner, DStR 1999, 1438.
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§6 6.147
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
In dem BFH-Urteil vom 15.6.20041 ging es um eine Entschädigung, die ein ehrenamtlicher Präsident der IHK von dieser erhielt, damit er sein Handwerk weiterhin aktiv betreiben kann und dem Tagesgeschehen verbunden bleibt. Der BFH qualifizierte diese Entschädigungszahlung als Sonderbetriebseinnahme des Präsidenten bei der Handwerks-KG, an der er zu 20 % mitunternehmerisch beteiligt war. Die Entschädigung trat nach Ansicht des BFH anstelle der Sondervergütung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. cc) Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaft
6.148
Für die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft im Rahmen einer sog. doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaft stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG klar, dass diese Konstruktion einkommensteuerlich der unmittelbaren Beteiligung an der Personengesellschaft gleichsteht.
6.149
Die Qualifizierung eines Gesellschafters der Obergesellschaft als Mitunternehmer der Untergesellschaft setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG eine gewerblich tätige oder geprägte Personengesellschaft als Untergesellschaft, eine Personengesellschaft (Obergesellschaft), die an der Untergesellschaft (unmittelbar) beteiligt ist, bzw. die Beteiligung an einer Personengesellschaft, die wiederum an einer Personengesellschaft unmittelbar beteiligt ist (mehrstöckige Gesellschaft), sowie eine ununterbrochene Mitunternehmerkette voraus.2
6.150
Für die im Rahmen einer doppel- bzw. mehrstöckigen Personengesellschaftsstruktur erzielten Sondervergütungen gilt daher: Sondervergütungen, die die Untergesellschaft einem Gesellschafter der Obergesellschaft für unmittelbare Leistungen (Tätigkeit, Nutzungen, Kapital) gewährt, sind im Gewinn der Untergesellschaft und deren Gewerbeertrag zu erfassen (Aufwand in der Gesamthandsbilanz, Ertrag in der Sonderbilanz bei der Untergesellschaft für den Gesellschafter der Obergesellschaft als Sonder-Mitunternehmer der Untergesellschaft).3 Dies gilt auch für Geschäftsführungsvergütungen, die der Gesellschafter der Obergesellschaft von der Komplementär-GmbH der Untergesellschaft erhält. Werden der Untergesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter von einem Gesellschafter der Obergesellschaft zur Nutzung überlassen, stellen diese Wirtschaftsgüter Sonderbetriebsvermögen I der Untergesellschaft dar.4 Das gilt auch für damit zusammenhängende Verbindlichkeiten.5 Das Gleiche gilt für einzelne Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Obergesellschaft, die der Untergesellschaft zur Nutzung überlassen werden. Die Geschäftsanteile des Gesellschafters der Obergesellschaft an der Komplementär-GmbH der Untergesellschaft stellen bei der Untergesellschaft jedoch nicht Sonderbetriebsvermögen II des Gesellschafters der Obergesellschaft als (mittelbarer) Mitunternehmer der Untergesellschaft dar,6 da dadurch nicht die unmittelbare Ein1 BFH v. 15.6.2005 – VIII R 72/03, DStR 2005, 690 = BFHReport 2004, 1267. 2 D.h., Obergesellschaft und deren Gesellschafter sind jeweils Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaft, an denen sie unmittelbar beteiligt sind. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 613. 3 BFH v. 12.2.2014 – IV R 22/10, BStBl. II 2014, 621 = GmbHR 2014, 835. 4 BFH v. 7.12.2000 – III R 35/98, BStBl. II 2001, 316 = GmbHR 2001, 358. 5 Mückl, DB 2009, 1088; Förster, DB 2011, 2570. 6 So jedoch Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 617.
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Gewinnermittlung
flussnahme des Gesellschafters der Obergesellschaft an der Untergesellschaft gestärkt wird.1 e) Dividenden der Komplementär-GmbH Sind die Gesellschafter der Komplementär-GmbH – wie im Regelfall – gleichzeitig Kommanditisten der GmbH & Co. KG, sind die von den Kommanditisten gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH nach der Auffassung des BFH2 als Sonderbetriebsvermögen II zu behandeln. Die Zugehörigkeit zum Sonderbetriebsvermögen II ergibt sich für den BFH daraus, dass die GmbH-Anteile es dem Kommanditisten ermöglichen, über seine Stellung in der Komplementär-GmbH Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG auszuüben. Bei einer Minderheitsbeteiligung des Kommanditisten von weniger als 10 % an der Komplementär-GmbH scheidet eine derartige Einflussnahmemöglichkeit nach Ansicht des BFH in der Regel aus, so dass die Beteiligung nicht als Sonderbetriebsvermögen qualifiziert wird.3 Offen ist, wie der BFH Fälle behandelt, in denen zwischen 10 % und 20 % bzw. 25 % der Anteile an der Komplementär-GmbH von einem Kommanditisten gehalten werden. Immerhin stehen einem mit mindestens 10 % beteiligten GmbH-Gesellschafter gewisse Minderheitsrechte zu (§§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2 Satz 2, 66 Abs. 2 GmbH). Bei einer Beteiligungsquote von mindestens 10 % sollten die Anteile an der Komplementär-GmbH daher dem Sonderbetriebsvermögen II zugeordnet werden. Kein Sonderbetriebsvermögen liegt allerdings regelmäßig vor, wenn die Komplementär-GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit noch eine Geschäftstätigkeit von nicht ganz untergeordneter Bedeutung ausübt.4 Diese Ausnahme wird von der Finanzverwaltung5 und Teilen der Rechtsprechung6 dahin gehend eingeschränkt, dass auch bei eigener nicht untergeordneter wirtschaftlicher Tätigkeit der Komplementär-GmbH, deren Geschäftsanteile bei den Kommanditisten als Sonderbetriebsvermögen zu behandeln sind, wenn die Komplementär-GmbH über ihre gesellschaftsrechtliche Verbundenheit auch wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist.
1 Rödder, StbJb. 1994/95, S. 303; Söffing, FR 1992, 185 (188); Binz/Sorg, § 16 Rz. 286. 2 St. Rspr.; vgl. nur BFH v. 11.12.1990 – VIII R 14/87, GmbHR 1991, 437; BFH v. 30.7.1993 – VIII R 63/91, GmbHR 1993, 826; BFH v. 16.5.1995 – VIII R 18/93, GmbHR 1995, 915; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, GmbHR 1993, 58 für beschränkt Steuerpflichtige; BFH v. 15.10.1998 – IV R 18/98, GmbHR 1999, 193. 3 BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, BFH/NV 2015, 1180 = GmbHR 2015, 827; Micker, NWB 2015, KSR Nr. 7 v. 3.7.2015; s. dazu auch BFH v. 17.11.2011 – IV R 51/08, BFH/NV 2012, 723 = GmbHR 2012, 702. 4 BFH v. 11.12.1990 – VIII R 14/87, BStBl. II 1991, 510 = GmbHR 1991, 437; BFH v. 12.11.1985 – VIII R 286/81, BStBl. II 1986, 55 = FR 1986, 239; vgl. auch OFD Münster v. 10.9.2002 – S 2242 - 21 - St 12 - 32b, DStR 2002, 1860. 5 FinMin. Schlesw.-Hol. v. 21.1.1993 – VI 310b - S 2134 - 036, DStR 1993, 517; OFD Frankfurt/M. v. 17.8.1998 – S 2134 - A - 14 - St II 21, DStR 1998, 1793; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 St 41, DStR 2001, 1032; OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St 114, BeckVerw 287729. 6 FG München v. 28.9.1993 – 16 K 818/88, GmbHR 1994, 568 = EFG 1994, 513; so wohl auch Schulze zur Wiesche, DStZ 2014, 753 (756).
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.152
U.a. von Knobbe-Keuk1 ist auf die Ungereimtheit hingewiesen worden, die die Einordnung der GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen II der Kommanditisten mit sich bringt. Dies beginnt bei der Frage, welchem Sonderbetriebsvermögen die GmbH-Anteile zuzuordnen sind, wenn die GmbH bei mehreren Kommanditgesellschaften die Komplementärstellung innehat,2 und lässt sich mit der Auslegung des Begriffes der wirtschaftlichen Verflechtung fortsetzen. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass gerade ein eigenständiger Geschäftsbetrieb der KomplementärGmbH die beste Voraussetzung für eine wirtschaftliche Verflechtung der Komplementär-GmbH mit der GmbH & Co. KG ist. Durch die Verringerung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG und die Einführung der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG hat die Behandlung der Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH als Sonderbetriebsvermögen jedoch an Bedeutung verloren.
6.153
Die Zugehörigkeit der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten hat zur Folge, dass die Dividenden der GmbH als Sonderbetriebseinnahmen der Kommanditisten und damit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind. Die Dividenden unterfallen entweder (bei natürlichen Personen als Gesellschafter) dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG oder sind (bei Kapitalgesellschaften als Gesellschafter) nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei.3 Die Gewinnansprüche der Gesellschafter gegen die Komplementär-GmbH sind bereits mit der Beschlussfassung über die Gewinnverteilung durch die Komplementär-GmbH und nicht erst mit ihrer Ausschüttung an die Gesellschafter zu erfassen.4 Zu den Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters als Einkünfte aus Gewerbebetrieb rechnen nicht nur die ordentlichen Gewinnausschüttungen, die den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechen, sondern auch verdeckte Gewinnausschüttungen. f) Dividenden einer Kommanditisten-GmbH
6.154
Nach dem Urteil des BFH vom 23.1.20015 gehört auch der Geschäftsanteil eines Gesellschafters an einer sog. Kommanditisten-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen II der GmbH & Co. KG, wenn die Kommanditisten-GmbH keiner eigenen Geschäftstätigkeit nachgeht und ihr alleiniger Zweck die Beteiligung an der GmbH & Co. KG in wesentlichem Umfang ist. 1 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 I 2, S. 444 ff. 2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll für die Zuordnung die – zeitlich gesehen – erste Komplementärstellung maßgeblich sein, vgl. etwa OFD Frankfurt/M. v. 17.8.1998 – S 2134 - A - 14 - St II 21, DStR 1998, 1793; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 St 41, DStR 2001, 1032; OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St 114, BeckVerw 287729. 3 5 % der Dividenden gelten allerdings gem. § 8b Abs. 5 KStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe. Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, dass die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres nicht weniger als 10 % des Stammkapitals betragen hat, vgl. § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG. 4 BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, BStBl. II 1996, 66 = GmbHR 1996, 131; vgl. BFH v. 31.10.2000 – VIII R 85/94, BStBl. II 2001, 185 = GmbHR 2001, 205 m. Komm. Hoffmann, wonach die Grundsätze phasengleicher Bilanzierung von Gewinnansprüchen nach der Rspr. des BFH (v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 = GmbHR 2000, 1106 m. Komm. Hoffmann) auch dann nicht mehr zur Anwendung gelangen, wenn sich die Anteile der Kapitalgesellschaft im SBV einer Personengesellschaft befinden. 5 BFH v. 23.1.2001 – VIII R 12/99, BStBl. II 2001, 825 = GmbHR 2001, 444.
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Gewinnermittlung
Im Urteil vom 24.6.19821 hatte der BFH die Zugehörigkeit von Anteilen an einer Kommanditisten-GmbH, deren Gesellschafter zugleich persönlich haftende Gesellschafter der GmbH & Co. KG waren, noch mit dem Hinweis verneint, dass die Geschäftsanteile an der als Kommanditistin fungierenden GmbH dem Unternehmen der GmbH & Co. KG nicht der Verstärkung der Rechtsstellung der Komplementäre dient. In dem Fall war die Kommanditisten-GmbH allerdings auch nur zu 5,59 % am Kapital der GmbH & Co. KG beteiligt.
6.155
In dem am 23.1.2001 entschiedenen Fall lag die Beteiligungsquote hingegen bei 50 %. Darüber hinaus konnten die Gesellschafter der Kommanditisten-GmbH nicht frei über ihre Geschäftsanteile verfügen. In dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditisten-GmbH war festgelegt, dass, solange die Kommanditisten-GmbH an der GmbH & Co. KG beteiligt war, die Gesellschafter über ihre Geschäftsanteile nur mit der Genehmigung der GmbH & Co. KG verfügen können. Dadurch war gewährleistet, dass Gesellschafter der Kommanditisten-GmbH nur solche Personen werden konnten, mit denen die GmbH & Co. KG einverstanden ist. Der BFH bewertete die Tätigkeit der Kommanditisten-GmbH daher als Tätigkeit, die bestimmt und geeignet war, der Tätigkeit der GmbH & Co. KG zu dienen, und ordnete ihre Geschäftsanteile dem Sonderbetriebsvermögen II zu.
6.156
In der Literatur wird die „Erweiterung“ des Begriffs des Sonderbetriebsvermögens II als bedenklich eingestuft.2 Der BFH ließ es in seiner Entscheidung jedoch offen, ob die Beteiligung an einer Kommanditisten-GmbH stets als Sonderbetriebsvermögen behandelt werden soll oder ob dies z.B. auch von der Beteiligungsquote oder anderen Umständen abhängig ist.3 Angesichts dessen und in Anbetracht der speziellen Sachverhaltslage (Kapitalgeber ohne sonstige Funktion, Vinkulierung) relativiert sich die Bedeutung der Entscheidung. Hinzu kommt, dass die Strukturen, in denen eine GmbH zwischen den Kommanditisten und der GmbH & Co. KG geschaltet ist, wegen der Verringerung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG in der Praxis immer weniger vorkommen, so dass die damit zusammenhängenden Fragen zunehmend an Bedeutung verlieren.
6.157
g) Darlehenszinsen Darlehensforderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft gehören i.d.R. zum Sonderbetriebsvermögen I des Gesellschafters.4 Die Bilanzierung als Sonderbetriebsvermögen hat Vorrang vor der Behandlung als eigenes Betriebsvermögen.5 Die für das Darlehen gezahlten Zinsen stellen Zinsaufwand auf der Ebene der Gesamthandsbilanz und Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters dar. Auch die Zinsen, die ein Gesellschafter für die Refinanzierung seiner Gesellschafterforderung 1 BFH v. 24.6.1982 – IV R 151/79, BStBl. II 1982, 751 = GmbHR 1983, 57. 2 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 247. 3 So auch Völlmeke, HFR 2001, 554; nach Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 337 soll die Beteiligung an einer Kommanditisten-GmbH nur „ausnahmsweise“ zum Sonderbetriebsvermögen gehören. 4 BFH v. 13.10.1998 – VIII R 78/98, BStBl. II 1999, 163; BFH v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347 = GmbHR 2000, 570. 5 BFH v. 7.12.2000 – III R 35/98, GmbHR 2001, 358; BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583; Brandenberg, FR 1997, 88; Märkle, DStZ 1997, 247.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
zahlt, sind durch das Sonderbetriebsvermögen I veranlasst bzw. stehen mit den Sonderbetriebseinnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang und sind als Sonderbetriebsausgaben abziehbar.1 Eine Geldforderung, die vor einem Eintritt des Gesellschafters durch die Erbringung einer Leistung begründet wurde, soll hingegen nicht zum Sonderbetriebsvermögen zählen, falls der Gesellschafter der GmbH & Co. KG den Betrag bei Eintritt nicht zur Nutzung überlässt.2 Das Gleiche gilt, wenn der Gesellschafter eine bisherige Fremdforderung der Gesellschaft erwirbt.3 6.159
In der Praxis kommt es oft zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Kapitalkonten der Gesellschafter und den Konten, die schuldrechtliche Gesellschafterforderungen enthalten („Darlehenskonten; Gesellschafterverrechnungskonten“). Problematisch ist die steuerliche Einordnung verzinslicher Kapitalkonten, insbesondere wenn Negativzinsen entstehen. Kapitalkonten II werden vielfach als Darlehenskonten in der Bilanz der KG geführt, obwohl sie richtigerweise als Sonderbetriebsvermögen ausgewiesen werden müssten, wenn es sich tatsächlich um Darlehen handeln würde. I.d.R. haben sie jedoch Eigenkapitalqualität, insbesondere wenn Gewinne und Verluste auf dem Konto erfasst werden (s. hierzu Rz. 7.77 ff.). Aus diesem Grunde sind auch auf den Kontostand entfallende Zinsen, also auch Negativzinsen, keine Sondervergütungen oder Sonderbetriebsausgaben, sondern Vorweggewinn.4 Nach Auffassung des BFH5 handelt es sich um ein Kapitalkonto, wenn auf dem Konto Verluste verbucht werden, da mit dem Begriff des Darlehens eine Verlustbeteiligung des Gläubigers grundsätzlich nicht vereinbar sei. h) Sonstige Vergütungen
6.160
Nach dem bereits dargelegten weiten Verständnis der Rechtsprechung von den nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfassten Vergütungen (s. Rz. 6.121 ff.) kommt es lediglich darauf an, ob die von den Gesellschaftern erzielten Einnahmen durch die Mitunternehmerschaft veranlasst worden sind oder mit der Beteiligung im Zusammenhang stehen.
6.161
So ist auch die an einen Kommanditisten gezahlte Provision für die Vermittlung des Eintritts weiterer Kommanditisten in eine GmbH & Co. KG zwar eine Betriebsausgabe der GmbH & Co. KG, doch gleichzeitig eine Sonderbetriebseinnahme des betreffenden Kommanditisten.6 Der Kommanditist muss nicht selbst tätig sein; er 1 BFH v. 31.7.1985 – VIII R 261/81, BStBl. II 1986, 304 = GmbHR 1986, 132; BFH v. 28.10.1999 – VII R 42/98, BStBl. II 2000, 390. 2 BFH v. 18.7.1979 – I R 38/76, BStBl. II 1979, 673. 3 BFH v. 18.12.1991 – XI R 42/88, XI R 43/88, BStBl. II 1992, 585 = FR 1992, 514. Erwirbt ein Gesellschafter eine Forderung gegen die Gesellschaft von einem Nichtgesellschafter zu einem fremdüblichen Preis, soll sie Eigenkapital werden und im Sonderbetriebsvermögen mit den Anschaffungskosten anzusetzen sein, wenn diese den Nennwert unterschreitet, so Herbst/Stegemann, DStR 2013, 176 (179). 4 BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627; Gebhardt, DStR 1996, 1398; Rodewald, GmbHR 1998, 521; ausführlich dazu Ley, KÖSDI 2002, 13459. 5 Zum Zwei-Konten-Modell BFH v. 4.5.2000 – IV R 16/99, BStBl. II 2001, 171 = GmbHR 2000, 1064; zum Drei-Konten-Modell BFH v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103 = GmbHR 2008, 162; zum Vier-Konten-Modell BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272 = GmbHR 2009, 274; s. auch Rz. 7.86 ff. 6 BFH v. 23.10.1986 – IV R 352/84, BStBl. II 1988, 128 = FR 1987, 63.
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§6
Gewinnermittlung
kann sich dazu einer Organisation mit Hilfskräften bedienen.1 Demgegenüber sind Provisionen, die ein Vermittler von Beteiligungen an Personengesellschaften von einem Dritten dafür erhält, dass er Anteile an solchen Gesellschaften vermittelt, keine Sonderbetriebseinnahmen, wenn sich die Vermittlungstätigkeit nicht lediglich auf die Vermittlung von Beteiligungen an Gesellschaften beschränkt, an denen er selbst beteiligt ist.2 Die Zahlung durch Dritte hindert somit nicht die Annahme einer Sonderbetriebseinnahme, wenn die gesellschaftliche Veranlassung kausal für die Zahlung der Vergütung ist. Ähnliche Überlegungen sind anzustellen, wenn die Zahlung der Vergütung durch Dritte die Beteiligung des Kommanditisten an der GmbH & Co. KG stärkt oder fördert. So sind z.B. auch Mieten, die ein Kommanditist aus der Vermietung seines im zivilrechtlichen Eigentum befindlichen Mietshauses, das ausschließlich an Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG vermietet ist, als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren, da die Vermietung an Arbeitnehmer der Gesellschaft und damit der Beteiligung zugute kommt.3
6.162
Der Zufluss von Sonderbetriebseinnahmen lässt sich auch nicht dadurch vermeiden, dass ein Wirtschaftsgut – wie z.B. ein Grundstück – an einen Dritten mit der Auflage vermietet wird, das Grundstück an die Gesellschaft weiterzuvermieten. Auch hier wird von der Rechtsprechung des BFH eine gesellschaftliche Veranlassung angenommen.4 Von Umgehungstatbeständen abgesehen muss die Einbeziehung von Vergütungen, die durch Dritte gezahlt werden, in dem Begriff der „Sonderbetriebseinnahmen“ auf Kritik stoßen. Besonders deutlich wird dies bei der Zahlung einer Vermittlungsprovision, wenn der Kommanditist in eigener Initiative tätig wird und der hinzutretende Dritte diese Provision zahlt. Ein wie auch immer gearteter gesellschaftlicher Beitrag kann in der Vermittlungsleistung nicht gesehen werden, wenn nicht gerade die Gesellschafter selbst im Gesellschaftsvertrag sich zur Vermittlung weiterer Gesellschafter verpflichtet haben.5
6.163
i) Sonderbetriebsausgaben Sonderbetriebsausgaben können sowohl bei der Komplementär-GmbH als auch bei den Kommanditisten anfallen. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die dem Gesellschafter persönlich im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Beteiligung an der GmbH & Co. KG, im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis oder im Zusammenhang mit Sondervergütungen bzw. Sonderbetriebsvermögen entstehen.6 1 2 3 4
BFH v. 28.10.1999 – VIII R 41/98, BStBl. II 2000, 339 = GmbHR 2000, 494 m. Komm. Bitz. Vgl. BFH v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498 = FR 2012, 768 m. Komm. Kanzler. Schulze zur Wiesche, GmbH & Co. KG, S. 218. BFH v. 15.1.1981 – IV R 76/77, BStBl. II 1981, 314 = FR 1981, 307. Eine solche mittelbare Nutzungsüberlassung kommt nach Auffassung der Rechtsprechung auch bei einer unterschiedlichen Laufzeit der Nutzungsverträge in Betracht, vgl. BFH v. 24.2.2005 – IV R 23/03, BStBl. II 2005, 578 = FR 2005, 887. 5 Zu Recht hält Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 I 6, S. 453, die – auf lediglich einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Mitunternehmerstellung abstellende – Kategorie der Sonderbetriebseinnahmen für fragwürdig. 6 S. etwa BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 645 ff. m.w.N.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Die Sonderbetriebsausgaben sind bei der gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG mit zu berücksichtigen und kürzen – allerdings erst auf der Ebene des jeweils die Sonderbetriebsausgaben geltend machenden Mitunternehmers – den der Gewerbesteuer unterliegenden Gesamtgewinn der Personengesellschaft. Voraussetzung ist aber, dass es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis als solchem oder aber mit dem Sonderbetriebsvermögen bzw. Sondervergütungen stehen. Beispiele hierfür sind: – Aufwendungen für die Überprüfung der geschäftsführenden KomplementärGmbH durch einen Kommanditisten auf dessen Kosten (Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis), – Finanzierungskosten eines Kommanditisten für den Erwerb von Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH1 bzw. Aufwendungen für den Erwerb der Kommanditbeteiligung ganz oder teilweise durch Aufnahme eines Kredites,2 – Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Grundbesitz an die GmbH & Co. KG, wie z.B. die Zahlung von Grundsteuern und Versicherungen oder auch AfA,3 – Abfindungszahlungen für einen „lästigen“ Gesellschafter bei Zahlung durch Gesellschafter, soweit nicht in Ergänzungsbilanz zu aktivieren.4 6.165
Nicht alle die Gesellschafter einer GmbH & Co. KG persönlich treffenden Aufwendungen sind als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der gesonderten Gewinnfeststellung der Mitunternehmerschaft abziehbar. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die Aufwendungen unmittelbar durch die vorgenannten Rechtsbeziehungen veranlasst worden sind. So werden z.B. folgende Aufwendungen nicht als Sonderbetriebsausgaben behandelt: – Gründungskosten der Komplementär-GmbH (hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die aus der rechtlichen Verselbständigung der GmbH entstehen),5 – laufender Aufwand der Komplementär-GmbH, z.B. die von der GmbH zu zahlenden Steuerberatungskosten,6 – Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO, die ein Mitunternehmer für Einkommensteuernachzahlungen entrichtet.7
6.166
Eine Zuordnungskonkurrenz von Aufwendungen kann sich immer dann ergeben, wenn der Kommanditist gleichzeitig noch einen eigenen Gewerbebetrieb unterhält 1 BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826. 2 BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, GmbHR 1993, 826; BFH v. 4.3.1998 – XI R 64/95, BStBl. II 1998, 511 = FR 1998, 790; BFH v. 28.10.1999 – VIII R 42/98, GmbHR 2000, 573; BFH v. 25.1. 2000 – VIII R 50/97, BStBl. II 2000, 393 = FR 2000, 767 m. Komm. Kempermann. 3 BFH v. 31.7.1985 – VIII R 261/81, BStBl. II 1986, 304 = GmbHR 1986, 132; BFH v. 23.9.2009 – IV R 21/08, BStBl. II 2010, 337 = FR 2010, 431. 4 BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826. 5 BFH v. 1.8.1968 – IV 324/65, BStBl. II 1968, 678; BFH v. 18.5.1995 – IV R 46/94, GmbHR 1995, 913 = DStR 1996, 14. 6 Dies gilt selbst dann, wenn die Komplementär-GmbH nur mit ihrer Gesellschafterstellung bei der GmbH & Co. KG befasst ist; BFH v. 18.5.1995 – IV R 46/94, FR 1995, 902 = DStR 1996, 14; a.A. Flore, GmbHR 1994, 530 (532). 7 BFH v. 21.10.2010 – IV R 6/08, BFH/NV 2011, 430.
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§6
Gewinnermittlung
oder an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob die von dem Kommanditisten getragenen Aufwendungen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis der GmbH & Co. KG haben.1 Sie sind in diesem Fall als Betriebsausgaben im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG geltend zu machen und können nicht als Betriebsausgaben im Gewerbebetrieb des Gesellschafters bzw. in der anderen Gesellschaft berücksichtigt werden. Denn die Vorrangigkeit der Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen I ergibt sich notwendigerweise aus der Fortentwicklung der von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze zum Verhältnis der Personenhandelsgesellschaft und einem eigenen Gewerbebetrieb des Gesellschafters. Danach ist die Bilanzierungskonkurrenz zwischen einer Personenhandelsgesellschaft einerseits und ihren gewerblich tätigen Gesellschaftern andererseits im Sinne des Vorranges der Gewinnermittlung bei der Personenhandelsgesellschaft zu lösen.2 Umstritten ist, ob bei Inanspruchnahme eines Kommanditisten aus einer zugunsten der Gesellschaft gegebenen Bürgschaftserklärung die Zahlung des Kommanditisten als Sonderbetriebsausgabe anerkannt werden kann, wenn gleichzeitig feststeht, dass Rückgriffsansprüche gegen die Gesellschaft bzw. Mitgesellschafter wertlos sind.3 Der BFH vertritt in ständiger Rechtsprechung,4 dass die Bürgschaftszahlungen, die während des Bestehens der KG geleistet werden, nicht als Sonderbetriebsausgaben zugelassen werden können. Die Zahlungen seien vielmehr als weitere Kapitaleinlagen zu werten.5 Würde man hingegen der Methode der additiven Gewinnermittlung folgen,6 ohne eine korrespondierende Bilanzierung zu verlangen, so wäre das Risiko der Bürgschaftsinanspruchnahme als Rückstellung bzw. Aufwand zu erfassen.7 Denn in diesem Falle gelten die allgemeinen Bilanzierungsund Bewertungsvorschriften einschließlich des Imparitätsprinzips mit der Folge, dass der Gesellschafter die durch die Bürgschaftszahlung auf ihn übergegangene Forderung des Gläubigers oder aber seinen Anspruch als Aufwendungsersatz (§ 110 HGB) gegen die Gesellschaft abschreiben kann, wenn und soweit die Forderung wertlos ist.
1 Vgl. zur Parallelproblematik der Zuordnung zu einem eigenständigen Betriebsvermögen oder dem Sonderbetriebsvermögen (Bilanzierungskonkurrenz) unter Rz. 6.111 ff. 2 BFH v. 6.10.1987 – VIII R 137/84, BStBl. II 1988, 679 = GmbHR 1988, 279; BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, GmbHR 1995, 537; vgl. BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583. 3 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 524, 547. 4 Seit BFH v. 4.7.1974 – IV R 166/70, BStBl. II 1974, 677; entsprechend ist auch bei drohender Bürgschaftsinanspruchnahme eine Rückstellung unzulässig; vgl. BFH v. 12.7.1990 – IV R 37/89, BStBl. II 1991, 64 = FR 1991, 51; zur unveränderten Einschätzung des BFH nach Inkrafttreten des § 172a HGB: BFH v. 18.6.1991 – VIII 84/87, BFH/NV 1992, 229; BFH v. 14.12. 1995 – IV R 106/94, GmbHR 1996, 469; BFH v. 17.12.1996 – VIII B 71/96, GmbHR 1997, 368; BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, GmbHR 1999, 788; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294; BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, GmbHR 2006, 1217; BFH v. 28.3.2007 – IV B 137/06, BFH/NV 2007, 1489. 5 So auch FG Düsseldorf v. 26.9.1996 –15 K 919/94 F, GmbHR 1997, 468 = EFG 1997, 281; FG Berlin v. 17.9.1998 – IV 390/94, GmbHR 1999, 788 = EFG 1999, 466. 6 Vgl. zur Zusammenfassung der Steuerbilanz der Gesellschaft und den Ergänzungs- und Sonderbilanzen unter Rz. 6.85 ff. 7 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 11 I 5, S. 452.
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6.167
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
V. Gewinnverteilung 1. Grundsatz 6.168
Für die Aufteilung des Gewinns der GmbH & Co. KG unter den Gesellschaftern fehlt es – anders als für die Ermittlung des Gewinns – an steuerlichen Vorschriften. Sie folgt daher den zivilrechtlichen Regeln der Gewinnverteilung, was sich bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergibt, wonach zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb der „Gewinnanteil“ des Gesellschafters an der Personengesellschaft rechnet. Maßgebend sind somit für die steuerliche Gewinnermittlung die gesellschaftsvertraglichen Regelungen über die Ergebnisverteilung,1 ggf. ergänzt durch die Vorschriften des HGB (§§ 121, 168 HGB).2 Sogar mündliche Abreden können genügen, um einen Gewinnverteilungsschlüssel zu vereinbaren, der grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen ist.3
6.169
Die weitere Frage, ob das Steuerrecht jede unter den Gesellschaftern vereinbarte Gewinnverteilung anerkennt, bedarf einer differenzierten Betrachtung. Zwischen fremden Gesellschaftern wird man wegen des vorhandenen natürlichen Interessengegensatzes von einem ausschließlich an sachlichen Maßstäben orientierten Gewinnverteilungsschlüssel ausgehen können.4 Fehlt es an einem natürlichen Interessengegensatz, ist nicht auszuschließen, dass auch außerbetriebliche Erwägungen für die Festlegung der Gewinnverteilung mitbestimmend gewesen sein können. In diesen Fällen wird die Finanzverwaltung eine Angemessenheitsprüfung durchführen. Fehlende widerstreitende Interessen bezüglich der Gewinnverteilung einer GmbH & Co. KG sind insbesondere dann nicht auszuschließen, wenn die Gesellschafter der GmbH zugleich die alleinigen Kommanditisten sind oder es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Familiengesellschaft handelt. In dem zuerst genannten Fall wird die Angemessenheit der Gewinnverteilung zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditisten zu prüfen sein. Bei unangemessener Ergebnisverteilung besteht die Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung. In dem zuletzt genannten Fall kommt es darauf an, ob die Gewinnverteilung bezüglich der einzelnen Kommanditisten beitragsadäquat ausgestaltet oder ob möglicherweise aufgrund familiärer Beziehungen eine verdeckte Einkommensverwendung eines Gesellschafters zugunsten eines anderen Gesellschafters anzunehmen ist.5
2. Änderung der Gewinnverteilung 6.170
Änderungen der Gewinnverteilung für die Zukunft müssen grundsätzlich ebenso wie eine an ausschließlich sachlichen Maßstäben orientierte Gewinnverteilung 1 Selle, DB 1993, 2040; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 443. 2 St. Rspr., vgl. BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199; BFH v. 23.8. 1990 – IV R 71/89, GmbHR 1991, 177; BFH v. 29.5.2001 – VIII R 10/00, GmbHR 2001, 933 m. Komm. Hoffmann; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (274) m.w.N. 3 BFH v. 24.6.2009 – IV R 55/06, BStBl. II 2009, 950. 4 BFH v. 6.11.1991 – XI R 35/88, BFH/NV 1992, 452. 5 BFH v. 23.8.1990 – VI R 71/89, BStBl. II 1991, 172; Meyer-Koppitz, DStZ 1996, 265 (274). Vgl. zu Zuwendungen aufgrund überquotaler Kostentragung BFH v. 20.1.2009 – IX R 18/07, BFH/NV 2009, 1247.
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§6
Gewinnverteilung
steuerlich anerkannt werden.1 Allerdings unterliegen sie derselben Angemessenheitskontrolle wie eine von Anfang an vereinbarte Gewinnverteilung, wenn es an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt. Insbesondere kann die Änderung einer Gewinnverteilung zu Lasten der Komplementär-GmbH zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung führen (s. Rz. 6.250 ff.). Anders verhält es sich bei Gewinnverteilungsänderungen mit rückwirkender Kraft.2 Zivilrechtlich ist es zwar durchaus zulässig, eine rückwirkende Vereinbarung dergestalt zu treffen, dass sich die Gesellschafter verpflichten, sich gegenseitig so zu stellen, als hätten sie die Änderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt vereinbart.3 Gesellschafter können noch bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses für das abgelaufene Jahr eine Änderung des bisher zwischen ihnen wirksam vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssels beschließen.4 Steuerrechtlich wird man einer solchen Vereinbarung jedoch eine rückwirkende Kraft nicht beimessen können,5 da sich wegen des bereits verwirklichten Einkunftserzielungstatbestandes eine solche Änderung der Gewinnverteilung nur für die Zukunft auswirken kann. Eine schuldrechtliche Rückwirkung erlangt steuerrechtlich erst mit dem Abschluss der Vereinbarung Bedeutung. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesellschaftsgewinn erst mit der Aufstellung und der Feststellung des Jahresabschlusses feststeht und seine Höhe von Werturteilen und Gestaltungsmöglichkeiten abhängt. Diese Überlegungen betreffen nur die Gewinnermittlung und nicht die Gewinnverteilung. Außerdem ist die Höhe des Gewinns in erster Linie von den Geschäftsvorfällen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres abhängig, die nicht rückwirkend herbeigeführt oder ungeschehen gemacht oder in ihrem Inhalt verändert werden können.6
6.171
Diese Überlegungen beanspruchen sinngemäß Geltung, wenn die Gewinnverteilungsabrede einer Personengesellschaft während des Wirtschaftsjahres, jedoch mit schuldrechtlicher Rückbeziehung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres geändert wird. Zwar ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer, die im Regelfall erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes entsteht. Das ändert aber nichts daran, dass der Tatbestand der Einkünfteerzielung bereits mit den einzelnen im Rahmen des Gewerbebetriebs anfallenden Geschäftsvorfällen verwirklicht ist, durch die Gewinne oder Verluste realisiert werden. Mitunternehmern können nur die Einkünfte zugerechnet werden, an deren Erzielung sie als Mitunternehmer beteiligt
6.172
1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 445. 2 Vgl. hierzu Ritzrow, StBp 1999, 29. 3 BFH v. 12.6.1980 – IV R 40/77, BStBl. II 1980, 723 = GmbHR 1981, 96; BFH v. 17.3.1987 – VIII R 293/82, BStBl. II 1987, 558 = GmbHR 1987, 403. 4 Es handelt sich dabei um eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, Roth in Baumbach/ Hopt, § 121 HGB Rz. 10. 5 BFH v. 17.3.1987 – VIII R 293/82, BStBl. II 1987, 558 = GmbHR 1987, 403; BFH v. 29.5.2001 – VIII R 10/00, BStBl. II 2001, 747 = GmbHR 2001, 933 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 3.4.2008 – IV B 65/07, BFH/NV 2008,1469; ebenso Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 452 f.; Tiede in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 491; a.A. Bauschatz, FR 2005, 1230 (1235): Änderungen bis zur Feststellung des Jahresabschluss der Personengesellschaft zulässig. 6 BFH v. 8.11.1960 – I 131/59 S, BStBl. III 1960, 513; BFH v. 21.12.1972 – IV R 194/69, BStBl. II 1973, 389; BFH v. 12.6.1980 – IV R 40/77, BStBl. II 1980, 723 = GmbHR 1981, 96; BFH v. 17.3.1987 – VIII R 293/82, BStBl. II 1987, 558 = GmbHR 1987, 403.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
waren. Das Ergebnis ist in diesem Fall zeitanteilig aufgrund einer Zwischenbilanz ggf. durch Schätzung auf die Zeit vor und nach der Änderung aufzuteilen und getrennt zuzurechnen.1 Dies entspricht auch der vom Gesetz angestrebten möglichst weitgehenden Gleichbehandlung von Einzelunternehmer und Mitunternehmer.2
3. Gewinnanteil der Komplementär-GmbH a) Grundsatz 6.173
In der Praxis sind die Kommanditisten vielfach identisch oder nahezu identisch mit den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH oder zwischen den beiden Gesellschaftergruppen besteht ein nahes Angehörigkeitsverhältnis. Hinsichtlich des Gewinnverteilungsschlüssels kann sich das dahin gehend auswirken, dass man sich bemüht, den der Komplementär-GmbH zuzuweisenden Gewinnanteil möglichst niedrig zu halten. Dieses Bestreben war jedenfalls vor Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens weit verbreitet und ist auch heute noch nicht gänzlich abgestellt.3 Der Komplementär-GmbH soll nur der allernotwendigste Gewinnanteil zustehen, denn der Unternehmer, der sich für die Rechtsform einer Personengesellschaft entschieden hat, möchte seine Gewinne i.d.R. nicht in den körperschaftsteuerlichen Bereich der GmbH abwandern sehen. Dies gilt zumindest im Falle einer GmbH & Co. KG mit einer natürlichen Person als Kommanditisten, wenn die Gewinne nicht in der GmbH thesauriert (Körperschaftsteuersatz hier nur 15 %), sondern an den Gesellschafter weiter ausgeschüttet werden sollen. Es verwundert daher nicht, dass die Finanzverwaltung immer wieder verdeckte Gewinnausschüttungen feststellt, u.a. wegen eines zu niedrigen Gewinnanteils der Komplementär-GmbH. Wird ihr ein zu niedriger Gewinnanteil zugewiesen, so liegt hierin ein Teilverzicht auf den angemessenen Gewinnanteil zugunsten ihrer Anteilseigner, die gleichzeitig Kommanditisten der GmbH & Co. KG sind.
6.174
Für die Bestimmung eines angemessenen Gewinnanteils der KomplementärGmbH, die mangels eines natürlichen Interessengegensatzes vor allem bei der typischen GmbH & Co. KG, bei der die Kommanditisten zugleich die alleinigen Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind, von Bedeutung ist, wird man wie bei jedem anderen Gesellschafter prüfen müssen, ob die Komplementär-GmbH einen 1 Lediglich für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen, nicht aber für degressiver AfA, soll bei Eintritt eines Gesellschafters in eine bestehende Gesellschaft im Laufe eines Wirtschaftsjahres nach Ansicht der Finanzverwaltung (OFD Frankfurt a.M. v. 25.6.2009 – S 2241 A - 9 - St 213; OFD Hannover v. 12.10.2007 – S 2241 - 30 - StO 221/StO 222; vgl. auch OFD Münster v. 16.11.2007, DB 2007, 2743) ein Wahlrecht zwischen anteiliger Zurechnung des Gesamtergebnisses einschließlich der Sonderabschreibungen entsprechend der Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder einer Teilhabe an der vollen Sonderabschreibung für das gesamte Geschäftsjahr gelten. Für § 4 FördG s. BFH v. 27.7.2004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33 = FR 2004, 1325. 2 BFH v. 7.7.1983 – VIII R 209/80, BStBl. II 1984, 53; BFH v. 17.3.1987 – VIII R 293/82, BStBl. II 1987, 558 = GmbHR 1987, 403; BFH v. 18.5.1995 – IV R 125/92, BStBl. II 1996, 5 = FR 1995, 661 m. Komm. Söffing; Döllerer, DStR 1984, 389; a.A. Sommer, BB 1987, 312; differenzierend Loritz, DStR 1994, 87 (90). 3 Kühn, GStB 2001, 274.
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§6
Gewinnverteilung
ihren Gesellschafterbeitrag angemessenen Gewinnanteil erhält. Denn nur unter dieser Voraussetzung würde eine von fremden Gesellschaftern beherrschte GmbH sich bereit erklären, einer Kommanditgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin beizutreten. Die Beiträge, die eine Komplementär-GmbH erbringen kann, lassen sich wie folgt aufschlüsseln:1 – Führung der Geschäfte der GmbH & Co. KG; – Übernahme der persönlichen Haftung; – Leistung einer Kapitaleinlage. Diesen Faktoren kann eine unterschiedliche Gewichtung beigelegt werden, je nachdem, ob die Komplementär-GmbH kapitalmäßig an der GmbH & Co. KG beteiligt ist oder nicht.2 b) Kapitalmäßige Beteiligung der Komplementär-GmbH Ist die Komplementär-GmbH kapitalmäßig an der GmbH & Co. KG beteiligt, so ist eine Gewinnverteilung dann angemessen, wenn die GmbH auf Dauer Ersatz ihrer Auslagen und eine den Kapitaleinsatz und das Haftungsrisiko gebührend berücksichtigende Beteiligung am Gewinn in einer Höhe erhält, mit der sich eine GmbH zufrieden gegeben hätte, die von gesellschaftsfremden Personen gehalten wird.3
6.175
Für die Übernahme der Geschäftsführung reicht es aus, wenn der GmbH sämtliche Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit ihrer geschäftsführenden Tätigkeit entstehen, ersetzt werden. Hierzu gehört insbesondere das von der GmbH gezahlte Geschäftsführergehalt. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Komplementär-GmbH auch die durch ihre bloße Existenz entstehenden Kosten erstattet werden müssen, wie z.B. Körperschaftsteuer und Steuerberatungskosten. Dies lässt sich schon damit begründen, dass diese der Komplementär-GmbH entstehenden Aufwendungen durch den Gewinnanteil als Abgeltung für ihren Kapitaleinsatz bestritten werden müssen und können.4
6.176
Erst recht ist es nicht erforderlich, über den eigentlichen Auslagenersatz für die Geschäftsführung hinaus noch einen Gewinnzuschlag zu zahlen.5 Denn typischerweise wird die Komplementär-GmbH in der Mehrheit der Fälle nur zu dem Zweck geschaffen, die Geschäfte einer bereits bestehenden KG zu führen. Würde man einer neu geschaffenen GmbH, deren Geschäftsanteile Fremden gehören, diese Stellung auferlegen, ihr aber gleichzeitig das sachliche Substrat der geschäftsführenden Tätigkeit (Büro, Büromaterial, Arbeitskräfte etc.) zur Verfügung stellen, ihr die Kosten angestellter Geschäftsführer erstatten und durch Einräumung eines ihrem Kapitaleinsatz angemessenen Gewinnanteils garantieren, dass sie noch einen Gewinn erzielt, so würde auch eine fremde GmbH für die Übernahme einer formalen
6.177
1 BFH v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152; BFH v. 3.2.1977 – IV R 122/73, BStBl. II 1977, 346 = GmbHR 1977, 186. 2 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 722 ff. 3 BFH v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 722. 4 BFH v. 18.5.1995 – IV R 46/94, BStBl. II 1996, 295 = GmbHR 1995, 913. 5 BFH v. 24.7.1990 – VIII R 290/84, BFH/NV 1991, 191 = GmbHR 1990, 570.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Geschäftsführungsposition keine weiteren ins Gewicht fallenden Vergütungen verlangen und erhalten. 6.178
Von einer besonderen Vergütung für die unbeschränkte Haftung der Komplementär-GmbH kann in der Praxis im Allgemeinen abgesehen werden, wenn sie ihr ganzes Vermögen oder den größten Teil ihres Vermögens als Kapitaleinlage in die GmbH & Co. KG einbringt und somit kein besonderes Haftungsrisiko für restliches Vermögen mehr besteht. Das Gleiche gilt für den Fall, in dem die Komplementär-GmbH in eine KG eintritt, in dem ihre Haftung wahrscheinlich nicht relevant werden wird, sei es, dass aufgrund der Geschäftslage sich bisher keinerlei Haftungsrisiken abgezeichnet haben, sei es, dass das Haftungsvolumen der KomplementärGmbH gegenüber den Hafteinlagen der übrigen Gesellschafter völlig unbedeutend ist.1 Ein Gewinnanteil zur Abgeltung des Haftungsrisikos der KomplementärGmbH kommt demnach nur in Betracht, wenn das Haftungsrisiko der GmbH ihre Kapitaleinlage wesentlich übersteigt und eine GmbH im Innenverhältnis nicht von der Haftung freigestellt ist.2 Liegt ein besonderes Haftungsrisiko vor, so könnte man die Vergütung entsprechend einer banküblichen Avalprovision (1–3 %) auf denjenigen Teil des Gesamtvermögens der GmbH berechnen, der über die Kapitaleinlage der GmbH & Co. KG hinausgeht.3
6.179
Die Kapitaleinlage der Komplementär-GmbH nimmt sodann nach einer angemessenen Verzinsung der Privat- und Darlehenskonten der Gesellschafter an der Gewinnverteilung der GmbH & Co. KG teil, wobei darauf zu achten ist, dass die Komplementär-GmbH mindestens eine Gewinnbeteiligung erhalten muss, die ihr eine angemessene Verzinsung der Stammeinlagen ihrer Gesellschaft ermöglicht. Auf die gesellschaftsvertragliche Gestaltung, mit der das vorgegebene Ziel erreicht werden soll, kommt es weniger an. Es ist daher durchaus denkbar, dass die Kapitaleinlage der Komplementär-GmbH ebenso wie die übrigen Einlagen vorweg verzinst wird oder aber die GmbH eine Gewinnquote entsprechend dem Einlageverhältnis erhält. Entscheidend ist, dass das unternehmerisch eingesetzte Kapital der Komplementär-GmbH eine solche Verzinsung erfährt, mit der sich auch ein fremder Dritter begnügen würde.4 Der BFH hat bislang keine allgemein verbindliche Größenordnung für die Angemessenheit der Verzinsung des Kapitaleinsatzes genannt. Wegen der jeweils vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist die Festlegung einer absoluten Untergrenze angemessener Verzinsung schwierig. Eine Orientierungs1 BFH v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152; zum Zusammenhang von Haftungsrisiko und Haftungsprämie auch BFH v. 24.7.1990 – VIII R 304/84, BB 1990, 2027 = GmbHR 1990, 572. 2 BFH v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152. 3 BFH v. 3.2.1977 – IV R 122/73, BStBl. II 1977, 346 = GmbHR 1977, 186; FG Düsseldorf v. 6.12.1974 – IX 509 - 512/67, EFG 1975, 224; nach FG Saarl. v. 28.3.1990 – 1 K 199/88, EFG 1990, 586 und OFD Hannover v. 27.5.1969 – S 2241 - 12 - StH 231, GmbHR 1970, 23 ist im Allgemeinen von einer Avalprovision von 2 % des Stammkapitals und nach FG BW v. 27.11.1973 – I B 129/73, BB 1973, 1108 von 1 % auszugehen. Nach FG Saarl. v. 28.3. 1990 – 1 K 199/88, EFG 1990, 586 ist eine gewinnunabhängige Haftungsprämie von 2 % des Stammkapitals jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die Komplementär-GmbH ohne Kapitalbeteiligung 10 % des Gewinns der KG beanspruchen kann, höchstens jedoch 10 % des Stammkapitals. 4 St. Rspr., vgl. BFH v. 24.7.1990 – VIII R 290/84, BB 1990, 2025 = GmbHR 1990, 570.
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Gewinnverteilung
hilfe bieten die verschiedenen Urteile des BFH, in denen Kapitalverzinsungen in der Bandbreite zwischen 20 %1 und 49 %2 als angemessen angesehen wurden.3 Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung wird man folglich eine angemessene Gewinnverteilung in aller Regel annehmen müssen, wenn sich das von der Komplementär-GmbH eingesetzte Kapital mit 20 % verzinst und sie daneben ihre Aufwendungen erstattet erhält. Ob daran in Anbetracht des anhaltend niedrigen Zinsniveaus festgehalten werden kann, ist zweifelhaft.4 Die Verteilung des Gewinns nach dem Verhältnis des Nominalwertes der Kapitaleinlagen der Komplementär-GmbH und der Kommanditisten andererseits ist so lange nicht zu beanstanden, als die Komplementär-GmbH hierdurch nicht benachteiligt wird. Wird jedoch in eine neu zu gründende GmbH & Co. KG der bisherige Betrieb der GmbH eingebracht und erhält die Komplementär-GmbH hierfür eine Kapitalbeteiligung, so ist bei Festlegung der Quote darauf zu achten, dass der tatsächliche Wert des eingebrachten Betriebsvermögens gegenüber den Geldeinlagen der Kommanditisten in das zutreffende Verhältnis gesetzt wird. Bei der Bewertung der Einlage der Komplementär-GmbH sind die stillen Reserven, insbesondere auch ein eventuell vorhandener Geschäftswert, angemessen zu berücksichtigen.
6.180
Die meisten Gesellschaftsverträge sehen eine Gewinnverteilung nach den vorstehend aufgezeigten Gewinnerzielungsfaktoren vor, doch notwendig ist das nicht. Selbst wenn im Einzelfall dem Haftungsrisiko der Komplementär-GmbH eine über ihre Kapitalbeteiligung hinausgehende Bedeutung zukommt, kann nicht alleine aus der Tatsache, dass im Gesellschaftsvertrag keine besondere Haftungsrisikovergütung vorgesehen ist, bereits auf eine verdeckte Gewinnausschüttung geschlossen werden. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn die Gesamtgewinnzuweisung an die Komplementär-GmbH ihre Gesellschafterbeiträge nicht angemessen abgilt.5 Es ist also durchaus denkbar, dass eine Haftungsrisikoprämie nicht vorgesehen ist, andererseits jedoch durch die Gewinnbeteiligung der Komplementär-GmbH ein derart hoher Gewinnanteil zugewiesen wird, der über die angenommene Mindestverzinsung der Kapitaleinlage weit hinausgeht. In diesem Falle wäre das Haftungsrisiko durch die erhöhte Gewinnteilhabe abgegolten.
6.181
c) Keine kapitalmäßige Beteiligung der Komplementär-GmbH Ist die Komplementär-GmbH kapitalmäßig an der GmbH & Co. KG nicht beteiligt, hat sie nur Anspruch auf Erstattung ihrer mit der Geschäftsführung verbundenen Aufwendungen sowie auf Abgeltung ihres Haftungsrisikos, dem – anders als bei einer Kapitalbeteiligung – nunmehr eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. In der Praxis wird das Haftungsrisiko zumeist mit einer Prämie abgegolten, die sich nach einem fixen Prozentsatz des Stammkapitals bemisst und daher im Gewinn- und Verlustfall gezahlt wird. 1 2 3 4 5
BFH v. 15.11.1967 – IV R 244/66, BStBl. II 1968, 175. BFH v. 15.11.1967 – IV R 241/66, BStBl. II 1968, 307. Übersicht findet sich bei BFH v. 24.7.1990 – VIII R 290/84, GmbHR 1990, 570. Winter in Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, Teil D. Rz. 4631. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG Rz. 302 „GmbH & Co. KG“.
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6.182
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.183
Bei der Höhe der Haftungsrisikoprämie (Prozentsatz) dürfen die vielfach längerfristig übernommene persönliche Haftung sowie das aktuelle Risiko der Komplementär-GmbH nicht außer Betracht bleiben.1 I.d.R. ist die Gewinnverteilungsabrede angemessen, wenn sie der GmbH neben einem Auslagenersatz ein Entgelt gewährt, für dessen Höhe eine dem Risiko des Einzelfalls entsprechende bankübliche Avalprovision2 einen Anhalt bietet. Die Haftungsprämie ist höher als im Falle der kapitalmäßigen Beteiligung der GmbH & Co. KG, s. Rz. 6.175 ff., (dort 1–3 %) festzusetzen, da dem Haftungsrisiko bei fehlender Kapitalbeteiligung eine besondere Bedeutung zukommt. Bei zunehmendem Risiko kann die Komplementär-GmbH gehalten sein, von einem ihr eventuell zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen bzw. eine Änderungskündigung derart auszusprechen, dass ihr nunmehr künftig eine höhere Haftungsrisikoprämie gezahlt wird.3
6.184
Sollte sich der Gewinnanteil der Komplementär-GmbH als unangemessen hoch erweisen, liegt hierin nach Auffassung des BFH4 eine verdeckte Einlage der Kommanditisten als GmbH-Gesellschafter mit der Folge, dass den Kommanditisten ein entsprechend höherer und der Komplementär-GmbH ein entsprechend niedrigerer Gewinnanteil zuzurechnen ist. Anders als die Vorinstanz5 sieht der BFH in der zu Ungunsten der Komplementär-GmbH unangemessen ausgestalteten Gewinnabrede keine Zuwendung bzw. Einlage von Nutzungen, die nach der Entscheidung des Großen Senats vom 26.10.19876 nicht einlagefähig sind. Vielmehr stellt diese Gewinnumverteilung die Zuwendung einer dauerhaften Vermögensmehrung dar.7 Bei den Kommanditisten führt die verdeckte Einlage zu nachträglichen Anschaffungskosten auf ihre dem Sonderbetriebsvermögen zugehörigen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH.
6.185
Der BFH hat nicht überzeugend begründet, warum es sich – wie von der Vorinstanz angenommen – bei der Verlagerung des Gewinns der GmbH & Co. KG von den Kommanditisten auf die Komplementär-GmbH nicht um eine Verschaffung eines zusätzlichen Nutzungsanteils am Gesellschaftsvermögen handeln soll. Zu Recht nehmen Teile der Literatur8 an, dass die unangemessene Gewinnverteilung des-
1 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG Rz. 302 „GmbH & Co. KG“. 2 BFH v. 3.2.1977 – IV R 122/73, BStBl. II 1977, 346 = GmbHR 1977, 186: Haftungsprämie von 6 % des Stammkapitals; FG Saarl. v. 28.3.1990 – 1 K 199/88, EFG 1990, 586: Haftungsprämie von 2 % des Stammkapitals der GmbH ist ausreichend – GmbH erhielt jedoch zusätzlich 10 % des Gewinns der KG, höchstens jedoch 10 % des Stammkapitals: die Größenordnung von 2 % ist deshalb nicht isoliert als verbindliche Haftungsprämiengrößenordnung anzusehen (jedenfalls bei fehlender Kapitalbeteiligung der GmbH & Co. KG); FG Düsseldorf v. 6.12.1974 – IX 509 - 512/67, EFG 1975, 224: 6 % des Stammkapitals; FG BW v. 27.11.1973 – I B 129/73, BB 1974, 1108: 1 %; FG Münster v. 13.12.1974 – VII 685/74, EFG 1975, 471: 6–15 % abhängig vom Gewinn der GmbH & Co. KG; Selle, DB 1993, 2040. 3 BFH v. 3.2.1977 – IV R 122/73, BStBl. II 1977, 346 = GmbHR 1977, 186. 4 BFH v. 23.8.1990 – IV R 71/89, BStBl. II 1991, 172 = GmbHR 1991, 177. 5 FG Rh.-Pf. v. 16.3.1989 – 4 K 463/86, EFG 1989, 457. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 = GmbHR 1988, 159. 7 BFH v. 23.8.1990 – IV R 71/89, BStBl. II 1991, 172 = GmbHR 1991, 177; zustimmend Döllerer, DStR 1991, 1033 (1035); Autenrieth, GmbHR 1992, 445 (446). 8 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 9 II 2d), S. 395.
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§6
Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG
halb als Nutzungseinlage anzusehen ist; es bleibt deshalb die Kritik, dass die Entscheidung des BFH vom 23.8.1990 nicht mit derjenigen des Großen Senats vom 26.10.1987 zur Nutzungseinlage übereinstimmt. Die Angemessenheit der Gewinnverteilung ist nicht Jahr für Jahr separat zu überprüfen. Es reicht vielmehr aus, wenn die Vergütung der GmbH auf Dauer gesehen zu einer angemessenen Entlohnung der Komplementär-GmbH führt.1
6.186
4. Gewinnanteil der Kommanditisten Der auf die Kommanditisten entfallende Gewinn- bzw. Verlustanteil ist in nahezu allen Gesellschaftsverträgen detailliert geregelt. Häufig anzutreffen sind Regelungen, wonach zunächst der Komplementär-GmbH die Aufwendungen für die Geschäftsführung erstattet werden, ihr sodann – im Gewinn- wie im Verlustfall – aus dem Gewinn eine Haftungsrisikoprämie zugewiesen wird, ggf. ein gewisser Anteil des erwirtschafteten Gewinns in Rücklagen einzustellen ist und der Restgewinn den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitaleinlagen zusteht. Bei einer kapitalmäßig nicht beteiligten Komplementär-GmbH ist hinsichtlich eines Verlustes vielfach die Regelung anzutreffen, wonach diese im Innenverhältnis am Verlust nicht teilnimmt, ohne dass hierdurch die Haftung der Kommanditisten erweitert wird. Solche oder ähnliche Ergebnisverteilungsabreden sind auch steuerlich anzuerkennen, wenn sie – wie unter Fremden regelmäßig zu vermuten – Ausdruck eines natürlichen wirtschaftlichen Interessengegensatzes und damit als betrieblich veranlasst anzusehen sind.
6.187
VI. Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG 1. Allgemeines Mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 20082 wurde durch das UntStRG 20083 mit der Vorschrift des § 34a EStG eine Tarifbegünstigung für thesaurierte Gewinne von Personengesellschaften eingeführt. Der Steuerpflichtige kann für den Gewinnanteil, den er nicht entnommen hat, zu einer pauschalen Besteuerung optieren. Der reduzierte pauschale Steuersatz beträgt 28,25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Bei einer späteren Entnahme wird der nicht entnommene Gewinn i.H.v. 25 % nachversteuert.
6.188
§ 34a EStG soll keine rechtsformneutrale, sondern eine belastungsneutrale Besteuerung herstellen.4 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und
6.189
1 BFH v. 24.7.1990 – VIII R 290/84, BFH/NV 1991, 191 = GmbHR 1990, 570; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG Rz. 302 „GmbH & Co. KG“. 2 Dies ergibt sich aus § 52 Abs. 48 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Bei Personengesellschaften mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr ist bereits ein Gewinn aus dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 begünstigt (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). 3 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 4 BT-Drucks. 16/5377 v. 18.5.2007; s. auch Hey, DStR 2007, 925 (926); zur Kritik, s. Knirsch/ Maiterth/Hundsdoerfer, DB 2008, 1405; Fechner/Bäuml, DB 2008, 1652.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Land- und Forstwirtschaft sollen tariflich in gleicher Weise wie Kapitalgesellschaften belastet werden. Bis zur Einführung des § 34a EStG war die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gegenüber einer Personengesellschaft im Thesaurierungsfall günstiger. Die Ungleichbehandlung verschärfte sich durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 %.1 Die Regelung des § 34a EStG soll zudem die Eigenkapitalbasis von Personengesellschaften stärken.2
2. Berechtigte Steuerpflichtige 6.190
Die Tarifbegünstigung nach § 34a EStG kann nur das Einkommensteuersubjekt in Anspruch nehmen, d.h. bei einer GmbH & Co. KG nur eine an der Mitunternehmerschaft beteiligte natürliche Person. Die Vorschrift gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen.3 Eine doppelstöckige Personengesellschaft kann für den Gewinn der Untergesellschaft keine Besteuerung nach § 34a EStG beantragen. Da der Gewinn der Untergesellschaft in der Steuerbilanz der Obergesellschaft enthalten ist, steht dieses Recht lediglich dem Mitunternehmer an der Obergesellschaft zu.4
6.191
Der Gewinn der Personengesellschaft muss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. nach § 5 EStG ermittelt sein. Mitunternehmer von Personengesellschaften, die ihren Gewinn nach der Einnahmeüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind von § 34a EStG daher nicht erfasst.5
6.192
Im Gegensatz zu einem Einzelunternehmer, der grundsätzlich zur Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung berechtigt ist, ist ein Mitunternehmer einer Personengesellschaft gem. § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung6 nur für solche Mitunternehmeranteile berechtigt, bei denen der Anteil an dem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG oder § 5 EStG ermittelten Gewinn mehr als 10 % beträgt oder den Betrag von 10 000 Euro übersteigt.
6.193
Die 10 %-Grenze bezieht sich auf den Gewinnanteil nach Gesellschaftsvertrag, wobei auf den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 5 EStG abzustellen ist. Dem steuerpflichtigen Gewinn kommt bei der Frage der Antragsberechtigung damit keine Bedeutung zu.
6.194
Die absolute Grenze von 10 000 Euro bezieht sich auf das anteilige Ergebnis nach Steuerbilanz, Ergänzungsbilanz und Sonderbilanz. Außerbilanzielle Korrekturen sind nicht zu berücksichtigen.
1 § 23 Abs. 1 KStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912, mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 (§ 34 Abs. 11a KStG). 2 BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 30. 3 Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 11, 38, Eine Nachversteuerung fällt unter den Betriebsstättenartikel des ggf. anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens. 4 S. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 21. 5 Ebenso sind Steuerpflichtige ausgeschlossen, die ihren Gewinn nach § 5a EStG bzw. § 13a EStG ermitteln. 6 So BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 63; Gragert/Wißborn, NWB Fach 3, S. 14621 (14624).
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§6
Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG
3. Antragserfordernis Die Tarifbegünstigung nach § 34a EStG wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag ist an das für die Einkommensbesteuerung zuständige Finanzamt zu richten. Damit dürfte das Wohnsitzfinanzamt des jeweiligen Mitunternehmers gem. § 19 AO gemeint sein. Der Antrag muss für jeden Mitunternehmeranteil und für jeden Veranlagungszeitraum gesondert gestellt werden (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG). Einer einheitlichen Antragstellung aller Mitunternehmer einer Personengesellschaft bedarf es nicht. Ein Steuerpflichtiger kann für jeden seiner Betriebe oder Mitunternehmeranteile das Wahlrecht separat ausüben. Bei mehrstufigen Mitunternehmerschaften ist grundsätzlich jeder Mitunternehmeranteil gesondert zu betrachten. Allerdings ist das Ergebnis der Unterpersonengesellschaft aufgrund der Spiegelbildmethode im Ergebnis der Oberpersonengesellschaft enthalten, so dass hier aus Praktikabilitätsgründen eine Beschränkung des Antragsrechts auf den Mitunternehmeranteil an der Oberpersonengesellschaft vorgenommen werden sollte.
6.195
Der Antrag kann bis zur materiellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellt und bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids für den nächsten Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise zurückgenommen werden (§ 34a Abs. 1 Satz 4 EStG).
6.196
4. Begünstigter Gewinn Der von der Thesaurierungsbesteuerung begünstigte Gewinn ist der nicht aus der Personengesellschaft entnommene Gewinn i.S.v. § 34a Abs. 2 EStG des Mitunternehmeranteils eines Mitunternehmers, für den der steuerpflichtige Mitunternehmer den Antrag auf Pauschalbesteuerung gestellt hat.
6.197
Der nicht entnommene Gewinn wird in § 34a Abs. 2 EStG allgemein als der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 bzw. nach § 5 EStG ermittelte Gewinn definiert, der um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres zu vermindern ist. „Entnahmen“ und „Einlagen“ bestimmen sich nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Vorschriften.1
6.198
Allgemeines Schema zur Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns: Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres ./. = + ./. = ./. =
6.199
Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres Unterschiedsbetrag Entnahmen (i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) Einlagen (i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) Gewinn i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG positiver Saldo der Entnahmen und Einlagen nicht entnommener Gewinn
1 Hierzu zählen auch Korrekturen bei einer Ent- oder Verstrickung von Wirtschaftsgütern nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG. So auch Ley, KÖSDI 2007, 15737 (15745); Schultes-Schnitzlein/Keese, NWB Fach 3, S. 14692, Heft 33; a.A. Thiel/Sterner, DB 2007, 1099 (1105).
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§6 6.200
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Bei Personengesellschaften setzt sich der bilanziell ermittelte Gewinnanteil aus dem anteiligen Steuerbilanzergebnis der Personengesellschaft (Gesamthandsbilanz), der Ergänzungsbilanz sowie der Sonderbilanz zusammen. Der Entnahmebzw. der Einlagebegriff ist betriebsbezogen, d.h. bezogen auf den jeweiligen Mitunternehmeranteil zu verstehen. Ein Vermögenstransfer zwischen Gesamthandsund Sonderbetriebsvermögens eines Mitunternehmers stellt keine Entnahme bzw. Einlage dar.1 Wird allerdings ein Wirtschaftsgut von außerhalb der Mitunternehmerschaft in die Gesamthand oder in das Sonderbetriebsvermögen überführt, liegt eine Einlage vor. Im umgekehrter Fall eine Entnahme. Eine Gutschrift der Geschäftsführervergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers auf seinem privaten Bankkonto ist daher als eine Entnahme aus seinem Sonderbetriebsvermögen zu qualifizieren.2 Das allgemeine Schema zur Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns muss daher weiterentwickelt werden. Schema für die Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns bei Personengesellschaften:
6.201
Steuerbilanzergebnis (Gesamthandsbilanz) +/– +/– = ./.
Ergänzungsbilanzergebnis Sonderbilanzergebnis Gewinn i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG positiver Saldo der Entnahmen (i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) und Einlagen (i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) nicht entnommener Gewinn bei Personengesellschaften
= 6.202
Da somit lediglich auf das Ergebnis nach Steuerbilanz (einschließlich Ergänzungsund Sonderbilanz) abgestellt wird, sind außerbilanzielle Korrekturen wie z.B. die Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 5, 5a EStG, § 4h EStG oder die Hinzurechnung nach § 10 AStG anders als beim zu versteuernden Einkommen nicht zu berücksichtigen.3 Diese Korrekturen setzen erst nach der Ermittlung des Gewinns i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG an.4
6.203
Dies gilt auch für die Gewerbesteuer, die nach § 4 Abs. 5b EStG keine Betriebsausgabe ist und damit steuerlich nicht abzugsfähig ist. Die Gewerbesteuer ist nicht als Entnahme zu behandeln, da sie als Objektsteuer betrieblich und nicht privat veranlasst ist und damit nicht entnommen werden kann.5 Der Thesaurierungssteuersatz erhöht sich daher um die auf die Gewerbesteuer entfallende Einkommen1 So auch Ley, KÖSDI 2007, 15737 (15753). 2 Ley, KÖSDI 2007, 15737 (15754). 3 BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 63; Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 25; BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 16. 4 Hey, DStR 2007, 925 (928); Gragert/Wissborn, NWB Fach 3, S. 14621 (14628 f.); SchultesSchnitzlein/Keese, NWB Fach 3, S. 14683 (14684); a.A. Schiffers, GmbHR 2007, 841 (842). 5 So auch FG Münster v. 19.2.2014 – 9 K 511/14 F, EFG 2014, 1201 = FR 2014, 611 (rkr.); Bäumer, DStR 2007, 2089 (2090), Hey, DStR 2007, 927 (928); Kleineidam/Liebchen, DB 2007, 409 (410); Schiffers, GmbHR 2007, 841 (843); Thiel/Sterner, DB 2007, 1099 (1100); Gragert/ Wissborn, NWB Fach 3, S. 14621 (14629); a.A. Pohl, BB 2007, 2483 (2484); Schultes-Schnitzlein/Keese NWB, Fach 3, S. 14683 (14688).
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§6
Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG
steuer. Es ergibt sich hiernach bei einem Hebesatz von 400 % eine Thesaurierungsbelastung i.H.v. 32,25 %. Steuerfreie Gewinnanteile wie z.B. der steuerfreie Teil nach dem Halb- bzw. dem seit Veranlagungszeitraum 2009 geltenden Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG, der Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen oder freigestellte ausländische Betriebsstättenergebnisse sind in der Größe des nicht entnommenen Gewinns i.S.v. § 34a Abs. 2 EStG enthalten. Steuerfreie Gewinnanteile können allerdings nicht in den Genuss eines begünstigten Steuersatzes kommen. Nur der steuerpflichtige Gewinn ist begünstigungsfähig.1 Aus der Gesetzesbegründung geht jedoch hervor, dass steuerfreie Gewinnanteile in dem Jahr, in dem sie erzielt werden, vorrangig entnommen werden können.2 Dies wird anhand eines Fallbeispiels verdeutlicht.
6.204
Beispiel3 Der Steuerpflichtige erzielt im WJ 01 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 100 000 Euro, darin enthalten ist ein steuerfreier Gewinn von 50 000 Euro. Im WJ 01 tätigt der Steuerpflichtige Entnahmen von 50 000 Euro.
6.205
Fraglich ist, mit welchem Gewinnbestandteil die Entnahme des Steuerpflichtigen zu verrechnen ist. § 34a EStG enthält keine explizite Regelung zur Verwendungsreihenfolge bei Entnahmen wie dies z.B. bei Kapitalgesellschaften bzgl. des Einlagekontos mit § 27 KStG der Fall ist. Aus der Buchhaltung lässt sich nicht erkennen, ob sich eine Entnahme aus steuerfreien oder steuerpflichtigen Gewinnbestandteilen gespeist wird. Die Entnahme könnte im vorliegenden Fall daher gleichmäßig vom steuerpflichtigen und steuerfreien Gewinn abgezogen werden. Das hätte zur Folge, dass der steuerpflichtige Gewinn i.H.v. 50 000 Euro nur zur Hälfte, d.h. i.H.v. 25 000 Euro, der Thesaurierungsbegünstigung unterliegen würde.4 Aufgrund des Grundsatzes der vorrangigen Entnahme der steuerfreien Gewinnanteile, ist davon auszugehen, dass die Entnahme vollständig aus dem steuerfreien Gewinnanteil i.H.v. 50 000 gespeist wird. Der gesamte steuerpflichtige Gewinn i.H.v. 50 000 Euro kann daher nach § 34a EStG begünstigt besteuert werden.5
Bei Organschaften ist fraglich, ob die einer Personengesellschaft als Organträgerin zugerechneten zu versteuernden Einkommen der Organgesellschaften zum nicht entnommenen Gewinn zählen. Das Gesetz enthält hierzu keine Ausführungen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist dies zu bejahen.6 Dies ist auch sachge1 Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 26; Gragert/Wissborn, NWB Fach 3, S. 14621 (14628); Ley, KÖSDI 2007, S. 15737 (15748); Thiel/Sterner, DB 2007, 1099 (1100); BMF v. 11.8.2008, BStBl. I 2008, 838 Tz. 17. 2 BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 63: „Steuerfreie Gewinnanteile (z.B. Auslandsgewinnanteile, steuerfreie Teileinkünfte) sind aufgrund ihrer Steuerfreiheit nicht Gegenstand der Thesaurierungsbegünstigung. Steuerfreie Gewinnanteile sind jedoch in dem nicht entnommenen Gewinn enthalten. Entnahmen werden daher vorrangig von den steuerfreien Gewinnanteilen des laufenden Wirtschaftsjahres abgezogen. Im Ergebnis steht dem Steuerpflichtigen dadurch ein erhöhtes Thesaurierungsvolumen zur Verfügung.“ 3 Vgl. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, S. 102. 4 Vgl. Pohl, BB 2007, 2483 (2484). 5 So auch die in der Gesetzesbegründung enthaltene Lösung, s. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3. 2007, S. 102. 6 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 11; ebenso Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 20, 35. Zu den Auswirkungen organschaftlicher Mehr- und Minderabführungen Freeden/Rogall, FR 2009, 758; s. auch Rz. 6.616.
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6.206
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
recht, weil das steuerliche Ergebnis der Organgesellschaft dem Organträger – der GmbH & Co. KG – steuerlich zugerechnet wird und von den Mitunternehmern zu versteuern ist. Im Falle der Thesaurierung des zugerechneten steuerlichen Ergebnisses dürfen die Mitunternehmer nicht anders behandelt werden, als wenn die GmbH & Co. KG den Gewinn selbst erzielt hätte. Bei Doppelstockgesellschaften gehen die Gewinnanteile der Unterpersonengesellschaft in das steuerbilanzielle Ergebnis der Oberpersonengesellschaft ein (Spiegelbildmethode) und sind daher im Begünstigungsbetrag enthalten. 6.207
Der Teil des nicht entnommenen Gewinns, für den der Steuerpflichtige einen Antrag für die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG gestellt hat, ist der Begünstigungsbetrag (§ 34a Abs. 3 Satz 1 EStG). Dieser Betrag ist die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG i.H.v. 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Für Zwecke der Einkommensteuervorauszahlung gilt die Tarifbegünstigung jedoch nicht (§ 37 Abs. 3 Satz 5 EStG).1
5. Nachversteuerung a) Nachversteuerungspflichtiger Betrag 6.208
Die Tarifbegünstigung des thesaurierten Gewinns führt zur Entstehung nachversteuerungspflichtiger Beträge. Basis der Ermittlung des nachversteuerungspflichtigen Betrags ist der Begünstigungsbetrag, von dem die darauf entfallene Steuerbelastung abgezogen wird. Unter bestimmten Umständen können nachversteuerungspflichtige Beträge übertragen werden (§ 34a Abs. 3 Satz 2 EStG). Dies gilt es zu berücksichtigen.
6.209
Schema zur Ermittlung des nachversteuerungspflichtigen Betrages: Beantragter Begünstigungsbetrag i.S.v. § 34a Abs. 1 EStG im Veranlagungszeitraum ./. Steuerbelastung nach § 34a Abs. 1 EStG zuzüglich Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % + Nachversteuerungspflichtiger Betrag des Vorjahres + auf den Betrieb/Mitunternehmeranteil übertragener nachversteuerungspflichtiger Betrag gem. § 34a Abs. 5 EStG ./. Nachversteuerungsbetrag gem. § 34a Abs. 4 EStG ./. auf einen anderen Betrieb/Mitunternehmeranteil nach § 34a Abs. 5 EStG übertragener Betrag = nachversteuerungspflichtiger Betrag zum Ende des Veranlagungszeitraums gem. § 34a Abs. 3 EStG
6.210
Im Schrifttum ist umstritten, wie die nach § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG abzusetzende „Steuerbelastung nach Absatz 1“ zu verstehen ist. Zum Teil wird auf den pauschalen Steuersatz gem. § 34a Abs. 1 EStG i.H.v. 28,25 % zuzüglich Solidaritäts1 So auch Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 11.
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§6
Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG
zuschlag abgestellt.1 Andere wollen die tatsächliche Gesamtbelastung auf den einbehaltenen Gewinn unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer und der Gewerbesteueranrechnung absetzen.2 Abgesehen von großen praktischen Schwierigkeiten, die die Einbeziehung der Belastungswirkung der Gewerbesteuer auslösen würde, spricht bereits die Ausgestaltung des § 34a EStG als einkommensteuerliche Tarifvorschrift und der in § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG enthaltene konkrete Verweis auf die Steuerbelastung nach § 34a Abs. 1 EStG, wo der Steuersatz i.H.v. 28,25 % ausdrücklich genannt ist, für den Abzug der pauschalen Steuerbelastung i.H.v. 28,25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag. b) Feststellungsbescheid Der nachversteuerungspflichtige Betrag ist jährlich für jeden Betrieb oder Mitunternehmeranteil gesondert festzustellen und fortzuschreiben (§ 34a Abs. 3 Satz 3 EStG). Zuständig ist gem. § 34a Abs. 9 Satz 1 EStG das für die Einkommensbesteuerung zuständige Finanzamt. Der Feststellungsbescheid kann jeweils nur insoweit angegriffen werden, als sich der nachversteuerungspflichtige Betrag gegenüber dem nachversteuerungspflichtigen Betrag des Vorjahres geändert hat (§ 34a Abs. 9 Satz 2 EStG). Die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags kann mit dem Einkommensteuerbescheid verbunden werden (§ 34a Abs. 9 Satz 3 EStG).
6.211
c) Nachversteuerung bei Entnahmeüberschuss Zu einer Nachversteuerung kommt es immer dann, wenn der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen eines Wirtschaftsjahres bei einem Mitunternehmeranteil den Gewinn laut Steuerbilanz, Ergänzungs- und Sonderbilanz inkl. der steuerfreien Anteile übersteigt (§ 34a Abs. 4 Satz 1 EStG). Voraussetzung ist ferner, dass zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums ein nachversteuerungspflichtiger Betrag festgestellt wurde.
6.212
Der entnommene nachversteuerungspflichtige Betrag ist gem. § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG mit einem Steuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer zu belasten. Verfahrensrechtlich handelt es sich um eine Einkommensteuer des Jahres, in dem die Nachversteuerung durchzuführen ist. Mangels einer expliziten Regelung zur Verwendungsreihenfolge stellt sich die Frage, welche Gewinne als entnommen gelten, nicht nur bei der Entnahme steuerfreier Gewinne (s. hierzu Rz. 6.204), sondern auch bei regelbesteuerten Gewinnen (d.h. nachversteuerungsfreien Gewinnen, bei denen kein Antrag nach § 34a EStG gestellt wurde) sowie bei vorhandenen Altgewinnen aus der Zeit vor der Geltung der Thesaurierungsbegünstigung. Neu erwirtschaftete, nachversteuerungspflich1 Cordes, WPg 2007, 526 (528); Homburg/Houben/Maiterth, WPg 2007, 376 (379); Schiffers, GmbHR 2007, 841 (843); Schultze zur Wiesche, DB 2007, 1610 (1610); Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 52; Reiß in Kirchhof, § 34a EStG Rz. 60. 2 Dörfler/Graf/Reichl, DStR 2007, 645 (647); Endres/Spengel/Reister, WPg 2007, 478 (482); Herzig, WPg 2007, 7 (11); Hey, DStR 2007, 925 (927); Kaminski/Hofmann/Kaminskaite, Stbg 2007, 161 (165); Kleineidam/Liebchen, DB 2007, 409 (411); Schreiber/Ruf, BB 2007, 1099 (1102).
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6.213
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
tige Gewinne könnten so steuerbegünstigt thesauriert und die Altgewinne bzw. die nachversteuerungsfreien Regelgewinne könnten ohne Nachversteuerung entnommen werden. § 34a Abs. 4 Satz 1 EStG bestimmt jedoch, dass Entnahmen vorrangig aus noch nicht nachversteuerten Gewinnen zu speisen sind. Entnahmeüberschüsse sind damit grundsätzlich zulasten des Nachversteuerungsbetrages zu tätigen. Es gilt die sog. „Last-in-first-out“-Methode. Lediglich Einlagen, die im selben Veranlagungszeitraum wie die Entnahmen getätigt werden, können entnommen werden, ohne eine Nachversteuerung auszulösen. Dasselbe gilt für im selben Wirtschaftsjahr erzielte steuerfreie Gewinnanteile die nach der Gesetzesbegründung auch steuerfrei entnommen werden können.1 Für Entnahmen von ursprünglich steuerfreien Einkommensbestandteilen in späteren Veranlagungszeiträumen2 sowie für thesaurierte Altgewinne aus der Zeit vor Einführung des § 34a EStG, regelbesteuerte Gewinne und bestehendes Eigenkapital ist eine derartige Ausnahme nicht im Gesetz enthalten. Für sie gilt die Reihenfolge des § 34a Abs. 4 Satz 1 EStG. Damit liegt § 34a EStG folgende gedankliche Reihenfolge zugrunde:3 – – – –
Positiver steuerfreier Gewinn des laufenden Jahres, positiver steuerpflichtiger Gewinn des laufenden Jahres, nachversteuerungspflichtiger Gewinn der Vorjahre, steuerfreier und nicht entnommener mit dem persönlichen Steuersatz versteuerte Gewinne der Vorjahre.
6.214
Gestaltungshinweis: Für die Praxis bedeutet das, dass die Entnahmen einer Personengesellschaft auch unterjährig überwacht und gezielt gesteuert werden müssen, um keine unerwünschten Nachversteuerungen aufgrund von Überentnahmen auszulösen. Steuerfreie Gewinnbestandteile sollten möglichst noch im Jahr ihrer Entstehung entnommen werden,4 damit diese nicht der Verwendungsreihenfolge unterworfen werden und ggf. eine Nachversteuerung auslösen.
6.215
Da bei der Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns auch das Sonderbetriebsvermögen einbezogen wird, kann ein Mitunternehmer durch Einlagen oder Entnahmen auch in das oder aus dem Sonderbetriebsvermögen seine individuelle Gewinnverwendungsstrategie verfolgen.5 d) Spezielle Nachversteuerungsfälle gem. § 34a Abs. 6 EStG aa) Betriebsaufgabe/-veräußerung
6.216
Bei Betriebsaufgabe oder -veräußerung bei einer Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils ist gem. § 34a Abs. 6 Nr. 1 EStG eine Nachversteuerung durchzuführen. Die aufgrund der Nachversteuerung geschuldete Steuer kann gem. § 34a Abs. 6 Satz 2 EStG bis zu 10 Jahren zinslos gestundet werden, wenn ihre sofortige Einziehung mit einer erheblichen Härte für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 63. Ley, KÖSDI 2007, 15737 (15748). BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 29. So auch Hölzerkopf/Taetzner, BB 2007, 2769. Schulze zur Wiesche, DB 2007, 1610 (1611).
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Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG
bb) Umwandlungsfälle Im Falle des Formwechsels der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ist gem. § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG eine Nachversteuerung durchzuführen. Das Gleiche gilt für die Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. Wie bei einer Nachversteuerung wegen Betriebsaufgabe oder -veräußerung kann die aufgrund von Umwandlungen ausgelöste geschuldete Nachsteuer ebenfalls bis zu 10 Jahren zinslos gestundet werden (§ 34a Abs. 6 Satz 2 EStG).
6.217
cc) Wechsel der Gewinnermittlungsart Findet bei der Personengesellschaft ein Wechsel der Gewinnermittlungsart vom Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 5 EStG zur Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG (oder zu einer pauschalierten Gewinnermittlung nach § 5a EStG oder § 13a EStG) statt, wäre eine Nachversteuerung der begünstigen Beträge nicht mehr gewährleistet. § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 EStG sieht daher eine Nachversteuerung vor.
6.218
dd) Antrag des Steuerpflichtigen Der Steuerpflichtige kann die Nachversteuerung beantragen (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG). Der Antrag kann auch lediglich für einen Teil des nachversteuerungspflichtigen Betrages gestellt werden.1 Dadurch kann die eintretende Steuerlast auf mehrere Jahre verteilt werden. Im Falle einer geplanten Betriebsübertragung kann der Übertragende den Nachfolger frei von einer „Nachversteuerungslast“ überlassen. Da die Erbschaft- und Schenkungsteuer aus dem niedrig besteuerten Gewinn entrichtet werden kann (s. unter folgender Rz. 6.220), dürfte dieser Anreiz im Regelfall nicht zum Tragen zu kommen.
6.219
e) Ausnahmen von der Nachversteuerung aa) Beträge zur Begleichung von Erbschaft- und Schenkungsteuer Falls ein Mitunternehmer oder sein Rechtsnachfolger Geldbeträge entnimmt, um damit die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu bezahlen, die aufgrund einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils entstanden ist, ist eine Nachversteuerung nicht durchzuführen (§ 34a Abs. 4 Satz 3 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt dies auch für die Zahlung einer ausländischen Erbschaft- oder Schenkungsteuer.2
6.220
bb) Übertragung und Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern Die steuerneutrale Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG löst grundsätzlich auch eine Nachversteuerung aus. Die 1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 45; a.A. Reiß in Kirchhof, § 34a EStG Rz. 79. 2 FinMin. Schleswig-Holstein v. 27.1.2010 – S - 2290a - 001, FMNR051550010.
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6.221
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Übertragung oder Überführung eines Wirtschaftsguts stellt eine Sachentnahme dar. Auf Antrag des Steuerpflichtigen findet gem. § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG eine Nachversteuerung jedoch nicht statt. Der nachversteuerungspflichtige Betrag geht ratierlich, d.h. in Höhe des Buchwerts des übertragenen/überführten Wirtschaftsguts, begrenzt auf die Höhe des Betrags, den die Übertragung/Überführung des Wirtschaftsguts ausgelöst hätte, auf den anderen Betrieb über. cc) Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils/ Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in andere Personengesellschaft 6.222
Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG oder bei der Einbringung des Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils in eine andere Personengesellschaft zu Buchwerten gem. § 24 UmwStG geht der nachversteuerungspflichtige Betrag gem. § 34a Abs. 7 EStG auf den anderen Betrieb bzw. den anderen Mitunternehmer über. Der nachversteuerungspflichtige Betrag wird vom Rechtsnachfolger fortgeführt. Die Übertragung oder Einbringung eines Teilbetriebs ist nicht begünstigt.
6. Verlustverrechnung 6.223
Nach § 34a Abs. 8 EStG dürfen negative Einkünfte weder mit den ermäßigt besteuerten Gewinnen ausgeglichen noch nach § 10d EStG abgezogen werden. Diese Einschränkung verhindert, dass der Begünstigungsbetrag mit negativen Einkünften verrechnet werden kann.
6.224
Allerdings kann der Steuerpflichtige den Antrag auf Nachversteuerung gem. § 34a Abs. 1 Satz 4 EStG stellen, so dass grundsätzlich keine Einschränkungen des Verlustvor- oder -rücktrags vorliegen.
7. Konkurrenzen 6.225
Die Thesaurierungsbegünstigung darf nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht neben anderen Steuervergünstigungen wie z.B. dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG, der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG oder der Besteuerung des sog. carried interest gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG gewährt werden.1 Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG wie auch die Begünstigung gem. § 34a EStG vor, kann der Steuerpflichtige wählen, welche er in Anspruch nimmt.2 Dabei soll es auch möglich sein, nur für einen Teil des Veräußerungsgewinns die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG und für den Rest die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch zu nehmen.3
1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 4. 2 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 6. 3 K. Stein in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34a EStG Rz. 34; Paus, EStB 2008, 322 (323); Bodden, FR 2012, 68 (73); unklar insoweit BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290 a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Tz. 6.
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Verdeckte Gewinnausschüttungen
8. Abschließende Bewertung Ob es für einen Mitunternehmer einer GmbH & Co. KG vorteilhaft ist, den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung zu stellen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist insbes. der individuelle Steuersatz des betroffenen Mitunternehmers sowie die Dauer der Gesellschaft. In die Analyse sollten auch Zinseffekte einbezogen werden.1
6.226
Allgemein lässt sich festhalten, dass die Anwendung der Vorschrift des § 34a EStG umso vorteilhafter ist, desto
6.227
– – – –
höher der individuelle Steuersatz des Mitunternehmers,2 geringer der Entnahmebedarf, länger die Dauer der GmbH & Co. KG und höher die durch die GmbH & Co. KG erwirtschafteten Gewinne
sind. Bei hohen steuerfreien Gewinnbestandteilen oder Altrücklagen kann der Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung wegen der in § 34a EStG festgeschriebenen Verwendungsreihenfolge zu unerwünschten Nachversteuerungen führen. Zu bedenken ist ferner, dass sich die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung als Hemmnis für notwendige Umstrukturierungen erweisen kann. Durch einen Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft wird eine Nachversteuerung ebenso ausgelöst wie durch die Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft.
6.228
In der Praxis werden neben den rein steuerlichen Überlegungen nicht zuletzt auch rein wirtschaftliche Erwägungen, z.B. der Investitionsbedarf der Gesellschaft, die möglichen erzielbaren Renditen bei einer Entnahme und Wiederanlage der Gewinne durch den Gesellschafter, die Liquidität oder die Eigenkapitalquote eine wichtige Rolle spielen.
6.229
VII. Verdeckte Gewinnausschüttungen 1. Allgemeines Es mag zunächst auf Verständnisschwierigkeiten stoßen, dass eine für die Einkommensermittlung von Kapitalgesellschaften geltende Regelung auch im Bereich der GmbH & Co. KG anwendbar ist. Wenn man den Doppelgesellschaftscharakter der GmbH & Co. KG allerdings näher betrachtet, stellt man fest, dass die persönlich haftende Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft ist, die in vielfachen Rechtsbeziehungen zu der GmbH & Co. KG selbst, zu den Kommanditisten oder auch zu ihren eigenen Gesellschaftern stehen kann.
6.230
Verdeckte Gewinnausschüttungen dürften das steuerpflichtige Einkommen einer Kapitalgesellschaft nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. der Einkommensermittlung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
6.231
1 Vgl. Hölzerkopf/Taetzner, BB 2007, 2769. 2 Der individuelle Steuersatz sollte regelmäßig 40 % übersteigen, s. hierzu Schiffers, GmbHR 2007, 841 (845) m.w.N.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht im Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.1 Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses für die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung wird nach ständiger Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn einem Gesellschafter oder einem nahen Angehörigen des Gesellschafters ein Vermögensvorteil zugewendet wird, den ein Geschäftsführer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter oder unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte.2 6.232
Eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der Komplementär-GmbH im Rahmen ihrer Rechtsbeziehungen zur GmbH & Co. KG kann somit nur in Betracht kommen, wenn zwischen ihren Gesellschaftern und den Kommanditisten ganz oder teilweise Gesellschafteridentität besteht oder aber es sich bei den beiden Gesellschaftergruppen um nahe Angehörige oder allgemein einander nahe stehende Personen handelt. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Ehemann Gesellschafter der Komplementär-GmbH und die Ehefrau Kommanditistin ist.3 Bei einer solchen personellen Verbindung ist es durchaus denkbar, dass die GmbH zugunsten der Kommanditistin eine Vermögensminderung hinnimmt oder auf eine Vermögensmehrung verzichtet. So wurde bereits unter Rz. 6.173 ff. im Einzelnen dargelegt, dass der Komplementär-GmbH unter Berücksichtigung ihrer Gesellschafterbeiträge ein bestimmter Mindestgewinnanteil zugewiesen werden muss, anderenfalls in Höhe des Verzichts auf den Mindestgewinnanteil eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten der Gesellschafter der Komplementär-GmbH anzunehmen ist, wenn diese bzw. nahe stehende Dritte, insbesondere Angehörige, an der GmbH & Co. KG als Kommanditisten beteiligt sind.
6.233
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann aber auch bei ordnungsgemäßer Gewinnteilhabe der Komplementär-GmbH vorliegen, wenn ihr Gewinnanteile, auf die sie Anspruch hätte, vorenthalten werden. Dabei ist aber nicht ohne weiteres eine Schmälerung des Gewinnanteils der GmbH am Gewinn der GmbH & Co. KG als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, wenn die Gewinnschmälerung 1 St. Rspr., BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, GmbHR 1989, 307; BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, GmbHR 1989, 430; BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383 = GmbHR 1996, 464; BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545 = GmbHR 1998, 647; BFH v. 29.4. 2008 – I R 67/06, BStBl. II 2011, 55 = GmbHR 2008, 940; BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186 = GmbHR 2011, 46; BFH v. 23.10.2013 – I R 60/12, BFH/NV 2014, 781 = GmbHR 2014, 495 m. Komm. Hoffmann. 2 Z.B. BFH v. 11.2.1987 – I R 177/83, BStBl. II 1987, 461 = GmbHR 1987, 323; BFH v. 29.4. 1987 – I R 176/83, BStBl. II 1987, 733 = GmbHR 1987, 492; BFH v. 10.6.1987 – I R 149/83, BStBl. II 1988, 25 = GmbHR 1988, 40; BFH v. 28.10.1987 – I R 110/88, BStBl. II 1988, 301; BFH v. 27.7.1988 – I R 68/84, BStBl. II 1989, 57 = GmbHR 1989, 51; BFH v. 17.10.1984 – I R 22/79, BStBl. II 1985, 69 = GmbHR 1985, 202; BFH v. 29.4.2008 – I R 67/06, BStBl. II 2011, 55 = GmbHR 2008, 940 m.w.N.; zum „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ eingehend in Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz. 104 ff. 3 Zum Begriff der „nahe stehenden Personen“ Klingebiel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz. 500 ff.; das Näheverhältnis kann außer durch verwandtschaftliche Beziehungen auch durch gesellschaftsrechtliche oder sachliche Beziehungen (z.B. lange geschäftliche Verbindung) begründet sein.
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Verdeckte Gewinnausschüttungen
durch einen Buchungsfehler bedingt gewesen ist, ohne dass der Geschäftsführer hierzu einen Handlungsbeitrag geleistet hat. Die Buchungsfehler erfordern eine Berichtigung der Steuerbilanz.1 Ebenso sind Kassenfehlbestände und die daraus resultierenden Gewinnzuschläge mangels Verursachung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen.2 Gleiches gilt für gewinnerhöhende Hinzuschätzung bei mangelhafter Buchführung.3 Die steuerlichen Auswirkungen einer verdeckten Gewinnausschüttung sind bei der Komplementär-GmbH die gleichen wie bei jeder anderen GmbH. Der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung ist außerhalb der Steuerbilanz hinzuzurechnen und erhöht so das zu versteuernde Einkommen.4 Auf der Gesellschafterebene unterliegt die verdeckte Gewinnausschüttung dem Halb- bzw. dem Teileinkünfteverfahren, falls der Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG). Wird die Beteiligung an der GmbH über eine Kapitalgesellschaft gehalten, ist die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei.5
6.234
Verfahrensrechtlich ist über die Frage, ob eine Komplementär-GmbH verdeckt Gewinne ausgeschüttet hat, nach ständiger Rechtsprechung des BFH6 im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der KG mit bindender Wirkung für das Körperschaftsteuerrecht7 einheitlich zu entscheiden.
6.235
In der Praxis herrscht häufig die Auffassung vor, dass eine Vorteilszuwendung an den Gesellschafter der Komplementär-GmbH i.S. der verdeckten Gewinnausschüttung keine größeren steuerlichen Auswirkungen entfaltet, da sowohl die Qualifikation als verdeckte Gewinnausschüttung durch die Komplementär-GmbH als auch die Behandlung als verdeckte Entnahme bei der GmbH & Co. KG keine Verminderung des zu versteuernden Einkommens verursacht. Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Im Einzelfall kann eine verdeckte Gewinnausschüttung, insbesondere nach der Einführung des Teileinkünfteverfahrens, zu einer erheblichen Steuermehrbelastung führen.
6.236
1 BFH v. 24.3.1998 – I R 88/97, BFH/NV 1998, 1374 = GmbHR 1998, 1044; für zu hoch gebildete Rückstellungen: BFH v. 18.4.2002 – III R 43/00, BStBl. II 2003, 149 = GmbHR 2002, 860; zu Fehlbuchungen, die ein steuerlicher Berater verursacht hat: FG Saarl. v. 28.1.1994 – 1 K 203/93, GmbHR 1994, 491; allgemein zu Fehlbuchungen: FG Düsseldorf v. 17.5.1989 – 6 K 193/81, GmbHR 1990, 57, wonach es nicht darauf ankommen soll, ob der Geschäftsführer den Buchungsfehler durch mangelnde Aufsicht mitverursacht hat. 2 FG Nds. v. 5.7.1990 – VI 232/89, GmbHR 1991, 344; BFH v. 9.8.2000 – I R 82/99, GmbHR 2000, 208. 3 FG Nds. v. 11.10.1991 – VI 14/91, GmbHR 1992, 688. 4 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366 = GmbHR 1994, 894; BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 = GmbHR 2001, 1163; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 32/02, BStBl. I 2002, 603; für eine Berücksichtigung in der Steuerbilanz Briese, BB 2014, 1943. 5 Wenn es sich nicht um eine Streubesitzbeteiligung i.S.v. § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG handelt. 5 % gelten allerdings als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe, s. § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG. 6 BFH v. 6.8.1985 – VIII R 280/81, BStBl. II 1986, 17 = GmbHR 1986, 134; BFH v. 29.10.1991 – VIII R 2/86, BStBl. II 1992, 832 = GmbHR 1992, 476; BFH v. 23.3.1995 – IV R 94/93, BStBl. II 1995, 637 = GmbHR 1995, 683; BFH v. 15.9.2004 – I R 7/02, BStBl. II. 2005, 867 = GmbHR 2005, 240; zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung s. Rz. 6.371 ff. 7 BFH v. 24.3.1998 – I R 79/97, BStBl. II 1998, 578 = GmbHR 1998, 947; Klingebiel in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil D Rz. 1212.
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§6 6.237
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Thesaurierte Gewinne unterliegen bei der Komplementär-GmbH dem relativ niedrigen Steuersatz i.H.v. 15 %. Eine verdeckte Gewinnausschüttung führt bei einer natürlichen Person als Gesellschafter zusätzlich zur Besteuerung von 60 % der Dividende mit dem persönlichen Einkommensteuersatz. Auch die Ausgaben, die mit dem Beteiligungsertrag zusammenhängen, können gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur zu 60 % abgezogen werden. Je nach den individuellen Verhältnissen und dem geltenden Gewerbesteuerhebesatz kann die Zurechnung beim Anteilseigner auch zu einer zusätzlichen Gewerbesteuerbelastung führen.
2. Geschäftsführungsvergütungen a) Unangemessene Geschäftsführungsvergütungen 6.238
Verdeckte Gewinnausschüttungen treten in der Praxis häufig in Zusammenhang mit den an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu zahlenden Tätigkeitsvergütungen auf. Ob und inwieweit ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Komplementär-GmbH führt, bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise. Zu unterscheiden sind folgende Fallgruppen: (1) Der Begünstigte ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, aber nicht Mitunternehmer der KG (Rz. 6.239 ff.). (2) Der Begünstigte ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und zugleich Mitunternehmer der KG (Rz. 6.242 ff.). (3) Der begünstigte Kommanditist ist nur Geschäftsführer (nicht Gesellschafter) der Komplementär-GmbH (Rz. 6.246). aa) Begünstigter ist Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH, aber nicht Mitunternehmer
6.239
Ist der Begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, aber nicht Mitunternehmer der GmbH & Co. KG, liegt in Höhe des unangemessenen Teils der Vergütung zweifellos eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an den Gesellschafter-Geschäftsführer vor, wenn der GmbH kein Erstattungsanspruch gegen die KG zusteht. Dies könnte selbst bei vertraglich bestehendem Anspruch der Fall sein, denn die KG wird i.d.R. nur verpflichtet sein, die erforderliche – also angemessene – Vergütung zu erstatten.
6.240
Bei der Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG ist entscheidend, ob die benachteiligten Kommanditisten ebenfalls Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind. Wenn dies der Fall ist, ist von einer erfolgsneutralen Einlage der übrigen Kommanditisten in das Vermögen der Komplementär-GmbH auszugehen, da in dem Vorgang eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gesehen werden kann.1 Sind die benachteiligten Kommanditisten dagegen nicht an der KomplementärGmbH beteiligt, so ist davon auszugehen, dass sie auf einen Teil ihres Gewinnanteils verzichtet haben, um die Komplementär-GmbH in die Lage zu versetzen, dem Geschäftsführer ein überhöhtes Gehalt zu bezahlen. Die Zuwendung erhöht 1 Vgl. Wassermeyer, GmbHR 1999, 18.
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§6
Verdeckte Gewinnausschüttungen
so aus Sicht der GmbH & Co. KG zu 100 % den Gewinnanteil der KomplementärGmbH. Beispiel Die A-Komplementär-GmbH ist mit 10 % vermögensmäßig an der A-GmbH & Co. KG beteiligt. Neben der pauschalen angemessenen Haftungsvergütung erhält die A-GmbH für die Geschäftsführung durch ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer A ein überhöhtes Geschäftsführergehalt von 300 000 Euro. Angemessen wären 200 000 Euro. Die Kommanditisten der A-GmbH & Co. KG sind an der A-GmbH nicht beteiligt und auch keine nahe stehenden Personen deren Gesellschafter.
6.241
Lösung Der unangemessen hohe Anteil des Gehalts i.H.v. 100 000 Euro ist bei der A-GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren (und erhöht durch außerbilanzielle Hinzurechnung ihr zu versteuerndes Einkommen). Die verdeckte Gewinnausschüttung erhöht zugleich den Gewinnanteil der Komplementär-GmbH bei der KG in voller Höhe, da davon auszugehen ist, dass die Kommanditisten in einer ertragsteuerlich relevanten Weise teilweise auf ihren Gewinnanteil verzichtet haben. Eine Einlage der Kommanditisten in die GmbH & Co. KG ist (mangels Veranlassung durch ein Gesellschafterverhältnis) nicht anzunehmen.
bb) Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist zugleich Mitunternehmer der KG Ist der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugleich Mitunternehmer der GmbH & Co. KG, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des unangemessenen Teils der Vergütung vor, und zwar unabhängig davon, ob der Komplementär-GmbH die Geschäftsführervergütung von der GmbH & Co. KG aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung erstattet wird oder nicht.1
6.242
In der Literatur hatte sich bereits frühzeitig Böttcher2 mit dieser Frage befasst und die Möglichkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung deshalb abgelehnt, weil nach ständiger Rechtsprechung des BFH die an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gezahlte Vergütung als eine von der GmbH & Co. KG bezogene Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu gelten habe. Das FG Köln3 glaubte dieser Argumentation mit dem Hinweis begegnen zu können, die BFH-Rechtsprechung bezweifle nicht, dass das Gehalt eines derartigen Geschäftsführers von der GmbH bezogen werde, sie stelle nur diese Zahlung einer Zahlung der KG gleich und begründe damit deren Behandlung als Vorausgewinn des Gesellschafters.
6.243
Eine solche Auffassung offenbart einen Wertungswiderspruch. Voraussetzung für die Hinzurechnung des Geschäftsführergehalts nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Geschäftsführer sein Gehalt von der GmbH & Co. KG für eine Tätigkeit im Dienste der GmbH & Co. KG bezogen hat. Unter Rz. 6.122 f. ist ausgeführt, dass die Gründe der Rechtsprechung für die Hinzurechnung der Geschäftsführergehälter nicht zu überzeugen vermögen.
6.244
1 H.M., FG Nürnberg v. 8.9.1971 – V 88/68, EFG 1972, 126; FG Köln v. 25.3.1981 – X (VIII) 670/76 F, GmbHR 1982, 220 = EFG 1982, 137; Nissen, DB 1971, 2226 (2234); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 718. 2 Böttcher, StbJb. 1966/67, S. 145. 3 FG Köln v. 25.3.1981 – X (VIII) 670/76 F, GmbHR 1982, 220 = EFG 1982, 137.
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Folgt man ihnen jedoch, dann muss das mit allen Konsequenzen geschehen. Die BFH-Rechtsprechung konnte nur zu der Qualifikation der Geschäftsführergehälter als Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gelangen, weil sie sich mit Hilfe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise über die formalen Rechtsbeziehungen und über den faktischen Vorgang der Zahlung hinwegsetzte und somit im Wege der Auslegung das steuerlich relevante Rechtsverhältnis zwischen GmbH & Co. KG und Geschäftsführer herstellt. An dieses durch Auslegung gewonnene Ergebnis, das die Rechtspersönlichkeit der GmbH in diesem steuerlichen Teilbereich negiert, muss konsequenterweise angeknüpft werden, wenn es um die Frage geht, ob bei der GmbH eine Vermögensminderung zugunsten des Geschäftsführers eingetreten ist, die durch das Gesellschaftsverhältnis (zur GmbH) veranlasst ist, oder anders ausgedrückt, ob er einen Vermögensvorteil von der GmbH bezogen hat. Jedenfalls bei vollständiger Auslagenerstattung durch die GmbH & Co. KG wird auch der unangemessene Teil des Geschäftsführergehalts bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als durch die GmbH & Co. KG bezogen anzusehen sein.1 Beispiel 6.245
Die A-Komplementär-GmbH ist mit 10 % vermögensmäßig an der A-GmbH & Co. KG beteiligt. A ist gleichzeitig Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH und alleiniger Kommanditist der A-GmbH & Co. KG. Neben der angemessenen pauschalen Haftungsvergütung erhält die A-GmbH für die Geschäftsführung durch ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer A ein überhöhtes Geschäftsführergehalt von 300 000 Euro. Angemessen wären 200 000 Euro.
Lösung Die überhöhte Vergütung des A ist sowohl durch seine Gesellschafterstellung bei der Komplementär-GmbH als auch durch seine Kommanditistenstellung bei der GmbH & Co. KG veranlasst. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nur insoweit vor, als der überhöhte Teil der Vergütung den Gewinnanteil der Komplementär-GmbH am Restgewinn gemindert hat: 10 % des überhöhten Gehalts von 100 000 Euro = 10 000 Euro. A erzielt korrespondierend dazu einen zusätzlichen Beteiligungsertrag in Höhe von 10 000 Euro nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, der zugleich als Sonderbetriebseinnahme zu qualifizieren ist. In Höhe von 90 000 Euro stellt die überhöhte Vergütung eine Entnahme des A bei der GmbH & Co. KG dar.
cc) Begünstigter Kommanditist ist nur Geschäftsführer (nicht Gesellschafter) der Komplementär-GmbH 6.246
Ist der bestellte Geschäftsführer kein Gesellschafter der Komplementär-GmbH, sondern nur Kommanditist und steht er auch keinem Gesellschafter nahe, fehlt es an einer Veranlassung der Vorteilszuwendung durch die Gesellschafterstellung bei der Komplementär-GmbH. Die Zuwendung ist ausschließlich als Entnahme des Kommanditisten zu qualifizieren. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der begünstigte Kommanditist nahe stehende Person der anderen Kommanditisten ist 1 Vgl. hierzu FG Nürnberg v. 8.9.1971 – V 88/68, EFG 1972, 126; erhält die KomplementärGmbH die von ihr gezahlte Tätigkeitsvergütung von der GmbH & Co. KG nicht erstattet, ist nach Auffassung des BFH eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, wenn die Tätigkeitsvergütung überhöht und der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, BFH v. 18.2.1966 – VI 218/64, BStBl. III 1966, 250.
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und diese anderen Kommanditisten Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind. In diesem Fall kann in Höhe der Benachteiligung der GmbH – im Falle ihrer Beteiligung an der GmbH & Co. KG – (Minderung des auf sie entfallenden Gewinns wegen der Entnahme) eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sein.1 b) Nachzahlungsverbot Die h.M. verfolgt den Gedanken der verdeckten Gewinnausschüttung bezüglich der Tätigkeitsvergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit aller Konsequenz.2 Handelt es sich bei dem betreffenden Geschäftsführer um den beherrschenden Gesellschafter der Komplementär-GmbH, wendet sie auch das sog. Nachzahlungsverbot an.3 Danach ist völlig unabhängig von der Angemessenheit der Tätigkeitsvergütung eine verdeckte Gewinnausschüttung immer dann anzunehmen, wenn die an den Geschäftsführer gezahlte Vergütung nicht von vornherein klar und eindeutig vereinbart war.4 So sind eine am Ende des Wirtschaftsjahres gezahlte Tantieme oder Gehaltszahlungen ohne wirksamen Anstellungsvertrag als verdeckte Gewinnausschüttungen unter dem Gesichtspunkt des Nachzahlungsverbotes zu behandeln.
6.247
Selbst wenn man der h.M. hinsichtlich der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bei unangemessen hoher Tätigkeitsvergütung folgen will, muss das Nachzahlungsverbot nicht nur als eine Überspitzung des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung angesehen werden, sondern ihm fehlt auch die sachliche Rechtfertigung, wenn – wie vielfach üblich – der Komplementär-GmbH alle mit der Geschäftsführung verbundenen Aufwendungen von der GmbH & Co. KG erstattet werden. Mit Hilfe des Nachzahlungsverbotes soll dem beherrschenden Gesellschafter die Möglichkeit der Gewinnmanipulation genommen werden.5 Dieser Zweck ist ein völlig anderer als bei der Komplementär-GmbH. Denn die „normale“ GmbH hat den Gewinn bereits erwirtschaftet, der sodann durch die Sondervergütung an den Gesellschafter-Geschäftsführer gemindert werden soll. Die Komplementär-GmbH hat bis zur Zusage der nachträglichen Vergütung – von dem ihr vertraglich zustehenden Mindestgewinnanteil abgesehen – den Gewinnanteil, der einer Manipulation ausgesetzt sein könnte, noch gar nicht erwirtschaftet. Denn würde die Komplementär-GmbH dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer z.B. eine nachträgliche Tantieme nicht zusagen, gäbe es auch keine Aufwandserstattung durch die GmbH & Co. KG und damit auch keine Einnahme bei der Komplementär-GmbH. Erst durch die Zusage und Zahlung der nachträglichen Tantieme wird die Einnahme bei der Komplementär-GmbH ausgelöst. Einnahme und Ausgabe stehen im untrennbaren Zusammenhang; es gibt somit keinen Manövrierraum für nachträgliche Gewinnminderungen. Eine andere Beurtei-
6.248
1 Wassermeyer, GmbHR 1999, 18. 2 FG Nürnberg v. 8.9.1971 – V 88/68, EFG 1972, 126; FG Köln v. 25.3.1981 – X (VIII) 670/76 F, GmbHR 1982, 220 = EFG 1982, 137; Schulze zur Wiesche, BB 2005, 1137 (1138); Klingebiel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil D Rz. 1237. 3 Allgemein Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz. 200 ff. 4 BFH v. 3.4.2008 – IV B 65/07, BFH/NV 2008, 1469. 5 Im Einzelnen vgl. Gosch in Gosch, § 8 KStG Rz. 325.
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lung ist nur dann angebracht, wenn der Komplementär-GmbH die Aufwendungen für die Geschäftsführung von der GmbH & Co. KG nicht erstattet werden. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn die Komplementär-GmbH mit einem nicht unerheblichen Kapitalanteil an der GmbH & Co. KG beteiligt ist und aus dem ihr zugewiesenen Gewinn – oder aus einem pauschalen Vorabgewinn – ihre Geschäftsführungsaufwendungen selbst zu bestreiten hat. In diesem Falle ist nämlich der Gewinn erwirtschaftet und würde in der Tat durch die nachträgliche Vergütung gemindert. c) Verlustsituation 6.249
Aber auch bei angemessener Tätigkeitsvergütung im Zeitpunkt der Begründung der GmbH & Co. KG kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, wenn unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Gewinnverteilung, insbesondere der Tätigkeitsvergütungen der Kommanditisten, der Komplementär-GmbH ständig Verluste zugewiesen werden. Gerät die Komplementär-GmbH in eine solche Dauersituation, in der für sie ein Verlust des Stammkapitals zu befürchten ist, wird sie jedenfalls den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt ins Auge fassen müssen, da ein gewissenhaft handelnder fremder Geschäftsführer es nicht auf Dauer in Kauf nehmen wird, durch eine zwischenzeitlich wirtschaftlich nicht mehr tragbare Gewinnabrede den Verlust des Stammkapitals hinzunehmen.1
3. Änderung der Gewinnverteilungsabrede 6.250
Eine Vorteilszuwendung durch die Komplementär-GmbH an ihre Gesellschafter, die gleichzeitig Kommanditisten sind, kann auch dadurch geschehen, dass die Gesellschafter der GmbH & Co. KG zu Lasten der Komplementär-GmbH die Gewinnquote und/oder den Anteil am Abfindungs- oder Auseinandersetzungsguthaben ändern. Nachdem die Gestaltungspraxis seit der Entscheidung vom 15.11.19672 und der im Folgenden ergangenen Rechtsprechung (dazu im Einzelnen Rz. 6.242 ff.) weitgehend konkretisierte Anhaltspunkte für die angemessene Gestaltung des Gewinnanteils der Komplementär-GmbH besitzt, haben rechtsprechungsbedingte Anpassungen der Gewinnverteilungsabrede an Bedeutung verloren. Dennoch werden immer wieder Einzelfälle bekannt, in denen nach jahrelanger Praktizierung der bisherigen Gewinnverteilung eine Änderung der Gewinnverteilungsabrede vorgenommen werden soll.
6.251
Ebenso wie eine Änderung anderer vertraglicher Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter – z.B. Vereinbarung über den Mietzins eines vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Gegenstandes, Erhöhung der Zinsen eines gewährten Darlehens – wird man auch eine Änderung der Gewinnverteilung für die Zukunft grundsätzlich als zulässig ansehen müssen, ohne dass hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter der Komplementär-GmbH, die gleichzeitig Kommanditisten sind, zu erblicken ist.3 Das kann allerdings uneinge1 FG Münster v. 21.10.1986 – VI 3120/84 F, GmbHR 1987, 448 = EFG 1987, 262. 2 BFH v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152. 3 BFH v. 3.4.2008 – IV B 65/07, BFH/NV 2008, 1469.
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schränkt nur für solche Fälle der Änderung der Gewinnquote gelten, in denen der Gesellschaftsvertrag zum Änderungszeitraum tatsächlich kündbar ist. Wenn es hingegen an einer Kündigungsmöglichkeit für den Gesellschaftsvertrag fehlt, wird die Minderung der Gewinnquote einer Komplementär-GmbH nur dann nicht als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sein, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Änderung auch unter Fremden vereinbart worden wäre.1 Würde sich also ein fremder Dritter mit einer Änderung der Gewinnverteilung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschaftsvertrag nicht kündbar ist, einverstanden erklären, so wäre diese Änderung auch steuerlich anzuerkennen. Insoweit sind die Verhältnisse des Einzelfalls ausschlaggebend.2 Eine vorzeitige Änderung der Gewinnverteilungsabrede wird man ausnahmsweise mit steuerlicher Wirkung nur für zulässig erachten können, wenn aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse der Gesellschaft den einzelnen Kommanditisten eine wirtschaftliche Machtstellung zukommt, die es auch einem fremden Geschäftsführer angezeigt erscheinen lässt, auf Druck der Kommanditisten einer vorzeitigen Vertragsänderung zuzustimmen. Das gilt z.B., wenn die wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH & Co. KG (z.B. Patente, Know-how) von einem Kommanditisten nur pachtweise zur Verfügung gestellt wurde.3 Ist nach vorstehenden Grundsätzen eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, so sind die Rechtsfolgen unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob mit der Änderung der Gewinnverteilungsabrede nur der laufende Jahresgewinn unter den Gesellschaftern anders aufgeteilt werden soll oder aber ob sich auch die Beteiligung der Komplementär-GmbH an dem Gesamthandsvermögen (Abfindungsbzw. Liquidationsguthaben) verändert.
6.252
Geht es nur um die Änderung der Gewinnverteilungsabrede, hat die Änderung nur Bedeutung für die Verteilung des laufenden Jahresüberschusses, der steuerlich nach der bisher gültigen Gewinnverteilungsabrede weiterzuverteilen ist. I.d.R. wird es sich hierbei um einen begrenzten Zeitraum handeln, und zwar zwischen dem Zeitpunkt der steuerlich nicht wirksam vereinbarten Gewinnänderung und dem Zeitpunkt der möglichen Kündigung des Gesellschaftsvertrages.
6.253
Ist mit der Änderung der Gewinnverteilung – etwa wenn die Änderung sich auch auf die Aufteilung des Abfindungs- und Auseinandersetzungsguthabens bezieht – gleichzeitig eine Änderung der Beteiligung am Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG verbunden, ergeben sich weitere Rechtsfolgen. Da eine Beteiligungsänderung i.d.R. entweder mit einer Kapitalerhöhung oder einer Kündigung der bisher vorhandenen Beteiligung der Komplementär-GmbH verbunden ist, sollen die sich hierbei ergebenden Rechtsfolgen im nachfolgenden Abschnitt behandelt werden.
6.254
1 BFH v. 25.11.1976 – IV R 38/73, BStBl. II 1977, 477; zusammenfassend zu den Kriterien einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Änderungen der Gewinnverteilung zu Lasten der Komplementär-GmbH: BFH v. 27.2.1992 – IV R 69/91, BFH/NV 1993, 386 = GmbHR 1993, 448; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Anhang zu § 8 KStG Rz. 302 „GmbH & Co. KG“; Ritzrow, StBp 1999, 29. 2 Koordinierter Ländererlass v. 13.4.1970 – 52 - S 2252 - 23/67, StEK EStG, § 20 Nr. 34, auf welchen BFH v. 7.5.1987 – IV R 122/84, BFH/NV 1988, 761 Bezug nimmt. 3 BFH v. 25.11.1976 – IV R 38/73, BStBl. II 1977, 477; vgl. auch BFH v. 3.2.1977 – IV R 153/74, BStBl. II 1977, 504.
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4. Kapitalerhöhung/Kündigung der Beteiligung 6.255
Der BFH hat in seinem Urteil vom 25.11.19761 eine verdeckte Gewinnausschüttung bei einer Kapitalerhöhung angenommen. Die Komplementär-GmbH war in dem Fall unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gezwungen, ihre nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zustimmung dazu zu geben, dass das Kapital der KG unter Ausschluss der Komplementärin nur aus Mitteln der bisherigen Kommanditisten erhöht und damit die Rechtsposition der KomplementärGmbH einschneidend verschlechtert und die der Kommanditisten verbessert werde. Den Vermögensvorteil, den die Komplementär-GmbH den Kommanditisten zuwendet, sieht der BFH in der genannten Entscheidung im Übergang eines Bruchteils der Gesellschaftsbeteiligung der Komplementär-GmbH auf die Kommanditisten.
6.256
Der gedankliche Übergang des Bruchteils der Mitunternehmerbeteiligung der Komplementär-GmbH an die Kommanditisten wird daher so behandelt, als liege bei ihnen als Gesellschafter der Komplementär-GmbH eine Ausschüttung in Höhe des fiktiven Verkaufserlöses vor. Bei der Bestimmung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung ist auch der anteilige Geschäftswert der KG mit zu berücksichtigen.2 Der Empfänger der verdeckten Gewinnausschüttung muss die auf ihn übergegangenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens der KG in einer Ergänzungsbilanz aktivieren.
6.257
Die für die Kapitalerhöhung geltenden Grundsätze gelangen auch zur Anwendung, wenn die Komplementär-GmbH ihre bisher bestehende Kapitalbeteiligung kündigt und als Entgelt einen Betrag erhält, der unterhalb des gemeinen Werts der gekündigten Mitunternehmerbeteiligung liegt. Dabei kann sich die KomplementärGmbH nicht darauf berufen, sie habe als Entschädigung den Betrag bekommen, der ihr nach dem Gesellschaftsvertrag zustehe, so z.B. den Buchwert. Denn wird die Kündigung nicht im Interesse der GmbH als Gesellschafterin der Personengesellschaft, sondern im Interesse der Gesellschafter der GmbH ausgesprochen, können sich die Beteiligten nicht auf die Buchwertklausel berufen, da die Kündigung ausschließlich durch das Kapitalgesellschaftsverhältnis veranlasst worden ist.3 Beispiel
6.258
Eine Komplementär-GmbH (deren Gesellschafter gleichzeitig Kommanditisten der KG sind) ist seit dem Wirtschaftsjahr 1 zu 20 % an einer KG beteiligt (stille Reserven und Gewinn). Ab dem Wirtschaftsjahr 5 soll die GmbH nur noch eine angemessene Haftungsvergütung und einen angemessenen Aufwendungsersatz bekommen und nicht mehr kapitalmäßig an der KG beteiligt sein. Die Abfindung setzt sich aus den stillen Reserven, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens im Anlagevermögen enthalten ist, sowie dem Gewinnanteil für das Jahr 4 zusammen. Ein Ausgleich für den anteiligen Firmenwert sowie den Gewinnverzicht ist nicht vorgesehen. 1 BFH v. 25.11.1976 – IV R 90/72, BStBl. II 1977, 467; vgl. auch BFH v. 25.11.1976 – IV R 38/73, BStBl. II 1977, 477; BFH v. 3.2.1977 – IV R 153/74, BStBl. II 1977, 504. 2 BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455 = GmbHR 1987, 241; ferner BFH v. 24.3. 1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705 = GmbHR 1987, 366; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 729. 3 FG München v. 20.8.1987 – XIII 307/85 F, GmbHR 1988, 282 = EFG 1988, 290; zur unentgeltlichen Übertragung der Beteiligung der Komplementär-GmbH an der GmbH & Co. KG durch Umstellung einer Gewinnbeteiligung auf eine Haftungsprämie und die damit verbundene verdeckte Gewinnausschüttung BFH v. 27.2.1992 – IV R 69/91, GmbHR 1993, 448.
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Verdeckte Gewinnausschüttungen
Lösung Die Abfindung für die Komplementär-GmbH muss im Rahmen der Unternehmensbewertung ermittelt werden, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten der GmbH-Gesellschafter und Kommanditisten vermieden werden soll. Ein „ordentlicher und gewissenhafter“ Geschäftsführer einer GmbH würde nicht ohne Abfindung auf künftige Gewinnanteile sowie eine Vergütung des anteiligen Geschäftswerts verzichten.
Gestaltungshinweis: Die Beseitigung der kapitalmäßigen Beteiligung der Komplementär-GmbH kann ggf. auf folgende Weise ohne wesentliche Ertragsteuerbelastung erreicht werden:
6.259
1. Gründung einer weiteren GmbH durch die Kommanditisten der KG 2. Eintritt der neu gegründeten GmbH in die KG (ohne Kapitaleinlage) 3. Verschmelzung der bisherigen Komplementär-GmbH auf die KG. Aufgrund der Verschmelzung geht der Kapitalanteil der Komplementär-GmbH an der KG im Wege des Direkterwerbs auf deren Kommanditisten über.1 Ob die Verschmelzungslösung vorteilhaft ist, hängt davon ab, ob die Steuer auf den Übernahmegewinn niedriger ist als die Steuerbelastung, die sich im Fall der Zahlung einer Abfindung ergibt.
5. Kostenerstattung an Komplementär-GmbH Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt auch dann vor, wenn die Komplementär-GmbH auf Ansprüche gegenüber der GmbH & Co. KG verzichtet, die ihr z.B. aus dem Gesellschaftsvertrag erwachsen. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf die Formulierung im Gesellschaftsvertrag zu legen, welche Aufwendungen der Komplementär-GmbH zu erstatten sind. Ist im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass der Komplementär-GmbH nur die Kosten erstattet werden, die ihr unmittelbar durch die Geschäftsführung entstehen, werden hierunter i.d.R. nur die Geschäftsführervergütungen zu verstehen sein. Die GmbH & Co. KG ist bei dieser Formulierung nicht verpflichtet, der Komplementär-GmbH auch die Körperschaftsteuer oder die Steuerberatungskosten zu erstatten. Eine andere Beurteilung ist jedoch angebracht, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass der KomplementärGmbH alle bei ihr entstehenden Aufwendungen erstattet werden. Bei einer so weitgehenden Formulierung müssten der Komplementär-GmbH auch ihre eigenen Aufwendungen, die ihr aus ihrer bloßen Existenz entstehen, erstattet werden. Da es sich um eine zivilrechtliche Regelung handelt, kommt es auch nicht darauf an, ob die Aufwendungen steuerlich als Betriebsausgaben anerkannt werden oder nicht. Danach wären bei dieser Formulierung z.B. auch die Steuerberatungskosten der Komplementär-GmbH zu erstatten, anderenfalls liegt in der Nichterstattung dieses Betrags eine verdeckte Gewinnausschüttung.
6.260
6. Lieferungen und Leistungen Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch dann anzunehmen, wenn die GmbH & Co. KG Lieferungen oder Leistungen an Gesellschafter der Komplementär1 Hannemann, DB 2000, 2497.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
GmbH oder dem Gesellschafter nahe stehende Personen bewirkt, ohne eine angemessene Gegenleistung hierfür zu fordern.1 6.262
Eine solche Fallkonstellation lag dem BFH-Urteil vom 6.8.19852 zugrunde. Die Preisdifferenz zwischen dem gemeinen Wert der von der GmbH & Co. KG an einen dem Gesellschafter der Komplementär-GmbH nahe stehenden Dritten verkauften Ware und dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis wurde in Höhe der Beteiligungsquote der GmbH von 4,76 % als verdeckte Gewinnausschüttung erfasst; im Übrigen wurde die Preisdifferenz bezüglich des Kommanditisten als (verdeckte) Entnahme bewertet. Eine Bewertungsdifferenz zwischen der verdeckten Gewinnausschüttung (Ansatz zum gemeinen Wert) und der Entnahme (Bewertung zum Teilwert) darf nicht außer Betracht bleiben. In der Praxis werden diese Werte allerdings vielfach übereinstimmen. Auch im Urteilsfall ließen sich daraus keine praktischen Schlussfolgerungen herleiten. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG ergaben sich damit folgende Wertabflüsse: aa) Erhöhung des Gewinnanteils der GmbH entsprechend der Gewinnverteilungsquote um 4,76 % (vGA); bb) Erhöhung des Gewinnanteils des begünstigten Gesellschafters und Kommanditisten (Sonderbetriebseinnahmen) um 4,76 % (vGA der KomplementärGmbH); cc) Erhöhung des Gewinnanteils des Gesellschafters und Kommanditisten um den nicht auf die Komplementär-GmbH entfallenden Gewinnanteil (95,24 %) (verdeckte Entnahme); dd) Erhöhung des Gesamtgewinns der GmbH & Co. KG um die verdeckten Wertabflüsse.
6.263
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch vorliegen, wenn andere Leistungsbeziehungen zwischen der GmbH & Co. KG und einem Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder einer dieser nahe stehenden Personen unausgewogen sind. Gewährt ein Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder GmbH & Co. KG ein partiarisches Darlehen und erhält er hierfür einen unangemessen hohen Gewinnanteil, so kann hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH liegen.3
6.264
Erbringt die Komplementär-GmbH Lieferungen oder Leistungen an die GmbH & Co. KG oder aber ohne Beteiligung am Gesellschaftskapital an Dritte, die den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH nahe stehen, liegt in voller Höhe einer eventuellen Wertdifferenz zwischen vereinbartem Leistungsentgelt und gemeinem Wert der Leistung eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Diese Fälle sind nicht alltäglich, da die Komplementär-GmbH vielfach mit einem Mindeststammkapital von 25 000 Euro ausgestattet an der Neugründung einer GmbH & Co. KG teilnimmt oder aber als persönlich haftende Gesellschafterin in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft eintritt.
1 Allgemein Klingebiel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil D Rz. 1243 ff. 2 BFH v. 6.8.1985 – VIII R 280/81, BStBl. II 1986, 17 = GmbHR 1986, 134. 3 BFH v. 9.6.1994 – IV R 47 - 48/92, BFH/NV 1995, 103 = GmbHR 1995, 239.
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Verdeckte Gewinnausschüttungen
Unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung ist besondere Vorsicht geboten, wenn der eigentliche Gewerbebetrieb ursprünglich bei der GmbH lag und diese auf die neu gegründete GmbH & Co. KG zum Teil entgeltlich, zum Teil auf Pachtbasis übertragen wurde. Sollte nämlich die GmbH bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht den angemessenen Kaufpreis für ihr bisheriges Unternehmen einschließlich eines eventuellen Geschäftswertes gefordert haben, liegt hierin bereits eine verdeckte Gewinnausschüttung begründet.1 Das Gleiche gilt, wenn zwecks Vermeidung der Auflösung von stillen Reserven Anlagegüter auf die GmbH & Co. KG nicht übertragen werden, sondern von der GmbH pachtweise zur Verfügung gestellt werden und der Pachtzins unangemessen hoch ist. In Höhe der Differenz zum angemessenen Pachtzins liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.2
6.265
7. Pensionszusagen Erhält der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH von der GmbH & Co. KG, der zugleich als Kommanditist an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, die Zahlung einer überhöhten Pension3 zugesagt, ist von einer Minderung des Gewinns der KG auszugehen, die jedoch eine korrespondierende Aktivierung im Sonderbetriebsvermögen des begünstigten Gesellschafters gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfährt.4 Bei der GmbH & Co. KG ist die Pensionszusage auf der Grundlage der tatsächlich erteilten (unangemessen hohen) Zusage zu berechnen. Der unangemessen hohe Teil der Rückstellungszuführung ist als Entnahme dem Gewinn der GmbH & Co. KG hinzuzurechnen. Soweit die Zuführung zur Pensionsrückstellung als Entnahme des Kommanditisten zu qualifizieren ist, darf im Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten-Geschäftsführers keine Pensionsforderung korrespondierend aktiviert werden, weil sich Entnahme und Sondervergütung wechselseitig ausschließen.
6.266
Beispiel Dem Gesellschafter-Geschäftsführer A einer Komplementär-GmbH, die zu 10 % am Gewinn der GmbH & Co. KG beteiligt ist, wird eine unangemessen hohe Pensionszusage erteilt. A ist zugleich alleiniger Kommanditist der GmbH & Co. KG. In der Steuerbilanz der GmbH & Co. KG zum 31.12.01 wird deshalb eine Zuführung zur Pensionsrückstellung in Höhe von 10 000 Euro vorgenommen. Angemessen wären 8 000 Euro gewesen.
Lösung Der unangemessene Teil der Zuführung stellt in Höhe von 200 Euro (10 % von 2 000 Euro) eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, die dem Gewinnanteil der Komplementär-GmbH außerbilanziell zuzurechnen ist. Der restliche Betrag von 1 800 Euro erhöht als verdeckte Entnahme den Gewinn der GmbH & Co. KG.
1 BFH v. 17.1.1973 – I R 46/71, BStBl. II 1973, 418. 2 BFH v. 14.8.1975 – IV R 30/71, BStBl. II 1976, 88. 3 Zu den Kriterien s. Schulze zur Wiesche, BB 2005, 1137 (1140); Demuth/Fuhrmann, KÖSDI 2015, 19213 (19216 ff.); Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil D Rz. 601 ff. 4 So BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174 = GmbHR 1998, 553; zur anteiligen Erfassung in der Sonderbilanz aller Gesellschafter s. Rz. 6.139 ff.
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6.267
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
8. Einheitsgesellschaft 6.268
Einen vom Verständnis her recht komplizierten Fall hatte der BFH mit Urteil vom 9.5.19851 zu entscheiden. Die Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH befanden sich im Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG, so dass die GmbH & Co. KG Alleingesellschafterin der GmbH war (Einheitsgesellschaft). Das Vermögen der Komplementär-GmbH bestand nur aus ihrer Beteiligung an der KG. Dies hatte zur Folge, dass die Komplementär-GmbH mittelbar an sich selbst beteiligt war. Die beiden Kommanditisten und auch die Komplementär-GmbH, die mit 3,3 % am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt war, verkauften ihre Anteile an einen Dritten. Dabei gingen die Beteiligten aufgrund der Konstruktion der Einheitsgesellschaft davon aus, dass die Komplementär-GmbH nur mit 3,3 % an sich selbst beteiligt sei und nicht am übrigen Vermögen der Gesellschaft, insbesondere nicht am Grundbesitz. Der BFH ging davon aus, dass ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter der Komplementär-GmbH für diesen Anteil einen Kaufpreis gefordert und erhalten hätte, der 3,3 % der Beteiligung der GmbH auch am übrigen Gesellschaftsvermögen der KG, also am Gesellschaftsvermögen ohne die dazugehörigen GmbH-Anteile, und damit insbesondere dem Grundbesitz der KG, entsprochen hätte. Für die GmbH und ihre Gesellschafter hätte nach Auffassung des BFH kein wirtschaftlich vernünftiger Grund bestanden, die 3,3%ige Beteiligung der GmbH am übrigen Gesellschaftsvermögen, insbesondere am Grundbesitz der KG, ohne angemessene Gegenleistung preiszugeben. Einstweilen frei.
6.269–6.290
VIII. Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) 1. Einleitung 6.291
Die im Rahmen der Unternehmensteuerreform 20082 eingeführte Zinsschranke (§ 4h EStG und mit ergänzenden Regelungen für Körperschaften in § 8a KStG) ersetzt die früher geltenden Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a KStG a.F.3). Im Vergleich zu den Vorschriften der Gesellschafterfremdfinanzierung in § 8a KStG a.F. stellt die Zinsschranke ein allgemeines Betriebsausgabenabzugsverbot für betrieblich veranlasste Zinsaufwendungen dar und ist damit rechtsformunabhängig. Die Finanzverwaltung hat in einem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 zu einer Reihe von Auslegungsfragen Stellung genommen.4 Die Vorschrift ist seit ihrer Entstehung mehrfach geändert worden.
6.292
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch die Regelungen zur Zinsschranke insbesondere verhindert werden, dass durch grenzüberschreitende konzerninterne 1 BFH v. 9.5.1985 – IV R 76/83, BStBl. II 1985, 683 = GmbHR 1986, 64. 2 UntStRG 2008 v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 630. Die Regelungen der Zinsschranke gelten erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.5.2007 beginnen und nicht vor dem 1.1. 2008 enden (§ 52 Abs. 12d Satz 1 EStG). Bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr sind die Regelungen der Zinsschranke somit erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden. 3 Zu § 8a KStG a.F. s. 19. Aufl. 2005, § 8 Rz. 233 ff. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 4 = GmbHR 2008, 887.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
Fremdkapitalfinanzierungen in Deutschland erwirtschaftete Gewinne durch Betriebsausgaben (Fremdkapitalzinsen) gemindert werden (Nutzung eines Steuersatzgefälles durch Steuerminderung im Inland und Versteuerung der Zinseinnahmen im niedriger besteuernden Ausland).1 Der Gesetzgeber hat die Zinsschranke jedoch nicht auf diese Fälle der Ausnutzung eines Steuersatzgefälles beschränkt. Vielmehr erfasst die Zinsschranke auch rein inländische Sachverhalte. Daneben werden nicht nur Vergütungen für Fremdkapital erfasst, die an Anteilseigner gezahlt werden. Die Zinsschranke gilt für jede Art der Fremdfinanzierung, also insbesondere auch für eine Bankenfinanzierung. Die Zinsschranke ist vielfältiger (auch verfassungsrechtlicher) Kritik ausgesetzt.2 Auf der anderen Seite ist festzuhalten, dass die Abzugsbeschränkung der Zinsschranke wegen der Freigrenze von 3,0 Mio. Euro (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG und Rz. 6.307) für kleine und mittlere Unternehmen keine praktische Bedeutung hat. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf die Anwendung der Zinsschranke bei der GmbH & Co. KG eingegangen.
2. Abzugsbeschränkung Die Zinsschranke setzt für die Abzugsbeschränkung systematisch nicht an den Zinsaufwendungen eines Betriebs an, sondern an dem negativen Zinssaldo (Zinsaufwendungen abzgl. Zinserträge). Dies bedeutet, dass die Zinsaufwendungen eines Betriebs jedenfalls in Höhe der Zinserträge des Betriebs voll abzugsfähig bleiben (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Übersteigen die Zinsaufwendungen dagegen die Zinserträge (negativer Zinssaldo), ist der übersteigende Betrag nur bis zur Höhe des „verrechenbaren EBITDA“ abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).3 Das verrechenbare EBITDA beträgt im Ausgangspunkt 30 % des steuerlichen Gewinns des Betriebs. Maßgeblicher Gewinn ist der nach den Vorschriften des EStG – ohne Berücksichtigung der Zinsschranke – ermittelte steuerpflichtige Gewinn des Betriebs (§ 4h Abs. 3 Satz 1 EStG); steuerfreie Einnahmen (z.B. ausländische Betriebsstätteneinkünfte, die nach einem DBA in Deutschland von einer Besteuerung freigestellt sind, vgl. Art. 7 OECD-MA) bleiben damit außer Betracht. Die
1 Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/5491 v. 24.5.2007, S. 2. 2 Vgl. z.B. Neumann, Ubg 2009, 461; zu einem möglichen Verstoß gegen Verfassungsrecht, Gemeinschaftsrecht und gegen DBA zusammenfassend Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 6; zu dieser Diskussion z.B. auch Ismer, FR 2014, 777 ff. m.w.N. und Staats, Ubg 2014, 520 ff. m.w.N.; gegen eine Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke in jüngerer Zeit FG BW v. 26.11.2012 – 6 K 3390/11, BB 2013, 2646 (nrkr. Az. BFH: I R 2/13), FG Nds. v. 11.7.2013 – 6 K 226/11, EFG 2013, 1790 (nrkr. Az. BFH: I R 57/13), FG München v. 2.3.2015 – 7 K 2372/13, EFG 2015, 1127 (nrkr. Az. BFH: I R 18/15); FG München v. 6.3.2015 – 7 K 3431/12, EFG 2015, 1127 (nrkr. Az. BFH: I R 21/15) und FG München v. 6.3.2015 – 7 K 680/12, EFG 2015, 1126 (nrkr. Az. BFH: I R 20/15); ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke dagegen im einstweiligen Rechtsschutz mit ausführlicher Begründung BFH v. 18.12.2013 – I B 85/13, GmbHR 2014, 542 (mit Nichtanwendungserlass BMF v. 13.11.2014 – IV C 2 - S 2742 - a/07/10001:009, BStBl. I 2014, 1516) und FG Münster v. 29.4.2013 – 9 V 2400/12 K, EFG 2013, 1147. Noch offen gelassen durch BFH v. 19.3.2012 – I B 111/11, BStBl. II 2012, 611 = GmbHR 2012, 646. Zum Ruhen von Einspruchsverfahren OFD Nordrhein-Westfalen v. 11.7.2012, DStR 2013, 1947 unter D. 3 EBITDA =„Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization“; zum Begriff des EBITDA z.B. allgemein Küting/Heiden, DStR 2003, 1545.
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6.293
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Zinsschranke kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird.1 6.294
Der steuerliche Gewinn des Betriebs ist um die Zinsaufwendungen und Zinserträge und um die nach §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 2a Satz 2, 7 EStG abgesetzten Beträge zu korrigieren (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG). Außerplanmäßige Abschreibungen (Teilwertabschreibungen) beeinflussen damit anders als Absetzungen für Abnutzung (AfA) den für die Zinsschranke maßgeblichen steuerlichen Gewinn.
6.295
Zum Betrieb einer Mitunternehmerschaft gehört neben dem Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen von Mitunternehmern. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse aus etwaigen Sonderbilanzen bei der Ermittlung des Gewinns des Betriebs zu berücksichtigen sind.2 Ebenfalls zu berücksichtigen sind Ergebnisse aus etwaigen Ergänzungsbilanzen von Mitunternehmern.3 Beispiel
6.296
Der nach § 5 Abs. 1 EStG ermittelte steuerliche Gewinn einer GmbH & Co. KG beträgt auf Ebene der Gesamthand (ohne Anwendung der Zinsschranke) 2,8 Mio. Euro. Das Gesamthandsergebnis ist um an den Mitunternehmer A gezahlte Tätigkeitsvergütungen i.H.v. 1,0 Mio. Euro gemindert worden. Im Rahmen der Zinsschranke zu berücksichtigende AfA ist auf Ebene der Gesamthand i.H.v. 0,2 Mio. Euro angefallen und in dem Ergebnis von 2,8 Mio. Euro bereits berücksichtigt; darüber hinaus ergibt sich für den Mitunternehmer B aus einer positiven Ergänzungsbilanz bei der GmbH & Co. KG im Rahmen der Abschreibung eines Geschäfts- und Firmenwertes ein AfA-Betrag i.H.v. 0,3 Mio. Euro. Der Mitunternehmer C hat als Sonderbetriebsausgaben zu qualifizierenden Zinsaufwand i.H.v. 0,2 Mio. Euro. Auf Ebene der Gesamthand ist Zinsaufwand i.H.v. 2,0 Mio. Euro angefallen (bereits in der Ausgangsgröße von 2,8 Mio. Euro gewinnmindernd enthalten). Das verrechenbare EBITDA der GmbH & Co. KG ermittelt sich wie folgt (Beträge in Mio. Euro): Gewinn auf Ebene der Gesamthand (Ausgangsgröße) + Sondervergütungen (Sonderbetriebseinnahmen A) ./. AfA aus positiver Ergänzungsbilanz B ./. Sonderbetriebsausgaben C Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft + AfA auf Ebene Gesamthand + AfA aus positiver Ergänzungsbilanz B + Zinsaufwendungen Zwischensumme hiervon 30 % = verrechenbares EBITDA
2,8 1,0 ./. 0,3 ./. 0,2 3,3 0,2 0,3 2,2 6,0 1,8
In dem Beispiel könnte danach im Grundsatz der negative Zinssaldo lediglich bis zur Höhe von 1,8 Mio. Euro als Betriebsausgabe abgezogen werden, sofern nicht eine der in Rz. 6.308 ff. dargestellten Ausnahmen erfüllt ist.
6.297
Ist das verrechenbare EBITDA des Betriebs größer als der negative Zinssaldo, ist dieser Teil des verrechenbaren EBITDA in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorzutragen (sog. „EBITDA-Vortrag“, § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG); ein EBITDA-Vortrag entsteht jedoch nicht in Wirtschaftsjahren, in denen die Zinsschranke wegen einer 1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 4 = GmbHR 2008, 887. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 6 Satz 2 = GmbHR 2008, 887. 3 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 29.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
der in § 4h Abs. 2 EStG genannten Ausnahmen erst gar nicht eingreift (§ 4h Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt dies auch (d.h. keine Entstehung eines EBITDA-Vortrags) in Wirtschaftsjahren mit einem positiven Zinssaldo, da andernfalls Steuerpflichtige mit einem negativen Zinssaldo von weniger als 3,0 Mio. Euro anders behandelt würden als Steuerpflichtige mit einem Zinsüberschuss.1 Ein negativer Zinssaldo eines der folgenden Wirtschaftsjahre wird zunächst mit dem verrechenbaren EBITDA des betreffenden Wirtschaftsjahrs verrechnet. Der dann noch nicht ausgeglichene negative Zinssaldo kann mit den EBITDA-Vorträgen verrechnet werden, wobei zunächst der zeitlich älteste EBITDA-Vortrag verrechnet wird (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Die Möglichkeit eines EBITDA-Rücktrags besteht nicht, d.h. die Anwendung der Zinsschranke im Vorjahr kann nicht durch ein nachfolgendes ertragsstarkes Jahr wieder rückgängig gemacht werden. Die Erleichterungen durch den EBITDA-Vortrag sind erst im Jahr 2009 nachträglich in das Gesetz aufgenommen worden2 und verhindern, dass es nach Wirtschaftsjahren mit guter Ergebnissituation in Wirtschaftsjahren mit schwacher Ergebnissituation zu dem Eingreifen des krisenverschärfenden Abzugsverbots für Zinsaufwendungen kommt. Die Regelung zum EBITDA-Vortrag gilt im Grundsatz erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2009 enden, und wirkt nicht zurück (§ 52 Abs. 12d Satz 4 EStG). Bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr konnte somit erstmals für das Wirtschaftsjahr 2010 ein EBITDA-Vortrag gebildet werden. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass bei der erstmaligen Anwendung der Regelungen zum EBITDA-Vortrag auch Altjahre auf Antrag in die Berechnung des EBITDA-Vortrags einbezogen werden.3 Der EBITDA-Vortrag ist gesondert festzustellen (§ 4h Abs. 4 Satz 1 EStG).
6.298
Beispiel Das verrechenbare EBITDA eines Wirtschaftsjahrs beträgt 5,0 Mio. Euro. Der negative Zinssaldo beträgt 3,5 Mio. Euro, so dass sämtliche Zinsaufwendungen als Betriebsausgabe abgezogen werden können. Es entsteht i.H.v. 1,5 Mio. Euro ein EBITDA-Vortrag, der im Grundsatz mit einem negativen Zinssaldo der nächsten fünf Wirtschaftsjahre verrechnet werden kann und damit das Zinsabzugsvolumen in den nächsten Jahren erhöht.
6.299
Bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebs geht ein nicht verbrauchter EBITDAVortrag unter (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG). Die Finanzverwaltung erstreckt diese gesetzliche Regelung auch auf die Übertragung eines Teilbetriebs und das Ausscheiden einer Organgesellschaft aus dem Organkreis.4 Zu einem Untergang des EBITDA-Vortrags kommt es in Höhe der entsprechenden Beteiligungsquote auch,
6.300
1 Vgl. stellvertretend OFD Frankfurt a.M. v. 17.7.2012 – S 2742a A - 4 - St 51, DStR 2012, 1660. 2 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 3 Ergibt sich für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen und vor dem 1.1.2010 enden, rechnerisch ein EBITDA-Vortrag, erhöht dieser auf Antrag das verrechenbare EBITDA des ersten Wirtschaftsjahrs, das nach dem 31.12.2009 endet (§ 52 Abs. 12d Satz 5 EStG). 4 So ausdrücklich zum Zinsvortrag BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 47 = GmbHR 2008, 887; zweifelnd Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a Rz. 244.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
wenn ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 4h Abs. 5 Satz 2 EStG). Hiermit nicht gleichzusetzen ist dagegen der Fall, dass es bei einer doppelstöckigen Mitunternehmerschaft zu einer Änderung im Gesellschafterbestand der Ober-Mitunternehmerschaft kommt.1 Dies hat keine Auswirkungen auf den EBITDA-Vortrag bei der Unter-Mitunternehmerschaft. Auswirkungen auf den EBITDA-Vortrag können sich darüber hinaus durch Umwandlungsmaßnahmen ergeben.2 Anders als ein Zinsvortrag kann ein EBITDA-Vortrag jedoch nicht in entsprechender Anwendung von § 8c KStG dadurch untergehen, dass an der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar eine Körperschaft als Mitunternehmer beteiligt ist und sich bei der Körperschaft ein schädlicher Anteilseignerwechsel ergibt, da dies vom klaren Gesetzeswortlaut nicht erfasst wird (vgl. § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG).3 Tritt ein neuer Mitunternehmer in eine Mitunternehmerschaft ein, kommt es hierdurch nicht zu einer betragsmäßigen Kürzung des EBITDA-Vortrags.4
3. Begriff des Betriebs 6.301
Das Bezugsobjekt der Zinsschranke ist nicht der Steuerpflichtige i.S. des Einkommen-, Gewerbe- oder Körperschaftsteuergesetzes, sondern der „Betrieb“ (eines Steuerpflichtigen). Im Rahmen der Zinsabzugsbeschränkung ist der „Betrieb“ als Oberbegriff für einzelkaufmännische Unternehmen, mitunternehmerische Personengesellschaften und Körperschaften zu verstehen.5 Erfasst werden auch Personengesellschaften, obwohl diese kein Steuersubjekt i.S. des EStG und des KStG sind. Die Zinsschranke gilt demnach sowohl für Einzelunternehmen und Personengesellschaften – z.B. GmbH & Co. KG –, sofern sie Gewinneinkünfte erzielen, als auch für Körperschaften, insbesondere für Kapitalgesellschaften.6 Hauptanwendungsfälle sind dabei Kapitalgesellschaften und gewerbliche Personengesellschaften (darunter die GmbH & Co. KG). Ist eine Personengesellschaft Organträgerin einer ertragsteuerlichen Organschaft (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG), umfasst der Betrieb auch die Organgesellschaften der ertragsteuerlichen Organschaft, da der gesamte Organkreis für Zwecke der Zinsschranke als ein Betrieb gilt (§ 15 Satz 1 Nr. 3 KStG).
6.302
Auf vermögensverwaltende Personengesellschaften findet die Zinsschranke mangels Gewinneinkünften dagegen keine Anwendung.7 Ist eine an sich vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft gewerblich geprägt oder gewerblich infiziert (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG), liegen Gewinneinkünfte vor und kommt die 1 Vgl. hierzu zum gewerbesteuerlichen Verlustabzug R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 2 GewStR. 2 Hierzu Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a Rz. 247 m.w.N. 3 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a Rz. 243. 4 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 116, auch mit weiteren Erläuterungen zu den damit verbundenen Auswirkungen. 5 Hoffmann, GmbHR 2008, 113. 6 Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG gilt die Zinsschranke auch für Kapitalgesellschaften, die Überschusseinkünfte erzielen. 7 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 5 = GmbHR 2008, 887; Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1310).
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
Zinsschranke dagegen zur Anwendung.1 Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften findet die Zinsschranke auf Ebene derjenigen Gesellschafter Anwendung, welche die Beteiligung im Betriebsvermögen halten.2 In diesem Fall greift die Zinsabzugsbeschränkung unmittelbar auf Ebene des betreffenden Gesellschafters ein, wobei das dem Gesellschafter anteilig zuzurechnende Ergebnis aus der vermögensverwaltenden Personengesellschaft den steuerlichen Gewinn des Gesellschafters und damit dessen verrechenbares EBITDA erhöht. Bei doppelstöckigen Mitunternehmerschaften sind die Voraussetzungen der Zinsschranke auf jeder Ebene gesondert zu prüfen, da sowohl die Ober-Mitunternehmerschaft als auch die UnterMitunternehmerschaft jeweils einen Betrieb i.S. der Zinsschranke darstellen. Dabei ist auf die zutreffende Zuordnung der Zinserträge und Zinsaufwendungen (Qualifikation als Sonderbetriebseinnahmen bzw. -ausgaben) zu achten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der für die Zinsschranke maßgebliche steuerliche Gewinn des Gesellschafters um den aus einer Mitunternehmerschaft stammenden Gewinnanteil zu kürzen, um Kaskadeneffekte zu verhindern.3 Entsprechendes gilt für doppelstöckige Personengesellschaften. Fallen aus einer Mitunternehmerschaft Verluste an, wirkt sich die Auffassung der Finanzverwaltung für den Steuerpflichtigen vorteilhaft aus, da sich das verrechenbare EBITDA auf Ebene des Mitunternehmers durch den Verlustanteil aus der Mitunternehmerschaft nicht vermindert.
4. Definition der Zinsaufwendungen Der in § 4h Abs. 1 EStG verwendete Begriff „Zinsaufwendungen“ wird in § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG gesetzlich definiert. Danach sind Zinsaufwendungen „Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben“. Nach § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG führen auch Aufzinsungen unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Kapitalforderungen zu Zinsaufwendungen i.S. der Zinsschranke. Die zivilrechtliche Grundlage ist ohne Bedeutung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist allein entscheidend, dass es sich um Vergütungen für steuerliches Fremdkapital handelt. Dabei sind nur Aufwendungen für die Überlassung von Geldkapital und nicht solche aus der Überlassung von Sachkapital erfasst.4 Zum Fremdkapital gehören insbesondere fest und variabel verzinsliche Darlehen, partiarische Darlehen, typisch stille Beteiligungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechtskapital mit steuerlichem Fremdkapitalcharakter (im 1 So ausdrücklich zur gewerblichen Prägung BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 5 = GmbHR 2008, 887. Zur gewerblichen Infektion dagegen str., für eine Anwendung der Zinsschranke z.B. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341; ablehnend dagegen Winkler/Käshammer, Ubg 2008, 478 (479). 2 Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 5 = GmbHR 2008, 887; vgl. zu dieser Frage zweifelnd an der Auffassung der Finanzverwaltung mit dem Hinweis auf das Fehlen einer § 9 Nr. 2 GewStG entsprechenden Regelung stellvertretend van Lishaut/ Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 (2343); zu dieser Diskussion auch Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 56 und Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG Rz. J 07-15; ausdrücklich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung FG Köln v. 19.12.2013 – 10 K 1916/12, EFG 2014, 521 (nrkr. Az. BFH: IV R 4/13) im Fall einer doppelstöckigen Personengesellschaft. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 11 Satz 1 = GmbHR 2008, 887.
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6.303
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Gegensatz zu Genussrechtskapital mit steuerlichem Eigenkapitalcharakter i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).1 Auf die Dauer der Überlassung des Fremdkapitals kommt es nicht an. Besonderheiten gelten für die Fälle der echten Forfaitierung bzw. des echten Factoring.2 Entgelte für Leasing stellen ebenfalls im Grundsatz keine Zinsaufwendungen dar.3 6.304
Relevante Zinsaufwendungen können nur insoweit vorliegen, als die Zinsaufwendungen auch den maßgeblichen Gewinn gemindert haben. Zinsen, die anderen steuerlichen Abzugsbeschränkungen unterworfen sind, stellen damit keine Zinsaufwendungen i.S. der Zinsschranke dar (z.B. Abzugsverbot durch § 3c Abs. 2 EStG oder § 4 Abs. 4a EStG).4 Auch verliert sich der Charakter als Zinsaufwendungen, wenn Zinsaufwendungen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird (z.B. Bauzeitzinsen), nach § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB als Herstellungskosten aktiviert worden sind. Die spätere Abschreibung des Vermögensgegenstands führt nicht zu Zinsaufwendungen i.S. der Zinsschranke,5 so dass insbesondere bei Immobilieninvestitionen durch die Aktivierung von Bauzeitzinsen ein etwaiges Eingreifen der Zinsschranke während der Bauphase vermieden werden kann.6
6.305
Zinsaufwendungen, die im Inland steuerpflichtige Sondervergütungen eines Mitunternehmers i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind – also z.B. Zinseinnahmen eines Kommanditisten, die er für ein an die GmbH & Co. KG gewährtes Gesellschafterdarlehen erhält –, stellen aus einkommensteuerlicher Sicht weder Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft noch Zinserträge des Mitunternehmers dar, sondern sind in dem Gewinnanteil des Mitunternehmers aus der Personengesellschaft enthalten. Die Sondervergütungen stellen somit auch keine Zinsaufwendungen i.S. der Zinsschranke dar.7 Zinsaufwendungen und -erträge, die Sonderbetriebsausgaben oder -einnahmen eines Mitunternehmers sind, werden der Mitunternehmerschaft zugeordnet,8 da der Betrieb einer Mitunternehmerschaft für steuerliche Zwecke auch das Sonderbetriebsvermögen umfasst. Zu derartigen Sonderbetriebsausgaben zählen z.B. Zinsen, die ein Kommanditist für ein Bankdarlehen bezahlt, wenn das Darlehen Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers bei der KG darstellt (z.B. wegen der Finanzierung der Beteiligung an der GmbH & Co. KG). 1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 11 Satz 3 und 15 ff. = GmbHR 2008, 887. 2 Vgl. hierzu BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 14 = GmbHR 2008, 887. 3 Im Einzelnen BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 25 f. = GmbHR 2008, 887, mit Ausnahmen. 4 Hierzu auch BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 18 = GmbHR 2008, 887. 5 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 20 = GmbHR 2008, 887. 6 Aufzählung weiterer Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Anwendung der Zinsschranke bei Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 9 m.w.N. 7 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 19 = GmbHR 2008, 887; nach anderer Sichtweise heben sich die Zinsaufwendungen und Zinserträge betragsmäßig auf, vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 (2342). 8 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 19 = GmbHR 2008, 887.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
Beispiel Eine GmbH & Co. KG hat insgesamt Zinsaufwendungen i.H.v. 3,0 Mio. Euro getragen. Hiervon entfallen 1,0 Mio. Euro auf ein Darlehen, das der Mitunternehmer A der GmbH & Co. KG gewährt hat. Ein weiterer Mitunternehmer (B) hat den Erwerb der Beteiligung an der GmbH & Co. KG fremdfinanziert; hieraus entsteht ihm Zinsaufwand i.H.v. 2,0 Mio. Euro und damit Sonderbetriebsausgaben in entsprechender Höhe. Für Zwecke der Zinsschranke hat die GmbH & Co. KG Zinsaufwendungen i.H.v. 4,0 Mio. Euro, da die Zinszahlungen i.H.v. 1,0 Mio. Euro an A herauszurechnen sind (bzw. nach anderer Auffassung sich mit dem korrespondierenden Zinsertrag im Sonderbetriebsvermögen bei A ausgleichen) und die Sonderbetriebsausgaben von B i.H.v. 2,0 Mio. Euro hinzuaddiert werden müssen. Das Beispiel zeigt gleichzeitig, dass es auch allein durch Zinsaufwendungen eines einzelnen Mitunternehmers dazu kommen kann, dass wegen Überschreitung der Freigrenze von 3,0 Mio. Euro (siehe sogleich unter Rz. 6.307) die Zinsschranke bei der GmbH & Co. KG eingreifen kann.
6.306
5. Ausnahmen von der Zinsschranke („Escape“-Klauseln) a) Freigrenze von 3,0 Mio. Euro Die Zinsschranke kennt drei Ausnahmen („Escape“-Klauseln). Die praktisch bedeutsamste Ausnahme ist die Freigrenze für einen negativen Zinssaldo von bis zu 3,0 Mio. Euro. Die Zinsschranke ist nach dieser „Escape“-Klausel nicht anzuwenden, wenn der negative Zinssaldo (also der Betrag der Zinsaufwendungen, der den Betrag der Zinserträge übersteigt) weniger als 3,0 Mio. Euro beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG). Bei dem Betrag von 3,0 Mio. Euro handelt es sich um eine Freigrenze. Dies bedeutet, dass bei einem negativen Zinssaldo von 3,0 Mio. Euro der gesamte negative Zinssaldo der Zinsschranke unterliegt. Ursprünglich hatte das Gesetz für die Freigrenze noch einen Betrag von lediglich 1,0 Mio. Euro vorgesehen.1 Die Freigrenze ist betriebsbezogen. So kann insbesondere durch die Strukturierung von Aktivitäten in mehreren Einzelgesellschaften anstatt in lediglich einer Gesellschaft eine Vervielfachung der Freigrenze erreicht werden (z.B. bei Immobilieninvestitionen).2 Umgekehrt ist zu berücksichtigen, dass die Freigrenze für den ertragsteuerlichen Organkreis von der Finanzverwaltung nur einmal gewährt wird (§ 15 Satz 1 Nr. 3 KStG).3 Durch die Etablierung von ertragsteuerlichen Organschaften kann somit der Vorteil aus einer mehrfachen Ausnutzung der Freigrenze zum Nachteil des Steuerpflichtigen entfallen.
6.307
b) „Stand-alone“-Klausel aa) Allgemeines Eine weitere Ausnahme von der Zinsschranke gilt für den Fall, dass der Betrieb nicht oder nur anteilig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG). Die 1 Durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung v. 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959, ist die Freigrenze zunächst rückwirkend (aber zeitlich befristet bis 31.12.2009) auf 3,0 Mio. Euro angehoben worden. Durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950, ist diese zeitliche Befristung entfallen, so dass für die Anwendung der Regelungen der Zinsschranke seit dem Inkrafttreten die höhere Freigrenze von 3,0 Mio. Euro gilt. 2 Hierzu z.B. Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 41 m.w.N. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 57 = GmbHR 2008, 887.
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6.308
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Ausnahme gilt neben Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften auch für Personengesellschaften, bei der keinem Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte zusteht und die auch keine weiteren Beteiligungen halten. Die Ausnahme steht vor dem Hintergrund, dass vom Gesetzgeber als missbräuchlich betrachtete Fremdkapitalgewährungen überwiegend innerhalb verbundener Unternehmen auftreten. In zeitlicher Hinsicht ist für die Frage der Konzernzugehörigkeit nach Auffassung der Finanzverwaltung im Grundsatz auf die Verhältnisse am vorangegangenen Abschlussstichtag abzustellen.1 Dies entspricht der zeitlichen Anknüpfung an den vorangegangenen Abschlussstichtag für den „Eigenkapital-Escape“ in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG. Erwirbt eine Gesellschaft während des laufenden Jahres eine Tochtergesellschaft, ergibt sich eine Konzernzugehörigkeit (und damit potentiell eine Anwendung der Zinsschranke) somit erst für das auf den Erwerb folgende Wirtschaftsjahr. Umgekehrt führt die Veräußerung einer Tochtergesellschaft erst „mit Verzögerung“ dazu, dass kein Konzern i.S. der Zinsschranke mehr vorliegt. bb) Konzerneigenschaft wegen Vollkonsolidierung (Grundfall) 6.309
Ein Betrieb gehört dann zu einem Konzern, wenn er nach dem für die Anwendung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG zugrunde zu legenden Rechnungslegungsstandard mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird oder werden könnte (§ 4h Abs. 3 Satz 5 EStG). Dabei ist ausschließlich auf die Vollkonsolidierung, nicht dagegen auf die Quotenkonsolidierung (z.B. nach § 310 HGB) oder andere Formen der Konsolidierung abzustellen.2 Zu prüfen ist somit, ob eine Vollkonsolidierung des Betriebs mit einem anderen Betrieb i.S. der Zinsschranke möglich wäre. Dass tatsächlich im konkreten Fall eine Vollkonsolidierung erfolgt, ist dagegen nicht erforderlich. Die Beschränkung auf „Betriebe“ i.S. der Zinsschranke bedeutet für die Anwendung des Grundfalls der Konzernzugehörigkeit, dass insbesondere im Falle einer natürlichen Person, welche mehrere Mehrheitsbeteiligungen an Gesellschaften hält, kein Konzern i.S. der Zinsschranke vorliegt. Gerade in diesen Fällen kann jedoch der Erweiterungstatbestand zum Gleichordnungskonzern in § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG zur Anwendung kommen.
6.310
Die maßgeblichen Rechnungslegungsstandards sind in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 8 ff. EStG genannt. Dies sind vorrangig die International Financial Reporting Standards (IFRS), zweitrangig das Handelsrecht eines Mitgliedstaats der EU und drittrangig die United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). Danach dürfen nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaates der EU erstellte Abschlüsse verwendet werden, wenn kein Konzernabschluss nach den IFRS zu erstellen und offenzulegen ist und für keines der letzten fünf Wirtschaftsjahre nach den IFRS erstellt wurde (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 9 EStG); nach den US-GAAP aufzustellende und offenzulegende Abschlüsse sind zu verwenden, wenn kein Konzernabschluss nach den IFRS oder dem Handelsrecht eines Mitgliedstaats der EU zu erstellen und offenzulegen ist. 1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 68 = GmbHR 2008, 887; für eine zeitraumbezogene Betrachtung dagegen Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 90 mit Hinweis auf andernfalls entstehende Ungereimtheiten. 2 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 42.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
Kommt als maßgeblicher Rechnungslegungsstandard das HGB zur Anwendung, ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland insbesondere dann stets zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, wenn ihr bei einem Tochterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zusteht (§ 290 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB).
6.311
cc) Konzerneigenschaft wegen einheitlicher Finanz- und Geschäftspolitik (Gleichordnungskonzern) Das Gesetz qualifiziert einen Betrieb auch dann als konzernzugehörig, wenn seine Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann (sog. „Gleichordnungskonzern“, § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG). Nicht erforderlich ist, dass der beherrschende Rechtsträger von seiner Möglichkeit, die Finanz- und Geschäftspolitik zu bestimmen, auch tatsächlich Gebrauch macht.1 Ein typisches Beispiel für eine dahingehende Möglichkeit wäre ein Rechtsträger (z.B. natürliche Person), der jeweils eine Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft und einer Personengesellschaft hält.2 Dabei ist nicht erforderlich, dass eine natürliche Person als Rechtsträger die Beteiligungen im Betriebsvermögen hält. Die Konzernspitze im Gleichordnungskonzern muss somit (anders als im Grundfall der Konzernzugehörigkeit) selbst nicht „Betrieb“ i.S. der Zinsschranke sein. Da der Gesetzgeber für Personengesellschaften insoweit keine besondere Regelung aufgenommen hat, führt somit auch eine Mehrheitsbeteiligung an zwei Personengesellschaften zu einem Konzern. Ein Konzern liegt ferner vor, wenn eine natürliche Person ein steuerliches Einzelunternehmen (Gewerbebetrieb) betreibt (Betrieb i.S. der Zinsschranke) und darüber hinaus Gesellschafter einer GmbH ist, die sie beherrscht.
6.312
dd) Herausnahme typischer GmbH & Co. KG aus dem Konzernbegriff Nach den unter Rz. 6.312 genannten Grundsätzen wäre eine schädliche Beherrschungssituation (und damit keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme der „Standalone“-Klausel) gegeben, wenn bei einer GmbH & Co. KG
6.313
– die KG und die Komplementär-GmbH durch einen Mehrheitsgesellschafter beherrscht werden, – die KG die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH hält (z.B. Einheits-GmbH & Co. KG) oder – die Komplementär-GmbH die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an der KG hält. Ein Beispiel für einen Gleichordnungskonzern wäre damit auch die EinmannGmbH & Co. KG (eine Person ist alleiniger Kommanditist einer KG und alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH). Sowohl die KG als auch die Komplementär-GmbH würden jeweils einen eigenständigen Betrieb darstellen. Die Ausnahme für nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehörende Betriebe (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG) würde in den typischen Fällen einer GmbH 1 Möhlenbrock, IDW-Skript „Unternehmensteuerreform 2008“, S. 15 mit Verweis auf Scheunemann/Socher, BB 2007, 1149. 2 Möhlenbrock, IDW-Skript „Unternehmensteuerreform 2008“, S. 16; vgl. auch BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 50.
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6.314
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
& Co. KG somit keine Anwendung finden, da bereits zwei Betriebe einen Konzern i.S. der Zinsschrankenregelung bilden können. 6.315
Die Finanzverwaltung hat für die sehr verbreitete Rechtsform der GmbH & Co. KG jedoch in das Schreiben vom 4.7.2008 eine Billigkeitsregelung aufgenommen. Nach ihrer Auffassung gelten bei einer GmbH & Co. KG die KG und die als Komplementärin haftende GmbH als ein Betrieb i.S. der Zinsschranke, wenn sich die Tätigkeit der GmbH – neben ihrer Vertretungsbefugnis – in der Übernahme der Haftung und Geschäftsführung für die KG erschöpft und weder die KG noch die Komplementärin anderweitig zu einem Konzern gehören.1 Dies soll jedoch nicht für den Fall gelten, dass die GmbH darüber hinaus eine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet, wobei die Finanzverwaltung eine solche annimmt, wenn der GmbH Zinsaufwendungen zuzuordnen sind.2 Demnach findet die Zinsschranke zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung für die GmbH & Co. KG, deren Komplementärin ausschließlich als Geschäftsführerin und Vertreterin der KG tätig wird und bei der weder die KG noch die Komplementärin anderweitig zu einem Konzern gehören, keine Anwendung. Dies stellt eine erhebliche Erleichterung für typische GmbH & Co. KGStrukturen dar. ee) Organschaft
6.316
Die Zinsschranke findet im Organschaftsfall nur dann Anwendung, wenn neben dem Organträger und seinen Organgesellschaften weitere Betriebe bestehen und der Organträger und die weiteren Betriebe zu einem Konzern gehören. Ist dies nicht der Fall, greift die „Stand-alone“-Klausel (s. Rz. 6.308 ff.) ein, da der Organkreis als ein Betrieb und gerade nicht als Konzern i.S. der Zinsschranke gilt (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG).3 Durch die Bildung einer ertragsteuerlichen Organschaft kann somit erreicht werden, dass die „Stand-alone“-Klausel erfüllt wird.
6.317
Da Organträger und Organgesellschaften als ein Betrieb i.S. des § 4h EStG gelten, ist die Zinsschrankenregelung im Rahmen von Organschaften nur mit Modifikationen anzuwenden. Nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ist die Zinsschrankenregelung bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden. Aus der organschaftlichen Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft zum Organträger folgt, dass Zinsaufwendungen und Zinserträge der Organgesellschaften beim Organträger zu berücksichtigen sind. Konsequenterweise gilt im Organschaftsfall die Freigrenze von 3,0 Mio. Euro nur einmal für den gesamten Organkreis.4 Darlehensbeziehun1 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 66 = GmbHR 2008, 887; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 82. 2 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 66 = GmbHR 2008, 887. Handelt es sich bei den Zinsaufwendungen um Sonderbetriebsausgaben bei der GmbH & Co. KG (z.B. Zinsen für ein Darlehen zur Finanzierung einer vermögensmäßigen Beteiligung an der GmbH & Co. KG), sind der Komplementär-GmbH keine Zinsaufwendungen zuzuordnen. 3 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 65 = GmbHR 2008, 887. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 57 = GmbHR 2008, 887.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
gen zwischen Organträger und Organgesellschaft wirken sich für die Zinsschranke nicht nachteilig aus, da die Zinsaufwendungen durch entsprechende Zinserträge ausgeglichen werden. c) Konzernübliche Eigenkapitalausstattung („Eigenkapital-Escape“) aa) Grundsatz Die Zinsschranke ist auch für den Fall nicht anzuwenden, dass ein Betrieb zwar zu einem Konzern gehört, seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages jedoch gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (gesetzlich definiert als „Eigenkapitalvergleich“, § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 1 EStG). Verglichen wird somit die Eigenkapitalquote des Betriebs (ggf. unter Einschluss von Organgesellschaften) mit der Eigenkapitalquote des (Gesamt-)Konzerns, wobei hierbei jeweils bestimmte Modifikationen beachtet werden müssen.
6.318
Der Eigenkapitalvergleich ist mit zahlreichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Die Eigenkapitalquote wird im Gesetz sowohl für die Berechnung der Eigenkapitalquote des Betriebs als auch der Eigenkapitalquote des (Gesamt-)Konzerns als das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme definiert (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 3 Halbs. 1 EStG). Das Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns durch den maßgeblichen Betrieb um bis zu zwei Prozentpunkte ist dabei unschädlich (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 2 EStG).1 In gewissem Umfang kann somit die Eigenkapitalquote des Betriebs auch niedriger (schlechter) sein als die Eigenkapitalquote des (Gesamt-)Konzerns, ohne dass deswegen die Vorschriften der Zinsschranke eingreifen. Anders als beim verrechenbaren EBITDA (EBITDA-Vortrag) existiert für die maßgebliche Eigenkapitalquote eine streng stichtagsbezogene Betrachtung, so dass eine schädliche Unterschreitung in einem Wirtschaftsjahr nicht dadurch ausgeglichen werden kann, dass in früheren Jahren die Eigenkapitalquote des Betriebs höher war als die des (Gesamt-)Konzerns.2
6.319
Die Eigenkapitalquote des (Gesamt-)Konzerns bemisst sich nach dem Konzernabschluss, der den Betrieb umfasst. Die Eigenkapitalquote des Betriebs bestimmt sich dagegen auf der Grundlage des Jahresabschlusses oder des Einzelabschlusses (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 3 Halbs. 2 EStG). Bei Neugründungen stellt die Finanzverwaltung auf das Eigenkapital in der Eröffnungsbilanz ab.3
6.320
Die für den Eigenkapitalvergleich maßgeblichen Konzern-, Einzel- und/oder Jahresabschlüsse sind grundsätzlich nach IFRS zu erstellen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c)
6.321
1 Diese Grenze hatte in der ursprünglichen Gesetzesfassung lediglich ein Prozentpunkt betragen. Die durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950, festgeschriebene Erhöhung auf zwei Prozentpunkte ist (anders als die Erhöhung der Freigrenze von 1,0 Mio. Euro auf 3,0 Mio. Euro) nicht mit steuerlicher Rückwirkung erfolgt, sondern findet erstmals auf Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 31.12.2009 enden (bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr somit erstmals für das Wirtschaftsjahr 2010). 2 Kritisch hierzu z.B. Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 47. 3 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 70 = GmbHR 2008, 887.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Satz 8 EStG). Nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaats der EU1 (z.B. HGB) aufgestellte Abschlüsse können nur für den Fall herangezogen werden, dass kein Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen und offenzulegen ist und für keines der letzten fünf Wirtschaftsjahre ein Konzernabschluss nach IFRS aufgestellt wurde (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 9 EStG). Das Gesetz sieht vor, dass bei gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten mindestens das Eigenkapital sowohl des (Gesamt-)Konzerns als auch des Betriebs anzusetzen ist, das sich nach den Vorschriften des HGB ergeben würde (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 4 EStG). Dies führt dazu, dass vom HGB abweichende Rechnungslegungsstandards mit einer abweichenden Einordnung von Eigenkapital und Fremdkapital sich bei Personengesellschaften bei der Durchführung des Eigenkapitalvergleichs nicht nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken. bb) Korrekturen des Eigenkapitals des Betriebs 6.322
Bei der Ermittlung der Eigenkapitalquote des Betriebs ist das nach den jeweiligen Rechnungslegungsstandards ermittelte Eigenkapital für den Eigenkapitalvergleich um folgende Größen zu modifizieren:2 +
im Konzernabschluss enthaltener Firmenwert, soweit er auf den Betrieb entfällt, + ./. Korrektur der Vermögenswerte und Schulden (Ausweis mit den im Konzernabschluss enthaltenen Werten) + die Hälfte des Sonderpostens mit Rücklagenanteil (§ 273 HGB),3 ./. Eigenkapital, das keine Stimmrechte vermittelt – mit Ausnahme von Vorzugsaktien, ./. Anteile an anderen Konzerngesellschaften, ./. Einlagen der letzten sechs Monate vor dem maßgeblichen Abschlussstichtag, soweit ihnen Entnahmen oder Ausschüttungen innerhalb der ersten sechs Monate nach dem maßgeblichen Abschlussstichtag gegenüberstehen; + ./. Sonderbetriebsvermögen ist dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zuzuordnen. 6.323
Die Bilanzsumme des Betriebs ist für den Eigenkapitalvergleich wie folgt zu verändern:4 +
im Konzernabschluss enthaltener Firmenwert, soweit er auf den Betrieb entfällt, + ./. Korrektur der Vermögenswerte und Schulden (Ausweis mit den im Konzernabschluss enthaltenen Werten), ./. Anteile an anderen Konzerngesellschaften, 1 Zu US-GAAP s. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 9 Halbs. 2 EStG. 2 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 75 = GmbHR 2008, 887 mit Verweis auf § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) Satz 5 bis 7 EStG. 3 Dieser Korrekturposten hat durch die Aufhebung des § 273 HGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102, keine praktische Bedeutung mehr. 4 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 76 = GmbHR 2008, 887.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
./.
Einlagen der letzten sechs Monate vor dem maßgeblichen Abschlussstichtag, soweit ihnen Entnahmen oder Ausschüttungen innerhalb der ersten sechs Monate nach dem maßgeblichen Abschlussstichtag gegenüberstehen, ./. Kapitalforderungen, die nicht im Konzernabschluss ausgewiesen sind und denen Verbindlichkeiten i.S. des § 4h Abs. 3 EStG in mindestens gleicher Höhe gegenüberstehen; + ./. Sonderbetriebsvermögen ist dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zuzuordnen.
6. Rückausnahme von der „Stand-alone“-Klausel und der EigenkapitalKlausel bei Gesellschafterfremdfinanzierungen (§ 8a KStG und § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG) a) Allgemeines § 8a KStG beschränkt sich im Wesentlichen auf Verschärfungen der Anwendung der Zinsschranke auf Körperschaftsteuerpflichtige. Während es für den „Grundtatbestand“ der Zinsschrankenregelung nicht auf die Frage ankommt, ob der Fremdkapitalgeber ein Gesellschafter oder eine sonstige Person (z.B. eine Bank) ist, sieht § 8a Abs. 2 und 3 KStG Verschärfungen für bestimmte Gesellschafterfremdfinanzierungen vor. Diese Verschärfungen setzen bei der „Stand-alone“-Klausel und dem „Eigenkapital-Escape“ an und schränken diese für den Steuerpflichtigen vorteilhaften Ausnahmen wieder ein.
6.324
Da eine GmbH & Co. KG selbst nicht körperschaftsteuerpflichtig ist, finden die Verschärfungen nach § 8a KStG auf eine GmbH & Co. KG unmittelbar keine Anwendung. Auch eine GmbH & Co. KG kann jedoch nicht nur von einer sonstigen Person (z.B. einer Bank), sondern gerade auch durch einen Gesellschafter (Mitunternehmer) fremdfinanziert werden. Für eine Mitunternehmerschaft gilt aus diesem Grund § 8a Abs. 2 und 3 KStG entsprechend, wenn diese unmittelbar oder mittelbar einer Körperschaft nachgeordnet ist (§ 4h Abs. 2 Satz 2 EStG, zur erforderlichen Beteiligungshöhe s. Rz. 6.327). Die direkte Fremdfinanzierung einer GmbH & Co. KG durch einen Gesellschafter (Mitunternehmer) ist hiervon allerdings nicht erfasst.1 Da die in diesem Fall von dem Mitunternehmer erzielten Zinsen als Sonderbetriebseinnahmen in die Ermittlung des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft einfließen, besteht hierfür auch kein praktisches Bedürfnis. Die Sondervergütung ist bereits wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG steuerlich nicht abzugsfähig. Erfasst wird jedoch die Gewährung von Fremdkapital durch eine Person, die an einer Körperschaft beteiligt ist, die ihrerseits als Mitunternehmer an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. In diesen Konstellationen ist bei einer Erfüllung der Ausnahmen durch die „Stand-alone“-Klausel oder den „Eigenkapital-Escape“ zu prüfen, ob dennoch wegen der Rückausnahme die Vorschriften der Zinsschranke eingreifen können. Im Rahmen der Rückausnahmen sind nach wie vor wesentliche Fragen umstritten und ungeklärt.2
6.325
1 Vgl. Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG Rz. J 07-15. 2 Hierzu im Einzelnen z.B. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 191 ff.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
b) Rückausnahme von der „Stand-alone“-Klausel (§ 8a Abs. 2 KStG) 6.326
Die Rückausnahme von der „Stand-alone“-Klausel kann nur dann in Frage kommen, wenn die Mitunternehmerschaft selbst nicht konzernzugehörig ist, weil andernfalls die „Stand-alone“-Klausel von vornherein wegen der Konzernzugehörigkeit nicht zur Anwendung kommt. Im Fall der Konzernzugehörigkeit kommt jedoch eine Prüfung von § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 3 KStG in Betracht (hierzu in Rz. 6.329).
6.327
Die wesentliche Frage bei der Anwendung der Rückausnahme zur „Standalone“-Klausel ist, welche Beteiligungsverhältnisse zwischen der Mitunternehmerschaft, der an der Mitunternehmerschaft beteiligten Körperschaft und deren Anteilseignern bestehen müssen. Nach dem Wortlaut von § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG ist eine bestimmte Mindestbeteiligungsquote der Körperschaft an der Mitunternehmerschaft selbst nicht erforderlich.1 Dies würde bedeuten, dass auch nur unwesentlich an der Mitunternehmerschaft beteiligte Körperschaften mit Kleinstbeteiligungen erfasst wären. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, auch für die Beteiligung der Körperschaft an der Mitunternehmerschaft eine Beteiligungsquote von mehr als 25 % zu fordern.2 Diese Frage ist jedoch nach wie vor nicht abschließend geklärt. Weitere Voraussetzung ist jedoch stets, dass zumindest der Empfänger der Zinsaufwendungen (Fremdkapitalgeber) mit mehr als 25 % an der Körperschaft beteiligt ist, die als Mitunternehmerin an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist.3 Für nicht zu einem Konzern zugehörige Mitunternehmerschaften (z.B. GmbH & Co. KG) gilt die in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) EStG verankerte Ausnahme von der Zinsschrankenregelung („Stand-alone“-Klausel) somit nur dann, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel an der vorgeschalteten Körperschaft beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahe stehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG und/oder an einen rückgriffsberechtigter Dritten nicht mehr als 10 % des negativen Zinssaldos der Personengesellschaft betragen und die GmbH & Co. KG dies nachweist. Beispiel
6.328
An der A-GmbH & Co. KG ist mit 40 % die MU1-GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter sind die natürlichen Personen MU2 und MU3 (jeweils mit 30 %). An der MU1-GmbH ist zu 40 % die natürliche Person C beteiligt. Diese gewährt der A-GmbH & Co. KG ein Darlehen. Da C zu mehr als 25 % an der MU1-GmbH beteiligt ist und die A-GmbH & Co. KG eine nachgeordnete Gesellschaft der MU1-GmbH ist, muss geprüft werden, ob die Ausnahme von der Zinsschranke („Stand-alone“-Klausel) durch die Rückausnahme in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 2 KStG wieder eingeschränkt wird. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre dies nicht zu prüfen, wenn die MU1-GmbH mit lediglich 20 % an der A-GmbH & Co. KG beteiligt wäre.
1 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 193; Wagner/Fischer, BB 2007, 1811 (1812); vgl. auch Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG Rz. J 07-15; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 (2346). 2 Str., vgl. zur weiteren Diskussion Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 193. 3 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 193; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 (2347).
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
C Darlehen
40 %
MU1-GmbH
MU 2
40 %
30 %
MU 3 30 %
A-GmbH & Co. KG
c) Rückausnahme vom „Eigenkapital-Escape“ (§ 8a Abs. 3 KStG) Die weitere Rückausnahme in § 8a Abs. 3 KStG betrifft z.B. den Fall, dass eine GmbH & Co. KG (eigentlich) in den Anwendungsbereich der Zinsschranke fällt, über den „Eigenkapital-Escape“ jedoch eine Anwendung der Zinsschranke wieder entfällt. Erhält die GmbH & Co. KG von einer Person (mittelbarer Gesellschafter), die über eine Kapitalgesellschaft an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, – vereinfacht gesagt – mittelbar ein (Gesellschafter-)Darlehen, kommt die Rückausnahme nach § 8a Abs. 3 KStG in Betracht. Nach § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 3 KStG findet der „Eigenkapital-Escape“ bei schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierung keine Anwendung. Dies bedeutet, dass sich die Personengesellschaft bei schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierung nicht auf den entlastenden Eigenkapitalvergleich berufen kann. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Anwendung der Eigenkapital-Klausel versagt wird, gelten die unter Rz. 6.327 genannten Voraussetzungen entsprechend (vgl. § 8a Abs. 2 KStG).
6.329
7. Rechtsfolge und Zinsvortrag Zinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahrs, die nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abgezogen werden dürfen, weil sie das verrechenbare EBITDA (hierzu in Rz. 6.293) überschreiten, können zunächst mit einem etwaigen EBITDA-Vortrag aus Vorjahren verrechnet werden (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG, hierzu in Rz. 6.297). Der danach noch verbleibende negative Zinssaldo ist in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (sog. „Zinsvortrag“, § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG). Sie erhöhen die Zinsaufwendungen der folgenden Wirtschaftsjahre, aber wirken sich nicht abzugsmindernd auf den maßgeblichen Gewinn des laufenden Wirtschaftsjahrs aus (nicht abziehbare Betriebsaus-
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6.330
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
gabe). Der Zinsvortrag kann nach Auffassung der Finanzverwaltung dazu führen, dass im Vortragsjahr die Freigrenze überschritten wird.1 Beispiel 6.331
Der negative Zinssaldo des Wirtschaftsjahrs 01 beträgt 5,0 Mio. Euro. Unter der Annahme, dass kein nutzbarer EBITDA-Vortrag aus einem früheren Wirtschaftsjahr besteht, sollen hiervon lediglich 2,0 Mio. Euro im Wirtschaftsjahr 01 steuerlich abzugsfähig sein, weil das verrechenbare EBITDA annahmegemäß lediglich 2,0 Mio. Euro beträgt. Es entsteht somit ein Zinsvortrag i.H.v. 3,0 Mio. Euro. Im Wirtschaftsjahr 02 liegt für sich betrachtet ein negativer Zinssaldo von lediglich 0,5 Mio. Euro vor. Die Auffassung der Finanzverwaltung führt dazu, dass im Wirtschaftsjahr 02 insgesamt ein negativer Zinssaldo i.H.v. 3,5 Mio. Euro angenommen werden muss und damit die Freigrenze von 3,0 Mio. Euro überschritten wird, obwohl der im Wirtschaftsjahr 02 entstandene negative Zinssaldo deutlich unterhalb von 3,0 Mio. Euro liegt.
6.332
Da der Zinsvortrag die Zinsaufwendungen der folgenden Wirtschaftsjahre erhöht, kann ein Zinsvortrag auch dazu führen, dass sich in einem der folgenden Wirtschaftsjahre ein steuerlicher Verlust ergibt oder sich erhöht. Ist in dem folgenden Wirtschaftsjahr eine der Ausnahmen der Zinsschranke erfüllt, wird der Zinsvortrag in voller Höhe abzugsfähig. Dies bedeutet z.B. auch, dass Zinsaufwendungen aus Zeiten einer Konzernzugehörigkeit abzugsfähig werden können, wenn in späteren Wirtschaftsjahren keine Konzernzugehörigkeit mehr besteht.
6.333
Wegen der Zinsschranke nicht abzugsfähige Zinsaufwendungen (nicht abziehbare Betriebsausgaben) sind nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel auf die Mitunternehmer aufzuteilen und diesen zuzurechnen. Dies bedeutet, dass die sich insgesamt ergebenden und von der Abzugsbeschränkung erfassten (nicht abzugsfähigen) Zinsaufwendungen (einschließlich etwaiger Zinsaufwendungen aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens eines Mitunternehmers) den Mitunternehmern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel (also z.B. entsprechend der Beteiligung nach dem Kapitalkonto I) zuzurechnen sind und damit quotal nicht abzugsfähig werden.2 Eine vorrangige Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen im Gesamthandsvermögen bzw. im Bereich des Sonderbetriebsvermögens besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht.3 Wegen der damit verbundenen fremdbestimmten Steuerwirkungen empfiehlt es sich, für den zivilrechtlichen Innenausgleich unter den Gesellschaftern entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen vorzusehen.4
1 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 46 = GmbHR 2008, 887, str., vgl. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 241 und Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 35. 2 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 51 mit Beispiel in Tz. 52 = GmbHR 2008, 887; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 58; weitere Beispiele z.B. bei Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, 904 (905) und Hoffmann, GmbHR 2008, 113 (114). 3 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 29 m.w.N. zur Diskussion. 4 Weiterführend z.B. IDW, Arbeitshilfe zu steuerinduzierten Klauseln in Verträgen von und mit Personengesellschaften, Beilage zu FN-IDW 8/2011; hierzu auch Kaltenbach/Layh, Ubg 2014, 573 (579 f.) und allgemein zu Sonderfragen zur Zinsschranke bei (doppelstöckigen) Personengesellschaften.
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§6
Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)
Beispiel Es liegt insgesamt ein negativer Zinssaldo von 5,0 Mio. Euro bei der GmbH & Co. KG vor. Hiervon sind 3,0 Mio. Euro durch von dem Mitunternehmer A (Beteiligungsquote 50 %) für die Finanzierung seines Anteils getragene Zinsaufwendungen (Sonderbetriebsausgaben) hervorgerufen worden. Weiterer vermögensmäßig beteiligter Mitunternehmer ist B (Beteiligungsquote von ebenfalls 50 %). Das verrechenbare EBITDA beträgt 4,0 Mio. Euro, so dass A und B wegen des Eingreifens der Zinsschranke nicht abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von jeweils 0,5 Mio. Euro zugerechnet werden müssen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der „gemeinschaftlich“ verursachte negative Zinssaldo unterhalb der Freigrenze von 3,0 Mio. Euro gelegen hat und A durch seine Sonderbetriebsausgaben überproportional zu dem negativen Zinssaldo beigetragen hat.
6.334
Der Zinsvortrag ist (ebenso wie ein Verlustvortrag) zeitlich unbeschränkt nutzbar und gesondert festzustellen (§ 4h Abs. 4 Satz 1 ff. EStG). Die Möglichkeit eines Zinsrücktrags besteht nicht. Bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebs geht ein nicht verbrauchter Zinsvortrag unter (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG). Die Finanzverwaltung wendet diese gesetzliche Regelung auch auf die Übertragung eines Teilbetriebs und das Ausscheiden einer Organgesellschaft aus dem Organkreis an,1 ohne dass dies jeweils eine gesetzliche Grundlage hätte. Zu einem Untergang eines Zinsvortrags kommt es in Höhe der Beteiligungsquote, wenn ein Mitunternehmer aus einer Gesellschaft ausscheidet (§ 4h Abs. 5 Satz 2 EStG). Hiervon erfasst ist jedoch bei einer doppelstöckigen Mitunternehmerschaft nur der unmittelbare Gesellschafterwechsel, nicht aber der Wechsel der Gesellschafter bei der an der UnterMitunternehmerschaft beteiligten Ober-Mitunternehmerschaft. Auch durch Umwandlungsmaßnahmen (z.B. Einbringung des Betriebs und Formwechsel) können sich Auswirkungen auf den Zinsvortrag ergeben.2 In entsprechender Anwendung von § 8c KStG kann ein Zinsvortrag dann untergehen, wenn an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar eine Körperschaft als Mitunternehmer beteiligt ist und sich bei der Körperschaft ein schädlicher Anteilseignerwechsel ergibt (§ 4h Abs. 5 Satz 3 EStG).3 Hiervon erfasst ist jedoch mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung nur ein Zinsvortrag, nicht aber laufende Zinsaufwendungen des Betriebs.4 Keine Auswirkungen auf die Höhe des Zinsvortrags ergeben sich, wenn ein neuer Mitunternehmer in die Mitunternehmerschaft eintritt.5
6.335
8. Gewerbesteuer Die Zinsschranke wirkt sich auch auf die Gewerbesteuer aus. Die von der Zinsschranke erfassten steuerlich nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen erhöhen 1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Tz. 47 = GmbHR 2008, 887. 2 Weiterführend Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 120 und van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 (2345). 3 Weitere Einzelheiten, auch zur Anwendung der Konzernklausel und Stille Reserven-Klausel im Rahmen des § 8c KStG Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rz. 243a ff. m.w.N. 4 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 117. 5 Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rz. 116 mit weiteren Erläuterungen zu den damit verbundenen Auswirkungen.
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6.336
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
den Gewerbeertrag des betreffenden Erhebungszeitraums. Nur die nach Anwendung der Zinsschranke noch abzugsfähigen Zinsaufwendungen sind in dem Gewerbeertrag enthalten und können dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsaufwendungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG unterliegen. Die Zinsschranke stellt damit neben der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsaufwendungen eine weitere praktisch bedeutsame Beschränkung der gewerbesteuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen dar. Zu beachten ist dabei, dass der Begriff der Zinsaufwendungen im Rahmen der Zinsschranke nicht deckungsgleich ist mit den von § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG erfassten Entgelten. Werden Zinsaufwendungen in späteren Wirtschaftsjahren aufgrund der Regelungen des Zinsvortrags bei der Gesellschaft abzugsfähig, unterliegen auch die durch den Zinsvortrag abzugsfähig gewordenen Zinsaufwendungen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsaufwendungen. Einstweilen frei.
6.337–6.370
IX. Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 6.371
Der auf die einzelnen Gesellschafter – Komplementär-GmbH und Kommanditisten – entfallende Gewinnanteil wird nicht erst in deren Einkommensteuerveranlagung, sondern verbindlich in einem gesonderten Verfahren festgestellt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO, wonach die einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt werden, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind. Zugleich wird in dem Feststellungsverfahren, das mit einem Feststellungsbescheid endet, auch darüber entschieden, wie sich der festgestellte Betrag auf die einzelnen Beteiligten verteilt. Die hier getroffenen Feststellungen sind in der Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerveranlagung der einzelnen Gesellschafter zu übernehmen. Das Ergebnis des Feststellungsbescheides ist in den Einzelveranlagungen auch dann zugrunde zu legen, wenn der Feststellungsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist (§ 182 Abs. 1 AO). Wird der Feststellungsbescheid später geändert, sind die Einzelveranlagungen ebenfalls zu ändern (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO).
6.372
In dem Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung sind zunächst der Gewinn der Gesellschaft und sodann der Gewinnanteil des einzelnen Gesellschafters festzustellen. Für die Feststellung des Gewinnanteils des einzelnen Gesellschafters werden diesem auch die Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und ggf. die Ergebnisse aus Ergänzungsbilanzen zugerechnet, wie z.B. AfA, die z.B. einem Gesellschafter aus dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils bei einer Kaufpreiszahlung über den Buchwert hinaus zustehen.1 Zu den Sonderbetriebseinnahmen gehören auch die Ausschüttungen der Komplementär-GmbH an ihre Gesellschafter, soweit diese gleichzeitig Kommanditisten sind. Da hierunter auch eine verdeckte Gewinnausschüttung fällt, erhöht sich durch diese sowohl der Gewinn der GmbH & Co. KG als auch der Gewinnanteil der Komplementär-GmbH.2 Folge1 Zur Zusammenfassung von Gesamthands(-steuer-)bilanz, Ergänzungs- und Sonderbilanzen s. im Einzelnen Rz. 6.85 ff. 2 BFH v. 6.8.1985 – VIII R 280/81, BStBl. II 1986, 17 = GmbHR 1986, 134.
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Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
richtig kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine verdeckte Gewinnausschüttung der Komplementär-GmbH an ihre Gesellschafter und Kommanditisten nicht erst bei deren Einkommensermittlung außerhalb der Bilanz hinzugerechnet und bei den Kommanditisten berücksichtigt werden, vielmehr bedarf es der verbindlichen Feststellung in der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG.1 Etwas anderes gilt allerdings, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung in keinem Zusammenhang mit der Stellung der GmbH als Komplementärin steht.2 Einstweilen frei.
6.373–6.390
X. Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG) 1. Allgemeines Das Gesetz verfolgt das Ziel, bei beschränkt haftenden Mitunternehmern die Möglichkeit des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs zu begrenzen. Das führte in Gestalt von § 15a EStG zu einer in Auslegung und praktischer Anwendung komplizierten Vorschrift. Obwohl § 15a EStG primär die sog. Verlustzuweisungsgesellschaften treffen und auf diesem Sektor volkswirtschaftlich unerwünschte Entwicklungen verhindern sollte, ergeben sich zwangsläufig (vom Gesetzgeber in Kauf genommene) Auswirkungen auf „normale“ Kommanditgesellschaften.3 In der Literatur wird § 15a EStG in vielfacher Hinsicht kritisiert, teilweise wird sogar für den ersatzlosen Wegfall von § 15a EStG plädiert.4 Nach allen bisherigen Erfahrungen wird mit einer Aufhebung jedoch kaum zu rechnen sein, zumal der BFH in mehreren Entscheidungen von der Verfassungsmäßigkeit des § 15a EStG (bzw. Teilen) ausgegangen ist.5 Fest steht jedenfalls, dass § 15a EStG mit seinen Auslegungsproblemen der Rechtsprechung ein weites Betätigungsfeld eröffnet hat.
1 BFH v. 14.8.1975 – I 29/65, BStBl. II 1976, 88; BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 = GmbHR 1981, 47; BFH v. 6.8.1985 – VIII R 280/81, BStBl. II 1986, 17 = GmbHR 1986, 134; BFH v. 29.10.1991 – VIII R 2/86, BStBl. II 1992, 832 = GmbHR 1992, 476; BFH v. 23.3. 1995 – IV R 94/93, BStBl. II 1995, 637 = GmbHR 1995, 683; BFH v. 24.3.1998 – I R 79/97, BStBl. II 1998, 578 = GmbHR 1998, 947. 2 BFH v. 29.10.1991 – VIII R 2/86, BStBl. II 1992, 832 = GmbHR 1992, 476; BFH v. 15.9.2004 – I R 7/02, BStBl. II 2005, 867 = GmbHR 2005, 240; Klingebiel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Teil D Rz. 1212 ff. 3 RegBegr. zu § 15a EStG, BT-Drucks. 8/3648 v. 8.2.1980, S. 16. 4 Vgl. Söffing, NWB Fach 3, 8125; ausführlich zur Kritik an § 15a EStG und zur auch vom Deutschen Steuerberaterverband befürworteten Aufhebung des § 15a EStG Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 5 m.w.N.; Brandenberg, FR 2010, 731 (735 f.) mit Verweis auf den Bundesrechnungshof, der aufgrund der Kompliziertheit des § 15a EStG erhebliche Vollzugsmängel festgestellt und deshalb angeregt hatte, die Vorschrift entweder aufzuheben oder deutlich zu vereinfachen. 5 BFH v. 17.12.1992 – IX R 7/91, BStBl. II 1994, 492 = FR 1993, 609; BFH v. 9.5.1996 – IV R 75/93, BStBl. II 1996, 474 = GmbHR 1997, 45; BFH v. 11.11.1997 – VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078; BFH v. 14.12.1999 – IX R 7/95, BStBl. II 2000, 265 = GmbHR 2000, 297; BFH v. 14.10.2003 – VIII R 32/01, BStBl. II 2004, 359 = FR 2004, 150.
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6.391
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
2. Negatives Kapitalkonto des Kommanditisten 6.392
Da § 15a EStG an die handelsrechtlichen Regelungen zur Haftung des Kommanditisten anknüpft, ist die handelsrechtliche Rechtslage zum Verständnis von § 15a EStG unentbehrlich. Der Umfang der handelsrechtlichen (Außen-)Haftung des Kommanditisten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ergibt sich aus der Einlage (Haftsumme), die in das Handelsregister einzutragen ist (§§ 172 Abs. 1, 162 Abs. 1 Satz 1 HGB). Wird die Haftsumme in Form der Einlage in voller Höhe erbracht, ist die Haftung ausgeschlossen. Etwas anderes gilt, soweit die Haftsumme noch nicht erbracht oder die Einlage zurückgezahlt wurde (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB).
6.393
Von der Haftsumme zu unterscheiden ist die das Innenverhältnis betreffende sog. Pflichteinlage, die der Kommanditist aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zu erbringen hat und die von der Haftsumme und der tatsächlich geleisteten Einlage abweichen kann. Das Gesetz spricht insoweit z.T. von der bedungenen Einlage, z.B. in § 169 Abs. 1 Satz 2 bzw. in § 167 Abs. 2 HGB.
6.394
Erzielt die Gesellschaft einen Verlust (Jahresfehlbetrag), so wird der Verlustanteil, der nach dem vertraglichen oder gesetzlichen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel auf den Kommanditisten entfällt, von seinem Kapitalanteil abgeschrieben (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 120 Abs. 2 HGB). Gemäß § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist am Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil. Gleichwohl kann für ihn bei der laufenden Geschäftstätigkeit ein sog. negatives Kapitalkonto entstehen: Kommt es zu einem Verlust, so kann der auf den Kommanditisten entfallende Verlustanteil auch dann von seinem Kapitalanteil abgeschrieben werden, wenn dieser dadurch negativ wird.
6.395
Zivilrechtlich ist das sog. negative Kapitalkonto mittlerweile allgemein anerkannt.1 Der Kommanditist muss allerdings künftige Gewinnanteile zur Deckung der nicht mehr vorhandenen Einlage und des negativen Kapitalanteils verwenden (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB, faktische Entnahmesperre). Den Kommanditisten trifft somit eine „Verlusthaftung mit künftigen Gewinnanteilen“.2 Sollte bei Beendigung der Gesellschaft der Kapitalanteil des Kommanditisten in der Liquidationsschlussbilanz noch immer negativ sein, besteht für den Kommanditisten allerdings keine gesetzliche Verpflichtung, diesen etwa durch einen Nachschuss auszugleichen. Mit § 167 Abs. 3 HGB wird mithin „die Grenze der endgültigen Verlusttragung bestimmt“.3
6.396
Steuerrechtlich hat der BFH das negative Kapitalkonto des Kommanditisten grundsätzlich anerkannt. Dem Kommanditisten kann mithin der auf ihn entfallende Verlustanteil einkommensteuerlich auch insoweit zugerechnet werden, als ein negatives Kapitalkonto entsteht.4 Ausnahmen bestehen jedoch dann, wenn entweder 1 2 3 4
Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1545 f. BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199 unter C 2b. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 2 ff. Fraglich ist, ob in diesem Fall z.B. der Komplementär in einer Sonderbilanz eine zu seinem negativen Sonderbetriebsvermögen gehörende Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger bilden kann, da die Haftung des Kommanditisten nicht so weit reicht; ablehnend: Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 101.
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Helde
§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, dass den Kommanditisten Verluste nur zugerechnet werden sollen, wenn dadurch kein negatives Kapitalkonto entsteht1 oder wenn bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen2 des Kommanditisten nicht mehr möglich ist.3 In diesen Fällen ist der auf den Kommanditisten entfallende Verlust dem persönlich haftenden Gesellschafter und den Kommanditisten mit positiven Kapitalkonten zuzurechnen.4 In einem ersten Schritt ist mithin zu prüfen, ob einem Kommanditisten Verluste zugerechnet werden; nur soweit eine Verlustzurechnung vorzunehmen ist, ist anschließend die Anwendung von § 15a EStG zu prüfen.
3. § 15a EStG – Zielsetzung und Aufbau Mit § 15a EStG hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, die steuerliche Ausgleichsfähigkeit von Verlusten, die einem beschränkt haftenden Mitunternehmer zugerechnet werden, grundsätzlich auf den Betrag der Haftsumme zu begrenzen.5 Eine Verrechnung mit anderen positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb oder anderen Einkunftsarten soll nur insoweit möglich sein, als der Kommanditist durch die Verluste der Gesellschaft wirtschaftlich belastet wird.6 Derartige Mitunternehmer sind durch die der Gewinnverteilung entsprechende Zurechnung von Verlusten, die ihre Einlage übersteigen (§ 167 Abs. 3 HGB), nicht bereits im Jahr der Verlustentstehung wirtschaftlich belastet, sondern erst dann, wenn und soweit spätere Gewinne entstehen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB). Daher regelt § 15a EStG im Grundsatz, dass über die Haftsumme hinausgehende Verluste nicht sofort ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, sondern erst mit späteren Gewinnen verrechnet werden können (§ 15a Abs. 2 EStG). § 15a EStG lässt somit die Zurechnung der Verlustanteile bei negativem Kapitalkonto unangetastet und regelt ausschließlich den Verlustausgleich des dem Kommanditisten zugerechneten Verlustes mit anderen Einkünften (einschl. des § 10d EStG).7
6.397
Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit Ausnahmen bei der Zurechnung des Verlustanteils aufgrund vertraglicher Abrede oder sonstiger Umstände eingreifen (s. Rz. 6.396). Denn dies betrifft auf erster Stufe die Verlustzurechnung, die auf
6.398
1 BFH v. 8.9.1992 – IX R 335/87, BStBl. II 1993, 281 = FR 1993, 635; einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO will der BFH ausdrücklich nicht annehmen. 2 Die Nachschussverpflichtung ist Bestandteil des Unternehmerrisikos. 3 BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199; BFH v. 11.5.1995 – IV R 44/93, DStR 1995, 1144 = GmbHR 1995, 919; OFD Frankfurt a.M. v. 1.8.1996 – S 2241 A - 30 - St II 21, BB 1996, 1982 = GmbHR 1997, 140; OFD München/Nürnberg v. 7.5.2004 - S 2241 26 St 41/42, S 2241 - 167/St 31, FR 2004, 731; Kersten/Feldgen, FR 2013, 197 (203). Dies gilt selbst dann, wenn sich der Kommanditist für Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat; vgl. OFD Düsseldorf v. 31.7.1995 – S 2241 A - St 114, GmbHR 1995, 920 (921) unter 2; OFD München/Nürnberg v. 7.5.2004 – S 2241 - 26 St 41/42, S 2241 - 167/St 31, FR 2004, 731 (732) unter 1.1; BFH v. 13.11.1997 – IV B 119/96, BStBl. II 1998, 109 = GmbHR 1998, 294. 4 BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199 unter C 6; BFH v. 8.9.1992 – IX R 335/87, BStBl. II 1993, 281 = FR 1993, 635 unter III. 5 RegBegr. zu § 15a EStG, BT-Drucks. 8/3648 v. 8.2.1980, S. 15 f. 6 BFH v. 20.11.2014 – IV R 47/11, BStBl. II 2015, 532 = GmbHR 2015, 604. 7 FG Nds. v. 19.5.1987 – VIII 313/85, EFG 1987, 556.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
der Ebene der Ermittlung der Einkünfte stattfindet. § 15a EStG entscheidet erst auf der zweiten Stufe darüber, ob und ggf. inwieweit der zugerechnete Verlust auch mit anderen Einkünften ausgeglichen, d.h. bei der Veranlagung angesetzt werden darf. 6.399
§ 15a EStG ist in erster Linie auf Mitunternehmer anwendbar, die handelsrechtlich Kommanditisten i.S. des § 161 Abs. 1 HGB sind. § 15a Abs. 5 EStG erweitert den Anwendungsbereich auch auf andere Mitunternehmer mit „eingeschränkter“ Haftung;1 nachfolgend wird ausschließlich auf die Probleme bei Kommanditisten eingegangen.
6.400
Die Kommanditistenstellung erlangt der Mitunternehmer bereits vor Eintragung im Handelsregister.2 Die Anwendbarkeit von § 15a EStG auf solche Kommanditisten ist jedoch wegen der Haftungsregelung gem. § 176 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 HGB fraglich. Soweit die Kommanditisteneigenschaft dem Gläubiger nicht bekannt ist, haftet der Gesellschafter voll. Der BFH hat die Frage offen gelassen,3 die Finanzverwaltung hat § 15a EStG für anwendbar erklärt.4
6.401
§ 15a EStG ist wie folgt aufgebaut: – Zunächst regelt § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG den allgemeinen Grundsatz, dass Verlustanteile des Kommanditisten, soweit sie ein negatives Kapitalkonto begründen oder erhöhen, nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen, sondern lediglich mit künftigen Gewinnen verrechnet werden dürfen (§ 15a Abs. 2 EStG) (Rz. 6.402 ff.). – § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG erweitern die Verlustausgleichs- und -abzugsmöglichkeit bei einer über die geleistete Einlage hinausgehenden handelsrechtlichen Außenhaftung des Kommanditisten (zusätzliche Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit bis zur Höhe der erweiterten Haftung) (Rz. 6.432 ff.). – Durch § 15a Abs. 1a EStG sind die Folgen nachträglicher Einlagen gesetzlich bestimmt (Rz. 6.414 f.). – § 15a Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. Satz 4 EStG regelt die Rechtsfolgen einer Einlageminderung durch Entnahmen (Rz. 6.450 ff.) und § 15a Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 4 EStG beschäftigt sich mit den Rechtsfolgen der Minderung der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme (Rz. 6.465 ff.). – § 15a Abs. 4 EStG regelt die verfahrensmäßige Abwicklung (gesonderte Feststellung) und § 15a Abs. 5 EStG erweitert den Anwendungsbereich auf andere beschränkt haftende Mitunternehmer (auf beides wird hier nicht näher eingegangen).
1 In § 15a Abs. 5 EStG sind verschiedene Fallgruppen beispielhaft, aber nicht abschließend aufgeführt. 2 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 60; vgl. auch Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 47. 3 BFH v. 19.5.1987 – VIII B 104/85, BStBl. II 1988, 5 = GmbHR 1988, 37; ebenfalls FG MV v. 3.12.1997 – 1 K 54/97, EFG 1998, 550. 4 FinSen Berlin, koordinierter Ländererlass v. 26.11.1992, FR 1993, 276: unbeschränkte Haftung nach § 176 HGB trete sowieso nicht ein, da Gesellschaft als KG auftrete und so Gläubigern die Beteiligung der Gesellschafter als Kommanditisten (mit eingeschränkter Haftung) grundsätzlich bekannt sei; zustimmend Spaggiari/Bruschke, StB 2011, 272 (273).
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Helde
§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
4. Tatbestände des § 15a EStG im Einzelnen a) Beschränkung des Verlustausgleichs und Verlustverrechnung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG) aa) Grundfall § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG regelt den Grundfall, wonach der dem Kommanditisten zugerechnete KG-Verlustanteil weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb oder Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen noch nach § 10d EStG abgezogen werden kann, soweit dadurch ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Die Regelung lässt die Verlustzurechnung unangetastet und führt lediglich zu einem Ausgleichs- und Abzugsverbot. Die nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen und abzugsfähigen (sog. verrechenbaren) Verluste gehen steuerlich jedoch nicht verloren, sondern mindern (zeitlich unbegrenzt) die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft (nicht aus anderen Beteiligungen oder Einkunftsarten) zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 2 EStG).
6.402
Beispiel 1
6.403 Euro
Kapitalkonto Kommanditist 1.1.14
+ 20 000
KG-Verlustanteil 14
./. 50 000
Kapitalkonto 31.12.14
./. 30 000
In Höhe des entstehenden negativen Kapitalkontos (./. 30 000 Euro) ist der KG-Verlustanteil nicht ausgleichs- und abzugsfähig, sondern nur mit künftigen Gewinnanteilen aus der KG verrechenbar (§ 15a Abs. 2 EStG). Der „Restbetrag“ des KG-Verlustes von 20 000 Euro ist ausgleichs- und abzugsfähig.
6.404
Beispiel 2 Euro Kapitalkonto Kommanditist 1.1.14
./. 20 000
KG-Verlustanteil 14
./. 50 000
Kapitalkonto 31.12.14
./. 70 000
Der KG-Verlustanteil führt in voller Höhe dazu, dass sich das negative Kapitalkonto des Kommanditisten erhöht. Er ist mithin insgesamt nicht ausgleichs- und abzugsfähig, sondern nur verrechenbar.
bb) Anteil am Verlust der KG und negatives Kapitalkonto Es bestanden lange Zeit unterschiedliche Auffassungen über die Auslegung der Begriffe „Anteil am Verlust der KG“ und „negatives Kapitalkonto“. Inzwischen sind die Grundsatzprobleme durch eine gefestigte Rechtsprechung des BFH, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, geklärt. Detailfragen sind jedoch nach wie vor umstritten.
6.405
Die Begriffe „Anteil am Verlust der KG“ und „negatives Kapitalkonto“ sind in § 15a EStG nicht näher definiert, obwohl ihnen entscheidende Bedeutung zukommt.
6.406
Helde
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§6 6.407
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Nach dem Urteil des BFH vom 14.5.19911 ist unter dem „Anteil am Verlust der KG“ nur der Verlustanteil zu verstehen, der sich aus der Gesamthandsbilanz ergibt. Etwaige Ergänzungsbilanzen – als Korrekturen zur Gesamthandsbilanz – sind ebenfalls zu berücksichtigen.2 Verluste, die der Kommanditist in seinem Sonderbetriebsvermögen erleidet, zählen hingegen nicht dazu und sind daher unbeschränkt ausgleichsund abzugsfähig. Der so bestimmte Verlustanteil nimmt Einfluss auf die Bestimmung des (negativen) Kapitalkontos. So umfasst das „Kapitalkonto“ des § 15a EStG das Kapitalkonto der Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz einschließlich etwaiger Ergänzungsbilanzen, nicht dagegen das (positive und negative) Sonderbetriebsvermögen.3 Mit diesen Entscheidungen, die mehrmals bestätigt wurden,4 hat sich der BFH sowohl über die bis dahin gängige Verwaltungsmeinung5 als auch über die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf6 des § 15a EStG, die eine Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens ausdrücklich vorsahen, hinweggesetzt. Der gesetzessystematischen und teleologischen Auslegung des BFH ist in Anbetracht der Zwecksetzung einer Angleichung von Verlustausgleich und Haftungsumfang zuzustimmen. Die Finanzverwaltung hat sich der Rechtsprechung des BFH unter Aufgabe ihrer bis dahin vertretenen Meinung angeschlossen7 und für die Betroffenen eine Übergangsregelung geschaffen.8 Beispiel
6.408
Kauft A in 14 einen Kommanditanteil mit einem Buchwert von 10 000 Euro zum Preis von 20 000 Euro, wird der Mehrwert von 10 000 Euro (stille Reserven) in einer positiven Ergänzungsbilanz des A erfasst.
Kapitalkonto A in 14
Gesamthandsbilanz
Ergänzungsbilanz
Summe
Euro
Euro
Euro
+ 10 000
+ 10 000
Verlustanteil in 14
./. 20 000
./. 1 000
Kapitalkonto A 31.12.14
./. 10 000
+ 9 000
+ 20 000 (AfA)
./. 21 000 ./. 1 000
Das Kapitalkonto des A i.S. des § 15a EStG ergibt sich aus der Summe seiner Kapitalkonten in der Gesamthands- und der Ergänzungsbilanz. Von dem Verlustanteil in 14 von 21 000 Euro
1 BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 = GmbHR 1991, 541. 2 BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 = GmbHR 1993, 826 bestätigt BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 = GmbHR 1991, 541 und erweitert das Urteil um grundsätzliche Aussagen zu Ergänzungsbilanzen. 3 BFH v. 14.5.1991 – VIII R 68/87, BFH/NV 1991, 824. 4 Vgl. BFH v. 13.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163 = GmbHR 1999, 199; BFH v. 28.3. 2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347 = GmbHR 2000, 570; BFH v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621 = FR 2001, 580. 5 Die Finanzverwaltung wollte neben Ergänzungs- auch Sonderbilanzen in den Begriff des Kapitalkontos einbeziehen – vgl. BMF v. 22.12.1989 – IV B 2 - 2241a - 43/89, BStBl. I 1989, 484. 6 BT-Drucks. 8/3648 v. 8.2.1980, S. 16; BT-Drucks. 8/4157 v. 10.6.1980, S. 2. 7 BMF v. 20.2.1992 – IV B 2 - S 2241a -8/92, BStBl. I 1992, 123; vgl. auch OFD Frankfurt v. 17.1.2002 – S 2241a A - 11 - St II 21, StEK EStG § 15a Nr. 51, Nr. 2. 8 BMF v. 20.2.1992 – IV B 2 - S 2241a - 8/92, BStBl. I 1992, 123 unter 1.2; Bitz, GmbHR 1992, 285.
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Helde
§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
kann A 20 000 Euro sofort ausgleichen (oder abziehen) und 1 000 Euro mit späteren Gewinnen verrechnen.
Während Verlustanteile aus der Gesamthands- und der Ergänzungsbilanz der Ausgleichsbeschränkung des § 15a EStG unterliegen, sind Verluste aus der Sonderbilanz dagegen uneingeschränkt ausgleichsfähig.1 Für die Gestaltungsberatung bietet es sich daher an, durch entsprechende Gestaltungen Verluste ins Sonderbetriebsvermögen zu verlagern (z.B. indem anstelle einer entgeltlichen eine nur teil- bzw. unentgeltliche Nutzungsüberlassung vereinbart wird oder (sonder-)abschreibungsfähige Investitionen im Sonderbetriebsvermögen vorgenommen werden) und damit dem Zugriff des § 15a EStG zu entziehen.2 Dieses Ziel kann auch durch die Refinanzierung der Kommanditeinlage (Hafteinlage) erreicht werden, da die Schuldzinsen zu Sonderbetriebsausgaben führen.
6.409
Beispiel A mit einem Kapitalkonto in 14 von 10 000 Euro überlässt sein Grundstück mit Gebäude im Sonderbetriebsvermögen (Buchwert 10 000 Euro) unentgeltlich der KG. Gesamthandsbilanz
Sonderbilanz
Summe
Euro
Euro
Euro
Kapitalkonto A in 14
+ 10 000
+ 10 000
Verlustanteil in 14
./. 20 000
./. 1 000
Kapitalkonto A 31.12.14
./. 10 000
+ 9 000
6.410
+ 20 000 (AfA)
./. 21 000 ./. 1 000
Der Verlust von 1 000 Euro aus der Sonderbilanz ist unabhängig von § 15a EStG sofort ausgleichsfähig. Das Kapitalkonto des A i.S. des § 15a EStG ergibt sich allein aus der Gesamthandsbilanz. Von dem Verlustanteil in 14 von 20 000 Euro kann A 10 000 Euro sofort ausgleichen (oder abziehen) und 10 000 Euro mit späteren Gewinnen verrechnen.
cc) Umfang des Kapitalkontos Die Ermittlung des Umfangs des Kapitalkontos bereitet in der Praxis vielfach Schwierigkeiten. Das Kapitalkonto umfasst nach Ansicht der Finanzverwaltung im Einzelnen folgende Positionen:3 – Einlagen, insbesondere Haft- und Pflichteinlagen (unabhängig von einer Verzinsung), aber z.B. auch verlorene Zuschüsse zum Ausgleich von Verlusten; – in der Bilanz ausgewiesene Rücklagen (Kapital- und Gewinnrücklagen); – variable Gesellschafterkonten (in Abgrenzung zum sog. festen Kapitalkonto – Festkapitalkonto, Kapitalkonto I –, auf dem i.d.R. die Pflichteinlagen gebucht werden), soweit sie gesellschaftsrechtlich (Eigen-)Kapital und nicht Verbindlichkeiten der KG darstellen.
1 Vgl. R 15a Abs. 2 Satz 1 EStR 2012. 2 Zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 21 ff. 3 BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93, BStBl. I 1997, 627.
Helde
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593
6.411
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.412
Für den Umfang des Kapitalkontos kommt es nicht auf den Betrag der vereinbarten Pflichteinlage an, soweit diese noch rückständig ist, sondern auf die tatsächlich geleistete Einlage.1 Maßgeblich ist der Stand des Kapitalkontos des Kommanditisten am Bilanzstichtag, also am Ende des Wirtschaftsjahres, für das dem Kommanditisten ein Verlustanteil zuzurechnen ist,2 nach Berücksichtigung der Verlustverteilung.3 Daraus folgt, dass der Stand des Kapitalkontos und damit die Höhe des sofort ausgleichsfähigen KG-Verlustes durch Entnahmen und Einlagen des Kommanditisten während des Wirtschaftsjahres beeinflusst und mithin durch geschickte Einlage- und Entnahmepolitik sogar gesteuert werden kann. Späteren Entnahmemöglichkeiten sind allerdings durch § 15a Abs. 3 EStG steuerliche Grenzen gesetzt (s. Rz. 6.450 ff.). Wenn eine Erhöhung des Kapitalkontos durch Geldzuführung in Form einer Einlage beabsichtigt ist, um das Verlustausgleichspotential zu erweitern, ist darauf zu achten, dass die GmbH & Co. KG am Stichtag für die Verlustfeststellung die Verfügungsmacht über die Mittel erlangt hat. Dies ist z.B. bei Banküberweisungen erst bei Gutschrift auf dem Gesellschaftskonto der Fall.4 Im Laufe des Wirtschaftsjahres geleistete Einlagen erhöhen zwar das steuerliche Kapitalkonto, führen aber nicht dazu, dass in Vorjahren lediglich verrechenbare Verluste nunmehr bis zur Höhe des zusätzlichen Einlagebetrags ausgleichsfähig werden.5 Dies ist in § 15a Abs. 1a EStG inzwischen ausdrücklich gesetzlich geregelt.
6.413
Die Frage, inwieweit Einlagen zu einer Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit des Verlustanteils eines zukünftigen Wirtschaftsjahres führen können, soweit durch den Verlustanteil ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, hat in den vergangenen Jahren eine wechselvolle Behandlung erfahren:
6.414
Der BFH hatte mit Urteil vom 14.10.2003 entschieden, dass Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, regelmäßig zum Ansatz eines Korrekturpostens führen. Verluste späterer Wirtschaftsjahre können bis zum Verbrauch dieses Korrekturpostens auch dann als ausgleichsfähig qualifiziert werden, wenn durch sie (erneut) ein negatives Kapitalkonto ent1 BFH v. 11.12.1990 – VIII R 8/87, BStBl. II 1992, 232 = GmbHR 1991, 547; BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 = GmbHR 1991, 541; BFH v. 14.12.1995 – IV R 106/94, BStBl. II 1996, 226 = GmbHR 1996, 469; BFH v. 7.8.2002 – VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577 = GmbHR 2002, 1255; BFH v. 3.12.2002 – IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894; BFH v. 7.10.2004 – IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533 = GmbHR 2005, 311; BFH v. 24.4.2014 – IV R 18/10, BFH/NV 2014, 1516 = GmbHR 2014, 1113 zur Erbringung einer (Sach-)Einlage durch Forderungsabtretung; BFH v. 16.10.2014 – IV R 15/11, BStBl. II 2015, 267 = GmbHR 2015, 271; zustimmend Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 20 m.w.N. 2 BFH v. 18.4.2000 – VIII R 11/98, DStRE 2000, 1241 = FR 2000, 1338; BFH v. 3.2.2010 – IV R 61/07, BStBl. II 2010, 942 = GmbHR 2010, 882; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 81; Graw, EFG 2013, 32. 3 Vgl. FG Münster v. 5.9.2012 –1 K 998/09 F, EFG 2013, 30; Hempe/Huber, DStR 2013, 1217 (1218 f.). 4 BFH v. 11.12.1990 – VIII R 8/87, BStBl. II 1992, 232 = GmbHR 1991, 547; Kahle, FR 2010, 773 (775); Spaggiari/Bruschke, StB 2011, 272 (276). 5 BFH v. 3.2.2010 – IV R 61/07, BStBl. II 2010, 942 = GmbHR 2010, 882; anders im umgekehrten Fall der Einlageminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG); BFH v. 11.11.1997 – VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078: § 15a EStG ist insoweit nicht verfassungswidrig; vgl. hierzu: Sieker, FR 1988, 453.
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Helde
§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
steht oder sich erhöht.1 Die Finanzverwaltung wendete zunächst laut BMFSchreiben vom 14.4.20042 die Grundsätze des BFH-Urteils vom 14.10.20033 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an (Nichtanwendungserlass). In der Literatur wurde die Entscheidung des BFH zwar teilweise begrüßt.4 Vor allem aber wurde auf die praktischen Schwierigkeiten der Behandlung des Korrekturpostens im Zusammenhang mit der ohnehin komplizierten Regelung des § 15a EStG hingewiesen, wie z.B. der Bildung von Korrekturposten bei vorhergehenden Entnahmen oder der Auswirkungen späterer Gewinne bzw. Entnahmen auf den Korrekturposten.5 Nachdem der BFH seine Rechtsprechung trotz dieser Bedenken bestätigt hatte6 und die Finanzverwaltung entgegen ihrer vorherigen Auffassung die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung nach dem BMF-Schreiben vom 19.11.20077 allgemein anwendete, hat der Gesetzgeber diese Art der Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit unterbunden. Nach § 15a Abs. 1a Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 20098 führen nachträgliche Einlagen nicht zu einer Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden Verlustes eines zukünftigen Wirtschaftsjahres, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.9 Nachträgliche Einlagen sind dabei nach Satz 2 dieses Absatzes Einlagen, die nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres geleistet werden, in dem ein nicht ausgleichs- oder abzugsfähiger Verlust entstanden oder ein Gewinn i.S. des Abs. 3 Satz 1 zugerechnet worden ist.10
6.415
In der Praxis problematisch ist insbesondere die Beurteilung der variablen Konten (unter der Bezeichnung Kapitalkonto II, Gesellschafter-Verrechnungskonto, Kontokorrentkonto, Privatkonto, Darlehenskonto etc.). Maßgeblich ist die gesellschaftsvertragliche Regelung im Einzelfall.11 Wichtigstes Indiz eines Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG ist die Verbuchung von Verlusten auf dem betreffenden Konto,
6.416
1 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 32/01, FR 2004, 150 = DStR 2004, 24. 2 BMF v. 14.4.2004 – IV A 6 - S 2241a - 10/04, BStBl. I 2004, 463; H 15a EStH 2006 „Einlagen“. 3 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 32/01, FR 2004, 150 = DStR 2004, 24. 4 Wacker, DB 2004, 11. 5 Vgl. Brandenberg, DB 2004, 1632 (1634 ff.); Niehus/Wilke, FR 2004, 677; HG, Urteilsanmerkung zum BFH-Urteil v. 14.10.2003, DStR 2004, 28; Claudy/Steger, DStR 2004, 1504 (1506 ff.); hingegen Kempermann, DStR 2004, 1515 (1515 f.). 6 BFH v. 26.6.2007 – IV R 28/06, DStR 2007, 1620 = FR 2007, 1115 m. Komm. Kempermann; zustimmend auch FG Münster v. 3.7.2007 – 1 K 1731/06 F, StE 2007, 657. 7 BMF v. 19.11.2007 – IV B 2 - S 2241a/07/0004, 2007/0525511, BStBl. I 2007, 823; H 15a EStH 2008 „Einlagen“. 8 JStG 2009 v. 19.12.2008, BStBl. I 2009, 74. 9 Vgl. Kempermann, DStR 2008, 1917 (1920); zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dieser Neuregelung vgl. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 22b; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 184; Sahrmann, DStR 2012, 1109 (1111). 10 Zur zeitlichen Anwendung der Neuregelung in § 15a Abs. 1a EStG i.d.F. des JStG 2009: § 52 Abs. 33 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2009: anwendbar auf Einlagen, die nach dem Tag der Verkündung, also ab dem 25.12.2008, getätigt wurden. 11 BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz; Schwer, StBP 2003, 161 (162 ff.); FG Hamburg v. 10.10.2012 – 2 K 171/11, EFG 2013, 197 (nrkr., Az. des BFH: IV R 41/12).
Helde
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
d.h., wenn Verluste mit „Guthaben“ auf diesen Konten zu verrechnen sind.1 In der Belastung mit Verlusten kommt die Haftungsfunktion zum Ausdruck. Werden nach der Regelung des Gesellschaftsvertrags z.B. – wie in der Praxis häufig anzutreffen – Gewinn- und Verlustanteile, Einlagen und Entnahmen auf einem einheitlichen Konto (Kapitalkonto II) erfasst, wird i.d.R. ein Kapital- und kein Forderungskonto vorliegen.2 Für ein Kapitalkonto spricht außerdem, wenn das Konto im Fall des Ausscheidens des Gesellschafters oder der Liquidation der Gesellschaft in die Ermittlung des Abfindungsguthabens des Gesellschafters eingeht.3 Werden dagegen Verluste auf einem Verlustvortragskonto erfasst und entnahmefähige Gewinnanteile der Gesellschaft auf ein gesondertes (Darlehens- oder Privat-)Konto gebucht, das nicht durch Verluste gemindert wird, ist hierbei grundsätzlich von einem Forderungskonto, nicht von einem Kapitalkonto auszugehen.4 Entscheidend sind allerdings immer die Umstände des Einzelfalls,5 wobei die Bezeichnung des Kontos ebenso wie die Regelung einer Verzinsung als Kriterium grundsätzlich unmaßgeblich ist.6 Für die Gestaltungsberatung ist eine möglichst präzise Trennung von Konten mit Eigen- und Fremdkapitalcharakter zu empfehlen. Zur Abgrenzung kann die Kategorisierung nach § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB hilfreich sein.7 6.417
Umstritten war die Behandlung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, die es seit dem Inkrafttreten der Änderungen durch das MoMiG gesellschafts1 BFH v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 347 = GmbHR 2000, 570; BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz; FG Hamburg v. 10.10. 2012 – 2 K 171/11, EFG 2013, 197 (nrkr., Az. des BFH: IV R 41/12); BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 S 2241a - 51/93, BStBl. I 1997, 627; Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. E 15; Carlé/Bauschatz, FR 2002, 1153 (1159). 2 BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, GmbHR 1997, 43; BFH v. 4.5.2000 – IV R 16/99, BStBl. II 2001, 171 = GmbHR 2000, 1064; BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BFH/NV 2002, 1383 = FR 2002, 1055 m. Komm. Kempermann; BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BFH/NV 2009, 451 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/Marchand; FG Düsseldorf v. 11.2.2004 – 7 K 5737/01 F, DStRE 2004, 938 = GmbHR 2004, 1043. 3 BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, GmbHR 1997, 43; BFH v. 4.5.2000 – IV R 16/99, BStBl. II 2001, 171 = GmbHR 2000, 1064; BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BFH/NV 2002, 1383 = FR 2002, 1055 m. Komm. Kempermann; BFH v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103 = GmbHR 2008, 162; BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz; FG Düsseldorf v. 11.2.2004 – 7 K 5737/01 F, DStRE 2004, 938 = GmbHR 2004, 1043; Kahle, FR 2010, 773, 775. 4 BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BFH/NV 2009, 451 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/ Marchand; vgl. auch FG Hamburg v. 10.10.2012 – 2 K 171/11, EFG 2013, 197 (nrkr., Az. des BFH: IV R 41/12), wonach kein Kapitalkonto vorliegt, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Zulässigkeit einer Entnahme vorsieht, ohne dass ausschüttungsfähiges Kapital vorhanden ist und den so entstandenen Saldo als Forderung der Gesellschaft ansieht und auf einem gesonderten Entnahmekonto verbucht. 5 Vgl. dazu auch Korn, KÖSDI 1994, 9907 (9910); Bordewin, DStR 1994, 673 (674 ff.); Rodewald, GmbHR 1998, 521; Carlé/Bauschatz, FR 2002, 1153; Ley, KÖSDI 2002, 13459; Schwer, StBP 2003, 161. 6 BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BFH/NV 2009, 451 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/ Marchand; FG Düsseldorf v. 11.2.2004 – 7 K 5737/01 F, DStRE 2004, 938 = GmbHR 2004, 1043; FG Hamburg v. 10.10.2012 – 2 K 171/11, EFG 2013, 197 (nrkr., Az. des BFH: IV R 41/12); BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93, BStBl. I 1997, 627; Schwer, StBP 2003, 161 (163). 7 Vgl. dazu: Ley, KÖSDI 2002, 13459 (13460 f.); Schwer, StBP 2003, 161 (161 f.).
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Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
rechtlich nicht mehr in dieser Form gibt, (s. im Einzelnen unter Rz. 10.152 ff.) und Darlehen mit Rangrücktritt. Die Finanzverwaltung wollte eigenkapitalersetzende Darlehen unter Hinweis auf ihre handels- und steuerbilanzielle Behandlung als Fremdkapital nicht zum Kapitalkonto i.S. des § 15a EStG hinzurechnen.1 Der BFH hatte sich in einer Grundsatzentscheidung dieser Auffassung angeschlossen.2 Dem war auch insofern zuzustimmen, als die kapitalersetzende Darlehensschuld der GmbH & Co. KG, der eine entsprechende Forderung des Gesellschafters im Sonderbetriebsvermögen gegenübersteht, in der Gesamthandsbilanz Fremdkapital bleibt, so dass nach der o.g. Definition des BFH Gesellschafterdarlehen trotz Umqualifizierung in Kapitalersatz oder Rangrücktritt nicht in das Kapitalkonto einzubeziehen waren.3 Nach der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts werden gesetzlich nachrangige Gesellschafterdarlehen nicht zum Kapitalkonto i.S. des § 15a EStG hinzugerechnet.4 Für Darlehen mit Rangrücktritt gilt Entsprechendes.5 Ob Finanzplandarlehen einkommensteuerrechtlich Eigenkapital und damit auch Teil des Kapitalkontos i.S.v. § 15a EStG sind, wurde durch den BFH mit Urteil vom 7.4.2005 entschieden.6 Von Finanzplandarlehen (im weiteren Sinn) spricht man bei Gesellschafterdarlehen, die planmäßig in die Finanzierung der Gesellschaft einbezogen sind.7 Die Rechtsfigur der Finanzplandarlehen bzw. Darlehen mit Eigenkapitalcharakter wurde in der Rechtsprechung des BGH zu der sog. „gesplitteten Einlage“ entwickelt. Die Bezeichnung „gesplittete Einlage“ meint den Fall, dass der Kommanditist aufgrund des Gesellschaftsvertrages verpflichtet ist, zusätzlich zu der Kommanditeinlage (Festeinlage) noch ein Darlehen an die Gesellschaft zu gewähren oder eine stille Einlage zu übernehmen (s. Rz. 10.191 ff.). In dem o.g. Grundsatzurteil vom 7.4.2005 hat der BFH entschieden, dass ein Finanzplandarlehen dann das Kapitalkonto i.S. von § 15a EStG erhöht, wenn es aufgrund eindeutiger Abrede (1.) vom Gesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft nicht gekündigt werden kann und (2.) bei Ausscheiden des Gesellschafters oder Liquidation der Gesellschaft mit einem negativen Kapitalkonto zu verrechnen ist (sog. Finanzplandarlehen im engeren Sinn).8 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach Auffassung des BFH in jedem Einzelfall zu prüfen. Den Begriffen „Finanzplandarlehen“ und „gesplittete Einlage“ kommt nur die Funktion von Schlagwör1 BMF v. 24.11.1993 – IV B 2 - S 2241a - 51/93, BStBl. I 1993, 934 Tz. 6; BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93, BStBl. I 1997, 627; OFD Koblenz v. 15.1.2007 – S 2241a A - St 31 1, GmbH - StB 2007, 111. 2 BFH v. 28.3.2000 – VIII R 28/98, BStBl. II 2000, 34 = GmbHR 2000, 570; zustimmend: BFH v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621 = FR 2001, 580; BFH v. 14.10.2003 – VIII R 81/02, FR 2004, 156 m. Komm. Kempermann = DStR 2004, 29;; BFH v. 7.4.2005 – IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598 = GmbHR 2005, 1060 m. Komm. Bitz; FG Düsseldorf v. 5.6. 2013 – 15 K 1333/11 F, juris. 3 A.A. Kurth/Delhaes, DB 2000, 2577 (2584) unter Bezugnahme auf die sog. „Procedo-Urteile“ des BGH v. 29.5.2000 – II ZR 75/98, DB 2000, 1455 und BGH v. 29.5.2000 – II ZR 118/98, ZIP 2000, 1256 = GmbHR 2000, 771. 4 Kahle, FR 2010, 773 (780). 5 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 90; Kahle, FR 2010, 773 (780). 6 BFH v. 7.4.2005 – IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598 = GmbHR 2005, 1060 m. Komm. Bitz. 7 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 91; vgl. auch K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1011 f.). 8 BFH v. 7.4.2005 – IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598 = GmbHR 2005, 1060 m. Komm. Bitz; in Abgrenzung dazu vgl. BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz; zustimmend: H 15a EStH 2014 „Kapitalkonto“; Kahle, FR 2010, 773 (780).
Helde
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6.418
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
tern zu. Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich bei dem Finanzplandarlehen weiterhin um Fremdkapital, welches bei der Anwendung des § 15a EStG nicht einzubeziehen ist.1 dd) Verlustverrechnung 6.419
Nach § 15a Abs. 2 EStG mindern Verluste, soweit sie nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgeglichen oder abgezogen werden dürfen, die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind. Dabei ist die Verlustverrechnung nach § 15a Abs. 2 EStG bei allen künftigen Gewinnen aus der Beteiligung vorzunehmen, also z.B. auch bei steuerbegünstigten Veräußerungsgewinnen i.S. der §§ 16, 34 EStG.2 Der Veräußerungsfreibetrag des § 16 Abs. 4 EStG ist jedoch nicht mit einzubeziehen und mindert damit nicht den verrechenbaren Verlustbetrag.3 Die Anwendung des § 15a Abs. 2 EStG in diesen Fällen führt jedoch dazu, dass in Höhe der Verlustverrechnung die Tarifbegünstigung des § 34 EStG verloren geht.4 Darüber hinaus ist nach § 15a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des JStG 20095 der verrechenbare Verlust, der nach Abzug von einem Veräußerungs- oder Aufgabegewinn verbleibt, im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils oder der Betriebsveräußerung oder -aufgabe bis zur Höhe der nachträglichen Einlagen i.S. des § 15a Abs. 1a EStG ausgleichs- oder abzugsfähig.6
6.420
Dagegen kann ein Erwerber nach bislang h.M. das negative Kapitalkonto weiterführen, wenn die Anteilsübertragung unentgeltlich erfolgte und die stillen Reserven höher sind als das negative Kapitalkonto (§ 6 Abs. 3 EStG).7 Aufgrund der Entscheidung des Großen Senats des BFH ist zwar der Verlustabzug nach § 10d EStG nicht mehr vererblich.8 Allerdings wird allgemein die Auffassung vertreten, dass die Verlustverrechnung nach § 15a Abs. 2 EStG gleichwohl vererblich bzw. übertragbar ist.9 1 Nach Auffassung der OFD Koblenz dürfte es in der Praxis der Regelfall sein, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, OFD Koblenz v. 15.1.2007 – S 2241a A - St 31 1, GmbH StB 2007, 111. 2 Vgl. BFH v. 26.1.1995 – IV R 23/93, GmbHR 1995, 540 (542); Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 100. 3 BFH v. 16.12.1975 – VIII R 147/71, BStBl. II 1976, 360; BFH v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811 = GmbHR 1986, 332. 4 BFH v. 26.1.1995 – IV R 23/93, BStBl. II 1995, 467 = GmbHR 1995, 540; FG BW v. 14.8.1997 – 6 K 100/93, DStRE 1998, 44 sowie Beschluss über Nichtzulassungsbeschwerde: BFH v. 26.8. 1998 – IV B 136/97, BFH/NV 99, 307 = GmbHR 1999, 203; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 100. 5 JStG 2009 v. 19.12.2008, BStBl. I 2009, 74. 6 Zuvor schon möglich: FG Köln v. 22.8.1995 – 2 K 5441/90, EFG 1995, 1054; R 15a Abs. 4 EStR 2008; OFD Frankfurt a.M. v. 17.1.2002 – S 2241a A - 11 - St II 21, StEK EStG § 15a Nr. 51; vgl. auch FG Düsseldorf v. 5.6.2013 – 15 K 1333/11 F, juris. 7 BFH v. 11.5.1995 – IV R 44/93, DB 1995, 1690 = GmbHR 1995, 919; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 234; vgl. Demuth, kösdi 2013, 18381 (18384). 8 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608 = FR 2008, 457 m. Komm. Kanzler. 9 FG Nürnberg v. 2.12.2010 – 4 K 149/2009, EFG 2011, 1162; OFD Koblenz v. 20.7.2011 – S 2225 A - St 32 1, juris; OFD Frankfurt a.M. v. 16.7.2013 – S 2225 A - 12 - St 213, juris; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 234; Spaggiari/Bruschke, StB 2011, 272 (280); Kersten/ Feldgen, FR 2013, 197 (203).
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
Treffen in einem Jahr begünstigte und nicht begünstigte Gewinne zusammen, so ist – da das Gesetz keine Reihenfolge vorsieht – die Verlustverrechnung u.E. zunächst mit den nicht begünstigten Gewinnen vorzunehmen.1
6.421
Beispiel Kommanditist A hat Ende 06 einen verrechenbaren Verlust i.S. des § 15a Abs. 2 EStG von 100 000 Euro.
6.422
Im Jahre 07 erzielt er aus der KG einen laufenden KG-Gewinnanteil von 70 000 Euro und einen Gewinnanteil aus dem Sonderbetriebsvermögen von 10 000 Euro. Aus der Veräußerung seines Anteils an der KG erzielt er ferner einen Veräußerungsgewinn von 50 000 Euro (vor Freibetrag). Der anteilig auf ihn entfallende Veräußerungsfreibetrag i.S. des § 16 Abs. 4 EStG beträgt 15 000 Euro. U.E. ist der verrechenbare Verlust zunächst mit den laufenden (nicht begünstigten) Gewinnanteilen zu verrechnen, so dass die anzusetzenden laufenden Einkünfte – ohne Sonderbetriebsvermögen – 0 Euro betragen. Der noch nicht verrechnete verrechenbare Verlust von 30 000 Euro (100 000 Euro ./. 70 000 Euro) ist anschließend mit dem Veräußerungsgewinn zu verrechnen, wobei – zumindest für Zwecke des § 15a EStG – zunächst der Veräußerungsfreibetrag abzuziehen ist. Der noch verbleibende Veräußerungsgewinn von 35 000 Euro (50 000 Euro ./. 15 000 Euro) ist mithin mit dem restlichen verrechenbaren Verlust von 30 000 Euro zu verrechnen, so dass ein nach § 34 EStG begünstigt anzusetzender Veräußerungsgewinn von 5 000 Euro verbleibt (Anm.: Überstiege im Beispielsfall der verrechenbare Verlust die Gewinne, so wäre er, da die Beteiligung i.S. des § 15a Abs. 2 EStG nach der Veräußerung nicht mehr vorhanden ist, steuerlich verloren. Eine „Übertragung“ auf andere Einkunftsquellen ist nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 2 EStG nicht möglich).
Treffen in einem Jahr ein bestehender verrechenbarer Verlust und ein laufender Verlust sowie ein diese Verluste übersteigender Veräußerungserlös aufeinander, entsteht oder erhöht sich durch den laufenden Verlust ein negatives Kapitalkonto nicht.2
6.423
Beispiel Kommanditist A hat Ende 13 einen verrechenbaren Verlust i.S. des § 15a Abs. 2 EStG von 20 000 Euro. Im Jahre 14 erzielt die KG einen laufenden Verlust von 70 000 Euro sowie einen Aufgabegewinn von 600 000 Euro. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im Verfahren vor den FG Münster3 ist der Aufgabegewinn, der zu den Einkünften aus der Beteiligung an der KG gehört, nicht nur mit dem verrechenbaren Verlust zu Beginn des Kalenderjahres i.H.v. 20 000 Euro zu saldieren, sondern auch mit dem laufenden Verlust i.H.v. 70 000 Euro. Durch den laufenden Verlust entsteht mithin kein negatives Kapitalkonto und ein solches erhöht sich auch nicht. Der Verlust ist als ausgleichsfähig festzustellen. Dieses Ergebnis entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers, dass Einlagen bis zum Bilanzstichtag einen sonst nur verrechenbaren Verlust des laufenden Jahres in einen ausgleichsfähigen umwandeln4. 1 So ebenfalls: OFD Frankfurt a.M. v. 17.1.2002 – S - 2241a A - 11 - St II 21, StEK EStG § 15a Nr. 51; OFD Frankfurt a.M. v. 9.11.2011 – S 2241a A - 11 - St 213, juris; Bitz in Littmann/ Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 34; Biergans, DStR 1981, 3 (7). 2 FG Münster v. 4.9.2012 – 1 K 998/09 F, EFG 2013, 30, Revision (IV R 40/12) wurde zurückgenommen. 3 FG Münster v. 4.9.2012 – 1 K 998/09 F, EFG 2013, 30, Revision (IV R 40/12) wurde zurückgenommen. 4 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 34, 58; zur weitergehenden Bedeutung dieses Urteils bei sonstigen voll besteuerten Einkünften des Kommanditisten vgl. Hempe/Huber, DStR 2013, 1217 ff.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.425
Schließlich bleibt die Frage zu klären, ob und inwieweit ein Verlustanteil aus der KG-Bilanz und ein positives Ergebnis aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens saldiert werden können. Dies betrifft insbesondere Tätigkeitsvergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG oder Nutzungsentgelte für Wirtschaftsgüter im Sonderbetriebsvermögen. Die Finanzverwaltung leitete aus der Trennung des Vermögens laut Gesamthandsbilanz einschließlich Ergänzungsbilanzen einerseits und des Sonderbetriebsvermögens andererseits ein generelles Saldierungsverbot ab.1 Dies gilt sowohl für das Verlustentstehungsjahr als auch für spätere Jahre. Dieser Auffassung hat sich der BFH mit einem Grundsatzurteil vom 13.10.19982 überzeugend angeschlossen.
6.426
Daraus ergibt sich folgende Reihenfolge der Verlustermittlung und -verrechnung:3 – Zunächst werden die ausgleichs- und abzugsfähigen Verluste nach § 15a Abs. 1 EStG aus der Gesamthandsbilanz und einer etwaigen Ergänzungsbilanz ohne vorherige Saldierung mit Gewinnen aus dem Sonderbetriebsvermögen ermittelt. – Ergeben sich ohne Saldierung mit positivem Sonderbetriebsvermögen ausgleichsfähige Verluste, können diese saldiert werden. Ergeben sich dagegen aus Gesamthands- und Ergänzungsbilanz keine ausgleichsfähigen, sondern nur verrechenbare Verluste, können diese nicht mit Gewinnen aus dem Sonderbetriebsvermögen saldiert werden; vielmehr müssen diese so lange vorgetragen werden, bis sie mit späteren Gewinnen aus der Gesamthands- und Ergänzungsbilanz verrechnet werden können. Eine Verrechnung mit späteren Gewinnen aus dem Sonderbetriebsvermögen ist nicht zulässig. Beispiel
6.427
A mit Kapitalkonto im Jahre 12 von 10 000 Euro erhält eine Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG von 5 000 Euro (nicht entnommen). Gesamthandsbilanz Euro Kapitalkonto A in 12 KG-Verlustanteil in 12
Euro
Summe Euro
+ 10 000
+ 10 000
./. 20 000
./. 20 000
Sondervergütung Kapitalkonto A 31.12.12
./. 10 000
KG-Verlustanteil in 13
./. 5 000
Sondervergütung
Sonderbilanz
+ 5 000
+ 5 000
+ 5 000
./. 5 000 ./. 5 000
+ 5 000
+ 5 000
1 H 15a EStH 2014 „Saldierung von Ergebnissen aus dem Gesellschaftsvermögen mit Ergebnissen aus dem Sonderbetriebsvermögen“. 2 BFH v. 13.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163 = GmbHR 1999, 199, vgl. auch BFH v. 3.2.1999 – VIII R 29/98, BStBl. II 1999, 592 = FR 1999, 701 m. Komm. Kempermann; zustimmend Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 34; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. B 292; Kempermann, StbJb. 1996/97, 317 (326); kritisch z.B. Buchele, DB 1999, 2336 (2338); vgl. auch: Prinz/Thiel, DStR 1994, 341 (345); Bordewin, DStR 1994, 673 (678). 3 Vgl. BMF v. 15.12.1993 – IV B 2 - S 2241a - 57/93, BStBl. I 1993, 976.
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG) Gesamthandsbilanz
Sonderbilanz
Summe
Euro
Euro
Euro
Kapitalkonto A 31.12.13
./. 15 000
+ 10 000
./. 5 000
KG-Gewinnanteil in 14
+ 10 000
Sondervergütung Kapitalkonto A 31.12.14
./. 5 000
+ 10 000 + 5 000
+ 5 000
+ 15 000
+ 10 000
Im Jahr 12 besteht ein ausgleichsfähiger Verlust nach § 15a Abs. 1 EStG i.H.v. 10 000 Euro, der nicht mit der Sondervergütung saldiert werden kann. Ein Betrag i.H.v. 10 000 Euro ist nicht sofort ausgleichsfähig, sondern nur verrechenbar. Die Sondervergütung muss als gewerbliche Einkünfte versteuert werden. Im Jahr 13 ist der Verlustanteil aus 01 von 10 000 Euro verrechenbar und nicht mit der Sondervergütung zu saldieren; diese muss als gewerbliche Einkünfte versteuert werden. Ende 13 beträgt der verrechenbare Verlust insgesamt 15 000 Euro (10 000 Euro aus 01 und 5 000 Euro aus 02). Im Jahr 14 wird der bis dahin aufgelaufene verrechenbare Verlust von 15 000 Euro mit dem Gewinn von 10 000 Euro teilweise verrechnet. Der verbleibende Verlust von 5 000 Euro ist nur mit späteren Gewinnen aus der Gesamthandsbilanz verrechenbar und kann nicht mit der Sondervergütung von 5 000 Euro saldiert werden; diese muss wiederum als gewerbliche Einkünfte versteuert werden.
ee) Wechsel im Gesellschafterstatus Wechselt ein Kommanditist in die Rechtsstellung eines Komplementärs bzw. ein Komplementär in die Rechtsstellung eines Kommanditisten, hat dies auch Auswirkungen im Zusammenhang mit § 15a EStG. Beim Wechsel von der Kommanditisten- zur Komplementärstellung stellt sich zunächst die Frage nach der Behandlung von zu diesem Zeitpunkt vorhandenen (festgestellten) verrechenbaren Verlusten aus Vorjahren. Nach der h.M. in der Rechtsprechung,1 der Auffassung der Verwaltung2 und der herrschenden Literaturmeinung3 bleibt es bei der Verrechenbarkeit der Verluste. Der Wechsel der Statusstellung führt nicht zu einer Umwandlung in ausgleichsfähige Verluste.
6.428
Hinsichtlich der Verluste des laufenden Wirtschaftsjahres, in dem der Statuswechsel erfolgt, gilt nach der Rechtsprechung des BFH4 das Stichtagsprinzip (Maßgeblichkeit der Rechtsverhältnisse am Bilanzstichtag). Für die Behandlung der Verluste kommt es mithin auf die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahres der Ver-
6.429
1 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 38/02, BStBl. II 2004, 115 = FR 2004, 153; BFH v. 12.2.2004 – IV R 26/02, BFH/NV 2004, 1228 = BFHReport 2004, 728; FG Düsseldorf v. 8.10.2012 – 11 K 1315/10 F, EFG 2013, 201; a.A. FG Köln v. 16.1.2002 – 14 K 3366/01, EFG 2002, 818; FG Köln v. 20.3.2002 – 10 K 3545/99, EFG 2002, 1035. 2 H 15a EStH 2014 „Wechsel der Rechtsstellung eines Gesellschafters“. 3 Vgl. nur Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 185; Brandenberg, DB 2004, 1632 (1634); Niehus/Wilke, FR 2004, 677 (683); Kempermann, DStR 2004, 1515 (1516 f.); Spaggiari/Bruschke, StB 2011, 272 (279 f.). 4 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 81/02, FR 2004, 156 m. Komm. Kempermann = BFHReport 2004, 17; BFH v. 12.2.2004 – IV R 70/02, BStBl. II 2004, 423 = GmbHR 2004, 679; Brandenberg, DB 2004, 1632 (1634); a.A. Sahrmann, DStR 2012, 1109 (1113) m.w.N.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
lustentstehung an. Eine Aufteilung der Verluste pro rata temporis bei unterjährigem Gesellschafterwechsel wird abgelehnt. 6.430
Welche Anforderungen für einen für § 15a EStG relevanten Statuswechsel erfüllt sein müssen, hat der BFH1 in einer Entscheidung im Jahr 2004 festgelegt. Entsprechend der handelsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen findet der Wechsel des Kommanditisten in die Rechtsstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters im Zeitpunkt der betreffenden Vereinbarung statt. Wird mithin die Vereinbarung vor Ende des Wirtschaftsjahres wirksam gefasst, unterliegen die Verlustanteile dieses Wirtschaftsjahres nicht mehr den Beschränkungen des § 15a EStG, auch wenn der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gestellt wird.
6.431
Beim Wechsel des Komplementärs in die Kommanditistenstellung gelten die gleichen Grundsätze wie beim umgekehrten Wechsel. Bei einem unterjährigen Statuswechsel unterliegt der Verlustanteil des gesamten Jahres folglich den Restriktionen des § 15a EStG.2 Maßgeblich ist wiederum der Zeitpunkt der Vereinbarung, weder der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister noch die Eintragung selbst sind erforderlich.3 ff) Doppelstöckige GmbH & Co. KG
6.432
Bei der doppelstöckigen GmbH & Co. KG ergibt sich für die Anwendung des § 15a EStG eine Besonderheit.4 Ein Verlust der Untergesellschaft wird der Obergesellschaft zunächst in voller Höhe zugerechnet. Anschließend wird festgestellt, welcher Verlustanteil sofort ausgleichs- und abzugsfähig und welcher Verlustanteil (nur künftig) verrechenbar i.S. des § 15a Abs. 2 EStG ist. Im Rahmen der Gewinnfeststellung der Obergesellschaft kann keine Umqualifizierung des nur (künftig) verrechenbaren Verlustanteils in einen (sofort) ausgleichsfähigen Verlust vorgenommen werden. Da aber in der Obergesellschaft der Bilanzansatz ihrer Beteiligung an der Untergesellschaft – zumindest steuerlich – nach h.M. immer dem Kapitalkonto der Obergesellschaft in der Untergesellschaft entspricht („Spiegelbildmethode“), wirkt sich der bei der Untergesellschaft festgestellte verrechenbare Verlustanteil auf diese Weise genauso wie der ausgleichsfähige Verlustanteil bei der Obergesellschaft aus. Zur Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung will die Finanzverwaltung daher das in der Bilanz der Obergesellschaft durch den Verlust geminderte Kapitalkonto für Zwecke des § 15a EStG um einen außer-
1 BFH v. 12.2.2004 – IV R 70/02, BStBl. II 2004, 423 = GmbHR 2004, 679; vgl. auch Kempermann, DStR 2004, 1515 (1516 f.). 2 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 81/02, FR 2004, 156 m. Komm. Kempermann = BFHReport 2004, 17; Kempermann, DStR 2004, 1515 (1516); a.A. Sahrmann, DStR 2012, 1109 (1113) m.w.N. 3 H 15a EStH 2014 „Wechsel der Rechtsstellung eines Gesellschafters“; Brandenberg, DB 2004, 1632 (1634); Kempermann, DStR 2004, 1515 (1516). 4 Die generelle Anwendbarkeit von § 15a EStG bei doppelstöckigen Personengesellschaften bejahend: BFH v. 7.10.2004 – IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533 = GmbHR 2005, 311; BFH v. 18.12.2003 – IV B 201/03, DB 2004, 357 = GmbHR 2004, 310; so auch vorgehend: FG BW v. 12.8.2003 – 1 V 24/03, EFG 2003, 1775; vgl. auch Urteilsanmerkung von Braun, EFG 2003, 1776; zustimmend auch Ley, DStR 2004, 1498.
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
bilanziellen Merkposten wieder erhöhen, in dem sich die Entwicklung der verrechenbaren Verluste aus der Untergesellschaft widerspiegelt.1 Beispiel2 A ist alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG (Obergesellschaft), die ihrerseits zu 100 % als Kommanditistin an einer weiteren GmbH & Co. KG (Untergesellschaft) beteiligt ist. Kapitalkontenentwicklung bei der Untergesellschaft: Euro Kapitalkonto der Obergesellschaft am 1.1.14
+ 400 000
Verlustanteil in 14
./. 500 000
Kapitalkonto der Obergesellschaft am 31.12.14
./. 100 000
Der Verlustanteil der Obergesellschaft von 500 000 Euro ist i.H.v. 400 000 Euro ausgleichsfähig und i.H.v. 100 000 Euro nur mit künftigen Gewinnen verrechenbar. Kapitalkontenentwicklung bei der Obergesellschaft: Euro Kapitalkonto des A am 1.1.14
+ 1 100 000
Verlust in 14 aus der Obergesellschaft
./. 650 000
Verlustanteil aus der Untergesellschaft (davon 100 000 Euro nur verrechenbar)
./. 500 000
Kapitalkonto des A am 31.12.14
./.
50 000
außerbilanzieller Merkposten für Zwecke des § 15a EStG (= entspricht der Höhe des verrechenbaren Verlustes in der Untergesellschaft)
+ 100 000
Kapitalkonto des A am 31.12.14 für Zwecke des § 15a EStG (= Ausgleichspotenzial für künftige Verluste)
+
50 000
Ergebnis: Für den Kommanditisten A ist einheitlich und gesondert festzustellen: Euro Zuzurechnender Verlustanteil (= Verlust Obergesellschaft 650 000 Euro und Verlust Untergesellschaft 500 000 Euro)
1 150 000
davon (sofort) ausgleichsfähig
1 050 000
davon (künftig) verrechenbar
100 000
1 OFD Bremen v. 19.10.1995 – S 2241a - St 201, BB 1996, 900; OFD Chemnitz v. 5.2.1998 – S 2241a - 8/1 - St 31, GmbHR 1998, 394; zustimmend OFD Frankfurt a.M. v. 23.7.2013 – S 2241a A - 7 - St 213, juris mit erläuterndem Beispiel; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. B 255 f. m.w.N. hinsichtlich alternativer Lösungswege; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Nickel/Bodden, FR 2003, 391 und bei Ley, DStR 2004, 1498. 2 Aus der Vfg. der OFD Bremen v. 19.10.1995 – S 2241a - St 201, BB 1996, 900, die auf das Beispiel und die Erläuterungen im Aufsatz von Sundermeier, DStR 1994, 1477, zurückgeht.
Helde
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603
6.433
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
b) Überschießende Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG) 6.434
§ 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG erweitert die nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG mögliche Ausgleichs- und Abzugsmöglichkeit für die Fälle der sog. überschießenden Außenhaftung. Ein im Handelsregister eingetragener Kommanditist haftet gem. § 171 Abs. 1 HGB den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar (s. hierzu unter Rz. 6.392). Ist die Einlage in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme noch nicht erbracht, so ist nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ein erweiterter Verlustausgleich und Verlustabzug bis zur Höhe der eingetragenen Haftsumme möglich. Denn nach Satz 2 können abweichend von Satz 1 Verluste des Kommanditisten bis zur Höhe des Betrages, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Maßgebend sind dabei jeweils die Verhältnisse am Bilanzstichtag. Beispiel
6.435
Die Haftsumme lt. Handelsregister beträgt 100 000 Euro, die tatsächlich geleistete Einlage 60 000 Euro.
Kapitalkonto Kommanditist 1.1.14
Gesamthandsbilanz
Ergänzungs-Bilanz
Summe
Euro
Euro
Euro
60 000
./. 20 000
+ 40 000
KG-Verlustanteil in 14
./. 130 000
–
./. 130 000
Kapitalkonto 31.12.14
./. 70 000
./. 20 000
./. 90 000
Das Anfangs-Kapitalkonto des Kommanditisten i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt unter Einbeziehung der Ergänzungsbilanz 40 000 Euro. Durch den KG-Verlustanteil entsteht ein negatives Kapitalkonto von ./. 90 000 Euro, so dass er nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst nur i.H.v. 40 000 Euro ausgleichsfähig ist. 90 000 Euro wären danach nur verrechenbar. Zusätzlich ausgleichsfähig ist jedoch nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ein Verlustbetrag in Höhe der Differenz zwischen Haftsumme und tatsächlich geleisteter Einlage, d.h. in Höhe von 40 000 Euro (100 000 Euro ./. 60 000 Euro). Der restliche Verlustanteil i.H.v. 50 000 Euro (130 000 Euro ./. 80 000 Euro) ist nach § 15a Abs. 2 EStG verrechenbar.
6.436
Für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Einlagen auf die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme erbracht worden sind, sind allein die handelsrechtlichen Bestimmungen maßgebend. Entsprechend kommt eine das Wiederaufleben der handelsrechtlichen Haftung (maximal in Höhe der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme) nach sich ziehende Minderung der geleisteten Einlage nur in Betracht, soweit die Einlage aus dem Gesellschaftsvermögen zurückgezahlt wird (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB) oder der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalkonto lt. Handelsbilanz durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme das Kapitalkonto unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert wird (§ 172 Abs. 4 Satz 2 HGB). Daraus folgt, dass die Außenhaftung entscheidend durch die Entnahmen aus dem und die Einlagen in das Gesamthandsvermögen beeinflusst wird.
6.437
Fraglich ist, ob eine (nicht in das Handelsregister eingetragene) sog. freie Einlage, die Kommanditisten bei ausstehender Hafteinlage erbringen, nicht als auf die Haft604
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
einlage erbracht angesehen werden kann. Das Finanzgericht Hamburg hatte dies in zwei Entscheidungen sowohl im Fall einer Sacheinlage als auch einer Bareinlage bejaht: § 15a Abs. 1 EStG schließe es nicht aus, dass bei einer nicht voll erbrachten Hafteinlage das Verlustausgleichsvolumen durch weitere Sacheinlagen bzw. Kapitaleinzahlungen erhöht werde.1 In der Literatur wurde dieses Ergebnis zwar kritisch betrachtet,2 der BFH3 hat indes unter Rückgriff auf die anerkannte Möglichkeit der „-negativen Tilgungsbestimmung“ die Auffassung des Finanzgerichts Hamburg in beiden Fällen bestätigt. Nach u.E. zutreffender Auffassung des FG Baden-Württemberg gilt Vergleichbares, wenn der handelsrechtlich entnahmefähige Gewinn eines Kommanditisten von diesem weder entnommen noch mit der noch ausstehenden Einlage verrechnet wird, sondern aufgrund eines mit maßgebender Beteiligung des Kommanditisten zustande gekommenen Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft als zusätzliches Eigenkapital bzw. weitere Einlage zugeführt wird.4 Auch wenn der BFH5 trotz zugelassener Revision aufgrund der Fristversäumung bei der Revisionsbegründung keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, ist dies ein weiterer Aspekt, der neben der Bar- und Sacheinlage mit negativer Tilgungsbestimmung bei der Gestaltungspraxis zu berücksichtigen ist. Ebenfalls fraglich ist, ob eine Haftungserweiterung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG durch die Übernahme von Bürgschaften6 durch den Kommanditisten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft erreicht werden kann. Nach Auffassung des BFH
1 FG Hamburg v. 20.5.2005 – VI 30/03, EFG 2005, 1431 zur Sacheinlage; FG Hamburg v. 20.10.2006 – 7 K 151/04, EFG 2007, 405 zur Bareinlage. 2 Vgl. Urteilsanmerkung von Valentin, EFG 2007, 408. 3 BFH v. 11.10.2007 – IV R 38/05, GmbHR 2008, 217; BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BFH/NV 2009, 451 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/Marchand; zustimmend: H 15a EStH 2014 „Einlagen“; Kempermann, DStR 2008, 1917 (1918); zu den Praxisfolgen vgl. Staats, BB 2008, 656 sowie Spaggiari/Bruschke, StB 2011, 272 (277 f.); vgl. auch Kersten/ Feldgen, FR 2013, 197 (203); kritisch: Sahrmann, DStR 2012, 1109 (1115). 4 FG BW v. 5.11.2009 – 13 K 83/06, EFG 2010, 498. 5 BFH v. 15.12.2010 – IV R 5/10, BFH/NV 2011, 809. 6 Bürgschaften wirken sich während Bestehens der Gesellschaft grundsätzlich nicht gewinnmindernd aus. Denn selbst wenn die Inanspruchnahme des Kommanditisten aus der Bürgschaft droht oder er bereits aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde, kann er in seiner Sonderbilanz keine Rückstellung bilden bzw. keine Verbindlichkeit einstellen. Die Leistung aufgrund der Bürgschaft ist nämlich als Einlage zu behandeln, vgl. BFH v. 12.7. 1990 – IV R 37/89, BStBl. II 1991, 64 = FR 1991, 51; BFH v. 14.12.1995 – IV R 106/94, BStBl. II 1996, 226 = GmbHR 1996, 469; FG Münster v. 29.3.1995 –11 K 561/94 F, EFG 1995, 831 (832); ebenso OFD Düsseldorf v. 31.7.1995 – S 2241 A - St 11, GmbHR 1995, 920; OFD München/Nürnberg v. 7.5.2004 – S 2241 - 26 St 41/42, S 2241 - 167/St 31, FR 2004, 731 (733). Steht dem Kommanditisten zivilrechtlich als Folge der Bürgschaftsleistung ein selbständiger, noch nicht erfüllter Ersatzanspruch gegen die KG zu, wirkt sich die Wertlosigkeit dieser Ersatzforderung, die zum Sonderbetriebsvermögen gehört, nicht schon im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Bürgschaft aus, sondern erst bei der Ermittlung eines Veräußerungsoder Aufgabegewinns des Gesellschafters, etwa bei seinem Ausscheiden oder bei Betriebsaufgabe der Gesellschaft, vgl. BFH v. 12.7.1990 – IV R 37/89, BStBl. II 1991, 64 = FR 1991, 51; FG Münster v. 29.3.1995 – 11 K 561/94, EFG 1995, 831 (832); OFD Düsseldorf v. 31.7.1995 – S 2241 A - St 11, GmbHR 1995, 921; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann = DB 2003, 2418; OFD München/Nürnberg v. 7.5.2004 – S 2241 - 26 St 41/42, S 2241 - 167/St 31, FR 2004, 731 (733 f.).
Helde
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6.438
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
führt die Übernahme von Bürgschaften nicht zu einer erweiterten Verlustzurechnung.1 6.439
Die Möglichkeit des erweiterten Verlustausgleichs bei überschießender Außenhaftung (insoweit besteht, wie sich aus der Gesetzesformulierung ergibt, für den Kommanditisten ein Wahlrecht)2 ist jedoch nach § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG an weitere Voraussetzungen geknüpft. aa) Eintragung im Handelsregister und Nachweis des Bestehens der Haftung
6.440
Der erweiterte Verlustausgleich setzt voraus, dass der Kommanditist namentlich im Handelsregister eingetragen ist. Nach Rechtsprechung und Finanzverwaltung muss die namentliche Eintragung im Handelsregister zum Bilanzstichtag bereits vollzogen sein.3 Es ist nicht ausreichend, wenn die Eintragung am Bilanzstichtag angemeldet ist und bis zur Bilanzaufstellung vollzogen wird.4 Daher sollten in der Praxis Beschlüsse zur Haftungserhöhung möglichst mit einem großzügig bemessenen zeitlichen „Sicherheitsabstand“ zum Jahresende gefasst werden. Bei fehlerhaft zu niedrig eingetragener Haftsumme ist dieser geringere Betrag für die überschießende Außenhaftung maßgeblich, da der Kommanditist grundsätzlich nur in Höhe des niedrigeren Betrags haftet. Eine Außenhaftung über den im Handelsregister eingetragenen Betrag hinaus und damit eine erhöhte Ausgleichsfähigkeit gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG besteht nur dann, wenn die KG oder der Kommanditist selbst den höheren Betrag in handelsüblicher Weise bekanntgemacht oder auf andere Art einem bestimmten Gläubiger mitgeteilt hat.5 Eine spätere Berichtigung wirkt grundsätzlich nicht zurück.6 Eine Ausnahme stellt allerdings die steuerrechtliche Rückwirkung der Haftungsverfassung gem. § 2 UmwStG i.V.m. § 234 Nr. 1 UmwG dar.7 Treugeberkommanditisten und Unterbeteiligten8 wird i.d.R. der erweiterte Verlustausgleich verschlossen bleiben, da es zum einen nicht ausreicht, dass Treuhänder oder Hauptbeteiligte im Handelsregister eingetragen sind,9 und zum anderen eine Haftung den Treugeber nicht unmittelbar persönlich trifft, 1 BFH v. 13.11.1997 – IV B 119/96, BStBl. II 1998, 109 = GmbHR 1998, 294; H 15a EStH 2009 „Bürgschaft“; BFH v. 1.10.2002 – IV B 91/01, BFH/NV 2003, 304. 2 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 29; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 123; a.A. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. C 230 ff. 3 R 15a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStR 2012; BFH v. 28.5.1993 – VIII B 11/92, FR 1993, 581, wonach bei Beurkundung der Haftungserhöhung am 9.12. und Registereintragung am folgenden 6.1. eine Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB nicht in Betracht kam; FG MV v. 3.12.1997 – 1 K 54/97, EFG 1998, 550 zustimmend Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 117 f. m.w.N.; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 132. 4 FG MV v. 3.12.1997 – 1 K 54/97, EFG 1998, 550; a.A. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 26. 5 FG Berlin-Bdb. v. 3.4.2012 – 6 K 6036/08, EFG 2012, 1453; Lux, DStR 2013, 1671 6 FG Berlin-Bdb. v. 3.4.2012 – 6 K 6036/08, EFG 2012, 1453; Lux, DStR 2013, 1671. 7 BFH v. 3.2.2010 – IV R 61/07, BStBl. II 2010, 942 = GmbHR 2010, 882; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 132. 8 Zur Beschränkung des sog. erweiterten Verlustausgleichs des Kommanditisten bei Bestehen einer Unterbeteiligung BFH v. 19.4.2007 – IV R 70/04, DStR 2007, 1520 = GmbHR 2007, 1062. 9 R 15a Abs. 3 Satz 4 EStR 2012; für den Fall der Unterbeteiligung bestätigt durch den BFH v. 19.4.2007 – IV R 70/04, DStR 2007, 1520 = GmbHR 2007, 1062.
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
sondern nur mittelbar über die Freistellungspflicht im Innenverhältnis gegenüber dem Treuhänder.1 Gestaltungshinweis: Kapitalerhöhung zum Ende des Geschäftsjahres (Erhöhung der Haftsumme) ohne tatsächliche Einzahlung und damit ohne Liquiditätsbelastung.2
6.441
Der Kommanditist hat die zum Bilanzstichtag bestehende Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB unter den danach erforderlichen Voraussetzungen nachzuweisen. Im Einzelnen sind nachzuweisen (ggf. durch Vorlage von Unterlagen):
6.442
– die gesellschaftsrechtliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, – die Eintragung der Haftsumme im Handelsregister und – die bisher auf die Haftsumme geleistete Einlage. Nicht nachzuweisen sind demgegenüber: – die von Amts wegen festzustellende namentliche Eintragung des Kommanditisten im Handelsregister und – das Bestehen haftungsbegründender Verbindlichkeiten der Gesellschaft.3 Dieser „Nachweis“ wirft in der Praxis – insbesondere bei schon „älteren“ KG – häufig kaum lösbare Probleme auf. Denn für die Entscheidung, ob (noch) eine Außenhaftung vorliegt, kommt es ausschließlich auf die Verhältnisse auf dem handelsrechtlichen Einlagekonto bzw. auf den handelsrechtlichen Kapitalkonten des Kommanditisten an, soweit es sich um Eigenkapitalkonten handelt. Maßgebend ist der Saldo aus dem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I), dem Gesellschafter-Verrechnungskonto (Kapitalkonto II) – sofern es als Eigenkapital zu qualifizieren ist –, einem etwaigen Verlustvortragskonto und dem Anteil des Gesellschafters an den – gesamthänderisch gebundenen – Rücklagen (s. Rz. 6.411 ff.). Fraglich ist, wie sich die verschiedenen steuerlichen Kapitalkonten des Kommanditisten (Gesamthands-, Ergänzungs-, Sonderbilanz) auf die Haftungssituation auswirken. Das Sonderbilanzkonto kann sich naturgemäß nicht auf die handelsrechtliche Haftungssituation auswirken. Die Werte aus der Ergänzungsbilanz stellen zwar eine Korrektur zur Gesamthandsbilanz dar und erweitern oder verringern den Verlustausgleich und -abzug nach § 15a EStG. Sie haben aber keinen Einfluss auf die Haftung, weil sie nicht die Einlage des Kommanditisten in das Gesamthandsvermögen betreffen und damit seine Haftung nach §§ 171, 172 HGB nicht berühren. Werte in der Ergänzungsbilanz entstehen z.B. anlässlich des Erwerbs eines Kommanditanteils an den Veräußerer – im Vergleich zum Nennbetrag der steuerlichen Kapitalkonten – gezahlten Mehr- oder Minderbeträge; die Beträge fließen also nicht in das Gesamthandsvermögen der KG. Maßgebend für die Haftung des Kommanditisten ist mithin allein der Stand des handelsrechtlichen Einlagekontos bzw. handelsrechtlichen Kapitalkontos der Gesamthandsbilanz.
1 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 131; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 26. 2 Zu den Folgen der Kapitalerhöhung in Form der schlichten Einlage (tatsächliche Einlage) außerhalb der Erhöhung der Haftsumme s. Rz. 6.411 ff. 3 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 133; vgl. auch Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 119.
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6.443
§6 6.444
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Es ist allerdings zu beachten, dass eine reine Addition/Subtraktion der Gewinne und Verluste, Entnahmen und Einlagen nicht ausreicht, um die Außenhaftung zu ermitteln. Vielmehr kommt es aufgrund der indirekten „Verlusthaftung“ nach § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB und des Wiederauflebens der Haftung bei Entnahmen usw. nach § 172 Abs. 4 HGB entscheidend auf die (jahresbezogene) zeitliche Abfolge dieser Vorgänge an. Beispiel
6.445
C erwirbt den Anteil des Kommanditisten A für 15 000 Euro mit Wirkung zum 2.1.13. Die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme von 10 000 Euro ist voll eingezahlt. Gesamthandsbilanz
Ergänzungsbilanz
Summe
Euro
Euro
Euro
Kapitalkonto C 2.1.13 Entnahme 13 Gewinnanteil 13 Kapitalkonto C 31.12.13
10 000
5 000
15 000
./. 5 000 +
900
./. 5 000 ./. 1 000
+ 5 900
+ 4 000
Verlustanteil 14
./. 19 000
./. 1 000
Kapitalkonto C 31.12.14
./. 13 100
+ 3 000
(AfA)
./.
100
(AfA)
./. 20 000
+ 9 900 ./. 10 100
Im Jahr 13 entsteht oder erhöht sich kein negatives (Gesamt-)Kapitalkonto, so dass § 15a EStG nicht eingreift. Durch die Entnahmen1 aus dem Gesamthandsvermögen ist die Einlage des C unter die Haftsumme (= 10 000 Euro) gesunken und deshalb insoweit die Außenhaftung wieder aufgelebt (§ 172 Abs. 4 HGB). Da C in 13 einen KG-Gewinnanteil von 900 Euro bezogen und A in den Vorjahren keine KG-Verlustanteile zugerechnet worden sind, wirkt der Gewinnanteil als Einlage i.S. des § 171 Abs. 1 HGB, die – da sie die Haftsumme übersteigt – frei, d.h. ohne Auswirkung auf die Haftung, entnehmbar ist (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB). Folglich führen die Entnahmen von 5 000 Euro im Ergebnis nur zu einer Rückzahlung der Einlage i.S. des § 172 Abs. 4 HGB (= wieder aufgelebte Haftung) von 4 100 Euro. (Anm.: Wären A in den Vorjahren KG-Verlustanteile zugerechnet worden, so hätte der Gewinnanteil 13 zur Wiederauffüllung dieser Verluste – bis zur Höhe der Einlage – verwendet werden müssen und nicht entnommen werden dürfen (Verlusthaftung), so dass die Entnahmen von 5 000 Euro in voller Höhe zum Wiederaufleben der Außenhaftung geführt hätten.) Ende 14 entsteht ein negatives Kapitalkonto i.H.v. ./. 10 100 Euro, für das der KG-Verlustanteil (einschl. des Verlustes aus der Ergänzungsbilanz) ursächlich ist, so dass der Verlustanteil von 20 000 Euro i.H.v. 10 100 Euro nur verrechenbar ist. Da aber aus 13 noch eine Außenhaftung von 4 100 Euro vorhanden ist, sind nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG weitere 4 100 Euro zusätzlich ausgleichsfähig und daher nur 6 000 Euro verrechenbar. (Anm.: Der Gewinnanteil 13 wird hier nicht gem. § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB zur „Verlusthaftung“ herangezogen, weil nur Verlusten folgende Gewinne hierzu verwendet werden müssen.)
6.446
Da die handelsrechtliche Haftung durch die jährlichen Entnahmen und Einlagen aus dem und in das Gesamthandsvermögen beeinflusst wird, kann es also immer wieder im Laufe der Jahre zum Wiederaufleben und Erlöschen der Haftung kom1 Bei Entnahmen von Wirtschaftsgütern, auf die Mehr-/Minderwerte in der Ergänzungsbilanz entfallen, wäre ebenfalls das Kapitalkonto der Ergänzungsbilanz um die (anteiligen) Buchwerte der ausscheidenden Wirtschaftsgüter zu korrigieren, so OFD Frankfurt a.M. v. 9.11. 2011 – S 2241a A - 11 - St213, juris.
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Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
men; sie sollte deshalb der Übersicht wegen fortgeschrieben werden. Ungeklärt ist, ob der Kommanditist Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG insgesamt nur einmal in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme ausgleichen darf oder ob er bei jedem Wiederaufleben der Haftung berechtigt ist, § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG in Anspruch zu nehmen mit der Folge, dass er über diese Vorschrift ein Vielfaches seiner Haftsumme an Verlusten ausgleichen könnte. Der Gesetzeswortlaut trifft hierzu keine klare Aussage, so dass jedes Wiederaufleben der Haftung zur Anwendung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG führen müsste. Nach h.M. kann jedoch der erweiterte Verlustausgleich nur einmal bis zur Höhe der ins Handelsregister eingetragenen Haftsumme im Wege der überschießenden Außenhaftung beansprucht werden.1 Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, nämlich der Beschränkung des Verlustausgleichs auf die handelsrechtliche Haftung. bb) Schädliche Einschränkungen der Vermögensminderung aufgrund der Haftung Eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung darf nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich sein. Diese gesetzlichen Einschränkungen zielen in erster Linie auf die sog. Verlustzuweisungsgesellschaften, bei denen bekanntermaßen die Bestrebung besteht, durch Absicherungen rechtlicher oder tatsächlicher Art die Risiken der Kommanditisten-Anleger auf die Höhe ihrer Pflichteinlage zu begrenzen und so die Inanspruchnahme aus der (wegen § 15a EStG) im Handelsregister eingetragenen höheren Haftsumme (= maximale Außenhaftung i.S. des § 171 Abs. 1 HGB) auszuschließen.
6.447
Eine Vermögensminderung bei Haftungsinanspruchnahme wird z.B. durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen, wenn der Kommanditist einen das Risiko abdeckenden Versicherungsvertrag o. dgl. abschließt. Ein anderer denkbarer Fall ist, dass dem Kommanditisten ein sicherer z.B. bankverbürgter Regressanspruch gegen die Gesellschaft, andere Gesellschafter oder Dritte zusteht.2 Steht dem Kommanditisten hingegen (nur) nach dem Gesellschaftsvertrag bei einer Haftungsinanspruchnahme ein Regressanspruch gegen die Gesellschaft zu, ist dies keine Konstellation, die den erweiterten Verlustausgleich beschränkt.3
6.448
Nach dem BFH kommt ein erweiterter Verlustausgleich in Betracht, wenn sich die Gesellschafter auf schuldrechtlicher Grundlage gegenüber den Gesellschaftsgläubigern verpflichten, für Schulden der Gesellschaft persönlich aufzukommen.4 Dies soll sogar dann gelten, wenn durch die Übernahme interner Freistellungsverpflichtungen der Gesellschafter untereinander die vertragliche Haftungsbeschränkung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aufgehoben worden ist. In dem vom BFH zu
6.449
1 BFH v. 26.8.1993 – IV R 112/91, DStR 1994, 695 (696) = FR 1994, 120; FG Hess. v. 11.9.2013 – 2 K 493/10, juris; dazu Bordewin, DStR 1994, 673 (677) unter 2.3.2.; R 15a Abs. 3 Satz 6–9 EStR 2014; vgl. auch die ausführliche beispielhafte Darstellung bei OFD Frankfurt a.M. v.10.11.2008 – S 2241a A - 8 - St 213, juris. 2 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 134; Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 124. 3 Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 125; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 31. 4 BFH v. 17.12.1992 – IX R 150/89, BStBl. II 1994, 490 = FR 1993, 612.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
§ 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG entschiedenen Fall1 hatten in einer Grundstücksverwaltungs-GbR, deren Gesellschaftsvertrag eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen vorsah, einzelne Gesellschafter persönliche Bürgschaftserklärungen für einen Bankkredit abgeben; andere Gesellschafter hatten sich intern gegenüber den bürgenden Gesellschaftern zur Freistellung bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Verhältnis ihrer Beteiligung an der GbR verpflichtet. In Anbetracht der übernommenen Bürgschafts- und Freistellungsverpflichtungen hat der BFH einen vertraglichen Haftungsausschluss i.S. des § 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG verneint. 6.450
Ein erweiterter Verlustausgleich wird außer bei vertraglichem Haftungsausschluss dann nicht gewährt, wenn eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist. Nach der restriktiven Auslegung des BFH ist ein erweiterter Verlustausgleich aufgrund Außenhaftung nur dann ausgeschlossen, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und deren gegenwärtige sowie voraussichtlich zukünftige Liquidität im Verhältnis zum nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegenstand und dessen Umfang so außergewöhnlich günstig sind, dass die finanzielle Inanspruchnahme des einzelnen Kommanditisten nicht zu erwarten ist.2
6.451
Bei der Prüfung der „Unwahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme“ ist also zunächst die finanzielle Struktur bzw. die finanzielle Gesamtkonzeption3 der Gesellschaft zu beachten. Je mehr die eingetragene Haftsumme die Pflichteinlage übersteigt, desto größere Bedeutung misst die Finanzverwaltung dem Aspekt der „Unwahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme“ zu.4 Die Bedeutung der finanziellen Struktur einer Gesellschaft nimmt jedoch ab, je weniger verlustträchtig der Unternehmensgegenstand selbst erscheint. In die Betrachtung einzubeziehen ist auch die spezielle Ausgestaltung der Geschäftstätigkeit. Im Ergebnis ist jeder Einzelfall aufgrund der spezifischen Umstände gesondert zu untersuchen und die voraussichtliche künftige Entwicklung zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung ist ein vorsichtiger Maßstab anzulegen und sind die für ein Haftungsrisiko sprechenden Umstände nach der Vorgabe des BFH im Zweifel eher über als unter zu bewerten.5 c) Einlageminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 1, 2 und 4 EStG)
6.452
Für den Verlustausgleich maßgeblich ist der Stand des Kapitalkontos am Bilanzstichtag. Daher könnten die Rechtsfolgen des § 15a Abs. 1 EStG durch kurzfristige Einlagen vor dem Bilanzstichtag in liquider Form – außerhalb einer Erhöhung der Haftsumme (dazu Rz. 6.432 ff.) – und Entnahme der Beträge kurz nach dem Bilanzstichtag umgangen werden. Um dieser Gestaltungsmöglichkeit, die zu einer Erhöhung des Verlustausgleichspotenzials führt, entgegenzuwirken, wurden in § 15a Abs. 3 EStG spezielle Bestimmungen getroffen. 1 BFH v. 25.7.1995 – IX R 61/93, GmbHR 1996, 143 = DStR 1996, 56: analoge Anwendung von § 15a EStG nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG. 2 BFH v. 14.5.1991 – VIII R 111/86, BStBl. II 1992, 164 = GmbHR 1991, 545; BFH v. 26.8.1993 – IV R 112/91, DStR 1994, 695 = FR 1994, 120; zustimmend: BMF v. 20.2.1992 – IV B 2 S 2241a - 8/92, BStBl. I 1992, 123. 3 Vgl. die Beispiele bei Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 138. 4 Finanzsenator Berlin v. 27.10.1995 – III B 2 - S 2241a - 1/95 - (S 2241a - 3/91), BB 1996, 636. 5 BFH v. 14.5.1991 – VIII R 111/86, BStBl. I 1992, 164 = GmbHR 1991, 545.
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Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
Mit diesen Regelungen wird im Ergebnis der im Jahr der Verlustentstehung zunächst zugelassene Verlustausgleich im Jahr der Entnahme wieder rückgängig gemacht. Rechtstechnisch erfolgt indes keine Rückgängigmachung durch eine rückwirkende Änderung der Feststellungen für das Verlustentstehungsjahr, sondern eine Berücksichtigung im Jahr der Entnahme.1 Dazu regelt § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG, dass dem Kommanditisten der Betrag der Entnahme (Einlageminderung) als Gewinn zuzurechnen ist, der zur Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führt. Der insoweit zuzurechnende Betrag mindert außerdem die Gewinne, die dem Kommanditisten im Wirtschaftsjahr der Zurechnung oder in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG). Aus Satz 1 folgt mithin eine Versteuerung des „Entnahmebetrages“ als fiktiver laufender Gewinn des Jahres der Einlageminderung und aus Satz 4 die nachträgliche Umwandlung des zunächst ausgleichsfähigen Verlusts in einen lediglich verrechenbaren Verlust. So wird im Regelfall der Zustand hergestellt, der bestanden hätte, wenn die zum Verlustausgleich führende Einlage überhaupt nicht geleistet worden wäre.
6.453
Der Höhe nach ist die Gewinnzurechnung beschränkt auf die KG-Verlustanteile (ohne Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen), die im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen sind (§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG). Gewinnanteile des Kommanditisten innerhalb dieses Zeitraums sind grundsätzlich abzuziehen.2 Gemäß § 52 Abs. 33 Satz 5 EStG sind bei der Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG nur Verluste zu berücksichtigen, auf die § 15a Abs. 1 EStG anzuwenden ist. Zeitlich vor der Anwendung von § 15a Abs. 1 EStG entstandene Verluste sind somit nicht zu berücksichtigen.
6.454
Beispiel (Folgen der Entnahme) K ist Kommanditist der K-GmbH & Co. KG. Die Haftsumme entspricht der Pflichteinlage nach dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Einlage i.H.v. 5 000 Euro. K legt in 13 zusätzlich 15 000 Euro ein: Kapitalkonto zum 31.12.13: 20 000 Euro. Der anteilige Verlust beträgt ./. 20 000 Euro. In 14 entnimmt K die geleistete Einlage i.H.v. 15 000 Euro in voller Höhe. Das anteilige Jahresergebnis beträgt 0 Euro. Euro Kapitalkonto 31.12.13 anteiliger Verlust 13
20 000 ./. 20 000
ausgleichsfähiger Verlust
20 000
verrechenbarer Verlust
0
anteiliges Jahresergebnis 14
0
Entnahme = fiktiver Gewinn
15 000
verrechenbarer Verlust
15 000
1 BFH v. 20.3.2003 – IV R 42/00, BStBl. II 2003, 798 = GmbHR 2003, 1380; BFH v. 20.11.2014 – IV R 47/11, BStBl. II 2015, 532 = GmbHR 2015, 604. 2 BFH v. 20.3.2003 – IV R 42/00, BStBl. II 2003, 798 = GmbHR 2003, 1380 m.w. Erläuterungen zu den berücksichtigungsfähigen Gewinnen, vgl. auch Urteilsanmerkung von Kempermann, FR 2003, 1172, mit Rechenbeispielen; OFD Frankfurt a.M. v. 10.11.2008 – S 2241a A - 8 - St 213, juris; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 159.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Den Verlusten, die in 13 i.H.v. 20 000 Euro ausgleichsfähig waren, steht in 14 ein fiktiver Gewinn i.H.v. 15 000 Euro gegenüber, der zu versteuern ist. Gleichzeitig entsteht in dieser Höhe ein verrechenbarer Verlust.
6.456
Die nachträgliche „Umwandlung“ eines ausgleichsfähigen in einen verrechenbaren Verlust nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG aufgrund Einlageminderung führt allerdings nicht im Umkehrschluss dazu, dass durch eine Einlageerhöhung, d.h. die Erbringung einer (weiteren) Einlage in einem Folgejahr, die nachträgliche „Umwandlung“ eines verrechenbaren in einen ausgleichsfähigen Verlust bewirkt werden kann; eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens in § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG hat der BFH insoweit ausdrücklich abgelehnt.1 Durch § 15a Abs. 1a EStG i.d.F. des JStG 20092 ist dies auch gesetzlich geregelt. Durch die Einfügung des § 15a Abs. 1a Satz 1 EStG wurde darüber hinaus geregelt, dass nachträgliche Einlagen nicht zu einer Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden Verlusts eines zukünftigen Wirtschaftsjahres führen, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Nachträgliche Einlagen sind dabei nach Satz 2 dieses Absatzes Einlagen, die nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres geleistet werden, in dem ein nicht ausgleichs- oder abzugsfähiger Verlust entstanden oder ein Gewinn i.S. des Abs. 3 Satz 1 zugerechnet worden ist.3 Zuvor hatte der BFH entschieden, dass Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, regelmäßig zum Ansatz eines Korrekturpostens führen. Daraus folgte, dass – abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren waren, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entstand oder sich erhöhte.4
6.457
Entnahme in diesem Sinne ist der Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen des Wirtschaftsjahres (Saldo) aus dem Gesamthandsvermögen.5 Entnahmen aus dem Sonderbetriebsvermögen führen dagegen nicht zu einer Einlageminderung i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG.6 Die Rechtsfolgen des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG treten allerdings nicht ein, soweit durch Entnahmen eine Haftung nach § 172 1 BFH v. 14.12.1995 – IV R 106/94, DB 1996, 810 = GmbHR 1996, 469; vgl. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 180. 2 JStG 2009 v. 19.12.2008, BStBl. I 2009, 74. 3 Vgl. auch Kempermann, DStR 2008, 1917 (1920); zur zeitlichen Anwendung der Neuregelung in § 15a Abs. 1a EStG i.d.F. des JStG 2009: § 52 Abs. 33 Satz 6 EStG. 4 BFH v. 14.10.2003 – VIII R 32/01, FR 2004, 150 = BFHReport 2004, 12; bestätigt durch BFH v. 26.6.2007 – IV R 28/06, DStR 2007, 1620 = FR 2007, 1115 m. Komm. Kempermann; vgl. zur Auffassung von Finanzverwaltung und Lit. Rz. 6.414 f. 5 Keine Entnahmen sind z.B. die Gewährung von (steuerlich anzuerkennenden) Darlehen der KG an Gesellschafter, Buchwertveräußerungen der KG, angemessene Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sowie der Verkauf eines Teilkommanditanteils – zu Letzterem FG Köln v. 5.4.2001 – 3 K 2431/98, EFG 2001, 1142; zur Entnahme bei fehlender betrieblicher Veranlassung des Darlehens: BFH v. 16.10.2014 – IV R 15/11, BStBl. II 2015, 267 = GmbHR 2015, 271; vgl. dazu näher Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 37; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 154. 6 Das Kapitalkonto i.S. des § 15a EStG umfasst Sonderbetriebsvermögen nicht; s. dazu Rz. 6.407 ff.
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Helde
§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
Abs. 4 HGB wieder auflebt. Insoweit kommt § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (überschießende Außenhaftung) zur Anwendung (§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG). Beispiel (Entnahmen und Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB)
6.458
Euro Kapitalkonto 1.1.14
50 000
(Haftsumme: 50 000 Euro) Entnahmen 14
./. 120 000
KG-Gewinnanteil 14 Kapitalkonto 31.12.14
10 000 ./. 60 000
Das positive Kapitalkonto wird durch Entnahmen auf ./. 60 000 Euro gemindert. Insoweit ist ein negatives Kapitalkonto i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG entstanden, so dass in dieser Höhe eine Einlageminderung vorliegt. Allerdings ist der Betrag von 60 000 Euro um die nach § 172 Abs. 4 HGB i.H.v. 50 000 Euro wieder auflebende Haftung zu mindern, so dass – ausgleichsfähige Vorjahresverluste i.S. des § 15a EStG in gleicher Höhe unterstellt – nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG nur ein Gewinn von 10 000 Euro zuzurechnen ist. In gleicher Höhe entsteht ein verrechenbarer Verlust (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG). Dieser ist mit dem KGGewinnanteil 14 (10 000 Euro) zu verrechnen (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG), so dass im Ergebnis (aus der Einlageminderung) ein zu versteuernder Gewinn von 10 000 Euro und ein verrechenbarer Verlust i.H.v. 0 Euro verbleibt.
Das vorstehende Beispiel betrifft den Fall, dass durch die Entnahme eine Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Grundsätzlich sollte u.E. Vergleichbares in den Fällen gelten, in denen – unabhängig von der Wirkung der Entnahme – noch eine Außenhaftung „besteht“ (z.B. weil die Einlage noch nicht voll geleistet ist, § 171 Abs. 1 HGB). Dies ist zu schließen aus der Formulierung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG, wonach auch eine aufgrund der Entnahme „bestehende“ Außenhaftung zu berücksichtigen ist. Dieser Fall ist zwar bei wörtlicher Interpretation nicht denkbar; denkbar ist nur das „Entstehen“ einer Haftung durch die Entnahme. Diese Regelung könnte aber so verstanden werden, dass ein allgemeiner Bezug zu der Regelung in § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG hergestellt werden soll und eine Haftung generell zu berücksichtigen ist.
6.459
Für die Anwendung der Außenhaftung im Rahmen des § 15a Abs. 3 EStG müssen außerdem die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt sein.1 Zwar verweist § 15a Abs. 3 EStG nicht explizit auf § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG. Eine unterschiedliche Handhabung der Außenhaftungen nach § 15a Abs. 1 und Abs. 3 EStG, die miteinander verzahnt sind, wäre jedoch nur schwer nachvollziehbar.
6.460
Beim Zusammentreffen von Entnahmen und KG-Verlustanteilen in demselben Wirtschaftsjahr stellt sich die Frage der Reihenfolge der Berücksichtigung von Entnahmen und Verlustanteilen und der Verwendung der Außenhaftung. Diese Reihenfolge wird jedoch i.d.R. ohne steuerliche Auswirkung bleiben.2
6.461
1 BFH v. 6.3.2008 – IV R 15/06, BFH/NV 2008, 1142; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 157; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. E 68; Heuermann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15a EStG Rz. 89. 2 v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. E 55; Lüdemann, Verluste bei beschränkter Haftung, 1998, S. 189 f.; Kußmaul/Delarber/Biehl, StB 2013, 273 (277).
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Beispiel 6.462
Kommanditist K ist im Handelsregister mit einer Haftsumme i.H.v. 50 000 Euro eingetragen. Die Einlage ist voll eingezahlt. Die nach § 15a EStG ausgleichsfähigen Verluste 11–13 betragen 40 000 Euro. Euro Kapitalkonto 1.1.14
+ 10 000
KG-Entnahmen 14
./. 15 000
KG-Verlustanteil 14
./. 20 000
Kapitalkonto 31.12.14
./. 25 000
I.S. des § 15a EStG „entsteht“ ein negatives Kapitalkonto von ./. 25 000 Euro, für das sowohl der KG-Verlustanteil als auch die Entnahmen ursächlich sind. Eine Möglichkeit ist, dass man zunächst von dem positiven Kapitalkonto den entnommenen Betrag und erst anschließend den KG-Verlustanteil abzieht:1 Euro Kapitalkonto 1.1.14
+ 10 000
KG-Entnahme 14
./. 15 000
Zwischensumme
./. 5 000
KG-Verlustanteil 14
./. 20 000
Kapitalkonto 31.12.14
./. 25 000
Da allein schon durch Berücksichtigung der Entnahme das Kapitalkonto negativ geworden ist, hat der „anschließende“ Verlustabzug vollumfänglich zum Entstehen bzw. zur Erhöhung des negativen Kapitalkontos beigetragen. Der KG-Verlustanteil von 20 000 Euro ist – da er mithin in voller Höhe zum Entstehen des negativen Kapitalkontos geführt hat – insgesamt nicht ausgleichsfähig, sondern nur (vorläufig) verrechenbar (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG).
6.463
Zu dem gleichen Ergebnis wäre man gekommen, wenn man als Ausgangsgröße den Betrag des negativen Kapitalkontos verwendet hätte und entsprechend der Reihenfolge des Gesetzes bei der Erforschung der Ursachen für das entstehende negative Kapitalkonto den KG-Verlustanteil berücksichtigt hätte: Euro Entstandenes neg. Kapitalkonto ./. KG-Verlust = entstanden durch Entnahmen
6.464
./. 25 000 20 000 ./. 5 000
Wegen der nicht eindeutigen Aussage des § 15a EStG zur Reihenfolge sollte es allerdings auch zulässig sein, von dem positiven Kapitalkonto zunächst den KG-Verlustanteil und dann erst die Entnahme abzuziehen.2 M.a.W.: Die Entnahme wäre 1 Befürwortend: v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. E 56 ff.; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 38; Wassermeyer, DB 1985, 2634 (2637 f.); IdW-Fachnachrichten 2001, 642 (648); Kußmaul/Delarber/Biehl, StB 2013, 273 (277). 2 Für diese Reihenfolge Biergans, DStR 1981, 3 (8 ff.).
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§6
Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG)
für das Entstehen des negativen Kapitalkontos als primär ursächlich anzusehen. Dann käme es im Beispielsfalle zwar zu einer Erhöhung des ausgleichsfähigen Verlustbetrages (10 000 Euro). Gleichzeitig findet aber in derselben Höhe von 10 000 Euro eine Gewinnzurechnung statt. Ein anderes Ergebnis könnte sich nur dann ergeben, wenn die Entnahme keine Gewinnzurechnung zur Folge hätte, weil in dem nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG maßgebenden Zeitraum keine ausgleichsfähigen Verluste angefallen sind. Der o.g. Zeitraum umfasst jedoch auch das Jahr der Einlageminderung, so dass der vorab berücksichtigte Verlustanteil Hinzurechnungsvolumen bietet.1 Bei dem o.g. Beispiel (Rz. 6.460) sind noch weitere Umstände, insbesondere die Außenhaftung, zu berücksichtigen. Geht man von der zuerst dargestellten Reihenfolge aus, gilt Folgendes: Durch die Entnahme aus dem Gesamthandsvermögen i.H.v. 15 000 Euro lebt eine Außenhaftung i.S. des § 172 Abs. 4 HGB in dieser Höhe wieder auf, so dass der vorläufig verrechenbare Verlust von 20 000 Euro gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (Voraussetzungen des Satzes 3 sollen vorliegen) i.H.v. 15 000 Euro zusätzlich ausgleichsfähig ist; i.H.v. 5 000 Euro bleibt er verrechenbar.
6.465
Die Entnahmen haben i.H.v. 5 000 Euro zur Entstehung des negativen Kapitalkontos beigetragen, so dass eine Einlageminderung i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG in dieser Höhe vorliegt. Da eine „Rest“-Außenhaftung nicht mehr vorhanden ist (sie wurde für den KG-Verlustanteil „verbraucht“), kommt es zu einem zuzurechnenden Gewinn von 5 000 Euro; ausgleichsfähige Verluste der Vorjahre i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG sollen in ausreichender Höhe vorliegen. Danach ist nun der KG-Verlustanteil i.H.v. 5 000 Euro nicht ausgleichsfähig, ein Gewinn aus Einlageminderung von 5 000 Euro zu versteuern und i.H.v. insgesamt 10 000 Euro ein verrechenbarer Verlust festzustellen. Die anzusetzenden Einkünfte betragen damit ./. 10 000 Euro.
6.466
d) Haftungsminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG) Nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG sind Verluste auch insoweit ausgleichsfähig, als die im Handelsregister eingetragene Haftsumme (§ 171 Abs. 1 HGB) die tatsächlich geleistete Einlage übersteigt. Wird die Haftsumme durch Gesellschaftsvertrag nachträglich herabgesetzt, so ist der zuvor aufgrund der überschießenden Außenhaftung erfolgte Verlustausgleich ganz oder teilweise zu Unrecht vorgenommen worden. § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG korrigiert dies in der Weise, dass der Betrag der Haftungsminderung (abzüglich der aufgrund der Haftung tatsächlich geleisteten Beiträge) dem Kommanditisten als fiktiver Gewinn zuzurechnen und damit grundsätzlich zu versteuern ist. Gleichzeitig wird in Höhe dieses Betrages ein verrechenbarer Verlust begründet. Das ergibt sich aus § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG, wonach die nach Satz 3 zuzurechnenden Beträge die Gewinne mindern, die dem Kommanditisten im Wirtschaftsjahr der Zurechnung oder in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind.2 1 v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. E 55; Lüdemann, Verluste bei beschränkter Haftung, 1998, S. 189 f. 2 Vgl. OFD Frankfurt a.M. v. 10.11.2008 – S 2241a A - 8 - St 213, juris und Zimmermann/ Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. E 43, jeweils mit weiterführenden Beispielen.
Helde
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6.467
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.468
Da mit dieser Regelung nur der zuvor aufgrund der überschießenden Außenhaftung vorgenommene Verlustausgleich wieder rückgängig gemacht werden soll, ist eine Gewinnzurechnung nur in dem Umfang möglich, in dem im Wirtschaftsjahr der Haftungsminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren tatsächlich ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (und nicht etwa auch nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG) vorgenommen worden ist.1 Dabei sind zwischen dem Verlustjahr und dem Herabsetzungsjahr entstandene Gewinnanteile bei der Ermittlung des Höchstbetrags abzuziehen.2
6.469
Die für § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG maßgebende Herabsetzung der Haftungssumme erfolgt grundsätzlich in dem Jahr, in dem den Gläubigern der KG gegenüber die Herabsetzung in Form der Eintragung in das Handelsregister (§ 174 Halbs. 1 HGB) und Bekanntmachung der Eintragung (§ 15 Abs. 1 HGB) wirksam wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Gläubiger, deren Forderung bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Herabsetzung der Haftsumme begründet war, die Herabsetzung nicht gegen sich gelten lassen müssen (§ 174 Halbs. 2 HGB). Soweit derartige „Altgläubiger“ vorhanden sind und die übrigen Voraussetzungen des erweiterten Verlustausgleichs gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG erfüllt sind, wird in der Literatur vertreten, dass die Herabsetzung der Haftsumme keine Gewinnzurechnung bewirkt.3 Das FG Münster4 hat in seiner noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 10.10.2011 indes festgestellt, dass dieses Ergebnis zwar mit Sinn und Zweck von § 15a EStG vereinbar ist, da hierdurch ein Verlustausgleich in dem Fall zugelassen wird, in dem der Kommanditist aus anderen Gründen als dem einer Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB dem Risiko ausgesetzt ist, für Schulden der Gesellschaft einstehen zu müssen. Da § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG allerdings nach seinem Wortlaut ausschließlich das Risiko einer Inanspruchnahme auf Grund einer Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB berücksichtigt, vermag die Haftung nach § 174 Halbs. 2 HGB eine Gewinnzurechnung nicht zu hindern.
6.470
Die Anwendung von § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG kommt bei der Umwandlung einer GbR in eine GmbH & Co. KG nicht in Betracht. Denn in diesem Fall findet weder eine Minderung des Haftungsbetrags i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG statt, noch sind im Wirtschaftsjahr der Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen. Eine analoge Anwendung von § 15a EStG wird mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ebenfalls abgelehnt.5
6.471
Im Übrigen ist zu beachten, dass sich § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG ausdrücklich nur auf den Fall der Haftungsminderung bezieht; eine entsprechende, die Haftungs1 So auch OFD Frankfurt a.M. v. 10.11.2008 – S 2241a A - 8 - St 213, juris. 2 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 173 mit Berechnungsbeispiel. 3 Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 40 m.w.N.; Uelner/Dankmeyer, DStZ 1981, 12 (20); Kußmaul/Delarber/Biehl, StB 2013, 273 (278); zustimmend bis zur 31. Aufl. 2012 auch: Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 168; a.A. hingegen: v. Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. E 128; Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 15a EStG Anm. 160; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 168. 4 FG Münster v. 10.10.2011 – 11 K 490/07 F, EFG 2012, 512 (nrkr. Az. des BFH: IV R 58/11), mit Anm. Helde. 5 FG Düsseldorf v. 8.10.2012 – 11 K 1315/10 F, EFG 2013, 201.
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Betriebsvermögen
erweiterung betreffende gesetzliche Regelung wurde nicht getroffen. So werden im Fall der Haftungserweiterung verrechenbare Verluste vergangener Wirtschaftsjahre nicht in sofort ausgleichsfähige Verluste umgewandelt, was auch dem Rechtsgedanken entspricht, der in § 15a Abs. 1a Satz 1 Halbs. 1 EStG zum Ausdruck kommt. Die Haftungserweiterung ist allerdings für künftige Jahre zu beachten.1 Einstweilen frei.
6.472–6.480
XI. Betriebsvermögen 1. Allgemeines a) Betriebsvermögen und steuerliche Einkunftsart Das Betriebsvermögen ist Grundlage für die Gewinnermittlung von Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Tätigkeit erzielen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 5 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 und 3 EStG). Das gilt entsprechend bei der GmbH & Co. KG, deren Mitunternehmer der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht unterliegen. Folglich ist die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG zwingende Grundlage für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung für deren Mitunternehmer.
6.481
Da der Gegenstand einer GmbH & Co. KG im Allgemeinen auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist (§ 161 Abs. 1 HGB), generiert diese insofern regelmäßig gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 2 EStG2 und vermittelt ihren Mitunternehmern hierdurch ein gewerbliches Betriebsvermögen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft lediglich eigenes Vermögen verwaltet und nur aufgrund der Eintragung ihrer Firma im Handelsregister zur Personenhandelsgesellschaft und somit zum Kaufmann i.S. des HGB geworden ist (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 2 HGB).3 In diesem Fall vermittelt sie ihren Gesellschaftern grundsätzlich die jeweiligen Überschusseinkünfte, auf die ihr Gegenstand gerichtet ist (z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 EStG; Einkünfte aus
6.482
1 FR 1996, 350 m. Anm. Söffing = Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 174, 185; nach Auffassung der OFD Frankfurt a.M. lassen sich die Auswirkungen einer Haftungsminderung durch eine Haftungserhöhung in einem Folgejahr nicht mehr rückgängig machen. Denn die Erhöhung der Haftsumme wirkt nur für das Jahr der Erhöhung und in zukünftigen Jahren (OFD Frankfurt a.M. v. 10.11.2008 – S 2241a A - 8 - St 213, juris). 2 Ein Handelsgewerbe ist gem. § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, der nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Im Allgemeinen werden die in § 1 Abs. 2 HGB und i.S. des § 15 Abs. 2 EStG definierten Gewerbebetriebe übereinstimmen; zu Ausnahmen vgl. Ruß in Heidelberger Komm. HGB, § 1 HGB Rz. 27 ff. 3 Diese Möglichkeit wurde durch das HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474 eingefügt. Mittlerweile ist die Rechtsform der GmbH & Co. KG berufsrechtlich auch für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften zugelassen worden. Ob in diesen Fällen unter Vermeidung einer gewerblichen Prägung der Gesellschaft aber auch Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder – wovon offenbar die Finanzverwaltung ausgeht; vgl. H 15.6 EStH 2014, Gesellschaft, 1. Spiegelstrich – bei mitunternehmerischer Beteiligung der Komplementär-GmbH doch zwingend gewerbliche Einkünfte vermittelt werden, ist bislang umstritten; vgl. hierzu Fuhrmann, NWB Fach 18, 4651, unter III.
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Vermietung und Verpachtung gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 21 EStG).1 Die Einkünfte werden bei diesen folgerichtig als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 8, 9 EStG).2 Etwas anderes gilt, wenn die grundsätzlich aus Vermögensverwaltung stammenden Einkünfte durch die Regelungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG (Abfärberegelung, gewerbliche Prägung) in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden (s. unter Rz. 6.5 ff., 6.15 ff.). 6.483
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf gewerbliche Personenhandelsgesellschaften, die nach steuerlichen Vorschriften zum Betriebsvermögensvergleich verpflichtet sind.3 b) Betriebsvermögen der gewerblichen GmbH & Co. KG
6.484
Wenngleich die GmbH & Co. KG keine eigene Rechtspersönlichkeit wie juristische Personen besitzt, ist sie weitgehend rechtlich verselbständigt (§§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB). Sie kann unter ihrer Firma Rechte erwerben, Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Auf dieser vermögensmäßigen Selbständigkeit baut § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB auf, wonach die GmbH & Co. KG als Kaufmann (§ 6 Abs. 1 HGB4) für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis ihres Vermögens und ihrer Schulden darstellenden Abschluss (Bilanz) aufzustellen hat, aus dem sich auch ihr handelsrechtlicher Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag (Gewinn oder Verlust) ergibt. Im Verhältnis der GmbH & Co. KG zu ihren Gesellschaftern besteht handelsrechtlich das Trennungsprinzip. Auf dieser Grundlage werden die rechtlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, insbesondere im Rahmen von Austauschverträgen, grundsätzlich nicht anders behandelt als zwischen der Gesellschaft und fremden Dritten.
6.485
Für einkommensteuerliche Zwecke hingegen sind die Gesellschafter der GmbH & Co. KG Steuersubjekte, sofern sie als „Mitunternehmer“5 anzusehen sind. Die ih1 Eine Ausnahme besteht bei den sog. Zebragesellschaften, d.h. vermögensverwaltenden Personengesellschaften mit betrieblich beteiligten Gesellschaftern; vgl. hierzu Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 201 ff. 2 Nach Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 140 AO Rz. 17, ist der gleichwohl durch eine solche Personenhandelsgesellschaft aufzustellende handelsrechtliche Jahresabschluss nach der abgeleiteten Buchführungspflicht gem. § 140 AO auch für steuerliche Zwecke zu beachten. Die Handelsbücher sind für die Besteuerung von Bedeutung, weil aus ihnen die Einnahmen und Ausgaben für die Aufstellung der Überschussrechnung entnommen und verprobt werden können. 3 Grundsätzlich ist es darüber hinaus möglich, dass eine gewerbliche Personengesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Überschussrechnung ermittelt. Dies kommt für eine GmbH & Co. KG indes nicht in Betracht, da sie durch die erforderliche Eintragung ihrer Firma ins Handelsregister zum Kaufmann i.S. des HGB wird und folglich das Wahlrecht des § 4 Abs. 3 EStG durch die Anwendung des § 140 AO entfällt; vgl. Friedrich in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 6 Rz. 20. 4 Eine Handelsgesellschaft nach § 6 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass eine oHG oder KG ein Handelsgewerbe gem. § 1 Abs. 2 HGB betreibt oder die Handelsgesellschaft nach §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2, 2 Satz 1 HGB im Handelsregister eingetragen ist. 5 „Mitunternehmer“ ist ein rein steuerrechtlicher Typus-Begriff, welcher der Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte eines Mitunternehmers von anderen Einkunftsarten des EStG dient; s. unter Rz. 6.32 ff.
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Betriebsvermögen
nen im Rahmen ihrer Gesellschaftsbeteiligung zustehenden Anteile am Gesamthandsgewinn sind ihnen folglich für einkommensteuerliche Zwecke zuzurechnen und nicht auf Ebene der insoweit transparenten GmbH & Co. KG zu besteuern (Transparenzprinzip; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Neben dieser grundsätzlichen Entscheidung über die Zurechnung des Gesamthandsgewinns für steuerliche Zwecke bestand von jeher ein rechtssystematisches Bedürfnis, den Mitunternehmer einem Einzelunternehmer weitestgehend gleichzustellen.1 Dabei ging es insbesondere darum, dass rechtliche Beziehungen zwischen Mitunternehmer und Gesellschaft, die nicht das Gesellschaftsverhältnis als solches betreffen (z.B. Darlehens-, Anstellungsverhältnisse), wie beim Einzelunternehmer keinen Einfluss auf die durch den Mitunternehmer zu versteuernden Einkünfte haben dürfen, sondern als Bestandteile seines gewerblichen Gewinns anzusehen sind. Die hieraus resultierenden Probleme der Gewinnermittlung und anschließenden Besteuerung dieses Gewinns wurden bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zunächst mittels der sog. „Bilanzbündeltheorie“ (s. Rz. 6.2) zu lösen versucht.2 Hiernach wurde die Gesellschaft für einkommensteuerliche Zwecke als nicht existent angesehen. Vielmehr wurde unterstellt, dass die Mitunternehmer entsprechend ihrer Beteiligung den Betrieb der Gesellschaft als ihren eigenen führen und die Gesellschaftsbilanz als Bündelung der einzelnen Gesellschafterbilanzen anzusehen sei. Nach verschiedenen Modifikationen der „reinen“ Bilanzbündeltheorie durch den BFH, der diese zunächst weiterhin angewandt hatte, rückte die Rechtsprechung Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhundert von dieser Vorstellung ab.3
6.486
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung wird die Personengesellschaft für einkommensteuerrechtliche Zwecke als „partielles Steuerrechtssubjekt“ angesehen (Einheitstheorie).4 Hiernach ist sie insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie „in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern zuzurechnen sind“, wozu insbesondere „die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart und das Erzielen von Gewinn oder Überschuss im Rahmen dieser Einkunftsart“ zählt.5 Das bedeutet, für Zwecke der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation wird die Personengesellschaft als Steuerrechtssubjekt anerkannt.6
6.487
Die durch die Einheitstheorie erreichte teilweise steuerrechtliche Verselbständigung der Personengesellschaft führt zu einer zweistufigen Gewinnermittlung, die
6.488
1 Friedrich in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 6 Rz. 41; kritisch z.B. G. Söffing, DStR 2003, 1105 (1107). 2 RFH v. 14.7.1937, RStBl. 1937, 937; BFH v. 11.12.1956 – I 194/56 U, BStBl. III 1957, 105 (106); BFH v. 11.12.1969 – IV R 92/68, BStBl. II 1970, 618 (619). 3 Der offizielle Abschied von der Bilanzbündeltheorie wurde nach Auffassung von KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 364 (Fn. 7), in dem Urteil des I. Senates des BFH v. 8.1.1975 – I R 142/72, BStBl. II 1975, 437, vollzogen. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 5 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 6 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621) = FR 1995, 649.
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gleichzeitig den Umfang des steuerlichen Betriebsvermögens festlegt (additive Gesamtbilanz) (s. unter Rz. 6.85 ff.). 1. Gewinnermittlungsstufe (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG): Handelsbilanz der GmbH & Co. KG (§ 5 Abs. 1 EStG) +/– Änderungen durch steuerrechtliche Gewinnermittlungsregelungen (§§ 4–7k EStG) +/– Ergebnisveränderungen bei einzelnen Mitunternehmern durch Ergänzungsbilanzen =
Steuerliche Gesamthandsbilanz der GmbH & Co. KG (§ 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV)
2. Gewinnermittlungsstufe (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG): +/– Ergebnisveränderungen bei einzelnen Mitunternehmern durch Sonderbetriebsvermögen I und II =
(additive) Steuerliche Gesamtbilanz der GmbH & Co. KG
6.489
Auf der ersten Gewinnermittlungsstufe wird der steuerliche Gewinn der Mitunternehmerschaft gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG (Maßgeblichkeitsprinzip) auf Basis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ermittelt. Zwar geschieht dies unter Beachtung der besonderen steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4–7k EStG, die in vielen Bereichen zu Abweichungen von der zugrunde liegenden Handelsbilanz führen. Die nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis basierenden Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern indes werden auf dieser Stufe entsprechend der handelsrechtlichen Behandlung zunächst wie solche der Gesellschaft mit fremden Dritten behandelt. Das Ergebnis der ersten Gewinnermittlungsstufe wird den Gesellschaftern entsprechend ihrer Gesellschaftsbeteiligung zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Diese einzelnen Gewinnzurechnungen können zudem durch Ergänzungsbilanzen einzelner Mitunternehmer beeinflusst werden, die zu Wertkorrekturen zu den Ansätzen in der Gesamthandsbilanz aufgrund besonderer persönlicher Verhältnisse der jeweiligen Mitunternehmer führen, z.B. durch den Erwerb des Mitunternehmeranteils zu einem vom Buchwert abweichenden Wert oder bei der Inanspruchnahme personenbezogener Steuervergünstigungen (s. unter Rz. 6.104).1
6.490
Auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe findet anschließend der Umstand Berücksichtigung, dass auch im Rahmen der Einheitstheorie die Mitunternehmer für einkommensteuerliche Zwecke Steuersubjekte sind. Aus diesem Grund werden z.B. die Vergütungen, die ein Mitunternehmer auf schuldrechtlicher Grundlage von der Gesellschaft erhalten hat, wiederum seinen gewerblichen Einkünften als Mitunternehmer hinzugerechnet (Sondervergütungen; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Auf der anderen Seite sind persönliche Aufwendungen des Mitunternehmers im Zusammenhang mit seiner Gesellschaftsbeteiligung als Sonderbetriebsausgaben abzuziehen. Darüber hinaus werden über den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG hinaus solche Erträge und Aufwendungen berücksichtigt, die aus den Wirtschaftsgütern in der Vermögenssphäre der Mitunternehmer resultieren, die diese im Rahmen der Mitunternehmerschaft zur Einkunftserzielung einsetzen. 1 Eingängig hierzu Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 10 Rz. 123 f.
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§6
Betriebsvermögen
Mit der zweistufigen Gewinnermittlung korrespondiert notwendigerweise der Aufbau des steuerlichen Betriebsvermögens der Gesellschaft. Das Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft umfasst sowohl Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens (d.h. Betriebsvermögen der Gesellschaft) als auch Wirtschaftsgüter im Eigentum der Gesellschafter (d.h. Sonderbetriebsvermögen).1 In der steuerlichen Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft sind die steuerliche Gesamthandsbilanz (einschl. Ergänzungsbilanzen) der Gesellschaft sowie die Sonderbilanzen der Mitunternehmer zusammengefasst.2 In der Praxis wird häufig keine „Gesamtbilanz“ aufgestellt. Bereits die Aufstellung einer den §§ 4 ff. EStG entsprechenden Steuerbilanz ist optional (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV). Die Gesellschaft kann ihrer Handelsbilanz auch eine Überleitungsrechnung beifügen oder eine Einheitsbilanz fertigen, die sowohl den handels- als auch den steuerrechtlichen Vorschriften genügt. Die Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben erfolgt im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG. Das aus der Steuerbilanz der Gesellschaft hervorgehende Betriebsvermögen wird durch die (aktiven und passiven) Wirtschaftsgüter gebildet, die gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen sind und zivilrechtlich oder zumindest wirtschaftlich (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) zu deren Gesellschaftsvermögen gehören. Das Sonderbetriebsvermögen auf Ebene der Mitunternehmer indes wird wiederum unterteilt. Wirtschaftsgüter, die zivilrechtlich oder jedenfalls wirtschaftlich dem Mitunternehmer zustehen, werden als Sonderbetriebsvermögen I (SBV I) bezeichnet, wenn sie dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft – insbesondere durch entgeltliche oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung – zu dienen. Wirtschaftsgüter, die der Beteiligung des Mitunternehmers an der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind, d.h. sie rechtlich oder wirtschaftlich begründen, werden als Sonderbetriebsvermögen II (SBV II) bezeichnet (s. unter Rz. 6.542).
6.491
2. Gesellschaftsvermögen a) Zivilrechtlicher Beitragsgedanke und handelsrechtliches Gesellschaftsvermögen Durch die zivilrechtliche Rechtsfigur des „Gesamthandsvermögens“ werden die zur Förderung des Gesellschaftszwecks bestimmten Gesellschafterbeiträge (§ 706 BGB) und die durch die Gesellschaft erworbenen Gegenstände zu einem Gesellschaftsvermögen zusammengefasst und der Gesellschaft dinglich zugeordnet, wodurch dieses von den Privatvermögen der Gesellschafter abgegrenzt wird (§ 718 Abs. 1 BGB).3
6.492
Im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung hat die Gesellschaft ihr Gesellschaftsvermögen insbesondere aus Dokumentations- und Rechenschaftsgründen darzulegen. Zu diesem Zweck ist die Gesellschaft gem. § 242 Abs. 1 HGB verpflichtet, für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis ihres Vermögens und ihrer Schulden darstellenden Jahresabschluss aufzustellen, der gem.
6.493
1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 480. 2 Vgl. BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 (225) m.w.N. = GmbHR 1996, 381; „additive Gesamtbilanz“, Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 403. 3 Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 718 BGB Rz. 2.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden sowie Rechnungsabgrenzungsposten zu enthalten hat. 6.494
Bei der Bestimmung der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Vermögensgegenstände ist bei den als Gesellschafterbeiträge gem. § 706 BGB überlassenen Sachen zunächst zu prüfen, auf welche Art und Weise diese der Gesellschaft übertragen bzw. zur Verfügung gestellt werden. Dabei folgt die bilanzielle Zuordnung zunächst grundsätzlich der zivilrechtlichen Wertung als (Gesellschafter-)Einlage.1 Ist hiernach ein Gegenstand der Gesellschaft zu Eigentum (quoad dominium) übertragen worden, so ist er dinglich dem Gesellschaftsvermögen zugeordnet und im Jahresabschluss der Gesellschaft aufzuführen. Wurde er der Gesellschaft hingegen lediglich zur Nutzung (quoad usum) überlassen, so zählt er grundsätzlich nicht zum Gesellschaftsvermögen, sondern ggf. zum Vermögen desjenigen Gesellschafters, in dessen Eigentum er sich befindet.2 Beispiel
6.495
A und B sind Kommanditisten der AB-GmbH & Co. KG. Gesellschafter A verpflichtet sich, als Einlage das Eigentum an seinem Grundstück auf die Gesellschaft zu übertragen. Gesellschafter B vereinbart mit der Gesellschaft, ihr seinen Lkw zu vermieten. Das Eigentum an dem Grundstück des A geht auf die Gesellschaft über, wodurch es Teil ihres zu bilanzierenden Gesellschaftsvermögens wird. Der Lkw des B hingegen bleibt trotz der Nutzungsüberlassung an die Gesellschaft im Eigentum des B und gehört zu dessen Sonderbetriebsvermögen I. In dem Jahresabschluss der AB-GmbH & Co. KG ist er nicht zu erfassen.
b) Maßgeblichkeitsgrundsatz 6.496
Das steuerliche Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG bestimmt sich gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung („Maßgeblichkeitsgrundsatz“).3 Hiernach sind zunächst die abstrakten handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) materiell maßgeblich für die steuerliche Gewinnermittlung.4 Dabei ist zu beachten, dass die Handelsbilanz nur insoweit maßgeblich ist, als sie den handelsrechtlichen GoB entspricht. Die somit in das Einkommensteuerrecht transformierten handelsrechtlichen Normen sind wiederum insoweit subsidiär, als spezifisch einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlungsregelungen in den §§ 4–7k EStG bestehen.
1 Vgl. zur Konkretisierung der Begriffe Beitrag und Einlage K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II. 2 Zum Sonderfall der Einlage dem Werte nach (quoad sortem) s. unter Rz. 6.506. 3 Steuerlich handelt es sich bei dem Maßgeblichkeitsprinzip um eine Fiskalzwecknorm; Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 9 Rz. 230. Trotz abweichender Zielvorstellungen beider Regelungskreise (handelsrechtliches Vorsichtsprinzip contra steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip) sowie zunehmender Einschränkungen durch steuerrechtliche Sonderregelungen bildet die Handelsbilanz bis heute die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Bzgl. der einzelnen Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz in Ansatz und Bewertung vgl. Friedrich in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 6 Rz. 52 ff. 4 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 9 Rz. 230 f.; Crezelius in Kirchhof, § 5 EStG Rz. 21; Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz. 26; Schreiber in Blümich, EStG/ KStG/GewStG, § 5 EStG Rz. 180.
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Klotz/Hoppe
§6
Betriebsvermögen
In der Praxis wurde bislang häufig keine (eigenständige) Handelsbilanz aufgestellt, aus der die Steuerbilanz abgeleitet wird. Vielmehr wurde von vornherein eine „Handelsbilanz“ unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Vorschriften aufgestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV). Diese diente sowohl den originären Erfordernissen der handelsrechtlichen Rechnungslegung als auch der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 EStG, soweit sie nicht von zwingenden steuerrechtlichen Bilanzierungs- oder Bewertungsvorschriften abweicht. Aufgrund der Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG (s. unter Rz. 6.501) haben sich allerdings die Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen Rechnungslegung und der steuerlichen Gewinnermittlung erhöht.1 Das gilt zumindest, soweit es um die Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte geht. Davon abgesehen orientiert sich die handelsrechtliche Rechnungslegung – zumindest bei mittelständischen Unternehmen – wie bisher an den Regelungen über die steuerliche Gewinnermittlung, soweit nicht zwingende handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften entgegenstehen.
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Da § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG bei der Frage der Bilanzierung dem Grunde nach (Ansatzvorschriften) nicht zwischen zwingenden Vorschriften und Wahlrechten nach Handelsrecht differenziert, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Auslegung vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der steuerlichen Gewinnermittlung geboten.2 Hiernach erfolgt eine Bindung der steuerlichen Gewinnermittlung durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz lediglich für handelsrechtliche Aktivierungsgebote und -verbote sowie Passivierungsgebote und -verbote, soweit keine anders lautenden steuerrechtlichen Regelungen bestehen.3 Da es dem Sinn und Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung entspricht, den vollen Gewinn zu erfassen, darf es nach Auffassung des BFH demgegenüber nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Posten, die nach Handelsrecht aktiviert werden dürfen (Aktivierungswahlrechte), sowie durch Ansatz von Passivposten, die handelsrechtlich nicht geboten sind (Passivierungswahlrechte), „ärmer“ zu machen, als er ist. Demzufolge sind im Steuerrecht grundsätzlich handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte als Aktivierungsgebote4 und handelsrechtliche Passivierungswahlrechte als Passivierungsverbote anzusehen.5 Aufgrund des Wegfalls zahlreicher handelsrechtlicher Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte durch das BilMoG – wie bspw. die Möglichkeit, Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB a.F. zu bilden – einerseits und steuerrechtlicher Sonderregelungen – wie bspw. das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 EStG) trotz des handelsrechtlichen
6.498
1 Vgl. zu den Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sowie zur Ausübung steuerlicher Wahlrechte OFD Münster v. 14.9.2012 – Kurzinfo ESt Nr. 17/2012, DB 2012, 2309 sowie BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239. 2 Grdl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291 (293); BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 = FR 1994, 118. 3 Als anders lautende steuerrechtliche Regelung ist z.B. das Ansatzverbot für Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG anzusehen. 4 Dies galt indes nicht für Bilanzierungshilfen, die nicht als Wirtschaftsgüter anzusehen sind; z.B. § 269 HGB a.F.; vgl. BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (637) = GmbHR 2000, 1106 m. Komm. Hoffmann/Wassermeyer. 5 Vgl. die Übersicht bei Friedrich in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 6 Rz. 44.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Aktivierungswahlrechts gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB – andererseits hat dieser Grundsatz praktisch keine Anwendungsfälle mehr. Beispiel 6.499
Ein Disagio darf gem. § 250 Abs. 3 HGB für handelsrechtliche Zwecke als Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert und durch planmäßige jährliche Abschreibungen über die Gesamtlaufzeit der betreffenden Verbindlichkeit aufgelöst werden. D.h. im Umkehrschluss, dass handelsrechtlich auch der sofortige Abzug des Disagios als Aufwand zulässig ist. Steuerrechtlich hingegen ist ein Disagio zwingend zu aktivieren und über die Laufzeit der Verbindlichkeit zu verteilen.1
6.500
Durch das BilMoG2 wurde die durch § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. geregelte „umgekehrte Maßgeblichkeit“ aufgehoben.3 Damit können nunmehr steuerliche Wahlrechte in der Steuerbilanz unabhängig von der handelsrechtlichen Rechnungslegung ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 EStG). In diesen Fällen sind allerdings für steuerliche Zwecke besondere, laufende Verzeichnisse zu führen,4 aus denen sich die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, ergeben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). c) Vorrang des wirtschaftlichen Eigentums
6.501
Die eingangs dargestellte Grundkonzeption, wonach die dingliche Zuordnung einer Sache mittels zivilrechtlichen Eigentums ihre Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen bestimmt, gilt nicht in jedem Fall. So kommt es zu einem Auseinanderfallen von zivilrechtlichem Eigentum und bilanzieller Vermögenszuordnung, wenn das zivilrechtliche Eigentum aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls wirtschaftlich „entleert“ ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn statt des zivilrechtlichen Eigentümers ein Nutzungsberechtigter über Chancen und Risiken hinsichtlich Ertrag und Substanz aus dem Vermögensgegenstand verfügt, er den zivilrechtlichen Eigentümer also von der Nutzung des wirtschaftlichen Gehalts des Vermögensgegenstands ausschließen kann (wirtschaftlicher Eigentümer).5 Die bilanzielle Zuordnung folgt der wirtschaftlichen Vermögenszugehörigkeit, indem sie die Vermögenswerte demjenigen zuweist, der über deren wirtschaftliche Substanz verfügt und nicht nur über eine insoweit entleerte Rechtsposition.
6.502
Durch § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB in der Fassung des BilMoG6 wurde dieser Grundsatz für die Handelsbilanz erstmals gesetzlich geregelt. Inhaltlich entspricht § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB der steuerlichen Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.7 1 BFH v. 21.4.1988 – IV R 47/85, BStBl. II 1989, 722 (726) = FR 1988, 640; streng genommen ergibt sich das bereits aus § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. 2 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 3 Zur früheren Rechtslage s. 19. Aufl. 2005, § 8 Rz. 369 f. 4 Vgl. Herzig, DB 2008, 1339; Kirsch, Stbg 2008, 185; OFD Münster v. 14.9.2012 – Kurzinfo ESt Nr. 17/2012, DB 2012, 2309 sowie BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239, Rz. 19 ff. 5 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 64. 6 BilMoG v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 7 Vgl. Meyer, DStR 2009, 762.
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§6
Betriebsvermögen
Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist ein Wirtschaftsgut nicht dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen, wenn ein anderer die tatsächliche Herrschaft darüber in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. In § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO werden in Anlehnung an die typischen Ausprägungen des wirtschaftlichen Eigentums exemplarisch die Treuhand, die Sicherungsübereignung sowie der Eigenbesitz genannt.
6.503
Beispiel Die industriell tätige AB-GmbH & Co. KG hat zum Zwecke einer Darlehensaufnahme der finanzierenden Bank verschiedene Produktionsanlagen sicherungsübereignet. Für einen Dritten hat sie überdies ein Grundstück als (verdeckte) Treuhänderin erworben. Außerdem hat sie eine weitere Produktionsanlage unter Eigentumsvorbehalt gekauft.
6.504
Grundsätzlich wird das wirtschaftliche Eigentum an Wirtschaftsgütern, an denen dingliche Sicherungsrechte bestehen, dem Sicherungsgeber zustehen, solange die hierdurch geregelten Verfügungsbefugnisse des Sicherungsnehmers nicht über den eigentlichen Sicherungszweck hinausreichen (Sicherungsnehmer in der Stellung eines Pfandgläubigers). Zivilrechtlicher Eigentümer der sicherungsübereigneten Anlagegüter ist die Bank geworden, dennoch hat die Gesellschaft sie als Sicherungsgeberin weiterhin zu bilanzieren, sofern sie ihren aus dem Kreditvertrag resultierenden Pflichten nachkommt, da sie hierdurch i.d.R. die Bank von der Verfügung über die Anlagegüter ausschließen kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bank vertraglich das Recht eingeräumt wurde, die ihr übereigneten Anlagen auch in diesem Fall zu veräußern. Für die unter Eigentumsvorbehalt erworbene Anlage hat die Gesellschaft das zivilrechtliche Eigentum noch nicht erlangt, sie ist nach Übernahme der Sache Fremdbesitzerin gem. § 872 BGB.1 I.d.R. kann sie den zivilrechtlichen Eigentümer (Verkäufer) von einer Einwirkung auf die Anlage ausschließen, so dass sie als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Das treuhänderisch erworbene Grundstück indes findet keinen Eingang in die Gesellschaftsbilanz, da der Treugeber gegenüber der GmbH & Co. KG i.d.R. auf Basis des zwischen ihnen geschlossenen schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrags ein umfassendes Weisungsrecht besitzt und diese jederzeit zur (Rück-)Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums verpflichten kann.2
Sämtlichen vorstehenden Beispielsfällen ist gemeinsam, dass die jeweiligen Wirtschaftsgüter demjenigen zuzurechnen sind, der die tatsächliche Sachherrschaft über sie innehat und den zivilrechtlichen Eigentümer wirtschaftlich von der Einwirkungsmöglichkeit auszuschließen vermag, die diesem sein Eigentumsrecht grundsätzlich vermittelt. Dies ist Ausdruck der allgemein im Steuerrecht verbindlichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wonach für die Besteuerung nicht die äußere Rechtsform, sondern die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind.3 Die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums ist folglich entscheidend für die Vermögenszuordnung im Rahmen der verschiedensten Rechtsverhältnisse einer GmbH & Co. KG im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, zu denen neben den im vorstehenden Beispiel genannten Vorgängen insbesondere auch Kommissions- und
1 Joost in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 872 BGB Rz. 9. 2 Zu den verschiedenen Typen der Treuhandschaft sowie deren bilanzieller Behandlung vgl. Förschle/Ries in Beck’scher BilanzKomm., § 246 HGB Rz. 9 ff. 3 BT-Drucks. VI/1982, S. 113; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 1.
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6.505
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Factoringgeschäfte, Mietkauf- und Leasingverhältnisse,1 die Errichtung von Bauten auf fremdem Grund und Boden2 sowie Mietereinbauten und -umbauten3 gehören.4 6.506
Neben den verschiedenen Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten ist das Prinzip des wirtschaftlichen Eigentums auch entscheidend für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Relevanz entwickelt dieses Prinzip etwa im Falle der Gesellschaftereinlage dem Werte nach (quoad sortem). Hierbei erbringt ein Gesellschafter seinen Beitrag gegenüber der Gesellschaft, indem er ein Wirtschaftsgut (z.B. ein Grundstück) seinem jeweiligen Wert nach „einbringt“. Während das zivilrechtliche Eigentum beim Gesellschafter verbleibt, erwirbt die Gesellschaft hierdurch einen Anspruch, das Wirtschaftsgut zu nutzen und im Auseinandersetzungsfall einen Wertausgleich zu erhalten, so dass es im Innenverhältnis als Teil des Gesellschaftsvermögens behandelt wird.5 Die Gesellschaft trägt Nutzen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung des betreffenden Wirtschaftsguts. Auch darf sie faktisch regelmäßig mittels Widerspruchs- und Weisungsrechten gegenüber dem Gesellschafter über das Wirtschaftsgut verfügen (z.B. veräußern, belasten), auch wenn im Außenverhältnis allein der Gesellschafter verfügungsberechtigt bleibt.6 Die bilanzielle Behandlung, d.h. die Frage, ob die Gesellschaft das „eingebrachte“ Wirtschaftsgut als solches als Vermögensbestandteil oder nur den Anspruch auf dessen wertmäßige Bereitstellung bilanziert, ist nicht abschließend geklärt7 und richtet sich unter Heranziehung der Grundsätze des wirtschaftlichen Eigentums nach den konkreten vertraglichen Regelungen des jeweiligen Einzelfalls.8 Eine z.T. vertretene Meinung nimmt auf Basis der bei der Gesellschaft befindlichen Nutzen, Lasten und Gefahr das wirtschaftliche Eigentum der Gesellschaft an.9 Sollte dies im Einzelfall nicht gegeben sein, wird das Wirtschaftsgut i.d.R. dennoch zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören, nämlich zum Sonderbetriebsvermögen des überlassenden Gesellschafters. 1 Vgl. die sog. Leasing-Erlasse der Finanzverwaltung – BMF v. 19.4.1971 – IV B/2 - S 2170 31/71, BStBl. I 1971, 264; BMF v. 21.3.1972 – F/IV B 2 - S 2170 - 11/72, BStBl. I 1972, 188; BMF v. 9.6.1987 – IV B 2 - S 2170 - 14/87, BStBl. I 1987, 440; BMF v. 23.12.1991 – IV B 2 S 2170 - 115/91, BStBl. I 1992, 13. 2 Vgl. insbesondere BFH v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741; Anm. von Kanzler, FR 2002, 1124. 3 Zur ertragsteuerlichen Behandlung von Mietereinbauten und -umbauten vgl. BMF v. 15.1. 1976 – IV B 2 - S 2133 - 1/76, BStBl. I 1976, 66; R 7.1 Abs. 6 EStR 2010; Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz. 144, 270. 4 Zu weiteren Einzelheiten vgl. die ausführlichen und detaillierten Ausführungen bei Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, D Rz. 105 ff., 125 ff.; Fischer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 39 AO Rz. 71 ff.; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 30 ff.; Förschle/Ries in Beck’scher BilanzKomm., § 246 HGB Rz. 9 ff. 5 Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 706 BGB Rz. 12. 6 Reinhardt, DStR 1991, 588 (588 f.). 7 Vgl. BFH v. 21.6.1994 – VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856 (859) m.w.N. = GmbHR 1995, 238. 8 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 483; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II 2, dem zufolge die Einlage quoad sortem den Gesellschafter nicht ohne weiteres zum bloßen Treuhand-Eigentümer macht. 9 Reinhardt, DStR 1991, 588 (590); differenzierend BFH v. 8.11.1989 – I R 16/86, BStBl. II 1990, 244 (245) = FR 1990, 252; FG Berlin v. 1.3.2004 – 8 K 8393/99 (rkr.), EFG 2004, 1326 (1327).
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§6
Betriebsvermögen
d) Abgrenzung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen aa) Allgemeines Zur Bestimmung des steuerlichen Betriebsvermögens der GmbH & Co. KG auf Gesellschaftsebene ist das gesamthänderisch gebundene betriebliche Vermögen vom privaten Vermögen zu trennen. Denn nach Auffassung des BFH besteht die Möglichkeit, dass ein Teil des Gesamthandsvermögens Privatvermögen der Gesellschafter darstellt, obwohl es in die Handelsbilanz eingeht und auf Basis des Maßgeblichkeitsprinzips zunächst auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebend ist.1 Hintergrund dieser Zweiteilung des gesellschaftlichen Betriebsvermögens ist ein originär steuerrechtliches Zurechnungserfordernis, das im Ergebnis eine Abgrenzung zwischen Aufwendungen für die Einkünfteerzielung und solchen für die private Lebensführung gewährleistet. Es ist hiernach zu unterscheiden, ob ein (aktives oder passives) Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen der Gesellschaft oder zum notwendigen Privatvermögen der Gesellschafter gehört. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Gesellschaftsvermögen nicht (mehr) betrieblich veranlasst ist, sondern entweder (auf Dauer und unentgeltlich) der privaten Lebensführung eines oder mehrerer Mitunternehmer oder der Verlustverlagerung vom privaten in den betrieblichen Bereich dient.2 Gewillkürtes Betriebsvermögen ist demgegenüber nach h.M. im Rahmen des gesellschaftlichen Gesamthandsvermögens nicht möglich.3
6.507
Aufgrund der Rechtsprechung ist zu diesem Bereich eine umfangreiche Kasuistik entstanden.4 Die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle gesellschaftlichen Privat-
6.508
1 BFH v. 11.5.1989 – IV R 56/87, BStBl. II 1989, 657 = FR 1989, 580; a.A. Knobbe-Keuk, Bilanzund Unternehmenssteuerrecht, S. 415 f. 2 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 484; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 63 f. 3 Die h.M. sieht die Ursache hierfür darin, dass die Gesellschaft auf Basis des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhält; BFH v. 20.5.1994 – VIII B 115/93, BFH/NV 1995, 101; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 350; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 62. Die Finanzverwaltung scheint den Grund hierfür demgegenüber im Maßgeblichkeitsprinzip zu sehen; BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8 Tz. 8 („Mitunternehmer-Erlass“); Stuhrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15 EStG Rz. 451; a.A. Carlé in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 15 EStG Rz. 184. 4 Vgl. hierzu exemplarisch die folgenden Urteile: Erwerb der Beteiligung an einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, BFH v. 2.3.1967 – IV 32/63, BStBl. III 1967, 391; Erwerb einer Darlehensforderung von einem Mitunternehmer, wenn die Gesellschaft nach Lage des Falles die Forderung von einem Fremden nicht erworben hätte, BFH v. 22.5.1975 – IV R 193/71, BStBl. II 1975, 804; Übernahme einer Bürgschaft zugunsten eines Mitunternehmers, wenn die Gesellschaft einem fremden Dritten unter gleichen Bedingungen keine Bürgschaft gewährt hätte, BFH v. 2.6.1976 – I R 136/74, BStBl. II 1976, 668; verlustbringende Wertpapiergeschäfte, BFH v. 15.11.1978 – I R 57/76, BStBl. II 1979, 257; Verluste aus Goldtermingeschäften, BFH v. 5.3.1981 – IV R 94/78, BStBl. II 1981, 658 = FR 1981, 510; Erwerb von Feingold durch eine Zahnarztsozietät, BFH v. 17.4.1986 – IV R 18/85, BFH/NV 1987, 760; Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages durch die Gesellschaft auf das Leben ihrer Mitunternehmer, BFH v. 6.2.1992 – IV R 30/91, BStBl. II 1992, 653 = FR 1992, 575; Hingabe eines Darlehens an einen Mitunternehmer für dessen einzelkaufmännischen Betrieb, BFH v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642 = GmbHR 1996, 792; befreiende Schuldübernahme gegenüber Schwester-GmbH, BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652 (654) = GmbHR 1998, 93; unentgeltliche Wohnungsvermietung an Witwe eines ehemaligen Gesellschafters, BFH v. 23.11.2000 – IV R 82/99, BStBl. II 2001, 232 (233) = FR
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
vermögens resultieren insbesondere aus der Übertragung verlustträchtiger Wirtschaftsgüter aus dem Privatvermögen auf die Gesellschaft, der dauerhaften und unentgeltlichen Nutzung von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens durch einen oder mehrere Gesellschafter, Versicherungsverträgen der Gesellschaft sowie der betriebsfremden Verwendung von der Gesellschaft aufgenommener Kreditmittel. bb) Übertragung verlustträchtiger Wirtschaftsgüter auf die Gesellschaft 6.509
Der Gesellschaft zugeführte Wirtschaftsgüter werden kein Betriebsvermögen, wenn sie einer gesonderten Betätigung der Gesellschaft ohne Gewinnabsicht dienen oder ihrer Art nach einer unmittelbaren betrieblichen Nutzung nicht zugänglich sind und ein betrieblicher Anlass für ihre Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen fehlt.1 Beispiel
6.510
Die XY-GmbH & Co. KG stellt als Zulieferunternehmen Maschinenbauteile her. Mitunternehmer X bringt sein ihm gehörendes, kostspieliges Gestüt samt Koppel und Pferden in das Gesamthandsvermögen ein. Mitunternehmer Y hat im privaten Bereich verschiedene Optionsgeschäfte getätigt. Als sich abzeichnet, dass sich die Märkte nicht wie erhofft entwickeln, legt auch er die betreffenden Wertpapiere in das Gesamthandsvermögen ein. Außerdem vermittelt er für seinen Schwager den Verkauf einer Darlehensforderung an die Gesellschaft. Kurze Zeit später fällt diese Forderung wegen Insolvenz des Schuldners aus. Die eingebrachten Wirtschaftsgüter werden nicht zu Betriebsvermögen der Gesellschaft und lassen den Gewinnanteil der Mitunternehmer unberührt. Das Gestüt steht in keinem Zusammenhang mit der sonstigen Tätigkeit der Gesellschaft und hat in gesonderter Betrachtung keinerlei Chancen auf Erzielung eines Totalgewinns. Die verlustträchtigen Wertpapiere stehen ebenfalls in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Unternehmens und wurden erst eingelegt, als sich bereits ein Verlust hieraus abzeichnete.2 Der Erwerb der Darlehensforderung führt ebenfalls nicht zu Betriebsvermögen, da er nicht aus betrieblichem Anlass erfolgte und nach den Gesamtumständen unter fremden Dritten nicht vorgenommen worden wäre.3
cc) Nichtbetriebliche Nutzung von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens 6.511
Ebenso sind solche Wirtschaftsgüter nicht Bestandteil des gesellschaftlichen Betriebsvermögens, die mit Zustimmung der Gesellschafter durch einen, mehrere oder alle Mitunternehmer bzw. diesen nahe stehende Personen dauerhaft und unentgeltlich privat genutzt werden. Eine diesbezügliche Nutzungsänderung stellt im Allgemeinen einen gewinnrealisierenden Entnahmetatbestand bzw. im umgekehrten Falle eine Einlage dar. Etwas anderes gilt, sofern die private Nutzung eines oder mehrerer Gesellschafter ohne Zustimmung der restlichen Gesellschafter erfolgt. Denn für eine Entnahme des Wirtschaftsgutes ist jedenfalls eine von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung erforderlich, die im Falle von Per-
2001, 299 m. Komm. Kempermann; Einbringung eines durch den Gesellschafter genutzten Einfamilienhauses, BFH v. 30.11.2000 – IV B 47/00, BFH/NV 2001, 597; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 484 ff. 1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 491 f. 2 BFH v. 5.3.1981 – IV R 94/78, BStBl. II 1981, 658 (659 f.) = FR 1981, 510. 3 BFH v. 22.5.1975 – IV R 193/71, BStBl. II 1975, 804 (805 f.).
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Klotz/Hoppe
§6
Betriebsvermögen
sonengesellschaften grundsätzlich eine Zustimmung aller Gesellschafter erfordert.1 Beispiel Gesellschafter X hat mit der XY-GmbH & Co. KG, an der er beteiligt ist, eine Vereinbarung getroffen, wonach eine von zwei gleichartigen Wohnungen in einem zum Gesamthandsvermögen gehörenden Zweifamilienhaus, das bislang insgesamt zur Unterbringung von Arbeitnehmern der Gesellschaft diente, zukünftig zeitlich unbegrenzt und unentgeltlich seiner Schwester zur Verfügung gestellt wird. Die Gesellschafterversammlung hat der Vereinbarung zugestimmt. Die Schwester des X ist am 1.4.2003 in die Wohnung eingezogen und bewohnt sie mit ihrer Familie.
6.512
Im Zeitpunkt der Nutzungsänderung nimmt der BFH eine Überführung des hälftigen Anteils am Zweifamilienhaus vom Betriebsvermögen der Gesellschaft in das Privatvermögen des Mitunternehmers X an. Die Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) erfolgt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG zum Teilwert, weshalb ggf. vorhandene stille Reserven gewinnrealisierend aufzulösen sind.
Eine vorübergehende private und unentgeltliche Nutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter hingegen lässt deren Betriebsvermögenseigenschaft grundsätzlich unberührt. In diesen Fällen findet eine sog. „Aufwandsentnahme“ (Nutzungs- und/ oder Leistungsentnahme) statt, d.h. ein ggf. dem privaten Gesellschafterbereich zuzurechnender Aufwand ist dem steuerlichen Ergebnis der Gesellschaft wieder hinzuzurechnen.
6.513
Wird ein zum betrieblichen Gesellschaftsvermögen gehörendes Grundstück mit einem Gebäude bebaut, das dauerhaft und unentgeltlich nichtbetrieblichen Zwecken dienen soll (z.B. für Wohnzwecke eines Gesellschafters), gilt das Grundstück insoweit als entnommen, als es hierdurch seine Eignung verliert, dem Betrieb zu dienen.2 Auch in diesem Fall ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich. Bei nur teilweiser betriebsfremder Nutzung ist der bebaute Grund und Boden im gleichen Verhältnis als Privatvermögen zu behandeln wie das aufstehende Gebäude. Zudem besteht in diesen Fällen die Gefahr der Annahme einer steuerpflichtigen Schenkung unter Lebenden gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG an den Nutzenden.3
6.514
1 Die Zustimmung der Gesellschafter ist erforderlich, da es sich um ein sog. Grundlagengeschäft handelt, das die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander betrifft. Fehlt die Zustimmung, ist die handelsrechtliche Entnahme unzulässig und zurückzugewähren, wodurch auch steuerrechtlich keine Entnahme vorliegt, weil die dauerhafte private Nutzung nicht gesichert ist und notwendiges Privatvermögen folglich nicht angenommen werden kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Entnahme bereits im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist bzw. eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter wegen Vereinbarung abweichender Stimmenmehrheiten nicht erforderlich ist; BFH v. 30.6.1987 – VIII R 353/82, BStBl. II 1988, 418 (421) = FR 1988, 104. 2 BFH v. 30.6.1987 – VIII R 353/82, BStBl. II 1988, 418 (420) = FR 1988, 104. 3 Abgrenzungskriterium zwischen einer Vermögenshingabe auf Basis des gesellschaftlichen Gemeinschaftszwecks und einer freigebigen Zuwendung ist das innergesellschaftliche Äquivalenzprinzip. Soweit die Nutzungsüberlassung eine (Sonder-)Vergütung an den Mitunternehmer darstellt, scheidet eine freigebige Zuwendung aus. Liegt in der Nutzungsüberlassung dagegen keine (Sonder-)Vergütung und wird sie nicht allen Mitunternehmern gewährt, kommt eine Zuwendung in Betracht; vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 182, 184, 190 f.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
dd) Sonderfall: Versicherungsverträge 6.515
Die Zuordnung von Versicherungsverträgen zum Betriebsvermögen richtet sich gem. ständiger BFH-Rechtsprechung nach der Art des versicherten Risikos. Sofern die Versicherung zur Abdeckung privater Risiken dient, z.B. auf das Leben eines Gesellschafters oder von dessen nahen Angehörigen abgeschlossen wurde, gehört sie zum Privatvermögen.1 Dies gilt sowohl in Fällen, in denen eine Personengesellschaft eine Lebensversicherung auf das Leben eines Gesellschafters unterhält und dadurch die Rückzahlung eines von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehens gesichert werden soll,2 als auch dann, wenn ein Gesellschafter selbst eine Lebensversicherung abschließt, um hierdurch einen Betriebskredit seiner KG abzusichern.3 Zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören hingegen solche Versicherungsverträge, in denen die bezugsberechtigte Gesellschaft den Vertrag auf das Leben oder den Tod eines fremden Dritten, z.B. eines Arbeitnehmers oder Geschäftspartners, abschließt.4 So sind z.B. Insassenunfallversicherungen für einen betrieblichen Pkw regelmäßig dem betrieblichen Bereich einer Personengesellschaft zuzurechnen, wenn sie im Rahmen des Betriebes abgeschlossen wurden. Die aufgrund eines Unfalls hieraus vereinnahmte Versicherungssumme ist darüber hinaus dann als Betriebseinnahme zu behandeln, wenn der Unfall während einer betrieblichen Fahrt geschah, ansonsten ist sie nach Auffassung des BFH auch dann keine Betriebseinnahme, wenn der Vertrag als solcher zum Betriebsvermögen zählt.5
6.516
Praxishinweis: Diese Auffassung zu der betrieblichen Zuordnung von Versicherungsverträgen berücksichtigt nicht ausreichend die Tatsache, dass in einem Betrieb der wirtschaftliche Erfolg wesentlich von einzelnen Personen der Geschäftsführung abhängen kann. Sollen z.B. die weiterlaufenden Kosten gegen einen Einnahmenausfall abgesichert werden, weil z.B. einer der Geschäftsführer länger erkrankt oder gar durch Tod ausfällt, so sollten diese Versicherungsverträge im Zweifel bei der Komplementär-GmbH, die den Geschäftsführer anstellen müsste, erfasst werden. Die Zuordnung einer Lebensversicherung zum privaten Bereich, die der Absicherung eines betrieblichen Darlehens dient, stellt einen Rechtsformnachteil gegenüber den Kapitalgesellschaften dar. ee) Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter
6.517
Häufig erstreckt sich die Abgrenzung des betrieblichen vom privaten Bereich des Gesellschaftsvermögens auch auf Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sofern auf Basis der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit beider Parteien besondere Umstände hinzutreten. In der Praxis betrifft dieser Komplex insbesondere Darlehen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter.
6.518
Erhält eine Mitunternehmerschaft von einem ihrer Mitunternehmer ein Darlehen oder hat dieser bei der Mitunternehmerschaft ein Gesellschafter(forderungs)-Kon1 2 3 4 5
Vgl. OFD Düsseldorf v. 24.1.2003 – S 2134 - 37 - St 112 - K, BB 2003, 1416. BFH v. 11.5.1989 – IV R 56/87, BStBl. II 1989, 657 = FR 1989, 580. BFH v. 10.4.1990 – VIII R 63/88, BStBl. II 1990, 1017 = FR 1990, 715. BFH v. 14.3.1996 – IV R 14/95, BStBl. II 1997, 343 = FR 1996, 558. BFH v. 15.12.1977 – IV R 78/74, BStBl. II 1978, 212.
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Betriebsvermögen
to, das ein Guthaben ausweist (Gesellschafterforderung), so wird der Sachverhalt grundsätzlich von der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG erfasst, wonach die Forderung des Mitunternehmers zu seinem Sonderbetriebsvermögen I gehört und die empfangenen Zinsen zu seinen Sonderbetriebseinnahmen (s. unter Rz. 6.158, 6.490). In der Gesamthandsbilanz der GmbH & Co. KG wird dieses Darlehen als Verbindlichkeit ausgewiesen. In der steuerlichen Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft (Steuerbilanz der Gesellschaft und Sonderbilanz der Gesellschafter) wird das Darlehen hingegen als Eigenkapital behandelt, indem es das Gesamtkapitalkonto des Gläubiger-Mitunternehmers erhöht. Dies entspricht dem Prinzip der sog. „additiven Gewinnermittlung mit korrespondierender Bilanzierung“1 und führt u.a. dazu, dass ein Gesellschafter seine Forderung gegen die Mitunternehmerschaft auch dann nicht für steuerliche Zwecke gewinnmindernd wertberichtigen, d.h. eine Teilwertabschreibung vornehmen kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG), wenn diese insolvent ist.2 Die vorstehende Behandlung ist unabhängig davon, ob es sich um ein fremdüblich oder fremdunüblich verzinstes oder sogar unverzinsliches Darlehen handelt. Sofern ein Gesellschafter auf seine Forderung gegen die Gesellschaft verzichtet, sollen nach Wacker3 die vom BFH entwickelten Grundsätze zum Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft entsprechend gelten.4 Erfolgt der Verzicht hiernach in den eher selteneren Fällen aus eigenbetrieblichem Interesse (z.B. zwecks Erhaltung der Geschäftsbeziehungen), so wird in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung bei der Gesellschaft eine Einlage und beim Gesellschafter eine Entnahme angenommen, in Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils hingegen bei der Gesellschaft ein steuerpflichtiger Ertrag und beim Gesellschafter ein abzugsfähiger Aufwand. Verzichtet der Gesellschafter demgegenüber aus Gründen des Gesellschaftsverhältnisses, soll der Verzicht – unabhängig von der Werthaltigkeit der Forderung – wie die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus eigenem Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft erfolgsneutral zu Buchwerten erfolgen.5 Das wegen Wegfalls der Verbindlichkeit in der Gesamthandsbilanz erhöhte Kapital soll aber allein dem verzichtenden Gesellschafter zugeordnet werden. Sofern eine Mitunternehmerschaft hingegen einem ihrer Mitunternehmer ein Darlehen gewährt (Gesellschaftsforderung), kommt die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht in Betracht, sondern es finden die allgemeinen Vorschriften über die Gewinnermittlung gem. §§ 4 bis 6 EStG Anwendung.6 Eine Behandlung dieses Vorgangs als Darlehensgeschäft wie zwischen fremden Dritten ist hiernach nur dann möglich, wenn er durch den Betrieb der Personengesellschaft und nicht durch die gesellschaftliche Beteiligung des Mitunternehmers veranlasst ist. Letzteres ist nach Auffassung der Rechtsprechung im Allgemeinen dann anzunehmen, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Gesellschaft zu 1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 404. 2 Dies ist erst möglich mit Vollbeendigung der Personengesellschaft oder vorheriger Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 544. 3 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 550. 4 Vgl. BFH v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 = GmbHR 1997, 851. 5 Mit Hinweis auf abweichende Auffassungen vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 550. 6 BFH v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642 (643 f.) = GmbHR 1996, 792.
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gleichen Bedingungen auch einem fremden Dritten Geld zur Verfügung gestellt haben würde (Fremdvergleich). Hiervon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn das Darlehen der Gesellschaft keinen Nutzen, sondern nur Nachteile bringen kann.1 In diesem Fall gehört die Darlehensforderung zwar weiterhin zivilrechtlich zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, aus steuerlicher Sicht hingegen wird sie dem gesellschaftlichen Privatvermögen zugerechnet. Steuerlich erfolgen anteilige Entnahmen des Darlehens durch die Gesellschafter. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Gesellschaft die unüblichen Darlehenskonditionen aufgrund eines besonderen betrieblichen Interesses gewährt.2 Auch in diesem Fall dürfte es nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings (insgesamt) auf die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung ankommen.3 Beispiel4 6.520
An der AB-GmbH & Co. KG sind die Gesellschafter A und B als Kommanditisten beteiligt. Die Gesellschaft gewährt A einen unbefristeten Kredit und verzichtet auf dessen Besicherung. Der Kredit soll mit 4 % p.a. verzinst werden. A finanziert mit dem Darlehen seine neue Segelyacht. Der Gesellschafter B erhält ebenfalls ein unbesichertes Darlehen zu einem Zinssatz von 4 % p.a. Hierfür soll er eine Fabrikhalle auf seinem Grundstück errichten, die der Gesellschaft nach Fertigstellung zur Verfügung stehen wird. Beide Darlehen gehören zum Gesamthandsvermögen der AB-GmbH & Co. KG. Das an A gewährte Darlehen gilt für steuerliche Zwecke als entnommen; es gehört zum gesamthänderischen Privatvermögen. Das Darlehen an B hingegen dient betrieblichen Zwecken der Gesellschaft. Obgleich es einem Fremdvergleich unter isolierter Betrachtung der Darlehenskonditionen wohl nicht standhielte, kann unter Berücksichtigung der künftigen gesellschaftlichen Gebäudenutzung davon ausgegangen werden, dass das Darlehen weiterhin zum steuerlichen Betriebsvermögen der Gesellschaft gehört.
6.521
Als Rechtsfolge der Einordnung einer Darlehensforderung als Privatvermögen ist diese nicht als Forderung zu aktivieren, sondern als Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zu behandeln. Diese Entnahme wird allen Mitunternehmern anteilig unter Minderung ihrer Kapitalkonten zugerechnet.5 Mögliche Refinanzierungskosten der GmbH & Co. KG im Zusammenhang mit diesem Darlehen werden nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Eine Teilwertabschreibung bei Uneinbringlichkeit des Darlehens (etwa bei Insolvenz des Mitunternehmers) ist unzulässig. Vom Mitunternehmer gezahlte Zinsen führen nicht zu Betriebseinnahmen bei 1 Als starkes Indiz gegen eine betriebliche Veranlassung deutet die Rechtsprechung dabei die Unverzinslichkeit eines Darlehens. Aber auch eine niedrige Verzinsung sowie die fehlende verkehrsübliche Sicherung langfristiger Darlehen gelten als Hinweis für eine gesellschaftliche Veranlassung der Darlehenshingabe; vgl. BFH v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642 (644) = GmbHR 1996, 792. 2 BFH v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642 (644 f.) = GmbHR 1996, 792. 3 OFD Münster v. 18.2.1994 – S 2241 - 79 - St 11 - 31, DStR 1994, 582. 4 Angelehnt an OFD Münster v. 18.2.1994 – S 2241 - 79 - St 11 - 31, DStR 1994, 582. 5 OFD Münster v. 18.2.1994 – S 2241 - 79 - St 11 - 31, DStR 1994, 582; BFH v. 9.5.1996 – IV R 64/93, BStBl. II 1996, 642 (645) = GmbHR 1996, 792. Die anteilige Entnahme bei allen Gesellschaftern ist ein rein steuerlicher Vorgang und mindert das Gesamthandsvermögen nicht. Sie dient nach Auffassung des BFH lediglich dazu, den Übergang vom betrieblichen in den privaten Bereich des Gesamthandsvermögens zu dokumentieren. Da hiermit nicht gleichzeitig ein Wechsel in der privatrechtlichen Zuständigkeit verbunden ist, ist eine Zurechnung der Entnahme zum Schuldner-Mitunternehmer nicht möglich.
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der Gesellschaft. Sie werden vielmehr – ebenso wie die Tilgungsleistungen des Mitunternehmers – als anteilige Einlagen gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG aller Mitunternehmer gewertet.
3. Sonderbetriebsvermögen a) Definition, Rechtsgrundlagen und steuerliche Auswirkungen Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung gehört neben dem gesellschaftlichen Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen (SBV) der Gesellschafter zum steuerlichen Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG.1 Das SBV geht somit auch in den Mitunternehmeranteil der Gesellschafter ein. Als Sonderbetriebsvermögen werden nach der Definition der Rechtsprechung die Wirtschaftsgüter bezeichnet, die zivilrechtlich und/oder zumindest wirtschaftlich im Eigentum von Mitunternehmern stehen, wenn sie dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Gesellschaft zu dienen (SBV I), oder der Beteiligung des Mitunternehmers an der Gesellschaft zumindest förderlich sind (SBV II).
6.522
Die Einbeziehung derartiger Wirtschaftsgüter in das steuerliche Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft, die nicht zu deren Gesamthandsvermögen gehören, hat ihre Rechtsgrundlage nach Auffassung der Rechtsprechung vornehmlich in § 4 Abs. 1 EStG.2 Hiernach sind in den Betriebsvermögensvergleich sämtliche Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die die Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs diesem widmen. Diese grundlegende Systematik werde durch die gesetzliche Regelung zur Hinzurechnung der Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG bestätigt. Die Auffassung des BFH basiert auf der Wertung, dass es bei einem Personenunternehmen ertragsteuerlich keinen Unterschied bedeuten kann, ob die objektiv dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter in das Gesellschaftsvermögen eingebracht und somit Gesamthandsvermögen werden oder ob sie von den Gesellschaftern der Gesellschaft zur betrieblichen Nutzung überlassen werden, sei es aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Beitragspflicht oder einer schuldrechtlichen Verpflichtung durch Miet- bzw. Pacht- oder sonstigen Austauschvertrag.3
6.523
Als Bestandteil des Betriebsvermögens der GmbH & Co. KG nimmt auch das SBV am Betriebsvermögensvergleich teil. Zwar unterliegt es nicht wie das gesellschaft-
6.524
1 Z.B. BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733 m.w.N. = GmbHR 2002, 331 m. Komm. Hoffmann; zweifelnd, ob es dieser Fiktion der Einheit der Personengesellschaft zur Gewährleistung des gesetzgeberischen Auftrags des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG tatsächlich bedurfte, insbesondere Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 437 ff. m.w.N. 2 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (621 f.); vertiefend zur Rechtsgrundlage des SBV Schneider, Sonderbetriebsvermögen, 2000, S. 111 ff.; erstmals begrifflich erwähnt hat der Gesetzgeber das Sonderbetriebsvermögen in § 6 Abs. 5 EStG, der im Zuge des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, eingeführt wurde. 3 Häufig wird die Existenz des SBV in der Literatur systematisch darauf zurückgeführt, dass Mitunternehmer einkommensteuerrechtlich mit Einzelunternehmern gleichzustellen sind. Diese ursprünglich auch von der Rechtsprechung grundsätzlich verfolgte Zielsetzung ist im Laufe der Zeit eingeschränkt worden und gilt punktuell nur noch insoweit, als das Gesellschaftsrecht dem nicht entgegensteht; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 506.
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liche Gesamthandsvermögen der handelsrechtlichen Buchführungspflicht gem. § 238 Abs. 1 HGB und damit den abgeleiteten steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des § 140 AO. Unabhängig hiervon besteht nach Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung allerdings eine originäre Buchführungspflicht der Personengesellschaft für steuerliche Zwecke gem. § 141 Abs. 1 AO, die das Gesamthandsvermögen und das SBV umfasst.1 Die Gewinnermittlung für das SBV entspricht hierbei dem gleichen Gewinnermittlungszeitraum und richtet sich nach der gleichen Gewinnermittlungsart wie bei der Personengesellschaft.2 Diese Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung begegnet bereits aus praktischen Erwägungen verbreiteter Kritik, da die betreffenden Vorgänge des SBV oftmals überhaupt nur dem Mitunternehmer bekannt sind, nicht jedoch der zur Buchführung verpflichteten Personengesellschaft.3 Darüber hinaus können sich Probleme ergeben, soweit einzelnen Mitunternehmern personenbezogene Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrechte zustehen (z.B. gewillkürtes SBV, § 6b EStG), da in diesen Fällen die materielle Wahlrechtskompetenz des jeweiligen Mitunternehmers der formellen Buchführungsverpflichtung der Gesellschaft für das SBV gegenübersteht.4 6.525
Ferner besteht nach Auffassung der Rechtsprechung das Prinzip der korrespondierenden Bilanzierung in Gesamthands- und Sonderbilanz.5 Hiernach werden zum einen unabhängig von allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsnormen, wie etwa dem Imparitätsprinzip, z.B. Sondervergütungen zeit- und betragsgleich als Aufwand in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft und als Ertrag in der Sonderbilanz des Gesellschafters erfasst, zum anderen stehen bestimmte Aktivposten in der einen Bilanz entsprechenden Passivposten in der anderen Bilanz gegenüber.6 1 Vgl. hierzu BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1991, 401 (403 f.) = FR 1991, 11; H 4.1 EStH 2014, „Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten“. Die in § 141 Abs. 1 AO enthaltenen Umsatz- und Gewinngrenzen beziehen sich auf das gesamte steuerliche Betriebsvermögen, also inkl. Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen; BFH v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797 (798). Dies basiert auf der grundsätzlichen Wertung, Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen insofern als steuerliche Einheit anzusehen; BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8 Tz. 18 „Mitunternehmer-Erlass“. Diese Vorgehensweise wird in der Literatur allerdings im Hinblick auf ihre systematischen Schwächen kritisiert. Diese werden z.B. deutlich, wenn eine Personenhandelsgesellschaft die Umsatz- und Gewinngrenzen des § 141 Abs. 1 AO nicht überschreitet; vgl. Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor §§ 140–148 AO Rz. 20; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 141 AO Rz. 3 f. 2 H 4.1 EStH 2014, „Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten“; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 508, 475. 3 Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15 EStG E 10 m.w.N.; Schön, DStR 1993, 185 (193). 4 Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15 EStG E 10 m.w.N. 5 BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 (225) = GmbHR 1996, 381; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 404. 6 Vgl. zuletzt BFH v. 6.3.2014 – IV R 14/11, GmbHR 2014, 942 = DStR 2014, 1378 zur Bilanzierung von Pensionsansprüchen in der Sonderbilanz eines ausgeschiedenen Mitunternehmers; ferner BFH v. 2.12.1997 – VIII R 15/96, BStBl. II 2008, 174 = GmbHR 1998, 553 zur Behandlung von Pensionszusagen bei Mitunternehmern; ebenfalls hierzu BMF v. 29.1. 2008 – IV B 2 - S 2176/07/0001, DStR 2008, 299; zu den Grenzen der korrespondierenden Bilanzierung noch nicht erbrachter Beratungsleistungen durch Mitunternehmer vgl. FG Rh.-Pf. v. 23.9.2014 – 3 K 1685/12, BB 2014, 3056.
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Betriebsvermögen
Dies hat u.a. zur Folge, dass Forderungen eines Mitunternehmers gegen die Gesellschaft bei einer Gesamtbetrachtung als Eigenkapital in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft angesehen werden und damit keiner Teilwertabschreibung zugänglich sind (s. unter Rz. 6.518). Dies wird vom BFH aus dem Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG hergeleitet, die Mitunternehmer einem Einzelunternehmer anzunähern, der keine Verträge mit sich selbst schließen kann, und das Besteuerungsergebnis davon unabhängig zu machen, ob Gesellschafterleistungen durch Vorabgewinn oder Sondervergütungen entlohnt werden.1 In der Praxis wird vielfach keine formale Sonderbilanz aufgestellt (und schon gar nicht eine Sonder-GuV). Die gewinnwirksamen Sachverhalte im Bereich des SBV werden stattdessen für steuerliche Zwecke unmittelbar im Rahmen der jährlichen Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der einkommensteuerlichen Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO für die Personengesellschaft berücksichtigt.
6.526
Im Ergebnis werden auf dieser Basis nicht nur die ggf. für die Überlassung von Wirtschaftsgütern geleisteten Vergütungen für Zwecke der Einkommen-, Körperschaftund Gewerbesteuer bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns der GmbH & Co. KG berücksichtigt, sondern darüber hinaus auch Wertveränderungen im Bereich des SBV. Diese Wertveränderungen von Wirtschaftsgütern während ihrer Zugehörigkeit zum SBV sind in der Praxis oftmals von besonderer Bedeutung, da sie beträchtliche steuerliche Folgen nach sich ziehen können. So sind z.B. die während der Zeit der Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zu einem SBV gebildeten stillen Reserven grundsätzlich dann zu versteuern, wenn diese aus dem SBV ausscheiden, was etwa durch deren Veräußerung oder Entnahme (auch bloße Nutzungsänderung) geschehen kann, aber auch durch Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters aus der Gesellschaft2 oder z.B. einen Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft.3 Auf der anderen Seite stehen einem solchen ertragsteuerlichen Gewinn vielfach keine entsprechenden Liquiditätszuflüsse beim Gesellschafter oder der Gesellschaft gegenüber.
6.527
Beispiel Mitunternehmer C ist Gründungsgesellschafter der seit über 25 Jahren bestehenden ABCGmbH & Co. KG. Von Beginn an hatte er eine in seinem privaten Eigentum befindliche Immobilie der Gesellschaft gegen laufende Mietzahlungen zur betrieblichen Nutzung überlassen. Zum Ende des Jahres scheidet C durch Veräußerung seines Mitunternehmeranteils aus 1 Zu abweichenden Auffassungen vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 405. 2 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführt werden. Zu den Möglichkeiten steuerneutraler Überführungen von Wirtschaftsgütern in andere Betriebsvermögen(-steile) s. Rz. 11.301 ff. zu § 6 Abs. 5 EStG. 3 Dies gilt jedenfalls für jene Wirtschaftsgüter des SBV, die nicht zusammen mit dem Gesamthandsvermögen auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden, sondern zurückbehalten und demzufolge im Zeitpunkt des Formwechsels als aus dem SBV entnommen gelten; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.08, 20.10, 20.12 (UmwStE). Im Rahmen eines ertragsteuerneutralen Formwechsels kann es sich insofern nur um Wirtschaftsgüter handeln, die keine funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft sind, da Letztere für die Anwendung der §§ 20, 25 UmwStG zwingend zeitgleich mit zu übertragen sind; Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 25 UmwStG Rz. 51 ff.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
der Gesellschaft aus. Sein Grundstück allerdings soll weiterhin gegen laufende Miete der Gesellschaft dienen. Durch die Veräußerung seines Gesellschaftsanteils gibt C seine Stellung als Mitunternehmer auf. Hierdurch entfällt für ihn auch die Möglichkeit, steuerliches SBV zu haben. Die betreffende Immobilie gilt steuerlich trotz fortgeführter Vermietung an die Gesellschaft zum Zeitpunkt seines Gesellschaftsaustritts als zum Teilwert in sein Privatvermögen entnommen (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Sein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG) besteht aus dem steuerlichen Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils und dem Entnahmegewinn, d.h. den stillen Reserven, die sich in der Immobilie seit Beginn der Vermietung gebildet haben. Allerdings fehlt es bei C insoweit an einem Mittelzufluss. Dieser Umstand kann bei C zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Finanzierung der aus der Entnahme resultierenden Ertragsteuerschuld führen.
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Darüber hinaus ist die Berücksichtigung ggf. bestehenden SBVs häufig unerlässlich für die erfolgreiche Anwendung steuerlich begünstigender Normen. So eröffnet z.B. das Umwandlungssteuerrecht grundsätzlich die Möglichkeit, Unternehmen auf verschiedene Arten erfolgsneutral umzustrukturieren. Zur Erlangung dieser Präferenzen setzt es allerdings regelmäßig voraus, dass es sich bei den umzuwandelnden Unternehmen(-steilen) um betriebliche Einheiten handelt, zu denen u.a. auch Mitunternehmeranteile gehören (§§ 15 Abs. 1 Satz 3, 20 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 UmwStG). Da ein Mitunternehmeranteil auch ein ggf. bestehendes SBV umfasst, gelangt ein Steuerpflichtiger nur dann in den Genuss der durch das UmwStG gewährten Erfolgsneutralität, wenn im Zuge der Übertragung von Mitunternehmeranteilen zumindest jene Bestandteile des SBV mit dem Mitunternehmeranteil übergehen bzw. bei diesem verbleiben, die (funktional) wesentliche Betriebsgrundlagen dieses Mitunternehmeranteils bilden.1 Bei der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen etwa kann ein Mitunternehmer nach Auffassung der Rechtsprechung die Begünstigungen gem. §§ 16, 34 EStG dann nicht beanspruchen, wenn in diesem Zusammenhang nicht sämtliche stille Reserven seines Gesellschaftsanteils aufgelöst werden, wozu auch das SBV gehört.2 Wird das SBV z.B. in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Veräußerung des Gesellschaftsanteils durch den Mitunternehmer ertragsteuerneutral gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in ein anderes Betriebsvermögen des Mitunternehmers überführt, kann die Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG nicht gewährt werden.3 Dies gilt nach h.A. allerdings nur, wenn es sich bei den Wirtschaftsgütern des SBV um (funktio-
1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 15.02, 15.07 f., 20.10 i.V.m. 20.06 (UmwStE); Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 71; zum Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage vgl. BMF v. 16.8. 2000 – IV C 2 - S 1909 - 23/00, DStR 2000, 1603. 2 Der BFH begründet dies mit der Zielsetzung der Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG, „die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu besteuern“, BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 (126 f.) = GmbHR 2000, 144 m. Komm. Götz; a.A. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG C 52; s. unter Rz. 9.297 f. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 113, 414 unter (4), jeweils m.w.N.; anders bei unentgeltlicher Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG und anschließender Veräußerung des verbliebenen Mitunternehmeranteils aufgrund einheitlicher Planung BFH v. 9.12.2014 – IV R 36/13, DStR 2015, 404.
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Betriebsvermögen
nal-quantitativ) wesentliche Betriebsgrundlagen handelt.1 Die neue Rechtsprechung zum Verhältnis des § 6 Abs. 3 EStG – der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils – und der damit im Zusammenhang stehenden Übertragung oder Überführung von Wirtschaftsgütern, die wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen,2 ändert daran nach überwiegender Auffassung nichts.3 In diesem Zusammenhang kann auch die Differenzierung zwischen SBV I und SBV II erheblich sein. Zum SBV I gehören jene Wirtschaftsgüter, die ein Mitunternehmer unmittelbar der GmbH & Co. KG zur betrieblichen Nutzung überlässt (s. unter Rz. 6.541), während durch das SBV II jene Wirtschaftsgüter berücksichtigt werden, die lediglich der Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung an der Gesellschaft dienen (s. unter Rz. 6.542). Unabhängig von dieser Unterscheidung stellt sich die Frage, ob es sich bei dem jeweiligen Wirtschaftsgut um eine wesentliche Betriebsgrundlage des Mitunternehmeranteils handelt (s. unter Rz. 6.548). Außerhalb des § 16 EStG ist ausschließlich die funktionale Betrachtung maßgebend; das sind i.d.R. Wirtschaftsgüter des notwendigen SBV I.4 Im Zusammenhang mit § 16 EStG ist dagegen entscheidend, ob das Wirtschaftsgut entweder funktional von wesentlicher Bedeutung für den Mitunternehmeranteil ist oder erhebliche stille Reserven aufweist („funktional-quantitative“ Betrachtung).5
6.530
b) Allgemeine Bestimmung und Eingrenzung von Sonderbetriebsvermögen Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG spielt es grundsätzlich für die Annahme von SBV keine Rolle, ob der Mitunternehmer unmittelbar oder nur mittelbar über eine andere Personengesellschaft an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist, der er (unmittelbar) Wirtschaftsgüter überlässt (mehrstöckige GmbH & Co. KG). Voraussetzung ist allerdings, dass sowohl der das Wirtschaftsgut überlassende Gesellschafter der Obergesellschaft wie auch die Obergesellschaft selbst als Gesellschafterin der Untergesellschaft im Rahmen ihrer jeweils unmittelbaren Beteiligungen als Mitunternehmer des Betriebes ihrer Gesellschaften anzusehen sind („Mitunternehmer-Kette“; vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG).6 1 Zu den am jeweiligen Gesetzeszweck orientierten verschiedenen Auslegungen des Begriffs der „wesentlichen Betriebsgrundlage“ („funktional-quantitativ“ bzw. nur „funktional“) vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 101. 2 Grdl. BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, DStR 2012, 2118 (2121 f.); abl. BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. I 2013, 1164 unter III. 2 (Nichtanwendungserlass); s. im Einzelnen unter Rz. 11.301 ff. 3 Vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 113, 414 unter (4), jeweils m.w.N. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (344) = GmbHR 1996, 549; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 414 unter (2). 5 BFH v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104 = GmbHR 1998, 202; vgl. Schneider, Sonderbetriebsvermögen, 2000, S. 55 ff.; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 101, 414 unter (2), jeweils m.w.N. 6 Nach Auffassung des BFH dient der durch StÄndG 1992 eingefügte Satz 2 in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausschließlich dazu, die Regelungen über Sondervergütungen und SBV auch auf mittelbar beteiligte Gesellschafter anwendbar zu machen; vgl. BFH v. 31.8.1999 – VIII B 74/99, BStBl. II 1999, 794 (795 f.) = GmbHR 1999, 1264 m. Komm. Schiffers; BFH v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731 (733) m.w.N. = GmbHR 2001, 77.
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6.531
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Die so vom Mitunternehmer der Obergesellschaft unmittelbar der Untergesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter wie auch hiermit zusammenhängende Schulden sind demnach als SBV I Bestandteil des Gesamt-Betriebsvermögens der Untergesellschaft.1 Strittig hingegen ist die Zugehörigkeit der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH einer Unter-GmbH & Co. KG zum SBV II des Mitunternehmers der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft.2 6.532
Auch der Umfang einer mitunternehmerischen Beteiligung ist für die Annahme von SBV irrelevant.
6.533
Als SBV kommen sowohl aktive wie auch passive Wirtschaftsgüter in Betracht. Passives SBV sind Verbindlichkeiten eines Mitunternehmers, wenn sie unmittelbar durch den Betrieb der Personengesellschaft veranlasst sind oder aus anderen Gründen wirtschaftlich mit dem Betrieb der Personengesellschaft zusammenhängen. In der Praxis handelt es sich hierbei insbesondere um solche Schulden, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit aktiven Wirtschaftsgütern des notwendigen SBV I oder II oder des gewillkürten SBV stehen oder aus anderen Gründen wirtschaftlich mit dem Betrieb der Personengesellschaft zusammenhängen, z.B. im Falle der Inanspruchnahme des Gesellschafters aus seiner Bürgschaft für Schulden der Personengesellschaft.3 Hierzu gehören auch Schulden, die der Finanzierung der Beteiligung an der GmbH & Co. KG4 oder der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH5 (soweit diese zum SBV gehören) dienen.6 Die betreffende Schuld ist dergestalt mit dem jeweiligen aktiven Wirtschaftsgut verknüpft, dass sie mit Einlage des Wirtschaftsguts in das SBV ebenfalls SBV wird und mit Entnahme des Wirtschaftsguts aus dem SBV ebenfalls als entnommen gilt. Beispiel
6.534
An der AB-GmbH & Co. KG sind die Mitunternehmer A und C beteiligt. A überlässt der Gesellschaft einen Teil seines eigenen Grundstücks zur betrieblichen Nutzung, während der andere Teil von A zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Für den Erwerb der Immobilie hatte A einen Kredit aufgenommen. C hatte seinen Mitunternehmeranteil von dem Gründungsgesellschafter B erworben. Zu diesem Zwecke hatte er ebenfalls ein Darlehen aufgenommen. Darüber hinaus hatte C im Zuge seines Eintritts in die Gesellschaft auch einen entsprechenden Anteil an der Komplementär-GmbH erworben, die keiner nennenswerten sonstigen Tätigkeit nachgeht. Dieser Erwerb wurde ebenfalls über den Kredit finanziert. Neben dem Grundstück als aktives Wirtschaftsgut gehört auch der Teil des Kredits als passives Wirtschaftsgut zwingend zum notwendigen SBV des A, der auf den von der Gesellschaft für betriebliche Zwecke genutzten Grundstücksteil entfällt. Der auf den privat durch A genutzten Grundstücksteil entfallende anteilige Kreditbetrag indes repräsentiert notwendiges Privatvermögen des A, das nicht zu seinem SBV gehören kann. 1 BFH v. 7.12.2000 – III R 35/98, BStBl. II 2001, 316 (320) m.w.N. = GmbHR 2001, 358; vgl. umfassend zu mehrstöckigen Personengesellschaften Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 610 ff. 2 Für eine Einbeziehung vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 617 m.w.N. 3 BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (876) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz; BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733 (735) = GmbHR 2002, 331 m. Komm. Hoffmann. 4 BFH v. 28.10.1999 – VIII R 42/98, BStBl. II 2000, 390 (392) = GmbHR 2000, 573. 5 BFH v. 12.2.2004 – VIII B 287/02, BFH NV 2004, 951. 6 Zur speziellen Behandlung von Bürgschaftsschulden, Geldvermächtnis-, Pflichtteils- und Erbersatzschulden vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 523 f.
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§6
Betriebsvermögen
Die Darlehensverbindlichkeit des C gehört insgesamt zu seinem SBV, da sie dem Erwerb seines Mitunternehmeranteils sowie seines Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH diente. Etwas anderes würde gelten, wenn die Komplementärgesellschaft neben ihrer Aufgabe als Komplementärin der KG noch einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordnetem Umfang betriebe.
Grundsätzlich sieht es der BFH für die sachliche Zurechnung eines (aktiven oder passiven) Wirtschaftsguts zum SBV als ausschlaggebend an, in welchem Interessenbereich ein Wirtschaftsgut eingesetzt, d.h. wodurch der Einsatz des Wirtschaftsgutes letztlich veranlasst wird (wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang). Denn regelmäßig ist zu berücksichtigen, dass der Gesellschafter, dem das betreffende Wirtschaftsgut zuzurechnen ist, einen gleichrangigen eigenen (privaten oder betrieblichen) Interessenbereich haben kann, der neben dem Interessenbereich der Personengesellschaft steht.1 Als Indiz für diese Zurechnung sind alle erkennbaren Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, wobei insbesondere die Überlassung zu nicht fremdüblichen Bedingungen einen entscheidenden Anhaltspunkt liefern kann.2 Die Betonung des Veranlassungszusammenhangs wurde in den letzten Jahren vom BFH verstärkt und hierdurch der mögliche Kreis der zum SBV einer Personengesellschaft zählenden Wirtschaftsgüter erweitert. Auf dieser Basis ist etwa die Zuordnung von Sicherheiten zum passiven SBV eines Kommanditisten nicht mehr nur dann anzuerkennen, wenn sie für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft gegenüber Dritten oder aufgrund eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Wirtschaftsgütern des aktiven SBV geleistet werden.3 Vielmehr kommt eine solche Zuordnung auch dann in Betracht, wenn die Sicherheiten für Darlehen an eine Kapitalgesellschaft geleistet werden, an der die Personengesellschaft beteiligt ist und mit der sie wirtschaftliche Beziehungen unterhält.4 Allerdings hat der BFH diese Zuordnung davon abhängig gemacht, dass die Sicherheitsbestellung nachweislich ausschließlich und eindeutig durch die Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst ist.5 Demgegenüber reicht dem BFH im Bereich des aktiven SBV in bewusster Abgrenzung zum passiven SBV ein ganz überwiegender Veranlassungszusammenhang mit der Beteiligung an der Personengesellschaft aus.6
6.535
Die einer Gesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter des SBV stehen i.d.R. unmittelbar im Eigentum des Mitunternehmers. Besteht lediglich Miteigentum des Ge-
6.536
1 Vgl. BFH v. 10.6.1999 – IV R 21/98, BStBl. II 1999, 715 (716 f.) = GmbHR 1999, 1048 m. Komm. Sigel zur Frage der Zurechnung eines Grundstücks zum SBV des Kommanditisten einer GmbH & Co. KG, das dieser an eine GmbH vermietete, welche Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung war, zu der auch die GmbH & Co. KG als Besitzgesellschaft gehörte; einschränkend BFH v. 12.2.2004 – VIII B 287/02, DStR 2009, 469. 2 BFH v. 10.6.1999 – IV R 21/98, BStBl. II 1999, 715 (717) = GmbHR 1999, 1048 m. Komm. Sigel; BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (876 f.) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz. 3 BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (877) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz. 4 Differenzierend zu möglichen Fallgestaltungen Kempermann, FR 2007, 31. 5 BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (877) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz. 6 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, GmbHR 2008, 780; BFH v. 17.12.2008 – IV R 65/07, GmbHR 2009, 382 m. Komm. Bitz = DStR 2009, 469.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
sellschafters an dem Wirtschaftsgut, gehört es ebenfalls zu seinem SBV, soweit es in seinem Miteigentum steht.1 Sofern der Gesellschaft Wirtschaftsgüter überlassen werden, die nicht im Eigentum des Mitunternehmers stehen, sondern diesem lediglich auf Basis eines Nutzungsrechts, z.B. eines Nießbrauchsrechts, überlassen werden, gehört das Nutzungsrecht zu seinem SBV.2 Ist der Eigentümer des Wirtschaftsguts allerdings ebenfalls Mitunternehmer derselben Gesellschaft, kann auch das Wirtschaftsgut zu dessen SBV (II) gehören.3 6.537
Gehört ein Wirtschaftsgut, das ein Mitunternehmer seiner Gesellschaft unmittelbar überlässt, bereits zu einem eigenen gewerblichen, freiberuflichen oder landund forstwirtschaftlichen Betrieb des Mitunternehmers, ist es nach ständiger Rechtsprechung und h.M. grundsätzlich dennoch zu seinem SBV bei der Gesellschaft zu rechnen, d.h. es ist in seinem SBV – und nicht in der Steuerbilanz seines eigenen Betriebs – zu bilanzieren und in die gesonderte und einheitliche Feststellung der GmbH & Co. KG einzubeziehen.4 Vorstehendes gilt grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform des Mitunternehmers. Soweit das betreffende Wirtschaftsgut sich in einem eigenen gewerblichen Betrieb des Mitunternehmers befindet, widerspricht das vorstehende Ergebnis der sog. „Subsidiaritätsthese“. Dieser These folgend handelt es sich bei der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG lediglich um eine Qualifikationsnorm, die nur dazu dient, jene Wirtschaftsgüter dem gewerblichen Betriebsvermögen zuzuordnen, die sonst einer anderen Einkunftsart unterfielen. Die Rechtsprechung hat indes klargestellt, dass sich die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht nur in einer Umqualifizierung von Einkünften erschöpft, sondern dass sie darüber hinaus eine Zuordnungsnorm ist, „aufgrund derer regelmäßig die die Mitunternehmerschaft betreffenden Sachverhalte in die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft einzubeziehen sind“.5 An dieser umstrittenen Rechtsprechung hält der BFH weiterhin grundsätzlich fest.6
6.538
Ebenfalls zum SBV gehören Wirtschaftsgüter, die sich im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft befinden, deren Gesellschafter sämtlich oder zum Teil Mitunternehmer der gewerblichen Personengesellschaft sind, der die Wirtschaftsgüter überlassen werden (vermögensverwaltende Schwester-Personengesellschaft).7 Dieser „Durchgriff“ durch die vermögensverwaltende GbR wird mit § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO begründet.8 Dies gilt allerdings uneinge1 2 3 4 5 6
BFH v. 15.3.2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316 = GmbHR 2000, 681 m. Komm. Götz. BFH v. 18.3.1986 – VIII R 316/84, BStBl. II 1986, 713 (714) = GmbHR 1987, 113. BFH v. 18.3.1986 – VIII R 316/84, BStBl. II 1986, 713 (714) = GmbHR 1987, 113. Vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 534; s. auch Rz. 6.111 f. BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750 (753). Vgl. z.B. BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399 (402) = GmbHR 1999, 788; BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 = GmbHR 2005, 1512; BFH v. 30.8.2007 – IV R 50/05, BStBl. II 2008, 129 (131); allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BFH zur Rechtfertigung seiner Ablehnung der Subsidiaritätsthese nicht materiell-rechtlich argumentiert, sondern sich auf die Kontinuität der Rspr. und Gründe der Rechtssicherheit stützt; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 534, 858. Kritisch gegenüber dieser dauernden Rspr. u.a. Söffing, DB 2007, 1994 (1995), der für eine Anwendung der Subsidiaritätsthese plädiert. 7 BFH v. 25.4.1985 – IV R 36/82, BStBl. II 1985, 622 = GmbHR 1986, 32; BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82 (84) = GmbHR 1994, 813. 8 BFH v. 18.5.1995 – IV R 125/92, BStBl. II 1996, 5 (8) = FR 1995, 661 m. Komm. Söffing.
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Betriebsvermögen
schränkt nur dann, wenn auf Ebene der vermögensverwaltend tätigen Gesellschaft keine Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb erfolgt (s. unter Rz. 6.5 ff., 6.15 ff.). Eine derartige Umqualifizierung kann z.B. auf Abfärbung wegen einer auch (geringfügigen) gewerblichen Betätigung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, auf Prägung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG oder auf Einstufung als Besitzgesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung basieren. Insofern ist bei der Überlassung von Wirtschaftsgütern zwischen beiden Gesellschaften u.a. die Prüfung der sachlichen und personellen Verflechtung entscheidend.1 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich das einer Mitunternehmerschaft überlassene Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen oder geprägten Schwester-Personengesellschaft befindet.2 In diesem Fall hat die Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen der Schwester-Personengesellschaft Vorrang vor dem SBV der nutzenden Gesellschaft. Der BFH hat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass dies auch dann gilt, wenn im Rahmen einer sog. „mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung“ die Besitz-Personengesellschaft Wirtschaftsgüter an die Betriebs-Personengesellschaft überlässt.3 Dies gilt unabhängig davon, ob die der Betriebsgesellschaft überlassenen Wirtschaftsgüter sämtlich als wesentliche Betriebsgrundlagen anzusehen sind, da es für die Annahme der Subsidiarität nur auf deren grundsätzliche Gewerblichkeit i.S. des § 15 EStG ankommt. Hierfür ist auf Ebene einer Besitz-Personengesellschaft bereits die sachliche Verflechtung durch ein einzelnes Wirtschaftsgut hinreichend, das die Kriterien einer wesentlichen Betriebsgrundlage erfüllt. Zwar soll darüber hinaus nicht erforderlich sein, dass die Überlassung unter fremdüblichen Konditionen erfolgt, jedoch macht die Finanzverwaltung die Anwendung dieser Grundsätze davon abhängig, dass die Besitz-Personengesellschaft in Gewinnerzielungsabsicht handelt, da es sonst an den Voraussetzungen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung fehlt.4 Entsprechend wertet der BFH den Fall, in dem eine wesentliche Betriebsgrundlage von einer Bruchteilsgemeinschaft mit Gewinnerzielungsabsicht an eine von dieser beherrschte Betriebsgesellschaft überlassen wird.5
6.539
Nicht abschließend geklärt ist hingegen die Frage, ob ein Wirtschaftsgut, das einer gewerblichen Personengesellschaft von ihrer freiberuflich oder land- und forstwirt-
6.540
1 Zur Beurteilung der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch eine (Besitz-)Bruchteilsgemeinschaft an eine von den Miteigentümern beherrschte (Betriebs-)Kommanditgesellschaft vgl. BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 = GmbHR 2005, 1512. 2 BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82 (84) = GmbHR 1994, 813; BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 (95 f.) = GmbHR 1995, 537. 3 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325 = GmbHR 1996, 861; die Finanzverwaltung hat sich der BFH-Rechtsprechung angeschlossen; vgl. zur Übergangsregelung BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583; vgl. auch Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 600 ff. 4 BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583 zu Tz. 1. 5 BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 (832) = GmbHR 2005, 1512; dabei unterstellt der BFH, dass in derartigen Fällen zwischen den Miteigentümern der Bruchteilsgemeinschaft regelmäßig eine zumindest konkludent vereinbarte GbR bestehen wird; zur Abgrenzung zum Falle einer – wegen unbewussten Handelns – nicht konkludent vereinbarten GbR vgl. BFH v. 10.11.2005 – IV R 29/04, BStBl. II 2006, 173; kritisch hierzu Weber, FR 2006, 572.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
schaftlich tätigen Schwester-Personengesellschaft überlassen wird, ebenfalls vorrangig im Betriebsvermögen der freiberuflichen bzw. land- und forstwirtschaftlichen Gesellschaft zu berücksichtigen ist. Überwiegend wird in der Literatur auch in diesem Fall grundsätzlich eine Vorrangigkeit des Betriebsvermögens dieser Schwester-Personengesellschaft angenommen.1 Dies wird damit begründet, dass dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nach keine Überlassung der Wirtschaftsgüter durch die Mitunternehmer erfolgt, sondern durch die Schwester-Personengesellschaft. Diese wiederum soll nicht – wie vermögensverwaltende Personengesellschaften – der Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO unterfallen (kein „Durchgriff“), da sie – wie die gewerbliche Personengesellschaft – Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung ist.2 Diese Auslegung entspricht wohl der Auffassung des BFH, der im Falle von „mitunternehmerischen Personengesellschaften“ – hierzu gehören gem. §§ 13 Abs. 7, 18 Abs. 4 Satz 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch freiberuflich bzw. land- und fortwirtschaftlich tätige – eine „getrennte Zurechnung für die Besteuerung“ i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für nicht erforderlich hält.3 c) Notwendiges und gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen 6.541
Notwendiges SBV I setzt voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft selbst bestimmt ist.4 Hierzu gehören insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die ein Mitunternehmer seiner Gesellschaft entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung für ihre eigengewerbliche Tätigkeit überlässt. Nicht erforderlich ist allerdings, dass das Wirtschaftsgut für den Betrieb der Gesellschaft „notwendig“ ist.5 Kein notwendiges, sondern allenfalls gewillkürtes SBV sind hiernach Wirtschaftsgüter, die von der Gesellschaft nicht tatsächlich genutzt werden, z.B. ein Grundstück, das als Tauschobjekt für ein betrieblich zu nutzendes Grundstück gedacht ist.6
6.542
Notwendiges SBV II wird demgegenüber von der h.M. angenommen, wenn ein Wirtschaftsgut unmittelbar der Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Mitunternehmers an der Personengesellschaft dient.7 Hierzu gehören solche Wirt1 Dennoch wird es wegen der gewerbesteuerlichen Berücksichtigung der für die Überlassung des Wirtschaftsguts gezahlten Vergütungen für erforderlich gehalten, diese als Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG zu behandeln; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 533 m.w.N.; Brandenberg, DB 1998, 2488 (2490 f.); Ley, KÖSDI 2003, 13907 (13916). 2 Brandenberg, DB 1998, 2488 (2490 f.). 3 BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82 (84) = GmbHR 1994, 813. 4 BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733 (735) = GmbHR 2002, 331 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 13.10.1998 – VIII R 46/95, BStBl. II 1999, 357 (358) = GmbHR 1999, 300; BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383 (385) = GmbHR 1998, 604; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 513 f. m.w.N. 5 Zuletzt BFH v. 21.6.2012 – IV R 1/08, GmbHR 2012, 1015 = BB 2012, 2042; BFH v. 23.5.1991 – IV R 94/90, BStBl. II 1991, 800 = FR 1991, 663; hiernach ist auch ein Gebäude als notwendiges SBV I anzusehen, das durch die Gesellschaft ihrerseits untervermietet wird. 6 BFH v. 21.10.1976 – IV R 71/73, BStBl. II 1977, 150. 7 Zur Unterscheidung zwischen SBV I und SBV II s. H 4.2 Abs. 2 EStH 2014 „Sonderbetriebsvermögen“; BFH v. 7.7.1992 – VIII R 2/87, BStBl. II 1993, 328 = GmbHR 1992, 822; Wacker
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Betriebsvermögen
schaftsgüter, mittels deren ein Mitunternehmer besonderen Einfluss auf die Personengesellschaft ausübt und damit seine Stellung unmittelbar stärkt. Eine Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft sieht die Rechtsprechung dabei sowohl in der Tatsache, dass das Wirtschaftsgut für das Unternehmen der Personengesellschaft vorteilhaft ist, als auch darin, dass es der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters selbst dient.1 Zum SBV II zählen z.B. Wirtschaftsgüter, die der Gesellschafter der Mitunternehmerschaft nur mittelbar überlässt (mittelbare Nutzungsüberlassung). Dies ist der Fall, wenn der Gesellschafter das Wirtschaftsgut an einen Dritten und dieser weiter an die Mitunternehmerschaft vermietet.2 Des Weiteren zählen solche Wirtschaftsgüter zum SBV II, die der Mitunternehmer zur Erzielung von Sondervergütungen nutzt, z.B. Räume, in denen ein Gesellschafter (zumindest überwiegend) seine geschäftsführende Tätigkeit für die Mitunternehmerschaft ausübt.3
6.543
Darüber hinaus kann nach h.A. auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Beteiligung eines Mitunternehmers stärken.4 So gehört die Beteiligung eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH nach ständiger Rechtsprechung und Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig zu seinem notwendigen SBV II.5 Das gilt nach einem neuen Urteil des BFH jedoch nicht, wenn der Mitunternehmer mit weniger als 10 % am Stammkapital der Komplementär-GmbH beteiligt ist und das gesetzliche Regelstatut gilt,6 d.h. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung grundsätzlich der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen und der Gesellschafter über keine besonderen Rechte – wie bspw. Mehrstimmenrechte – verfügt. Das gilt auch dann, wenn die Komplementär-GmbH in ungewöhnlich hohem Maße am Jahresüberschuss (Gewinn) der GmbH & Co. KG beteiligt ist.7 Der BFH hat die Zuordnung zum notwendigen SBV II bei einer Beteiligungsquote zwischen 10 % und 25 % des Stammkapitals ausdrücklich offengelassen.8 Die grundsätzliche Qualifikation der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH als notwendiges SBV II wird damit begründet, dass sie es dem Mitunternehmer ermöglichen, hierdurch Einfluss auf die Geschäftsführung in der GmbH & Co. KG auszuüben.9
6.544
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in Schmidt, § 15 EStG Rz. 517 f. m.w.N.; kritisch zur Rechtsgrundlage von SBV II Tiedtke/Hils, DStZ 2004, 482 m.w.N. BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (876) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz; BFH v. 13.10.1998 – VIII R 46/95, BStBl. II 1999, 357 (358 f.) = GmbHR 1999, 300; kritisch zur Rechtfertigung von SBV II hingegen G. Söffing, DStR 2003, 1105 (1106 f.). BFH v. 9.9.1993 – IV R 14/91, BStBl. II 1994, 250 (251 f.) = FR 1994, 186; BFH v. 24.2.2005 – IV R 23/03, BStBl. II 2005, 578 (580) = FR 2005, 887. BFH v. 1.10.1996 – VIII R 44/95, BStBl. II 1997, 530 (531 ff.) = GmbHR 1997, 662. Vgl. Schulze zur Wiesche, DStZ 2007, 602. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 = GmbHR 1993, 58; BFH v. 30.3.1993 – VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706 (707 f.) = GmbHR 1993, 826; OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 2; OFD Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2014 – S 2242-2014/0003-St 114, DB 2014, 1646 unter I. BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, GmbHR 2015, 827 (829 f.) = DStR 2015, 1362 (1365). BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, GmbHR 2015, 827 (830) = DStR 2015, 1362 (1365). BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, GmbHR 2015, 827 (830) = DStR 2015, 1362 (1365). OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 2; OFD Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2014 – S 2242-2014/0003-St 114, DB 2014, 1646 unter I.; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 St 41, DStR 2001, 1032.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Der GmbH-Anteil stärkt nach Auffassung des BFH die Stellung des Kommanditisten als Mitunternehmer, weil dieser durch Wahrnehmung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Komplementär-GmbH die Möglichkeiten seiner Einflussnahme auf die Mitunternehmerschaft erweitere.1 Die Anwendung dieser Regeln setzt nach Ansicht der Finanzverwaltung allerdings voraus, dass die GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit bei der GmbH & Co. KG keine andere gewerbliche Tätigkeit oder nur solche von ganz untergeordneter Bedeutung ausübt.2 Denn dem Kommanditisten wird in diesen Fällen unterstellt, dass er seine Gesellschafterstellung in der Komplementär-GmbH ausschließlich in den Dienst des Unternehmens der Personengesellschaft stellt. Ist die GmbH demgegenüber in nicht ganz untergeordnetem Umfang eigengewerblich tätig, soll es in Ausnahmefällen dennoch nicht ausgeschlossen sein, dass die GmbH-Anteile zum SBV II des betreffenden Mitunternehmers gehören, nämlich wenn eine besondere wirtschaftliche Verflechtung der GmbH mit der GmbH & Co. KG besteht. Das wird typischerweise in solchen Fällen angenommen, in denen die GmbH als Alleinvertriebsgesellschaft für die GmbH & Co. KG auftritt.3 Entsprechendes gilt nach Auffassung des BFH für Anteile eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ist.4 6.545
Die mit dieser Systematik verbundenen Schwächen werden insbesondere dann deutlich, wenn die Komplementär-GmbH gleichzeitig persönlich haftende Gesellschafterin mehrerer GmbH & Co. KG ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung entscheidet sich die Zuweisung der Geschäftsanteile zum SBV II eines Kommanditanteils in diesen Fällen zunächst danach, zu welcher GmbH & Co. KG die GmbH ggf. Geschäftsbeziehungen von nicht geringer Bedeutung unterhält, und anschließend danach, welche GmbH & Co. KG zuerst gegründet wurde.5 Die hierdurch festgelegte Reihenfolge dient einerseits der Praktikabilität und der Rechtssicherheit, andererseits erscheint sie in gewissem Maße willkürlich und birgt Potential für steuerliche Umgehungsgestaltungen.6
6.546
Darüber hinaus kann auch die Beteiligung eines Kommanditisten an einer anderen (Nicht-Komplementär-)Kapitalgesellschaft zum notwendigen SBV II gehören, wenn eine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung beider Gesellschaften der1 BFH v. 31.10.1989 – VIII R 374/83, BStBl. II 1990, 677 (678); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 517 m.w.N. 2 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 14; OFD Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2014 – S 2242-2014/0003-St 114, DB 2014, 1646 unter III. 1.; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 - St 41, DStR 2001, 1032 Tz. 1. 3 Kritisch hierzu G. Söffing, BB 2003, 616 (617); demgegenüber wurde ein zur Ablehnung der Qualifikation als SBV II führender wirtschaftlicher Eigenbetrieb der GmbH in einem Fall angenommen, in dem der Fremdumsatz der GmbH mehr als 25 % ihrer Gesamtumsätze betrug; FG München v. 27.7.1999 – 13 K 4496/96 (rkr.), DStRE 2000, 283. 4 BFH v. 17.11.2011 – IV R 51/08, GmbHR 2012, 702 = DStR 2012, 850. 5 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 16, 18 f.; OFD Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2014 – S 2242-2014/0003-St 114, DB 2014, 1646 unter IV. 2.; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 - St 41, DStR 2001, 1032 Tz. 2. Demgegenüber ist nach Auffassung des BFH zuerst eine Zuordnung nach zeitlichen und, falls dies nicht möglich ist, nach qualitativen Kriterien vorzunehmen. Ein Zuordnungswahlrecht besteht nicht; vgl. BFH v. 10.5.2012 – IV R 34/09, GmbHR 2013, 494 = BB 2013, 1201 m. Komm. Abele. 6 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 444 f.
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Klotz/Hoppe
§6
Betriebsvermögen
art besteht, dass die eine Gesellschaft (Kapitalgesellschaft) eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen (Personengesellschaft) erfüllt.1 In diesen Fällen soll es irrelevant sein, ob die GmbH noch weitere Tätigkeiten ausübt. Eine Zuordnung zum SBV II in diesen Fällen soll regelmäßig dann erfolgen, wenn der Mitunternehmer – ggf. zusammen mit anderen Mitunternehmern – die Kapitalgesellschaft beherrscht, wobei eine Beherrschung keine zwingende Voraussetzung, sondern lediglich ein starkes Indiz hierfür ist.2 Eine wesentliche wirtschaftliche Funktion und damit eine Qualifikation als notwendiges SBV II ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft als Alleinvertriebsgesellschaft für die GmbH & Co. KG fungiert.3 Das Gleiche gilt, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit einer Personengesellschaft ist (s. unter Rz. 2.157).4 Darüber hinaus ordnet der BFH auch Geschäftsanteile an solchen Kapitalgesellschaften dem SBV II einer (Besitz-)Personengesellschaft zu, die mit der Betriebsgesellschaft in einer für diese vorteilhaften und nicht nur kurzfristigen Geschäftsbeziehung stehen.5 Eine besondere und aufgrund der in diesen Fällen auftretenden Bilanzierungskonkurrenz von den vorstehenden Grundsätzen abweichende Behandlung erfahren indes Anteilsrechte an Kapitalgesellschaften, die Organgesellschaften im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft darstellen (s. unter Rz. 6.588). Schließlich können auch Geschäftsanteile an einer Kommanditisten-GmbH, also einer als Kommanditistin an der GmbH & Co. KG beteiligten GmbH, deren Geschäftsanteile (z.T.) von weiteren Kommanditisten gehalten werden, zum SBV II gehören. Nach Auffassung des BFH ist diese Zuordnungsfrage unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten.6 Sofern hierbei keine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der GmbH und der Mitunternehmerschaft besteht, auf deren Basis eine Stärkung der Beteiligungen der weiteren Kommanditisten an der GmbH & Co. KG angenommen werden kann, ist eine derartige Zuordnung zumindest fragwürdig. Denn die Möglichkeiten der weiteren Kommanditisten zur Einwirkung auf die GmbH & Co. KG werden durch das Halten der GmbH-Geschäftsanteile regelmäßig nicht vergrößert, da die Kommanditisten-GmbH – anders als die Komplementär-GmbH – üblicherweise nicht die Geschäfte der GmbH & Co. KG führt. Eine wesentliche Erweiterung der Einflussmöglichkeiten wird allerdings bejaht, wenn ein Kommanditist unter Einbeziehung der Stimmen der Kommanditisten-GmbH eine Mehrheit der Stimmen in der GmbH & Co. KG erlangt oder die Kommanditisten-GmbH durch Einlage ihres Haftkapitals in die GmbH & Co. KG einen erheblichen Beitrag zur Erreichung deren Gesell1 BFH v. 31.1.1991 – IV R 2/90, BStBl. II 1991, 786 (787) = GmbHR 1992, 772; OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 23 f.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 518 m.w.N. Kein zur Annahme von SBV II führender Sachverhalt liegt indes vor, wenn die Personengesellschaft eine wesentliche Funktion der GmbH erfüllt; vgl. BFH v. 31.8.2006 – IV B 20/05, BFH/NV 2006, 2257. 2 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 24 f.; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 - St 41, DStR 2001, 1032 Tz. 3. 3 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 518 m.w.N. 4 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 873 f. m.w.N. 5 BFH v. 25.11.2004 – IV R 7/03, BStBl. II 2005, 354 (356) = GmbHR 2005, 492. 6 BFH v. 23.1.2001 – VIII R 12/99, BStBl. II 2001, 825 (826) = GmbHR 2001, 444; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 517, 715, jeweils m.w.N.
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6.547
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
schaftszwecks leistet.1 Dieselben Grundsätze gelten, wenn ein Kommanditist an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits an der Komplementär-GmbH beteiligt ist oder die Geschäftsanteile an der Kommanditisten-GmbH hält.2 6.548
Sofern es sich bei den jeweiligen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH, einer sonstigen GmbH oder einer Kommanditisten-GmbH (oder bei den Anteilsrechten an einer anderen Kapitalgesellschaft) um notwendiges SBV II handelt, stellt sich die davon zu unterscheidende Frage, ob sie bei funktionaler Betrachtung als wesentliche Betriebsgrundlage zu qualifizieren sind (s. unter Rz. 11.210 ff.). Diese Frage ist nicht abschließend geklärt. In der Literatur wird z.T. vertreten, dass die Geschäftsanteile an einer Komplementär-GmbH generell eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen.3 Nach der Rechtsprechung des BFH gehören die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH nur dann zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn der Kommanditist seinen Willen in der Komplementär-GmbH durchsetzen kann, d.h., an ihr i.d.R. mit Mehrheit beteiligt ist.4 Beim Formwechsel bei einer GmbH & Co. KG in eine Kapitalgesellschaft – typischerweise eine GmbH –, die steuerrechtlich der Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gleichsteht (§§ 20 Abs. 1, 25 UmwStG), gehören die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH ebenfalls nicht zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen; Grund hierfür ist nach Auffassung des BFH der Wegfall der Funktion der Komplementär-GmbH infolge des Formwechsels.5 Auf die Beteiligungen der KomplementärGmbH am Gesellschaftskapital sowie Gewinn und Verlust der GmbH & Co. KG kommt es nicht an.6 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist – unabhängig von der Beteiligung der Komplementär-GmbH – zwischen verschiedenen Fallkonstellationen zu unterscheiden (s. unter Rz. 11.213 ff.):7 – Ist der Kommanditist zu 50 % (oder weniger) am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt, stellen die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH nur dann eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn er die Mehrheit der Stimmrechte an der Komplementär-GmbH hat, d.h., er i.d.R. an ihr mit Mehrheit beteiligt ist. – Ist der Kommanditist dagegen mehrheitlich am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt (ggf. bis 100 %), stellen die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar. Ist dagegen 1 BFH v. 23.1.2001 – VIII R 12/99, BStBl. II 2001, 825 (827) = GmbHR 2001, 444; der BFH hat allerdings offen gelassen, ob auch in Fällen sehr geringer Beteiligungen des Mitunternehmers an der Kommanditisten-GmbH oder der GmbH am Festkapital der GmbH & Co. KG eine derartige Argumentation allein zur Zuordnung der GmbH-Anteile zum SBV II der betr. Kommanditisten führen würde; vgl. auch OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 25. 2 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 517 m.w.N. 3 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 137 m.w.N. 4 BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (473). 5 BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 (811). 6 FG Münster v. 14.8.2013 – 2 K 4721/10 G, BB 2013, 2992; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 714. 7 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 7, 11, 15, 18 f., 21; OFD Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2014 – S 2242-2014/0003-St 114, DB 2014, 1646 unter II. 1. und 3., III. 2., IV. 1. und 2.
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§6
Betriebsvermögen
nur ein Kommanditist vorhanden (Zweipersonengesellschaft), sind die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH als funktional wesentliche Betriebsgrundlage zu qualifizieren. – Unterhält die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung und ist sie darüber hinaus wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten – bspw. weil sie den Alleinvertrieb für die Produkte der GmbH & Co. KG übernommen hat –, stellen die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar. – Unterhält die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung und ist sie Komplementärin mehrerer GmbH & Co. KG, und bestehen Geschäftsbeziehungen von nicht geringer Bedeutung nur zu einer dieser GmbH & Co. KG, sind die Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH bei dieser GmbH & Co. KG als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen. Bestehen die Geschäftsbeziehungen von nicht geringer Bedeutung dagegen zu mehreren GmbH & Co. KG, handelt es sich bei den Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH zwar um notwendiges SBV II der zuerst gegründeten GmbH & Co. KG, mit der die Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, und gleichzeitig um eine wesentliche Betriebsgrundlage bei dieser GmbH & Co. KG. Wenn ein Kommanditist an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die nicht Komplementärin der GmbH & Co. KG ist, handelt es sich bei den jeweiligen Anteilsrechten unter den zuvor genannten Voraussetzungen (s. unter Rz. 6.546) über die Qualifikation als notwendiges SBV II hinaus bei einer wesentlichen wirtschaftlichen Funktion gleichzeitig um eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage.1 Das ist typischerweise der Fall, wenn die Kapitalgesellschaft als Alleinvertriebsgesellschaft für die GmbH & Co. KG fungiert. Bei einer KommanditistenGmbH (s. unter Rz. 6.547) kann im Einzelfall bei einer engen wirtschaftlichen Verflechtung das Gleiche gelten.
6.549
Entgegen der h.M. zum Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG (s. unter Rz. 6.507 a.E.) ist allgemein anerkannt, dass auf Ebene des SBV auch gewillkürtes Betriebsvermögen möglich ist. Die Charakterisierung als gewillkürtes SBV I oder II setzt zunächst voraus, dass weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen vorliegt.2 Als gewillkürtes SBV kommen nach Auffassung der Rechtsprechung nur solche Wirtschaftsgüter in Betracht, die objektiv geeignet sind, (mittelbar) den Betrieb der Personengesellschaft oder die Beteiligung des Mitunternehmers an der Personengesellschaft zu fördern,3 und darüber hinaus subjek-
6.550
1 OFD Frankfurt a.M. v. 13.2.2014 – S 2134 A-14-St 213, DB 2014, 1227 Tz. 23 f., 26. 2 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 528; es gelten die allgemeinen Grenzen. Bei einer eigenbetrieblichen Nutzung von mindestens 10 % bis zu 50 % ist der Ausweis als gewillkürtes Betriebsvermögen in vollem Umfang möglich; R 4.2 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 EStR 2012. 3 Dies wurde u.a. angenommen bei einem Vorratsgelände, BFH v. 19.3.1981 – IV R 39/78, BStBl. II 1981, 731 = FR 1981, 493, und einem fremdvermieteten Grundstück, BFH v. 25.11.1997 – VIII R 4/94, BStBl. II 1998, 461 = FR 1998, 493. Abgelehnt wurde gewillkürtes SBV etwa bei einem Gestüt sowie einem Anteil an einer Abschreibungsgesellschaft, FG Hamburg v. 13.12.1991 – I 203/88, EFG 1992, 657; BFH v. 20.6.1985 – IV R 36/83, BStBl. II 1985, 654 = FR 1985, 623. Insofern gelten die unter Rz. 6.509 dargestellten Grundsätze auch für das SBV, insbesondere darf ein weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch Privat-
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
tiv dazu bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft oder der Beteiligung des Mitunternehmers zu dienen. Außerdem muss der Mitunternehmer diese Widmung rechtzeitig „klar und eindeutig“ zum Ausdruck gebracht haben.1 Unklar ist nach wie vor, ob diese subjektive Zweckbestimmung nur durch den Ausweis in der Buchführung der Personengesellschaft erbracht werden kann oder auch in anderer Weise.2 Zu denken wäre etwa an einen Ausweis in der ggf. bestehenden Buchführung für die Sonderbilanz des Mitunternehmers oder in einer Mitteilung des Mitunternehmers (bzw. der Gesellschaft) an das Finanzamt.3 6.551
Gestaltungshinweis: Es ist zu empfehlen, bei beabsichtigter Widmung zumindest den Ausweis in der Buchführung der Personengesellschaft vorzunehmen, insbesondere durch Ansatz des Wirtschaftsgutes in der betreffenden Bilanz, daneben aber auch durch Erfassung der mit dem Wirtschaftsgut zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge. Als Konsequenz der vorstehenden Erläuterungen gilt ein Wirtschaftsgut des gewillkürten SBV als entnommen, wenn es nicht mehr bilanziert wird.
6.552
Gewillkürtes SBV entwickelt insbesondere zu dem Zeitpunkt Relevanz, wenn durch die Änderung der Nutzung von Wirtschaftsgütern diese ihre Eigenschaft als notwendiges SBV verlieren, z.B. sobald ein bislang der Gesellschaft vermietetes Grundstück fortan fremdvermietet werden soll. Eine Widmung dieser Wirtschaftsgüter als gewillkürtes SBV kann eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG und die hiermit verbundene Aufdeckung und Besteuerung ggf. vorhandener stiller Reserven verhindern. Beispiel
6.553
Die DE-GmbH & Co. KG nutzt seit etlichen Jahren ein Grundstück des Gesellschafters E als Lagerfläche für ihre Produkte. Aufgrund einer betriebsinternen Optimierung der Lagerdauer werden zukünftig die gesellschaftseigenen Grundstücke ausreichend Lagerfläche bieten. Aus diesem Grunde soll das betreffende Grundstück künftig an fremde Unternehmen für deren Lagerzwecke vermietet werden. Durch das Ende der Inanspruchnahme als betriebliche Lagerfläche verliert das Grundstück seine Eigenschaft als notwendiges SBV des E. Ein fremdvermietetes Grundstück ist nach Auffassung der Rechtsprechung jedoch grundsätzlich dazu geeignet, als gewillkürtes SBV den betrieblichen Zwecken der Gesellschaft zu dienen.4 Durch eine ausdrückliche Widmung kann
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vermögen gehörender Vorgang nicht mehr zu einem Zeitpunkt in die betriebliche Sphäre verlagert werden, wenn sich bereits Verluste abzeichnen, vgl. BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (878) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz zur Zuordnung von Sicherheiten zum gewillkürten passiven SBV. BFH v. 7.4.1992 – VIII R 86/87, BStBl. II 1993, 21 (22) = GmbHR 1993, 120; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 530; instruktiv hierzu BFH v. 17.11.2012 – IV R 51/08, DStR 2012, 850. BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1991, 401 = FR 1991, 11; BFH v. 11.3.1992 – XI R 38/89, BStBl. II 1992, 797; BFH v. 27.6.2006 – VIII R 31/04, BStBl. II 2006, 874 (878) = GmbHR 2006, 1217 m. Komm. Bitz. Nachweise bei Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 530. Nach BFH v. 25.11.1997 – VIII R 4/94, BStBl. II 1998, 461(463) = FR 1998, 493 kann es zum einen zur Sicherung betrieblicher Kredite eingesetzt werden. Zum anderen können der Gesellschaft mit Hilfe der Mieterträge ggf. zusätzliche Mittel für betriebliche Zwecke zugeführt werden.
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Klotz/Hoppe
§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
das Grundstück folglich auch in Zukunft Betriebsvermögen der Gesellschaft sein. Eine ggf. Ertragsteuern auslösende Entnahme kann hierdurch verhindert werden.
Einstweilen frei.
6.554–6.580
XII. Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft 1. Vorbemerkung Die GmbH & Co. KG fungiert nicht selten als sog. Organträger im Rahmen einer steuerrechtlichen Organschaft. Kennzeichnend für die steuerrechtliche Organschaft ist ein Abhängigkeits- bzw. Unterordnungsverhältnis, wobei eine rechtlich selbständige Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet als unselbständiger Bestandteil (Organ) eines herrschenden Unternehmens angesehen wird. Bei dem herrschenden Unternehmen handelt es sich um den Organträger, bei dem abhängigen Unternehmen spricht man von der Organgesellschaft. Beide zusammen bilden den sog. Organkreis. Die so geschaffene wirtschaftliche Einheit ermöglicht es, im Organkreis steuerliche Gewinne und Verluste auf der Ebene des Organträgers zu verrechnen, indem das Ergebnis der Organgesellschaft dem Organträger zugeordnet wird.
6.581
Das ursprünglich durch die Rechtsprechung1 entwickelte Institut der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist in den §§ 14 bis 19 KStG geregelt. Das Gewerbesteuerrecht baut auf den Voraussetzungen der §§ 14, 17 KStG oder § 18 KStG auf und behandelt bei deren Vorliegen die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die ertragsteuerliche (körperschaft- und gewerbesteuerliche) Organschaft ist angesichts der Verlustverrechnungsmöglichkeiten stets einem hohen politischen Reformdruck ausgesetzt. Hinzu kommt, dass sich die Regelungen zur Organschaft im Spannungsfeld mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags befinden.2 Dennoch unterblieben bisher grundlegende und vielerorts geforderte3 Reformen, beispielsweise ein Wechsel zu einer „modernen Gruppenbesteuerung“, wie er im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen von 2009 beabsichtigt war.4 Stattdessen wurden die maßgebenden Vorschriften zur Organschaft systemimmanent, aber teilweise umfassend geändert („kleine Organschaftsreform“).5 Gesetzlich verankert ist die Organschaft auch im Umsatzsteuerrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Über § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) GrEStG bedient sich der Gesetzgeber im Grunderwerbsteuerrecht im Kern der Grundsätze der umsatzsteuerlichen Organschaft. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Tatbestandsvoraus-
6.582
1 Vgl. u.a. BFH v. 4.3.1965 – I 249/61 S, BStBl. III 1965, 329 ff. 2 Vgl. u.a. Herzig/Wagner, DB 2005, 1; Herzig/Wagner, DB 2005, 2374; EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 „Marks & Spencer“, GmbHR 2006, 153; vgl. das inzwischen eingestellte Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland Nr. 2008/4909 wegen Verstoßes des doppelten Inlandsbezugs gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. gegen Art. 49, 54 AEUV. 3 Anstatt vieler Hey, FR 2012, 994. 4 „Wachstum, Bildung, Zusammenhalt“, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode v. 26.10.2009. 5 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285 (UntStReiseKÄndG).
Fatouros
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
setzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft von denen der ertragsteuerlichen Organschaft unterscheiden. Sie ist daher an dieser Stelle nicht Gegenstand der Betrachtung (s. dazu unter Rz. 3.310 ff.). 6.583
Obwohl die GmbH & Co. KG einer Kapitalgesellschaft angenähert ist, kann sie als Personengesellschaft schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 KStG lediglich Organträger sein.1 Die Stellung als Organgesellschaft ist steuerrechtlich ausschließlich Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorbehalten.2 Nachfolgend wird dargestellt, welche Voraussetzungen für die Organträgereigenschaft der Personengesellschaft bestehen und welche Rechtsfolgen sich aus der Organschaft ergeben. Ferner werden weitere organschaftliche Konstellationen gewürdigt, in denen Personengesellschaften innerhalb eines Organkreises agieren. Dabei wird ausschließlich auf die ertragsteuerliche (körperschaft- und gewerbesteuerliche) Organschaft Bezug genommen. Unterschiede zwischen der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft werden dabei gesondert hervorgehoben.
GmbH & Co. KG (Organträger)
Abhängigkeits- u. Unterordnungsverhältnis
Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) Organkreis
1 Vgl. BFH v. 10.11.1983 – IV R 56/80, BStBl. II 1984, 150 (151) = FR 1984, 237; BFH v. 17.1. 1973 – I R 253/71, BStBl. II 1973, 269 (270); BFH v. 7.3.1973 – I R 119/71, BStBl. II 1973, 562 (563); BFH v. 17.4.1986 – IV R 221/84, BFH/NV 1988, 116 (117) mit Verweis auf BFH v. 25.6. 1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (754) = GmbHR 1984, 355, wonach die GmbH & Co. KG nicht dem KStG unterfällt. 2 Unter Hinweis auf die europarechtliche Rechtsformneutralität hat der EuGH in seinem Urteil v. 16.7.2015 – C-108/14, C-109/14, DStR 2015, 1673, gegen den Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG entschieden, dass auch eine GmbH & Co. KG Organgesellschaft sein kann. Das Verfahren betrifft allerdings nur das Umsatzsteuer-Recht (s. Rz. 3.310, 6.751). Die Eigenschaft als Personengesellschaft im Rahmen der §§ 14 ff. KStG verliert die GmbH & Co. KG im Übrigen nicht dadurch, dass sie die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG in Anspruch nimmt, wonach sie wie eine Kapitalgesellschaft steuerlich belastet werden soll. Zur zivilrechtlichen Zulässigkeit einer unternehmensvertraglichen Abhängigkeit der GmbH & Co. KG vgl. OLG Düsseldorf v. 27.2.2004 – 19 W 3/00 AktE (rkr.), NZG 2005, 280 (282 f.) m.w.N.
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Fatouros
§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
2. Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft a) Gewinnabführungsvertrag Die ertragsteuerliche Organschaft setzt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) gem. § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG voraus. Durch einen GAV verpflichtet sich die Organgesellschaft, ihren ganzen Gewinn an den Organträger auszukehren. Im Gegenzug verpflichtet sich der Organträger, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 302 Abs. 1 AktG). Obwohl die aktien- bzw. konzernrechtlichen Vorschriften unmittelbar nur für eine AG, KGaA oder SE gelten, gilt es unter Verweis auf § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG als anerkannt, dass auch die GmbH als Organgesellschaft unter analoger Anwendung der §§ 291 ff. AktG einen GAV abschließen kann.1 Dem folgt § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG, der die entsprechende Anwendung der §§ 14–16 KStG für andere Kapitalgesellschaften als Organgesellschaft eröffnet. Weitere Voraussetzung für diese Kapitalgesellschaften ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG, dass eine Gewinnabführung den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreitet (Nr. 1) und eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart wird (Nr. 2).2
6.584
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG schreibt ergänzend vor, dass der Gewinnabführungsvertrag (GAV) auf mindestens fünf Jahre3 abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer tatsächlich durchgeführt werden muss. Von der zivilrechtlichen Wirksamkeit des GAV ist steuerrechtlich der Beginn der Organschaft abhängig. Das Einkommen der Organgesellschaft ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der GAV wirksam wird. Dies ist nach Zustimmung durch die Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften erst der Fall, wenn der GAV in das Handelsregister der Organgesellschaft eingetragen worden ist (konstitutive Wirkung). b) Eingliederungsvoraussetzungen Die finanzielle Eingliederung ist nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG gegeben, wenn der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen – durchgehend bis zum Ende des Wirtschaftsjahres4 – in einem solchen Maße beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der
1 Vgl. auch Koch in Hüffer, AktG, § 291 Rz. 6. 2 Seit dem UntStReiseKÄndG v. 20.2.2013 muss es sich dabei zwingend um einen dynamischen Verweis auf § 302 AktG handeln. Für Altverträge gilt bis einschließlich VZ 2014 eine Heilungsmöglichkeit. Vgl. hierzu Danelsing in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 17 KStG Rz. 2. Vgl. OFD Karlsruhe v. 16.1.2014 – S 277.0/52/2 – St 211, FR 2014, 434 und OFD Frankfurt v. 14.4.2014 – S 2770 A – 55 – St 51, DStR 2014, 2026. 3 Die fünfjährige Mindestlaufzeit bemisst sich nach Zeitjahren und nicht nach Wirtschaftsjahren, so dass die Mindestlaufzeit 60 Monate beträgt, BFH v. 12.1.2011 – I R 3/10, BStBl. II 2011, 727. Zur Rückbeziehung vgl. FG Düsseldorf v. 5.3.2015 – 6 K 4332/12 - K - F, EFG 2015, 951 (nrkr., Az. BFH I R 19/15). 4 R 59 Abs. 1 KStR 2004.
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6.585
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Stimmrechte zusteht, er also die Organgesellschaft beherrscht.1 Maßgeblich ist das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen gem. § 39 Abs. 2 AO.2 Wann die ausreichende Mehrheit der Stimmrechte gegeben ist, richtet sich nach der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag der Organgesellschaft. Sind danach für die allgemeinen Beschlüsse mehr Stimmen als die einfache Mehrheit erforderlich, ist diese (qualifizierte) Mehrheit für die finanzielle Eingliederung maßgeblich.3 Entscheidend ist, dass der Organträger seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse im Allgemeinen durchsetzen kann. 6.586
Mittelbare Beteiligungen können dann eine finanzielle Eingliederung – ggf. zusammen mit einer unmittelbaren Beteiligung des Organträgers – begründen, wenn sie an den jeweils vermittelnden Gesellschaften ebenfalls die Mehrheit der Stimmrechte gewähren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG). Die Mehrheit der Stimmrechte bei mittelbaren Beteiligungen wird u.E. abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung (sog. Durchrechnungsmethode)4 im Wege der sog. Additionsmethode ermittelt.5 Nur diese Betrachtungsweise wird u.E. dem Sinn der Vorschrift gerecht, weil darin eine aus den Anteilen abgeleitete Beherrschung analog § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG auf jeder einzelnen Stufe verlangt wird.6 Entscheidend ist, ob der Organträger seinen Willen über die vermittelnden Gesellschaften (eine oder mehrere vermittelnde Gesellschaften) in der Organgesellschaft ausüben kann. Als vermittelnde „Gesellschaft“ kommt auch eine Personengesellschaft in Betracht.7 Sie muss dabei nicht ihrerseits die Fähigkeit als Organgesellschaft oder Organträgerin besitzen,8 also z.B. nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausüben (s. Rz. 6.595 ff.).9 Es bedeutet zudem keinen Unterschied, ob sich die Anteile an der Organgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen der vermittelnden Personengesellschaft befinden oder zum Ge1 BFH v. 12.1.1977 – I R 204/75, BStBl. II 1977, 357 (358); BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 (674) = GmbHR 2005, 1209 zur USt. 2 Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 128. 3 BFH v. 22.11.2001 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 (168 f.) = GmbHR 2002, 174 zur USt; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 122; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 79; Stimmrechtsverboten für einzelne Geschäfte wird dabei keine Bedeutung beigelegt, vgl. BFH v. 26.1.1989 – IV R 151/86, BStBl. II 1989, 455 (456) = GmbHR 1989, 386. Gleiches gilt für Stimmrechtsvollmachten, Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 276. 4 Die Finanzverwaltung wendet offenbar die Durchrechnungsmethode an, vgl. R 57 Bsp. 3) KStR 2004; ebenso Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 139; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 94; Herlinghaus, FR 2000, 1105 (1111 f.). 5 Prinz, FR 2000, 1255 (1257 f.); Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 127; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 295.1 f.; in diesem Sinne wohl auch BFH v. 22.11.2002 – V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 (168 f.) = GmbHR 2002, 174 zur USt. 6 Eine Stimmenmehrheit zwischen vermittelnder Gesellschaft und Organgesellschaft ist nicht erforderlich. Ausschlaggebend ist eine Mehrheit der Stimmrechte in der Addition aus allen mittelbaren und der unmittelbaren Beteiligung. 7 Vgl. BFH v. 2.11.1977 – I R 143/75, BStBl. II 1978, 74 (75); R 57 Satz 4 und Bsp. 3) KStR 2004. 8 Vgl. BFH v. 2.11.1977 – I R 143/75, BStBl. II 1978, 74 (75); Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 89; Scheidle/Koch, DB 2005, 2656 (2657) m.w.N.; H 57 KStH 2008 „Mittelbare Beteiligungen“. 9 Vgl. Scheidle/Koch, DB 2005, 2656 (2657).
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§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
samthandsvermögen gehören, solange die übergeordnete Gesellschaft die Organgesellschaft beherrscht.1 Letztlich muss sogar eine Beteiligungsvermittlung über eine ausländische Tochtergesellschaft zulässig sein.2 Die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft muss darüber hinaus gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG im Verhältnis zur GmbH & Co. KG selbst erfüllt sein. Diese mit dem StVergAbG3 eingeführte Regelung soll verhindern, über Umweggestaltungen das gleiche Ergebnis wie bei der gleichzeitig abgeschafften sog. Mehrmütterorganschaft zu erreichen. Demnach reicht es seit dem VZ 2003 nicht mehr aus, wenn die Anteile an der Organgesellschaft von den Anteilseignern der Organträger-GmbH & Co. KG im Sonderbetriebsvermögen gehalten werden. Zumindest die die Mehrheit der Stimmrechte vermittelnde Beteiligung muss im Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG gehalten werden.4 Durch den Verweis auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG ist zudem zweifelsfrei, dass sich die Mehrheit der Stimmrechte vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft im Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG befinden muss. Hält ein Gesellschafter seine Anteile im Sonderbetriebsvermögen (SBV)5 und beabsichtigt er die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft, kann er seine die Mehrheit der Stimmrechte vermittelnden Anteile zuvor in das Gesamthandsvermögen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zum Buchwert übertragen.6 Soweit aber mit der Übertragung der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse – insbesondere einer Kapitalgesellschaft – an den übertragenen Anteilen der Organgesellschaft begründet wird oder sich erhöht, ist dabei der Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG).7
6.587
Erfüllen die Anteile an der Organgesellschaft einerseits die Anforderungen, die an notwendiges Betriebsvermögen des Organträgers zu stellen sind, andererseits aber auch die Voraussetzungen für notwendiges SBV des Organträgers bei einer Unterpersonengesellschaft, so liegt ein Fall der sog. Bilanzierungskonkurrenz vor. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen notwendigem Betriebsvermögen und notwendigem SBV grundsätzlich zugunsten des Vorrangs der Mitunternehmerschaft zu lösen ist, die Zuordnung zum SBV bei der Unterpersonengesellschaft also Vorrang genießt.8 Mit dem Ab-
6.588
1 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 130 f.; s. aber nachfolgend Rz. 6.588 zur Frage der Bilanzierungskonkurrenz, falls die übergeordnete Gesellschaft gleichzeitig die Organträgerin ist und unmittelbar Anteile an der Organgesellschaft hält. 2 Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 293. 3 Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 4 Dabei reicht das wirtschaftliche Eigentum an den die Stimmrechte vermittelnden Anteilen aus, BFH v. 28.4.1983 – IV R 152/80, BStBl. II 1983, 690 (691) = FR 1983, 488; H 58 KStH 2008. Der Rest der Anteile kann im Sonderbetriebsvermögen gehalten werden. Ein Verzicht auf Ausgleichszahlungen gem. § 304 AktG für diese Anteile sollte die Organschaft nicht gefährden, vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (807). 5 Vgl. dazu BFH v. 28.8.2003 – IV R 46/02, BFH/NV 2003, 1655 = GmbHR 2003, 1512: im sog. SBV II. 6 Vgl. BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 14. 7 Einschränkend Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (807 f.); vgl. auch OFD Frankfurt a.M. v. 3.5.2004 – S 2170 A - 109 - St II 2.01, BB 2004, 2407. 8 BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750 (753), st. Rspr.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
schluss eines GAV entsteht jedoch ein Konflikt zwischen der Verpflichtung der Organgesellschaft, ihren Gewinn an die Organträgerin abzuführen, einerseits und der aus dem Vorrang der Mitunternehmerschaft resultierenden Rechtsfolge, die aus der Beteiligung herrührenden Gewinne im SBV der Organträgerin bei der Unterpersonengesellschaft zu erfassen, andererseits. Der BFH favorisiert bei einem solchen Konkurrenzverhältnis der Konsolidierungskreise – u.E. zutreffend – für die Zeit des Bestehens der Organschaft, die Erfassung der aus der Beteiligung herrührenden Einnahmen bei der Unterpersonengesellschaft auszusetzen und damit den Rechtsfolgen der Organschaft Vorrang einzuräumen.1 Das gilt u.E. auch dann, wenn es sich bei der Unterpersonengesellschaft um eine die finanzielle Eingliederung vermittelnde Personengesellschaft handelt, die also unmittelbar Anteile an der Organgesellschaft hält (s. Rz. 6.586). Eine Entnahme aus der Unterpersonengesellschaft an den Organträger scheidet u.E. sowohl in Höhe des abzuführenden Gewinns aus, der auf die unmittelbar von der Organträger-GmbH & Co. KG gehaltenen Anteile entfällt, als auch bezogen auf den Gewinn der Organgesellschaft, der eigentlich der Unterpersonengesellschaft zusteht, aber mit Abschluss des GAV direkt dem Organträger übertragen werden muss. Nicht suspendiert wird die Zuordnung zum SBV der Unterpersonengesellschaft dagegen bei Gewinnen aus der Veräußerung der Organbeteiligung, die im Gegensatz zum laufenden Gewinn nicht Bestandteil des zuzurechnenden Einkommens im Rahmen des Organschaftsverhältnisses sind und keinen Vorrang des GAV rechtfertigen.2 Ebenso muss der mit der Beteiligung verbundene Finanzierungsaufwand ungeachtet des Organschaftsverhältnisses weiterhin im Sonderbetriebsvermögen bei der Unterpersonengesellschaft berücksichtigt werden.3 Beispiel 6.589
Die gewerblich tätige A-GmbH & Co. KG hält 30 % der Geschäftsanteile und Stimmrechte der B-GmbH und einen Kommanditanteil i.H.v. 60 % an der C-GmbH & Co. KG (Unterpersonengesellschaft). Die C-GmbH & Co. KG hält ihrerseits 70 % der Geschäftsanteile und Stimmrechte der B-GmbH. Die Anteile der A-GmbH & Co. KG an der B-GmbH befinden sich im SBV II der A-GmbH & Co. KG bei der C-GmbH & Co. KG. Mit Wirkung zum 1.1.2015 schließt die A-GmbH & Co. KG mit der B-GmbH einen GAV ab und begründet zugleich eine ertragsteuerliche Organschaft. Das Geschäftsjahr sämtlicher Gesellschaften entspricht dem Kalenderjahr. Es ergibt sich folgendes Bild:
1 BFH v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361 (363 f.) = GmbHR 2005, 998 m. Komm. Breuninger, zurückverwiesen an das FG Köln v. 4.6.2009 – 15 K 2578/05, EFG 2010, 943 (rkr.); ebenso Letzgus, Ubg 2010, 699 (701) m.w.N.; Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG Rz. 185; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 255. 2 Vgl. zutreffend Letzgus, Ubg 2010, 699 (702) m.w.N. 3 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 257.
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§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
A-GmbH & Co. KG (Organträger) 60 % der Kommanditanteile GAV ab dem 1.1.2015
30 % der Anteile/ Stimmrechte B-GmbH (Organgesellschaft)
C-GmbH & Co. KG (Unterpersonengesellschaft)
70 % der Anteile/Stimmrechte
Den gesamten Jahresüberschuss für das Geschäftsjahr 2015 führt die B-GmbH ordnungsgemäß an die A-GmbH & Co. KG ab. Der Gewinnanteil der C-GmbH & Co. KG fließt aufgrund des GAV nicht an die die finanzielle Eingliederung vermittelnde C-GmbH & Co. KG. Der Abschluss des GAV bewirkt folglich, dass die Gewinnanteile an der B-GmbH für die Dauer der Organschaft nicht im SBV II der vermittelnden C-GmbH & Co KG erfasst werden, sondern ausschließlich im Einkommen des Organträgers, der A-GmbH & Co KG, erfasst werden. Die §§ 14 ff. KStG suspendieren also als lex specialis temporär die allgemeinen Rechtsfolgen. Fraglich ist, ob der Abschluss des GAV zur Folge hat, dass die Anteile der A-GmbH & Co. KG an der B-GmbH vom notwendigen SBV II bei der C-GmbH & Co. KG für die Dauer der ertragsteuerlichen Organschaft erfolgsneutral in das notwendige Betriebsvermögen der A-GmbH & Co. KG übergehen. Die Rechtsprechung und mit ihr die h.M. lehnen das ab.1 In der Konsequenz sind Veräußerungsgewinne und ein etwaiger Finanzierungsaufwand des Organträgers im Hinblick auf die Organbeteiligung im SBV II zu erfassen. Im Rahmen der Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG wäre dieser Finanzierungsaufwand zudem bei der C-GmbH & Co. KG aufgrund der Anordnung des § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG nicht unter Berücksichtigung des steuerlichen EBITDA der B-GmbH zu erfassen. Zweifel an dieser Auffassung bestehen aber seit Geltung des § 14 Abs. 4 KStG und § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG, weil der Gesetzgeber hiernach die Erfassung der Organbeteiligung in der Steuerbilanz (der Betriebsstätte) des Organträgers voraussetzt (s. Rz. 6.593).2
6.590
Eine Veränderung im Gesellschafterbestand der Organträger-GmbH & Co. KG während des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft hat keine Auswirkungen
6.591
1 BFH v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361 (363 f.) = GmbHR 2005, 998 m. Komm. Breuninger; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 625; Letzgus, Ubg 2010, 699 (701); Haase/Brändel, DB 2011, 1128 (1129 f.). 2 Ebenso Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 800.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
auf das bestehende Organschaftsverhältnis, da der Personengesellschaft im Hinblick auf das Organschaftsverhältnis eine rechtliche Eigenständigkeit eingeräumt wird.1 6.592
Auf die bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2000 (KSt) bzw. Erhebungszeitraums 2001 (GewSt) notwendige organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung, wie sie noch bei der umsatzsteuerlichen Organschaft verlangt werden, kommt es mithin nicht mehr an. c) Personelle Voraussetzungen des Organträgers2
6.593
Während als Organgesellschaft lediglich eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland in Betracht kommt (§§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG),3 können gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG als Organträger eine natürliche Person, eine nicht von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse und gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG auch eine Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG fungieren. Darunter fällt auch die GmbH & Co KG. Allerdings setzt der Gesetzgeber mit Wirkung vom VZ 20124 nicht mehr die aus der Geschäftsleitung im Inland resultierende unbeschränkte Steuerpflicht des Organträgers voraus, sondern verlangt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG stattdessen die Zuordnung der Organbeteiligung (bei mittelbarer Beteiligung die Zuordnung der Beteiligung an der vermittelnden Gesellschaft) zu einer inländischen Betriebsstätte i.S. des § 12 AO. Die Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 7 KStG aber nur hinreichend, wenn die zuzurechnenden Einkünfte auch nach einem ggf. anzuwendenden DBA der inländischen Besteuerung unterliegen.5
6.594
Bei dem Organträger muss es sich um ein gewerbliches Unternehmen handeln (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Gewinne der Organgesellschaft als gewerbliche Gewinne besteuert werden. Ein gewerbliches Unternehmen liegt vor, wenn die Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 GewStG erfüllt sind.6 Eine Kapitalgesellschaft unterhält danach bereits kraft Rechtsform einen Gewerbebetrieb und ist daher zweifelsfrei tauglicher Organträger.
6.595
Grundsätzlich stellt auch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 2 GewStG dar. Bei Personengesellschaften verlangt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG aber seit dem VZ 1 2 3 4
R 58 Satz 2 KStR 2004. Zur Eigenschaft der Organgesellschaft s. oben Rz. 6.583. Zur Komplementär-GmbH in diesem Zusammenhang s. Rz. 6.618 ff. § 34 Abs. 1 KStG. Eingeführt im Rahmen der kleinen Organschaftsreform: Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285 (UntStReiseKÄndG). Die Rückwirkung in den VZ 2012 ist u.E. verfassungsrechtlich bedenklich. 5 Hierzu umfassend Jesse, FR 2013, 629 (632 ff.) u. Weigert/Strohm, DK 2013, 249 (262 ff.). Nach Schirmer, GmbHR 2013, 797 ff., wird dadurch die wirtschaftliche Eingliederung wiederbelebt, die gerade bei Holdinggesellschaften problematisch ist. Vgl. OFD Karlsruhe v. 16.1.2014 – S 277.0/52/2 - St 211, FR 2014, 434. 6 BFH v. 12.8.1965 – IV 322/64 U, BStBl. III 1965, 589 f.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
2003 darüber hinaus, dass sie eine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt.1 Diese mit dem StVergAbG2 eingeführte Regelung erging in der Absicht, mit Mehrmütterorganschaften vergleichbare Gestaltungen zu verhindern. Eine solche Gestaltung sah der Gesetzgeber in der Installierung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (GmbH & Co. KG) anstelle der in § 14 Abs. 2 KStG a.F. geregelten sog. Willensbildungs-GbR.3 Damit scheidet eine nur vermögensverwaltende, aber gewerblich geprägte GmbH & Co KG mangels originär gewerblicher Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als Organträger aus. Eine gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn sie die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt.4 Wird also eine Betätigung selbständig, nachhaltig und mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen und findet sie unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr statt, liegen die Voraussetzungen vor, sofern die Betätigung nicht als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG oder Vermögensverwaltung anzusehen ist. Abzustellen ist bei der Prüfung auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung.5 In der Regel dürfte die Bestimmung unproblematisch sein. Wie die nachfolgenden Konstellationen zeigen, ist es in bestimmten Fällen durchaus strittig, ob die GmbH & Co. KG die in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG geforderte gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG tatsächlich ausübt.
6.596
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG ist auch erfüllt, wenn die GmbH & Co. KG als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung tätig ist6 oder wenn sie Dienstleistungen im Konzern (entgeltlich) erbringt.7 Strittig ist jedoch die Einord-
6.597
1 Zur Übergangsregelung für den VZ 2003 vgl. BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 21 ff. 2 Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 3 BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, S. 43; vgl. auch Dötsch, DB 2005, 2541 (2541 u. 2542); Diebel/Fischer, GmbHR 2004, 340. 4 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/02, BStBl. II 2004, 914 (917) (m.w.N.). 5 Zum sachlichen und zeitlichen Umfang der gewerblichen Tätigkeit s. unter Rz. 6.599 f. 6 Die isoliert betrachtet ggf. vermögensverwaltende Tätigkeit der Besitzpersonengesellschaft ist eine gewerbliche Tätigkeit, weil der Gesellschafter einen (einheitlichen) gewerblichen Betätigungswillen hat. So auch BFH v. 24.7.2013 – I R 40/12, BStBl. II 2014, 272. Im Ergebnis gleicher Ansicht BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 16 (spricht von Zurechnung); Kolbe, StuB 2006, 411; Blumers/Goerg, BB 2003, 2203 (2206 f.); Dötsch, DB 2005, 2541 (2542); vgl. auch BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 (256) = GmbHR 1998, 246, wonach die Besitzpersonengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine gewerbliche Tätigkeit „ausübt“. Die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sei eine gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 EStG. A.A. Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 80; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 193, 154, 235; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 127, 164, u.a. mit Verweis auf BFH v. 18.4.1973 – I R 120/70, BStBl. II 1973, 740 (741 f.) und BFH v. 14.10.1987 – I R 26/84, BFH/NV 1989, 192 (193). 7 Zustimmend BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 19; vgl. auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 130; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (808); Füger, BB 2003, 1755 (1758); ablehnend Löwenstein/Maier/ Lohrmann, DStR 2003, Beihefter 4, unter 3.1.1 (u.U. aber bei Cash-Pool-Aktivitäten, vgl. 3.1.3).
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
nung der Betätigung, wenn die GmbH & Co. KG als Holding fungiert. Hält sie ausschließlich Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, ist sie folglich vermögensverwaltend tätig, scheidet sie zweifelsohne als Organträgerin aus. Nicht eindeutig stellt sich die Rechtslage dar, wenn die GmbH & Co. KG neben der Beteiligung an der Organgesellschaft an einer gewerblich tätigen (Unter-)Personengesellschaft beteiligt ist. Der IV. Senat des BFH entschied in seinem Urteil vom 8.12.19941 zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F., der partiell den gleichen Wortlaut aufweist wie § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG, dass eine nicht gewerblich tätige Personengesellschaft (Obergesellschaft) durch das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft zwar nicht ihrerseits einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 EStG führe. Ihr werde aber nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die gewerbliche Tätigkeit der Untergesellschaft zugerechnet, so dass aus systematischen Erwägungen ihre nicht gewerbliche Tätigkeit gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. infiziert werde (sog. „Abfärbung“). Der IX. Senat des BFH2 nahm hingegen später – unter Zustimmung des IV.3 und des VIII. Senats – bezogen auf vermögensverwaltende Obergesellschaften von der vorgenannten Entscheidung Abstand, so dass der Gesetzgeber sich gezwungen sah zu reagieren und mit dem JStG 20074 § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dahingehend ergänzt hat, dass eine „Abfärbung“ generell erfolgt, sofern eine nicht gewerbliche Obergesellschaft gewerbliche Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Die Finanzverwaltung, die auf die Entscheidung des IX. Senats mit einem Nichtanwendungserlass reagierte,5 also an der umfassenden „Abfärbung“ im Bereich des § 15 EStG festhielt, erachtet hingegen im Bereich des § 14 KStG eine Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft als nicht ausreichend.6 Richtig ist u.E. ungeachtet der o.g. Rechtsprechung des BFH, dass die Obergesellschaft – die Organträger-GmbH & Co. KG – als (Mit-)Unternehmer anzusehen ist, wenn sie an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt ist.7 Sie übt damit eine gewerbliche Betätigung i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG aus.8 In der Gestaltungspraxis muss die geforderte gewerbliche Tätigkeit freilich auf andere 1 BFH v. 8.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. II 1996, 264 = FR 1995, 380 m. Komm. Söffing zur Vorschrift vor Neufassung durch das JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878; bestätigt in BFH v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254 (256) = GmbHR 1998, 246 und BFH v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359 (364) = FR 2000, 1033 m. Komm. Wendt. 2 BFH v. 6.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383 = FR 2005, 144; s. auch FG Köln v. 21.6. 2005 – 6 K 2380/03, DStRE 2005, 1156 (rkr.), wonach die Beteiligung an gewerblich tätigen Personengesellschaften keine „werbende“ Tätigkeit i.S. des GewStG begründet. 3 BFH v. 6.11.2003 – IV ER-S-3/03, BStBl. II 2005, 376. 4 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878; vgl. dazu BT-Drucks. 16/2712 v. 25.9.2006, S. 44. 5 BMF v. 18.5.2005 – IV B 2 - S 2241 - 34/05, BStBl. I 2005, 698; soll nur die GewSt-Problematik betreffen, vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 98. 6 BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 20. 7 So BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (699) = GmbHR 1991, 281; BFH v. 3.5. 1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (622); BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621); Fischer FR 2005, 143; a.A. Döllerer, DStR 1991, 1275 (1277). 8 Ebenso Blumers/Goerg, DStR 2005, 397 (401 f.); Wacker in Schmidt, § 15 Rz. 175, 189; vgl. auch BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 170/02, BStBl. I 2004, 40 Tz. 17 (zu Venture Capital, Private Equity Fonds); a.A. Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR 2003, Beihefter 4, unter 3.6; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 319.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
Weise begründet werden, da das bloße Halten eines Anteils an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft nicht hinreichend rechtssicher ist. Die Finanzverwaltung erachtet auch die Tätigkeit als geschäftsleitende Holding – unter unbegründeter Abweichung von der Rechtsprechung des BFH1 – als nicht ausreichend; die Grundsätze des BFH zur wirtschaftlichen Eingliederung (vgl. Abschn. 50 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1995) sollen keine Berücksichtigung finden.2 Diese Einschränkung ist nicht nachvollziehbar. Die geschäftsleitende Holding übt eine gewerbliche Tätigkeit aus, die u.E. als hinreichend für die Eignung als Organträger entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG angesehen werden kann.3 Die eigene gewerbliche Tätigkeit besteht nach gefestigter Rechtsprechung des BFH darin, dass die Obergesellschaft eine einheitliche Leitung über mehrere Gesellschaften ausübt und diese damit zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst.4 Nicht ausreichend i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG sind hingegen eine gewerbliche Betätigung eines Gesellschafters im Sonderbetriebsvermögen,5 die Betätigung über (personenidentische) Schwesterpersonengesellschaften6 oder die Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.7
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Strittig ist zudem, ob eine geringfügige gewerbliche Tätigkeit ausreicht. Dem Gesetzeswortlaut ist über den Umfang der notwendigen Betätigung nichts zu entnehmen. Nach dem Gesetzeszweck, nämlich die gewerblich geprägte WillensbildungsGesellschaft zur Begründung der Mehrmütterorganschaft zu verhindern (s. Rz. 6.595), ist ein Mindestumfang keine zwingende Voraussetzung. Dieses Ziel ließe sich bereits dann erreichen, wenn auch eine gewerbliche Tätigkeit neben anderen Beschäftigungen ausgeübt wird,8 weil nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nur dann eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vorliegt, wenn „keine“ Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeübt wird. Hinzu kommt, dass gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine gewerbliche Tätigkeit zur Infektion der gesamten übrigen
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1 BFH v. 17.12.1969 – I 252/64, BStBl. II 1970, 247; BFH v. 17.9.2003 – I R 98/01, BFH/NV 2004, 808; zuletzt BFH v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647 = FR 2009, 663 m. Komm. Kanzler. 2 BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 18; vgl. auch Dötsch, DB 2005, 2541 (2542). 3 Ebenso Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR 2003, Beihefter 4, unter 3.1.4; Dötsch/Pung, DB 2003, 1970 (1971); Blumers/Goerg, BB 2003, 2203 (2206); Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 80, 110; Hageböke/Heinz, DK 2005, 228 (229); Orth, DB 2005, 741 u.a. zur Abgrenzung zum Umsatzsteuerrecht; ablehnend mangels Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 97; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 157 f. 4 Grundlegend BFH v. 17.12.1969 – I 252/64, BStBl. II 1970, 257; vgl. auch BFH v. 14.10.1987 – I R 26/84, BFH/NV 1989, 192 (193); BFH v. 17.9.2003 – I R 95, 98/01, BFH/NV 2004, 808 (809); BFH v. 12.8.2002 – VIII B 69/02, BFH/NV 2002, 1579 (1579 f.) = GmbHR 2002, 1259. 5 Vgl. BFH v. 28.6.2006 – XI R 31/05, BStBl. II 2007, 378 (383) = GmbHR 2006, 1213. 6 BFH v. 17.12.2008 – IV R 85/06, BStBl. 2009, 795 = FR 2009, 618 m. Komm. Kanzler. 7 Die Berücksichtigung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft widerspricht dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG. Ebenso Blumers/Goerg, BB 2003, 2203 (2206); Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 Rz. 169; anders noch Fatouros, DStZ 2003, 179 (180); vgl. aber BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 170/02, BStBl. I 2004, 40 Tz. 17 (zu Venture Capital, Private Equity Fonds). 8 Auch wenn § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KSG anders als § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht „auch eine Tätigkeit …“ verlangt.
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Tätigkeit führt,1 wobei die auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz basierende Einschränkung dieser Vorschrift bei äußerst geringer gewerblicher Tätigkeit2 u.E. auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht übertragbar ist.3 Daher genügt u.E. auch eine geringfügige Tätigkeit den Anforderungen, selbst dann, wenn sie von untergeordneter Rolle ist.4 Umgekehrt muss es sich also nicht um eine Organträger-GmbH & Co. KG handeln, die ausschließlich gewerblich tätig ist. Die Finanzverwaltung erkennt eine Personengesellschaft mit nur geringer eigener gewerblicher Tätigkeit nicht als Organträger an.5 Offenbar fordert sie – ebenso wie Teile in der Literatur6 – eine Gewerblichkeit „verschärfter Art“.7 Lässt sich der Gesetzeszweck auch mit einer geringfügigen gewerblichen Tätigkeit erreichen, ist für § 42 AO u.E. kein Raum, da die Begründung der Organschaft nach Berücksichtigung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG zu keinem „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil“ i.S.v. § 42 Abs. 2 Satz 1 AO führt.8 6.600
Der Gesetzeswortlaut lässt ebenfalls offen, ob die gewerbliche Tätigkeit der GmbH & Co. KG vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an ununterbrochen ausgeübt werden muss (zeitliche Dimension). Der BFH lässt – entgegen der Finanzverwaltung9 – auch einen unterjährigen Beginn der gewerblichen Tätigkeit genügen.10 Dem ist zuzustimmen. Zwecks Vermeidung von Ausweggestaltungen zur früheren Mehrmütterorganschaft (s. Rz. 6.595) ist es ausreichend, wenn die gewerbliche Tätigkeit erst im Laufe des Wirtschaftsjahres aufgenommen wird, so dass die in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG verlangten zeitlichen Vorausset-
1 Der BFH v. 24.7.2013 – I R 40/12, BFH/NV 2013, 1737 (= GmbHR 2013, 1105 m. Komm. Walter), hält – im Kontext zur Betriebsaufspaltung – eine Infektion oder Abfärbung im Zusammenhang mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG für zulässig. 2 Vgl. dazu BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 (230) = FR 1999, 1182 m. Komm. Wendt; BFH v. 8.3.2004 – IV B 212/03, BFH/NV 2004, 954. 3 Fatouros, DStZ 2003, 179 (180); Korn/Strahl, KÖSDI 2003, 13714 (13718); Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (808); Blumers/Goerg, BB 2003, 2203 (2204 f.); a.A. Förster, DB 2003, 899 (903); Dötsch/Pung, DB 2003, 1970 (1971); Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 80. 4 Vgl. Fatouros, DStZ 2003, 179 (180); Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (808); Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR 2003, Beihefter 4, unter 2.4.2.4; Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 Rz. 165; a.A. Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 80, wonach die Tätigkeit insgesamt, also ohne Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, gewerblich sein muss; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 129; Förster, DB 2003, 899 (903): „vorbehaltlich völlig untergeordneter Aktivitäten“; Dötsch/Pung, DB 2003, 1970 (1971); Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 188; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 320. 5 BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 17. 6 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 98; Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 80. 7 So Dötsch, DB 2005, 2541 (2542); vgl. auch Witt/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 92. 8 Vgl. Blumers/Goerg, DStR 2005, 397 (399); BFH v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029 = GmbHR 1993, 53 zu § 42 AO a.F. 9 BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05, BStBl. II 2005, 1038 Rz. 21; ebenso Füger, BB 2003, 1755 (1758); Haase, DB 2004, 1580 (1583); Blumers/Goerg, DStR 2005, 397 (402); Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 321. 10 BFH v. 24.7.2013 – I R 40/12, BStBl. II 2014, 272 = GmbHR 2013, 1105 m. Komm. Walter.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
zungen auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht übertragbar sind. U.E. reicht es folglich aus, wenn die gewerbliche Tätigkeit erst am Ende des Wirtschaftsjahres zum Zeitpunkt der Gewinnabführung besteht.
3. Folgen der Organschaft Sind die Voraussetzungen nach § 14 KStG erfüllt, wird für steuerliche Zwecke das Einkommen der Organgesellschaft zwingend dem Organträger zugerechnet. Dies gilt erstmals in dem Jahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag (GAV) mit Eintragung in das Handelsregister wirksam wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Organgesellschaft hat aber als eigenständiges Steuersubjekt ihr Einkommen getrennt vom Organträger selbst zu ermitteln.1 Dies geschieht grundsätzlich nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Ermittlung des Einkommens (§§ 8 ff. KStG), wobei die handelsbilanziellen Auswirkungen der Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme als Gewinnverwendung i.S. des § 8 Abs. 3 KStG im Ergebnis unberücksichtigt bleiben. Es ist also im Rahmen einer zweistufigen Gewinnermittlung erforderlich, die auf der ersten Stufe sowohl in der Handels- als auch über den Grundsatz der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) in der Steuerbilanz gewinnmindernd (bei einer Gewinnabführung) bzw. gewinnerhöhend (bei Verlustausgleich durch den Organträger) berücksichtigten Auswirkungen des GAV auf einer zweiten Stufe wieder rückgängig zu machen,2 da es sich insoweit um eine Gewinnverwendung eigener Art handelt.3 Das auf dieser Basis ermittelte Einkommen der Organgesellschaft wird anschließend dem Einkommen des Organträgers zugerechnet, wodurch sich i.d.R. bei der Organgesellschaft ein Einkommen von null ergibt.4 Seit dem VZ 2014 wird das zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft gem. § 14 Abs. 5 KStG gesondert und einheitlich festgestellt.5 Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10 AO für die spätere Festsetzung beim Organträger. Das neue Feststellungsverfahren beseitigt eine kontroverse Diskussion über die Funktion des Körperschaftsteuerbescheids der Organgesellschaft6 und impliziert u.E. mit Erlass des Bescheids die Anerkennung der Organschaft dem Grunde nach.7
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BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494 = GmbHR 2013, 661 m. Komm. Walter. R 61 Abs. 1, 29 Abs. 1 Zeile 10 KStR 2004. Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 51/01, BFH/NV 2003, 572 (574) = GmbHR 2003, 363. Vgl. BFH v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539 (539) = GmbHR 2004, 979. Im Fall außenstehender Gesellschafter hat die Organgesellschaft anteilig ein eigenes Einkommen zu versteuern (§ 16 KStG). 5 Eingeführt durch die „kleine Organschaftsreform“: Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2. 2013, BStBl. I 2013, 188. Im Einzelnen Stangl/Brühl, DK 2013, 77. Das neue Feststellungsverfahren gilt erstmals für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2013 beginnen (§ 34 Abs. 9 Nr. KStG). 6 Vgl. Jesse, DStZ 2001, 113, der bereits vor Einführung des Feststellungsverfahrens in dem Körperschaftsteuerbescheid der Organgesellschaft einen Grundlagenbescheid gesehen hat; a.A. BFH v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539 = GmbHR 2004, 979. 7 Ebenso Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 805, und Stangl/Brühl, DK 2013, 77 (104 ff.); a.A. Drüen, DK 2013, 433, 446 ff. Im Regelfall wird die Finanzverwaltung den Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO erlassen.
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§ 15 KStG schränkt allerdings die allgemeinen Regelungen zur Einkommensermittlung ein. Dies betrifft nach § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG insbesondere einen vororganschaftlichen Verlustvortrag der Organgesellschaft nach § 10d EStG. Dieser Verlustvortrag kann so lange nicht mit dem eigenen Einkommen der Organgesellschaft verrechnet werden, wie die Organschaft besteht. Ferner sind gem. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG die Vorschriften des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG und des § 4 Abs. 6 UmwStG bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden (sog. Bruttomethode).1 Gleiches gilt hinsichtlich der Regelung zur Zinsschranke gem. § 8a KStG i.V.m. § 4h EStG (§ 15 Satz 1 Nr. 3 KStG2) und nach § 15 Satz 2 KStG für die Vorschriften eines DBA, sofern Gewinnanteile aus einer Beteiligung der Organgesellschaft an einer ausländischen Gesellschaft von der Besteuerung ausgenommen werden. Die Behandlung dieser Tatbestände richtet sich vielmehr nach den Verhältnissen des Organträgers. Ohne die Anordnung der Bruttomethode in § 15 KStG wären die Rechtsfolgen der für die Einkommensermittlung maßgeblichen Vorschriften auf Ebene der Organgesellschaft zu ziehen.3 Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) sind im Allgemeinen als vorweggenommene Gewinnabführungen an den Organträger anzusehen und stellen die Durchführung des GAV nicht in Frage. Das gilt auch, wenn eine Personengesellschaft Organträger ist und Gewinn verdeckt an einen Gesellschafter der Personengesellschaft ausgeschüttet wird.4
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In gewerbesteuerlicher Hinsicht gilt die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers, sofern die Voraussetzungen der §§ 14, 17 KStG gegeben sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Organgesellschaft und Organträger bleiben aber selbständige Gewerbebetriebe, deren Gewerbeerträge ebenfalls getrennt zu ermitteln sind. Die Organschaft führt indes dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger obliegt. Abweichend von der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist der einheitliche Gewerbesteuer-Messbetrag für die zum Organkreis gehörenden Betriebsstätten – das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en) – allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.5 Der einheitliche Gewerbesteuer-Messbetrag wird anschließend nach den allgemeinen Grundsätzen auf die Gemeinden der Betriebsstätten aufgeteilt. Gewerbesteuerliche Fehlbeträge der Organgesellschaft(en) aus der Zeit vor Abschluss des GAV dürfen seit dem Erhebungszeitraum 1 Das Einkommen wird „brutto“, also ungekürzt zugerechnet. Vgl. im Einzelnen BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437, Rz. 22. Zur Behandlung der einzelnen Werte in der einheitlichen und gesonderten Feststellung vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 15 KStG Rz. 32. 2 Die Regelungen zur Zinsschranke finden innerhalb des Organkreises keine Anwendung, da ein Organkreis als ein Betrieb gilt; vgl. BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007, S. 77 und BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 53 i.V.m. 10, 65. Allerdings darf die Freigrenze nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG innerhalb des Organkreises nur einmal in Anspruch genommen werden. 3 In diesem Sinne BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131 = GmbHR 2009, 556. Daher scheidet u.E. die Anwendung der Bruttomethode im Zusammenhang mit Übernahmegewinnen nach § 12 Abs. 2 UmwStG aus. 4 R 61 Abs. 4 KStR 2004; Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 404; Dötsch in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 288a. 5 BFH v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539 (539) = GmbHR 2004, 979; BFH v. 18.9.1996 – I R 44/95, BStBl. II 1997, 181 (181 f.) = GmbHR 1997, 230.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
20041 während des Organschaftszeitraums ebenso wenig abgezogen werden wie bei der Körperschaftsteuer (§ 10a Satz 3 GewStG). Die Bruttomethode (s. Rz. 6.602) ist auch bei der Gewerbesteuer anzuwenden, suspendiert aber nicht die Kürzungsvorschriften gem. § 9 Nr. 2a, Nr. 7 und Nr. 8 GewStG auf Ebene der Organgesellschaft (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie).2 Ferner ist zu beachten, dass z.B. Zinsen, die eine Organgesellschaft für ein Darlehen an die Organträger-GmbH & Co. KG leistet, bei ihr nicht nach § 8 Nr. 1 GewStG hinzugerechnet werden, da die Zinserträge bereits im Organkreis erfasst werden. Dadurch wird eine Doppelbelastung vermieden.3 Das steuerliche Ergebnis der Organträger-GmbH & Co. KG ist zunächst nach § 5 EStG ebenfalls selbständig zu ermitteln. Das nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG gesondert und einheitlich festgestellte Einkommen der Organgesellschaft wird nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG dem Träger des Unternehmens (Organträger) zugerechnet. Daraus folgt zunächst, dass das Einkommen der Organgesellschaft der Organträger-GmbH & Co. KG und nicht etwa ihren Gesellschaftern zuzurechnen ist.4 Um eine Doppelbesteuerung auf der Ebene der Organträger-GmbH & Co. KG zu vermeiden, muss der abgeführte Gewinn bzw. ein zum Ausgleich eines ansonsten entstandenen Jahresfehlbetrages geleisteter Betrag aus dem handelsrechtlichen Ergebnis der GmbH & Co. KG eliminiert werden. Dies geschieht außerhalb der Bilanz.5 Das so ermittelte Einkommen ist ebenso gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gesondert und einheitlich festzustellen wie das der OrganträgerGmbH & Co. KG zugerechnete (steuerliche) Einkommen der Organgesellschaft.6 Die Finanzverwaltung weist den bereinigten eigenen Gewinn der OrganträgerGmbH & Co. KG und das zugerechnete Einkommen der Organgesellschaft jeweils als eigenständige Bemessungsgrundlage in der gesonderten und einheitlichen Feststellung aus.7 Der getrennte Ausweis des „dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft“ ist deshalb erforderlich, damit beim Gesellschafter der GmbH & Co. KG der Höchstbetrag der abziehbaren Spenden nach § 10b EStG resp. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG zutreffend ermittelt werden kann. Das Einkommen der Organgesellschaft bleibt nämlich dabei außer Betracht (s. unter Rz. 6.616). Die Finanzverwaltung und mit ihr die herrschende Literaturmeinung ziehen aus diesem Umstand eine weitere Konsequenz. Sie wollen das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger für das Kalenderjahr zurechnen, in dem die Organge1 Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und andere Gesetze v. 23.12.2003, BGBl. I 2003, 2922; zur Rechtslage vorher Abschn. 68 Abs. 5 GewStR 1998. 2 Ständige Rechtsprechung, siehe zuletzt BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BFH/NV 2015, 749 m.w.N. zum aktuellen Meinungsstand (= GmbHR 2015, 489 m. Komm. Suchanek/Rüsch), OFD Münster v. 4.9.2006 – G 1421 - 138 - St 12 - 33, BeckVerw 276042 sowie das Beispiel unter Rz. 6.614 ff. 3 BFH v. 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. II 2004, 751 (752 f.) = GmbHR 2004, 434; R 1 Abs. 5 Satz 4 GewStR 2009; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 966 u. 972 f.; Richter, FR 2007, 1042 (1045). 4 BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494 GmbHR 2013, 661 m. Komm. Walter. 5 BFH v. 29.10.1974 – I R 240/72, BStBl. II 1975, 126 (128) zur Kapitalgesellschaft. 6 BFH v. 14.4.1992 – VIII R 149/86, BStBl. II 1992, 817 (818) = GmbHR 1992, 629. 7 Koordinierter Ländererlass v. 23.3.1976 – S - 2755 - 25 - VB 4/S - 1194 - 15 VA 1, DB 1976, 653; BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494 = GmbHR 2013, 661 m. Komm. Walter.
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6.604
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
sellschaft das Einkommen bezogen hat.1 Eine Zusammenfassung des Organeinkommens mit der Feststellung des Einkommens der GmbH & Co. KG sei nicht möglich, weil beide Werte unterschiedliche Stufen der Einkommensermittlung (Gewinn/Einkommen) beträfen. Das hat in den Fällen praktische Bedeutung, in denen der Abschlussstichtag der Organgesellschaft, bezogen auf das Kalenderjahr, nach dem des Organträgers liegt.2 So soll z.B. das Einkommen einer Organgesellschaft für das Jahr 2015 (Kalenderjahr = Wirtschaftsjahr) auch dann dem Einkommen der Organträger-GmbH & Co. KG im VZ 2015 zugerechnet werden, wenn deren Wirtschaftsjahr am Ende des Jahres 2015 noch läuft, also erst im Jahr 2016 endet. Handelsrechtlich ist das Jahresergebnis der Organgesellschaft dagegen im Wirtschaftsjahr 2015/2016 der Organträger-GmbH & Co. KG zu erfassen. U.E. ist die u.a. von der Finanzverwaltung gezogene Schlussfolgerung (bei Personengesellschaften) nicht zwingend. Sie ergibt sich nicht aus § 180 AO und ist auch nicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG eindeutig zu entnehmen. Es ist durchaus vertretbar, analog zum Handelsrecht im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinnabführungsanspruchs bzw. der Verlustübernahmeverpflichtung von einem Geschäftsvorfall auszugehen, der nach Maßgabe des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG als unselbständiger Bestandteil im gesondert und einheitlich festzustellenden Einkommen der Organträger-GmbH & Co. KG aufgeht,3 jedoch nötigenfalls für Zwecke der Ermittlung des Spendenhöchstbetrages lediglich separat ausgewiesen wird. Eine Umgehung des § 15a EStG4 oder Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 34a EStG (s. unter Rz. 6.616) werden damit vermieden. Sind an der GmbH & Co. KG natürliche Personen vermögensmäßig beteiligt, haben sie das für das einzelne Veranlagungsjahr für sie festgestellte anteilige Einkommen ihrer Besteuerung zugrunde zu legen. Ist Anteilseigner (Mitunternehmer) eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person, die die Beteiligung an der GmbH & Co. KG in ihrem Betriebsvermögen hält, ist das Ergebnis aus der Beteiligung an der GmbH & Co. KG ein laufender Geschäftsvorfall, der im Ergebnis des Wirtschaftsjahres berücksichtigt wird, das am Ende des Wirtschaftsjahres der GmbH & Co. KG läuft. Weicht das Wirtschaftsjahr des Anteilseigners vom Kalenderjahr ab, kann sich die Versteuerung des Einkommens der GmbH & Co. KG u.U. um einen Veranlagungszeitraum verzögern.5 6.605
Der Maßstab für die Zurechnung des Einkommens der GmbH & Co. KG an die Anteilseigner entspricht i.d.R. dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gewinnver-
1 H 62 KStH 2008; Koordinierter Ländererlass v. 23.3.1976 – S - 2755 - 25 - VB 4/S - 1194 - 15 VA 1, DB 1976, 653 unter Verweis auf das Urteil des BFH v. 29.10.1974 – I R 240/72, BStBl. II 1975, 126 ff. zur Kapitalgesellschaft; Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 502. 2 Koordinierter Ländererlass v. 23.3.1976 – S - 2755 - 25 - VB 4/S - 1194 - 15 VA 1, DB 1976, 653. 3 Vgl. dazu Wassermeyer, DStR 2004, 214 ff. zur Verwechselung der Begriffe „Gewinn“ und „Einkommen“. 4 Vgl. Kempf/Zipfel, DStR 2005, 1301 (1303 f.). 5 Vgl. Beispiel in Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 509 ff. und Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 515; BFH v. 30.9.1964 – I 231, 232/62 U, BStBl. III 1965, 54.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
teilungsschlüssel.1 Da der Gewinnabführungsanspruch erst mit dem Ende des Wirtschaftsjahres der jeweiligen Organgesellschaft entsteht, stellt sich die Frage, welchen Gesellschaftern einer Organträger-GmbH & Co. KG Anteile an dem Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet werden, wenn sich im Laufe des Wirtschaftsjahres der Organträgerin Änderungen im Bestand ihrer Gesellschafter ergeben haben. Hierzu entschied der BFH, dass das Einkommen der Organgesellschaft entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel nur den Gesellschaftern der Organträger-Personengesellschaft zuzurechnen ist, die im Zeitpunkt der Einkommenszurechnung an der Organträgerin beteiligt sind.2 Zeitpunkt der Einkommenszurechnung sei das Wirtschaftsjahresende der Organgesellschaft, da der Gewinnabführungsanspruch erst zum Ablauf des Wirtschaftsjahres entstehe. In der Sache sei die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft an den Organträger – so der BFH – wie ein Geschäftsvorfall zu behandeln. Faktisch besteht dadurch die Möglichkeit, den laufenden Gewinn der Organgesellschaft(en) in einen nach § 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 2 KStG privilegierten Veräußerungsgewinn umzumünzen.3 Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnverteilung. Danach sind auch solche Gesellschafter in die Gewinnfeststellung einzubeziehen, die nicht während des ganzen Wirtschaftsjahres Gesellschafter sind. Ihnen kann (zeitanteilig) ein Teil des originären Gewinns der Organträger-GmbH & Co. KG oder ein Veräußerungsgewinn zuzurechnen sein. Im Unterschied zur Organgesellschaft, deren vorvertragliche Verluste „eingefroren“ werden, ist § 10d EStG auf der Ebene des Organträgers bzw. im Fall einer Personengesellschaft bei seinen Anteilseignern uneingeschränkt anwendbar. Ein bei den Anteilseignern der GmbH & Co. KG4 vorhandener einkommen- oder körperschaftsteuerlicher Verlust kann folglich nach den allgemeinen Regeln vorbehaltlich § 15a EStG5 im Rahmen der Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG, § 8 Abs. 1 KStG) mit einem positiven Einkommen der Organgesellschaft verrechnet werden.6 Zudem können ggf. die dem Organträger zugerechneten Einkommen verschiedener Organgesellschaften miteinander verrechnet werden. Im Übrigen hängen zahlreiche Rechtsfolgen davon ab, wer Anteilseigner (Mitunternehmer) der GmbH & Co. KG ist. Soweit an der GmbH & Co. KG natürliche Personen beteiligt sind, ist zu beachten, dass das Einkommen der Organträger-GmbH & Co. KG grundsätzlich dem individuellen Einkommensteuertarif unterliegt. Das Einkommen der Organgesellschaft kann dadurch ertragsteuerlich höher belastet werden als ohne Organschaft. Die Anwendung der Bruttomethode nach § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG führt dazu, dass die auf der Ebene der Organgesellschaft an sich nach § 8b KStG nahezu steuerfrei vereinnahmten Bezüge (z.B. Dividenden) ab dem Veranla1 BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494 = GmbHR 2013, 661 m. Komm. Walter. Ausnahmsweise kann eine abweichende Vereinbarung getroffen werden, wenn sich die Anteile an der Organgesellschaft teilweise im Eigentum der Gesellschafter der GmbH & Co. KG befinden und nicht alle Gesellschafter an der Organgesellschaft beteiligt sind, vgl. Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 503 ff. m.w.N. 2 BFH v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494 = GmbHR 2013, 661 m. Komm. Walter. 3 Walter, GmbHR 2013, 664 (665). 4 Gewerbesteuerlich ist die GmbH & Co. KG selbst Steuersubjekt und Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). 5 Vgl. Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 521. 6 Zu beachten ist ggf. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG.
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6.606
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
gungszeitraum 2009 zu 60 % der Einkommensteuer unterliegen (sog. Teileinkünfteverfahren), da das gesamte Einkommen von Organträger und Organgesellschaft im Ergebnis bei den Gesellschaftern der GmbH & Co. KG besteuert wird. Andererseits erlaubt § 3c Abs. 2 EStG nur den entsprechend hohen Abzug (60 %) von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den partiell steuerfreien Bezügen nach § 3 Nr. 40 EStG anfallen. Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens kann sich je nach der Höhe der Bezüge bzw. Aufwendungen entweder vorteilhaft oder nachteilig auswirken. Davon nicht beeinträchtigt werden Zinsen für Schulden, die die Organträger-GmbH & Co. KG dafür aufgenommen hat, um die Beteiligung an der Organgesellschaft zu erwerben. Diese können mit Beginn der Organschaft bei der Ermittlung des Gewinns vollständig abgezogen werden. § 3c EStG kommt mithin nicht zur Anwendung.1 6.607
Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für Kapitalgesellschaften als Anteilseigner der Organträger-GmbH & Co. KG. Bei ihnen schlagen allerdings die Vorschriften des § 8b KStG etc., die bei der Organgesellschaft nach der Bruttomethode gem. § 15 KStG ausgesetzt wurden, wieder durch. Ihre Stellung als Anteilseigner lässt die Möglichkeit unberührt, die Finanzierungsaufwendungen der OrganträgerGmbH & Co. KG für den Erwerb der Beteiligung an der Organgesellschaft vollumfänglich abzuziehen.2
6.608
Gewerbesteuerlich ist zu beachten, dass natürliche Personen als Mitunternehmer im Unterschied zu Kapitalgesellschaften die bei der Organträger-GmbH & Co. KG anfallende Gewerbesteuer nach den Grundsätzen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer anrechnen können. Die Möglichkeit, die angefallene Gewerbesteuer bei der GmbH & Co. KG als Betriebsausgabe abzuziehen, entfällt für Erhebungszeiträume, die nach dem 31.12.2007 enden (§ 4 Abs. 5b EStG). Sind allerdings einer Organgesellschaft weitere Personengesellschaften nachgeordnet, kann nach Ansicht des BFH ein zusammengerechneter Gewerbesteuerbetrag der nachgeordneten Gesellschaften nicht auf die GmbH & Co. KG als Organträgerin zur Erhöhung ihres Anrechnungsvolumens „durchgereicht“ werden.3 Kritisch ist zu der auf § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG fußenden Auffassung des BFH anzumerken, dass sie die gewerbesteuerliche Rechtsfolge der Organschaft außer Acht lässt, wonach die Organgesellschaften als Betriebsstätten des Organträgers gelten.4 Richtig wäre eine systemimmanente Auslegung des § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG, die eine Doppelbelastung5 der Gewinnanteile der nachgeordneten Mitunternehmerschaften mit Gewerbe- und Einkommensteuer vermeiden würde. 1 Vgl. R 62 Abs. 1 KStR 2004; BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437, Rz. 24; Rödder/Schumacher, DStR 2002, 1163; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 Rz. 322; Dötsch/Pung, DB 2004, 151 (154); a.A. Thiel, DB 2002, 1340; § 3c EStG ist aber anwendbar, sofern der GmbH & Co. KG nach § 8b KStG steuerfreie Bezüge zugerechnet werden oder die Organgesellschaft vororganschaftliche Rücklagen ausschüttet, vgl. Dötsch/Pung, DB 2003, 1970 (1977). 2 R 62 Abs. 1 KStR 2004. 3 Vgl. BFH v. 22.9.2011 – IV R 3/10, BStBl. II 2012, 14; dazu Bäuml, FR 2013, 1121 (1125). 4 Vgl. auch Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 54. 5 Dazu FG Hamburg v. 28.8.2009 – 6 K 65/09, EFG 2010, 145, best. durch BFH v. 22.9.2011 – IV R 42/09, BFH/NV 2012, 236; vgl. auch BFH v. 22.9.2011 – IV R 3/10, BStBl. II 2012, 14 = FR 2012, 371.
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Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
Beispiel An der inländischen AB-GmbH & Co. KG sind die unbeschränkt steuerpflichtigen A (natürliche Person) und B-GmbH vermögensmäßig jeweils zur Hälfte als Kommanditisten beteiligt. Die Komplementär-AB-GmbH ist vermögensmäßig nicht an ihr beteiligt. In dem Gesamthandsvermögen der AB-GmbH & Co. KG befindet sich seit einigen Jahren die 100%ige Beteiligung an der inländischen C-GmbH. Zwischen der C-GmbH und der AB-GmbH & Co. KG besteht seit Beginn des Wirtschaftsjahres 2015 der C-GmbH ein Gewinnabführungsvertrag (GAV). Der GAV wurde aufgrund der sich zunehmend verschlechternden Ertragssituation der AB-GmbH & Co. KG, die einen eigenen Produktionsbetrieb unterhält (operatives Ergebnis in 2015 vor Zinsen = 0), abgeschlossen. Steuerlich erhoffen sich die Beteiligten eine Ergebniskonsolidierung, da die C-GmbH auf der anderen Seite ertragsstark ist. Sie erzielt im Jahr 2015 einen Gewinn i.H.v. 400 000 Euro. Die AB-GmbH & Co. KG hat die Beteiligung an der C-GmbH fremdfinanziert. Ihr sind im Jahr 2015 Zinsaufwendungen i.H.v. 200 000 Euro entstanden, die das oben genannte Ergebnis der AB-GmbH & Co. KG noch nicht gemindert haben. Die B-GmbH hat keine weiteren Einkünfte. Die Wirtschaftsjahre entsprechen jeweils den Kalenderjahren. Welche einkommen- bzw. körperschaft- und gewerbesteuerlichen Auswirkungen ergeben sich für die C-GmbH, AB-GmbH & Co. KG und deren Anteilseigner für das Jahr 2015? Ein Antrag gem. § 34a Abs. 1 EStG wird von A nicht gestellt.
A
AB-GmbH
B-GmbH
50 % 0%
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50 %
AB-GmbH & Co. KG (Organträger) GAV 100 % der Anteile/Stimmrechte
C-GmbH (Organgesellschaft)
Organkreis
Zwischen der AB-GmbH & Co. KG und der C-GmbH besteht seit Beginn des Jahres 2015 eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft. Die Voraussetzungen des § 14 KStG sind erfüllt. Die AB-GmbH & Co. KG hält die Beteiligung an der C-GmbH in ihrem Gesamthandsvermögen, hat die Mehrheit der Stimmrechte inne und ist selbst gewerblich tätig i.S.v. § 15 Abs. 2 EStG. Zudem besteht zwischen beiden Gesellschaften ein bereits im Jahr 2015 wirksamer GAV.
6.610
Auf der Ebene der C-GmbH wird das Einkommen ohne Berücksichtigung der handelsrechtlichen Gewinnabführung ermittelt, gesondert festgestellt und anschließend der AB-GmbH & Co. KG zugerechnet. Das Einkommen der C-GmbH beträgt anschließend 0 Euro. Ihr Gewinn unterliegt folglich nicht der tariflichen Körperschaftsteuer i.H.v. 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG). Der Gewerbeertrag der C-GmbH wird mit dem der AB-GmbH & Co. KG zusammengerechnet. Bei der AB-GmbH & Co. KG werden
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
die von der C-GmbH zugerechneten Beträge i.H.v. 400 000 Euro sowie der originäre Verlust in Höhe der aufgewendeten Zinsen (200 000 Euro) verrechnet und den Anteilseignern anteilig zugewiesen (50:50). Gewerbesteuerlich ist zu beachten, dass es zu keiner Hinzurechnung der Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG kommt. Der A zugewiesene Anteil am zugerechneten Einkommen der C-GmbH unterliegt bei ihm in voller Höhe der Einkommensteuer. Andererseits kann er aufgrund der Organschaft die anteiligen Zinsen der AB-GmbH & Co. KG, die diese im Zusammenhang mit der Anschaffung der C-GmbH laufend erbringt, uneingeschränkt steuerlich gegenrechnen. Seine tarifliche Einkommensteuer vermindert sich um das 3,8-fache des anteilig auf ihn entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). A hat im VZ 2015 vorbehaltlich weiterer Einkünfte und privater Abzüge folgende gewerbliche Einkünfte mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern: 50 %-Anteil an Zinsen 50 %-Anteil des originären Gewinns der AB-GmbH & Co. KG
– 100 000 0
50 %-Anteil des Gewinns der C-GmbH
200 000
Summe
100 000
6.612
Die Besteuerung bei der B-GmbH verläuft analog. Im Unterschied jedoch zu A unterliegt dieses Ergebnis dem Körperschaftsteuersatz i.H.v. 15 %. Der Gewerbesteuer unterliegen die Gewinnanteile der AB-GmbH & Co. KG nach § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG hingegen nicht mehr; eine Anrechnung der von der AB-GmbH & Co. KG tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer gem. § 35 EStG ist folgerichtig nicht möglich. Erst wenn die B-GmbH im Jahr 2016 ihre Gewinne an ihre Anteilseigner in Gestalt natürlicher Personen ausschüttet, müssen diese Beträge abermals besteuert werden. Sie unterliegen dann aber nur zu 60 % dem persönlichen Einkommensteuertarif des jeweiligen Anteilseigners (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG), sofern sich die Anteile in einem Betriebsvermögen befinden, oder der Abgeltungsteuer i.H.v. 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) gem. § 32d Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG, wenn die Anteile an der B-GmbH im Privatvermögen gehalten werden.1
6.613
Ohne Organschaft unterläge das gesamte Einkommen der C-GmbH der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die Zinsaufwendungen der AB-GmbH & Co. KG im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung der C-GmbH wären bei A nur zu 60 % abziehbar (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei der B-GmbH bliebe es bei dem vollen Abzug der Zinsaufwendungen (vgl. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG2). Fortsetzung des Beispiels
6.614
Die C-GmbH hält seit dem Jahr 2013 ihrerseits eine Beteiligung von 20 % an der inländischen D-GmbH. Die D-GmbH hat im Jahr 2015 eine Gewinnausschüttung i.H.v. 200 000 Euro beschlossen und an die C-GmbH gezahlt. Im Einkommen der organschaftlich eingebundenen C-GmbH enthalten ist also neben dem Gewinn i.H.v. 400 000 Euro ein Beteiligungsertrag i.H.v. 200 000 Euro. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung sind
1 Bei sog. unternehmerischen Beteiligungen kann zur Besteuerung nach dem progressiven Einkommensteuertarif gem. § 32a EStG optiert werden, § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG. 2 Zur gewerbesteuerlichen Behandlung auf der Ebene der AB-GmbH & Co. KG vgl. u.a. § 8 Nr. 1 GewStG sowie BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 28 ff.
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§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
der C-GmbH nicht entstanden. Wie wirkt sich der Beteiligungsertrag auf die Ertragsbesteuerung im Organkreis und bei den Anteilseignern der AB-GmbH & Co. KG im Jahr 2015 aus?
A
AB-GmbH
B-GmbH
50 % 0%
50 %
AB-GmbH & Co. KG (Organträger) GAV 100 % der Anteile/Stimmrechte
C-GmbH (Organgesellschaft)
Organkreis
20 %
D-GmbH
§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG bestimmt für den körperschaftsteuerrechtlichen Organkreis abweichend von den allgemeinen Vorschriften, dass § 8b Abs. 1 bis 6 KStG bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden ist. Die hiernach angeordnete Bruttozurechnung bewirkt, dass der Gewinn der C-GmbH i.H.v. 600 000 Euro (400 000 Euro zzgl. 200 000 Euro Beteiligungsertrag) selbständig und ungeschmälert um darin enthaltene Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG zu ermitteln und er sodann der AB-GmbH & Co. KG nach § 14 Satz 1 KStG zuzurechnen ist. Anschließend ist der brutto zugerechnete Gewinn bei der AB-GmbH & Co. KG den bei ihr einschlägigen Vorschriften zu unterwerfen. Insbesondere sind nach § 8b Abs. 1 KStG, § 3 Nr. 40 EStG die im zugerechneten Gewinn enthaltenen Bezüge, Dividenden und Gewinnanteile i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens hier zumindest teilweise außer Ansatz zu lassen (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Die gewerblichen Einkünfte des A erhöhen sich also im Jahr 2015 um 60 000 Euro (nach dem Teileinkünfteverfahren sind 40 % des auf ihn entfallenden Beteiligungsertrags steuerfrei, § 3 Nr. 40 Buchst. d) EStG) auf insgesamt 160 000 Euro. Der der B-GmbH zuzurechnende Beteiligungsertrag i.H.v. 100 000 Euro ist nach § 8b Abs. 1 KStG zunächst vollständig freizustellen. § 8b Abs. 4 KStG ist nicht einschlägig. Jedoch gelten bei ihr 5 v.H. dieser Bezüge (5 000 Euro) nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Nur diese 5 000 Euro des ursprünglichen Beteiligungsertrags unterliegen bei der B-GmbH der Körperschaftsteuer. Gewerbesteuerlich wird der Gewerbeertrag zugerechnet. Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Fatouros
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6.615
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (vgl. § 14 GewStG) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Zu den betreffenden Vorschriften des (im Beispielsfall einschlägigen) KStG gehören auch die spezifischen Gewinnermittlungsvorschriften für den körperschaftsteuerrechtlichen Organkreis, damit also auch § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG. Im Gewerbeertrag der C-GmbH fließt folglich ungeachtet des § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG zunächst der ungeschmälerte körperschaftsteuerliche Gewinn i.H.v. 600 000 Euro ein. § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG ordnet in einem zweiten Schritt die Kürzung des Gewerbeertrags um die Gewinnanteile der D-GmbH an, weil die Erfordernisse der Vorschrift im Beispielsfall erfüllt sind. Da § 8b Abs. 5 KStG wegen § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG suspendiert wird, wirkt sich § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG nicht aus. Im der AB-GmbH & Co. KG zuzurechnendem Gewerbeertrag sind die Gewinnanteile der D-GmbH daher nicht mehr „enthalten“. Der Gewinnanteil kann infolgedessen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der ABGmbH & Co. KG – einerseits – nicht mehr nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG (i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) außer Ansatz bleiben; zugleich unterbleibt – andererseits – eine Hinzurechnung (sog. Schachtelstrafe) von 5 % der Bezüge als Ausgaben, die nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG (ebenfalls i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.1 Im Vergleich zur gewerbesteuerlichen Belastung ohne Organschaft sinkt der Steuersatz um etwa 0,7 % (etwa 14 % Gewerbesteuerbelastung auf die Bemessungsgrundlage von 5 %).2 6.616
Folgende Tatbestände sind bei der Ermittlung des Einkommens der GmbH & Co. KG bzw. bei der Feststellung des den Gesellschaftern der GmbH & Co. KG zuzurechnenden (Gesamt-)Ergebnisses ergänzend zu beachten: – Die Vergünstigung des § 34 EStG steht nach Auffassung der Rechtsprechung der GmbH & Co. KG als Organträger für den von der Organgesellschaft abgeführten Gewinn aus einer Veräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 EStG nicht zu.3 § 19 KStG soll hier nicht unmittelbar anwendbar sein. – Die zugerechneten Einkommen der Organgesellschaften zählen hinsichtlich der Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG zum sog. nicht entnommenen Gewinn, da diese Einkommensbestandteile auf die Besteuerungsebene der Organträger-GmbH & Co. KG transferiert und dort als eigenes Einkommen der GmbH & Co. KG gesondert und einheitlich festgestellt werden und schließlich Eingang in das zu versteuernde Einkommen gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG fin1 S. dazu Rz. 6.603 sowie das Urteil des BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BFH/NV 2015, 749 zur Kürzungsvorschrift § 9 Nr. 7 GewStG = GmbHR 2015, 489 m. Komm. Suchanek/Rüsch. 2 Es ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber diesen Belastungsunterschied durch Gesetzesänderung beseitigen wird, da die Finanzverwaltung schon bisher eine andere, diesen Vorteil ausschließende Auffassung zur Anwendung der Bruttomethode im gewerbesteuerlichen Organkreis vertrat, vgl. OFD Münster v. 4.9.2006 – G 1421 - 138 - St 12 - 33, BeckVerw 276042, Bsp. 3.1. S. dazu den Prüfauftrag des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren zum sog. Protokollerklärungs-Umsetzungsgesetz (jetzt: Steueränderungsgesetz 2015), Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/4902 v. 13.5.2015, S. 68 f. 3 BFH v. 14.4.1992 – VIII R 149/86, BStBl. II 1992, 817 (819) = GmbHR 1992, 629; BFH v. 22.1. 2004 – III R 19/02, BStBl. II 2004, 515 (515 f.) = GmbHR 2004, 676; R 67 Abs. 2 KStR 2004; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 19 KStG Rz. 7, 21; a.A. Olbing in Streck, § 14 KStG Rz. 163 m.w.N.
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Fatouros
§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
den.1 Auf Antrag kann folglich der einkommensteuerpflichtige Anteilseigner (Mitunternehmer) der Organträger-GmbH & Co. KG für nicht entnommene Gewinne die Thesaurierungsbegünstigung wählen. – Die Höhe des Spendenabzugs bei den Gesellschaftern der GmbH & Co. KG richtet sich nach den eigenen Verhältnissen unter Berücksichtigung des (anteiligen) Einkommens der GmbH & Co. KG vor Gewinnabführung oder Verlustübernahme sowie ohne Berücksichtigung des zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft.2 – Eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der Organgesellschaft ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil die Organgesellschaft regelmäßig Verluste erzielt.3 Aufgrund der Verlustübernahme bleibt nämlich die Substanz der Organgesellschaft weitgehend erhalten. Nur ausnahmsweise kommen Teilwertabschreibungen auf einen erworbenen Firmenwert oder erworbene stille Reserven in der Beteiligung der Organgesellschaft in Betracht.4 – Sind in dem Einkommen der Organgesellschaft Betriebseinnahmen enthalten, die einem Steuerabzug unterlegen haben, so ist die einbehaltene Steuer anteilig auf die Körperschaftsteuer oder die Einkommensteuer der Gesellschafter der GmbH & Co. KG anzurechnen (§ 19 Abs. 5 KStG). Praxishinweis: Die Besonderheiten der Organschaftsbesteuerung zeigen, dass die Vor- und Nachteile vor der Begründung einer Organschaft, die bei einer GmbH & Co. KG auf einer ganzen Reihe von Voraussetzungen basiert, sorgfältig abgewogen werden sollten. Im Beispielsfall wären bei den Anteilseignern ohne Begründung der Organschaft keine steuerpflichtigen Erträge aus den Beteiligungen angefallen, wenn im Jahr 2015 keine Ausschüttung durch die C-GmbH erfolgt wäre. Lediglich die von der AB-GmbH & Co. KG aufgewendeten Zinsen hätten (anteilig) Berücksichtigung gefunden. Im Gegenzug hätte die C-GmbH ihren steuerpflichtigen Gewinn selbst versteuern müssen. Die Vorteilhaftigkeit der ertragsteuerlichen Organschaft für das Jahr 2015 richtet sich danach, wie hoch die Gesamtsteuerbelastung sämtlicher Beteiligter im Vergleich zu der Situation ohne Organschaft (mit/ohne Ausschüttung) ausfällt. Dies hängt u.a. von den persönlichen Verhältnissen des A ab. Neben der Möglichkeit der Verlustverrechnung und einer damit regelmäßig einhergehenden Senkung der Steuerquote sind gerade bei großen Familienunternehmen weitere Entscheidungsparameter wie die gewerbesteuerlichen Folgen (Hinzurechnung nach 1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2770a / 07 / 10001, BStBl. I 2008, 838, Rz. 11. U.E. ist § 34a Abs. 2 EStG in der Weise auszulegen, dass der nach § 5 EStG ermittelte Gewinn um die Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme bereinigt und die im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens als gesonderte Besteuerungsgrundlage erfassten zugerechneten Einkommen der Organgesellschaften erhöht werden muss. Im Ergebnis ebenso Pohl, DB 2008, 84 (85); Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 35. Bei abweichendem Wirtschaftsjahr können sich Besonderheiten ergeben, s. Rz. 6.604. 2 BFH v. 23.2.2002 – XI R 95/97, BStBl. II 2003, 9 = GmbHR 2002, 699; FG Düsseldorf v. 26.6. 2012 – 6 K 3767/10 F EFG 2012, 1879, bestätigt durch BFH v. 23.10.2013 – I R 55/12, BFH/NV 2014, 903; R 47 Abs. 5 KStR 2004. 3 BFH v. 19.9.1969 – I 170/65, BStBl. II 1970, 48; R 62 Abs. 3 Satz 2 KStR 2004; Dötsch in Dötsch /Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 333 f. Zur GewSt vgl. BFH v. 5.11.2009 – IV R 57/06, BStBl. II 2010, 646 = GmbHR 2010, 212. 4 Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 566 ff.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 331.
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6.617
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
§ 8 Nr. 1 GewStG) und ggf. § 35 EStG sowie die Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG bedeutsam. Mit der Organschaft kann zudem ein Kaskadeneffekt in Höhe der 5 %-Besteuerung nach § 8b KStG vermieden werden. Hinzu können Vorteile der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG) treten, wenn sich beispielsweise die Zinsaufwendungen und -erträge sehr unterschiedlich im Organkreis verteilen. Zudem kann sich der Zinsabzug beim Organträger durch die Zurechnung der von den Organgesellschaften stammenden verrechenbaren EBITDA gem. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG oder durch eine bessere Eigenkapitalquote i.S. des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EStG innerhalb des Organkreises erhöhen. Ins Kalkül zu ziehen ist aber auf der anderen Seite der Wegfall der Freigrenze nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG i.H.v. 3 Mio. Euro bei jeder Organgesellschaft. Agiert das Familienunternehmen auch im Ausland, kann sich der Umstand vorteilhaft auswirken, dass die nach einem DBA steuerfreien Betriebsstättengewinne unmittelbar den Anteilseignern zugute kommen. Vor dem Hintergrund der steuerlichen Bindungsfrist des Gewinnabführungsvertrags von fünf Jahren (s. Rz. 6.584) sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass zivilrechtlich die Verpflichtung besteht, eventuell bei der Organgesellschaft entstehende Verluste zu übernehmen (§ 302 AktG). Befindet sich demgegenüber die Organträger-GmbH & Co. KG in der Krise, könnte § 73 AO Bedeutung erlangen.1 Aufgrund des Wortlauts, aber entgegen der Intention der Vorschrift wird u.E. in der ertragsteuerlichen Organschaft nur die Gewerbesteuer der Organträger-GmbH & Co. KG von der Haftung erfasst. Bei einer Organschaft könnte sich schließlich nachteilig auswirken, dass eine gezielte Ausschüttungspolitik bei der Organgesellschaft nicht mehr möglich ist.
4. Besondere Konstellationen bei der GmbH & Co. KG 6.618
Eine besondere Konstellation ergibt sich, wenn eine sog. Einheits-GmbH & Co. KG (Rz. 2.461 ff.) besteht, also die GmbH & Co. KG Alleingesellschafterin ihrer eigenen Komplementär-GmbH ist. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die Struktur der typischen Einheits-GmbH & Co. KG:
Kommanditisten des Familienunternehmens
zusammen 100 % der Kommanditanteile
GmbH & Co. KG (Organträger)
100 % der Anteile
Organkreis
1 Dazu Schimmele/Weber, BB 2013, 2263.
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0%
KomplementärGmbH (Organgesellschaft)
§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
Die Vorteile der typischen Einheits-GmbH & Co. KG liegen in erster Linie im Gesellschaftsrecht.1 Umstritten ist, ob durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages (GAV) die Voraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft hergestellt werden können, mit der Folge, dass die GmbH & Co. KG Organträgerin ihrer eigenen Komplementär-GmbH wird.2 Während die Rechtsprechung dazu im Bereich des Ertragsteuerrechts noch nicht Stellung nehmen musste,3 akzeptiert inzwischen die Finanzverwaltung bei Vorliegen der EinheitsGmbH & Co. KG diese Möglichkeit im Umsatzsteuerrecht.4 Die finanzielle Eingliederung wird nach h.M. nicht angezweifelt, soweit sich die Anteile an der Komplementär-GmbH mehrheitlich im Gesamthandsvermögen befinden und damit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 KStG (s. Rz. 6.587) erfüllt sind.5 Dies gilt u.E. jedenfalls dann, wenn die Ausübung der Stimmrechte den Kommanditisten im Rahmen einer sog. Einheitsversammlung6 obliegt oder die Komplementär-GmbH zumindest insoweit von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, als sie nicht über ihre eigenen Belange (mit)entscheiden kann.7 In diesen Fällen kann die GmbH & Co. KG zweifelsfrei ihren Willen in der Komplementär-GmbH durchsetzen. Wäre der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH über die GmbH & Co. KG als Gesellschafterin für die Ausübung der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH selbst uneingeschränkt verantwortlich, könnte er ansonsten in unzulässiger Weise über deren Belange entscheiden, wie z.B. über seine eigene Entlastung (str., s. Rz. 2.472 ff.).8 Streit über die Zulässigkeit einer ertragsteuerlichen Organschaft entzündet sich weniger an der finanziellen Eingliederung als vielmehr an der tatsächlichen Durchführung des GAV (s. Rz. 6.584). Es sei unsinnig, wenn die GmbH als 1 S. Rz. 2.461 ff. Insb. die Harmonierung des Beschlussfassungssystems zwischen GmbH & Co. KG und Komplementär-GmbH entfällt; Jorde/Götz, BB 2005, 2718; Werner, DStR 2006, 706; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 1 ff. 2 Bejahend Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 449; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 55 u. 528 a.F.; Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 61; Erle in Heidelberger Komm. KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rz. 75; Lange, NWB, Fach 18, 2937 (2954 f.); verneinend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 168; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 51, 104. 3 In BFH v. 14.12.1978 – V R 85/74, BStBl. II 1979, 288 war die GmbH & Co. KG nicht an der Komplementär-GmbH beteiligt. Gleiches gilt für den Urteilsfall FG Münster v. 15.12.1976 – V 1004/75 U, EFG 1977, 197 (197) (rkr.), jedoch Hinweis des Gerichts auf das grundsätzliche Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses der Komplementär-GmbH. 4 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 2 UStAE 2010 und BMF v. 31.5.2007 – IV A5 - S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503 Rz. 6; zur früheren Auffassung vgl. BMF v. 21.8.1975 – IV A 2 - S 7105 - 12/75, BStBl. I 1975, 994. 5 Vgl. auch Jorde/Götz, BB 2005, 2718 (2723); Werner, DStR 2006, 706 (711). 6 Vgl. K. Schmidt in Scholz, Anh. § 45 GmbHG Rz. 58 ff.; vgl. FG Münster v. 15.12.1976 – V 1004/75 U, EFG 1977, 197 (197) (rkr.), Willensbildung für Belange des „Gesamtunternehmens“ in der Gesellschafterversammlung der KG. 7 Vgl. Weipert, DB 1973, 249 (251 f.), bezogen auf die früher notwendige organisatorische Eingliederung. 8 Die finanzielle Eingliederung kann dadurch u.E. gefährdet sein, vgl. auch BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 (674 f.) = GmbHR 2005, 1209; Jorde/Götz, BB 2005, 2718 (2719 ff.); a.A. BMF v. 31.5.2007 – IV A5 - S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503 Rz. 6. Vgl. zur Kündigungskompetenz BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, GmbHR 2007, 1034 m. Komm. Werner.
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6.619
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Mitunternehmerin an ihrem eigenen an die GmbH & Co. KG abgeführten Gewinn teilhaben würde.1 Solange die Komplementär-GmbH vermögensmäßig nicht an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, stellt sich das Problem indes nicht. Aber selbst wenn die Komplementär-GmbH an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, stellt der GAV letztlich sicher, dass der gesamte Gewinn der Komplementär-GmbH einschließlich des Beteiligungsergebnisses an der GmbH & Co. KG nur an die Kommanditisten verteilt wird.2 U.E. ist daher eine ertragsteuerliche Organschaft im Rahmen der Einheits-GmbH & Co. KG bzw. bei mehrheitlicher Beteiligung der GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH möglich. 6.620
Aus steuerlicher Sicht muss aber die Frage nach dem Sinn und Zweck einer solchen Gestaltung gestellt werden. Dieser wird darin gesehen, eine Doppelbelastung des GmbH-Ergebnisses mit Körperschaft- und Einkommensteuer zu vermeiden.3 Dieser Ansatz kann nicht uneingeschränkt überzeugen, weil das Ergebnis der Komplementär-GmbH unabhängig von der Frage der Gewinnausschüttung unmittelbar in vollem Umfang den individuellen Steuersätzen der Gesellschafter unterliegt. Übt die Komplementär-GmbH – wie bei der typischen GmbH & Co. KG – keine über die Geschäftsführung der KG hinausgehende Tätigkeit aus, dürfte die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft i.d.R. von bescheidenem Nutzen sein. Evtl. erzielbare Steuerbelastungsvorteile auf der Ebene der Kommanditisten, entstandene Verluste der Komplementär-GmbH oder weitere Vorteile wie bei der Anwendung der Zinsschranke könnten jedoch genutzt werden, wenn die Tätigkeit der Komplementär-GmbH über die Geschäftsführung hinaus ausgeweitet wird.4
6.621
Fraglich ist ferner, ob und inwieweit die Komplementär-GmbH abgesehen von der Einheitsstruktur mit Dritten organschaftlich verbunden werden kann. Eine solche Konstellation ist mit der Komplementär-GmbH sowohl als Organträger als auch als Organgesellschaft denkbar, da die Komplementär-GmbH eine Kapitalgesellschaft ist (vgl. Organkreise I bis III in den Abb. Rz. 6.622 f.).
6.622
Nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Stellung als Organgesellschaft gegenüber einem (gewerblich tätigen) Kommanditisten als Organträger nicht möglich (Variante I),5 weil die Anteile an der Komplementär-GmbH bereits zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen (SBV) II (s. Rz. 6.525 ff.) bei
1 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 51; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 168; Popp, DStR 1975, 513 (515): steuerlich sei die Gewinnabführung missglückt, handelsrechtlich die Durchführung des GAV unmöglich. 2 Vgl. Popp, DStR 1975, 513 (515), Bsp.; im Ergebnis kommt das einem Verzicht der Komplementär-GmbH auf ihren Gewinnanteil gleich. 3 Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 447. Auch einkommen- bzw. gewerbesteuerliche Vorteile können eintreten (Anrechnung nach § 35 EStG), Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 55. 4 Zur Belastung mit Grunderwerbsteuer vgl. OFD Nordrhein-Westfalen v. 7.2.2014 – S 4501 2013/402 - St 255, DB 2014, 456. 5 Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 104, vgl. aber Rz. 51; Wehrheim/Marquardt, DB 2002, 1676; a.A. Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 61; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 55, 320 u. 527 a.F.; Erle in Heidelberger Komm. KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 KStG Rz. 75.
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Fatouros
§6
Die GmbH & Co. KG in der ertragsteuerlichen Organschaft
der GmbH & Co. KG gehören sollen (verunglückte Organschaft).1 Die Rechtsprechung hat diese Frage noch nicht unmittelbar und verbindlich behandelt. Der BFH hat in einem älteren Urteil ein Organschaftsverhältnis nicht angezweifelt, bei dem eine Komplementär-GmbH als Organgesellschaft in eine oHG eingegliedert war, die ihrerseits zugleich Kommanditistin einer GmbH & Co. KG war.2 Zwar ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, ob die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH dem notwendigen SBV II der oHG bei der GmbH & Co. KG überhaupt zuzurechnen waren. Allerdings hätte der BFH dies wahrscheinlich als Vorfrage geklärt, wenn er die Zurechnung zum SBV für ausschlaggebend erachtet hätte. Klarer und u.E. richtungsweisend drückte sich der BFH zur Frage der Bilanzierungskonkurrenz aus (s. Rz. 6.588 ff.).3 Im Fall einer Organträger-GmbH & Co. KG mit Beteiligung an einer Unterpersonengesellschaft favorisiert der BFH, den Rechtsfolgen des Gewinnabführungsvertrages bzw. der Organschaft Vorrang vor der Behandlung als SBV einzuräumen. Die Bilanzierungskonkurrenz wird folglich zugunsten der Organschaft aufgelöst, selbst wenn das nur die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft zum Kommanditisten-Organträger zur Folge haben soll.4 Für eine im Ermessen des Anteilseigners stehende Zuordnung der Beteiligung an der Komplementär-GmbH bleibt damit kein Raum.5
Kommanditist A (EU) (Organträger)
Organkreis I
100 %
100 %
0%
GmbH & Co. KG
KomplementärGmbH (Organgesellschaft)
Ist der Anteilseigner der Komplementär-GmbH nicht gleichzeitig Gesellschafter der GmbH & Co. KG (Variante II) oder zählen die Geschäftsanteile der Komple1 Dies soll zumindest dann gelten, wenn die Komplementär-GmbH keiner eigenen Geschäftstätigkeit nachgeht. Rechtsfolge der verunglückten Organschaft ist, dass die Komplementär-GmbH ihr Einkommen ohne die Rechtsfolgen der §§ 14 ff. KStG nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG zu ermitteln hat. 2 BFH v. 14.4.1992 – VIII R 149/86, BStBl. II 1992, 817 = GmbHR 1992, 629. 3 Urteil v. 24.2.2005 – IV R 12/03, BStBl. II 2006, 361 = GmbHR 2005, 998 m. Komm. Breuninger; zurückverwiesen an das FG Köln v. 4.6.2009 – 15 K 2578/05, GmbHR 2010, 610 = EFG 2010, 943 (rkr.). 4 S. Rz. 6.590. Die Vorteile einer Organschaft verringern sich durch den nur eingeschränkten Vorrang der Organschaft. 5 Das FG Hamburg v. 12.3.1984 – II 46/81, EFG 1984, 569 (570) (rkr.), wies auf die Möglichkeit hin, die Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH aus dem notwendigen SBV der GmbH & Co. KG zu entnehmen.
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6.623
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
mentär-GmbH aus anderen Gründen (s. Rz.6.544 ff.) nicht zum Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG, ist eine Organschaft mit der KomplementärGmbH als Organgesellschaft ohne weiteres möglich.1 Die Komplementär-GmbH schließlich kann ihrerseits ungeachtet der Frage, welchem Betriebsvermögen ihre Gesellschafter die Anteile zuzuordnen haben, uneingeschränkt Organträger sein (Variante III).2 Es gelten die allgemeinen Grundsätze.
Organkreis II
Kommanditist A
B 100 %
100 %
GmbH & Co. KG
0%
KomplementärGmbH
100 %
C-GmbH Organkreis III
Einstweilen frei.
6.624–6.640
B. Gewerbesteuer I. GmbH & Co. KG als Steuersubjekt 6.641
Der Gewerbesteuer unterliegt jedes im Inland belegene gewerbliche Unternehmen i.S. des EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG). Einkommensteuerlich gilt die Tätigkeit einer Personengesellschaft (oHG, KG, GbR) stets in vollem Umfang als gewerbliche Tätigkeit, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (§ 15 1 Vgl. Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 61; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 55; Erle in Heidelberger Komm. KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rz. 75; Wehrheim/Marquardt, DB 2002, 1676; BFH v. 25.7.1995 – VIII R 54/93, BStBl. II 1995, 794 (795 f.) = GmbHR 1995, 908. 2 Ebenso Müller in Müller/Stöcker/Lieber, Die Organschaft, 9. Aufl. 2014, Rz. 445; Neumann in Gosch, § 14 KStG Rz. 61; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 132; Erle in Heidelberger Komm. KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rz. 75; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 104; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/ UmwStG, § 14 KStG Rz. 167.
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Helde
§6
GmbH & Co. KG als Steuersubjekt
Abs. 3 Nr. 1 EStG).1 Eine (u.U. geringfügige) gewerbliche Betätigung in einem Teilbereich zieht damit u.a. die Gewerbesteuerpflicht der gesamten Tätigkeit nach sich.2 Eine GmbH & Co. KG erzielt auch dann gewerbliche Einkünfte, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht vorliegen. Dies folgt aus der Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die durch § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auch für die Gewerbesteuer maßgebend ist.
6.642
Die Personengesellschaft selbst ist Steuersubjekt. Sie ist ebenfalls Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Träger der Personengesellschaft sind aber gleichwohl die Gesellschafter, wie sich aus § 10a GewStG herleiten lässt (s. Rz. 6.658). Trotz der Möglichkeit der gewerblichen Prägung durch eine Kapitalgesellschaft ist eine GmbH & Co. KG hinsichtlich des Beginns und des Endes der Gewerbesteuerpflicht nicht mit einer Kapitalgesellschaft gleichzustellen. Die Gewerbesteuerpflicht beginnt regelmäßig unabhängig von dem Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister erst dann, wenn der Gewerbebetrieb erstmals in Gang gesetzt wird, wozu bloße Vorbereitungshandlungen (z.B. Anmieten eines Geschäftslokals, Errichtung eines Fabrikgebäudes) nicht ausreichen. Dies ist inzwischen einhellige Auffassung der Rechtsprechung3 sowie der Finanzverwaltung.4 Bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft kommt es allerdings nach einer neueren Entscheidung des BFH darüber hinaus auf die Eintragung im Handelsregister an, da sie erst dann zum Gewerbebetrieb i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG wird.5 Die Gewerbesteuerpflicht endet mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs, d.h. mit der Aufgabe jeglicher werbender Tätigkeit.6 Der Zeitpunkt der Einstellung ist unter Berücksichtigung der
6.643
1 Sog. „Abfärbetheorie“; zur verfassungskonformen Auslegung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Stadie, FR 1989, 93. 2 Ausnahmen gelten nach der Rechtsprechung lediglich bei einer äußerst geringfügigen gewerblichen Betätigung, wobei der BFH in der Vergangenheit Anteile gewerblicher Betätigung von bis zu 1,25 % bzw. 1 % für unschädlich hielt (BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 = FR 1999, 1182 m. Komm. Wendt und v. 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506 = FR 2011, 524). In drei jüngeren Entscheidungen v. 27.8.2014 hat der BFH die Bagatellgrenze für die Nichtanwendbarkeit der Abfärberegelung als nicht überschritten angesehen, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse und insgesamt 24 500 Euro nicht überschreiten, BFH v. 27.8.2014 – VIII R 16/11, BFH/NV 2015, 592; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597; BFH v. 27.8.2014 – VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595; vgl. hierzu Weiss, EStB 2015, 179; Tauser/Keller, DB 2015, 648. 3 Vgl. BFH v. 17.4.1986 – IV R 100/84, BStBl. II 1986, 527 = GmbHR 1987, 28; BFH v. 22.11. 1994 – VIII R 44/92, BStBl. II 1995, 900 = FR 1995, 116 m. Komm. Schmidt; BFH v. 20.11. 2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 = GmbHR 2004, 685; BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; BFH v. 30.8.2012 – IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927 = GmbHR 2012, 1312; zustimmend auch: Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. B 438 f., mit einem Beispielfall. 4 R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009 sowie zuvor Abschn. 18 Abs. 1 Satz 5 GewStR 1998; in Abschn. 21 Abs. 1 Satz 5 GewStR 1990 hatte die Finanzverwaltung demgegenüber noch die Auffassung vertreten, dass bereits die Aufnahme jeglicher mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommener Tätigkeit ausreicht. 5 BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; zustimmend wohl Güroff in Glanegger/ Güroff, § 2 GewStG Rz. 451; a.A. wohl Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. B 438 f. sowie R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009. 6 Vgl. R 2.6 Abs. 1 GewStR 2009; Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 GewStG Rz. 248 f.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Verkehrsauffassung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Auf die handelsrechtliche Auflösung und Auseinandersetzung kommt es nicht an. Stellt daher eine Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit zum 31.12. eines Jahres ein, endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht auch dann zu diesem Zeitpunkt, wenn handelsrechtlich die Auflösung und Auseinandersetzung mit Wirkung vom 2.1. des Folgejahres beschlossen wird.1 6.644
Bei einem Rechtsformwechsel kann § 2 Abs. 5 GewStG Anwendung finden, wonach der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt gilt, wenn der Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Der Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft bewirkt jedoch keine Einstellung des Gewerbebetriebs, solange der Gewerbebetrieb durch mindestens einen der bisherigen Unternehmer unverändert fortgeführt wird.2
II. Organschaft 6.645
Eine Organschaft lag ursprünglich nur vor, wenn eine Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) finanziell und nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Obergesellschaft (Organträger) eingegliedert war.3 Durch das UntStFG4 wurde § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG geändert und nimmt seither generell auf §§ 14, 17, 18 KStG bzw. seit der Aufhebung von § 18 KStG durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts5 auf § 14 und § 17 KStG Bezug. Eine Organschaft setzt damit nur noch eine finanzielle Eingliederung sowie den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages voraus. Es ist damit zu einer vollständigen Angleichung der Voraussetzungen einer gewerbesteuerlichen Organschaft an die der körperschaftsteuerlichen Organschaft gekommen.6 Eine GmbH & Co. KG kann danach keine Organgesellschaft sein. Entsprechendes gilt für die KG im Verhältnis zur Komplementär-GmbH. Dagegen kann die GmbH & Co. KG grundsätzlich als Organträger in einem Organkreis fungieren, da die Obergesellschaft auch in Form einer Personengesellschaft bestehen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass sie eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG).7 Allein die gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) oder die Be1 BFH v. 20.3.1990 – VIII R 47/86, BFH/NV 1990, 799. 2 BFH v. 11.8.1993 – III R 83/89, BFH/NV 1994, 263; FG Hamburg v. 30.3.1993 – I 17/93, FG Hamburg v. 30.3.1993 – V 114/90, EFG 1993, 733 sowie BFH v. 14.9.1993 – VIII R 84/90, BStBl. II 1994, 764 = GmbHR 1994, 644 zur Verschmelzung von Personengesellschaften; R 2.7 Abs. 2 GewStR 2009; Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 GewStG Rz. 284 ff.; Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. B 441. 3 § 14 Nr. 1 u. 2 KStG a.F.; BFH v. 21.1.1988 – IV R 100/85, BStBl. II 1988, 456 = FR 1988, 257; FG BW v. 30.4.1992 – 6 K 387/89, EFG 1992, 549 = GmbHR 1993, 251 und FG Rh.-Pf. v. 19.10.1994 – 1 K 2207/92, EFG 1995, 685 = GmbHR 1995, 910. 4 UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 5 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts v. 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285. 6 Rödder/Schumacher, DStR 2002, 105 (110). 7 § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG wurde durch das StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660, geändert; zur Auslegung des Merkmals einer Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1
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§6
Ermittlung des Gewerbeertrags
teiligung an einer gewerblich tätigen Unter-Personengesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) reichen hierfür nicht aus.1 Schließlich müssen die Anteile an der Organgesellschaft zum Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehören (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG). Als Rechtsfolge bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG lediglich, dass die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers gilt. Damit bleiben auch im Fall einer Organschaft die wirtschaftlich miteinander verbundenen Gesellschaften gewerbesteuerlich selbständig. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist getrennt zu ermitteln und dem Organträger zur Berechnung seines Steuermessbetrages zuzurechnen.2 Die Regelung dient der Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung, indem der Organkreis als wirtschaftlich einheitlicher Organismus trotz der rechtlichen Selbständigkeit der im Organkreis verbundenen Unternehmen nur einer einmaligen Besteuerung unterliegt,3 sowie dem Schutz der Gemeinden (durch die Betriebsstättenfiktion wird die Teilnahme an der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages sichergestellt).4
6.646
III. Ermittlung des Gewerbeertrags Ausgangswert für die Ermittlung des Gewerbeertrags ist grundsätzlich der nach einkommensteuerlichen Grundsätzen ermittelte Gewinn der GmbH & Co. KG (§ 7 Satz 1 GewStG). Da Gegenstand der Gewerbesteuer jedoch nur der durch den laufenden Betrieb anfallende Gewinn ist und nicht etwa sämtliche Vorgänge von der ersten betrieblichen Vorbereitungshandlung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsguts,5 handelt es sich verfahrensrechtlich um eine selbständige Gewinnermittlung. Der im Rahmen des Feststellungsverfahrens ermittelte Gewinn der GmbH & Co. KG entfaltet für Zwecke der Gewerbesteuer keine Bindungswirkung.6
1 2
3 4 5
6
EStG in diesem Zusammenhang vgl. BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 - S 2770 - 24/05 Tz. 15 ff.; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805 (808 f.); Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR 2003, Beihefter 4 zu Heft 29/2003, 1; Fatouros, DStZ 2003, 179 (180 f.); Förster, DB 2003, 899 (903 f.). Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 GewStG Rz. 141. Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH v. 18.5.2011 – X R 4/10, BStBl. II 2011, 887 = GmbHR 2011, 999 m. Komm. Herbst; zu Besonderheiten bei der Zerlegung s. BFH v. 17.2.1993 – I R 19/92, BStBl. II 1993, 680 = GmbHR 1993, 675; R 2.3 Abs. 1 Sätze 3 und 4 und R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009. BFH v. 9.10.1974 – I R 5/73, BStBl. II 1975, 179. BFH v. 28.3.1979 – I R 81/76, BStBl. II 1979, 447; BFH v. 10.11.1998 – I R 91/97, I R 102/97, BStBl. II 1999, 725 = GmbHR 1999, 492. So gehört z.B. die Zahlung eines Spitzenausgleichs bei der Realteilung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft nicht zum Gewerbeertrag, da die Realteilung ein nicht der Gewerbesteuer unterliegender betriebsbeendender Vorgang ist; BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809 = FR 1994, 650; vgl. auch BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, GmbHR 2004, 1096 = DStRE 2004, 1032. BFH v. 21.9.2000 – IV R 50/99, BStBl. II 2001, 299 = FR 2001, 186 m. Komm. Wendt; BFH v. 17.12.2003 – XI R 83/00, BStBl. II 2004, 699; BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681 = GmbHR 2008, 948; Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 1.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.648
Bei einer Personengesellschaft gehören auch die Vergütungen an ihre Gesellschafter für Dienstleistungen, Darlehensgewährungen oder Überlassung von Wirtschaftsgütern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG) zum Gewerbeertrag. Bei einer GmbH & Co. KG gilt dies auch für die Gehälter der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, wenn die Empfänger zugleich Kommanditisten der GmbH & Co. KG sind.1 Entsprechend gehören auch Aufwendungen und Erträge des Sonderbetriebsvermögens (z.B. Kreditzinsen infolge der Fremdfinanzierung des KGAnteils) und Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens zum Gewerbeertrag der Gesellschaft.2 Verluste wirken gegenläufig.
6.649
Im Falle des Gesellschafterwechsels ist auch die vom neuen Gesellschafter geführte Ergänzungsbilanz bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der GmbH & Co. KG zu berücksichtigen.3 Dadurch wirken z.B. Abschreibungen in der Ergänzungsbilanz auch bei der Gewerbesteuer.
6.650
Abweichungen von der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung ergeben sich bei der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen an der GmbH & Co. KG. Der Veräußerungsgewinn, der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Besteuerung unterliegt, unterliegt bei natürlichen Personen grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer (§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG).4 Das gilt nach der u.E. unzutreffenden Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht, wenn eine natürliche Person einen Teil eines Mitunternehmeranteils veräußert.5 Darüber hinaus greift § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG in den Fällen nicht ein, in denen die natürlichen Personen (nur) mittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind. Mittelbar beteiligte Mitunternehmer werden allerdings durch die Tarifermäßigung nach § 35 EStG („Gewerbesteueranrechnung“) zumindest teilweise entlastet.6 Steuerschuldner ist jeweils die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
6.651
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wird u.a. ein Viertel der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind (§ 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG). Diese Regelung wurde durch das UntStRG 1 BFH v. 14.12.1978 – IV R 98/74, BStBl. II 1979, 284, bestätigt durch BVerfG v. 13.6.1979 – 1 BvR 411/79, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK) GewStG (bis 1977), § 7 R. 94; dies gilt auch dann, wenn der als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH tätige Kommanditist seinen Gesellschafteranteil mit einem Nießbrauchsrecht belastet hat; FG Köln v. 28.11. 1983 – VIII 2/82 G, EFG 1984, 462. 2 BFH v. 9.4.1981 – IV R 178/80, BStBl. II 1981, 621; BFH v. 6.11.1980 – IV R 182/77, BStBl. II 1981, 220 = FR 1981, 174; BFH v. 3.4.2008 – IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742 = GmbHR 2008, 1002 zu Sonderbetriebsvermögen II; BFH v. 28.2.2013 – IV R 33/09, BFH/NV 2013, 1122 = GmbHR 2013, 774; H 7.1 Abs. 3 GewStR 2009; Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 9. 3 BFH v. 25.4.1985 – IV R 83/83, BStBl. II 1986, 350 = FR 1985, 537; Drüen in Blümich, EStG/ KStG/GewStG, § 7 GewStG Rz. 76. 4 BFH v. 12.6.1996 – XI R 56/95, XI R 57/95, BStBl. II 1996, 527 = FR 1996, 676 m. Komm. Kanzler; R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009. 5 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6-S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440, Rz. 14; R 7.1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009. 6 Vgl. BFH v. 22.7.2010 – IV R 29/07, BStBl. II 2011, 511 = GmbHR 2010, 1277; kritisch Glanegger in Schmidt, 28. Aufl. 2009, § 35 EStG Rz. 8.
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Helde
§6
Ermittlung des Gewerbeertrags
20081 eingefügt. Sie erweitert ab dem Erhebungszeitraum 2008 die Hinzurechnung auf Entgelte für Schulden, die keine Dauerschulden sind, und auf bestimmte Finanzierungsaufwendungen, die wirtschaftlich mit Entgelten für Schulden vergleichbar sind. Außerdem wurde die Hinzurechnung grundsätzlich auf 25 % der Entgelte und ihnen gleichgestellten Aufwendungen beschränkt.2 Zu den Entgelten gehören alle Leistungen des Schuldners, die direkt mit der Kapitalüberlassung zusammenhängen.3 Ist die GmbH & Co. KG an einer anderen Personengesellschaft beteiligt, so ist zur Vermeidung einer Doppelerfassung ein Verlustanteil dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 8 GewStG) und ein Gewinnanteil vom Gewinn abzuziehen, wenn der Anteil bei der Ermittlung des Gewinns angesetzt wurde (§ 9 Nr. 2 GewStG). Unabhängig von der gesetzgeberisch beabsichtigten Vermeidung einer Doppelerfassung ist § 8 Nr. 8 GewStG (entsprechend wohl auch § 9 Nr. 2 GewStG) nach dem ausdrücklichen gesetzlichen Wortlaut unabhängig von der Gewerbesteuerpflicht der Beteiligungsgesellschaft anzuwenden. Damit sind auch Verlustanteile aus der Beteiligung an einer nicht gewerbesteuerpflichtigen Personengesellschaft dem Gewinn hinzuzurechnen.4 Hinzuzurechnen ist der Verlustanteil, der bei der Gewinnermittlung des Gesellschafters tatsächlich abgesetzt wurde (vgl. Einleitungssatz § 8 GewStG).5 Hinsichtlich des Umfangs der Kürzung ist auf den Anteil am Gewinn der Personengesellschaft abzustellen, da die Begriffe „Anteile am Gewinn“ und „Gewinnanteile“ in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG identisch sind.6 Von der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG werden auch die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörenden Sondervergütungen erfasst. Denn die Kürzungsvorschrift zielt nach h.M. auf eine möglichst umfassende Gewerbesteuer-Befreiung des gesamten aus der Personengesellschaft stammenden Gewinns.7
6.652
Sofern zum Betriebsvermögen Grundbesitz gehört, sieht § 9 Nr. 1 GewStG Kürzungen bei der Berechnung des Gewerbeertrages vor („erweiterte Kürzung“). Die Frage der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen ist nach einkommensteuerlichen Grundsätzen zu entscheiden (§ 20 Abs. 1 GewStDV). Daher sind auch im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter stehende Grundstücke oder Grundstücksteile bei der Kürzung mit einzubeziehen.
6.653
Bei der Kürzung des Gewerbeertrags der Personengesellschaft um ausgeschüttete Gewinne aus Anteilen an nicht steuerbefreiten Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 2a GewStG) sind nicht nur Anteile der Gesellschaft, sondern auch im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter stehende Anteile mit einzubeziehen.8 Entsprechend
6.654
1 UntStRG 2008 v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 630; zur Rechtslage bis zum Erhebungszeitraum 2007 s. 19. Aufl. 2005, § 8 Rz. 449. 2 Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rz. 3. 3 Im Einzelnen hierzu: Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rz. 41 ff.; R 8.1 Abs. 1 und H 8.1 Abs. 1 GewStR 2009. 4 BFH v. 23.10.1986 – IV R 319/84, BStBl. II 1987, 64 = GmbHR 1987, 365. 5 Kratzsch in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 8 GewStG Rz. 28. 6 Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz. 147. 7 Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz. 148 m.w.N.; zustimmend inzwischen auch Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 2 GewStG Rz. 6. 8 Vgl. R 9.3 Satz 4 GewStR 2009; Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 29.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
werden (offene oder verdeckte1) Gewinnausschüttungen der Komplementär-GmbH an die Gesellschafter, die zugleich Kommanditisten der KG sind, von der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG erfasst.2 Voraussetzung ist jeweils, dass die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind. Eine Kürzung kommt nicht in Betracht bei Gewinnen aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, da der Zweck der Vorschrift die Gleichbehandlung von Anteilen an Personengesellschaften und qualifizierten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist.3 Zudem entstehen solche Gewinne unmittelbar bei den Gesellschaftern, also der Obergesellschaft; sie werden nicht von der Untergesellschaft ausgeschüttet.4
IV. Gewerbeverlust 6.655
Ergibt sich nach Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen ein Gewerbeverlust, so ist dieser unbeschränkt vortragsfähig (§ 10a GewStG). Der (vorgetragene) Gewerbeverlust ist von Amts wegen zu berücksichtigen,5 so dass kein Wahlrecht des Unternehmers hinsichtlich des Jahres der Geltendmachung des Verlustvortrages besteht. Allerdings sieht § 10a GewStG in den Sätzen 1–3 Einschränkungen hinsichtlich der Kürzungsmöglichkeit der Verluste mit dem Gewerbeertrag vor.6 Nur bis zur Höhe von 1 Mio. Euro ist der Gewerbeertrag unbeschränkt mit einem Fehlbetrag zu verrechnen. Darüber hinaus ist die Verrechnung prozentual auf 60 % des übersteigenden Betrags eingeschränkt. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gem. § 10a Satz 6 GewStG gesondert festzustellen.
6.656
Die Berücksichtigung des Gewerbeverlustes setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass er bei demselben Unternehmen und demselben Unternehmer entstanden ist, dessen Gewerbeertrag um den Gewerbeverlust gekürzt werden soll (Unternehmensidentität7 und Unternehmeridentität8).
6.657
Das Merkmal der Unternehmensidentität folgt aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Beurteilungsmaßstab ist der sachliche, insbesondere der wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten im Verlustentstehungsjahr und im Abzugsjahr. Relevant hierfür ist eine Gesamtbetrachtung, wobei insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens zu berücksichtigen sind.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 41. Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz. 166. BFH v. 7.12.1971 – VIII R 3/70, BStBl. II 1972, 468. Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 2a GewStG Rz. 44; Gosch in Blümich, EStG/KStG/ GewStG, § 9 GewStG Rz. 183; H 9.3 GewStR 2009. R 10a.1 Abs. 3 Satz 1 GewStR 2009. Sätze 1-3 eingefügt durch Gesetz zur Änderung des GewStG und anderer Gesetze v. 23.12. 2003, BGBl. I 2003, 2922. Vgl. R 10a.2 GewStR 2009. Vgl. R 10a.3 GewStR 2009. BFH v. 14.9.1993 – VIII R 84/90, BStBl. II 1994, 764 = GmbHR 1994, 644; R 10a.2 GewStR 2009; Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10a GewStG Rz. 47 f.
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Helde
§6
Gewerbeverlust
Nachdem infolge von Gesetzesänderungen das Merkmal der Unternehmeridentität fraglich geworden war,1 hat der Große Senat des BFH an dem Erfordernis der Unternehmeridentität bei Personengesellschaften ausdrücklich festgehalten2 und in nachfolgenden Entscheidungen mehrmals bestätigt.3 Danach kann der Unternehmer den Verlustabzug nur für solche Fehlbeträge in Anspruch nehmen, die früher in demselben Gewerbebetrieb bei ihm als Unternehmer des Betriebs entstanden sind. Bei Personengesellschaften sind die Mitunternehmer gewerbesteuerrechtlich Unternehmer des Betriebs, so dass ein Wechsel im Gesellschafterbestand auch dann ein Unternehmerwechsel ist, wenn nicht gleichzeitig alle Gesellschafter ausgewechselt werden (partieller Unternehmerwechsel). Beim Ausscheiden von Gesellschaftern und der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen geht damit der Verlustabzug unter, soweit der Fehlbetrag anteilig auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt. Auch beim Tod eines Gesellschafters entfällt der Verlustabzug, soweit der Fehlbetrag anteilig dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnen ist.4 Ein partieller Unternehmerwechsel liegt z.B. auch dann vor, wenn
6.658
– aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Gesellschafter ausscheidet und das Unternehmen von dem anderen Gesellschafter als Einzelunternehmen fortgeführt wird; – in eine bereits bestehende Personengesellschaft ein oder mehrere Gesellschafter eintreten; – der Betrieb eines Einzelunternehmens, einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft eingebracht wird;5 – in ein Einzelunternehmen eine oder mehrere Personen als Gesellschafter eintreten und das Unternehmen als Personengesellschaft fortgeführt wird. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters, der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen sowie beim Übergang eines Mitunternehmeranteils im Wege der Erbfolge geht der Verlustvortrag nicht insgesamt unter, sondern nur entsprechend der Quote, die dem entsprechenden Gesellschafter zuzurechnen ist. In den Fällen hingegen, die in den Spiegelstrichen 2–4 genannt sind, geht kein Verlustvortrag (auch nicht quotal) verloren. Der in dem Unternehmen vor Eintritt weiterer Gesellschafter entstandene Fehlbetrag kann auch weiterhin insgesamt abgezogen werden. Allerdings ist nur eine Verrechnung mit dem positiven Gewerbeertrag möglich, der vom gesamten Gewerbeertrag entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf den oder die früheren Unternehmer entfällt.
1 Zur Historie der Voraussetzungen bzw. der Notwendigkeit der Unternehmeridentität vgl. 18. Aufl. 1997, Rz. 1149 f. 2 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616; die Auslegung des Großen Senats ist grundgesetzkonform; BFH v. 7.12.1993 – VIII R 4/88, BFH/NV 1994, 573; zu den Auswirkungen im Einzelnen Bordewin, DStR 1995, 313; Honert, EStB 2000, 177. 3 BFH v. 12.6.1996 – IV B 133/95, DB 1996, 1855 = GmbHR 1997, 47; BFH v. 26.6.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179 = GmbHR 1996, 790; BFH v. 29.8.2000 – VIII R 1/00, BStBl. II 2001, 114 = GmbHR 2001, 209; BFH v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731 = GmbHR 2001, 77. 4 BFH v. 7.12.1993 – VIII R 160/86, BStBl. II 1994, 331 = FR 1994, 266. 5 BFH v. 27.1.1994 – IV R 137/91, BStBl. II 1994, 477 = GmbHR 1994, 418.
Helde
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6.659
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Beispiel 6.660
A, B und C sind an der Mitunternehmerschaft ABC GmbH & Co. KG zu 40 %, 40 % und 20 % beteiligt. Der festgestellte Verlustvortrag für das Jahr 01 beträgt insgesamt 100. Veräußert C seinen Anteil in 02 an D, kann die ABC GmbH & Co. KG den auf A und B entfallenden Verlustvortrag von jeweils 40 abziehen. Sie kann den Verlustvortrag i.H.v. 20, der C zuzurechnen war, nicht geltend machen. Tritt D demgegenüber in die bestehende GmbH & Co. KG mit einer Beteiligung von 20 % ein, ohne dass ein anderer Gesellschafter ausscheidet, kann die ABC GmbH & Co. KG weiterhin den auf A, B und C entfallenden Betrag von 100 abziehen, allerdings nur von dem Gewerbeertrag, der ihnen nach der Gewinnverteilung zusteht, d.h. i.H.v. 80 %.
6.661
Die erforderliche Unternehmeridentität ist z.B. nicht gegeben, sofern ein Organträger seinen Anteil an der Personengesellschaft auf eine Organgesellschaft überträgt.1 Bei der Umwandlung einer einstöckigen in eine (mindestens) doppelstöckige Personengesellschaft, z.B. durch Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine andere Personengesellschaft, gilt dies hingegen nicht uneingeschränkt. Sofern nämlich ein ausgeschiedener Gesellschafter an der Gesellschaft mittelbar über eine Obergesellschaft beteiligt bleibt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG), kann zumindest der gewerbesteuerliche Verlust insoweit vorgetragen und genutzt werden, als er auf diejenigen Verluste der vorangegangenen Erhebungszeiträume entfällt, die im Sonderbetriebsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters entstanden sind.2
6.662
Bei der Übertragung eines Gewerbebetriebs im Ganzen (oder einer Mitunternehmerschaft) auf einen anderen Unternehmer (andere Mitunternehmerschaft) gilt nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 GewStG der Gewerbetrieb grundsätzlich als durch den anderen Unternehmer neu gegründet. Bei einer solchen Betriebsübertragung kann mithin ein noch nicht verrechneter Fehlbetrag nicht mitübertragen werden. Bei Personengesellschaften besteht allerdings der gleiche Gewerbebetrieb, solange wenigstens ein Gesellschafter gleichermaßen im Jahr des Entstehens des Gewerbeverlustes als auch im Jahr der Verlustverrechnung beteiligt ist.3
6.663
Für die Ermittlung des dem einzelnen Gesellschafter zuzurechnenden Verlustanteils ist nach § 10a Satz 4 und 5 GewStG4 der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel maßgeblich. Mindert sich der Verlustvortrag in Gewinnjahren, sind die anteiligen Verlustvorträge der einzelnen Gesellschafter entsprechend ihrem nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel im Abzugsjahr zu ermittelnden Anteil zu mindern. Dabei sind weder Sonderbetriebseinnahmen noch Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen, was aus der ausschließlichen Maßgeblichkeit des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels folgt. Mit dieser gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber auf höchstrichterliche Rechtsprechung5 reagiert, wonach es 1 BFH v. 29.8.2000 – VIII R 1/00, BStBl. II 2001, 114 = GmbHR 2001, 209; dazu Gosch, StBp 2001, 80; Görden, GmbH-StB 2001, 73; Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10a GewStG Rz. 77. 2 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179 = GmbHR 1996, 790; BFH v. 31.8. 1999 – VIII B 74/99, BStBl. II 1999, 794 = GmbHR 1999, 1264 m. Komm. Schiffers; BFH v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731 = GmbHR 2001, 77; dazu Wendt, FR 2001, 79; Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10a GewStG Rz. 77. 3 R 2.7 Abs. 2 und H 2.7 GewStR 2009. 4 Eingefügt durch Gesetz v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 5 BFH v. 16.2.1994 – XI R 50/88, BStBl. II 1994, 364 = GmbHR 1994, 566; BFH v. 15.3.1994 – XI R 60/89, BFH/NV 1994, 899 (Nichtanwendungserlass des BMF v. 28.11.1996 – IV B 7 -
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Helde
§6
Gewerbesteuerliche Behandlung der Komplementär-GmbH
für erforderlich gehalten wurde, den jeweiligen Mitunternehmern die Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres und die Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres nach dem Gewinnverteilungsschlüssel unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben zuzuordnen.1 Diese Regelung steht zwar im Widerspruch zu der Einbeziehung der Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben in den Gewerbeertrag und kann bei hohen Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben zu ungerechten Ergebnissen führen. Für den Gesetzgeber war jedoch die praktische Handhabbarkeit von vorrangiger Bedeutung.2 Hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung dieser Regelung gem. § 36 Abs. 9 GewStG3 hatte der BFH einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht gerichtet.4 Dieser wurde jedoch aufgehoben, nachdem der Beklagte (das Finanzamt) seine Revision mit Zustimmung der Klägerin zurückgenommen hatte.5
V. Gewerbesteuerliche Behandlung der Komplementär-GmbH Die Komplementär-GmbH ist als Kapitalgesellschaft kraft Rechtsform selbständig gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 2 GewStG). Im Falle der Beteiligung an der GmbH & Co. KG sind bei Ermittlung des Gewerbeertrags die Vorschriften der § 8 Nr. 8 und § 9 Nr. 2 GewStG zu beachten, d.h. der Gewerbeertrag ist um den Gewinnanteil aus der Beteiligung zu kürzen bzw. um den Verlustanteil zu erhöhen. Sofern die Komplementär-GmbH neben dem Gewinnanteil keine weiteren Einkünfte hat, fällt somit keine Gewerbesteuer an. Im Übrigen wird bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Freibetrag von 24 500 Euro im Gegensatz zur Ermittlung bei der GmbH & Co. KG nicht gewährt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG).6 Einstweilen frei.
6.664
6.665–6.680
VI. Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG 1. Hintergrund des § 35 EStG Natürliche Personen, die Gesellschafter einer gewerblichen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) sind, werden ebenso wie die Inhaber gewerblicher Einzelunternehmen (Gewerbebetrieb) steuerrechtlich grundsätzlich doppelt – mit Einkommensteuer einerseits und Gewerbesteuer andererseits – belastet. Sie sind Steuerschuldner der Einkommensteuer, sofern sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielen. Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist zwar die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Wirtschaftlich belastet sind
1 2 3 4 5 6
S 2144c - 44/96, GmbHR 1997, 235) und BFH v. 17.1.2006 – VIII R 96/04, BFH/NV 2006, 885 = GmbHR 2006, 384. Drüen in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10a GewStG Rz. 113. Vgl. BT-Drucks. 16/3368 v. 9.11.2006, S. 54. Eingefügt durch Gesetz v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. BFH v. 19.4.2007 – IV R 4/06, BStBl. II 2008, 140 = GmbHR 2007, 890. BFH v. 30.10.2008 – IV R 4/06, BB 2008, 2655. Der für Personengesellschaften zuvor anwendbare Staffeltarif (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a.F.) gilt seit dem Erhebungszeitraum 2008 nicht mehr.
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6.681
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
jedoch bei einer gewerblichen Mitunternehmerschaft mittelbar die Gesellschafter (Mitunternehmer) entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftskapital (Festkapital; Kapitalkonto I). Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer um das 3,8-fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags,1 soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt. Die durch § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG bezweckte pauschalierte Gewerbesteueranrechnung dient dem Ziel, die Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte mit Einkommensteuer einerseits und Gewerbesteuer andererseits zu vermeiden oder zu mildern. Sie gilt nur für natürliche Personen.2 Die Vorschrift wurde durch das Steuersenkungsgesetz – im Zuge der Unternehmensteuerreform 2001 – eingeführt und gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2001. Sie trat an die Stelle der Tarifermäßigung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung (Kappungsgrenze).3 Die durch das SteueränderungsG 20074 wieder eingeführte Tarifbegrenzung bei Gewinneinkünften nach § 32c EStG gilt nur für den Veranlagungszeitraum 2007 (§ 52 Abs. 44 EStG). Auch Kapitalgesellschaften unterliegen mit ihrem Gewinn – dem zu versteuernden Einkommen einerseits und dem Gewerbeertrag andererseits – sowohl der Körperschaft- als auch der Gewerbesteuer. Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG stellt einen Ausgleich für den niedrigen Körperschaftsteuersatz von ursprünglich 25 % (bis 2007) und 15 % (seit 2008)5 dar mit dem Ziel, eine steuerliche Benachteiligung der Inhaber von Gewerbebetrieben und der Gesellschafter (Mitunternehmer) einer gewerblichen Personengesellschaft – sofern sie natürliche Personen sind – im Vergleich zu Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern zu vermeiden oder zu mildern. Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass einzelne Mitunternehmer von der Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung) für nicht entnommene steuerliche Gewinne nach § 34a Abs. 1 EStG Gebrauch machen und insoweit eine Einkommensteuer von 28,25 % anfällt.6 Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG steht dem nicht entgegen. Die Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG parallel zu § 34a Abs. 1 EStG entspricht auch dem Sinn der pauschalisierten Gewerbesteueranrechnung. Die Doppelbelastung der Gesellschafter mit Einkommenund Gewerbesteuer besteht auch, wenn sie die Steuerbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG nutzen. Aufgrund ihrer Belastung mit Gewerbesteuer sind nicht entnommene steuerliche Gewinne i.S. des § 34a Abs. 1 EStG folglich im Veranla1 Seit Veranlagungszeitraum 2008; bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 betrug der Faktor 1,8. 2 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 3; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 1. 3 Wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vgl. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32c EStG, Stand: April 2015; Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 2; Vorlagebeschluss des BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, 450 = GmbHR 1999, 621 an das BVerfG. Das BVerfG hat die Vorschrift für verfassungsgemäß erklärt; BVerfG v. 21.6. 2006 – 2 BvL 2/99, DStR 2006, 1316. 4 BGBl. I 2007, 1652. 5 S. im Einzelnen unter Rz. 2.38, 2.62. 6 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 15; Förster, DB 2007, 760 (763); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5.
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§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
gungszeitraum der begünstigten Besteuerung in die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG einzubeziehen. Seit dem Veranlagungszeitraum 2008 ist die Gewerbesteuer bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns eines Gewerbebetriebs oder einer gewerblichen Mitunternehmerschaft nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig (§ 4 Abs. 5b EStG) und mindert infolgedessen auch nicht ihre eigene Bemessungsgrundlage.1 Infolgedessen verringern sich – anders als nach der bisherigen Rechtslage – die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer nicht. Der Freibetrag i.H.v. 24 500 Euro (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) bleibt erhalten, während der Staffeltarif (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a.F.) seit dem Jahr 2008 entfällt. Das gesetzliche Ziel, die Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte mit Einkommen- und Gewerbesteuer zu beseitigen oder zumindest zu mildern, wird seit dem Veranlagungszeitraum 2008 ausschließlich durch die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG erreicht. Zum Ausgleich dafür, dass die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar ist, hat sich der maßgebende Faktor von 1,8 auf 3,8 des jeweiligen Gewerbesteuer-Messbetrags erhöht. Demnach ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt,
6.682
– bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 3,8-fache des jeweils für den Erhebungszeitraum, der dem Veranlagungszeitraum entspricht, festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags; – bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG um das 3,8-fache des jeweils für den Erhebungszeitraum, der dem Veranlagungszeitraum entspricht, festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags. Die Wirkung des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG verdeutlicht die folgende Übersicht: Hebesatz
200 %
300 %
380 %
400 %
500 %
6.683
600 %
Gewinn vor Steuern
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
./. GewSt
./. 7,0
./. 10,5
./. 13,3
./. 14,0
./. 17,5
./. 21,0
93,0
89,5
86,7
86,0
85,5
79,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
= handelsrechtlicher Gewinn steuerlicher Gewinn GewSt-Messbetrag 3,8-faches des GewSt-Messbetrags
13,3
13,3
13,3
13,3
13,3
13,3
ESt (45 %)
45,0
45,0
45,0
45,0
45,0
45,0
./. 7,0
./. 10,5
./. 13,3
./. 13,3
./. 13,3
./. 13,3
./. Steuerermäßigung* = verbleibende ESt
38,0
34,5
31,7
31,7
31,7
31,7
Gewinn nach ESt
55,0
55,0
55,0
54,3
50,8
47,3
Steuerbelastungsquote bei 45 % ESt (ohne SolZ)
45,0
45,0
45,0
45,7
49,2
52,7
* Beschränkung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG) 1 Das gilt selbstverständlich gleichermaßen für Körperschaften (Kapitalgesellschaften).
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§6 6.684
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Bei der Modellrechnung bleiben die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag ebenso wie der Freibetrag bei der Gewerbesteuer (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) aus Vereinfachungsgründen außer Betracht. Da die Gewerbesteuer seit dem Veranlagungszeitraum 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns eines Gewerbebetriebs oder einer gewerblichen Mitunternehmerschaft abziehbar ist (§ 4 Abs. 5b EStG), hat der maßgebende Einkommensteuersatz – anders als bis zum Jahr 2007 – keine Bedeutung mehr für die Beseitigung (Neutralisierung) oder Milderung der mit der Gewerbesteuer verbundenen Belastung. Er hat allerdings Bedeutung für die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG. Bei einem Hebesatz von 380 % (rd. 310 % bis zum Jahr 2007 bei einem tatsächlichen (relevanten) Einkommensteuersatz von 42 %) wird das gesetzliche Ziel erreicht, die mit der Gewerbesteuer verbundene Belastung für die Inhaber eines gewerblichen Einzelunternehmens (Gewerbebetrieb) und die Gesellschafter (Mitunternehmer) einer gewerblichen Personengesellschaft zu beseitigen.1 Liegt der Hebesatz darüber, wird die mit der Gewerbesteuer verbundene Belastung nicht vollständig ausgeglichen. Liegt der Hebesatz dagegen niedriger, ist die Steuerermäßigung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG); es kommt also – anders als bis zum Jahr 2007 – nicht zu einer Überkompensation. Der Mindesthebesatz beträgt mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2004 200 % (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG).2
2. Funktionsweise des § 35 EStG a) Allgemeines 6.685
Zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung berechtigt sind nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG neben gewerblichen Einzelunternehmern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) unmittelbar oder mittelbar über eine Personengesellschaft beteiligte Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), sofern sie natürliche Personen sind. Der gewerbliche Einzelunternehmer unterliegt als Steuersubjekt sowohl der Einkommen- als auch der Gewerbesteuer, ist also als Steuerschuldner unmittelbar doppelt belastet. Die gewerbliche Personengesellschaft ist zwar Steuersubjekt bei der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), nicht dagegen bei der Einkommensteuer. Steuerschuldner der Einkommensteuer sind die Gesellschafter (Mitunternehmer); sie sind dadurch mittelbar doppelt belastet. Das Ziel des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG besteht darin, die unmittelbare oder mittelbare Doppelbelastung von gewerblichen Einkünften mit Einkommen- und Gewerbesteuer zu beseitigen oder zumindest zu mildern. Folglich können auch nur natürliche Personen als Einkommensteuersubjekte die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG in Anspruch nehmen. Begünstigt sind sowohl unbeschränkt als auch beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer oder als unmittelbar oder mittelbar beteiligter Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder § 15 1 Vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 2. 2 Zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vgl. Otting, DB 2004, 1222. Das BVerfG hat die Vorschrift mittlerweile für verfassungsgemäß erklärt; BVerfG v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141 = DB 2010, 542.
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§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG.1 Die Geltung des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG für beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen ergibt sich auch daraus, dass § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG insoweit keine Sonderregelung enthält. Ausgangspunkt für die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die tarifliche Einkommensteuer, wobei bis auf §§ 34f, 34g und 35a EStG die übrigen Steuerermäßigungen vorrangig zu berücksichtigen sind. Ermäßigt wird jedoch nicht die gesamte Einkommensteuer, sondern nur der Betrag, der auf die im zu versteuernden Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG enthaltenen gewerblichen Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag; § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG).2 Die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags ergibt sich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG (s. Rz. 6.690 f.).
6.686
b) Gewerbliche Einkünfte Gewerbliche Einkünfte i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG sind die der Gewerbesteuer unterliegenden Gewinne und Gewinnanteile, soweit sie nicht nach anderen Vorschriften von der Steuerermäßigung nach § 35 EStG ausgenommen sind (§ 35 Abs. 1 Satz 3 EStG).3 Die gewerblichen Einkünfte i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG umfassen demnach die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG, die der Gewerbesteuer unterliegen, d.h. tatsächlich mit Gewerbesteuer belastet sind, nicht dagegen die Einkünfte nach §§ 16 und 17 EStG.4 In die gewerblichen Einkünfte einzubeziehen sind dagegen gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinne aus der 100%igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn die Veräußerung nicht im engen Zusammenhang mit der Aufgabe des Gewerbebetriebs steht (vgl. H 7.1 Abs. 3 GewStR 2009), und nach § 7 Satz 2 GewStG gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinne.5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung und einem Teil der Literatur unterliegt auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils durch eine natürliche Person der Gewerbesteuer, da es sich um einen Teil des laufenden Gewinns handele (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EStG; s. Rz. 2.135).6 U.E. ist dieser Ansicht nicht zu folgen.7 Folgt man der Auffassung der Finanzverwaltung, ist es konsequent, den Veräußerungsgewinn in die gewerblichen Einkünfte nach § 35 Abs. 1 EStG einzubeziehen.8 Gewerbesteuerpflichtig und daher in die Einkünfte i.S. des § 35 Abs. 1 EStG einzubeziehen sind dagegen die Veräußerungsgewinne in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG, soweit auf der Seite des Veräußerers und auf der Seite des Erwerbers dieselben Personen Unter1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 1; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 3. 2 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 5; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5. 3 Vgl. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; BFH v. 25.8.2015 – IV R 27/2, DStR 2015, 1796 (1798); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13. 4 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; BFH v. 25.8.2015 – IV R 27/2, DStR 2015, 1796 (1798); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13, 18. 5 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18. 6 OFD Düsseldorf v. 10.9.2002 – G 1421 - 19 - St 132 - K, FR 2002, 1151; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 11; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18, 23. 7 Ebenso Füger/Rieger, DStR 2002, 1021 (1021 f.); Neyer, BB 2005, 577 (579). 8 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
nehmer oder Mitunternehmer sind („Veräußerung an sich selbst“); der Veräußerungsgewinn gilt insoweit als laufender Gewinn.1 Dagegen sind die nicht gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsgewinne nach §§ 22 Abs. 1 und 24 Abs. 2 UmwStG – ebenso wie nach § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. – und der gewerbesteuerfreie Übernahmegewinn nach § 18 Abs. 2 UmwStG nicht in die Einkünfte i.S. des § 35 Abs. 1 EStG einzubeziehen.2 Das Gleiche gilt aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UmwStG).3 Die Kürzungen nach § 9 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags sind zu berücksichtigen und verringern infolgedessen die gewerblichen Einkünfte nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG.4 Das entspricht dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 3 EStG, der von den der Gewerbesteuer unterliegenden Gewinnen und Gewinnanteilen spricht, und dem Sinn der Regelung.5 6.688
Grund für die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Beseitigung oder Milderung der Doppelbelastung von gewerblichen Einkünften mit Einkommenund Gewerbesteuer bei natürlichen Personen. Sind gewerbliche Einkünfte von vornherein nicht mit Gewerbesteuer belastet, so bedarf es keiner Kompensation; folglich ist es auch nicht gerechtfertigt, das Ermäßigungspotential durch Einbeziehung dieser nicht mit Gewerbesteuer belasteten Einkünfte zu erhöhen.6 Aufgrund ihrer Belastung mit Gewerbesteuer sind nicht entnommene steuerliche Gewinne i.S. des § 34a Abs. 1 EStG im Veranlagungszeitraum der begünstigten Besteuerung in die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG einzubeziehen.7 Der Nachversteuerungsbetrag nach § 34a Abs. 4 EStG unterliegt dagegen nicht der Gewerbesteuer und ist daher nicht in die gewerblichen Einkünfte i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG einzubeziehen.8 Allerdings erhöht sich durch die Nachversteuerung (§ 34a Abs. 4 EStG) die tarifliche Einkommensteuer als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG.9 c) Einzelheiten zur Ermittlung
6.689
Wenn ein Gesellschafter ein gewerbliches Einzelunternehmen unterhält und Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft oder als Mitunternehmer an 1 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 754 (756) = GmbHR 2004, 1096; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18. 2 Vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18. 3 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 23; anders jedoch im Fall der Umwandlung einer Organgesellschaft (Kapitalgesellschaft) in eine Personengesellschaft, s. BFH v. 28.5.2015 – IV R 272/2, DStR 2015, 1796 (1799) zu § 18 Abs. 4 Satz 3 UmwStG a.F. (teleologische Reduktion). 4 Vgl. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 14; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18; a.A. Förster, DB 2007, 760 (761); Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 11. 5 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 18. 6 BT-Drucks. 14/3366 v. 16.5.2000, S. 119; vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 10. 7 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 15; im Ergebnis auch Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5. 8 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 15; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5. 9 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 15; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5.
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
mehreren gewerblichen Personengesellschaften beteiligt ist, sind die Gewerbeerträge und damit Gewerbesteuer-Messbeträge für jeden Gewerbebetrieb und jede Mitunternehmerschaft nicht nur bei der Gewerbesteuer, sondern auch für Zwecke des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG getrennt (isoliert) zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 zu multiplizieren und auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zu begrenzen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 5 EStG).1 Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Gewerbeertrag sind also unternehmensbezogen (betriebsbezogen) zu ermitteln. Ein aufgrund von gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 GewStG entstehender positiver Gewerbeertrag und damit Gewerbesteuer-Messbetrag, dem negative gewerbliche Einkünfte eines gewerblichen Einzelunternehmens oder als Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft (oder ein ausgeglichenes Ergebnis) zugrunde liegen, sind nicht zu berücksichtigen.2 Es findet also keine Verrechnung (Saldierung) positiver und negativer Gewerbeerträge statt, so dass sich das Anrechnungsvolumen nicht verringert. Das folgt aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 3 EStG und ergibt sich aus dem Sinn der Gewerbesteueranrechnung. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb müssen mit Einkommensteuer und der Gewerbeertrag mit Gewerbesteuer belastet sein (kongruente Belastung). Fällt wegen negativer Einkünfte aus Gewerbebetrieb (oder eines ausgeglichenen Ergebnisses) keine Einkommensteuer an, besteht keine Notwendigkeit für die Gewerbesteueranrechnung, weil es an der erforderlichen Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer fehlt.3 Anschließend sind die auf diese Weise ermittelten Anrechnungsbeträge zum Zwecke der Ermittlung des Betrags der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumens) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG zusammenzufassen.4 Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind die Anrechnungsvolumina der Ehegatten zusammenzufassen.5 Die Steuerermäßigung wird nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG auf die tarifliche Einkommensteuer begrenzt, die anteilig auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag). Der Ermäßigungshöchstbetrag ist in § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG definiert und wie folgt zu ermitteln:
6.690
Summe der positiven gewerblichen Einkunfte ¨ " geminderte tarifliche Steuer Summe aller positiven Einkunfte ¨ Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind positive Einkünfte i.S. dieser Berechnungsformel die positiven Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsquelle. Eine Verrechnung (Saldierung) der positiven und der negativen Einkunftsquellen innerhalb derselben Einkunftsart (horizontaler Verlustausgleich) und zwischen den verschiedenen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) findet danach nicht statt.6 Das 1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 10. 2 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 10; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13, 15; Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 13. 3 Vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 15. 4 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 10. 5 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 10. 6 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 16 f.; krit. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 39. Die Auffassung des BFH v. 27.9.2006 – X R 25/04, BStBl. II 2007, 694 (= FR 2007, 647 m. Komm. Wendt) und der Finanzverwaltung (BMF v. 19.9.2007 – IV B 2 - S 2296-a/0, BStBl. I 2007, 701 Tz. 12), wonach der vertikale Verlustausgleich insoweit
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
gilt gleichermaßen bei Zusammenveranlagung von Ehegatten und für den Verlustabzug, d.h. den Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) und den Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG). Die vorstehende Auslegung des § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Sie vermeidet eine Minderung des Ermäßigungshöchstbetrags und damit ggf. eine Minderung der Ermäßigung selbst. Die anteilig auf die gewerblichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer und damit der Höchstbetrag der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG ergibt sich somit aus dem Verhältnis der positiven gewerblichen Einkünfte zur Summe aller positiven Einkünfte.1 Auf diese Weise wirken sich die Abzugsbeträge, die erst nach der Summe der Einkünfte berücksichtigt werden (z.B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen), anteilig zulasten aller Einkunftsarten aus. Geminderte tarifliche Steuer ist die tarifliche Einkommensteuer – nach Abzug von Beträgen aufgrund der Anwendung zwischenstaatlicher Abkommen und nach Anrechnung ausländischer Steuern gem. § 34c Abs. 1 und 6 EStG und § 12 AStG –, vermindert um sämtliche Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f, 34g und 35a EStG sowie § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG selbst (§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG).2 In diesem Zusammenhang wirkt sich auch der tatsächliche (relevante) Einkommensteuersatz aus; je höher er ist, desto höher ist die tarifliche Einkommensteuer und damit der Höchstbetrag der Steuerermäßigung. 6.692
Die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung (Thesaurierungsbegünstigung) nach § 34a Abs. 1 EStG für nicht entnommene steuerliche Gewinne durch einzelne Mitunternehmer schließt die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht aus (s. Rz. 6.681). Bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nicht danach zu unterscheiden, ob einzelne Mitunternehmer von der Steuerbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG Gebrauch machen. Es ist kein „geteilter“ Ermäßigungshöchstbetrag zu ermitteln, der danach differenziert, ob der nicht entnommene steuerliche Gewinn nach § 34a Abs. 1 EStG einer Einkommensteuer von 28,25 % unterliegt oder die Regelbesteuerung (Normalbesteuerung) eingreift.3 Die anteilige tarifliche Einkommensteuer mindert sich einheitlich mit der Folge, dass der Ermäßigungshöchstbetrag sinkt. Durch die Nachversteuerung (§ 34a Abs. 4 EStG) erhöht sich demgegenüber die tarifliche Einkommensteuer mit der Folge, dass der Ermäßigungshöchstbetrag steigt.4
6.693
Der nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelte Ermäßigungshöchstbetrag begrenzt die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG anzurechnende Gewerbesteuer. Die Steuerermäßigung beläuft sich der Höhe nach auf das 3,8-fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (Anrechnungsvolumen). Anders als bis einschließlich des Jahres 2007 ist der Abzug der Steuerermäßigung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG; absoluter Höchstbetrag). Die tat-
1 2 3 4
meistbegünstigend vorzunehmen ist, als negative Einkünfte vorrangig mit nicht gewerblichen Einkünften oder gewerblichen Einkünften, die nicht nach § 35 Abs. 1 EStG privilegiert sind, zu verrechnen ist, ist überholt. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 16. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 5; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5. Förster, DB 2007, 760 (764). BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 15; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 5.
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
sächlich zu zahlende Gewerbesteuer entspricht der durch den Gewerbesteuerbescheid festgesetzten Gewerbesteuer für den einzelnen Betrieb und in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der jeweils anteilig festgesetzten (geschuldeten) Gewerbesteuer. Bei Abweichungen zwischen der dem Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegten tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer und der anteilig festgesetzten Gewerbesteuer ist der Einkommensteuerbescheid zu ändern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).1 Soweit das Anrechnungsvolumen den Ermäßigungshöchstbetrag übersteigt, besteht ein Anrechnungsüberhang (s. Rz. 6.712 ff.). Ein Vortrag oder Rücktrag des Anrechnungsvolumens ist ebenso wie eine Steuererstattung nicht möglich.2 d) Konsequenzen der Steuerermäßigung Im Zusammenhang mit der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 EStG wird allgemein von einer „Gewerbesteueranrechnung“ gesprochen; streng genommen wird jedoch die Gewerbesteuer selbst nicht unmittelbar auf die Einkommensteuer angerechnet. Angerechnet wird ein Betrag in Höhe des 3,8-fachen des gem. § 14 GewStG festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags. Wie zuvor erläutert, ist der Anrechnungsbetrag auf die tatsächlich von der Personengesellschaft zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 GewStG; absoluter Höchstbetrag). Damit ist die festgesetzte (geschuldete) Gewerbesteuer gemeint. Abgesehen davon wird die tarifliche Einkommensteuer um einen pauschalierten Betrag ermäßigt. Konsequenz der Pauschalierung ist, dass eine völlige Entlastung von der Gewerbesteuer nur in bestimmten Fällen erreicht wird. Da die Gewerbesteuer ab dem Jahr 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar ist (§ 4 Abs. 5b EStG), hat der tatsächliche (relevante) Einkommensteuersatz – anders als bis zum Jahr 2007 – bei der Ermittlung der Steuerentlastung keine Bedeutung mehr. Er hat allerdings bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags (§ 35 Abs. 1 Satz 2 EStG) nach wie vor Bedeutung. Die Entlastung gewerblicher Einzelunternehmer und von Mitunternehmern einer gewerblichen Mitunternehmerschaft wird m.a.W. seit dem Jahr 2008 ausschließlich durch die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 EStG erreicht. Seit dem Jahr 2008 kommt es bei einem Hebesatz von 380 % (rd. 310 % bis zum Jahr 2007 bei einem Einkommensteuersatz von 42 %) zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer.3 Liegt der Hebesatz über 380 %, kommt es lediglich zu einer Milderung der Doppelbelastung mit Einkommenund Gewerbesteuer. Unterschreitet der Hebesatz die Grenze von 380 %, kommt es an sich zu einer Überkompensation. Nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ist die Gewerbesteueranrechnung jedoch auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt mit der Folge, dass es – anders als bis zum Jahr 2007 – nicht zu einer Überkompensation kommt. Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG wirkt sich auf den festzusetzenden Solidaritätszuschlag aus (§ 3 Abs. 2 SolZG), nicht dagegen auf die Kirchensteuer (§ 51a Abs. 2 Satz 3 EstG i.V.m. den jeweiligen Kirchensteuergesetzen). Berücksichtigt man die Verringerung des Solidaritätszuschlags aufgrund der niedrigeren Einkommensteuer, ergibt sich eine höhere Ent1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 7. 2 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 7, 36. 3 Vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 2.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
lastung.1 In diesem Fall kommt es bei einem Hebesatz von rd. 400 % zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer.2 6.695
Der Betrag der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumen) beträgt bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG das 3,8-fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags, der jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzt wird (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Der Gewerbesteuer-Messbetrag wird gegenüber der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) als Schuldnerin der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) und nicht anteilig gegenüber den Mitunternehmern festgesetzt. Bei Mitunternehmerschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird daher neben dem Betrag des Gewerbesteuer-Messbetrags und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer der auf die einzelnen Mitunternehmer entfallende Anteil gesondert und einheitlich festgestellt (§ 35 Abs. 2 Satz 1 EStG). Zuständig für die gesonderte Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG ist das für die gesonderte Feststellung der Einkünfte zuständige Finanzamt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO; Betriebsfinanzamt). Für die Ermittlung der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 EStG sind die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags, die Feststellung des Anteils an dem festzusetzenden Gewerbesteuer-Messbetrag nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG und die Festsetzung der Gewerbesteuer Grundlagenbescheide (§ 35 Abs. 3 Satz 2 EStG). Für die Ermittlung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 EStG sind die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags und des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft Grundlagenbescheide (§ 35 Abs. 3 Satz 3 EStG). e) Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags
6.696
Maßstab für den Anteil des einzelnen Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag ist sein Anteil am steuerlichen Gewinn (und Verlust) der Mitunternehmerschaft, der sich nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel richtet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG);3 Vorabgewinnanteile sind dabei nicht zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG).4 Die handelsrechtliche Gewinnverteilung ergibt sich entweder aus den gesetzlichen Regelungen des HGB oder aus abweichenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen.5 Grundlage für den allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel ist i.d.R. die Beteiligungsquote der Gesellschafter am Gesellschaftskapital (Festkapital; Kapitalkonto I). Auf die Verteilung des steuerlichen Gewinns der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf der Grundlage der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO) kommt es dabei nicht an.6 Die Ver1 2 3 4
Förster, DB 2007, 760; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 2. Vgl. Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 19; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 2. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 19. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22; vertiefend hierzu Ritzer/Stangl, DStR 2002, 1785 (1786 f.); zu möglichen Ausnahmen s. unter Rz. 6.699, 6.714. 5 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 20. 6 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 19.
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
ursachung der Gewerbesteuer – bspw. durch Gewinne und Verluste im Sonderbetriebsvermögen oder aus Ergänzungsbilanzen – ist ebenfalls nicht maßgebend. Hintergrund der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel ist folgende Überlegung: Die Gesellschafter (Mitunternehmer) sind wirtschaftlich mittelbar in Höhe ihrer Beteiligung am Gesellschaftskapital (Festkapital) mit Gewerbesteuer belastet; das gilt unabhängig davon, ob der Gewerbeertrag aus dem Gesamthandsvermögen, dem Sonderbetriebsvermögen oder der Ergänzungsbilanz stammt. Infolgedessen sollen die Gesellschafter von der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in dem Maße profitieren, in dem sie durch die Gewerbesteuer wirtschaftlich mittelbar belastet sind. Die handelsrechtliche Gewinnverteilung muss steuerrechtlich anzuerkennen sein. Infolgedessen sind steuerrechtliche Korrekturen der Gewinnverteilung bei Familienpersonengesellschaften in Fällen, in denen die gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilung nicht anerkannt wird, oder im Falle einer unzulässigen rückwirkenden Änderung der Gewinnverteilungsabrede auch für den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG von Bedeutung.1 Soweit eine Kapitalgesellschaft – bspw. die Komplementär-GmbH – am Gesellschaftskapital (Festkapital) der GmbH & Co. KG beteiligt ist, wird die Kapitalgesellschaft zwar in die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags einbezogen.2 Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kommt ihr aber nicht zugute, weil sie nur für natürliche Personen gilt (s. Rz. 6.685). Sie geht daher verloren, wird also nicht etwa anteilig den natürlichen Personen zugeordnet.
6.697
Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in einem einfachen Fall verdeutlicht das folgende
6.698
Beispiel A und B sind als Kommanditisten zu je 50 % am Gesellschaftskapital (Festkapital) der A & B GmbH & Co. KG beteiligt. Die A & B Verwaltungs-GmbH (Komplementär-GmbH) ist am Gesellschaftskapital und Vermögen nicht beteiligt. Die A & B GmbH & Co. KG erzielt im Veranlagungszeitraum 2015 einen Gesamthandsgewinn i.H.v. 500 000 Euro vor Gewerbesteuer. Der Hebesatz beträgt 400 %. A und B erzielen ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der A & B GmbH & Co. KG. Der tatsächliche (relevante) Steuersatz für A im Veranlagungszeitraum 2015 beträgt 45 % und für B 30 %. Bei der nachfolgenden Berechnung bleiben sowohl die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag als auch der Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) aus Vereinfachungsgründen außer Betracht. A&B GmbH & Co. KG
A (50 %)
B (50 %)
Gesamthandsgewinn vor GewSt
500 000
250 000
250 000
Gewerbeertrag
500 000
250 000
250 000
./. 70 000
./. 35 000
./. 35 000
430 000
215 000
215 000
./. GewSt (Hebesatz 400 %) = Handelsrechtlicher Gesamthandsgewinn
1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 21. 2 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 26; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter A&B GmbH & Co. KG
A (50 %)
B (50 %)
Steuerlicher Gesamthandsgewinn
500 000
250 000
250 000
Steuerlicher Gewinn der Mitunternehmerschaft
500 000
250 000
250 000
anteiliger GewSt-Messbetrag
17 500
8 750
8 750
3,8-faches des GewSt-Messbetrags
66 500
ESt; A (45 %); B (30 %) ./. Steuerermäßigung = verbleibende ESt
33 250
33 250
112 500
75 000
./. 33 250
./. 33 250
79 250
41 750
Der Gewerbesteuer-Messbetrag wird A und B nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel und damit ihren Beteiligungsquoten am Gesellschaftskapital (Festkapital) je zur Hälfte zugerechnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Das ist auch sachgerecht, weil sie wirtschaftlich je zur Hälfte mit der Gewerbesteuer belastet sind. Bei A und B verringert sich die Einkommensteuerschuld um die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Betrag der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumen) kommt bei beiden Mitunternehmern in voller Höhe zur Geltung. Infolge der tatsächlichen (relevanten) Einkommensteuersätze ist die Gesamtsteuerbelastung bei A (45,7 %) und bei B (30,7 %) unterschiedlich. Bei beiden tritt keine vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer ein.
6.699
Vorabgewinne sind bei der Bestimmung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels nicht mit einzubeziehen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG). Das gilt unabhängig davon, ob sie gewinnabhängig oder gewinnunabhängig sind.1 Das folgt aus dem Wortlaut der Regelung und ihrer Entstehungsgeschichte.2 Das Gleiche gilt für Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und darüber hinaus für alle Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben.3 Die bisher von der Finanzverwaltung vertretene gegenteilige Auffassung, nach der gewinnabhängige Vorabgewinne und Sondervergütungen – bspw. Tantiemen – Bestandteil des allgemeinen Gewinnverteilungsbeschlusses sind,4 hat – abgesehen von einer Übergangsregelung – keinen Bestand mehr.5 Auch die Ergebnisse – Gewinne oder Verluste – aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen sind bei der Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs für den Gewerbesteuer-Messbetrag nach § 35 Abs. 2
1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22 f., geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43; BFH v. 7.4.2009 – IV B 109/08, BStBl. II 2010, 116 = GmbHR 2009, 780; FG Berlin-Bdb. v. 23.10.2007 – 6 K 1332/03 B, EFG 2008, 219 (222); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25. 2 BFH v. 7.4.2009 – IV B 109/08, BStBl. II 2010, 116 = GmbHR 2009, 780; FG Berlin-Bdb. v. 23.10.2007 – 6 K 1332/03 B, EFG 2008, 219 (222); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25. 3 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2008, 440 Tz. 22 f., geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43. 4 BMF v. 19.9.2007 – IV B 2 - S 2296a/0, BStBl. I 2007, 701 Tz. 20 f.; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22 f. 5 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22 f., geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25.
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Mueller-Thuns
§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
Satz 2 EStG nicht zu berücksichtigen.1 Bestandteil des Gewerbeertrags der Mitunternehmerschaft (§ 7 Satz 1 GewStG) sind dagegen zum einen die Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben und zum anderen die Ergebnisse – Gewinne oder Verluste – der Sonder- und Ergänzungsbilanzen.2 Die Auswirkungen, die sich aus Sondervergütungen auf die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags ergeben, verdeutlicht das folgende Beispiel A und B sind als Kommanditisten zu je 50 % am Gesellschaftskapital (Festkapital) der A & B GmbH & Co. KG beteiligt. Die A & B Verwaltungs-GmbH (Komplementär-GmbH) ist am Gesellschaftskapital und Vermögen nicht beteiligt. B erhält für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der A & B GmbH & Co. KG ein gewinnunabhängiges jährliches Gehalt i.H.v. 100 000 Euro (Sondervergütung). Die A & B GmbH & Co. KG erzielt im Veranlagungszeitraum 2015 einen Gesamthandsgewinn i.H.v. 500 000 Euro vor Gewerbesteuer. Der Hebesatz beträgt 400 %. A und B erzielen ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der A & B GmbH & Co. KG. Der tatsächliche (relevante) Steuersatz für A im Veranlagungszeitraum 2015 beträgt 40 % und für B 45 %. Bei der nachfolgenden Berechnung bleiben sowohl die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag als auch der Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) aus Vereinfachungsgründen außer Betracht. A&B GmbH & Co. KG
A (50 %)
B (50 %)
Gesamthandsgewinn vor GewSt
500 000
250 000
250 000
Sondervergütung an B
100 000
–
100 000
= Gewerbeertrag
600 000
250 000
350 000
./. 84 000
./. 42 000
./. 42 000
416 000
208 000
208 000
Steuerlicher Gesamthandsgewinn
500 000
250 000
250 000
Sondervergütungen an B
100 000
–
100 000
= Steuerlicher Gewinn der Mitunternehmerschaft
600 000
250 000
350 000
anteiliger GewSt-Messbetrag
21 000
10 500
10 500
3,8-faches des anteiligen GewSt-Messbetrags
79 800
39 900
39 900
./. GewSt (Hebesatz 400 %) = Handelsrechtlicher Gesamthandsgewinn
ESt; A (40 %); B (45 %) ./. Steuerermäßigung = verbleibende ESt
100 000
157 500
./. 39 900
./. 39 900
60 100
117 600
1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22; Schaumburg in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 357; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 27. 2 St. Rspr.; vgl. z.B. BFH v. 6.11.1980 – IV R 182/77, BStBl. II 1981, 220 = FR 1981, 174; BFH v. 24.11.1983 – IV R 14/83, BStBl. II 1984, 431 = FR 1984, 150; BFH v. 10.6.1987 – I R 301/83, BStBl. II 1987, 816 = FR 1987, 536; BFH v. 3.4.2008 – IV R 504/04, BStBl. II 2008, 742 (744 f.); vgl. auch H 7.1 Abs. 3 GewStH 2009.
Mueller-Thuns
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697
6.700
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Bei A und B verringert sich die tarifliche Einkommensteuer um die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Betrag der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumen) kommt bei beiden Mitunternehmern in vollem Umfang zur Geltung. Der GewerbesteuerMessbetrag wird A und B nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel und damit nach ihren Beteiligungsquoten am Gesellschaftskapital (Festkapital) zugerechnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Das ist auch sachgerecht, weil sie wirtschaftlich je zur Hälfte mit der Gewerbesteuer belastet sind. Auf die Zurechnung des steuerlichen Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und die Verursachung der Gewerbesteuer – bspw. durch Sondervergütungen oder sonstige Sonderbetriebseinnahmen – kommt es nach der gesetzlichen Regelung nicht an. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder auf schuldrechtlicher Grundlage vereinbart haben, dass jeder Gesellschafter im Innenverhältnis die von ihm durch Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und sonstige Sonderbetriebseinnahmen verursachte Gewerbesteuer zu tragen hat (14 000 Euro) und umgekehrt im Falle von Sonderbetriebsausgaben entlastet wird. In diesem Fall führte die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG) zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil für A. Ihm steht nach der gesetzlichen Regelung der Gewerbesteuer-Messbetrag zur Hälfte zu, obwohl er im Falle einer Vereinbarung der Gesellschafter im Innenverhältnis wirtschaftlich nur zu einem Drittel (28 000 Euro) mit Gewerbesteuer belastet wäre, während B die Gewerbesteuer zu zwei Dritteln (56 000 Euro) zu tragen hätte. In einem solchen Fall stellt sich die Frage nach einer Ausgleichsregelung zwischen den Gesellschaftern (s. Rz. 6.704 f., 6.718).
6.701
Die Auswirkungen des Ergebnisses einer Ergänzungsbilanz auf die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags verdeutlicht das folgende Beispiel A und B sind als Kommanditisten zu je 50 % am Gesellschaftskapital der A & B GmbH & Co. KG beteiligt. Die A & B Verwaltungs-GmbH (Komplementär-GmbH) ist am Gesellschaftskapital und Vermögen nicht beteiligt. Die A & B GmbH & Co. KG erzielt im Veranlagungszeitraum 2015 einen Gesamthandsgewinn i.H.v. 350 000 Euro vor Gewerbesteuer. Für den Kommanditisten B besteht eine Ergänzungsbilanz, aus der sich ein Verlust von 50 000 Euro ergibt. A und B erzielen im Veranlagungszeitraum 2015 ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der A & B GmbH & Co. KG. Der tatsächlich (relevante) Steuersatz für A im Veranlagungszeitraum 2015 beträgt 40 % und für B 45 %. Bei der nachfolgenden Berechnung bleiben sowohl die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag als auch der Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) aus Vereinfachungsgründen außer Betracht. A&B GmbH & Co. KG Gesamthandsgewinn vor GewSt ./. Verlust aus Ergänzungsbilanz des B = Gewerbeertrag ./. GewSt (Hebesatz 400 %) = Handelsrechtlicher Gesamthandsgewinn Steuerlicher Gesamthandsgewinn ./. Verlust aus Ergänzungsbilanz des B = Steuerlicher Gewinn der Mitunternehmerschaft
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A (50 %)
B (50 %)
350 000
175 000
175 000
./. 50 000
–
./. 50 000
300 000
175 000
125 000
./. 42 000
./. 21 000
./. 21 000
258 000
129 000
129 000
350 000
175 000
175 000
./. 50 000
–
./. 50 000
300 000
175 000
125 000
§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG A&B GmbH & Co. KG
A (50 %)
B (50 %)
anteiliger GewSt-Messbetrag
10 500
5 250
5 250
3,8-faches des anteiligen GewSt-Messbetrags
39 900
19 950
19 950
70 000
56 250
./. 19 950
./. 19 950
50 050
36 300
ESt; A (40 %); B (45 %) ./. Steuerermäßigung = verbleibende ESt
Bei A und B verringert sich die tarifliche Einkommensteuer um die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Betrag der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumen) kommt bei beiden Mitunternehmern in vollem Umfang zur Geltung. Der GewerbesteuerMessbetrag wird A und B nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel und damit nach ihren Beteiligungsquoten am Gesellschaftskapital (Festkapital) zugerechnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Das ist auch sachgerecht, weil sie wirtschaftlich je zur Hälfte mit der Gewerbesteuer belastet sind. Folglich wirkt sich auch die Entlastung infolge des Verlustes aus der Ergänzungsbilanz des B entsprechend seiner Beteiligungsquote aus. Auf die Zurechnung des steuerlichen Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG kommt es ebenso wenig an wie auf die Verringerung der Gewerbesteuerlast infolge des Verlustes aus der Ergänzungsbilanz des B. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn B aufgrund einer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis einen Ausgleich – bspw. in Form eines Vorabgewinns – dafür erhielte, dass er infolge des Verlustes aus der Ergänzungsbilanz zur Verringerung der Gewerbesteuerlast der Gesellschaft beiträgt (7 000 Euro). In diesem Fall führte die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG) zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil für B. Ihm steht nach der gesetzlichen Regelung der Gewerbesteuer-Messbetrag zur Hälfte zu, obwohl er im Falle einer Vereinbarung der Gesellschafter im Innenverhältnis einen Ausgleich in Höhe der Gewerbesteuerentlastung (7 000 Euro) erhielte und infolgedessen wirtschaftlich nur zu einem Drittel (14 000 Euro) mit Gewerbesteuer belastet wäre, während A die Gewerbesteuer zu zwei Dritteln (28 000 Euro) zu tragen hätte. In einem solchen Fall stellt sich wiederum die Frage nach einer Ausgleichsregelung zwischen den Gesellschaftern (s. Rz. 6.704 f., 6.718).
f) Konsequenzen der gesetzlichen Regelung Die gesetzliche Regelung kann – wie die Beispiele zeigen – für einzelne Gesellschafter (Mitunternehmer) zu ungerechtfertigten Vorteilen und Nachteilen führen. Das ist der Fall, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder auf schuldrechtlicher Grundlage vereinbart haben, dass sich die wirtschaftliche Belastung mit der Gewerbesteuer (oder die Entlastung von der Gewerbesteuer) nicht nach den Beteiligungsquoten am Gesellschaftskapital (Festkapital; Kapitalkonto I) richtet, sondern es auf die Verursachung der Gewerbesteuer ankommt, d.h. darauf, ob und in welchem Umfang ein Mitunternehmer durch Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sowie Gewinne und Verluste aus der Sonder- oder Ergänzungsbilanz zu der Belastung mit Gewerbesteuer (oder der Entlastung davon) beigetragen hat. Der ungerechtfertigte Vorteil bzw. Nachteil besteht darin, dass einzelne Gesellschafter nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG einen höheren bzw. niedrigeren anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag zugerechnet bekommen, als ihrer wirtschaftMueller-Thuns
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6.702
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
lichen Belastung mit Gewerbesteuer entspricht. In einem solchen Fall stellt sich die Frage nach einer Ausgleichsregelung der Gesellschafter (s. Rz. 6.704 f., 6.718). 6.703
Eine Vereinbarung der Gesellschafter, wonach sich der Aufteilungsmaßstab für die Zurechnung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel richtet, sondern der dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Anteil am steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zugrunde zu legen ist, ist steuerrechtlich nicht zulässig. Eine derartige Vereinbarung, die sich daran orientiert, welcher Mitunternehmer in welchem Umfang die Gewerbesteuer verursacht hat, ist keine zulässige Gewinnverteilungsabrede i.S. des § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG. Sie steht zum einen nicht im Einklang mit dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift und entspricht zum anderen auch nicht ihrem Sinn als pauschalierende und typisierende Regelung.1
6.704
Stattdessen kann aber – außerhalb des § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG und infolgedessen ohne steuerliche Wirkung – folgende Regelung der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder auf schuldrechtlicher Grundlage sinnvoll sein: Auf der Grundlage des dem einzelnen Mitunternehmer nach der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zuzurechnenden Anteils am steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft ist in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob und in welchem Umfang der Mitunternehmer die Gewerbesteuer, deren Steuerschuldner die Personengesellschaft selbst ist (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), (mit-)verursacht hat und aufgrund der zwischen den Gesellschaftern bestehenden Vereinbarungen – abweichend von dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel – wirtschaftlich mit Gewerbesteuer belastet ist. Maßgebend ist also der anteilige auf den einzelnen Mitunternehmer entfallende steuerliche Gewinn oder Verlust und der sich daraus ergebende positive oder negative Gewerbeertrag. Dabei sind sowohl Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben als auch die Ergebnisse aus Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen einzubeziehen. Das Gleiche gilt für etwaige gewerbesteuerpflichtige Gewinne aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils. Anschließend ist die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für die einzelnen Mitunternehmer, die sich nach der gesetzlichen Regelung ergibt, in einem zweiten Schritt der Steuerentlastung gegenüberzustellen, die sich ergäbe, wenn der Gewerbesteuer-Messbetrag den Gesellschaftern nach dem Verhältnis zugerechnet würde, wie sie wirtschaftlich mit Gewerbesteuer belastet sind. Ist bspw. ein Kommanditist zu 50 % an einer GmbH & Co. KG beteiligt, ist er aber nach den Vereinbarungen der Gesellschafter wirtschaftlich nur zu 30 % mit der Gewerbesteuer belastet, ergibt sich für ihn bei der Zurechnung des GewerbesteuerMessbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG ein Vorteil von 20 Prozentpunkten. Dieser Vorteil ist im Verhältnis zur wirtschaftlichen Belastung mit der Gewerbesteuer sachlich nicht gerechtfertigt.
6.705
Auf der Grundlage einer derartigen Gegenüberstellung können die Gesellschafter eine Ausgleichsregelung treffen, wonach diejenigen Gesellschafter den steuerli1 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 27; Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93 (95); a.A. Bechler/Schröder, DB 2002, 2238 (2240).
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Mueller-Thuns
§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
chen Vorteil, den sie aufgrund der gesetzlichen Regelung erlangen, ohne entsprechend wirtschaftlich mit Gewerbesteuer belastet zu sein, d.h. die erhöhte Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, den anderen Gesellschaftern auszugleichen haben.1 Bei einer solchen Regelung – außerhalb des § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG – sind vereinfachende Annahmen – insbesondere zum Anteil der gewerblichen Einkünfte am zu versteuernden Einkommen, den Steuersätzen und den persönlichen steuerlichen Verhältnissen der Gesellschafter – unumgänglich, damit sie handhabbar ist. Eine derartige Ausgleichsregelung lässt sich inhaltlich folgendermaßen ausgestalten: Der Anteil des Gesellschafters, der einen durch § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil erlangt, am handelsrechtlichen Jahresüberschuss (steuerlicher Gewinn) verringert sich (Belastung seines Gewinnanteils), während sich der Anteil des Gesellschafters, der durch § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG benachteiligt wird, entsprechend erhöht (Erhöhung seines Gewinnanteils, Vorabgewinn). Ein derartiger Ausgleich führt zwar zu einer Modifikation der handelsrechtlichen Gewinnverteilung und steuerrechtlich zu einer veränderten Zuordnung des steuerlichen Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eine solche Regelung hat aber keine Bedeutung für die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG.2 g) Gestaltungen Für die Praxis stellt sich die Frage, ob sich die ungerechtfertigten Vorteile und Nachteile, die mit der Zurechnung des Gewerbesteuer-Messbetrags auf der Grundlage des allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssels verbunden sein können (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG), durch Gestaltungen vermeiden oder zumindest einschränken lassen. Die bisher zu empfehlende Gestaltung bestand darin, gewinnabhängige Vorabgewinne und vor allem gewinnabhängige Sondervergütungen zu vereinbaren. Diese – insbesondere von der Finanzverwaltung anerkannte – Möglichkeit besteht aufgrund der Rechtsprechung des BFH nicht mehr (s. Rz. 6.699).
6.706
Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, dass die Gesellschafter einzelne Wirtschaftsgüter, die sie der GmbH & Co. KG zur Nutzung überlassen haben, auf diese übertragen, d.h. aus dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen I in das Gesamthandsvermögen überführen. Diese Übertragung ist ertragsteuerlich neutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG möglich, wenn sie unentgeltlich ist oder gegen Gewährung (Erhöhung) von Gesellschaftsrechten vorgenommen wird (s. Rz. 2.98 f., 11.327 f.). In den Grenzen des § 5 Abs. 2 GrEStG fällt – sofern inländische Grundstücke Gegenstand der Übertragung sind – keine Belastung mit Grunderwerbsteuer an. Die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter hat jedoch i.d.R. eine Veränderung der Beteiligungsquoten zur Folge. Das ist der Fall, wenn der Gesellschafter das einzelne Wirtschaftsgut – wie im Regelfall – nicht unentgeltlich, sondern gegen Gewährung (Erhöhung) von Gesellschaftsrechten überträgt und infolgedessen sich seine Beteiligungsquote (Anteil am Festkapital; Kapitalkonto I) erhöht. Diese Kon-
6.707
1 Schaumburg in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 357; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Tz. 27; zu Gewerbesteuerklauseln unter Berücksichtigung des § 35 EStG Ottersbach, DStR 2002, 2032. 2 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 27.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
sequenz ist von den Gesellschaftern jedoch vielfach nicht gewünscht. Abgesehen davon ist eine Unternehmensbewertung erforderlich, um die veränderten Beteiligungsquoten korrekt festlegen zu können. Ein wesentlicher Nachteil der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter aus den Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen besteht darin, dass die Wirtschaftsgüter – insbesondere Grundstücke und Gebäude – dadurch dem Insolvenzrisiko der GmbH & Co. KG ausgesetzt werden. 6.708
Als Alternative bietet sich an, dass einzelne Mitunternehmer Wirtschaftsgüter, die sie der GmbH & Co. KG zur Nutzung überlassen haben, ihrerseits auf eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG übertragen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Eine derartige Übertragung ist ertragsteuerlich neutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG möglich, wenn sie unentgeltlich ist oder gegen Gewährung (Erhöhung) von Gesellschaftsrechten vorgenommen wird (s. Rz. 2.98 f., 11.327 f.). In den Grenzen des § 5 Abs. 2 GrEStG fällt auch – sofern es sich um inländische Grundstücke handelt – keine Grunderwerbsteuer an. Wirtschaftsgüter, die eine gewerbliche oder gewerblich geprägte Personengesellschaft an eine ganz oder teilweise personen- und beteiligungsidentische Personengesellschaft (Schwester-Personengesellschaft) vermietet, gehören zum Betriebsvermögen der vermietenden Personengesellschaft und nicht der mietenden Personengesellschaft.1 Bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, bei der die erforderliche sachliche und personelle Verflechtung besteht, sind die vermieteten Wirtschaftsgüter steuerlich ebenfalls der Besitzgesellschaft (Eigentümerin) und nicht der Betriebsgesellschaft (Mieterin) zuzuordnen;2 die Zuordnung zum eigenen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ist vorrangig vor der Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen der Betriebsgesellschaft. Es muss sich jeweils um eine entgeltliche Nutzungsüberlassung handeln.3 Die sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn die vermietende Besitz-Personengesellschaft der mietenden Betriebs-Personengesellschaft eine – bei funktionaler Betrachtung – wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt. Die personelle Verflechtung besteht, wenn nicht die Besitz-Personengesellschaft, sondern ihre Gesellschafter beherrschend an der Betriebs-Personengesellschaft beteiligt sind.4 Die bedeutsame Konsequenz besteht in Folgendem: Es handelt sich sowohl bei der mietenden als auch bei der vermietenden Gesellschaft um gewerbliche Personengesellschaften und damit um selbständige Gewerbesteuersubjekte. Die Steuerermäßigung (Gewerbesteueranrechnung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist getrennt für jede Mitunternehmerschaft zu ermitteln (s. Rz. 6.689). Nachteilig ist allerdings in diesen Fällen die Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer bei der mietenden Gesellschaft (§ 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG). 1 S. im Einzelnen unter Rz. 2.171; BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82 (84) = GmbHR 1994, 813; BFH v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93 (95) = GmbHR 1995, 537; BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583. 2 S. im Einzelnen unter Rz. 2.171; BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, BStBl. II 1998, 325 = GmbHR 1996, 861; BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl. I 1998, 583; vgl. auch Th. Carlé in Carlé/Carlé/Bauschatz, Die Betriebsaufspaltung, Rz. 514 ff.; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 855 ff. m.w.N. 3 BMF v. 28.4.1998 – IV B 2 - S 2241 42/98, BStBl. I 1998, 583. 4 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 858 m.w.N.
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§6
Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
h) Mehrstöckige Personengesellschaften Ist eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt, handelt es sich um mehrstöckige Personengesellschaften. Der steuerliche Gewinn oder Verlust der Untergesellschaft wird der Obergesellschaft entsprechend ihrer Beteiligungsquote am Gesellschaftskapital (Festkapital; Kapitalkonto I) zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Gewerbesteuerlich bleibt es dagegen bei der Selbständigkeit der gewerblichen Personengesellschaft, die eigenständiges Steuersubjekt ist (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Soweit im Gewerbeertrag der Obergesellschaft Gewinnanteile oder Verlustanteile der Untergesellschaft enthalten sind (§ 7 Satz 1 GewStG), ist bei der Obergesellschaft folglich eine Korrektur durch Kürzung des Gewinnanteils (§ 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG) oder Hinzurechnung des Verlustanteils (§ 8 Nr. 8 GewStG) vorzunehmen. Ungeachtet der gewerbesteuerrechtlichen Selbständigkeit der Personengesellschaft kommt die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften auch den mittelbar beteiligten Gesellschaftern (Mitunternehmern) zugute, sofern sie natürliche Personen sind. Das gewährleistet § 35 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 2 EStG. Danach sind bei der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die einzelnen Mitunternehmer anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge, die aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) stammen, einzubeziehen. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften sind die Gewerbeerträge und Gewerbesteuer-Messbeträge für die Obergesellschaft und die Untergesellschaft(en) getrennt (isoliert) zu ermitteln. Es findet also bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 5 EStG – ebenso wie bei der Beteiligung eines Gesellschafters (Mitunternehmers) an mehreren Mitunternehmerschaften – keine Verrechnung (Saldierung) der positiven und negativen Gewerbeerträge der Obergesellschaft und der Untergesellschaft(en) statt.1 Negative Gewerbeerträge sind mit null Euro anzusetzen. Das gilt für die Obergesellschaft ebenso wie für die Untergesellschaft(en).2 Darüber hinaus ist ein aus gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 GewStG resultierender positiver Gewerbeertrag und damit Gewerbesteuer-Messbetrag der Ober- oder Untergesellschaft, dem negative gewerbliche Einkünften (oder ein ausgeglichenes Ergebnis) zugrundeliegen, nicht zu berücksichtigen.3 Das folgt aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 3 GewStG und ergibt sich aus dem Sinn der Gewerbesteueranrechnung.4
1 S. im Einzelnen unter Rz. 6.689; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 27, geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43, geändert durch BMF v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001, BStBl. I 2010, 1312; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 26. 2 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 27, geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43, geändert durch BMF v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001, BStBl. I 2010, 1312; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 26. 3 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 27, geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43, geändert durch BMF v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001, BStBl. I 2010, 1312; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13, 15, 26. 4 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13, 15, 26; s. auch unter Rz. 6.689.
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6.709
§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.710
Die anteiligen positiven Gewerbesteuer-Messbeträge der Untergesellschaft(en) werden der Obergesellschaft auf der Grundlage ihrer Beteiligung an der Untergesellschaft und des für diese geltenden allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssels zugerechnet und mit einem etwaigen eigenen positiven Gewerbesteuer-Messbetrag der Obergesellschaft zusammengefasst (§ 35 Abs. 2 Satz 5 EStG). Anschließend wird der zusammengefasste (aggregierte) GewerbesteuerMessbetrag den Gesellschaftern (Mitunternehmern) der Obergesellschaft nach deren allgemeinem handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zugerechnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Die Einbeziehung des positiven GewerbesteuerMessbetrags der Untergesellschaft(en) nach § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG und die Zurechnung des zusammengefassten Gewerbesteuer-Messbetrags an die Gesellschafter der Obergesellschaft bei mehrstöckigen Personengesellschaften gewährleistet, dass es bei den mittelbaren Gesellschaftern zu einer Steuerentlastung bei der Einkommensteuer kommt, die die Belastung, die mit der von ihnen indirekt getragenen Gewerbesteuer verbunden ist, ausgleicht oder verringert.1
6.711
Vergütungen, die Gesellschafter der Obergesellschaft für ihre Tätigkeit oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern an die Untergesellschaft von dieser erhalten, führen bei den Mitunternehmern zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Das folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG. Danach stehen die mittelbar über eine Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich. Bei der Zurechnung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags der Untergesellschaft an die Obergesellschaft sind etwaige Vergütungen an den mittelbaren Gesellschafter nicht zu berücksichtigen.2 Maßgebend ist die Beteiligung des Gesellschafters (Mitunternehmers) an der Obergesellschaft.3
3. Anrechnungsüberhänge a) Begriff; Konsequenzen 6.712
Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG wirkt sich nur aus, wenn der Steuerpflichtige ausreichend Einkommensteuer entrichtet und darüber hinaus genügend positive gewerbliche Einkünfte im zu versteuernden Einkommen vorhanden sind. Fehlt es daran, geht die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung ganz oder teilweise ins Leere.4 Im Veranlagungszeitraum nicht ausgenutzte Ermäßigungsbeträge (Anrechnungsvolumen) gehen in einem solchen Fall endgültig verloren; es entstehen Anrechnungsüberhänge. Ein Rücktrag oder Vortrag der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ist nicht möglich;5 es kommt auch nicht zu einer Steuererstattung.6 Aufgrund des von 1,8 auf 3,8 erhöhten Faktors ist die Bedeutung von Anrechnungsüberhängen gestiegen.7 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 14/3366 v. 16.5.2000, S. 119; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 26. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25 f. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25 f. Schaumburg in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 190. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 12; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 7, 36. 6 Schaumburg in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 347, 354. 7 Vgl. Förster, DB 2007, 760 (761).
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
b) Ursachen Bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags (Anrechnungsvolumen) sind die Grundsätze des Verlustausgleichs und Verlustabzugs nicht zu beachten mit der Folge, dass sich das Anrechnungsvolumen nicht verringert (s. Rz. 6.691). Bei der Einkommensteuerveranlagung sind diese Grundsätze dagegen uneingeschränkt anwendbar. Grund für die Entstehung von Anrechnungsüberhängen ist zum einen der horizontale Verlustausgleich, d.h. die Verrechnung (Saldierung) von negativen und positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb, die aus verschiedenen Einkunftsquellen stammen. Das ist bei einer Mitunternehmerschaft der Fall, wenn ein Gesellschafter ein gewerbliches Einzelunternehmen unterhält und Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft oder als Mitunternehmer an mehreren gewerblichen Personengesellschaften beteiligt ist und ihm sowohl ein steuerlicher Verlust als auch ein steuerlicher Gewinn zugerechnet wird. Die Verrechnung der negativen und positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb kann zur Folge haben, dass bei ihm keine oder nur geringe positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorhanden sind. Gleichzeitig fällt bei der Personengesellschaft, die einen steuerlichen Gewinn – einen positiven Gewerbeertrag – erzielt hat, Gewerbesteuer an. Auch der vertikale Verlustausgleich, d.h. die Verrechnung positiver Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten, kann Ursache für Anrechnungsüberhänge sein. Darüber hinaus kann der Verlustabzug, d.h. der Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) und der Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG), zu Anrechnungsüberhängen führen. Sie können ferner dadurch entstehen, dass der steuerliche Gewinn und damit die Einkünfte aus Gewerbebetrieb einerseits und der Gewerbeertrag andererseits voneinander abweichen. Das ist z.B. der Fall, wenn die Mitunternehmerschaft einkommensteuerlich einen Gewinn erzielt und gewerbesteuerlich aufgrund von Hinzurechnungen nach § 8 GewStG ein höherer Gewerbeertrag entsteht. Den Mitunternehmern wird der anteilig auf sie entfallende Gewerbesteuer-Messbetrag zugeordnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG). Sie können die damit verbundene Steuerermäßigung nicht nutzen, soweit im zu versteuernden Einkommen nicht genügend positive gewerbliche Einkünfte enthalten sind. Wenn eine Mitunternehmerschaft dagegen einkommensteuerlich einen Verlust erleidet oder ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt, gewerbesteuerlich aufgrund von Hinzurechnungen nach § 8 GewStG aber ein positiver Gewerbeertrag entsteht, ergibt sich Folgendes: Die Personengesellschaft ist in diesem Fall zwar mit Gewerbesteuer belastet. Der positive Gewerbeertrag und der daraus resultierende Gewerbesteuer-Messbetrag werden jedoch mangels positiver gewerblicher Einkünfte nicht berücksichtigt.1 Als Konsequenz besteht insoweit kein Anrechnungsvolumen, so dass keine Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG eintritt.
6.713
c) Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften Bei gewerblichen Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) ergeben sich die folgenden Besonderheiten, die zu Anrechnungsüberhängen führen können. Bei der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die Mitunternehmer nach 1 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 10; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 13, 15; s. auch unter Rz. 6.689.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
§ 35 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der allgemeine handelsrechtliche Gewinnverteilungsschlüssel zugrunde zu legen, sofern er steuerrechtlich anzuerkennen ist (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG); Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG). Auch Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sind ebenso wie die Ergebnisse aus Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen bei der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nicht zu berücksichtigen.1 Das gilt für Vorabgewinnanteile und Sondervergütungen – anders als nach der bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung – unabhängig davon, ob diese gewinnabhängig sind (s. Rz. 6.699). Ist einem Mitunternehmer aufgrund seiner Beteiligungsquote ein hoher Anteil am Gewerbesteuer-Messbetrag zuzurechnen, ist der auf ihn entfallende Anteil am steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft – auf der Grundlage der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung – infolge eines Verlustes aus der Sonderbilanz oder Ergänzungsbilanz dagegen niedrig, kann er die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht oder nur eingeschränkt nutzen. Umgekehrt steht einem Mitunternehmer, der einen hohen Gewinn aus der Sonderbilanz erzielt, u.U. nicht genügend Anrechnungsvolumen zur Verfügung.2 Gewerbesteuer-Messbeträge, die aus der gewerbesteuerpflichtigen Veräußerung eines Mitunternehmeranteils herrühren, sind ebenfalls nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen.3 Den Gesellschaftern, die keinen Veräußerungsgewinn zu versteuern haben, steht in diesem Falle ein zu hoher anteiliger Gewerbesteuer-Messbetrag zu mit der Folge, dass ein Anrechnungsüberhang entsteht. Dem Veräußerer, der den Veräußerungsgewinn zu versteuern hat, steht dagegen ein vergleichsweise zu niedriges Anrechnungsvolumen zur Verfügung. 6.715
Die Entstehung von Anrechnungsüberhängen bei Mitunternehmerschaften ist die zwingende Folge der gesetzlichen Regelung, nach der sich die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die Mitunternehmer nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel richtet, sofern er steuerrechtlich anzuerkennen ist (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Auf die Verursachung der Gewerbesteuer kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welchem Umfang die Gesellschafter wirtschaftlich mittelbar durch die Gewerbesteuer belastet sind. Die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags weicht damit von der Zurechnung des steuerlichen Gewinns der Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) auf der Grundlage der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ab (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO); hierbei sind die Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und darüber hinaus sonstige Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben ebenso wenig zu berücksichtigen wie die Ergebnisse – Gewinne und Verluste – aus Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen.
1 S. im Einzelnen unter Rz. 6.699; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 22 f., geändert durch BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2010, 43; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25. 2 S. im Einzelnen unter Rz. 6.716 (Beispiel). 3 S. im Einzelnen unter Rz. 6.721; BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 30; Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 25.
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
Die Entstehung und Wirkung eines Anrechnungsüberhangs verdeutlicht das folgende Beispiel A und B sind als Kommanditisten zu je 50 % am Gesellschaftskapital (Festkapital) der A & B GmbH & Co. KG beteiligt. Die A & B Verwaltungs-GmbH (Komplementär-GmbH) ist am Gesellschaftskapital und Vermögen nicht beteiligt. Die A und B GmbH & Co. KG erzielt im Veranlagungszeitraum 2015 einen Gesamthandsgewinn i.H.v. 100 000 Euro vor Gewerbesteuer. Der Kommanditist A veräußert im Veranlagungszeitraum 2015 ein Grundstück, das er bisher an die A & B GmbH & Co. KG vermietet hatte (notwendiges Sonderbetriebsvermögen I); er erzielt dabei einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 000 Euro. A und B erzielen ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der A & B GmbH & Co. KG. Der tatsächliche (relevante) Steuersatz beträgt für A im Veranlagungszeitraum 2015 40 % und für B 30 %. Bei der nachfolgenden Berechnung bleiben sowohl die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag als auch der Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) aus Vereinfachungsgründen außer Betracht. A&B GmbH & Co. KG
A (50 %)
B (50 %)
Gesamthandsgewinn vor GewSt
100 000
50 000
Sonderbilanzgewinn des A
500 000
500 000
–
= Gewerbeertrag
600 000
550 000
50 000
./. 84 000
./. 42 000
./. 42 000
16 000
8 000
8 000
Steuerlicher Gesamthandsgewinn
100 000
50 000
50 000
Sonderbilanzgewinn des A
500 000
500 000
–
= Steuerlicher Gewinn der Mitunternehmerschaft
600 000
550 000
50 000
anteiliger GewSt-Messbetrag
21 000
10 500
10 500
3,8-faches des anteiligen GewSt-Messbetrags
79 800
39 900
39 900
220 000
15 000
./. 39 900
./. 39 900
180 100
–
./. GewSt (Hebesatz 400 %) = Handelsrechtlicher Gesamthandsgewinn
ESt; A (40 %); B (30 %) ./. Steuerermäßigung = verbleibende ESt
50 000
Der Gewerbesteuer-Messbetrag wird A und B nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel und damit ihren Beteiligungsquoten am Gesellschaftskapital (Festkapital) je zur Hälfte zugerechnet (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG). Auf den Kommanditisten B entfällt ein Betrag der Steuerermäßigung (Anrechnungsvolumen) von 39 900 Euro. Er kann es jedoch nicht vollständig nutzen, weil er im Veranlagungszeitraum 2015 aufgrund seiner niedrigen positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb lediglich eine Einkommensteuer i.H.v. 15 000 Euro schuldet. Es entsteht ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 14 900 Euro. Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geht bei B folglich in Höhe dieses Betrages ins Leere. Umgekehrt entfällt auf A im Verhältnis zu seinem Anteil am steuerlichen Gewinn ein zu niedriges Anrechnungsvolumen. Gleichwohl ist die Zurechnung des Gewerbesteuer-Messbetrags auf der Grundlage des allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssels (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG) sachgerecht, weil A und B wirtschaftlich zu je 50 % mit der Gewerbesteuer belastet sind. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder auf schuldrechtlicher Grundlage vereinbart haben, dass im Innenverhältnis jeder Gesellschaf-
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6.716
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
ter die Gewerbesteuer zu tragen hat, die durch Veräußerungsgewinne in seinem Sonderbetriebsvermögen verursacht sind, und er umgekehrt bei Veräußerungsverlusten entlastet wird. In diesem Fall führte die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Nachteil des A. Ihm steht nach der gesetzlichen Regelung der Gewerbesteuer-Messbetrag zur Hälfte zu, obwohl er im Falle einer Vereinbarung der Gesellschafter im Innenverhältnis wirtschaftlich die Gewerbesteuer i.H.v. 77 028 Euro (= 91,7 %), B dagegen nur i.H.v. 6 972 Euro (= 8,3 %) zu tragen hätte. Die Tatsache, dass bei B ein Anrechnungsüberhang entsteht, ändert nichts an dem Nachteil des A. In einem solchen Fall stellt sich die Frage nach einer Ausgleichsregelung zwischen den Gesellschaftern (s. Rz. 6.704 f., 6.718).
d) Vermeidung von Anrechnungsüberhängen 6.717
Anrechnungsüberhänge lassen sich in bestimmten Grenzen durch sachgerechte Gestaltungen vermeiden. Die bisher – insbesondere von der Finanzverwaltung – anerkannte Möglichkeit, gewinnabhängige Vorabgewinnanteile und Sondervergütungen zu vereinbaren, besteht aufgrund der Rechtsprechung des BFH nicht mehr (s. Rz. 6.699). Derartige gewinnabhängige Vereinbarungen sind bei der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG folglich nicht zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, den Umfang des Sonderbetriebsvermögens durch Übertragung (Einbringung) der Wirtschaftsgüter in das Gesamthandsvermögen1 oder auf (in) eine ganz oder teilweise personen- und beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft oder eine Besitzpersonengesellschaft (mitunternehmerische Betriebsaufspaltung)2 zu beseitigen oder zumindest einzuschränken.
6.718
Wenn die Gesellschafter vereinbart haben, dass sie die Gewerbesteuer im Innenverhältnis zu tragen haben, soweit sie sie verursacht haben – insbesondere unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Sonder- und Ergänzungsbilanzen –, ist eine Ausgleichsregelung der Gesellschafter sinnvoll, nach der der Gesellschafter, der nach der gesetzlichen Regelung einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt, obwohl er wirtschaftlich durch die Gewerbesteuer nicht oder nur eingeschränkt belastet ist, diesen Vorteil auszugleichen hat.3 Dasselbe gilt umgekehrt für ungerechtfertigte wirtschaftliche Nachteile eines Gesellschafters. Der Anrechnungsüberhang selbst lässt sich dadurch aber nicht beseitigen.
4. Ausscheiden von Gesellschaftern; Gesellschafterwechsel 6.719
Wenn ein Gesellschafter (Mitunternehmer) im Laufe des Wirtschaftsjahres – bspw. zum 30.6. – aus der Personengesellschaft ausscheidet oder seinen Gesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) zu diesem Zeitpunkt veräußert, stellt sich die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ihm die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugute kommt.4 Die Gewerbesteuer entsteht erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums (§ 18 GewStG); zu diesem Zeitpunkt ist der Gesellschafter nicht mehr an der Personengesellschaft beteiligt. Wenn es für die Aufteilung des antei1 2 3 4
S. im Einzelnen unter Rz. 6.707. S. im Einzelnen unter Rz. 6.708. S. im Einzelnen unter Rz. 6.704 f. Vgl. Rödder, DStR 2002, 939 (942 f.); Ritzer/Stangl, DStR 2002, 1785 (1789 f.).
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
ligen Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG auf den allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zum Ende des Wirtschaftsjahres (Erhebungszeitraumes) ankommt, steht dem Gesellschafter, der im Laufe des Wirtschaftsjahres ausgeschieden ist oder seinen Mitunternehmeranteil veräußert hat, die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht zu. Dieser formale Gesichtspunkt ist jedoch nicht maßgebend. Entscheidend ist, dass der Mitunternehmer während seiner Zugehörigkeit zu der Mitunternehmerschaft gewerbliche Einkünfte erzielt hat, die der Gewerbesteuer unterliegen. Das lässt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG herleiten, der vom anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag spricht und damit sowohl die Beteiligungsquote als auch den Zeitraum der Beteiligung als Mitunternehmer meint, und entspricht zum anderen dem Sinn der Regelung.1 Dieser Umstand ist insbesondere bei der gewerbesteuerpflichtigen Veräußerung eines Gesellschaftsanteils (Mitunternehmeranteils) von Bedeutung. Folglich ist dem betreffenden Gesellschafter das 3,8-fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags zeitanteilig nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG zuzuordnen.2 Die zeitanteilige Zuordnung richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem er aus der Gesellschaft ausgeschieden ist oder seinen Gesellschaftsanteil (Mitunternehmeranteil) übertragen hat; maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, zu dem das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist (steuerrechtlicher Übertragungsstichtag). Insofern sind die von den Gesellschaftern anlässlich des Ausscheidens oder der Veräußerung getroffenen Vereinbarungen maßgebend.3 Je nach Fallkonstellation können sich durch die Festlegung des steuerrechtlichen Übertragungsstichtags bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Verkäufer und den Käufer – sofern es sich um eine natürliche Person handelt – erhebliche Vorteile oder Nachteile ergeben. Bei einer gewerbesteuerpflichtigen Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist für den Verkäufer im Zweifel die Veräußerung zum Ende eines Geschäftsjahres (Wirtschaftsjahres) von Vorteil. Für den Käufer ist dagegen ein früherer Zeitpunkt im Geschäftsjahr (Wirtschaftsjahr) – im Idealfall der Beginn des Geschäftsjahres – empfehlenswert. Die vorstehenden Grundsätze zur zeitanteiligen Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten entsprechend, wenn ein Gesellschafter (Mitunternehmer) während des Geschäftsjahres (Wirtschaftsjahres) in die Personengesellschaft eintritt.
6.720
Der Veräußerungsgewinn hat keine Auswirkungen auf den allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel und ist daher ohne Bedeutung für die Zurechnung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG.4 Der ausscheidende oder veräußernde Gesellschafter hat m.a.W. den Veräußerungsgewinn zu versteuern (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), ohne insoweit in den Genuss des Anrechnungsvolumens und damit der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu gelangen. Das ist unproblematisch, wenn der Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn nicht gewerbesteuerpflichtig ist. Das Ergebnis ist
6.721
1 2 3 4
Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 52. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 30. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 30. BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 30.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
darüber hinaus sachgerecht, wenn Gewerbesteuer anfällt und die Gesellschafter sie wirtschaftlich entsprechend ihrer Beteiligungsquote zu tragen haben. 6.722
Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Gesellschafter vereinbart haben, dass der Veräußerer im Innenverhältnis die Gewerbesteuer zu tragen hat, die auf den Veräußerungsgewinn entfällt. In einem solchen Fall ist eine Ausgleichsregelung der Gesellschafter sinnvoll, nach der der Gesellschafter, der nach der gesetzlichen Regelung einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt, obwohl er wirtschaftlich durch die Gewerbesteuer nicht oder nur eingeschränkt belastet ist, diesen Vorteil auszugleichen hat (s. Rz. 6.704 f., 6.718). Dasselbe gilt umgekehrt für wirtschaftliche Nachteile eines Gesellschafters. Bei den anderen Gesellschaftern kann es infolgedessen zu einem Anrechnungsüberhang kommen (s. Rz. 6.712 ff.). Eine derartige Ausgleichsregelung hat keine Bedeutung für die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG.1
5. Besondere Konstellationen a) Atypisch stille Gesellschaft 6.723
Die Steuerermäßigung gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt auch für andere gewerbliche Mitunternehmerschaften und damit insbesondere für die atypisch stille Gesellschaft.2 Bei der atypisch stillen Gesellschaft besteht eine Konstellation, die der GmbH & Co. KG vergleichbar ist. Der atypisch stille Gesellschafter muss eine natürliche Person sein. Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist der jeweilige Geschäftsinhaber (Unternehmer; § 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG), also bspw. die GmbH bei einer GmbH & Still oder die GmbH & Co. KG. Die Steuerentlastung des atypisch stillen Gesellschafters ist sachlich nur gerechtfertigt, wenn er wirtschaftlich mittelbar – ebenso wie der Geschäftsinhaber oder die anderen Gesellschafter (Mitunternehmer) – durch die Gewerbesteuer belastet ist. Das ist der Fall, wenn der atypisch stille Gesellschafter – wie es § 232 Abs. 1 HGB voraussetzt – am handelsrechtlichen Jahresüberschuss (steuerlichen Gewinn) und Jahresfehlbetrag (steuerlichen Verlust) beteiligt ist. Im Falle eines Jahresüberschusses wäre er dann mittelbar durch die Gewerbesteuer belastet. Ist der atypisch stille Gesellschafter nach dem Vertrag am steuerlichen Gewinn oder Verlust beteiligt, gilt – jedenfalls seit dem Jahr 2008 – das Gleiche, weil die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar ist (§ 4 Abs. 5b EStG). Ist der atypisch stille Gesellschafter nach dem Vertrag dagegen am Jahresüberschuss (Jahresfehlbetrag) oder steuerlichen Gewinn (Verlust) vor Abzug der Gewerbesteuer beteiligt, ist er im Ergebnis wirtschaftlich nicht durch die Gewerbesteuer belastet. In einem solchen Fall führt die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags nach dem allgemeinen handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG) zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil für den atypisch stillen Gesellschafter. Ihm steht nach der gesetzlichen Regelung der Gewerbesteuer-Messbetrag anteilig – in Höhe seiner Beteiligungsquote am Jahresüberschuss (steuerlicher Gewinn) – zu, 1 Vgl. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 27. 2 BMF v. 24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002, BStBl. I 2009, 440 Tz. 19; FG Berlin-Bdb. v. 23.10.2007 – 6 K 1332/03 B, EFG 2008, 219 (220); Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 30.
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Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG
obwohl er die anteilig mittelbar auf ihn entfallende Gewerbesteuer nicht zu tragen hat. Das ist die Folge der pauschalierenden und typisierenden gesetzlichen Regelung, die – speziell im Fall der atypisch stillen Gesellschaft – nicht danach unterscheidet, ob der atypisch stille Gesellschafter mittelbar wirtschaftlich durch die Gewerbesteuer belastet ist. In einem solchen Fall stellt sich für den Geschäftsinhaber, die anderen Gesellschafter und den atypisch stillen Gesellschafter die Frage, ob sie eine Ausgleichsregelung vereinbaren. Diese hat Bedeutung für die Zurechnung des steuerlichen Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, nicht dagegen die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 EStG (s. Rz. 6.704 f., 6.718). b) Organschaft Ist die GmbH & Co. KG Organträger einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft,1 wird ihr das positive oder negative – selbständig ermittelte – Einkommen der Organgesellschaft(en) zugerechnet (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Gewerbesteuerrechtlich gilt die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Infolgedessen wird der positive oder negative Gewerbeertrag der Organgesellschaft(en) – trotz der getrennten Ermittlung des Gewerbeertrags – ebenfalls beim Organträger erfasst. Der Gewerbesteuer-Messbescheid (§ 14 GewStG) ergeht gegenüber der GmbH & Co. KG als Organträger. Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist in einem solchen Fall die Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), so dass die Gesellschafter (Mitunternehmer) – nach Verrechnung der positiven und negativen Gewerbeerträge auf der Ebene des Organträgers – durch die Gewerbesteuer mittelbar belastet sind. Das gilt unabhängig davon, ob der Gewerbeertrag vollständig oder teilweise aus den wirtschaftlichen Aktivitäten der Organgesellschaft(en) stammt. Infolgedessen ist die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch anzuwenden, wenn die Personengesellschaft (gewerbliche Mitunternehmerschaft) Organträger ist, sofern deren Gesellschafter natürliche Personen sind.2 Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BFH, soweit die Organgesellschaft ihrerseits Gesellschafterin (Mitunternehmerin) einer Personengesellschaft ist.3 Die Organgesellschaft entfaltet als Kapitalgesellschaft nach der Rechtsprechung Abschirmwirkung.4 Es fehlt danach die für die Anwendung des § 35 Abs. 2 Satz 5 EStG erforderliche unmittelbare Mitunternehmererstellung des Organträgers,5 d.h. der GmbH & Co. KG.
6.724
6. Fazit Die pauschalierte Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Abs. 1 EStG ist eine ausgesprochen komplizierte und in der Anwendung schwierige Vorschrift. Die Gesellschafter der GmbH & Co. KG sollten sich deshalb überlegen, ob und ggf. in wel1 S. im Einzelnen unter Rz. 6.608. 2 Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 54. 3 BFH v. 22.9.2011 – IV R 3/10, BStBl. II 2012, 14 (16); zust. Gosch in Kirchhoff, § 35 EStG Rz. 30; krit. Wacker in Schmidt, § 35 EStG Rz. 54 m.w.N. 4 BFH v. 22.9.2011 – IV R 3/10, BStBl. II 2012, 14 (16). 5 BFH v. 22.9.2011 – IV R 3/10, BStBl. II 2012, 14 (19).
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
chem Umfang sie geeignete Gestaltungen vornehmen, so dass die Regelung – soweit sie Gestaltungsmöglichkeiten zulässt – den besonderen Verhältnissen ihres Unternehmens entspricht. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind allerdings insofern beschränkt, als Vorabgewinne generell – unabhängig davon, ob sie gewinnabhängig oder gewinnunabhängig sind – bei der Aufteilung des (anteiligen) GewerbesteuerMessbetrags nicht berücksichtigt werden dürfen. Einstweilen frei.
6.726–6.750
C. Umsatzsteuer I. Unternehmereigenschaft 6.751
Die GmbH & Co. KG ist wie jede andere Personengesellschaft umsatzsteuerrechtsfähig. Sie wird regelmäßig selbständig gewerblich tätig und ist daher Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG. Dies gilt auch für eine KG, wenn ihr persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist und deren einziger Gesellschafter der einzige Kommanditist der KG ist.1 Das Merkmal der Selbständigkeit könnte entfallen, soweit eine Organschaft mit der Komplementär-GmbH begründet würde. Bei einer GmbH & Co. KG ist ein Organschaftsverhältnis mit der GmbH & Co. KG als Organgesellschaft im nationalen Umsatzsteuerrecht jedoch nicht vorgesehen, weil nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur eine juristische Person Organgesellschaft sein kann. Der BFH hatte diese Regelung in der Vergangenheit für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten,2 obwohl sie einen durch das Unionsrecht eingeräumten Spielraum nur teilweise nutzt.3 Nach einer Entscheidung des FG München aus dem Jahr 2013 ist die Beschränkung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf Kapitalgesellschaften als Organgesellschaften jedoch unionsrechtswidrig.4 Der V. Senat des BFH hat das gegen diese Entscheidung anhängige Revisionsverfahren ruhend gestellt,5 nachdem der XI. Senat des BFH in zwei Vorabentscheidungsersuchen u.a. diese Problematik an den EuGH herangetragen hat.6 Mit Urteil vom 16.7.2015 hat der EuGH über diese Vorabentscheidungsersuchen entschieden:7 Danach ist „Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu 1 BFH v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362. 2 BFH v. 1.7.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373; BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, BStBl. II 2011, 597 = GmbHR 2010, 823. 3 BFH v. 19.5.2005 – V R 31/03, BStBl. II 2005, 671 = GmbHR 2005, 1209; BFH v. 14.2.2008 – V R 13/06, BFH/NV 2008, 1365. 4 FG München v. 13.3.2013 – 3 K 235/10, EFG 2013, 1434; so auch: Boor, UR 2013, 729 (735 f.); Slapio, UR 2013, 407 (411). 5 BFH v. 23.4.2014 – V R 25/13, juris. 6 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376 (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323 (Az. des EuGH: C-109/14). 7 EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, DStR 2015, 1673.
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Umsatzsteuer
bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.“ Außerdem hat nach Auffassung des EuGH Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung keine unmittelbare Wirkung. Gegenwärtig ist daher zwar auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Regelungen ein Organschaftsverhältnis zwischen der Komplementär-GmbH als Organträger und der GmbH & Co. KG als Organgesellschaft nicht anzunehmen. Abhängig von den weiteren Entscheidungen des BFH in den beim V. und XI. Senat anhängigen Verfahren und einem möglichen gesetzgeberischen Akt ist indes ein solches Organschaftsverhältnis zukünftig denkbar, was insbesondere auf den Leistungsaustausch zwischen GmbH und GmbH & Co. KG Auswirkungen hätte. Insoweit lägen nichtsteuerbare Innenumsätze vor. Die Komplementär-GmbH erfüllt i.d.R. mangels Eingliederung in die KG die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht.1 Denkbar ist eine Organschaft mit der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft lediglich in besonderen Konstellationen wie z.B. der Einheitsgesellschaft (s. Rz. 3.310 ff.). Keine unternehmerische Tätigkeit übt eine Personenhandelsgesellschaft insoweit aus, als sie sich an anderen Gesellschaften beteiligt. Das bloße Erwerben und Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft oder die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Einbringung von Vermögensgegenständen in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfüllt grundsätzlich nicht das erforderliche Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Tätigkeit.2 Eine Beteiligung kann aber dann der unternehmerischen Sphäre zuzurechnen sein, wenn sie z.B. erworben wird, um Einfluss bei einem potentiellen Konkurrenten zu erlangen oder um einen Lieferanten oder Kunden zu stützen.3 Handelt es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Holding, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen beschränkt und die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt (sog. Finanzholding), kann diese keine Unternehmerin i.S.v. § 2 UStG sein.4 Handelt es sich hingegen um eine sog. Führungs- bzw. Funktionsholding, die im Sinne einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft 1 BFH v. 14.12.1978 – V R 83/74, BStBl. II 1979, 288. 2 Vgl. EuGH v. 14.11.2000 – Rs. C-142/99, EuGHE I 2000, 9567 = UR 2000, 530; EuGH v. 27.9. 2001 – Rs. C-16/00, EuGHE I 2001, 6663 und EuGH v. 29.4.2004 – Rs. C-77/01, EuGHE I 2004, 4295 = UR 2004, 292 m. Komm. Wäger; EuGH v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11, UR 2012, 762; BFH v. 20.1.1988 – X R 48/81, BStBl. II 1988, 557 = GmbHR 1989, 55; BFH v. 28.9.1988 – X R 6/82, BStBl. II 1989, 122; BFH v. 9.2.2012 – V R 40/10, BStBl. II 2012, 844; ausführlich auch Abschn. 2.3. Abs. 2, 3 UStAE. 3 BFH v. 20.1.1988 – X R 48/81, BStBl. II 1988, 557 = GmbHR 1989, 55; Abschn. 2.3. Abs. 3 Satz 5 UStAE. 4 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376, m.w.N. (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323, m.w.N. (Az. des EuGH: C-109/14); jüngst bestätigt durch EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, DStR 2015, 1673 m.w.N.; Abschn. 2.3. Abs. 3 Satz 2 UStAE; Dannecker, BB 2005, 1028 m.w.N.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
ihrer Tochtergesellschaften eingreift, ist diese als Unternehmerin zu qualifizieren.1 Schließlich kann eine Holding sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich haben, wenn sie nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften geschäftsleitend tätig wird, während sie Beteiligungen an anderen Tochtergesellschaften lediglich hält und verwaltet (sog. gemischte Holding).2 6.753
Neben der GmbH & Co. KG können sich auch die Gesellschafter umsatzsteuerlich als Unternehmer betätigen, wenn sie selbständig gewerblich oder beruflich tätig werden. Unternehmer kann auch der Ehepartner des Kommanditisten sein, der der KG ein Wirtschaftsgut vermietet, ohne dass dieser Beurteilung die Gesellschafterstellung des Ehepartners und die dadurch gegebene enge sachliche und personelle Verflechtung entgegensteht.3 Ein Gestaltungsmissbrauch ist allerdings dann anzunehmen, wenn der Ehepartner die Anschaffungskosten sowie die laufenden Aufwendungen für das Wirtschaftsgut nicht aus der Miete und sonstigen Einkünften oder aus eigenem Vermögen decken kann und deshalb auf zusätzliche Zuwendungen seines Partners angewiesen ist.4
II. Rechtsbeziehungen und Leistungen zwischen GmbH & Co. KG und Gesellschafter 6.754
Bei Leistungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter können je nach Fallgestaltung steuerbare (und steuerpflichtige) Umsätze oder nicht steuerbare gesellschaftliche Leistungen vorliegen.
1. Leistungen der GmbH & Co. KG an ihre Gesellschafter 6.755
Die Gesellschafter der GmbH & Co. KG können ebenso wie fremde Dritte Empfänger umsatzsteuerbarer und umsatzsteuerpflichtiger Leistungen der Gesellschaft sein. Dies ergibt sich schon aus § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG, wonach eine Personenvereinigung auch dann als Unternehmer i.S. des UStG anzusehen ist, wenn sie nur gegenüber ihren Mitgliedern (Gesellschaftern) tätig wird. Erbringt die Gesellschaft Leistungen gegenüber ihren Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen,5 so ist zu unterscheiden zwischen Leistungen gegen angemessenes Entgelt oder gegen zu niedriges Entgelt sowie unentgeltlichen Leistungen. 1 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376, m.w.N. (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323, m.w.N. (Az. des EuGH: C-109/14); jüngst bestätigt durch EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, DStR 2015, 1673 m.w.N.; Abschn. 2.3. Abs. 3 Satz 3 UStAE; Dannecker, BB 2005, 1028 (1029) m.w.N. 2 BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = GmbHR 2014, 376, m.w.N. (Az. des EuGH: C-108/14); BFH v. 11.12.2013 – XI R 38/12, BStBl. II 2014, 428 = UR 2014, 323, m.w.N. (Az. des EuGH: C-109/14); jüngst bestätigt durch EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14, DStR 2015, 1673 m.w.N.; Abschn. 2.3. Abs. 3 Satz 4 UStAE. 3 Vgl. FG Nds. v. 30.8.1988 – V 6/88, EFG 1989, 146. 4 BFH v. 4.5.1994 – XI R 67/93, BStBl. II 1994, 829 = UR 1995, 26. 5 Damit gemeint sind Angehörige i.S. des § 15 AO sowie Personen oder Gesellschaften, zu denen ein Gesellschafter eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung hat, Abschn. 10.7. Abs. 1 Satz 2 UStAE.
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Umsatzsteuer
Bei Leistungen gegen angemessenes Entgelt handelt es sich um Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die sich nach dem Entgelt (Aufwendungen des Leistungsempfängers abzüglich Umsatzsteuer) bemessen (§ 10 Abs. 1 UStG).
6.756
Bei verbilligten Leistungen der Gesellschaft an Gesellschafter oder diesen nahestehenden Personen greift die sog. Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 UStG) ein. Danach sind in den Fällen von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG als Bemessungsgrundlage der Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten oder mangels eines Einkaufspreises die Selbstkosten anzusetzen, wenn das geleistete Entgelt die vorgenannten Werte unterschreitet. In den Fällen von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3 UStG gelten als Bemessungsgrundlage die bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Ausgaben (im Falle des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG, soweit sie zum – teilweisen – Vorsteuerabzug berechtigt haben), wenn das geleistete Entgelt die vorgenannten Werte unterschreitet. Die Regelung in § 10 Abs. 5 UStG findet z.B. Anwendung bei der Überlassung eines gesellschaftseigenen Fahrzeugs an einen Gesellschafter für private Zwecke, wenn dem Privatkonto des Gesellschafters nur ein Teil der infolge der PKW-Nutzung entstandenen Kosten belastet wird.1
6.757
Unentgeltliche Leistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter werden entgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt (§ 3 Abs. 1b bzw. Abs. 9a UStG):
6.758
Gem. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG wird die Entnahme, d.h. die unentgeltliche Übertragung eines Gegenstandes des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft an einen Gesellschafter, einer entgeltlichen Lieferung gleichgestellt, wenn die Gesellschaft bei Erwerb des Gegenstandes mindestens teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt war (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Denkbar wäre zwar auch eine Anwendung von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG, der unentgeltliche Zuwendungen an das Personal zum privaten Bedarf regelt. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass der Mitunternehmer einer Personengesellschaft umsatzsteuerrechtlich nicht unter den Begriff des Personals zu fassen sei.2
6.759
Die Verwendung eines der Gesellschaft zugeordneten Gegenstandes durch den Gesellschafter oder die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung an diesen durch die Gesellschaft ist nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 und 2 UStG einer entgeltlichen sonstigen Leistung gleichgestellt. Bei der Verwendung eines der Gesellschaft zugeordneten Gegenstands gilt dies nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 Halbs. 2 UStG jedoch nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG ausgeschlossen oder eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 6a UStG durchzuführen ist.
6.760
Bei der Überlassung von Fahrzeugen durch die Personengesellschaft an ihre Gesellschafter auch zur privaten Nutzung (d.h. Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung) hängt nach Auffassung der Finanzverwaltung die umsatzsteuerliche Beurteilung maßgeblich davon ab, ob die Überlassung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.3
6.761
1 Vgl. Abschn. 10.7. Abs. 1 Bsp. 1 UStAE. 2 Birkenfeld, USt-Hdb., I § 80 Rz. 1219. 3 OFD Magdeburg v. 2.7.2014 – S 7100-129-St 244, juris; vgl. auch OFD Niedersachsen v. 4.3. 2015 – S 7100-421 - St 172, juris; vgl. auch die Beispiele bei Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. B490 ff.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Regelmäßig hat der Gesellschafter die private Nutzung des PKW zu bezahlen, z.B. durch die Belastung seines Gesellschafter-Verrechnungskontos. In diesem Fall ist von einer entgeltlichen Überlassung auszugehen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist unter der Bedingung, dass auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, einschlägig. Ist zwar kein Entgelt vereinbart, aber erbringt der Gesellschafter steuerbare sonstige Leistungen an die Gesellschaft, z.B. als Geschäftsführer, Vermieter oder Architekt, ist von einem tauschähnlichen Umsatz auszugehen (§ 3 Abs. 12 UStG). Das Entgelt für die Fahrzeugüberlassung besteht in einem Teil der Dienstleistung des Gesellschafters. Ist kein Entgelt vereinbart und ist der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft auch nicht unternehmerisch tätig, kann i.d.R. davon ausgegangen werden, dass die Überlassung des PKW auch zur privaten Nutzung unentgeltlich erfolgt. Abhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen erfolgt eine Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG). Überlässt eine GmbH & Co. KG ihrer Komplementär-GmbH einen PKW, der durch den Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH für berufliche und private Fahrten genutzt wird, ist die Fahrzeugüberlassung der KG an die GmbH ebenfalls nach diesen Grundsätzen zu behandeln.1 Wird dem Gesellschafter zusätzlich zur unentgeltlichen Fahrzeugüberlassung auch ein im Unternehmen angestellter Fahrer unentgeltlich für den Privatbedarf zur Verfügung gestellt, so handelt es sich nicht um eine einheitliche durch die Fahrzeugüberlassung geprägte Verwendung, sondern die Fahrzeugüberlassung (Verwendung i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG) und die Fahrergestellung (Dienstleistung i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG) sind gesondert zu beurteilen.2 6.762
Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben sind entweder der Einkaufspreis zzgl. Nebenkosten bzw. die Selbstkosten bei der Gegenstandsentnahme (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) oder die bei Ausführung der sonstigen Leistungen entstandenen Ausgaben (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG).
6.763
Die Personengesellschaft ist nicht berechtigt, über unentgeltliche Wertabgaben an ihre Gesellschafter eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis i.S. des § 14 UStG zu erteilen. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG.3 Denn von § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG werden nur verbilligte Leistungen i.S.v. § 10 Abs. 5 UStG, nicht aber unentgeltliche Leistungen erfasst.
6.764
Nichtabzugsfähige Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 EStG – insbesondere Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind (Nr. 1), sowie geschäftlich veranlasste Bewirtungsaufwendungen, soweit sie 70 % der angemessenen Aufwendungen übersteigen (Nr. 2) – schließen unmittelbar den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 1a Satz 1 UStG). Seit dem 19.12.2006 gilt 1 OFD Magdeburg v. 2.7.2014 – S 7100-129-St 244, Nr. 2, juris; vgl. auch OFD Niedersachsen v. 4.3.2015 – S 7100-421 – St 172, Nr. 4, juris. 2 FG Düsseldorf v. 3.3.1999 – 5 K 294/95 U, EFG 1999, 804; Klenk in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rz. 661. Zur zeitlichen Anwendbarkeit von Sonderregelungen bei Fahrzeug-Anschaffungen und Fahrzeugüberlassungen in der Vergangenheit (insb. § 15 Abs. 1b UStG a.F. und § 3 Abs. 9a Satz 1 und Satz 2 UStG a.F.) s. die 19. Aufl. 2005, § 8 Rz. 499. 3 Vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 UStG Rz. 87, 420 ff.; Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. B491 f.; Widmann, DB 1999, 925 (927); Abschn. 3.2. Abs. 2 Satz 5 UStAE; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 UStG Rz. 495.
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Umsatzsteuer
aufgrund der Änderungen durch das JStG 20071 der Verweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nur noch eingeschränkt. Nach § 15 Abs. 1a Satz 2 UStG greift der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nicht bei Bewirtungskosten ein, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen verhindert.
2. Leistungen der Gesellschafter an die GmbH & Co. KG Neben der GmbH & Co. KG können auch die Gesellschafter als Unternehmer i.S. des UStG auftreten. Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Leistungen an die Gesellschaft ist zu prüfen, ob ein umsatzsteuerbarer (und ggf. umsatzsteuerpflichtiger) Leistungsaustausch oder ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag (§ 706 BGB) vorliegt.
6.765
Die Frage, ob ein Leistungsaustausch erfolgt, ist unabhängig davon zu beantworten, ob eine Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht oder nicht.2 Der Gesellschafter kann daher wählen, ob er einen Gegenstand verkauft, vermietet oder ihn selbst bzw. seine Nutzung als Einlage erbringt.3 Maßgebend ist allein, ob der Leistung des Gesellschafters ein Sonderentgelt als Gegenleistung gegenübersteht oder ob der Gesellschafter eine Leistung erbringt, die durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten ist.4
6.766
Gestalten Gesellschafter und Gesellschaft die Gebrauchsüberlassung eines Wirtschaftsguts nicht als Gesellschafterbeitrag, sondern als Mietverhältnis, führt dies i.d.R. schon zur Unternehmereigenschaft des Gesellschafters. Eine derartige Gestaltung ist grundsätzlich nicht unangemessen i.S.v. § 42 Abs. 2 AO, da es jedem Steuerpflichtigen freisteht, sein Verhalten so zu gestalten, dass es zu einer möglichst geringen steuerlichen Belastung führt. Diesem Ziel dient (zulässigerweise) die Vermietung von Gegenständen an die Gesellschaft, da bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung ein Vorsteuerabzug regelmäßig ausgeschlossen ist.5 Ein Leistungsaustausch liegt z.B. vor bei der Vermietung einzelner Gegenstände gegen eine jährliche Pauschalvergütung6 oder gegen Gutschriften auf dem Einlagekonto.7 Bei Vermietung eines Pkw an die Gesellschaft ist ein Leistungsaustausch auch dann gegeben, wenn der Gesellschafter den Pkw ausschließlich selbst nutzt.8
6.767
Der Annahme eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs steht auch nicht entgegen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen,
6.768
1 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 2 BFH v. 16.3.1993 – XI R 44/90, BStBl. II 1993, 529 = UR 1993, 249. 3 BFH v. 18.12.1996 – XI R 12/96, BStBl. II 1997, 374 = UR 1998, 18 m. Komm. Stadie; Abschn. 1.6. Abs. 3 Satz 9 UStAE. 4 BFH v. 7.12.1967 – V 45/65, BStBl. II 1968, 396; BFH v. 18.7.1968 – V 200/65, BStBl. II 1968, 702; BFH v. 8.11.1995 – V R 8/94, BStBl. II 1996, 176 = GmbHR 1996, 380; vgl. auch BFH v. 4.7.2013 – V R 33/11, BStBl. II 2013, 937; FG Rh.-Pf. v. 9.10.2014 – 6 K 1704/12, EFG 2015, 86; Abschn. 1.6. Abs. 3 Satz 2 UStAE. 5 BFH v. 7.11.1991 – V R 116/86, BStBl. II 1992, 269. 6 BFH v. 16.3.1993 – XI R 44/90, BStBl. II 1993, 529 = UR 1993, 249. 7 BFH v. 16.3.1993 – XI R 52/90, BStBl. II 1993, 562 = UR 1993, 355. 8 BFH v. 16.3.1993 – XI R 45/90, BStBl. II 1993, 530 = UR 1993, 248; Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1a Bsp. 1 Satz 7 UStAE.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was zwischen Fremden üblich ist.1 6.769
Ist der Gesellschafter nur als Gesellschafter tätig, so führt die Nutzungsüberlassung eines Gegenstandes gegen gesondertes Entgelt dennoch zur Umsatzsteuerpflicht. Die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters wird allein schon durch die nachhaltige entgeltliche Tätigkeit gegenüber der Gesellschaft begründet. Bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung kommt es demgegenüber bei einem ansonsten nicht unternehmerisch tätigen Gesellschafter nicht zur Umsatzsteuerpflicht.2 Ist der Gesellschafter dagegen selbst als Unternehmer tätig, so kann die unentgeltliche Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsguts des Gesellschafters an die Gesellschaft zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG führen, sofern die Überlassung auf unternehmensfremden Gründen beruht. Beruht die Nutzungsüberlassung hingegen auf unternehmerischen Gründen, führt dies zu einer mangels Entgelt nicht steuerbaren sonstigen Leistung im Rahmen des Unternehmens.3
6.770
Erbringt der Gesellschafter entgeltliche Leistungen gegenüber der Gesellschaft als deren Organ, z.B. die Komplementär-GmbH durch Übernahme der Geschäftsführung, so hatte der BFH4 ursprünglich die Umsatzsteuerpflicht der Leistungen aufgrund der Entgeltlichkeit und ungeachtet des gesellschaftsrechtlichen Charakters bejaht.
6.771
Nachdem der BFH von dieser Rechtsprechung mit seinem Urteil vom 17.7.19805 ausdrücklich abgerückt war, kehrte er mit seiner Entscheidung vom 6.6.20026 nach mehr als 20 Jahren wieder zu seiner ursprünglichen Linie zurück: Die Entgeltlichkeit ist wiederum entscheidendes Kriterium für die Annahme eines Leistungsaustausches. Dabei setzt ein Leistungsaustausch nach dem BFH (lediglich) voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht; ob der Gesellschafter bei der Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft zugleich auch Mitgliedschaftsrechte ausübt, ist nicht mehr erheblich, solange er dafür ein (Sonder-)Entgelt erhält. Sind die Leistungen dagegen als Gesellschafterbeitrag i.S.v. § 706 BGB durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten, so fehlt es an einem Leistungsaustausch.
6.772
Schon unter Geltung der früheren Rechtsprechung war die Komplementär-GmbH zumindest dann unternehmerisch tätig, wenn sie als Liquidatorin der GmbH & Co. KG gegen Zahlung eines Sonderentgelts auftrat.7 Dies beruhte darauf, dass sich der fehlende Leistungsaustausch auch bei entgeltlicher Geschäftsführungstätigkeit 1 BFH v. 22.6.1989 – V R 37/84, BStBl. II 1989, 913; BFH v. 16.3.1993 – XI R 52/90, BStBl. II 1993 = UR 1993, 355, 562; hinsichtlich der Höhe des Sonderentgelts ist die Mindestbemessungsgrundlage zu beachten, vgl. z.B. Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1a Bsp. 1 Satz 6 UStAE; Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1a Bsp. 2 Satz 4 UStAE; Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 2a, Satz 4 UStAE. 2 Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1b UStAE. 3 Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 2b UStAE. 4 BFH v. 19.7.1973 – V R 157/71, BStBl. II 1973, 764. 5 BFH v. 17.7.1980 – V R 5/72, BStBl. II 1980, 622 = GmbHR 1980, 282. 6 BFH v. 6.6.2002 – V R 43/01, BStBl. II 2003, 36 = GmbHR 2002, 1039. 7 BFH v. 8.11.1995 – V R 8/94, BStBl. II 1996, 176 = GmbHR 1996, 380.
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§6
Umsatzsteuer
ausschließlich auf Geschäftsführertätigkeiten bezog, die nur von den Gesellschaftern selbst und nicht von Dritten ausgeführt werden können.1 Die Tätigkeit als Liquidatorin einer Gesellschaft kann jedoch auch von Nichtgesellschaftern ausgeübt werden (§§ 161 Abs. 2, 146 Abs. 1 Satz 1 HGB). Als Folge der geänderten Rechtsprechung des BFH im Jahr 2002 hat die Gesellschaft mithin Einfluss auf die Steuerbarkeit der Entgelte im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit ihrer Komplementär-GmbH, je nachdem, ob hierfür ein Sonderentgelt vereinbart oder die Tätigkeit durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten wird. Bei der Vereinbarung eines Sonderentgelts liegt allerdings dann kein umsatzsteuerbarer Vorgang vor, wenn die Komplementär-GmbH aufgrund der organschaftlichen Eingliederung in die GmbH & Co. KG nicht selbständig tätig ist (nähere Einzelheiten s. unter Rz. 3.290 ff.). Die Auswirkungen für die Gesellschaft hängen maßgeblich davon ab, inwieweit sie zum Vorsteuerabzug (bei steuerbaren und steuerpflichtigen Geschäftsführertätigkeiten) berechtigt ist.2
6.773
Zur Abgrenzung kommt es zunächst darauf an, ob eine konkrete Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag oder in sonstigen schuldrechtlichen Verträgen getroffen wurde. Auf die Bezeichnung der Gegenleitung kommt es nicht an.3 Ein Sonderentgelt ist bei gewinnunabhängiger Festvergütung oder bei gewinnunabhängiger Umsatzbeteiligung gegeben. Ein Gewinnvorweg, ein Gewinnvorab oder ein Gewinnvoraus führen hingegen zu einer gewinnabhängigen Vergütung, sofern der Erhalt vom tatsächlichen Gewinn abhängt. Wird hingegen im Gesellschaftsvertrag keine konkrete Gewinnverteilung vereinbart, sondern hängt sie von tatsächlich erbrachten Gesellschafterleistungen ab, ist ein Sonderentgelt anzunehmen, da keine Teilnahme an der Chancen- und Risikogemeinschaft vorliegt.4 Von einem Sonderentgelt ist nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls auszugehen, sofern die Vergütung – auch wenn sie als Gewinnvorab bezeichnet wird – im Rahmen der Ergebnisermittlung als Aufwand behandelt wird.5 Darüber hinaus nimmt die Finanzverwaltung selbst dann einen Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter an, wenn die Vergütung des Gesellschafters zwar nicht im Rahmen der Ergebnisermittlung als Aufwand behandelt wird, sich jedoch gleichwohl ergebnismindernd auswirkt oder es sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalls ergibt, dass sie nach den Vorstellungen des Gesellschafters als Sonderentgelt gewährt werden soll.6 Schließlich ist auch dann von einem Sonderentgelt auszugehen, wenn der Gesellschafter für seine Leistungen im Rahmen der Gewinnverteilung auch im Verlustfall einen festen Betrag vorab zugewiesen erhält.7
6.774
1 BFH v. 5.5.1994 – V R 76/92, BFH/NV 1995, 356 = UR 1995, 304. 2 Vgl. im Einzelnen Robisch, UVR 2002, 361; kritisch: Becker/Englisch, UR 2009, 701 (708). 3 Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 1 UStAE, z.B. als Gewinnvorab/Vorabgewinn, als Vorwegvergütung, als Aufwendungsersatz, als Umsatzbeteiligung oder als Kostenerstattung. 4 Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 8 UStAE; Wäger, UStB 2002, 359 (362); Weimann, DB 2003, 238. 5 BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503; Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 4 UStAE; zu den aus dieser Auffassung folgenden Schwierigkeiten Zugmaier, DStR 2004, 124; Wäger, UR 2008, 69 (72). 6 Abschn. 1.6 Abs. 4 Sätze 6, 7 UStAE mit einigen Beispielen; BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503; OFD Frankfurt a.M. v. 9.8.2006 – S 7100 A - 82 - St 11, UR 2007, 31 (32); Titgemeyer, BB 2007, 189 (191); vgl. auch Wäger, UR 2008, 69 (72). 7 Abschn. 1.6 Abs. 4 Bsp. 7 UStAE.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.775
Bei einer GmbH & Co. KG, an der die Komplementär-GmbH kapitalmäßig beteiligt ist, ist zumindest dann kein Sonderentgelt anzunehmen, wenn Tätigkeitsvergütung für Geschäftsführung und Vertretung und Aufwendungsersatz nicht gesondert vereinbart werden, sondern durch die Gewinnbeteiligung als abgegolten gelten. Eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der KG wird jedoch in der Praxis vielfach nicht gewünscht. Sofern bei einer nicht kapitalmäßig beteiligten Komplementär-GmbH diese die an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gezahlte Tätigkeitsvergütung und den Aufwendungsersatz an die KG weiterbelastet und von ihr erstattet erhält, ist grundsätzlich ein Sonderentgelt gegeben.1
6.776
Problematisch ist die Vereinbarung einer Haftungsvergütung. Die Haftung der Komplementär-GmbH für die Verbindlichkeiten der KG beruht auf gesetzlichen Regelungen (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB).2 Leistet die KG keine Haftungsvergütung an die Komplementär-GmbH, ist ertragsteuerlich grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen. Gleichwohl wurde in der Literatur z.T. infolge der Rechtsprechungsänderung des BFH die Haftungsvergütung der GmbH & Co. KG gegenüber der Komplementär-GmbH als Sonderentgelt qualifiziert. Umsatzsteuer sollte nur deshalb nicht anfallen, da der steuerbare Umsatz wegen § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG nicht steuerpflichtig sei.3 U.E. erscheint es hingegen aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Haftungsübernahme sachgerecht, bereits die Steuerbarkeit abzulehnen. Zu diesem Ergebnis kam zumindest übergangsweise auch die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 23.12.20034 und in den UStR 2008.5 Infolge des BFH-Urteils vom 3.3.20116 kann nach Auffassung der Finanzverwaltung nunmehr jedoch (auch) die isolierte Haftungsübernahme Gegenstand eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs sein, für den eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG nicht in Frage kommt.7 In dieser Entscheidung vom 3.3.2011 hat der BFH über die Steuerbarkeit einer isolierten Haftungsübernahme zwar nicht entschieden. Allerdings hat er eindeutig klargestellt, dass u.a. die Haftung nach §§ 161, 128 HGB (genauso wenig wie die Geschäftsführung und die Vertretung) den Charakter eines Finanzgeschäfts i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG hat.8 Denn der EuGH habe zu Art. 13 Teil B Buchst. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, auf dem § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG beruhe, entschieden, dass die 1 Vgl. Hundt-Eßwein, UVR 2003, 250 (253); zum Aufwendungsersatz vgl. Robisch, UVR 2002, 361 (362); Wäger, UStB 2002, 359 (361). 2 Behrens/Schmitt, GmbHR 2003, 269 (274 f.). 3 Robisch, UVR 2002, 361 (362); Behrens/Schmitt, GmbHR 2003, 269 (274 f.); Oellerich, DStR 2003, 1333 (1336); Hundt-Eßwein, UVR 2003, 250 (253 f.); a.A. BMF v. 23.12.2003 – IV B 7 - S 7100 - 246/03, GmbHR 2004, 208; OFD Frankfurt a.M. v. 9.8.2006 – S 7100 A 82 - St 11, UR 2007, 31 (32); Titgemeyer, BB 2007, 189 (191). 4 BMF v. 23.12.2003 – IV B 7 - S 7100 - 246/03, GmbHR 2004, 208; kritisch Zugmaier, DStR 2004, 124 (125); Kuhlemann, DStR 2005, 634 (636). 5 Abschn. 6 Abs. 6 Satz 3 UStR 2008. 6 BFH v. 3.3.2011 – V R 24/10, BStBl. II 2011, 950 = GmbHR 2011, 610. 7 Abschn. 1.6 Abs. 6 UStAE; übergangsweise wird die Behandlung als nichtsteuerbar für eine Erbringung bis zum 31.12.2011 nicht beanstandet, so BMF v. 14.11.2011 – IV D 2-S 7100/07/10028:003, BStBl. I 2011, 1158; weiterhin anzuwenden gem. BMF v. 9.4.2013 – IV A 2-O 2000/12/10001, BStBl. I 2013, 522, Anl. 1 Nr. 1233. 8 BFH v. 3.3.2011 – V R 24/10, BStBl. II 2011, 950 = GmbHR 2011, 610; kritisch: Gierlich, BB 2011, 1383, 1384 sowie Eversloh, jurisPR-SteuerR 26/2011, Anm. 5.
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Umsatzsteuer
erforderliche „Übernahme von Verbindlichkeiten“ andere als Geldverbindlichkeiten nicht umfasse.1 Die Haftungsübernahme könne jedoch (auch) zu Sachleistungsverpflichtungen führen, da aufgrund der sog. Erfüllungstheorie zu § 128 HGB bei Sachleistungsschulden die Haftungsübernahme durch den Gesellschafter regelmäßig zur Übernahme einer Sachleistungsverpflichtung führe, die keinen Finanzcharakter aufweise. Erbringt der persönlich haftende Gesellschafter gegenüber der Personengesellschaft neben der Haftungsübernahme Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, ist nach Auffassung des BFH im Urteil vom 3.3.2011 die pauschale jährliche Haftungsvergütung als (zusätzliches) Entgelt für eine einheitliche Leistung, die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung umfasst, umsatzsteuerpflichtig.2 Diese Konstellation, in der dann insgesamt eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung des Gesellschafters anzunehmen ist, dürfte in der Praxis der Regelfall sein. Wird für die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung neben einem Sonderentgelt auch eine gewinnabhängige Vergütung gezahlt (sog. Mischentgelt), sollen das Sonderentgelt und die gewinnabhängige Vergütung umsatzsteuerrechtlich getrennt zu beurteilen sein.3
6.777
Insbesondere für GmbH & Co. KG, die (überwiegend) Ausschlussumsätze tätigen, d.h. die Vorsteuer aus steuerpflichtigen Geschäftsführungsleistungen nicht geltend machen können, stellt sich die Frage nach Gestaltungsalternativen.
6.778
Die einfachste Möglichkeit wäre eine Beteiligung der Komplementär-GmbH am Gewinn und Verlust der KG auf der Grundlage einer kapitalmäßigen Beteiligung. Eine solche wird aber, wie schon ausgeführt, in der Praxis vielfach nicht gewünscht sein. Besteht keine Beteiligung, wäre z.B. denkbar, dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Vergütungen direkt zukommen zu lassen. Hier besteht indes die Gefahr, dass die direkte Zahlung der Vergütung an den Geschäftsführer lediglich als Zahlung im abgekürzten Zahlungsweg beurteilt wird.4 Denn nach Auffassung der Finanzverwaltung wird für diese Konstellation, in der die KomplementärGmbH Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen an die GmbH & Co. KG erbringt, ein Leistungsaustausch zwischen GmbH und GmbH & Co. KG angenommen, selbst wenn die Vergütung unmittelbar an den Geschäftsführer gezahlt wird.5 Eine andere Möglichkeit wäre, dass § 164 HGB abbedungen wird und ein Kommanditist die Geschäftsführung übernimmt. Da § 170 HGB nicht dispositiv ist, bliebe
6.779
1 EuGH v. 19.4.2007 – C-455/05, Slg. I 2007, S. 3225-3238. 2 BFH v. 3.3.2011 – V R 24/10, BStBl. II 2011, 950 = GmbHR 2011, 610; zustimmend FG München v. 28.5.2014 – 14 K 311/13, UStB 2014, 285; vgl. Merzrath, DStR 2011, 1203; kritisch: Gierlich, BB 2011, 1383; Stadie, UR 2011, 569 sowie Eversloh, jurisPR-SteuerR 26/2011, Anm. 5; Abschn. 1.6. Abs. 6 UStAE; vgl. auch OFD Frankfurt a.M. v. 9.8.2006 – S 7100 A - 82 - St 11, UR 2007, 31 (32); Titgemeyer, BB 2007, 189 (191); kritisch auch Küffner/Zugmaier, DStR 2007, 1241 (1244 f.). 3 BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503; Abschn. 1.6. Abs. 5 Sätze 1 – 3 UStAE; detaillierter Hundt-Eßwein, UVR 2003, 250 (254). 4 Allgemein zur Geschäftsführung durch natürliche Personen vgl. Berg, DStR 2002, 1658; Heidner, DStR 2002, 1890 (1892); Behrens/Schmitt, GmbHR 2003, 269 (273 f.). 5 BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503; ebenfalls Abschn. 2.2. Abs. 6 Bsp. 1 UStAE.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
es jedoch weiterhin bei einer Vertretung durch die Komplementär-GmbH.1 Zumindest hierfür ist eine Vergütung erforderlich. Für die Frage, ob der Kommanditist ggf. nichtselbständig tätig wird, sind die allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätze nach § 2 Abs. 1 UStG maßgeblich. Danach sind z.B. feste Vergütungen (ggf. zuzüglich variabler Tantiemen) ein Indiz für eine nichtselbständig ausgeübte Tätigkeit.2 Ebenso führt ein Arbeitsvertrag, der u.a. Regelungen über einen Urlaubsanspruch, über feste Arbeitszeiten und über Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthält, zu einer umsatzsteuerrechtlich nichtselbständigen Tätigkeit.3 Als weitere Gestaltung wäre überlegenswert, dass der Geschäftsführer der GmbH gar keine Vergütung von der GmbH erhält, diese die Vergütung nicht weiterbelastet und der Geschäftsführer stattdessen einen finanziellen Ausgleich im Wege der Entnahme vornimmt. Diese Möglichkeit stößt jedoch an Grenzen, sobald ein fremder Geschäftsführer, d.h. ein Geschäftsführer, der nicht zugleich Kommanditist ist, beteiligt ist. Denn ihm stünde die Möglichkeit der Entnahme nicht zur Verfügung. Für andere Fälle ist diese Gestaltung durchaus erwägenswert.4 Schließlich könnte ein Ausweg in der Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG bestehen.5 Dies bietet sich indes auch nur für Fälle an, in denen die Umsätze entsprechend gering sind. 6.780
Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 6.6.2002 werden grundsätzlich für nach dem 31.3.2004 ausgeführte Leistungen angewendet.6
III. Vorsteuerabzug 6.781
Bei Überlassung von Gegenständen durch die Gesellschafter an die Gesellschaft ist für die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung neben der Ent- bzw. Unentgeltlichkeit der Überlassung auch die Tätigkeit des Gesellschafters von Bedeutung. Erwirbt der Gesellschafter den der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Gegenstand im Rahmen seines bereits bestehenden Unternehmens, so ist er in jedem Fall (d.h. sowohl bei entgeltlicher als auch bei unentgeltlicher Nutzungsüberlas-
1 Vgl. BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BStBl. II 2013, 79 (= GmbHR 2013, 159 m. Komm. Karl) mit Verweis auf BGH v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198. 2 Vgl. BFH v. 14.4.2010 – XI R 14/09, BStBl. II 2011, 433 = GmbHR 2010, 1225; OFD Karlsruhe v. 15.1.2013 – S 7100, juris. 3 BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503; Abschn. 2.2. Abs. 2 Bsp. 2 UStAE; a.A. wohl OFD Frankfurt a.M. v. 9.8.2006 – S 7100 A - 82 - St 11, UR 2007, 31 (32); OFD Düsseldorf v. 2.2.2005 – S 7100 A - St 442, DB 2005, 368; OFD Köln v. 2.2.2005 – S 7100 - 227, DB 2005, 368; OFD Münster v. 2.2.2005 – S 7100 - 29 - St 11 - 32, DB 2005, 368; Titgemeyer, BB 2007, 189 (190). 4 In der Finanzverwaltung wird indes bei geschäftsführenden Kommanditisten, bei denen zwar kein Anstellungsvertrag wohl aber eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung vorliegt, nach der dem Gesellschafter-Geschäftsführer für seine Tätigkeit ein in der Höhe festgelegtes monatliches Entnahmerecht zusteht, das in der Handelsbilanz als Aufwand behandelt wird oder sich anderweitig ergebnismindernd auswirkt, vertreten, dass auch im Fall der (teilweisen) Rückzahlungsverpflichtung im Verlustfall ein Sonderentgelt vorliege, so OFD Karlsruhe v. 15.1.2013 - S 7100, juris. 5 Küffner/Zugmaier, DStR 2007, 1241 (1243). 6 Vgl. BMF v. 31.5.2007 – IV A 5-S 7100/07/0031, BStBl. I 2007, 503 m.w.N.
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Umsatzsteuer
sung) zum Vorsteuerabzug berechtigt.1 Ist der Gesellschafter demgegenüber im Übrigen nicht als Unternehmer tätig, so wird der Gesellschafter nur bei entgeltlicher Nutzungsüberlassung unternehmerisch tätig mit der Folge der Vorsteuerabzugsberechtigung.2 Bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung scheitert der Vorsteuerabzug beim Gesellschafter an der Tatsache, dass der Gesellschafter insoweit nicht als Unternehmer handelt.3 Die Gesellschaft selbst kann die beim Erwerb des Gegenstandes gesondert in Rechnung gestellte Steuer in keinem Fall als Vorsteuer geltend machen, weil das Wirtschaftsgut nicht für ihr Unternehmen geliefert wurde. Sie kann jedoch ggf. die bei der Verwendung des Gegenstandes in ihrem Unternehmen anfallenden Steuern als Vorsteuern abziehen, z.B. bei der Gesellschaft in Rechnung gestellten Reparaturen.4
6.782
Die Beurteilung, ob eine Leistung an den Gesellschafter oder unmittelbar an die (vorsteuerabzugsberechtigte) Gesellschaft vorliegt, richtet sich danach, wer als Leistungsempfänger anzusehen ist. Leistungsempfänger im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Schuldverhältnis) als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist.5 Um den Vorsteuerabzug geltend machen zu können, ist eine auf diesen Leistungsempfänger lautende Rechnung erforderlich. Wird die Rechnung auf den Namen des Gesellschafters ausgestellt, ist ein Vorsteuerabzug bei der Gesellschaft zumindest dann möglich, wenn aus dem übrigen Inhalt der Rechnung oder aus anderen Urkunden, auf die in der Rechnung hingewiesen wird, Name und Anschrift der Personengesellschaft als umsatzsteuerlicher Leistungsempfänger hervorgehen.6 Fehlt allerdings jeglicher Hinweis auf die Personengesellschaft, ist ein Abzug durch die Gesellschaft ausgeschlossen.7
6.783
Die Komplementär-GmbH, die sich allein auf die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH & Co. KG und deren Vertretung beschränkt, kann aufgrund der seit dem Jahr 2002 geänderten Rechtsprechung des BFH8 unternehmerisch tätig und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt sein.
6.784
Gestaltungshinweis: Ist dies allerdings nicht der Fall, weil eine der o.g. Gestaltungen gewählt wurde,9 empfiehlt es sich, den Umfang von Lieferungen und Leistungen Dritter an die nicht vorsteuerabzugsberechtigte GmbH auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es könnte außerdem überlegt werden, in den Gesellschaftsvertrag die Bestimmung aufzunehmen, dass ein Teil der Geschäftsführervergütung der GmbH in der Übernahme bestimmter, andernfalls bei der Komplementär-GmbH anfallender Aufwendungen wie Rechts- und Steuerberatung, Aufstellung des Jahres-
6.785
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Abschn. 15.20. Abs. 2 Satz 1 UStAE; vgl. Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 2 UStAE. Abschn. 15.20. Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStAE; vgl. Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1 UStAE. Abschn. 15.20. Abs. 1 Satz 5 UStAE. Abschn. 15.20. Abs. 1 Sätze 3, 4, Abs. 2 Satz 2 UStAE. Vgl nur BFH v. 30.4.2014 – XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, m.w.N.; Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 1 UStAE. Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 3 UStAE. BFH v. 5.10.1995 – V R 113/92, BStBl. II 1996, 111 = UR 1996, 198; Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 4 UStAE. BFH v. 6.6.2002 – V R 43/01, BStBl. II 2003, 36 = GmbHR 2002, 1039. S. vorstehend unter Rz. 6.779 f.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
abschlusses oder Prüfung des Jahresabschlusses durch die GmbH & Co. KG besteht. Für die GmbH & Co. KG könnte dann der Vorsteuerabzug in Betracht kommen, da sie als Leistungsempfänger auftritt und die Rechnungen ihr gegenüber erteilt wurden. In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH allerdings gegenüber einer GmbH & Co. KG, die die Kosten der notariellen Beurkundung eines Kauf- und Übertragungsvertrages über ihre Kommanditanteile sowie die Kosten einer bei ihr durchgeführten sog. „due-diligence“-Prüfung getragen hat, den Vorsteuerabzug abgelehnt, da sie keine Leistungsempfängerin gewesen sei.1 Ebenfalls in jüngerer Zeit hat der BFH den Vorsteuerabzug bei einer GmbH & Co. KG insoweit abgelehnt, als dass sie Dienstleistungen beauftragt und bezahlt hat, die mit den einkommensteuerrechtlichen Pflichten ihrer Gesellschafter, wie z.B. der Erstellung der Einkommensteuererklärung sowie der Erstellung der Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von gewerblichen Einkünften, zusammenhängen.2 Nach Auffassung des BFH ist die GmbH & Co. KG zwar als Leistungsempfängerin anzusehen, allerdings scheitert der Vorsteuerabzug daran, dass die GmbH & Co. KG die Leistungen nicht für Zwecke ihrer steuerpflichtigen Umsätze verwendet hat und diese daher ihren Entstehungsgrund nicht in der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin haben. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die GmbH auch außerhalb ihres Geschäftsführungsbereiches aufgrund gesonderter Vereinbarungen selbständig Leistungen an die KG erbringt (z.B. durch die Vermietung eines im Eigentum der GmbH stehenden Fahrzeugs an die KG) und so unternehmerisch tätig wird. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG wäre die Komplementär-GmbH dann zum Vorsteuerabzug berechtigt. 6.786
Im Falle steuerpflichtiger unentgeltlicher Wertabgaben der Personengesellschaft an ihre Gesellschafter können Letztere die von der Gesellschaft geschuldete Steuer auch dann nicht als Vorsteuer abziehen, wenn sie Unternehmer sind, da die Gesellschaft nicht zum gesonderten Steuerausweis berechtigt ist.3 Einstweilen frei.
6.787–6.810
D. Die GmbH & Co. KG im internationalen Steuerrecht I. Einleitung 6.811
Die Besonderheiten, die sich bei einer GmbH & Co. KG im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten ergeben, folgen weniger daraus, dass bei einer GmbH & Co. KG eine Kapitalgesellschaft als einzige persönlich haftende Gesellschafterin fungiert, sondern vielmehr aus deren Eigenschaft als Personengesellschaft. So betrachten einige Staaten die Personengesellschaften als steuerlich transparent, mit der Folge, dass diese nicht als eigenständige Steuersubjekte behandelt 1 BFH v. 30.4.2014 – XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239; kritisch: Prätzler, jurisPR-SteuerR 35/2014 Anm. 6. 2 BFH v. 8.9.2010 – XI R 31/08, BStBl. II 2011, 197; Heinrichshofen, UStB 2011, 4; Billig, StBW 2010, 1068; Grube, jurisPR-SteuerR 2/2011, Anm. 4. 3 Abschn. 3.2. Abs. 2 Sätze 4 und 5 UStAE; s. auch Rz. 6.763.
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Formen der Auslandsberührung
werden. Andere Staaten hingegen betrachten die Personengesellschaften als steuerlich intransparent und erkennen diese Gesellschaften als Steuersubjekt an.
II. Formen der Auslandsberührung Eine Auslandsberührung kann sich aus der Internationalität der Gesellschaft, der Internationalität der Gesellschafter sowie der Internationalität der Geschäftstätigkeit ergeben.
6.812
1. Internationalität der Gesellschaft Unter der Internationalität der Gesellschaft sind Zuzugs- und Wegzugsfälle zu verstehen, bei denen sich der satzungsmäßige Sitz der Gesellschaft von dem tatsächlichen Verwaltungssitz unterscheidet.1 Vor der Frage nach den möglichen steuerlichen Folgen des Wegzugs einer GmbH & Co. KG ist zu klären, ob dieser zivilrechtlich überhaupt möglich ist. Bis zum MoMiG2 war umstritten, welche Folgen sich aus der Verlegung des Sitzes einer deutschen Gesellschaft in das Ausland ergeben. Nach bis dahin überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur sollte die Sitzverlegung unabhängig von der Gesellschaftsform und unabhängig davon, ob der satzungsmäßige Sitz oder lediglich der Verwaltungssitz verlegt wird, zur Liquidation der Gesellschaft führen.3 Nach § 4a GmbHG und § 5 AktG i.d.F. des MoMiG ist es jedenfalls für GmbH und AG möglich, unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes den Verwaltungssitz in einen ausländischen Staat zu verlegen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Zuzugsstaat kollisionsrechtlich der sog. Gründungstheorie folgt. Liegt dem Kollisionsrecht des ausländischen Staates die sog. Sitztheorie zugrunde, kommt es nach wie vor zur Liquidation der Gesellschaft.4 Unabhängig davon führt die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland bei Personengesellschaften auch unter der Geltung des MoMiG weiterhin zur Auflösung und Abwicklung.5 Damit sind der Wegzug und die damit verbundene Internationalität für die GmbH & Co. KG (noch) nicht möglich.
6.813
2. Internationalität der Gesellschafter Unter der Internationalität der Gesellschafter ist zunächst der Fall zu verstehen, dass an der GmbH & Co. KG ein oder mehrere beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter als natürliche Personen beteiligt sind.6
1 Eberhard in Beck’sches Hdb. der PersGes., 4. Aufl. 2014, § 28 Rz. 1. 2 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 3 Vgl. Kindler in MünchKomm. BGB, IntGesR, 5. Aufl. 2010, Rz. 525. 4 Servatius in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Internationales Gesellschaftsrecht Rz. 37. 5 Kindler in MünchKomm. BGB, IntGesR, 5. Aufl. 2010, Rz. 526; str. vgl. Roth in Baumbach/ Hopt, § 106 HGB Rz. 8 m.w.N.; Langhein in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 106 HGB Rz. 30 m.w.N. in Fn. 78. 6 Beispielsachverhalt bei Kofler/Lüdicke/Simonek, IStR 2014, 349 ff.
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Ein besonderer Fall der Internationalität der Gesellschafter liegt dann vor, wenn es sich bei dem einzigen Komplementär der GmbH & Co. KG nicht um eine inländische, sondern um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt. So ist beispielsweise eine Ltd. & Co. KG mit einer nach englischem Recht gegründeten Komplementärgesellschaft (Ltd.) oder eine S.a.r.l. & Co. KG (S.A. & Co. KG) mit einer nach französischem Recht gegründeten Komplementärgesellschaft möglich.1 Für die hier interessierenden Fragen würden sich durch den Austausch der KomplementärGmbH gegen eine ausländische Kapitalgesellschaft keine Unterschiede ergeben. Maßgebend ist, dass auch das hybride Gesellschaftskonstrukt als Personengesellschaft zu behandeln ist.
3. Internationalität der Geschäftstätigkeit 6.816
Eine internationale Geschäftstätigkeit liegt bei der Erzielung von ausländischen Einkünften vor. Dies kann durch eine ausländische Betriebsstätte geschehen. Des Weiteren kommen bspw. Einkünfte durch ausländische Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren infrage.
III. Steuerliche Besonderheiten der GmbH & Co. KG mit Auslandsberührung 1. Allgemeines 6.817
Nachfolgend sollen beispielhaft einige Besonderheiten dargestellt werden, die auftreten, wenn die GmbH & Co. KG entweder durch ihren Gesellschafterkreis oder durch die im Rahmen der Gesellschaft erzielten Einkünfte eine Berührung zum Ausland erlangt. Um zu vermeiden, dass zwei Staaten denselben Lebenssachverhalt unabhängig voneinander zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung machen (Doppelbesteuerung) oder es zu einer doppelten Nichtbesteuerung (sog. weiße Einkünfte) kommt, haben die meisten Industrienationen untereinander Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen. Soweit im Folgenden Vorschriften aus DBA zu beachten sind, wird von den in dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA) i.d.F. von 2014 niedergelegten typischen zwischenstaatlichen Abreden ausgegangen. Im Einzelfall ist jedoch zu beachten, dass einige Staaten jedenfalls in Teilbereichen davon abweichende Bestimmungen vereinbart haben, so dass sich das betreffende DBA im konkreten Fall von dem OECD-MA unterscheiden kann.
2. Qualifikationskonflikte 6.818
Die Existenz von Doppelbesteuerungsabkommen garantiert nicht in jedem Fall, dass eine Doppelbesteuerung (im Fall eines positiven Qualifikationskonflikts) oder eine doppelte Nichtbesteuerung (im Fall eines negativen Qualifikationskonflikts) auch tatsächlich ausgeschlossen ist.2 Soweit eine andere Lösung nicht mög1 Eberhard in Beck’sches Hdb. der PersGes., 4. Aufl. 2014, § 28 Rz. 67 ff. 2 Dazu: Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 4.1.3 ff.;
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lich ist, kann ein Qualifikationskonflikt nur im Wege eines Verständigungsverfahrens gelöst werden.1 Die Ursachen für solche Qualifikationskonflikte können in drei Gruppen unterteilt werden. Es kann zwischen den Staaten zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Lebenssachverhalts, einer anderen Auslegung des zwischenstaatlichen Rechts oder zu einem unterschiedlichen Begriffsverständnis im jeweiligen nationalen Recht kommen. Die deutschen Finanzbehörden und die ausländischen Finanzbehörden können den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Als Beispiel kann eine GmbH & Co. KG dienen, die eine Geschäftseinrichtung im Ausland unterhält. Der eine Staat kann diese als Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ansehen. Der andere Staat könnte jedoch trotz gleichen Begriffsverständnisses der Auffassung sein, eine Betriebsstätte sei gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a) OECD-MA ausgeschlossen, da es sich nur um eine Einrichtung handele, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt wird. Der zweite Staat würde also den Tatsachen, die für eine Betriebsstätte sprechen, weniger Bedeutung beimessen als der erste Staat.
6.819
Auch wenn die deutsche und die ausländische Finanzbehörde von dem gleichen Lebenssachverhalt ausgehen, so kann dennoch ein Qualifikationskonflikt daraus erwachsen, dass beide die Normen eines Doppelbesteuerungsabkommens unterschiedlich auslegen. So könnte beispielsweise ein deutscher Musiker Vergütungen für eine Musikaufnahme erhalten, die während einer Tournee in Frankreich entstanden ist. In diesem Fall könnte die Bundesrepublik Deutschland die Vergütung als Lizenzgebühr ansehen und unter Art. 12 OECD-MA subsumieren mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht bei der Bundesrepublik Deutschland liegen würde. Frankreich hingegen könnte von Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit nach Art. 17 OECD-MA ausgehen,2 was das Besteuerungsrecht Frankreichs zur Folge hätte.
6.820
Eine weitere Quelle von Qualifikationskonflikten liegt in der nationalstaatlichen Auslegung bestimmter Begriffe des zwischenstaatlichen Rechts. Hintergrund ist Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, nach dem solche Begriffe, die nicht ausdrücklich in dem DBA definiert sind, nach nationalem Steuerrecht auszulegen sind.3 Naturgemäß kann es bei zwei (oder mehr4) beteiligten Rechtsordnungen zu voneinander abweichenden Definitionen kommen. Beispielsweise betrachten einige Staaten Personengesellschaften als steuerlich transparent und behandeln sie folglich nicht als Steuersubjekt; das sind vielmehr die einzelnen Gesellschafter. Andere Staaten behandeln die Personengesellschaften jedoch als eigenständiges Steuersubjekt, also intransparent. Im Gegensatz zu den objektiven Qualifikationskonflikten aus den vorangehenden Beispielen handelt es sich in diesem Fall aufgrund der Anknüpfung
6.821
1 2 3 4
Hruschka, DStR 2014, 2421; Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, S. 211 ff. Zum Ablauf eines Verständigungsverfahrens: BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461. Beispiel aus Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 4.1.3.1. Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 ff. Bereits drei verschiedene Rechtsordnungen sind betroffen, wenn eine Gesellschaft in Staat A, eine Betriebsstätte in Staat B und ein Gesellschafter in Staat C ansässig sind.
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an das Steuersubjekt um einen subjektiven Qualifikationskonflikt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden im folgenden Abschnitt beleuchtet.
3. Das Konzept der Mitunternehmerschaft – Transparenzprinzip 6.822
Wie andere Personengesellschaften auch, ist die GmbH & Co. KG nach deutschem Steuerrecht nicht selbst einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig. Vielmehr wird der gemeinsam erwirtschaftete Gewinn den Gesellschaftern als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anteilig zugerechnet.1 Die Mitunternehmer unterliegen als natürliche Personen der Einkommensteuer und im Fall von juristischen Personen der Körperschaftsteuer. Die GmbH & Co. KG entfaltet, anders als Kapitalgesellschaften, bezüglich Ihrer Gesellschafter keine Abschirmwirkung. Das Transparenzprinzip erfährt jedoch eine Reihe von Ausnahmen. So ist die Gesellschaft zwar nicht Subjekt der Einkommensteuer, ihr kommt jedoch eine partielle Steuerrechtsubjektivität zu. So ist auf der Ebene der Gesellschaft zu bestimmen, welche Einkunftsart die Gesellschafter in ihrer mitunternehmerischen Verbundenheit verwirklichen und in welchem Umfang gemeinsam Gewinn oder Überschuss erzielt wird. Die gemeinsam verwirklichten Besteuerungstatbestände werden den einzelnen Mitunternehmern anteilig zugerechnet. Im Bereich der Gewerbesteuer ist die GmbH & Co. KG hingegen selbst Steuersubjekt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
6.823
Die differenzierte Besteuerung der Personengesellschaften nach dem Transparenzprinzip und der Kapitalgesellschaften nach dem Trennungsprinzip bereitet schon im nationalen Recht Schwierigkeiten und stößt insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur auf Kritik.2 Die damit verbundenen Probleme verschärfen sich noch, wenn ein ausländischer Staat eine Personengesellschaft im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten nach dem Kapitalgesellschaftskonzept intransparent besteuert.
6.824
Die Beantwortung der Frage, ob das Kapitalgesellschaftskonzept oder das Personengesellschaftskonzept zur Anwendung kommt, wirkt sich maßgeblich darauf aus, ob die betreffende Gesellschaft von den Bestimmungen eines DBA Gebrauch machen kann. Nach Art. 1 OECD-MA gilt das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind (persönlicher Schutzbereich). Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) OECD-MA bestimmt, dass unter den abkommensrechtlichen Begriff der „Person“ nicht allein natürliche und juristische Personen fallen. Es werden ausdrücklich alle Personenvereinigungen, also auch die GmbH & Co. KG, erfasst. Die GmbH & Co. KG ist jedoch keine „in einem Vertragsstaat ansässige Person“ i.S. des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Denn hierfür müsste die Gesellschaft aufgrund ihres Sitzes oder eines anderen Anknüpfungspunkts im Inland steuerpflichtig sein. Da die GmbH & Co. KG jedoch nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, ist sie insofern nicht abkommensberechtigt.3 Die 1 Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Scheel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 11. Aufl. 2013, S. 65 ff. 2 Vgl. zum Streitstand: Musil/Leibohm, FR 2008, 807 ff. 3 Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.1.1; zu Fällen, bei denen kein Gleichlauf von persönlicher Steuerpflicht und Abkommensberechtigung vorliegt: Wassermeyer, IStR 2010, 683 ff.
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Abkommensberechtigung liegt in diesem Fall bei den einzelnen Gesellschaftern.1 Dies gilt zumindest, soweit es sich bei den Gesellschaftern nicht ihrerseits um Personengesellschaften handelt. Eine andere Auffassung hat der indische High Court of Judicature at Bombay (Mumbai) vertreten.2 Dieser hat für die Frage der Abkommensberechtigung einer GmbH & Co. KG nach dem DBA-Indien an die Steuerrechtssubjektivität deutscher Personengesellschaften im Gewerbesteuerrecht angeknüpft. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die GmbH & Co. KG umfassenden Abkommensschutz genießt, da sie bezüglich der (von dem DBA-Indien erfassten) Gewerbesteuer Steuerrechtssubjekt ist. Die Gesellschaft sei selbst abkommensberechtigt. Auch wenn das Urteil zunächst nur als Einzelfallentscheidung anzusehen ist, wirft es die Frage der Bedeutung der Gewerbesteuer im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Besteuerung von Personengesellschaften auf.
6.825
Für die Frage der Abkommensberechtigung ist eine Reihe verschiedener Konstellationen denkbar, die jeweils zu unterschiedlichen Beurteilungen führen können. So ist danach zu differenzieren, ob die Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten als transparent, intransparent oder in einem der Vertragsstaaten als transparent und in dem anderen Vertragsstaat als intransparent behandelt wird. Im Fall der Intransparenz ist weiter danach zu differenzieren, ob die Gesellschaft in einem der Vertragsstaaten unbeschränkt und in dem anderen beschränkt, in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt oder in beiden beschränkt steuerpflichtig ist. Weitere Komplikationen können sich aufgrund des Wohnorts der Gesellschafter ergeben.3
6.826
Zur Verdeutlichung kann das Beispiel der GmbH & Co. KG mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland dienen, die in dem Staat, in dem die Gesellschafter ansässig sind, oder in dem Quellenstaat als intransparent behandelt wird.
6.827
Im Fall des ausländischen Gesellschafters würde die GmbH & Co. KG nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA mangels Steuerpflicht im Sitzstaat keine abkommensrechtliche Ansässigkeit besitzen und somit nach Art. 1 OECD-MA nicht abkommensberechtigt sein. Ein Gesellschafter erzielt aus der Sicht seines Ansässigkeitsstaats andere Einkünfte i.S. des Art. 21 OECD-MA. Dividenden würden gem. Art. 10 Abs. 1 OECD-MA nicht vorliegen, da die GmbH & Co. KG keine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft im Sinne der Vorschrift ist. In diesem Fall droht, vorbehaltlich begünstigender innerstaatlicher Regelungen des Ansässigkeitsstaats der Gesellschafter, eine Doppelbesteuerung. Der Staat, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, wird von einer Betriebsstätte, der Staat, in dem die Gesellschafter ansässig sind, von einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht für eine Gewinnausschüt-
6.828
1 Zu Besonderheiten einzelner DBA hinsichtlich der Abkommensberechtigung von Personengesellschaften vgl. Anlage zum Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258; zur Lösung nach dem DBA-Niederlande: Jochum, IStR 2014, 1 ff. 2 The High Court of Judicature at Bombay – Ordinary Original Civil Jurisdiction, INCOME TAX APPEAL NO. 2273 OF 2010; Urteilsbesprechung bei: Jacob/Hagena, IStR 2013, 485 ff. 3 Vgl. zu den möglichen Konstellationen: Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 ff.
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tung ausgehen.1 Die Doppelbesteuerung kann in diesem Fall dadurch vermieden werden, dass der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter die Einordnung der Gesellschaft als transparent übernimmt.2 6.829
Im Fall des Quellenstaates, der die GmbH & Co. KG als intransparent betrachtet, ist die GmbH & Co. KG ebenfalls wegen Art. 4 Abs. 1 OECD-MA i.V.m. Art. 1 OECD-MA nicht abkommensberechtigt. Die Gesellschafter sind jedoch abkommensberechtigt, ohne dass es auf die anderweitige Auffassung des Quellenstaates ankommt.3 In diesem Fall können sich innerstaatliche Probleme bei dem Quellenstaat ergeben. Durch das Abstellen auf den Gesellschafter muss der Quellenstaat den Gewinn der Gesellschaft (die für ihn Steuersubjekt ist) auf die Gesellschafter aufteilen. Hierfür werden ihm regelmäßig die notwendigen Rechtsgrundlagen fehlen, sodass innerstaatliche Möglichkeiten gefunden werden müssen, notfalls mittels Billigkeitsmaßnahmen eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.4
4. Sonderbetriebsausgaben und Sondervergütungen 6.830
Ein weiterer Problemkreis ergibt sich aus der unterschiedlichen Qualifikation von Einkünften im inländischen und im ausländischen Recht. So werden beispielsweise Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG und in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet.5 Da ausländische Steuerrechtsordnungen oft die Institute der Sondervergütung und der Sonderbetriebsausgaben nicht vorsehen, kann es zu Qualifikationskonflikten kommen. Beispiel
6.831
Eine französische Kapitalgesellschaft beteiligt sich an einer deutschen GmbH & Co. KG. Um ihre Kapitaleinlage zu refinanzieren, soll die Kapitalgesellschaft ein Darlehen aufnehmen.6 Die für das Darlehen aufzuwendenden Zinsen wären in Deutschland als Sonderbetriebsausgaben bei der Gewinnermittlung auf der Ebene des Mitunternehmers abzugsfähig. Die Zinsen können gleichzeitig in Frankreich die steuerpflichtigen Einkünfte der Kapitalgesellschaft mindern. Der doppelten Abzugsfähigkeit nach dem sog. Double-Dip-Modell steht auch das DBA-Frankreich nicht entgegen.7
6.832
Als weiteres Beispiel soll eine GmbH & Co. KG ihren ausländischen Gesellschaftern Zinsen für die Gewährung von Darlehen zahlen. Nach der Vorstellung der Bundesrepublik Deutschland sollen diese Einkünfte (Sondervergütung) zwischen1 2 3 4
Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 1 OECD-MA Rz. 35. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 1 OECD-MA Rz. 35b. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 1 OECD-MA Rz. 36 f. Zu verschiedenen Beispielen für innerstaatliche Regelungen: Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 1 OECD-MA Rz. 36e; zum DBA-Niederlande: Jochum, IStR 2014, 1 ff. 5 Vgl. Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, S. 532 ff.; Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 5. 6 Beispiel bei: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl. 2011, S. 1308. 7 Müller, IStR 2005, 181 (182).
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Steuerliche Besonderheiten der GmbH & Co. KG mit Auslandsberührung
staatlich als Unternehmensgewinne gem. Art. 7 OECD-MA zu qualifizieren sein mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht in Deutschland liegt. Ein ausländischer Staat könnte die Zahlungen jedoch als Zinsen i.S.v. Art. 11 OECD-MA ansehen mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht in dem ausländischen Staat liegt. Dieser Sichtweise ist der BFH im Jahr 2007 gefolgt.1 Hierauf hat der Gesetzgeber im Jahr 2009 mit der Einführung des § 50d Abs. 10 EStG reagiert.2 Nach der Vorschrift sollen entsprechende Zahlungen – soweit keine ausdrückliche Bestimmung zu Sondervergütungen in dem konkret anzuwendenden DBA vorgesehen sind – für Zwecke der DBA stets als Unternehmensgewinn zu behandeln sein, was die deutsche Besteuerungszuständigkeit zur Folge hat. Im Jahr 2010 entschied der BFH jedoch, dass diese Norm nicht alle Sondervergütungen erfasst, sondern ausschließlich solche, die einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind.3 Die Neufassung der Vorschrift aus dem Jahr 20134 soll diese Lücke schließen. Nunmehr weist § 50d Abs. 10 EStG die Sondervergütung und durch das Sonderbetriebsvermögen veranlasste Erträge und Aufwendungen (z.B. unentgeltliche Überlassung des Betriebsgrundstücks durch den ausländischen Gesellschafter der GmbH & Co. KG) für die DBA-Anwendung derjenigen Betriebsstätte zu, der der Aufwand für die der Vergütung zugrundeliegenden Leistung zuzuordnen ist.5 Darüber hinaus sieht die Neuregelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnung der nachgewiesenen ausländischen Steuer vor. Soweit das fragliche Doppelbesteuerungsabkommen nicht i.S.v. § 50d Abs. 10 Satz 6 EStG eine spezielle Regelung für Sondervergütungen und für durch Sonderbetriebsvermögen veranlasste Erträge und Aufwendungen vorsieht, soll die Vorschrift ungeachtet der Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens gelten. Damit handelt es sich um ein einseitiges Übergehen der Verpflichtungen aus einem zwischenstaatlichen Vertrag (sog. treaty override6). Ob dieses Vorgehen gegen höherrangiges Recht verstößt, ist bislang nicht abschließend geklärt.7
5. Der Begriff der Betriebsstätte Eine weitere Quelle steuerrechtlicher Probleme bei grenzüberschreitender Tätigkeit einer GmbH & Co. KG können Begriffe sein, die im nationalen Recht und Abkommensrecht auf den ersten Blick gleich verwendet werden, aus denen sich im Einzelfall jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Als Beispiel kann der Begriff der Betriebsstätte dienen. 1 2 3 4 5
BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2007, 356 = GmbHR 2008, 447. Lehner, IStR 2012, 389 (396); Frotscher, IStR 2009, 593 (597). BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84 = GmbHR 2011, 50. AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 (1819). Kramer, IStR 2014, 21 ff.; Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 801 (802 f.); Burwitz, NZG 2013, 892 (893); Wittkowsk/Hielscher, BC 2013, 361 (363 f.). 6 Zu den rechtlichen Problemen des treaty override: Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin, 2000; Musil, IStR 2014, 192. 7 Der Bundesfinanzhof (BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949 = FR 2012, 819 m. Komm. Hagena/Wagner; BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, GmbHR 2014, 323 = DStR 2014, 306) hat dem Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 1/12, 2 BvL 15/14) die Frage vorgelegt, ob das treaty override mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hierzu: Musil, IStR 2014, 192 ff.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
6.834
Aus abkommensrechtlicher Sicht ist eine Betriebsstätte das zentrale Tatbestandsmerkmal, das vorliegen muss, um Einkünfte aus der Tätigkeit eines Unternehmens oder Vermögen, das dieser Tätigkeit dient, zu besteuern. Der Begriff der Betriebsstätte ist in Art. 5 OECD-MA definiert. Er dient der Beantwortung der Frage, ob im Fall des Auslandsengagements eines Unternehmens das Besteuerungsrecht für die erzielten ausländischen Gewinne noch dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens oder schon dem ausländischen Staat zusteht, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Es soll eine ausgewogene Verteilung der Besteuerungszuständigkeit erreicht werden. Insofern besteht eine andere Ausgangslage als bei der nationalen Definition der Betriebsstätte. Das nationale Steuerrecht wird grundsätzlich bestrebt sein, zur Generierung von Steuersubstrat möglichst alle denkbaren Fälle zu erfassen.
6.835
Nach dem Betriebsstättenprinzip1 aus Art. 7 OECD-MA erhält der ausländische Staat erst dann grundsätzlich Zugriff auf die ausländischen (für ihn inländischen) Gewinne, wenn sich die Tätigkeit des Unternehmens verfestigt hat, also eine intensive geschäftliche Bindung zu dem ausländischen Staat entstanden ist. Eine nur lockere Beziehung soll hierfür noch nicht genügen.2 Nach innerstaatlichem Recht findet die Anknüpfung entweder an eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO oder an einen ständigen Vertreter nach § 13 AO statt. a) Die Betriebsstätte im nationalen und internationalen Recht
6.836
Während der Begriff der Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA über die Zuordnung des Besteuerungsrechts zwischen zwei Vertragsstaaten entscheidet, ist der Betriebsstättenbegriff aus § 12 AO maßgeblich für die Frage, ob eine Steuerpflicht nach deutschem Recht besteht. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), f), 3, 6 sowie Abs. 3 Satz 2 EStG bestimmt sich, ob für einen ausländischen Steuerpflichtigen eine beschränkte Steuerpflicht aufgrund einer inländischen Betriebsstätte vorliegt. § 34d Nr. 2 Buchst. a) EStG erfasst die Fälle der unbeschränkten Steuerpflicht von inländischen Steuerpflichtigen aufgrund einer ausländischen Betriebsstätte.
6.837
Nach § 12 AO erfordert eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.3 Eine Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein.4 Der Begriff der Geschäftseinrichtung erfasst als Oberbegriff zugleich den Begriff der Anlage. Die Geschäftseinrichtung ist „fest“ im Sinne der Vorschrift, wenn sie in räumlicher Hinsicht einen irgendwie gearteten Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche aufweist,5 in zeitlicher Hinsicht auf eine gewisse Dauer oder Stetig1 Hemmelrath in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 OECD-MA Rz. 3. 2 Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 5 OECD-MA Rz. 2. 3 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch: BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980 (Betriebsstättenerlass); Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258; Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) v. 13.10.2014, BStBl. I 2014, 1603. 4 BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462. 5 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203.
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keit1 angelegt ist und der Unternehmer eine eigene nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht2 inne hat. Die Geschäftseinrichtung dient dem Unternehmen, wenn dort eine unternehmerische Tätigkeit ausgeführt wird, die einen Bezug zum Unternehmen hat.3 Als Beispiel soll eine deutsche GmbH & Co. KG dienen, die Internetdienstleistungen anbietet und hierfür im Vertragsstaat ein Rechenzentrum mit eigenen Servern bereithält. Die Betriebsstätte nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist im Ausgangspunkt ähnlich definiert. Sie setzt eine feste Geschäftseinrichtung voraus, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Sie verlangt eine Geschäftseinrichtung, Dauerhaftigkeit, Verfügungsmacht und Unternehmenstätigkeit.4 Dem Wortlaut nach genügt es Art. 5 Abs. 1 OECD-MA – anders als § 12 AO – nicht, dass die Geschäftseinrichtung dem Unternehmen „dient“, sondern es wird verlangt, dass die Tätigkeit des Unternehmens durch die Betriebsstätte „ganz oder teilweise ausgeübt wird“. Umstritten ist, ob hieraus gefolgert werden kann, dass nur dann eine Betriebsstätte vorliegt, wenn in dieser eine gewisse Aktivität entfaltet wird, sodass passive Tätigkeiten wie das Durchleiten von Öl nicht ausreichen würden.5 Dies lehnt die Finanzverwaltung ab und legt beide Begriffe hinsichtlich der erforderlichen Aktivität einheitlich aus.6 Ein wesentlicher Unterschied zwischen nationalem Recht und Abkommensrecht ergibt sich jedoch aus Art. 5 Abs. 4 OECDMA. Die Vorschrift schließt eine Reihe von Einrichtungen von der Betriebsstätteneigenschaft aus. Besonders zu erwähnen sind Art. 5 Abs. 4 Buchst. e) und Buchst. f) OECD-MA, nach denen, anders als im nationalen Recht, vorbereitende und Hilfstätigkeiten nicht für eine Betriebsstätte genügen. Diese Unterscheidung wird insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr relevant. Zur Verdeutlichung kann die oben erwähnte GmbH & Co. KG dienen, die Internetdienstleistungen anbietet und in einem Vertragsstaat Server vorhält. Abhängig von der konkreten Art der Dienstleistung wird in den meisten Fällen nach dem nationalen Recht eine Betriebsstätte vorliegen, nicht jedoch nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. e) OECD-MA, da die Speicherung von Daten und die Bereitstellung von Kommunikationsverbindungen durch den Server regelmäßig nur als Hilfstätigkeiten im Sinne der Vorschrift anzusehen sein werden.7 Damit würde das jeweilige nationale Recht Betriebsstätten erfassen, deren Gewinne ihm jedoch nach dem Abkommensrecht nicht zugewiesen sind, so dass das nationale Recht insoweit leer läuft.
6.838
b) Ständiger Vertreter Nach innerstaatlichem Recht ist ein ständiger Vertreter gem. § 13 AO eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig und weisungsgebunden Geschäfte besorgt. 1 2 3 4 5
BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624 = FR 1982, 548. BFH v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162. Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 5 OECD-MA Rz. 10. Zum Streit Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 5 OECD-MA Rz. 24 m.w.N.; diese Auffassung ablehnend Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 AO Rz. 47a (Stand: März 2013) m.w.N.; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.1.1. 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.1.1. 7 OFD Karlsruhe v. 11.11.1998 – S 1301 A-St 332, IStR 1999, 439.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Während die Betriebsstätte nach § 12 AO den sachlichen Anknüpfungspunkt der Besteuerung darstellt, gewährleistet der ständige Vertreter den personellen Anknüpfungspunkt. In Fällen, in denen sowohl die Voraussetzungen einer Betriebsstätte nach § 12 AO als auch eines ständigen Vertreters nach § 13 AO vorliegen, tritt der ständige Vertreter als subsidiär zurück.1 Beispiel 6.840
Eine deutsche GmbH & Co. KG vertreibt ihre Waren in einem ausländischen Staat und unterhält dort keine eigenen Geschäftseinrichtungen, sondern bedient sich eines ortsansässigen Händlers, der neben seinem eigenen Geschäft für Rechnung der GmbH & Co. KG Aufträge akquiriert, Waren ausliefert und dabei den Weisungen der Gesellschafter unterliegt.
6.841
Das deutsche Konzept des ständigen Vertreters unterscheidet sich grundlegend von dem abkommensrechtlichen Vertreter aus Art. 5 Abs. 5 OECD-MA.2 Der ständige Vertreter nach deutschem Recht ist selbst Anknüpfungspunkt der Besteuerung. Der abkommensrechtliche Vertreter fungiert nur als ein mögliches Tatbestandsmerkmal, das zu einer Betriebsstätte führen kann. Er ist also in die Definition der Betriebsstätte inkorporiert.
6.842
Das Abkommensrecht fingiert gem. Art. 5 Abs. 5 DBA-MA eine Betriebsstätte, wenn ein Unternehmen in einem Vertragsstaat einen ständiger Vertreter im Sinne der Norm besitzt3 (sog. Vertreterbetriebsstätte4). Der abkommensrechtliche Begriff des ständigen Vertreters ist erheblich enger gefasst als derjenige des § 13 AO. Anders als die nationale Definition, verlangt der Vertreterbegriff des OECD-MA, dass der Vertreter eine Vollmacht des Unternehmens besitzt und diese gewöhnlich ausübt. Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten genügen nicht. Noch deutlicher ist Art. 5 Abs. 6 OECD-MA, der unabhängige Vertreter ausdrücklich von der Vertreterdefinition aus Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ausnimmt. Damit fällt beispielsweise der Kommissionär als typischer ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO5 aus der abkommensrechtlichen Vertreterdefinition heraus. Damit knüpft das nationale Recht insoweit an steuerliche Sachverhalte an, die aufgrund des Abkommensrechts einem anderen Staat zugewiesen sind.
6. Die grenzüberschreitende Einlage und Entnahme 6.843
Wenn eine GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter auf eine ausländische Tochtergesellschaft unentgeltlich oder teilentgeltlich überträgt, Wirtschaftsgüter auf eine ausländische Betriebsstätte überführt, der ausländischen Tochtergesellschaft oder der ausländischen Betriebsstätte Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, findet analog zum Inlandsfall der Kanon allgemeiner Korrekturregelungen, wie bspw. die (verdeckte) Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 EStG und die (verdeckte) Einlage nach § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG Anwendung. Die allgemeinen Korrek1 2 3 4 5
Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 13 AO Rz. 4 (Stand: März 2013). Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 13 AO Rz. 18 (Stand: März 2013). Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 5 OECD-MA Rz. 111 ff. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.2. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238 = FR 1995, 238 m. Komm. Kempermann.
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Steuerliche Besonderheiten der GmbH & Co. KG mit Auslandsberührung
turregelungen sind nicht auf rein innerstaatliche Sachverhalte beschränkt, sondern finden auch in grenzüberschreitenden Konstellationen Anwendung.1 a) Übertragung auf ausländischen Gesellschafter Die GmbH & Co. KG überträgt ihrem ausländischen Gesellschafter unentgeltlich einen PKW; es findet also ein Eigentumswechsel statt.
6.844
Bei dieser Übertragung handelt es sich um einen Vorgang mit Rechtsträgerwechsel und nicht etwa nur um eine veränderte Zuordnung innerhalb der steuerlichen Sphäre des Gesellschafters. Es kommt zu einer (verdeckten) Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG aus dem Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG in das Privatvermögen des Gesellschafters.2 Dies hat die Aufdeckung und Versteuerung der in dem PKW enthaltenen stillen Reserven zur Folge.3 b) Übertragung auf ausländische Tochterkapitalgesellschaft Die GmbH & Co. KG überträgt einer österreichischen Tochterkapitalgesellschaft unentgeltlich eine Maschine; es findet also ein Eigentumswechsel statt.
6.845
Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Betriebsvermögen einer GmbH & Co. KG auf eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft handelt es sich nach inländischen Maßstäben um eine verdeckte Einlage i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG. Die GmbH & Co. KG wendet als Gesellschafterin der Kapitalgesellschaft einen bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil in Form der Maschine zu. Die Zuwendung erfolgt unentgeltlich, allein aus gesellschaftsrechtlichen Gründen.4 Die verdeckte Einlage wird gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG wie ein Tauschgeschäft behandelt. Als Rechtsfolge erhöhen sich gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft um den Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts. Damit regelt die Vorschrift zwar die Bewertung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, in deren Betriebsvermögen das Wirtschaftsgut eingelegt wird, nicht jedoch die Bewertung des Wirtschaftsguts bei seinem Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG. Der verdeckten Einlage in die Kapitalgesellschaft geht eine erfolgswirksame Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG voraus.5 Es kommt also zur entsprechenden Aufdeckung und Versteuerung der in der Maschine enthaltenen stillen Reserven.6
6.846
c) Übertragung auf ausländische Tochterpersonengesellschaft Die GmbH & Co. KG überträgt einer französischen Tochterpersonengesellschaft unentgeltlich eine Maschine; es findet also wiederum ein Eigentumswechsel statt. 1 2 3 4 5 6
T. Schmidt in Schmidt, AStG, 2012, § 1 AStG Rz. 5. Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 129. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, S. 1027. Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG Rz. 175 (Stand: Juni 2014). Ehmcke in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6 EStG Rz. 1411 (Stand: August 2014). Vgl. Fischer in Kirchhof, § 6 EStG Rz. 227.
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§6
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Betriebsvermögen einer GmbH & Co. KG in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft führt nach inländischen Maßstäben zu einer verdeckten Einlage. Diese kann grundsätzlich gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 EStG zum Buchwert erfolgen. Aufgrund der Übertragung ins Ausland ist die Besteuerung der stillen Reserven jedoch nicht sichergestellt i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG. Somit kommt es durch diesen Vorgang bei dem vorliegenden grenzüberschreitenden Sachverhalt im Inland zu einer Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG.1 Dadurch, dass ein echter Realisationstatbestand erfüllt wird, bedarf es der fiktiven Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG im vorliegenden Fall nicht. Als Rechtsfolge sind die stillen Reserven gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG aufzudecken und zu versteuern.2 d) Überführung in ausländische Betriebsstätte 6.848
Die GmbH & Co. KG überführt eine Maschine in ihre belgische Betriebsstätte; es findet also kein Eigentumswechsel statt. Wird ein Wirtschaftsgut von einer GmbH & Co. KG in eine ausländische Betriebsstätte überführt, wird gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Entnahme fingiert, wenn durch den Vorgang das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung des Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder eingeschränkt wird.3 Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts tritt beispielsweise dann ein, wenn mit dem betreffenden Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Freistellungsmethode besteht. Im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Anrechnungsmethode kommt es zur Beschränkung des Besteuerungsrechts, weil dem anderen Staat das Besteuerungsrecht für den der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnenden steuerlichen Gewinn im Fall der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts zusteht (Betriebsstättenprinzip; Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Der § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG stellt klar, dass insbesondere dann ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts vorliegt, wenn ein bislang einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.4 Die Fiktion der Entnahme führt grundsätzlich zur sofortigen Versteuerung der stillen Reserven. Eine Ausnahme ergibt sich lediglich für die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. In diesen Fall erlaubt § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG die Bildung eines Ausgleichspostens, der gem. § 4g Abs. 2 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren gewinnerhöhend aufzulösen ist. Damit wird die steuerliche Belastung aufgrund der Entnahmefiktion zumindest zeitlich gestreckt.
1 Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, S. 774, 769. 2 Bode in Kirchhof, § 4 EStG Rz. 95. 3 Vgl. Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, S. 703; zur Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht: Mitschke, IStR 2015, 206 (214 ff.). 4 Zur Bedeutung des Regelbeispiels vgl. Musil, FR 2011, 545 ff.
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Steuerliche Besonderheiten der GmbH & Co. KG mit Auslandsberührung
e) Gewährung von Nutzungsvorteilen Eine GmbH & Co. KG überlässt ihrer ausländischen Tochtergesellschaft, an der sie zu 100 % beteiligt ist, Patente, Markenrechte oder ein Darlehen teilentgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung, ohne dass hierauf ein einklagbarer vertraglicher Anspruch besteht.
6.849
Im Fall der Nutzungsvorteile, die die GmbH & Co. KG ihrer Tochtergesellschaft im Beispiel gewährt, finden die Korrekturvorschriften über die verdeckte Einlage und die verdeckte Entnahme keine Anwendung.1 Die gewährten Nutzungsvorteile sind nur dann einlage- und entnahmefähig, wenn es sich dabei um Wirtschaftsgüter handelt.2 Die vorliegenden Nutzungsvorteile sind nicht hinreichend konkretisiert und nicht rechtlich durchsetzbar. Damit haben sich die betreffenden Nutzungsvorteile (noch) nicht in Wirtschaftsgütern verkörpert.3 Es handelt sich (noch) nicht um echte Nutzungsrechte, sondern um bloße Nutzungsvorteile ohne die notwendige Wirtschaftsgutqualität. Es kann sich jedoch um eine fiktive Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG handeln. Denn durch die Nutzungsüberlassung an die ausländische Gesellschaft kann das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung der Wirtschaftgüter ausgeschlossen oder beschränkt sein.4 Da es sich vorliegend um einen grenzüberschreitenden Steuersachverhalt handelt, kann es darüber hinaus gem. § 1 Abs. 1 AStG zu einer Korrektur kommen.5 Nach der Vorschrift ist im Wege des sog. Fremdvergleichs festzustellen, welche Abreden voneinander unabhängige Dritte getroffen hätten. Die sich hieraus ergebenden Steuerfolgen sind sodann anzuwenden. Dabei gehen – soweit einschlägig – die allgemeinen Korrekturvorschriften – der (verdeckten) Einlage und der (verdeckten) Entnahme – gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG vor („unbeschadet anderer Vorschriften“). Soweit sich jedoch aus dem Fremdvergleich weitergehende Berichtigungen ergeben, sind diese nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG neben den allgemeinen Korrekturvorschriften durchzuführen.6
6.850
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG liegen vor. Die GmbH & Co. KG ist als Personengesellschaft Steuerpflichtiger i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG. Die Tochtergesellschaft ist nahestehende Person i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, denn die GmbH & Co. KG ist zu 100 % und damit zu mehr als einem Viertel i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG an der Tochtergesellschaft beteiligt. Die GmbH & Co. KG hat Geschäftsbeziehungen zum Ausland i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. Dies ergibt sich nach Auf-
6.851
1 Stritt. für die Entnahmefiktion nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG: vgl. dazu: Heinicke in Schmidt, § 4 EStG Rz. 329; AEAStG Tz. 1.1.2. (BMF v. 14.5.2004 – IV B 4-S 1340-11/04, BStBl. I 2004, 3 Sondernummer 1). 2 Heinicke in Schmidt, § 4 EStG Rz. 304; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, S. 1041. 3 Die Übergänge sind fließend, die Abgrenzung abhängig vom jeweiligen „Wirtschaftsgut“; vgl. für Darlehen: Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 630 f. 4 Zum Verhältnis von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 1 AStG vgl. Levedag in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, S. 745 ff. 5 Zum Themenkreis der Bekämpfung der Einkünfteverlagerung ins Ausland vgl. Musil/Schulz, DStR 2013, 2205 f. 6 Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2007, 717 ff.
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Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
fassung der Verwaltung (AEAStG Tz. 1.4.2.) bereits ohne Weiteres aus der Gewährung des zinsgünstigen bzw. zinslosen Darlehens. Damit wäre im Rahmen eines Fremdvergleichs festzustellen, in welcher Höhe bei einem Dritten für die Patente und Markenrechte Lizenzgebühren sowie für das Darlehen Zinsen (Verrechnungspreise) angefallen wären.1 Der sich ergebende Unterschiedsbetrag zu den tatsächlich erfolgten Zahlungen wäre gewinnerhöhend zu berücksichtigen. Es handelt sich streng genommen nicht um eine Minderung inländischer Einkünfte, wie § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG voraussetzt. Aber die verhinderte Vermögensmehrung wird gleichermaßen durch Ansatz der fiktiven angemessenen Entgelte erfasst.
IV. Besteuerung der Gesellschafter 1. Allgemeines 6.852
Im Folgenden soll die steuerliche Beurteilung der wirtschaftlichen Tätigkeit einer GmbH & Co. KG bei Auslandssachverhalten anhand von zwei typischen Beispielsfällen verdeutlicht werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird jeweils nur der Fall positiver Einkünfte betrachtet. Bei negativen Einkünften können Beschränkungen für deren Geltendmachung bestehen.2
2. Die GmbH & Co. KG mit inländischen Gesellschaftern 6.853
Der Bezug zum Ausland wird im Fall inländischer Gesellschafter durch ausländische Einkünfte hergestellt. Im folgenden Beispiel soll die GmbH & Co. KG positive Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte erzielen. Der Vertragsstaat soll die Gesellschaft als transparent behandeln.
6.854
Die Betriebsstätteneinkünfte stellen für die inländischen Gesellschafter ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 34d Abs. 2 Buchst. a) EStG dar. Typischerweise würde der ausländische Staat die für ihn innerstaatliche Betriebsstätte ebenfalls zum Anknüpfungspunkt der (beschränkten) Steuerpflicht der Gesellschafter bestimmen. Hierdurch droht eine Doppelbesteuerung. Diese wird nach innerstaatlichem Recht gem. § 34c Abs. 1, 2 EStG vermieden. Demnach ist die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen. Auf Antrag kann die ausländische Steuer auch bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG i.V.m. § 9 Nr. 2 GewStG unterliegt der Gewinn nicht der Gewerbesteuer.
6.855
Nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA wird der Betriebsstättengewinn dem ausländischen Staat zugeordnet. In der Bundesrepublik Deutschland wird der Gewinn typischerweise freigestellt und unterliegt gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG dem Progressionsvorbehalt. Im Fall einer Betriebsstätte im EU/EWR-Ausland ist § 32b Abs. 1 Satz 2, 3 EStG zu beachten. Die Freistellungsmethode kann unter bestimmten 1 Zur Ermittlung der Zinsen: BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S - 1341 - 4/83 (Verwaltungsgrundsätze), BStBl. I 1983, 1122, Rz. 4; zur Ermittlung der Lizenzgebühren: BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S - 1341 - 4/83 (Verwaltungsgrundsätze), BStBl. I 1983, 1122, Rz. 5. 2 Im Verlustfall ergibt sich eine Reihe von Besonderheiten aus §§ 2a, 15a EStG.
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§6
Besteuerung der Gesellschafter
Umständen jedoch ausgeschlossen sein. Beispielsweise kann das betreffende DBA einen sog. Aktivitätsvorbehalt enthalten. In diesem Fall gilt die Freistellungsmethode nur dann, wenn in der Betriebsstätte eine bestimmte qualifizierte Tätigkeit ausgeübt wird.1 Die Freistellungsmethode entfällt nach § 50d Abs. 9 EStG auch dann, wenn in dem Vertragsstaat keine oder nur eine geringe Besteuerung der Einkünfte stattfindet oder wenn die Einkünfte nur darum nicht steuerpflichtig sind, weil der Steuerpflichtige in dem Staat nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine abweichende Zuordnung der Unternehmensgewinne kann sich bei gewerblich geprägten GmbH & Co. KG i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, im Fall der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG oder bei Besitz-Personengesellschaften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ergeben, die nicht (oder nicht ausschließlich) eine ihrer Art nach unternehmerische Tätigkeit ausüben. Für Einkünfte nicht (oder nicht ausschließlich) originär gewerblich tätiger Personengesellschaften gelten auf Abkommensebene (hinsichtlich der nicht originär gewerblichen Tätigkeit) die gleichen Grundsätze, wie für vermögensverwaltende Personengesellschaften.2
6.856
3. Die GmbH & Co. KG mit ausländischen Gesellschaftern In diesem Fall ist der Bezug zum Ausland bereits durch die Struktur der Gesellschafter hergestellt. Zu untersuchen sind damit die steuerlichen Folgen sowohl für inländische als auch für ausländische Einkünfte. Die Komplexität des Sachverhalts kann sich in diesem Fall dadurch erhöhen, dass die Einkünfte aus einem dritten Staat stammen.
6.857
Zunächst soll die (inländische) GmbH & Co. KG mit ausländischen Gesellschaftern inländische positive Einkünfte aus einer Betriebsstätte erzielen. Die ausländischen Gesellschafter wären in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.v. § 1 Abs. 4 EStG. Es würden sich keine Unterschiede zum Fall eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters ergeben. Abkommensrechtlich stünden die Gewinne aus der inländischen Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA der Bundesrepublik Deutschland zu. Eine ggf. bestehende Doppelbesteuerung hätte der andere Staat zu vermeiden.
6.858
Analog zum vorangehenden Abschnitt kann sich bei einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, im Fall der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG oder bei Besitz-Personengesellschaften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung eine abweichende Zuordnung ergeben.3
6.859
Würde die GmbH & Co. KG eine Betriebsstätte in dem Wohnsitzstaat des ausländischen Gesellschafters unterhalten, wären entsprechende Gewinne in der Bundesrepublik Deutschland wegen §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), 1 Abs. 4 EStG nicht steuerbar. Es fehlt der notwendige inländische Anknüpfungspunkt für die Besteuerung.
6.860
1 Ismer in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 23 OECD-MA Rz. 67 ff. 2 Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.1., 2.3. 3 Schreiben betr. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.1., 2.3.
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§6 6.861
Laufende Besteuerung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter
Auch soweit die Betriebsstätteneinkünfte aus Drittstaaten herrühren, fehlt nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), 1 Abs. 4 EStG die Grundlage für eine Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gewinne sind im Inland nicht steuerbar. In diesem Fall stellen sich jedoch Fragen der Doppelbesteuerung im Verhältnis des Drittstaats zum Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters.
V. Die Bedeutung von Qualifikationskonflikten für die internationale Steuerplanung 6.862
Die beschriebenen Abstimmungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Besteuerung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Tätigkeit können in der Praxis von der gewöhnlichen Steuerplanung, etwa zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung, bis hin zur Entwicklung von Steuervermeidungsmodellen genutzt werden. Letztere zielen beispielsweise darauf ab, unter gezielter Nutzung von Qualifikationskonflikten Abzugsbeträge mehrfach geltend zu machen (Double-Dip-Modelle), eine wirtschaftliche Tätigkeit aufgrund unterschiedlicher tatbestandlicher Anknüpfung gegenüber den beteiligten Vertragsstaaten als nicht steuerbar darzustellen (sog. weiße Einkünfte), vom Gesetzgeber dem Grunde oder der Höhe nach nicht intendierte Steuerermäßigungen zu erlangen (sog. graue Einkünfte) oder Gewinne in niedrig besteuernde Staaten zu transferieren (sog. Steueroasen).
6.863
Die Bemühungen international agierender Unternehmen um Steueroptimierung führen, soweit die genutzten Steuervorteile vom Gesetzgeber nicht geplant oder nicht gewünscht sind, zu Gegenmaßnahmen,1 welche wiederum neue Gestaltungen nach sich ziehen und im Ergebnis in einem Steuerplanungswettlauf münden. Staatliche Gegenmaßnahmen können in DBA vereinbart sein oder unilateral beispielsweise im Wege des bereits angesprochenen treaty override erfolgen.2 Ein Beispiel für Gegenmaßnahmen sind Rückfall- bzw. Subject-to-tax-Klauseln (Besteuerungsvorbehalte), nach denen die Freistellungsmethode nur dann Anwendung findet, wenn bestimmte Voraussetzungen im Vertragsstaat (tatsächliche Besteuerung in angemessener Höhe) erfüllt sind. Die Remittance-base-Klauseln (Überweisungsklauseln) behandeln den Fall, dass Einkünfte in einem Vertragsstaat nur dann besteuert werden können, wenn sie in den Vertragsstaat überwiesen oder dort bezogen werden. Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, gewährt die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Freistellungen oder Steuerermäßigungen nicht. Nach den Switch-over-Klauseln (Umschaltklauseln) kann im Fall der Nicht- oder Niedrigbesteuerung durch den Vertragsstaat in der Bundesrepublik Deutschland die Freistellungsmethode ausgeschlossen und zur Anrechnungsmethode übergegangen werden.
1 Vgl. aktuell zum OECD-Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): Reimer, IStR 2015, 1 ff.; Hummel/Knebel/Born, IStR 2014, 832 ff. 2 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980.
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§7 Rechnungslegung und Publizität A. Allgemeines zur Rechnungslegung und Publizität der GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH Unter Rechnungslegung i.S. des HGB1 wird die Führung von Handelsbüchern (§§ 238 ff. HGB), die Zurückbehaltung einer Kopie o.Ä. von Handelsbriefen (§ 238 Abs. 2 HGB), die Aufstellung des Inventars (§ 240 Abs. 1 und 2 HGB) und die Aufstellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB), eines Anhangs (§§ 264 Abs. 1 Satz 1, 284 ff. HGB) und eines Lageberichts (§§ 264 Abs. 1 Satz 1, 289 HGB) sowie Konzernabschlusses (§§ 290 ff. HGB) und Konzernlageberichts (§ 315 HGB) verstanden.2
7.1
Bei der Rechnungslegung einer GmbH & Co. KG ist zu beachten, dass es sich bei der KG und deren Komplementär-GmbH um zwei selbständige Unternehmen i.S. des § 238 Abs. 1 HGB handelt. Dies gilt selbst dann, wenn die GmbH & Co. KG das gesamte operative Geschäft betreibt und die Komplementär-GmbH neben ihrer Komplementärstellung keine weitere wirtschaftliche Tätigkeit übernimmt. Die Trennung zwischen den beiden Unternehmen führt dazu, dass sowohl getrennte Handelsbücher für die GmbH & Co. KG und die Komplementär-GmbH zu führen als auch darauf aufbauend ein Jahresabschluss für die GmbH & Co. KG und ein getrennter Jahresabschluss für die Komplementär-GmbH aufzustellen sind. An der Trennung zwischen den beiden Gesellschaften hat sich auch durch die Einführung des sog. KapCoRiLiG (s. unter Rz. 7.3) nichts geändert. Wird eine GmbH & Co. KG hinsichtlich der Rechnungslegung und Prüfungspflicht einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt (s. unter Rz. 7.35 f.), bedeutet dies lediglich, dass auch die GmbH & Co. KG einen Jahresabschluss und Lagebericht aufzustellen hat, der den Anforderungen an den Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft entspricht. Es bedeutet dagegen nicht, dass die GmbH & Co. KG und die an ihr als Komplementärin beteiligte Kapitalgesellschaft – also die GmbH – nur einen gemeinsamen Jahresabschluss aufzustellen haben.
7.2
In der Vergangenheit galten dabei für die Rechnungslegung der GmbH & Co. KG als Personenhandelsgesellschaft und der Komplementär-GmbH als Kapitalgesellschaft bereits dem Grundsatz nach unterschiedliche Regelungen.3 Seit Einführung der §§ 264a ff. HGB – als Teil des sog. KapCoRiLiG – für nach dem 31.12.1999 beginnende Geschäftsjahre (Art. 48 Abs. 1 Satz 1 EGHGB) trifft diese Unterscheidung jedoch nicht mehr für solche GmbH & Co. KG zu, die in den Anwendungsbereich des § 264a Abs. 1 HGB fallen, d.h. bei denen keine natürliche Person Komplementär ist. Für diese GmbH & Co. KG sind die für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften dem Grundsatz nach maßgeblich.4 Seit-
7.3
1 Der Begriff „Rechnungslegung“ selbst wird in den §§ 238 ff. HGB nicht verwandt; erst in § 342 HGB verwendet das Gesetz diesen Begriff. 2 K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 15 I, Rz. 1–3. 3 Vgl. hierzu 19. Aufl. 2005, § 9 Rz. 3. 4 Von §§ 264a ff. HGB wird zumindest die „typische“ GmbH & Co. KG erfasst; s. dazu im Einzelnen unter Rz. 7.35 f.
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her entsprechen sich die Rechnungslegung der GmbH & Co. KG und die der Komplementär-GmbH zwar nicht vollständig. Die Rechnungslegung einer GmbH & Co. KG ohne natürliche Person als Komplementärin ist aber an die der Kapitalgesellschaft weitgehend angenähert. 7.4
Unabhängig von der Internationalisierung der Rechnungslegung durch die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS („International Accounting Standards“/„International Financial Reporting Standards“) ist sowohl die Komplementär-GmbH als auch die GmbH & Co. KG verpflichtet, einen Jahresabschluss und Lagebericht nach HGB aufzustellen. Lediglich bei der Offenlegung (Publizität) besteht die Möglichkeit, an die Stelle des Jahresabschlusses einen Einzelabschluss nach IAS/IFRS treten zu lassen (§ 325 Abs. 2a und 2b HGB; s. unter Rz. 7.163). Demgegenüber besteht für den Konzernabschluss einer GmbH oder GmbH & Co. KG, die nicht kapitalmarktorientiert i.S. des § 264d HGB ist, die Möglichkeit, diesen auf der Grundlage des HGB oder nach IAS/IFRS aufzustellen (§ 315a Abs. 3 HGB; s. unter Rz. 7.136, 7.140). Wenn die Komplementär-GmbH oder die GmbH & Co. KG einen Einzelabschluss nach IAS/IFRS – zusätzlich zum Jahresabschluss nach HGB – oder als Mutterunternehmen einen Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufstellt, stellt sich wegen der Besonderheiten des deutschen Personengesellschaftsrechts die Frage nach der Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Das Problem wird im Zusammenhang mit dem Konzernabschluss nach IAS/IFRS behandelt (s. unter Rz. 7.140 ff.).
7.5
Während das International Accounting Standards Board (IASB) in London eine Durchsetzung der IAS/IFRS befürwortet,1 brachte der deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25.5.2009 (BilMoG)2 zum Ausdruck, dass er das HGB-Bilanzrecht zu einer dauerhaften und vollwertigen, aber kostengünstigeren und einfacheren Alternative entwickeln will. Gleichzeitig soll sich die Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses erhöhen. Die durch das BilMoG geänderten Rechnungslegungsvorschriften sind erstmals für ab dem 1.1.2010 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 und 6 EGHGB). Die Einschränkung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG) und die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.) gelten dagegen – mangels spezieller Regelung zur zeitlichen Anwendung – bereits ab dem Veranlagungsjahr 2009.
B. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der Komplementär-GmbH I. Grundsätzliches 7.6
Bei einer typischen GmbH & Co. KG ist die Komplementär-GmbH nur geringfügig oder gar nicht am Gesellschaftskapital und Vermögen der GmbH & Co. KG betei1 Luttermann, ZIP 2007, 1137. 2 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der Komplementär-GmbH
ligt. Ihre Aufgabe liegt in der Stellung als Komplementärin und damit in der Vertretung und Geschäftsführung der GmbH & Co. KG. Die Komplementär-GmbH wird daher i.d.R. nach den Größenkriterien des § 267 HGB als kleine Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB; s. unter Rz. 7.156 f.) anzusehen sein. Für sie besteht bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, seiner Prüfung (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB) und seiner Offenlegung (§ 326 Abs. 1 HGB) eine Vielzahl von Erleichterungen. Kleine Kapitalgesellschaften brauchen die Bilanz nur in verkürzter Form aufzustellen (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB). Außerdem bestehen für sie weitere größenabhängige Erleichterungen (§ 274a Nr. 5 HGB). Auch bei der Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 276 Satz 1 und 2 HGB) und des Anhangs (§ 288 Abs. 1 HGB) bestehen Erleichterungen für die kleine GmbH. Sie braucht darüber hinaus keinen Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB). Der Jahresabschluss ist innerhalb der ersten drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs aufzustellen, wobei die Frist auf sechs Monate verlängert werden kann, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 HGB). Nach dem Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) vom 20.12.20121 bestehen für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB; s. unter Rz. 7.158) – erstmals mit Wirkung für das am 31.12.2012 endende Geschäftsjahr (Art. 70 Abs. 1 EGHGB) – weitere größenabhängige Erleichterungen. Für sie gelten die Regelungen über kleine Kapitalgesellschaften entsprechend, sofern nicht etwas anderes gesetzlich geregelt ist (§ 267a Abs. 2 HGB). Die über die für kleine Kapitalgesellschaften hinausgehenden Erleichterungen betreffen die Bilanz (§ 266 Abs. 1 Satz 4 HGB) und die Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 275 Abs. 5, 276 Satz 3 HGB). Bei Angabe bestimmter Informationen unter der Bilanz entfällt die Verpflichtung zur Aufstellung eines Anhangs (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB). Ferner besteht eine Erleichterung bei der Offenlegung (§ 326 Abs. 2 HGB; s. unter Rz. 7.165).
7.7
Diese gesetzlichen Änderungen haben große Bedeutung für die GmbH & Co. KG, weil die Komplementär-GmbH sich typischerweise – auch bei größeren GmbH & Co. KG – auf die Funktion als Komplementärin beschränkt und daher mangels eigener und unternehmerischer Aktivitäten die Voraussetzungen nicht nur einer kleinen Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB), sondern darüber hinaus auch einer Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) erfüllt.
7.8
II. Beteiligung an der GmbH & Co. KG In der Bilanz der Komplementär-GmbH erscheinen auf der Aktivseite i.d.R. nur eine evtl. bestehende Beteiligung an der GmbH & Co. KG und eine evtl. Darlehensforderung gegen diese. Die Komplementär-GmbH ist typischerweise nicht am Gesellschaftskapital und Vermögen der KG beteiligt. In Einzelfällen bestehen jedoch – z.B. im Rahmen von formwechselnden Umwandlungen2 entstandene, vorüber1 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751. 2 Zur Notwendigkeit einer kapitalmäßigen Beteiligung der Komplementär-GmbH bei Umwandlungsvorgängen und Hilfskonstruktionen, um trotzdem im Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co. KG eine Beteiligung von 0 % zu erreichen; s. im Einzelnen unter Rz. 11.14.
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7.9
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Rechnungslegung und Publizität
gehende – Kapitalbeteiligungen an der KG. Die von der Komplementär-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in das Vermögen der KG geleistete Einlage ist je nach der Beteiligungsquote als Anteile an verbundenen Unternehmen oder Beteiligung in Höhe der geleisteten Einlage, d.h. der Anschaffungskosten, zu aktivieren (§ 266 Abs. 2 HGB unter A III 1 oder 3). Eingeforderte, aber noch nicht geleistete Einlagen sind ebenfalls zu aktivieren. Der Differenzbetrag zwischen geleisteter und eingeforderter Einlage ist als Resteinzahlungsverpflichtung zu passivieren. Übersteigt die bedungene (nach dem Gesellschaftsvertrag geschuldete) Einlage die eingeforderte Einlage, so ist die Differenz zwischen bedungener und eingeforderter Einlage als sonstige finanzielle Verpflichtung gem. § 285 Nr. 3a HGB im Anhang auszuweisen.1 7.10
Die Beteiligung ist mit ihren Anschaffungskosten in der Bilanz der KomplementärGmbH auszuweisen (§§ 253 Abs. 1 Satz 1, 255 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eine außerplanmäßige Abschreibung nach § 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB setzt voraus, dass eine tatsächliche Wertminderung der Beteiligung insbesondere durch Verluste der GmbH & Co. KG eingetreten ist. Sind diese Wertminderungen voraussichtlich von dauerhafter Natur, ist zwingend abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Bei einer voraussichtlich nicht andauernden Wertminderung besteht dagegen ein Wahlrecht zur außerplanmäßigen Abschreibung (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB).
7.11
Steuerrechtlich kann die Beteiligung an der GmbH & Co. KG nicht auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden, da zumindest nach Ansicht der Finanzverwaltung2 und der Rechtsprechung3 der Beteiligung an einer Personengesellschaft keine eigenständige Bedeutung zukommt; steuerlich handelt es sich bei der Beteiligung an der Personengesellschaft nicht um ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Danach müssten in einer Steuerbilanz der Mitunternehmer streng genommen die der Beteiligungsquote der einzelnen Mitunternehmer entsprechenden Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter der KG ausgewiesen werden; aus Vereinfachungsgründen ist jedoch die Beteiligung an der KG als solche zu erfassen.4 Die Besonderheit dabei ist, dass die Beteiligung nicht mit den Anschaffungskosten oder einem niedrigeren Teilwert anzusetzen ist, sondern mit dem Wert, der dem Saldo der Kapitalkonten des Mitunternehmers bei der KG entspricht.5 Die steuerlichen Gewinne bzw. die Verluste aus der Mitunternehmerschaft sind den Gesellschaftern unmittelbar zuzurechnen und wirken sich daher unmittelbar auf den steuerlichen Buchwert der Beteiligung der Komplementär-GmbH an der KG aus.
III. Darlehen 7.12
Die Komplementär-GmbH stellt häufig ihr Stammkapital – mindestens 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1 GmbHG) – der GmbH & Co. KG als Darlehen zur Ver1 Karrenbrock in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 285 HGB Rz. 57; Grottel in Beck’scher BilanzKomm., § 285 HGB Rz. 56. 2 BMF v. 16.1.1996 – IV B 2 - S 2241-2/96, BB 1996, 424. 3 BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 = GmbHR 1991, 281; BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/95, BStBl. II 1994, 645; BFH v. 20.6.1985 – IV R 36/83, BStBl. II 1985, 654 = FR 1985, 623. 4 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 690 m.w.N. 5 Schubert/Gadek in Beck’scher BilanzKomm., § 255 HGB Rz. 141.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der Komplementär-GmbH
fügung. Für den Fall, dass die Komplementär-GmbH an der GmbH & Co. KG kapitalmäßig beteiligt ist oder die Kommanditisten an der Komplementär-GmbH beteiligt sind, sind die folgenden Einschränkungen zu beachten: – Gewährt die Komplementär-GmbH der GmbH & Co. KG ein Darlehen in Höhe ihres Stammkapitals, ist dies für Zwecke des Eigenkapitalschutzes i.S. des § 30 Abs. 1 GmbHG einer Auszahlung an einen Gesellschafter der GmbH (der gleichzeitig Gesellschafter der GmbH & Co. KG ist) gleichzustellen. Für solche Auszahlungen gilt nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ein Rückzahlungsverbot, das dem Schutz des Eigenkapitals der GmbH und damit dem Schutz der Gläubiger der GmbH dienen soll. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG gilt dieses Verbot jedoch nicht, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. Der gesetzlichen Regelung liegt also eine bilanzielle Betrachtung des Gesellschaftsvermögens zugrunde.1 Eine Leistung der Gesellschaft an einen Gesellschafter (bzw. an die GmbH & Co. KG, an der er beteiligt ist) ist folglich nicht als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen anzusehen, wenn ein reiner Aktivtausch vorliegt, also der Gegenleistungs- oder Rückerstattungsanspruch der GmbH gegen den Gesellschafter die Auszahlung deckt und vollwertig ist (s. unter Rz. 5.108 ff.). – Vereinbaren die Gesellschafter der Komplementär-GmbH bereits vor der Einzahlung der Stammeinlage eines Gesellschafters, dass die GmbH die Stammeinlage an den Gesellschafter zurückzahlt bzw. der GmbH & Co. KG ein Darlehen gewährt, gelten im Vergleich zu § 30 Abs. 1 GmbHG strengere Anforderungen. Nach § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG wird ein Gesellschafter in einem solchen Fall nur dann von seiner Einlageverpflichtung befreit, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die GmbH fällig werden kann. Allein die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs führt dagegen nicht zum Erlöschen der Einlageverpflichtung. Zudem ist das Hin- und Herzahlen in der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister offenzulegen, damit der Registerrichter prüfen kann, ob die Voraussetzungen einer Erfüllungswirkung gegeben sind (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG; s. unter Rz. 3.19, 5.108 ff., 5.111 ff.).
7.13
Gewährt die Komplementär-GmbH „ihrer“ GmbH & Co. KG ein Darlehen, bedarf es der Einordnung in das Bilanzgliederungsschema nach § 266 Abs. 2 HGB. Die schlichte Bezeichnung „Darlehen“ darf nicht verwendet werden. Vielmehr wird der Geschäftsführer zunächst die Entscheidung treffen müssen, ob das Darlehen dem Anlagevermögen als Finanzanlage (§ 266 Abs. 2 A III 2 oder 4 HGB) zuzuordnen ist oder aber, ob dieses Darlehen Umlaufvermögen i.S. des § 266 Abs. 2 B II HGB ist. Für die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Anlage- bzw. Umlaufvermögen sind sowohl die Eigenschaften des Gegenstandes als auch der Wille des Kaufmannes maßgeblich.2 Ausleihungen sind insoweit multifunktional ein-
7.15
1 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6140 v. 25.7.2007, S. 41; Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 30.10.2008 „Schwerpunkte des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG). 2 Schubert/F. Huber in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 351 mit Verweis auf BFH v. 26.11.1974 – VIII R 61 - 62/73, VIII R 61/73, VIII R 62/73, BStBl. II 1975, 352; Hütten/Lorson in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 247 HGB Rz. 21.
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Rechnungslegung und Publizität
setzbare Vermögensgegenstände, die nach dem Willen der Gesellschafter bzw. der Geschäftsführung dem Geschäftsbetrieb als Anlagevermögen (d.h. nicht als Gebrauchs- bzw. Verbrauchsgut) dienen können. Es kommt somit darauf an, was unter „dauerndem“ Dienen (§ 247 Abs. 2 HGB) zu verstehen ist. Nach überwiegender Ansicht kann dabei eine Gesamtlaufzeit von mehr als einem Jahr als ausreichend für eine Zuordnung zum Anlagevermögen angesehen werden;1 man wird aber die weitere Frage prüfen müssen, ob es auf die vertraglich vereinbarte oder tatsächliche Laufzeit ankommen soll. In der Praxis wurden solche Darlehen vielfach ohne besondere vertragliche Absprachen hingegeben und sind damit nach den gesetzlichen Regeln jederzeit kurzfristig kündbar; andererseits lässt die praktische Handhabung darauf schließen, dass die Darlehen vielfach der Kapitalverstärkung der GmbH & Co. KG dienen und somit auf Dauer angelegt sind. U.E. wird man aber nur auf die vertraglichen Vereinbarungen abstellen können,2 denn nur dadurch wird eine klare rechtliche Einordnung geschaffen. Außerdem ist der Komplementär-GmbH durch ein langfristig vereinbartes Darlehen die Realisierungsmöglichkeit für längere Zeit rechtlich unmöglich, so dass nur in diesem Falle das Darlehen als dem Anlagevermögen zugehörig angesehen werden kann. 7.16
Die Einordnung als Anlage- oder Umlaufvermögen hat große Bedeutung im Zusammenhang mit Wertminderungen und außerplanmäßigen Abschreibungen. Wenn es sich bei dem Darlehen um Anlagevermögen (Finanzanlagen) handelt, ist bei voraussichtlich dauernder Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen, um dieses mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihm am Abschlussstichtag beizulegen ist (§§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Bei einer voraussichtlich vorübergehenden Wertminderung von Finanzanlagen besteht dagegen handelsrechtlich ein Wahlrecht, eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB). Handelt es sich bei dem Darlehen dagegen um Umlaufvermögen, ist eine außerplanmäßige Abschreibung im Falle einer Wertminderung generell zwingend vorzunehmen (§ 253 Abs. 4 Satz 2 HGB). Steuerlich ist ein solches Darlehen als Sonderbetriebsvermögen der Komplementär-GmbH bei der GmbH & Co. KG einzustufen und wie Eigenkapital zu behandeln.3 Eine Teilwertabschreibung ist demnach nicht möglich.4
IV. Eigenkapitalausweis 7.17
Auf der Passivseite der Bilanz der Komplementär-GmbH werden i.d.R. zwei Posten auszuweisen sein, nämlich das Eigenkapital und evtl. Rückstellungen für Körperschaftsteuer etc. 1 Hütten/Lorson in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 247 HGB Rz. 22; differenzierend Schubert/F. Huber in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 357, wonach nur bei einer Laufzeit über vier Jahre zweifelsfrei Anlagevermögen vorliegt; bei einer Laufzeit zwischen einem und vier Jahren soll es entscheidend auf die subjektive Absicht des Kaufmanns, die Ausleihung dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuordnen zu wollen, ankommen, a.A.: – Laufzeit mindestens fünf Jahre analog § 285 Nr. 1a HGB – Hoffmann, BB 1986, 289; Marschke in Hofbauer/Kupsch, Bonner Hdb. der Rechnungslegung, § 266 HGB Rz. 63. 2 Schubert/F. Huber in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 357. 3 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 540. 4 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 541.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der Komplementär-GmbH
Das Eigenkapital ist wie folgt zu untergliedern (§ 42 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 266 Abs. 3 A HGB): I.
Gezeichnetes Kapital
II.
Kapitalrücklage
III.
Gewinnrücklagen
IV.
Gewinnvortrag/Verlustvortrag
V.
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
Das Stammkapital ist unter „Gezeichnetes Kapital“ auszuweisen. Ist das Stammkapital nur zum Teil eingezahlt, so ist es dennoch in voller Höhe auf der Passivseite als „Gezeichnetes Kapital“ auszuweisen. Die nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital sind von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 HGB); der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“ in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 HGB). Der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 3 HGB). Eingeforderte Einlagen sind dabei gesondert zu vermerken.
7.18
Wird die Bilanz – wie in § 268 Abs. 1 HGB vorgesehen – unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Gesellschafter das im Einzelfall beschließen,1 entfallen die Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ und „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“. An die Stelle dieser Posten tritt der Posten Bilanzgewinn/Bilanzverlust (§ 268 Abs. 1 Halbs. 1 HGB); ein vorhandener Gewinnoder Verlustvortrag ist in diesen Posten einzubeziehen (§ 268 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). Soll das gesamte Jahresergebnis – der Saldo aus Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag und Gewinnvortrag/Verlustvortrag – auf neue Rechnung vorgetragen (Gewinnvortrag) oder in die Gewinnrücklagen eingestellt werden, werden die jeweiligen Beträge bereits im Jahresabschluss unter Gewinnvortrag oder Gewinnrücklagen ausgewiesen (§ 270 Abs. 2 HGB). Einstellungen in die Kapitalrücklage sind bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen (§ 270 Abs. 1 HGB). Die Regelung des § 268 Abs. 1 HGB greift auch ein, wenn die GmbH in Vorjahren gebildete Gewinn- oder Kapitalrücklagen zugunsten des Bilanzgewinns auflöst (§ 270 Abs. 1 und 2 HGB).
7.19
V. Pensionszusage Pensionszusagen an Geschäftsführer sind bei Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH schon wegen ihrer steuerlichen Abzugsfähigkeit häufiger anzutreffen als bei einer GmbH & Co. KG.2 Doch auch bei der GmbH & Co. KG hat die Pen1 Knop/Zander in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 268 HGB Rz. 12. 2 Zur steuerlichen Behandlung von Pensionszusagen einer Personengesellschaft Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 586; s. im Einzelnen unter Rz. 6.138 ff.
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7.20
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Rechnungslegung und Publizität
sionszusage ihre Berechtigung, wenn man primär auf das Versorgungsbedürfnis des Geschäftsführers und weniger auf die steuerliche Effizienz einer solchen Zusage abstellt. Erteilt die Komplementär-GmbH dem Geschäftsführer die Pensionszusage, so handelt es sich hierbei um eine ungewisse Verbindlichkeit, die nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB passivierungspflichtig ist.1 Das in der Vergangenheit bestehende Passivierungswahlrecht besteht nicht mehr. Lediglich für Pensionszusagen vor dem 1.1.1987 besteht ein solches Wahlrecht fort (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB). 7.21
Aus einer handelsrechtlichen Passivierungspflicht für Pensionszusagen nach dem 1.1.1987 folgt – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – eine steuerrechtliche Passivierungspflicht, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 EStG vorliegen2 (eingeschränkte Maßgeblichkeit3); die Pensionsrückstellung kann dann auch mit steuerlicher Wirkung gebildet werden.
7.22
Ist die GmbH & Co. KG nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, der Komplementär-GmbH alle Aufwendungen zu erstatten, die ihr im Zusammenhang mit der Geschäftsführung entstehen, so schlägt die Verbindlichkeit der KomplementärGmbH aus der Pensionszusage auf die Bilanz der GmbH & Co. KG durch, so dass sie eine entsprechende Passivierung vorzunehmen hat. Entsprechend ist der Anspruch der Komplementär-GmbH in deren Bilanz zu aktivieren, und zwar in gleicher Höhe wie die in ihrer Bilanz ausgewiesene Pensionsrückstellung.4
7.23
Der Ausweis der Pensionszusage in den Handelsbilanzen der Komplementär-GmbH und der GmbH & Co. KG ist unabhängig davon, ob der begünstigte Geschäftsführer gleichzeitig Kommanditist der GmbH & Co. KG ist oder nicht. Steuerlich werden die Zuführungsbeträge zur Pensionsrückstellung zunächst (erste Gewinnermittlungsstufe) als Betriebsausgabe, in der zweiten Gewinnermittlungsstufe jedoch dem begünstigten Mitunternehmer zugerechnet (s. unter Rz. 6.139 f.).5
VI. Erträge und Aufwendungen 1. Gewinne (Jahresüberschuss) 7.24
Bei einer Beteiligung der Komplementär-GmbH am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG stellt sich die Frage, wie die hierauf entfallenden Gewinnanteile (Anteil am Jahresüberschuss) bei der Komplementär-GmbH bilanziell zu erfassen sind. Dies hängt von der Gewinnverwendung ab.
7.25
Sofern Gewinnanteile zur Erfüllung einer Einlageverpflichtung der KomplementärGmbH oder zur Einstellung in Rücklagen bei der GmbH & Co. KG verwendet werden und infolgedessen nicht entnahmefähig sind, sind diese Beträge als Eigenkapi1 Vgl. Höfer in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 249 HGB Rz. 634; Grottel/Rhiel in Beck’scher BilanzKomm., § 249 HGB Rz. 151, 161. 2 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Tz. 9 f.; R 6a Abs. 1 Satz 2 EStR 2012. 3 Grottel/Rhiel in Beck’scher BilanzKomm., § 249 HGB Rz. 151, 161. 4 Vgl. Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 78. 5 BFH v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, FR 2006, 541 m. Komm. Kempermann = GmbHR 2006, 605; BFH v. 30.3.2006 – IV R 25/04, BFH/NV 2006, 1293 = GmbHR 2006, 1111.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der Komplementär-GmbH
tal zu qualifizieren. Im ersten Fall tilgt die Komplementär-GmbH dadurch ihre Einlageverpflichtung (Gutschrift auf ihrem Kapitalkonto). Gleichzeitig erhöhen sich bei ihr die Anschaffungskosten. Im zweiten Fall ist die Komplementär-GmbH in Höhe ihrer Beteiligungsquote an den Rücklagen beteiligt, ohne dass sich die Anschaffungskosten erhöhen. Ist der auf die Komplementär-GmbH entfallende Gewinnanteil entnahmefähig, wird er auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto (Forderungskonto) der Komplementär-GmbH bei der GmbH & Co. KG und damit i.d.R. als Verbindlichkeit erfasst. Die Komplementär-GmbH hat korrespondierend eine Forderung gegen die GmbH & Co. KG (verbundenes Unternehmen oder Unternehmen, mit dem ein Beteiligungsverhältnis besteht) und „Erträge aus Beteiligungen“ gem. § 275 Abs. 2 Nr. 9 bzw. Abs. 3 Nr. 8 HGB auszuweisen. Darüber hinaus muss der Vermerk „davon aus verbundenen Unternehmen“ in der Gewinn- und Verlustrechnung der Komplementär-GmbH ausgewiesen werden, wenn man die Konzerneigenschaft der Verbindung zwischen Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG bejaht (s. im Einzelnen unter Rz. 7.127 ff., 7.137 ff.). Wenn die Komplementär-GmbH am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist, wird ihr der anteilige steuerliche Gewinn unabhängig von der Art der Ergebnisverwendung – Gewinneinbehalt oder Entnahme – zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).
7.26
2. Verluste (Jahresfehlbetrag) Erzielt die GmbH & Co. KG Verluste (Jahresfehlbetrag) und ist die KomplementärGmbH am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt, hat der anteilige handelsrechtliche Jahresfehlbetrag bei ihr grundsätzlich keine bilanziellen Konsequenzen. Nur unter den in § 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB genannten Voraussetzungen ist eine außerplanmäßige Abschreibung möglich. Ist der Beteiligung am Abschlussstichtag ein niedrigerer Wert beizulegen, kann der niedrigere Wert angesetzt werden (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB); bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ist zwingend der niedrigere Wert anzusetzen (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB) (s. im Einzelnen unter Rz. 7.119). Ist die Komplementär-GmbH dagegen nicht am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt, hat der Jahresfehlbetrag bei ihr unmittelbar keine Auswirkung. Der Jahresfehlbetrag der GmbH & Co. KG hat jedoch eine mittelbare Auswirkung auf den Jahresabschluss der KomplementärGmbH. Für sie stellt sich aufgrund ihrer unbeschränkten und unbeschränkbaren Haftung die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang sie bei Inanspruchnahme durch Gläubiger der GmbH & Co. KG Verbindlichkeiten ansetzen oder zumindest Rückstellungen bilden muss. Das gilt unabhängig davon, ob die Komplementär-GmbH am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist.
7.27
3. Vergütungen und Aufwandsersatz Bei fehlender Kapitalbeteiligung der Komplementär-GmbH an der GmbH & Co. KG erhält sie vielfach nur eine Vergütung für die Übernahme der persönlichen Haftung und den Ersatz für die Aufwendungen der Geschäftsführung und andere Aufwendungen, die ihr im Zusammenhang mit der Geschäftsführung und Vertretung der KG angefallen sind (s. unter Rz. 6.128). Fraglich ist, ob diese Vergütungen als Mueller-Thuns
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7.28
§7
Rechnungslegung und Publizität
Beteiligungsertrag i.S. des § 275 Abs. 2 Nr. 9 bzw. Abs. 3 Nr. 8 HGB auszuweisen sind. Die fehlende kapitalmäßige Beteiligung – bei fehlender Einlage der Komplementär-GmbH in die GmbH & Co. KG – allein spricht nicht dagegen.1 Allerdings sind unter dem Posten Beteiligungserträge nur die laufenden, typischen Erträge (Gewinnanteile) auszuweisen.2 Infolgedessen sind die Haftungsvergütung, der Ersatz der Geschäftsführervergütung und der Ersatz anderer Aufwendungen als sonstige betriebliche Erträge auszuweisen.3 7.29
Die für die Darlehensgewährung (s. unter Rz. 7.14) an die Komplementär-GmbH gezahlten Zinsen stehen nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Beteiligung der Komplementär-GmbH, vielmehr stellen sie eine Vergütung für die Darlehensüberlassung dar. Sie sind unter dem Posten „Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens“ gem. § 275 Abs. 2 Nr. 10 bzw. Abs. 3 Nr. 9 HGB auszuweisen, falls es sich um Ausleihungen handelt, ansonsten – insbesondere bei kurz- und mittelfristigen Darlehen – unter dem Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ gem. § 275 Abs. 2 Nr. 11 bzw. Abs. 3 Nr. 10 HGB. Ist die GmbH & Co. KG im Verhältnis zur GmbH als verbundenes Unternehmen (in diesem Fall Tochterunternehmen) anzusehen, ist ein „davon“-Vermerk vor der Hauptspalte vorzunehmen (§ 275 Abs. 2 Nr. 10 und 11 bzw. Abs. 3 Nr. 9 und 10 HGB).
7.30
Bei der Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung bestehen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 und 2 HGB; s. unter Rz. 7.155 f.) die sich aus § 276 Satz 1 und 2 HGB ergebenden Erleichterungen. Die Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB; s. unter Rz. 7.158) darf die Gewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form darstellen (§ 275 Abs. 5 HGB). Die Erleichterungen nach § 276 Satz 1 und 2 HGB gelten nicht, wenn die Gesellschaft von § 275 Abs. 5 HGB Gebrauch macht (§ 276 Satz 3 HGB).
VII. Anhang 7.31
Nach § 288 Abs. 1 Satz 1 HGB brauchen kleine Kapitalgesellschaften i.S. des § 267 Abs. 1 HGB im Anhang die Angaben nach § 284 Abs. 2 Nr. 4, § 285 Nr. 2 bis 8 Buchst. a), Nr. 9 Buchst. a) und Buchst. b) sowie Nr. 12, 17, 19, 21, 22 und 29 HGB nicht zu machen. Danach sind insbesondere die folgenden Angaben nicht erforderlich: – Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen (§ 285 Nr. 3a HGB), – Aufwendungen für Organmitglieder (§ 285 Nr. 9 Buchst. a) HGB), – Aufwendungen für Abfindungen, Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art und der Betrag der gebildeten und nicht gebildeten Pensionsrückstellungen für ehemalige Organmitglieder und deren Hinterbliebene (§ 285 Nr. 9 Buchst. b) HGB). 1 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 271 HGB Rz. 14 m.w.N. 2 Förschle/Peun in Beck’scher BilanzKomm., § 275 HGB Rz. 176; Budde in Küting/Pfitzer/ Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 275 HGB Rz. 78. 3 Budde in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 275 HGB Rz. 78.
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§7
Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
Für mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 2 HGB; s. unter Rz. 7.155 f.) bestehen in eingeschränktem Maße ebenfalls bestimmte Erleichterungen bei der Aufstellung des Anhangs (§ 288 Abs. 2 HGB). Eine Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB; s. unter Rz. 7.158) braucht keinen Anhang aufzustellen, wenn sie bestimmte Angaben unter der Bilanz aufführt (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB). Nach § 285 Nr. 11a HGB ist der Anhang um Namen, Sitz und Rechtsform der GmbH & Co. KG zu erweitern. Auf diese Angaben kann verzichtet werden, soweit sie für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KomplementärGmbH nach § 264 Abs. 2 HGB von untergeordneter Bedeutung sind oder nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet sind, der Komplementär-GmbH oder der GmbH & Co. KG einen erheblichen Nachteil zuzufügen (§ 286 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB).
7.32
VIII. Prüfung und Publizität Hinsichtlich der Prüfung und Publizität wird auf die Ausführungen zur GmbH & Co. KG verwiesen (s. unter Rz. 7.148 ff.); diese gelten für die Komplementär-GmbH entsprechend.
7.33
C. Aufstellung des Jahresabschlusses (Einzelabschluss) der GmbH & Co. KG I. Grundsätzliches Der Jahresabschluss der GmbH & Co. KG ist durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH aufzustellen und bedarf der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung.1 Vor der Umsetzung der sog. Kapitalgesellschaften-und-CoRichtlinie2 (kurz: „KapCoRiL“) der Europäischen Union in nationales Recht durch das KapCoRiLiG3 waren für den Jahresabschluss der GmbH & Co. KG im Wesentlichen nur die allgemeinen Rechnungslegungsregeln für Personenhandelsgesellschaften zu beachten, also die Rechnungslegungsvorschriften des 1. Abschnitts des 3. Buches des HGB (§§ 238–263 HGB). Die ergänzenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264–335b HGB) galten dagegen nicht.
7.34
Seit der Einführung des § 264a HGB sind bestimmte ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften, nämlich die §§ 264–335 HGB, auch auf solche oHG und KG anzuwenden, deren Haftungsstrukturen mangels einer vollhaftenden natürlichen
7.35
1 Gesetzlich ist dies nicht geregelt; die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ergibt sich daraus, dass es sich bei der Feststellung um ein sog. Grundlagengeschäft handelt, BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = GmbHR 2007, 437 „Otto“; s. im Einzelnen unter Rz. 7.177. 2 Richtlinie 90/605/EWG des Rates v. 8.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hins. ihres Anwendungsbereichs, ABl. EG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 60. 3 Kapitalgesellschaften-und-Co-Richtlinie-Gesetz v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154.
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§7
Rechnungslegung und Publizität
Person denen von Kapitalgesellschaften vergleichbar sind. Im Einzelnen bestimmt § 264a Abs. 1 HGB, dass die genannten Vorschriften auch auf oHG und KG anzuwenden sind, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder eine oHG, KG oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt (§ 264a Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB). Zu diesen Gesellschaften zählen insbesondere die typischen GmbH & Co. KG. 7.36
Demnach sind auf die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden GmbH & Co. KG grundsätzlich insbesondere die Vorschriften zur Aufstellung des Jahresabschlusses und Lageberichts (§§ 264 ff. HGB) und des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts (§§ 290 ff., 315 HGB; s. Rz. 7.127 ff., 7.137 ff.), zur Prüfung (§§ 316 ff. HGB; s. Rz. 7.149 ff.), zur Publizität (§§ 325 ff. HGB; s. Rz. 7.152 ff.), zur Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften (§ 330 HGB) sowie die Sanktionsvorschriften bei Verstoß gegen Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten (§§ 331 ff. HGB) anwendbar. Die grundsätzliche Gleichstellung der typischen GmbH & Co. KG mit der Kapitalgesellschaft hat zur Folge, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als deren Vertreter für die GmbH & Co. KG – wie bei einer Kapitalgesellschaft – einen Jahresabschluss und Lagebericht aufstellen muss (§ 264 Abs. 1 HGB). Daneben enthält § 264c HGB Sondervorschriften für die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Gesellschaften, mit denen den bilanz- und gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten von Personengesellschaften Rechnung getragen werden soll.
7.37
Der Grundsatz, dass sowohl die GmbH & Co. KG als auch die KomplementärGmbH jeweils einen Jahresabschluss aufzustellen haben, gilt selbst für den Fall, dass zwischen einer (Komplementär-)GmbH und einer („typischen“) GmbH & Co. KG ein Konzernverhältnis besteht und die (Komplementär-)GmbH aus den unter Rz. 7.127 ff. dargelegten Gründen als Mutterunternehmen einen Konzernabschluss aufzustellen hat, da es sich weiterhin um zwei Gesellschaften handelt. Für diesen Fall sieht § 264b HGB unter bestimmten Voraussetzungen (nur) eine Befreiung von der Pflicht der GmbH & Co. KG zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und Lageberichts nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften vor (s. unter Rz. 7.40 f.); die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Personengesellschaften geltenden Vorschriften bleibt jedoch bestehen.
7.38
Bei einer GmbH & Co. KG i.S. des § 264a Abs. 1 HGB ist ebenso wie bei der Komplementär-GmbH zwischen den verschiedenen Größenklassen zu unterscheiden (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 bis 3 HGB; s. unter Rz. 7.154 ff.). Für die kleine GmbH & Co. KG (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 HGB) bestehen – ebenso wie für die kleine Kapitalgesellschaft – zahlreiche Erleichterungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 266 Abs. 1 Satz 3, 274a, 276 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 HGB), seiner Prüfung (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB) und seiner Offenlegung (§ 326 Abs. 1 HGB). Außerdem braucht die kleine GmbH & Co. KG keinen Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB). Nach dem MicroBilG1 vom 20.12.2012 bestehen für Kleinstgesellschaften (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) – erstmals mit Wirkung für das am 31.12.2012 endende Geschäftsjahr (Art. 70 Abs. 1 1 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz BGBl. I 2012, 2751.
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(MicroBilG)
v.
20.12.2012,
§7
Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
EGHGB) – parallel zur Kleinstkapitalgesellschaft weitere größenabhängige Erleichterungen (§§ 264 Abs. 1 Satz 5, 266 Abs. 1 Satz 4, 275 Abs. 5, 276 Satz 3, 326 Abs. 2 HGB). Die größenabhängigen Erleichterungen – insbesondere für Kleinstkapitalgesellschaften – haben in erster Linie Bedeutung für die Komplementär-GmbH. Sie werden deshalb schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit der Darstellung der Komplementär-GmbH behandelt (s. unter Rz. 7.6 f., 7.30 f.). Nach dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (PublG) vom 15.8.1969 sind u.a. Personenhandelsgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, ihren Jahresabschluss (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, jedoch ohne Anhang) nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen (§ 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 PublG), durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PublG) und offenzulegen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 PublG). Ein Lagebericht ist nicht aufzustellen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 PublG). Das PublG greift ein, wenn zum einen die in § 1 Abs. 1 PublG geregelten Größenmerkmale erfüllt sind und zum anderen für die Personenhandelsgesellschaften kein Abschluss nach § 264a oder § 264b HGB aufgestellt wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 PublG). Nach § 1 Abs. 1 PublG ist das PublG anwendbar, wenn am Abschlussstichtag und für zwei darauf folgende Abschlussstichtage, insgesamt also an drei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen, jeweils mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale zutreffen:
7.39
– Die Bilanzsumme einer auf den Abschlussstichtag aufgestellten Jahresbilanz übersteigt 65 Mio. Euro. – Die Umsatzerlöse des Unternehmens in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag übersteigen 130 Mio. Euro. – Das Unternehmen hat in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag durchschnittlich mehr als fünftausend Arbeitnehmer beschäftigt. Aufgrund der hohen Schwellenwerte findet das PublG nur in wenigen Fällen Anwendung auf eine GmbH & Co. KG.1 Unabhängig davon greift das PublG nicht ein, wenn die GmbH & Co. KG unter § 264a Abs. 1 HGB fällt oder nach § 264b HGB in den Konzernabschluss eines anderen Unternehmens einbezogen ist. Der Anwendungsbereich des PublG für die GmbH & Co. KG ist folglich sehr begrenzt.
II. Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln 1. Befreiung nach § 264b HGB Eine Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung und darüber hinaus der Prüfung und Offenlegung (s. unter Rz. 7.34 ff., 7.149 ff., 7.152 ff.) eines Jahresabschlusses und Lageberichts nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln sieht § 264b HGB2 – bezogen auf die GmbH & Co. KG – nur für den Fall vor, dass 1 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 15 Rz. 12. 2 Die Regelung wird durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245 für nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre inhaltlich präzisiert und enthält einen Verweis auf § 264 Abs. 3 HGB n.F.
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7.40
§7
Rechnungslegung und Publizität
– die GmbH & Co. KG in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in den Konzernabschluss eines anderen Unternehmens, das persönlich haftender Gesellschafter dieser GmbH & Co. KG ist, einbezogen ist; – der Konzernabschluss und -lagebericht im Einklang mit der EG-Konzernbilanzrichtlinie1 und der EG-Prüferrichtlinie2 nach dem für das den Konzernabschluss aufstellenden Unternehmen maßgeblichen Recht aufgestellt, von einem zugelassenen Abschlussprüfer geprüft und offengelegt worden ist und – die Befreiung der GmbH & Co. KG – im Anhang des von dem Mutterunternehmen aufgestellten und nach § 325 HGB durch Einreichung beim Betreiber des Bundesanzeigers offengelegten Konzernabschlusses angegeben und – zusätzlich im Bundesanzeiger für die GmbH & Co. KG unter Bezugnahme auf diese Vorschrift und unter Angabe des Mutterunternehmens mitgeteilt worden ist. 7.41
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies eine Befreiung von der Pflicht zur Beachtung der für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln für solche GmbH & Co. KG, die in einen Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einbezogen werden.3 Auch die „einfache“ GmbH & Co. KG – also die Unternehmensgruppe, die lediglich aus der KG und der Komplementär-GmbH besteht – muss sich daher die Frage stellen, ob die Komplementär-GmbH als herrschendes Unternehmen einen Konzernabschluss aufzustellen hat, der für die KG die Befreiung nach § 264b HGB mit sich bringt. Auch in dieser Konstellation kann eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses für die Komplementär-GmbH bestehen; insofern ist auf die weiteren Ausführungen zum Konzernabschluss zu verweisen (s. unter Rz. 7.127 ff.). Selbst wenn die Komplementär-GmbH nicht verpflichtet ist, einen Konzernabschluss aufzustellen – bspw. weil eine größenabhängige Befreiung nach § 293 HGB eingreift –, kann die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln dadurch erreicht werden, dass die Komplementär-GmbH freiwillig einen Konzernabschluss aufstellt (§ 264b HGB).4 Für eine GmbH & Co. KG, deren Komplementär-GmbH nicht verpflichtet ist, einen Konzernabschluss aufzustellen, stellt sich folglich die Frage, ob die freiwillige Aufstellung eines Konzernabschlusses einer Aufstellung des Einzelabschlusses der GmbH & Co. KG nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln vorzuziehen ist. Dies muss im Einzelfall entschieden werden; allein der Umstand, dass der Konzernabschluss zusätzlich zu den beiden Jahresabschlüssen der KG und der Komplementär-GmbH aufzustellen und ggf. zu prüfen ist, wird eine GmbH & Co. KG in vielen Fällen von der Möglichkeit abhalten, von § 264b HGB Gebrauch zu machen, um 1 Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl. EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1. 2 Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10.4.1984 über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. EG Nr. L 126 v. 12.5. 1984, S. 20. 3 Zu den weiteren Voraussetzungen der Befreiung s. § 264b HGB. 4 Vgl. dazu Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 23.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
die aus § 264a Abs. 1 HGB folgenden Pflichten zu vermeiden. Das gilt insbesondere, wenn die Komplementär-GmbH neben ihrer Stellung als Komplementärin keine eigenen unternehmerischen Aktivitäten verfolgt und die KG das einzige in den Konzernabschluss einbezogene Tochterunternehmen ist.
2. Vermeidungsstrategien Eine Möglichkeit der vollständigen Vermeidung der Aufstellung des Jahresabschlusses und Lageberichts nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften und darüber hinaus der Prüfung und Offenlegung (s. unter Rz. 7.34 ff., 7.149 ff., 7.152 ff.) besteht in der Übernahme der uneingeschränkten Haftung durch eine natürliche Person bei der GmbH & Co. KG. Ist eine natürliche Person allein oder zusammen mit einer Komplementär-GmbH persönlich haftender Gesellschafter, fällt die GmbH & Co. KG nicht mehr in den Geltungsbereich des § 264a Abs. 1 HGB, so dass die Verpflichtung zur Anwendung der strengeren Rechnungslegungsvorschriften1 für Kapitalgesellschaften auf die Gesellschaft entfällt;2 die natürliche Person kann ggf. im Innenverhältnis von der Geschäftsführung ausgeschlossen sein. Dieser Weg ist jedoch wegen der persönlichen Haftung der natürlichen Person vielfach nicht gewünscht. Bei der „Vollhafter-Lösung“ ist außerdem zu klären, ob die GmbH & Co. KG unter das PublG fällt.3
7.42
Die für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften und darüber hinaus die Prüfungs- und Publizitätspflicht können nach h.M. auch für ein bestimmtes Geschäftsjahr dadurch vermieden werden, dass eine natürliche Person zum Abschlussstichtag als persönlich haftender Gesellschafter an der GmbH & Co. KG beteiligt ist.4 Demzufolge ist es ausreichend, wenn kurze Zeit vor dem Abschlussstichtag eine Person der Gesellschaft als Komplementär beitritt bzw. seine Kommanditistenstellung in die eines Komplementärs wandelt. Letzteres ist auch ertragsteuerlich neutral möglich, soweit die vermögensmäßige Beteiligung des Gesellschafters unverändert bleibt. Auch in diesem Fall besteht der Nachteil der unbeschränkten persönlichen Haftung einer natürlichen Person. Das gilt sowohl für die bestehenden als auch die zukünftig entstehenden Verbindlichkeiten (§§ 161 Abs. 1 und 2, 130 Abs. 1 HGB). Der Austritt des Komplementärs bzw. die „Rückwandlung“ der Rechtsstellung des Komplementärs in die Rechtsstellung eines Kommanditisten nach dem Abschlussstichtag wirkt nicht auf den Beurteilungszeitpunkt zurück.5 In beiden Fällen ist die Nachhaftung nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 1 und 3 HGB zu beachten.
7.43
Aufgrund des Beschlusses des LG Osnabrück vom 1.7.20056 gilt nunmehr, dass die Pflicht zur Anwendung der ergänzenden Vorschriften der §§ 264 ff. HGB selbst
7.44
1 2 3 4 5
Vorschriften des ersten bis fünften Unterabschnitts des Zweiten Abschnittes des HGB. Waßmer, GmbHR 2002, 412. Vgl. dazu Bitter/Grashoff, DB 2000, 2285. Schiedermair/Maul in FS Welf Müller, 2001, S. 519; Bitter/Grashoff, DB 2000, 838. Vgl. IDW RS HFA 7 Ziff. 2.1. (5); a.A. Adler/Düring/Schmaltz, § 264a HGB Rz. 36: Stellung als Komplementär bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Gesellschaft ihre Rechnungslegungspflichten erfüllt hat. 6 LG Osnabrück v. 1.7.2005 – 15 T 6/05, GmbHR 2005, 1618; IDW RS HFA 7 Ziff. 2.1. (5) wurde entsprechend ergänzt.
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Rechnungslegung und Publizität
dann entfällt, wenn der Eintritt einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter erst nach dem Abschlussstichtag erfolgt und zu diesem Zeitpunkt der Jahresabschluss noch nicht veröffentlicht worden ist. Nach Ansicht des LG Osnabrück entfällt in einem solchen Fall das Bedürfnis, die strengeren, für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften anzuwenden auch mit Wirkung für den früheren Jahresabschluss, so dass dessen Offenlegung nicht mehr nachgeholt werden muss.
III. Die Gliederung des Jahresabschlusses 1. Gliederung der Bilanz a) Allgemeines 7.45
Im Folgenden werden die Grundsätze der Aufstellung eines Jahresabschlusses einer GmbH & Co. KG nach den in §§ 264 ff. HGB enthaltenen Grundsätzen – also den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln – dargestellt. Greift § 264a Abs. 1 HGB nicht ein, gelten die allgemeinen für alle Kaufleute vorgesehenen Regelungen (§§ 238 ff. HGB), sofern nicht § 1 PublG anwendbar ist.
7.46
Die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Gesellschaften – also gerade die typische GmbH & Co. KG – haben folglich grundsätzlich die für Kapitalgesellschaften geltende Gliederungsvorschrift des § 266 Abs. 3 A HGB für das Eigenkapital anzuwenden (§§ 264a Abs. 1, 264c Abs. 2 Satz 1 HGB). § 264c Abs. 2 HGB passt aber die Gliederung den Besonderheiten der Personengesellschaft an und sieht in Satz 1 vor, dass als Eigenkapital die folgenden Posten auszuweisen sind: I.
Kapitalanteile
II.
Rücklagen
III.
Gewinnvortrag/Verlustvortrag
IV.
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
Während der vorgenannte Posten I („Kapitalanteile“) zwingend in jeder Bilanz einer Personenhandelsgesellschaft vorkommt, erscheinen die unter den Posten II. bis IV. genannten Eigenkapitalposten in einem Großteil der Bilanzen von Personenhandelsgesellschaften nicht. Die vorstehende Gliederung des Eigenkapitals beruht nämlich auf der Annahme, dass der Jahresabschluss vor Gewinnverwendung, also ohne Berücksichtigung der Ergebnisverwendung, aufgestellt wird. Dies entspricht aber weder dem gesetzlichen Regelstatut (§§ 120 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB)1 noch der überwiegenden gesellschaftsvertraglichen Praxis. 7.47
Danach werden die Gewinnanteile der Gesellschafter noch in alter Rechnung durch Gutschrift auf den Gesellschafterkonten – typischerweise auf dem Kapitalkonto II oder dem Gesellschafter-Verrechnungskonto – an diese verteilt (s. unter Rz. 7.64, 7.77). Umgekehrt wird diese Praxis durch § 264c Abs. 2 HGB auch nicht hinfällig. § 264c Abs. 2 HGB ist dahingehend zu verstehen, dass der Posten „Jahres1 Theile, GmbHR 2000, 138.
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Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
überschuss/Jahresfehlbetrag“ unter IV. aufzuführen ist, wenn sich die Gesellschaft für eine Aufstellung des Jahresabschlusses ohne Berücksichtigung der Gewinnverwendung entschieden hat; durch die Einführung des § 264c Abs. 2 HGB sollte dagegen nicht eine Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses vor Gewinnverwendung statuiert werden.1 Die Posten III. („Gewinnvortrag/Verlustvortrag“) und IV. („Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“) erscheinen nicht in der Bilanz eines Großteils der GmbH & Co. KG, da nach der gängigen gesellschaftsrechtlichen Vertragspraxis der Jahresabschluss unter Berücksichtigung der Ergebnisverwendung des betreffenden Geschäftsjahres (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB) aufgestellt wird.2 Die dispositiven handelsrechtlichen Vorschriften (§§ 120 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) lassen jedoch auch eine gesellschaftsvertragliche Gestaltung dahingehend zu, eine Aufstellung des Jahresabschlusses vor Gewinnverwendung vorzunehmen. In diesen Fällen ist zumindest der Gliederungspunkt IV. („Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“) und ggf. auch der Posten III. („Gewinnvortrag/Verlustvortrag“) in die Bilanz aufzunehmen.
7.48
b) Gliederung der Kapitalanteile aa) Allgemeines zum Kapitalanteil eines Personengesellschafters Für Personengesellschaften gilt nach § 120 Abs. 2 HGB allgemein, dass jeder Gesellschafter nur einen einzigen Kapitalanteil hat.3 Dabei ist zu beachten, dass der Kapitalanteil eine bloße Rechnungsziffer ist und nicht mit dem Gesellschaftsanteil gleichgesetzt werden kann (s. unter Rz. 7.64). Der Kapitalanteil eines Gesellschafters einer Personengesellschaft weist gegenüber der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Besonderheit auf, dass er nicht auf einen bestimmten Betrag festgeschrieben, sondern variabel ist. Seine Höhe ändert sich gem. § 120 Abs. 2 HGB durch Einlagen und Entnahmen sowie durch Gewinn- und Verlustanteile. Bei Kommanditgesellschaften gilt nach § 167 Abs. 2 HGB, dass dem Kapitalanteil eines Kommanditisten der Gewinn nur so lange zugeschrieben wird, bis der Kapitalanteil den Betrag der bedungenen Einlage, d.h. der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Pflichteinlage, erreicht. Während Gewinnanteile bis zum Erreichen der bedungenen Einlage dem in § 167 Abs. 2 HGB vorausgesetzten Kapitalkonto (Kapitalkonto I)4 des Kommanditisten gutzuschreiben sind, werden darüber hinausgehende Gewinnanteile auf einem zweiten Kapitalkonto (Kapitalkonto II) des Kommanditisten erfasst („gesetzliches Zwei-Konten-Modell“; s. unter Rz. 7.76 ff.).
7.49
bb) Die „Untergliederung“ der Kapitalanteile nach § 264c Abs. 2 Satz 2 bis 7 HGB im Einzelnen Für die GmbH & Co. KG sieht § 264a Abs. 1 HGB zwar grundsätzlich die Anwendbarkeit der für Kapitalgesellschaften geltenden Gliederungsvorschriften vor. § 264c Abs. 2 HGB erklärt jedoch wiederum bestimmte für Personenhandelsgesellschaf1 2 3 4
Vgl. IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.4. (47). Vgl. Herrmann, WPg 2001, 271. Vgl. IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.1. (42). Das Kapitalkonto wird teilweise auch als Gesellschafterkonto bezeichnet.
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Rechnungslegung und Publizität
ten geltende Gliederungsregeln auch für die unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Gesellschaften für verbindlich. Im Einzelnen enthält § 264c Abs. 2 HGB die folgenden, die Gliederung der Kapitalanteile betreffenden Regelungen: 7.51
Anstelle des in § 266 Abs. 3 A I HGB genannten Postens „Gezeichnetes Kapital“ sind die Kapitalanteile der Komplementäre und der Kommanditisten auszuweisen (§ 264c Abs. 2 Satz 2 HGB), wobei die genannten Kapitalanteile in zwei Gruppen – nämlich in die der Komplementäre und die der Kommanditisten – zusammengefasst werden dürfen (§ 264 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 und Satz 6 HGB).
7.52
Der anteilige Jahresfehlbetrag (Verlust) ist von dem Kapitalanteil des Gesellschafters abzuschreiben (§§ 120 Abs. 2, 167 Abs. 1, 264c Abs. 2 Satz 3 und 6 HGB). Infolge der Zurechnung des anteiligen Jahresfehlbetrages kann der Kapitalanteil des Gesellschafters oder ggf. das Eigenkapital insgesamt negativ werden (s. unter Rz. 7.53). Das Gleiche gilt im Fall von Entnahmen (s. unter Rz. 7.54). Eine Saldierung negativer Kapitalkonten einzelner Gesellschafter mit positiven Kapitalkonten anderer Gesellschafter ist jedoch unzulässig.1 Innerhalb der Gruppe der Komplementäre und der Gruppe der Kommanditisten ist dagegen jeweils eine Zusammenfassung der einzelnen Aktivposten und Passivposten zulässig. Bspw. können nicht durch Vermögenseinlagen gedeckte Verlustanteile verschiedener Kommanditisten auf der Aktivseite in je einem Posten zusammengefasst werden.2
7.53
Wenn der anteilige Jahresfehlbetrag (Verlust) den Kapitalanteil eines Gesellschafters übersteigt, ist bei einer GmbH & Co. KG beim Ausweis des Eigenkapitals nach § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB wie folgt zu unterscheiden: Soweit ausnahmsweise eine Zahlungsverpflichtung des Gesellschafters besteht, ist der Betrag unter den Forderungen unter der Bezeichnung „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ oder „Einzahlungsverpflichtungen der Kommanditisten“ gesondert auszuweisen (§ 264c Abs. 2 Satz 4 und 6 HGB). Wenn dagegen – wie im Regelfall – keine Zahlungsverpflichtung des Gesellschafters besteht, ist der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ oder „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil der Kommanditisten“ zu bezeichnen und nach § 268 Abs. 3 HGB am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert auszuweisen (§ 264c Abs. 2 Satz 5 und 6 HGB).3 Die GmbH & Co. KG darf eine Forderung gegen die jeweiligen Gesellschafter nur ausweisen, soweit eine Einzahlungsverpflichtung besteht (§ 264c Abs. 2 Satz 7 Halbs. 1 HGB).4 Der Ausweis von Forderungen gegen die Gesellschafter im Fall ausstehender Einlagen – insbesondere der Pflichteinlagen der Kommanditisten – nach § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB, der für die GmbH & Co. KG analog gilt, bleibt davon unberührt (s. unter Rz. 7.18).
7.54
Im Falle einer Entnahme gelten dieselben Überlegungen, auch wenn das nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Auch durch eine Entnahme kann der Kapitalanteil des Gesellschafters oder ggf. das Eigenkapital insgesamt negativ werden. In diesem Falle ist wie folgt zu unterscheiden: Ist die Entnahme nach dem Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zulässig und besteht infolgedessen keine Zahlungsverpflichtung des 1 2 3 4
IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.1. (44). IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.1. (43). Vgl. Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 43, 52. Vgl. Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 43.
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Gesellschafters, ist der Betrag der Unterdeckung als „Nicht durch Vermögenseinlage gedeckte Entnahme persönlich haftender Gesellschafter“ oder „Nicht durch Vermögenseinlage gedeckte Entnahme der Kommanditisten“ zu bezeichnen und gem. § 268 Abs. 3 HGB am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert auszuweisen.1 Handelt es sich dagegen um eine unzulässige Entnahme und besteht infolgedessen eine Zahlungsverpflichtung des Gesellschafters gegenüber der GmbH & Co. KG, ist der Betrag unter den Forderungen als „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ oder „Einzahlungsverpflichtungen der Kommanditisten“ auszuweisen.2 § 264c Abs. 2 Satz 7 Halbs. 2 HGB regelt diesen Sachverhalt ausdrücklich für den Fall, dass ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Diese Regelung entspricht § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB (s. unter Rz. 7.77). Unabhängig von der gesetzlichen Regelung kann allerdings eine Entnahme auch unzulässig sein, weil sie gegen die Regelungen des Gesellschaftsvertrags verstößt. Entscheidend ist somit wie bei dem durch die Zurechnungen des anteiligen Jahresfehlbetrags (Verlusts) entstehenden negativen Kapitalanteil eines Gesellschafters auch bei der Entnahme, ob er eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der GmbH & Co. KG hat und dieser infolgedessen eine Forderung gegen ihn zusteht. Die vorstehenden Regelungen haben in der Praxis i.d.R. nur geringe Bedeutung für die Komplementär-GmbH, weil sie typischerweise nicht am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist.
7.55
2. Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung Bei einer GmbH & Co. KG, die unter § 264a Abs. 1 HGB fällt, richtet sich die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 Abs. 2 (Gesamtkostenverfahren) oder Abs. 3 HGB (Umsatzkostenverfahren). Als Saldo der Aufwendungen und Erträge ergibt sich der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag (§ 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB). Wenn der Jahresabschluss der GmbH & Co. KG nach dem gesetzlichen Regelstatut oder den gesellschaftsvertraglichen Regelungen – vollständig oder teilweise – unter Berücksichtigung der Ergebnisverwendung aufgestellt wird (§ 268 Abs. 1 Satz 1 HGB), empfiehlt es sich, die Gewinn- und Verlustrechnung um die folgenden Posten zu ergänzen (vgl. § 158 Abs. 1 AktG) oder im Anhang die entsprechenden Angaben zu machen:3 Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
…
–/+ Gutschrift/Belastung auf Rücklagenkonten
…
–/+ Gutschrift/Belastung auf Kapitalkonten
…
–/+ Gutschrift/Belastung auf Verbindlichkeitenkonten
…
Ergebnis nach Verwendungsrechnung/Bilanzgewinn
1 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 26, 36, 52. 2 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 24, 36. 3 IDW RS HFA 7 Ziff. 4.3. (45 f.).
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Rechnungslegung und Publizität
Ist dagegen nach dem Gesellschaftsvertrag eine gesonderte Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung erforderlich, ist die vorstehende Überleitung nicht notwendig.
IV. Der Inhalt des Jahresabschlusses 1. Inhalt der Bilanz a) Zu bilanzierende Vermögensgegenstände 7.57
Für die in die Bilanz der GmbH & Co. KG aufzunehmenden Vermögensgegenstände kommt es nicht auf das zivilrechtliche Eigentum an, sondern auf ihre wirtschaftliche Zugehörigkeit zum Vermögen der GmbH & Co. KG (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB).1 So sind z.B. nicht nur die als Eigentum in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG eingebrachten Gegenstände der Gesellschafter (quoad dominium) zu aktivieren, sondern u.U. auch die bloß dem Werte nach eingebrachten Wirtschaftsgüter (quoad sortem), was nicht selten bei Grundstücksüberlassungen an die GmbH & Co. KG der Fall ist (s. unter Rz. 6.501 ff., 6.506). Zu unterscheiden ist hiervon die bloße Gebrauchsüberlassung von Vermögensgegenständen durch die Gesellschafter an die GmbH & Co. KG. Diese Gegenstände bleiben auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Vermögen des Gesellschafters und sind von der GmbH & Co. KG nicht zu bilanzieren.2 Andererseits ist es für den Ausweis des Vermögensgegenstandes in der Handelsbilanz der GmbH & Co. KG unerheblich, ob der Gegenstand betrieblich oder möglicherweise ausschließlich privat durch einen Gesellschafter genutzt wird. Handelsrechtlich wäre somit auch ein Grundstück zu bilanzieren, das im Eigentum der GmbH & Co. KG steht und von einem Gesellschafter ausschließlich zu privaten Zwecken genutzt wird (Vollständigkeitsgebot; § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). In der Steuerbilanz erscheint ein solches Wirtschaftsgut dagegen nicht. Von dem Grundsatz, dass alle zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter auch zum steuerlichen Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören, gibt es nämlich eine Ausnahme für den Fall, dass jeglicher betriebliche Zusammenhang fehlt.3
7.58
Vermögensgegenstände, die im Eigentum einzelner Gesellschafter stehen (zivilrechtliches Privatvermögen) und demnach nicht Gesellschaftsvermögen sind, dürfen handelsrechtlich auch dann nicht von der GmbH & Co. KG bilanziert werden, wenn sie dem Geschäftsbetrieb der GmbH & Co. KG dienen (§ 264c Abs. 3 Satz 1 HGB). Als Beispiel sei hierfür ein von einem Gesellschafter an die GmbH & Co. KG vermietetes, jedoch nicht dem Werte nach überlassenes Grundstück genannt. Dies gilt selbst dann, wenn die betreffenden Vermögensgegenstände steuerlich notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen darstellen.4 Auf die steuerliche Qualifizierung 1 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.1.1. (11). 2 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.1.1. (12); BGH v. 6.11.1995 – II ZR 164/94, ZIP 1996, 70 = GmbHR 1996, 296; allerdings ist das Nutzungsrecht ggf. zu aktivieren und über die voraussichtliche Laufzeit abzuschreiben. 3 H 4.2 Abs. 11 EStH 2014. 4 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.1.1. (12).
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kommt es insoweit nicht an. Jedenfalls in der Handelsbilanz der GmbH & Co. KG darf das Sonderbetriebsvermögen nicht erscheinen.1 Entsprechend dürfen Verbindlichkeiten in die Bilanz der GmbH & Co. KG nur eingestellt werden, wenn es sich um solche der Gesellschaft, also um Gesamthandsverbindlichkeiten handelt (§ 264c Abs. 3 Satz 1 HGB). Persönliche Schulden der Gesellschafter, auch wenn sie mit ihrer Gesellschafterstellung im Zusammenhang stehen, wie z.B. aus Einkommensteuer, dürfen in der Bilanz der GmbH & Co. KG nicht passiviert werden. Das auf der Passivseite auszuweisende Eigenkapital der GmbH & Co. KG (§ 264c Abs. 2 HGB) bedarf wegen der vielschichtigen Problematik nachfolgend einer gesonderten Darstellung.
7.59
b) Eigenkapital (§ 264c Abs. 2 HGB) aa) Allgemeines Das Eigenkapital setzt sich nach § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB aus den Kapitalanteilen der Gesellschafter, den Rücklagen, dem Gewinnvortrag/Verlustvortrag und dem Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag zusammen. Unabhängig von den einzelnen Bestandteilen dieses Bilanzpostens ist zunächst zu klären, was unter Eigenkapital zu verstehen ist. Der Begriff des Eigenkapitals und seine Abgrenzung zum Fremdkapital haben zum einen Bedeutung für den Ausweis im Jahresabschluss und sind zum anderen steuerrechtlich (s. unter Rz. 7.107 ff.) und insolvenzrechtlich (s. unter Rz. 7.110) von Relevanz. Formal betrachtet ergibt sich das Eigenkapital aus dem Saldo der Aktiva (insbesondere Vermögensgegenstände) und der Schulden (insbesondere Verbindlichkeiten und Rückstellungen eines Unternehmens).
7.60
Im Einklang mit der im Regierungsentwurf zu § 264c HGB vertretenen Auffassung des Gesetzgebers stellen die finanziellen Mittel des Unternehmens Eigenkapital dar, die ihm dauerhaft zur Verfügung stehen,2 mit künftigen Verlusten des Unternehmens zu verrechnen sind und im Insolvenz- oder Liquidationsfall erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger geltend gemacht werden können.3
7.61
Diese Abgrenzungskriterien wurden im Wesentlichen auch vom Hauptfachausschuss (HFA) des IDW4 übernommen. Keine notwendige Voraussetzung für die Qualifikation als Eigenkapital ist nach Ansicht des IDW allerdings das Kriterium der „Dauerhaftigkeit der Kapitalüberlassung“, da Entnahmen zulasten des Eigenkapitals jederzeit von den Gesellschaftern beschlossen werden können.5 Diese Auffassung des IDW lässt sich mit der im Regierungsentwurf enthaltenen Definition des Eigenkapitals in Einklang bringen, wenn vom Eigenkapitalcharakter der jeweiligen finanziellen Mittel ausgegangen wird, solange die Gesellschafter keine Ent-
7.62
1 Vgl. Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 5 Rz. 49. 2 Nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 2a) muss es sich um Kapital handeln, das einer freien Kreditkündigung entzogen ist (sog. gebundenes Kapital); des Weiteren erfordert eine Qualifizierung als Eigenkapital nach K. Schmidt, dass das Kapital von den Mitgliedern herrührt und im Insolvenzfall eine Geltendmachung als Insolvenzforderung ausgeschlossen ist (sog. haftendes Kapital). 3 RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 20. 4 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.1.2. (14). 5 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.1.2. (15).
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nahme beschlossen haben. Mit Wirksamwerden des Entnahmebeschlusses verlieren die entnommenen Mittel den Eigenkapitalcharakter. Selbst wenn die finanziellen Mittel nach Wirksamwerden des Entnahmebeschlusses nicht auf ein anderes Bankkonto überwiesen werden, ist die Entnahme zumindest buchhalterisch dahingehend zu erfassen, dass die entnommenen Mittel von dem (Eigen-)Kapitalkonto abgebucht werden, auf dem sie erfasst wurden. Bleiben die Mittel in der Gesellschaft, sind sie als aufgrund eines Darlehensvertrags zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft überlassen anzusehen und als Fremdkapital auszuweisen.1 Umgekehrt ist auch eine nur vorübergehende Zuführung der finanziellen Mittel denkbar, vor allem in Sanierungsfällen und Krisensituationen. Das Kriterium der dauerhaften Überlassung ist demnach für den Begriff des Eigenkapitals nicht maßgebend. 7.63
Entscheidend ist somit für den Begriff des Eigenkapitals – entsprechend seiner ökonomischen Funktion als Risikokapital und Haftungspuffer – das mit der Gewinnchance korrespondierende Verlustrisiko und die Nachrangstellung in der Insolvenz oder Liquidation. bb) Kapitalanteil
7.64
Nach § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB besteht das Eigenkapital u.a. aus dem Posten „Kapitalanteile“. Der Begriff „Kapitalanteil“ wird weder in § 264c Abs. 2 HGB noch in §§ 167, 120 Abs. 2 HGB definiert. Nach der gesetzlichen Regelung ist der einem Gesellschafter zuzurechnende Gewinn (anteilige Jahresüberschuss) seinem Kapitalanteil zuzuschreiben (§§ 167 Abs. 1, 120 Abs. 2 Halbs. 1 HGB). Der auf den Gesellschafter entfallende Verlust (anteilige Jahresfehlbetrag) wird ebenso wie eine Entnahme davon abgeschrieben (§§ 167 Abs. 1, 120 Abs. 2 Halbs. 2 HGB). Die sich aus § 167 Abs. 2 und 3 und § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Kommanditisten ergebenden Besonderheiten sind dabei zu beachten (s. unter Rz. 7.77). Ein Ausweis der Posten Jahresüberschuss/-fehlbetrag, Gewinn-/Verlustvortrag und Rücklagen ist in diesem Fall nicht möglich; vielmehr besteht das Eigenkapital dann nur aus dem Posten „Kapitalanteile“.2 Nur für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag eine von §§ 167, 120 Abs. 2 HGB abweichende Regelung enthält, können die anderen Posten relevant werden. Der Kapitalanteil eines Gesellschafters ist nicht mit einem Bruchteil am Gesellschaftsvermögen identisch, und er ist auch keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft; er ist vielmehr lediglich eine Rechengröße, die Aufschluss über den gegenwärtigen Stand der Einlage des Gesellschafters gibt, so wie er sich nach den Methoden der kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung errechnet.3 Die Kapitalanteile der Gesellschafter bestimmen nach dem gesetzlichen Leitbild über wesentliche Gesellschafterrechte wie die Gewinnverteilung (Verlustzurechnung) unter den Gesellschaftern (§§ 168, 121 HGB), das Entnahmerecht (§ 122 bzw. § 169 HGB) und – im Falle der Auflösung der Gesellschaft – die Teilhabe am Auseinandersetzungsguthaben (§ 155 HGB). Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch davon abweichende Regelungen vorsehen; des Wei1 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 167 HGB Rz. 3. 2 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 40. 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 III 2a).
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teren kann der Gesellschaftsvertrag regeln, dass der Kapitalanteil für weitere Gesellschaftsrechte wie z.B. Stimmrechte und Zuschusspflicht maßgeblich sein soll.1 Das ist der Regelfall in der Praxis. Oftmals wird der Kapitalanteil eines Kommanditisten einer GmbH & Co. KG seiner Hafteinlage – also der im Handelsregister einzutragenden Haftsumme – und seiner Pflichteinlage entsprechen. Haftsumme ist der Betrag, für den der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern haftet (Außenverhältnis); sie ist im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen und in das Handelsregister einzutragen (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Unter der Pflichteinlage ist der Betrag zu verstehen, zu dessen Leistung sich der Kommanditist im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern (im Innenverhältnis) verpflichtet hat.2 Die Begriffe Hafteinlage und Pflichteinlage sind jedoch streng zu unterscheiden. Die Hafteinlage und die Pflichteinlage müssen nicht identisch sein.
7.65
Soweit die Hafteinlage der Pflichteinlage (bedungenen Einlage) entspricht und vollständig eingezahlt ist, wird der jeweilige Betrag als Kapitalanteil ausgewiesen. Ist die Einlage nicht vollständig erbracht, ist danach zu unterscheiden, ob die ausstehende Einlage von der Gesellschaft eingefordert ist oder nicht; insofern gilt § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB entsprechend. Die nicht eingeforderte ausstehende Einlage ist von dem Kapitalanteil offen abzusetzen; der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“ – oder ggf. „Kapitalanteil abzüglich nicht eingeforderter bedungener Einlage“ – in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 und 2 HGB). Hat die Gesellschaft die ausstehende Einlage eingefordert, ist die Pflichteinlage ungemindert als Kapitalanteil auszuweisen; der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist auf der Aktivseite gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 3 HGB).
7.66
Ist die Pflichteinlage dagegen geringer als die Haftsumme, ist der Kapitalanteil lediglich in Höhe des als Pflichteinlage vereinbarten Betrages anzugeben. Eine ausstehende Einlage – aufgrund der höheren Haftsumme – ist in diesem Fall nicht auszuweisen. Für die Bestimmung des Kapitalanteils eines Kommanditisten kommt es lediglich auf die Pflichteinlage, nicht dagegen auf eine evtl. der Höhe nach abweichende Hafteinlage an.3 Ist die Pflichteinlage höher als die Haftsumme, ist daher ebenfalls der Kapitalanteil in Höhe des als Pflichteinlage vereinbarten Betrages auszuweisen. Sofern die Pflichteinlage in den vorstehenden Fällen nicht vollständig eingezahlt ist, ist entsprechend § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB danach zu unterscheiden, ob die ausstehende Einlage eingefordert ist oder nicht.
7.67
Der Begriff „Kapitalanteile“ umfasst aber nicht zwingend nur die Pflichteinlage der Kommanditisten und ggf. diejenige der Komplementäre, sondern die Summe des Eigenkapitals, das auf Gesellschaftereigenkapitalkonten4 und nicht auf Konten der Gesellschaft (als „Rücklagen“, „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ oder „Jahres-
7.68
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 120 HGB Rz. 12. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 171 HGB Rz. 1. 3 Merkt in Baumbach/Hopt, § 264c HGB Rz. 2; Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 264c HGB Rz. 2. 4 Zu den Kapitalkonten s. Rz. 7.74 ff.
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überschuss/Jahresfehlbetrag“) erfasst wird. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG vor, dass neben einem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I), das die Anteilsverhältnisse der Gesellschafter untereinander widerspiegeln soll, weitere Einzahlungen in das Eigenkapital zu leisten sind, ist es je nach Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag zulässig, diese zusätzlichen Einzahlungen in die Kapitalanteile einzubeziehen oder aber als Rücklage auszuweisen.1 cc) Ausweis von Rücklagen 7.69
Als Rücklagen sind nach § 264c Abs. 2 Satz 8 HGB nur solche Beträge auszuweisen, die aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung gebildet worden sind. Ohne entsprechende gesellschaftsrechtliche Vereinbarung bleibt es bei dem Grundsatz, dass Gewinne der Gesellschaft an die Gesellschafter verteilt und entweder dem Kapitalanteil der Kommanditisten bis zum Erreichen der Pflichteinlage gutgeschrieben werden (§ 167 Abs. 2 HGB) oder zur Entnahme durch die Gesellschafter zur Verfügung stehen (s. unter Rz. 7.77). Ein Ausweis von Rücklagen findet in diesen Fällen nicht statt.
7.70
Die Rücklagenbildung beruht entweder auf einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss über die Ergebnisverwendung oder einem Gesellschafterbeschluss über eine sonstige Einlage.2 Ein Jahresfehlbetrag ist nicht per se mit etwaigen Rücklagen zu verrechnen. Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings eine derartige Verrechnung vorsehen. Eine Verrechnung ist auch möglich, wenn die Gesellschafterversammlung das beschließt, sofern die Rücklagen nicht zweckgebunden sind.3
7.71
Während der Eigenkapitalposten „Kapitalanteile“ zwingend nach den verschiedenen Gesellschaftergruppen – also Kommanditisten und Komplementäre – untergliedert werden muss (§ 264c Abs. 2 Satz 2 und 6 HGB), bezieht sich der Eigenkapitalposten „Rücklagen“ auf Rücklagen der Gesamthand, ohne eine Zuordnung zu den einzelnen Gesellschaftern und Aufteilung in „Rücklagenanteile“ auf einzelnen Gesellschafterkonten vorzunehmen (sog. gesamthänderisch gebundene Rücklage); diese wird in einem Betrag gezeigt. Im Einzelfall können die Gesellschafter jedoch von diesem Grundsatz abweichen und eine Aufteilung auf einzelne Gesellschafterkonten beschließen. Dies ist jedenfalls dann erforderlich, wenn die Beteiligung der Gesellschafter an den Rücklagen nicht ihrer Beteiligungsquote am Gesellschaftskapital (Festkapital) entspricht.4 Eine Aufteilung in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen ist nicht erforderlich.5 dd) Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag und Gewinnvortrag/Verlustvortrag
7.72
Der in § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehene Ausweis eines Jahresüberschusses/ Jahresfehlbetrags und Gewinnvortrags/Verlustvortrags entspricht nicht dem ge1 2 3 4 5
Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 264c HGB Rz. 32. Hoffmann in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 5 Rz. 259. Vgl. IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.4. (51). Hoffmann in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 5 Rz. 112. RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 21; IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.3. (46).
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setzlichen Regelstatut der §§ 167, 120 Abs. 2 HGB (s. unter Rz. 7.46 f., 7.64, 7.77). Nach diesen Regelungen werden die Gewinne bzw. Verluste der Gesellschaft den Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet. Der Jahresabschluss wird demnach grundsätzlich nach vollständiger Ergebnisverwendung aufgestellt, so dass in der Bilanz kein Raum für den Ausweis eines Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags bleibt; Gewinnvorträge/Verlustvorträge bestehen dann ebenfalls nicht.1 Das Gleiche gilt, wenn der Jahresabschluss nach dem Gesellschaftsvertrag – wie in der Praxis üblich – auf der Grundlage der Ergebnisverwendung aufgestellt wird (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB). Der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag – vor Zuordnung zu den Gesellschaftern – ist jedoch aus der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB) ersichtlich. Der Ausweis eines Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags und Gewinnvortrags/Verlustvortrags in der Bilanz der GmbH & Co. KG setzt daher voraus, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG die Verwendung des Jahresergebnisses und die Verfügung der Gesellschafter darüber von einem Beschluss der Gesellschafter abhängig macht oder einen Gewinn- bzw. Verlustvortrag explizit vorsieht. Die Posten Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag und Gewinnvortrag/Verlustvortrag können auch dann in der Bilanz der GmbH & Co. KG erscheinen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies bestimmt, ohne einen weiteren Gesellschafterbeschluss vorauszusetzen.2
7.73
c) Zusammensetzung des Postens „Kapitalanteile“; die Kapitalkontenmodelle aa) Allgemeines Der Kapitalanteil eines Gesellschafters stellt lediglich eine Rechnungsziffer dar (s. unter Rz. 7.64). Er entspricht dem Saldo der Gesellschafterkonten, die die auf gesellschaftsrechtlicher Ebene überlassenen Mittel erfassen, d.h. Eigenkapitalcharakter (echtes Beteiligungskonto) haben3 und weder Rücklagen, Gewinn-/Verlustvortrag oder Jahresüberschuss/-fehlbetrag sind. Gesellschafterkonten mit Fremdkapitalcharakter (Darlehen) sind als Verbindlichkeiten auszuweisen. Der Posten Kapitalanteil setzt sich mit anderen Worten aus den gebündelten Kapitalkonten der Gesellschafter zusammen, die Eigenkapitalcharakter haben.
7.74
Das HGB verwendet den Begriff der Kapitalkonten nicht. Die Kapitalkonten haben zum einen Bedeutung für die Finanzbuchführung. Sie gewinnen zum anderen dadurch gesellschaftsrechtliche Bedeutung, dass sie – je nach der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung – die Grundlage für die Beteiligungsquote der Gesellschafter am Gesellschaftskapital (Festkapital) bilden und das Stimmrecht sowie die Beteiligung am Gewinn (Jahresüberschuss) oder Verlust (Jahresfehlbetrag) daran anknüpft. Deshalb wird der Begriff „Kapitalkonto“ aus der gesellschaftsrechtlichen Vertragspraxis verwendet. Da die Komplementär-GmbH i.d.R. nicht am Gesellschaftskapital und Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist, kann diese in der nachfolgenden Betrachtung vernachlässigt werden, während die für Kommanditisten bestehenden Kapitalkonten aufgrund der hieran vielfach anknüpfenden Rechtsfolgen einer ein-
7.75
1 IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.4.(47). 2 Vgl. Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 264c HGB Rz. 3. 3 Vgl. RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 20; s. dazu im Einzelnen unter Rz. 7.60 ff., 7.68.
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gehenden Analyse bedürfen (s. unter Rz. 7.76 ff.). Bei der Frage, ob einem Kommanditisten Verluste auch steuerlich zugerechnet werden, ist ebenfalls auf die Kapitalkonten der Kommanditisten abzustellen (s. unter Rz. 7.107 ff.). Sie sind auch insolvenzrechtlich von Bedeutung (s. unter Rz. 7.110). bb) (Fehlende) gesetzliche Regelung 7.76
Das Gesetz setzt mindestens ein Kapitalkonto voraus, ohne dies ausdrücklich zu regeln. Die §§ 167, 120 Abs. 2 und 121 Abs. 1 Satz 1 sowie § 122 Abs. 1 HGB sprechen nur von einem Kapitalanteil; gemeint ist damit das Kapitalkonto.
7.77
Nach der gesetzlichen Regelung sind dem Kapitalanteil eines Kommanditisten, der seinem Kapitalkonto entspricht (auch Kapitalkonto I genannt), die von ihm geleistete Pflichteinlage sowie die auf ihn entfallenden Gewinn- und die Verlustanteile zu- bzw. von ihm abzuschreiben (§§ 167 Abs. 1, 120 Abs. 2 HGB). Dem Kapitalanteil eines Kommanditisten wird der auf ihn entfallende Gewinn nur so lange zugeschrieben, bis dieser den Betrag der bedungenen Einlage (Pflichteinlage) erreicht (§ 167 Abs. 2 HGB). Die Einlage des Kommanditisten, sein Gewinnanteil – bis der Betrag der bedungenen Einlage erreicht wird – und ein Verlustanteil werden somit auf einem Kapitalkonto erfasst. Entnahmen zulasten dieses Kapitalkontos sind dem Kommanditisten nicht gestattet (§ 167 Abs. 2 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB). Da dieses Kapitalkonto mit Verlusten belastet wird, kann es negativ werden, so dass sich ein negativer Kapitalanteil ergibt. Die Regelung in § 167 Abs. 3 HGB spricht auf den ersten Blick gegen die Existenz eines negativen Kapitalanteils, weil der Kommanditist danach an dem Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teilnimmt. Die Vorschrift regelt jedoch nur, dass den Kommanditisten keine über die Erbringung seiner Pflichteinlage hinausgehende Nachschuss- oder Verlustausgleichsverpflichtung trifft (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB; § 707 BGB);1 das gilt auch für den Fall seines Ausscheidens und eine Liquidation der Gesellschaft.2 Der Kommanditist wird lediglich mit dem auf ihn entfallenden Verlust belastet, auch wenn dieser seine Pflichteinlage übersteigt und sein Kapitalanteil dadurch negativ wird.3 Das ergibt sich auch aus § 264c Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Satz 3 HGB. Aus dem Zusammenhang mit § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB folgt, dass ein negativer Kapitalanteil (negatives Kapitalkonto I) eine Entnahmesperre zur Folge hat; der Kommanditist kann danach die Auszahlung seines Gewinnanteils nicht verlangen, solange ein negativer Kapitalanteil besteht oder durch die Auszahlung entstehen würde. Der negative Kapitalanteil ist folglich zunächst durch zukünftige Gewinnanteile auszugleichen und darüber hinaus die Pflichteinlage wieder aufzufüllen, bevor der Kommanditist die Auszahlung seines Gewinnanteils verlangen kann.4 Es muss also ein die Pflichtein1 Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 167 HGB Rz. 4. 2 Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 167 HGB Rz. 4 f. 3 Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16; Roth in Baumbach/Hopt, § 167 HGB Rz. 5. 4 Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16 m.w.N., § 169 HGB Rz. 3; Roth in Baumbach/Hopt, § 167 HGB Rz. 5, § 169 HGB Rz. 4.
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lage übersteigendes Guthaben (Gewinnanteil) vorhanden sein.1 Ist der Kommanditist mit seiner Pflichteinlage im Rückstand, hat er nach dem eindeutigen Wortlaut des § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB gleichwohl Anspruch auf Auszahlung seines Gewinnanteils.2 Die Gesellschaft kann aber gegen den Anspruch des Kommanditisten mit der Einlageforderung aufrechnen, sofern diese fällig ist, und dadurch die Auszahlung des Gewinnanteils vermeiden.3 Soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust (Anteil am Jahresfehlbetrag) unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird, gilt die Einlage (Pflichteinlage) den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 Satz 1 und 2 HGB);4 der Kommanditist ist folglich zur (erneuten) Einlageleistung verpflichtet. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB sind Beträge i.S. des § 268 Abs. 8 HGB – Posten, die bei einer Kapitalgesellschaft eine Ausschüttungssperre zur Folge haben – nicht zu berücksichtigen (§ 172 Abs. 4 Satz 3 HGB). Sobald das Konto die bedungene Einlage, d.h. die Pflichteinlage, des Kommanditisten ausweist, sind weitere Gewinnanteile des Kommanditisten auf einem zweiten (auch Kapitalkonto II genannt) Konto zu erfassen („gesetzliches Zwei-Konten-Modell“).5 Die auf diesem Konto befindlichen Gewinnanteile können vom Kommanditisten in voller Höhe entnommen werden (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB), soweit nicht aufgrund der Treuepflicht des Kommanditisten oder eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung die Entnahme eingeschränkt ist.6 Anders als dem Komplementär, der nur die Gewinne des letzten Geschäftsjahres entnehmen darf (§ 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB), ist es dem Kommanditisten gestattet, stehen gelassene Gewinne auch noch in späteren Jahren zu entnehmen.7 Verluste sind dagegen – wie zuvor erläutert – dem Kapitalkonto I zu belasten. Das gilt auch, wenn aus früheren Gewinnjahren noch ein Guthaben auf dem zweiten Konto vorhanden sein sollte. Dieses Guthaben ist nicht mit späteren Verlusten zu verrechnen (vgl. § 167 Abs. 3 HGB).8
7.78
Allerdings kann der Kommanditist die Auszahlung seines Gewinnanteils – wie ebenfalls zuvor erläutert – nur verlangen, wenn die auf seine Pflichteinlage erbrachte Einlage ungeschmälert durch Verluste vorhanden ist und auch durch die Entnahmen selbst nicht geschmälert wird (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB).
7.79
1 2 3 4 5 6 7 8
Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 16, § 169 HGB Rz. 3. Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 4. Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 4. Vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 172 HGB Rz. 8, mit Hinweis auf die Parallele zu § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB. Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 75 m.w.N. Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 3, 8 m.w.N. Die Ein-Jahres-Grenze des § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB gilt für den Kommanditisten grundsätzlich nicht (§ 169 Abs. 1 Satz 1 HGB); vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 5. Huber, ZGR 1988, 1 (8). Allerdings darf nach § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB der Kommanditist Auszahlung eines Gewinnanteils aus dem laufenden Geschäftsjahr nur verlangen, wenn die auf die Pflichteinlage des Kommanditisten erbrachte Einlage ungeschmälert durch Verluste vorhanden ist und auch durch die Entnahme selbst nicht geschmälert wird; Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 6.
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Ein negativer oder noch nicht wieder aufgefüllter Kapitalanteil (Kapitalkonto I) hat also eine Entnahmesperre zur Folge. 7.80
Das zweite Konto des Kommanditisten (auch Kapitalkonto II genannt) ist seiner rechtlichen Funktion nach nichts anderes als der Ausweis einer Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Es hat somit keinen Beteiligungscharakter (Eigenkapital),1 sondern Fremdkapitalcharakter. Bilanziell bedeutet dies, dass es nicht in den Posten „Kapitalanteile“ zuzuordnen, sondern als Verbindlichkeit zu erfassen ist. Das gilt selbst dann, wenn der Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit der Entnahme aus diesem Konto beschränkt. Hierdurch wird nur die Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Guthabens aufgehoben.2 Dagegen ist eine Verrechnung dieses Guthabens mit künftigen Verlusten nicht gestattet oder zumindest eingeschränkt.3 Das Guthaben stellt somit auch im Falle der Entnahmebeschränkung eine unentziehbare Forderung des Kommanditisten gegen die Gesellschaft dar, die spätestens bei Liquidation der Gesellschaft oder beim Ausscheiden des Kommanditisten fällig wird.4
7.81
Mit der Einführung des § 264c Abs. 2 HGB hat der Gesetzgeber seine Vorstellung vom Vorhandensein von zwei Konten – dem Einlagekonto und einem zweiten Konto mit Fremdkapitalcharakter – nicht aufgegeben. Die in § 264c Abs. 2 HGB vorgesehene Gliederung des Eigenkapitals sieht zwar vor, dass Gewinne und Verluste der Gesellschaft in die Eigenkapitalposten „Rücklagen“,5 „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ und „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ eingestellt werden können; die Möglichkeit, sie auf den zum Eigenkapitalposten „Kapitalanteile“ gehörenden Kapitalkonten der Gesellschafter zu erfassen, bleibt aber daneben bestehen.
7.82
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem gesetzlichen Leitbild lediglich das Kapitalkonto I Eigenkapitalcharakter hat, auf dem Kapitalkonto II dagegen Fremdkapital erfasst wird. cc) Vertragliches Zwei-Konten-Modell
7.83
Die gesetzliche Regelung entspricht vielfach nicht den Vorstellungen der Gesellschafter. So soll die Pflichteinlage der Kommanditisten, die vielfach der Haftsumme entspricht, als feste Einlage (Festkapital) der Gesellschaft auf Dauer zur Verfügung stehen und nicht durch Verluste vermindert werden, um so die Beteiligungsquote der Gesellschafter nach den Festkapitalkonten zu bestimmen.6 Weiterhin wird von den Gesellschaftern oftmals eine Regelung gewünscht, nach der das Recht der Kommanditisten zur Entnahme des anteiligen Jahresüberschusses begrenzt wird. Schließlich ist vielfach das Bestreben vorhanden, spätere Verluste 1 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 167 HGB Rz. 2. 2 Ley, KÖSDI 1994, 9973. 3 Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 167 HGB Rz. 10 mit Verweis auf Huber, ZGR 1988, 1 (8). 4 Huber, ZGR 1988, 1 (29). 5 In den Eigenkapitalposten „Rücklagen“ können nur Gewinne, nicht auch Verluste der Gesellschaft eingestellt werden; s. unter Rz. 7.70. 6 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 III 5a).
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mit dem zusätzlich gebildeten Kapital zu verrechnen.1 Aus den genannten Gründen wird in der Praxis häufig im Gesellschaftsvertrag ein Zwei-Konten-Modell verankert, das von dem gesetzlichen Zwei-Konten-Modell im Wesentlichen in folgenden Punkten abweicht: Der Gesellschaftsvertrag bestimmt einen Betrag als Gesellschaftskapital (Festkapital). Die Gesellschafter (typischerweise die Kommanditisten) sind mit einer bestimmten Beteiligungsquote am Festkapital beteiligt.
7.84
Das Kapitalkonto I weist – zumindest in der Finanzbuchführung – die Pflichteinlage (die typischerweise der Haftsumme entspricht) aus, auch wenn die Kommanditisten die Einlage noch nicht voll erbracht haben. Das Kapitalkonto I soll als Festkapitalkonto die Beteiligungsquote des Kommanditisten am Gesellschaftsanteil widerspiegeln, die die Grundlage für sein Stimmrecht und seine Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft bildet. Soweit die Pflichteinlage weder eingefordert noch erbracht worden ist, ist sie auf der Passivseite der Bilanz von dem Kapitalanteil des betroffenen Gesellschafters offen abzusetzen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 HGB); der verbleibende Betrag ist als Posten „Eingefordertes Kapital“ in der Hauptspalte der Passivseite auszuweisen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 HGB). Der eingeforderte, aber noch nicht eingezahlte Betrag ist unter den Forderungen gesondert auszuweisen und entsprechend zu bezeichnen (§ 272 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 3 HGB).2 Weiterhin berühren evtl. Verluste der Gesellschaft nicht mehr das Kapitalkonto I, das unveränderlich beibehalten wird. Das Kapitalkonto I ist typischerweise unverzinslich.
7.85
Neben dem Kapitalkonto I gibt es ein zweites Kapitalkonto, das unterschiedlich bezeichnet wird (z.B. Kapitalkonto II, Privatkonto, Gesellschafter-Verrechnungskonto).3 Das Kapitalkonto II nimmt als bewegliches (variables) Kapitalkonto Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen des Gesellschafters sowie ggf. sonstige sich aus dem Gesellschafsverhältnis ergebende Forderungen bzw. Verbindlichkeiten auf.4 Bei der Ausgestaltung dieser Konten sind die Gesellschaften nicht an ein starres gesetzliches Muster gebunden; vielmehr können sie im Gesellschaftsvertrag eine Regelung treffen, die den Besonderheiten der Gesellschaft Rechnung trägt. Eine eindeutige Zuordnung dieser Konten zum Eigenkapital oder Fremdkapital ist daher allein aufgrund der Bezeichnung nicht möglich.5 Dies gilt ebenso für die Frage, ob ein Konto dem Posten „Kapitalanteile“ oder „Rücklagen“ zuzuordnen ist. Bei beiden Fragen kommt es entscheidend darauf an, welchen Inhalt ein derartiges Konto hat. Diese Fragen sollten idealtypisch bereits beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags bedacht werden, um bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses Auslegungszweifel zu vermeiden.
7.86
Sieht die vertragliche Regelung vor, dass auf dem Kapitalkonto II Verluste verbucht werden, unterscheidet es sich dadurch wesentlich von dem in § 167 Abs. 2 HGB „vorausgesetzten“ Darlehenskonto (mit Fremdkapitalcharakter); es ist dann als Ei-
7.87
1 Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 11. 2 Vgl. Huber, ZGR 1988, 1 (59); Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 11; IDW RS HFA 7 Ziff. 4.2.1.2. (45). 3 Vgl. RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 20. 4 Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 75. 5 RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 21.
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Rechnungslegung und Publizität
genkapitalkonto zu qualifizieren.1 Ein derartiges Kapitalkonto II ist typischerweise unverzinslich. 7.88
Wird für das als Kapitalkonto II oder ähnlich bezeichnete Konto jedoch eine davon abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag vereinbart und werden auf ihm keine Verluste erfasst, ist dieses Konto unabhängig von seiner Bezeichnung als Kapitalkonto als Darlehenskonto (Fremdkapital) zu qualifizieren. In diesem Fall ist eine Verzinsung sinnvoll und in der Praxis üblich.
7.89
Nicht eindeutig war die Rechtslage, wenn über das Kapitalkonto II zwar keine Verluste verbucht werden, jedoch das auf diesem Konto befindliche Guthaben von den Gesellschaftern während der Dauer des Gesellschaftsverhältnisses nicht entnommen werden darf, vielmehr erst bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses nach Befriedigung der Gläubiger hierüber verfügt werden darf. Der BFH2 hat hierin früher eine gesamthänderische Bindung des Kontos und eine dementsprechend fehlende Verfügungsmacht des Gesellschafters gesehen. Nach der weiter entwickelten BFH-Rechtsprechung sprechen Entnahmebeschränkungen jedoch weder für noch gegen die Annahme von Eigenkapital.3 Der BGH differenziert bei dieser Frage danach, ob der Auszahlungsanspruch dem Gesellschafter noch gegen seinen Willen entzogen werden kann oder nicht.4 Im ersten Falle handelt es sich um eine Einlage und im zweiten Falle um eine Darlehensforderung. Die bloße Entnahmebeschränkung nimmt aber dem Guthaben nicht den Charakter einer schuldrechtlichen Forderung. Es kommt weniger darauf an, wann der Gesellschafter über das Guthaben verfügen kann, als vielmehr auf die Tatsache, dass er überhaupt über das Guthaben verfügen kann, ohne dass dieses mit Verlusten noch verrechnet werden darf. Entscheidend ist somit, ob im Fall der Liquidation der Gesellschaft oder bei Ausscheiden des Gesellschafters das Kapitalkonto II mit einem etwa bestehenden negativen Kapitalkonto I zu verrechnen ist oder nicht.5 Ist dies nicht der Fall, hat der Kommanditist einen unentziehbaren Anspruch auf Auszahlung spätestens beim Ausscheiden aus der Gesellschaft. Dieser Tatbestand reicht grundsätzlich aus, um das Guthaben auf dem Konto als Forderung des Kommanditisten und damit als Verbindlichkeit der GmbH & Co. KG zu qualifizieren. Bestehen Zweifel an der Verlustdeckungsfunktion, so ist eine Würdigung anhand der sonstigen Umstände vorzunehmen (Verbuchung von Gewinnen, Entnahmen und Einlagen, Relevanz des Kontos für das Abfindungsguthaben).6
7.90
Bei einer bloßen Zweiteilung der Konten in Kapitalkonto I und Kapitalkonto II wird im Gesellschaftsvertrag teilweise eine Verzinsung des Kapitalkontos II vorgesehen, schon allein deshalb, um den Gesellschaftern einen Anreiz zur Belassung der Einlagen, die über das Festkapital hinausgehen, und ggf. stehen gelassener Gewinne im 1 Huber, ZGR 1988, 1 (65 f.); Adler/Düring/Schmaltz, § 247 HGB Rz. 65; IDW (Hrsg.), WPHandbuch, Bd. I 2012, F Rz. 349; Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 11. 2 BFH v. 3.11.1982 – II R 94/80, BStBl. II 1983, 240 = GmbHR 1983, 130 unter Bezugnahme auf Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S. 236 ff. 3 BFH v. 3.11.1993 – II R 96/91, BStBl. II 1994, 88 = GmbHR 1994, 571; dazu Hollatz, DStR 1994, 1676. 4 BGH v. 23.2.1978 – II ZR 145/76, GmbHR 1978, 109. 5 BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BFH/NV 2008, 1591 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz. 6 BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36 = GmbHR 1997, 43.
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Gesellschaftsvermögen zu geben. Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Verzinsung des Kapitalkontos II vor, so spricht dies nach Ansicht des BFH weder für noch gegen die Annahme individualisierter Gesellschaftsforderungen.1 Dabei differenziert die Finanzrechtsprechung zutreffend nicht mehr zwischen fester und variabler (ergebnisabhängiger) Verzinsung.2 Denn auch die Festverzinslichkeit des Kapitalkontos II berechtigt nicht zu der Annahme, dass es sich hierbei zwangsläufig um eine Darlehensforderung des Gesellschafters handeln müsse. Soweit gesetzliche Verbote dem nicht entgegenstehen, bleibt es den Gesellschaftern unbenommen, auch Kapitalkonten fest zu verzinsen. Die Festverzinslichkeit des beweglichen Kapitalkontos kann somit ein Indiz für den Parteiwillen sein, Guthaben auf dem Kapitalkonto II als Darlehen behandeln zu wollen. Die bloße Indizwirkung muss aber hinter eine eindeutige materiell-rechtliche Beurteilung des Rechtscharakters des Kapitalkontos II zurücktreten. Das gilt insbesondere, wenn durch die Verlustbuchung auf diesem Konto dessen Eigenkapitalcharakter feststeht. Beim Zwei-Konten-Modell wird der Gesellschaftsvertrag i.d.R. eine Klausel enthalten, wonach nur bestimmte Teile der Gewinngutschrift entnommen werden dürfen. Für solche auf das Geschäftsjahr bezogenen vertraglichen Entnahmerechte gilt die Einjahresfrist nach § 122 Abs. 1 HGB nicht (auch nicht analog; § 169 Abs. 1 Satz 1 HGB), es sei denn, dass die Pflichteinlage noch nicht vollständig eingezahlt ist oder sofern der Kommanditist vertraglich ein Recht, aber keine Pflicht zur Aufstockung seines Kapitalanteils hat.3 Die nicht entnommenen Gewinnanteile stehen sodann bis zur Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zur Verfügung der Gesellschaft.4 Für die Dauer der Gesellschaft ist dem Gesellschafter die Kündigung gem. §§ 489, 490 BGB nicht gestattet, auch wenn das zweite Konto als Darlehenskonto bezeichnet sein sollte.5 Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch eine Regelung vereinbart werden, nach der die Entnahmerechte auch nach der Feststellung des nächsten Jahresabschlusses weiter geltend gemacht werden können.
7.91
Für die Rechnungslegung einer GmbH & Co. KG ist somit bei einem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Zwei-Konten-Modell in einem ersten Schritt der Eigenoder Fremdkapitalcharakter des Kapitalkontos II zu klären (s. dazu Rz. 7.60 ff.). Handelt es sich um Fremdkapital, ist es als Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter auszuweisen. Verkörpert es dagegen Eigenkapital, wird der Saldo aus den Kapitalkonten I und II in der Bilanz unter dem Posten „Kapitalanteile“ erfasst.
7.92
Der Kapitalanteil der Kommanditisten als Saldo der einzelnen Kapitalkonten mit Eigenkapitalcharakter gibt darüber hinaus Auskunft, welchen Einlagebetrag der Kommanditist schuldet, ob und inwieweit die Pflichteinlage des Kommanditisten
7.93
1 BFH v. 5.3.1991 – VIII R 93/84, BStBl. II 1991, 516 = GmbHR 1991, 386; BFH v. 19.1.1993 – VIII R 128/84, BStBl. II 1993, 594; BFH v. 3.11.1993 – II R 96/91, BStBl. II 1994, 88 = GmbHR 1994, 571 und BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36 = GmbHR 1997, 43; BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BFH/NV 2008, 1591 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz. 2 Anders noch BFH v. 22.7.1987 – I R 74/85, BStBl. II 1987, 823 (826) = GmbHR 1988, 79, der bei fester Verzinsung ein Darlehen angenommen hatte. 3 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 169 HGB Rz. 5 m.w.N. 4 Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 11. 5 Vgl. zum fehlenden Kündigungsrecht nach § 609 BGB a.F. Huber, ZGR 1988, 1 (52); vgl. auch BGH v. 3.11.1975 – II ZR 87/74, MDR 1976, 123.
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Rechnungslegung und Publizität
erbracht und er somit von der persönlichen Haftung freigestellt ist, weiterhin, ob durch Entnahmen von diesem Konto seine Haftung wieder auflebt oder ob bei Minderung der Hafteinlage durch Verluste eine Verpflichtung des Kommanditisten besteht, spätere Gewinne für den vorrangigen Ausgleich von auf ihn entfallenden Verlustvorträgen einzusetzen.1 Soweit die Haftsumme (§ 171 Abs. 1 HGB) die Pflichteinlage übersteigt, darf höchstens letztere im Kapitalkonto I gezeigt werden (s. unter Rz. 7.77). 7.94
Das vertragliche Zwei-Konten-Modell weist zwar Verbesserungen gegenüber dem gesetzlichen Zwei-Konten-Modell auf, jedoch hat auch dieses Modell seine Schwächen. So lässt sich insbesondere nur schwer die Ursache eines evtl. Negativsaldos (Sollsaldo) auf dem Kapitalkonto II nachvollziehen. Es ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob er aus überhöhten Entnahmen oder aus Verlustzuweisungen entstanden ist. Im ersten Falle wäre der Kommanditist zur Rückzahlung verpflichtet, während er im Falle seines Ausscheidens zu einem Ausgleich des negativen Kapitalkontos II nicht verpflichtet ist (§ 167 Abs. 3 HGB). Weiterhin ist das Kapitalkonto II in der Praxis schwer zu handhaben, wenn ihm sowohl entnahmefähige als auch in der Gesellschaft verbleibende nicht entnahmefähige Gewinne gutgeschrieben werden. Schließlich können entnahmefähige Gewinne, die zunächst in der Gesellschaft stehen gelassen werden, durch spätere Verluste aufgezehrt werden. Aus diesem Grunde kann für die Praxis nur empfohlen werden, zumindest eine Dreiteilung der Konten, wie nachstehend erläutert, vorzunehmen. dd) Vertragliches Drei-Konten-Modell
7.95
Das Kapitalkonto I wird als Festkapitalkonto geführt, auf dem die Pflichteinlage erfasst wird. Das Kapitalkonto II enthält die sonstigen Einlagen, die nicht entnahmefähigen Gewinnanteile und die Verluste, während auf dem dritten Konto – am besten als Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto zu bezeichnen – die entnahmefähigen Gewinnanteile und die Entnahmen sowie ggf. sonstige sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebende Forderungen bzw. Verbindlichkeiten verbucht werden.2
7.96
Dieses Drei-Konten-Modell schafft zunächst die erforderliche Klarheit über den Rechtscharakter der auf den einzelnen Konten ausgewiesenen Beträge. Bei dieser Gestaltung ist sowohl das Kapitalkonto I als auch das Kapitalkonto II als Eigenkapital zu qualifizieren, während das dritte Konto – Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto – ein eindeutig individualisiertes Forderungsrecht des Gesellschafters darstellt und infolgedessen als Fremdkapital zu qualifizieren ist.3 Ein Guthaben auf diesem Konto vermittelt dem Gesellschafter im Fall der Gutschrift eines entnahmefähigen Gewinnanteils einen unentziehbaren Gewinnanspruch, 1 Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 167 HGB Rz. 20; Horn in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 167 HGB Rz. 16. 2 Allgemeine Ausführungen zu den Kapitalkonten einer KG: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 III 5a); zur GmbH & Co. KG Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 76; Hoffmann, DStR 2000, 837; Klatte, StuB 2000, 649. 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 53 III 5a); Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 76; Klatte, StuB 2000, 649.
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der nicht mit späteren Verlusten verrechnet werden darf und spätestens im Falle seines Ausscheidens vorweg zu befriedigen ist. Im Gesellschaftsvertrag sollte weiterhin darauf geachtet werden, dass das DreiKonten-Modell praktisch einfach und auch interessengerecht gehandhabt werden kann. So sollte i.d.R. die Unverzinslichkeit des Kapitalkontos II festgelegt werden,1 jedoch das Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto verzinslich ausgestaltet werden, es sei denn, dass auf diesem Konto die Guthaben von Gesellschaftern in kürzester Zeit entnommen werden. Der Gesellschaftsvertrag sollte weiterhin Möglichkeiten vorsehen, unter bestimmten Voraussetzungen Beträge vom Kapitalkonto II auf das Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto zu übertragen, um auch in gewinnlosen Jahren Entnahmen aus dem angesparten Gewinn früherer Jahre zu ermöglichen.2
7.97
Mit der Dreiteilung der Konten steht auch die Behandlung späterer Verluste fest. Denn diese werden mit den evtl. angesammelten Gewinnen auf dem Kapitalkonto II verrechnet. Dies kann auch zu einem Negativsaldo des Kapitalkontos II führen. Eine Ausgleichspflicht besteht insoweit jedoch nicht, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt. Vielfach besteht aber eine gesellschaftsvertragliche Entnahmesperre. Eine Entnahme ist in diesem Fall erst wieder zulässig, wenn das negative Kapitalkonto II ausgeglichen ist.
7.98
Das Drei-Konten-Modell ist auch in folgender abgewandelter Form denkbar: Auf dem Kapitalkonto II werden sonstige Einlagen und nicht entnahmefähige Gewinne, nicht dagegen Verluste erfasst. Auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto werden entnahmefähige Gewinne und Verluste sowie ggf. sonstige sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebende Forderungen bzw. Verbindlichkeiten verbucht (modifiziertes Drei-Konten-Modell). Die Erfassung von Verlusten auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto und die damit verbundene Verrechnung mit stehen gelassenen Gewinnen hat zur Konsequenz, dass dieses Konto – anders als in der Grundform des Drei-Konten-Modells – als Eigenkapital zu qualifizieren ist. Darin besteht auch der Vorteil des modifizierten Drei-Konten-Modells. Der Nachteil liegt darin, dass stehen gelassene entnahmefähige Gewinne und ggf. sonstige Forderungen des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis dem Risiko ausgesetzt sind, mit zukünftigen Verlusten verrechnet zu werden. In diesem Fall sollten daher Darlehen der Gesellschafter auf einem gesonderten Gesellschafter-Darlehenskonto erfasst werden.
7.99
Wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass der Jahresüberschuss (Gewinn) teilweise in die Rücklage einzustellen ist oder die Gesellschafterversammlung insoweit einen Beschluss fassen kann, wird der jeweilige Gewinn – ggf. auf der Grundlage eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung – als Rücklage ausgewiesen. Es findet also – anders als bei einer Gutschrift auf dem Kapitalkonto II – keine Zuordnung zu den einzelnen Gesellschaftern statt.
7.100
1 Das Kapitalkonto I ist ohnehin typischerweise unverzinslich. 2 Huber, ZGR 1988, 1 (34).
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Rechnungslegung und Publizität
ee) Vertragliches Vier-Konten-Modell 7.101
Das Vier-Konten-Modell entspricht im Grundsatz dem Drei-Konten-Modell, jedoch werden Verluste nicht auf dem Kapitalkonto II erfasst. Stattdessen wird ein gesondertes Verlustvortragskonto geführt. Das Kapitalkonto I wird als Festkapitalkonto geführt. Das Kapitalkonto II enthält die sonstigen Einlagen und die nicht entnahmefähigen Gewinne, nicht dagegen die Verluste. Auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto werden – wie im Drei-Konten-Modell – die entnahmefähigen Gewinnanteile und die Entnahmen sowie ggf. sonstige sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebende Forderungen bzw. Verbindlichkeiten verbucht. Zum Teil wird zusätzlich ein gesondertes Gesellschafter-Darlehenskonto geführt, auf dem ausschließlich Gesellschafterdarlehen erfasst werden. Verlustanteile werden – anders als im Drei-Konten-Modell – auf einem gesonderten Verlustvortragskonto erfasst. Das Verlustvortragskonto ist ein Unterkonto zum Kapitalkonto II (im Drei-Konten-Modell) oder zum Gesellschafter-Verrechnungskonto (im modifizierten Drei-Konten-Modell) und negativer Bestandteil des Eigenkapitals der GmbH & Co. KG. Da das Gesellschafter-Verrechnungskonto nicht mit Verlusten belastet wird, ist es – wie in der Grundform des Drei-Konten-Modells – dem Fremdkapital zuzuordnen. Das Verlustvortragskonto ist durch zukünftige Gewinne auszugleichen, ehe Gewinne auf dem Kapitalkonto II – sofern sie nicht entnahmefähig sind – oder dem Gesellschafter-Verrechnungskonto – sofern sie entnahmefähig sind – erfasst werden. Die Einrichtung eines derartigen Verlustvortragskontos hat folgende Effekte: Anders als in der Grundform des Drei-KontenModells findet keine Verrechnung der Verlustanteile mit nicht entnahmefähigen Gewinnanteilen vergangener Geschäftsjahre statt, die auf dem Kapitalkonto II erfasst sind.1 Im Gegensatz zum modifizierten Drei-Konten-Modell werden die Verlustanteile nicht dem Gesellschafter-Verrechnungskonto belastet und infolgedessen nicht mit stehen gelassenen und entnahmefähigen Gewinnen vergangener Geschäftsjahre verrechnet. Gewinne vergangener Geschäftsjahre sind also im Vier-Konten-Modell nicht dem Risiko ausgesetzt, mit zukünftigen Verlusten verrechnet zu werden. Das gilt unabhängig davon, ob sie nicht entnahmefähig oder entnahmefähig sind. Es werden ausschließlich zukünftige Gewinne belastet. Darin liegt ein entscheidender Vorteil.
7.102
Aus der Verpflichtung der Gesellschafter, zunächst ein Verlustvortragskonto durch Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen auszugleichen, ergibt sich eine Entnahmesperre. Zukünftige Gewinne der GmbH & Co. KG stehen – sofern sie entnahmefähig sind – für eine Entnahme erst zur Verfügung, wenn das Verlustvortragskonto auf Null steht. Das Gleiche gilt für eine Gutschrift nicht entnahmefähiger Gewinne auf dem Kapitalkonto II. Sinnvoll ist allerdings jeweils eine Regelung, die zumindest die Entnahme des Betrages zulässt, der zur Begleichung der auf den Gewinnanteil anfallenden persönlichen Steuerschuld des Gesellschafters erforderlich ist.
7.103
Auch im Vier-Konten-Modell ist der nicht entnahmefähige Gewinn ggf. als Rücklage auszuweisen. Das hängt von der Regelung im Gesellschaftsvertrag und den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ab. Insofern gelten dieselben Überlegungen wie zum Drei-Konten-Modell (s. unter Rz. 7.95 ff.). 1 Vgl. Huber, ZGR 1988, 1 (87); auf S. 93 vertritt er jedoch eine automatische Verrechnung.
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§7
Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
Die Beträge, die auf den Rücklagenkonten bzw. Verlustvortragskonten erfasst werden, sind zwar dem Eigenkapital zuzurechnen; aus gliederungstechnischer Sicht sind sie jedoch nicht als Kapitalanteile, sondern als Rücklagen bzw. Verlustvortrag i.S. des § 264c HGB zu qualifizieren. Alternativ können die Verluste, die auf dem Verlustvortragskonto erfasst werden, auch von den Kapitalanteilen abgeschrieben werden. Der Wortlaut des § 264c Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 6 HGB deutet darauf hin, dass dies zwingend ist. Da das Gliederungsschema des § 264c Abs. 2 Satz 1 HGB jedoch einen Posten „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ vorsieht, ist entgegen dem Wortlaut des § 264c Abs. 2 Satz 3 HGB ein Verzicht auf die Verlustverrechnung und ein Ausweis der auf den Verlustvortragskonten kumulierten Vorjahresverluste, die noch nicht mit Gewinnen verrechnet werden konnten, unter dem Posten „Verlustvortrag“ zulässig; andernfalls wäre die gesonderte Darstellung dieser Posten innerhalb des Eigenkapitals überflüssig.1
7.104
Nach den o.g. Kriterien (s. unter Rz. 7.60 ff.) haben sowohl die Kapitalkonten I und II als auch das Rücklagenkonto und das Verlustvortragskonto Eigenkapitalcharakter; das Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto ist dagegen dem Fremdkapital zuzurechnen. Ausnahmsweise hat das Rücklagenkonto Fremdkapitalcharakter, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag das Rücklagenkonto kein gesamthänderisch gebundenes Rücklagenkonto darstellt und die Verrechnung von Verlusten selbst im Liquidationsfall bzw. beim Ausscheiden aus der Gesellschaft ausgeschlossen ist.2
7.105
Bei einer Einheitsgesellschaft sind nach § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB die Geschäftsanteile an einer Komplementär-GmbH in der Bilanz der GmbH & Co. KG auf der Aktivseite unter dem Posten A III 1 oder A III 3 auszuweisen. Für diese Geschäftsanteile ist in Höhe des aktivierten Betrags nach dem Posten „Eigenkapital“ ein Sonderposten unter der Bezeichnung „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ zu bilden (§ 264c Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 272 Abs. 4 HGB; s. unter Rz. 7.118).
7.106
ff) Bedeutung der Kapitalkonten für Besteuerungszwecke Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital ist auch für Besteuerungszwecke von großer Bedeutung (s. unter Rz. 6.391 ff.). Der Saldo der (Eigen-)Kapitalkonten eines Kommanditisten und eine ggf. darüber hinausgehende Haftsumme bilden die Grundlage für den Verlustausgleich und Verlustabzug des Kommanditisten (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).
7.107
Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zugerechnete Verlustanteil die anderen Einkünfte (aus Gewerbetrieb oder anderen Einkunftsarten) des Kommanditisten nicht ausgleichen und nicht von ihnen abgezogen werden (§ 10d Abs. 1 und 2 EStG), soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Gemeint ist damit der Saldo der Eigenkapitalkonten.3 Ist die in das Handelsregister eingetragene Hafteinlage höher als der Saldo der Eigenkapitalkonten des Kommanditisten, ist der dem Kommanditisten zuzurechnende steuerlich anzuerkennende Verlustanteil nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG sofort
7.108
1 Morck in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 264c HGB Rz. 3; Bitter/Grashoff, DB 2000, 835. 2 OFD Hannover v. 7.2.2008 – S 2241a - 96 - StO 222/221, DB 2008, 1350. 3 Vgl. Knobbe-Keuk, § 11a III 2a).
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§7
Rechnungslegung und Publizität
steuerlich nutzbar, soweit die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB besteht (weil er seine Hafteinlage nicht erbracht hat; „überschießende Außenhaftung“). 7.109
Das Kapitalkonto i.S. des § 15a EStG setzt sich dabei nach dem BMF-Schreiben vom 30.5.19971 aus dem Kapitalkonto des Kommanditisten laut Steuerbilanz und dem Mehr- oder Minderkapital aus einer etwaigen positiven oder negativen Ergänzungsbilanz des Gesellschafters zusammen. Das Sonderbetriebsvermögen ist dagegen nicht in die Ermittlung des Kapitalkontos i.S. des § 15a EStG einzubeziehen.2 Eine Ergänzungsbilanz und eine Sonderbilanz haben keine handelsrechtliche Entsprechung. Im Zusammenhang mit den vorstehend behandelten Kapitalkonten-Modellen (s. Rz. 7.76 ff.) ergibt sich Folgendes: Im gesetzlichen Zwei-Konten-Modell (s. Rz. 7.76 ff.) stellt das Kapitalkonto I Eigenkapital dar, während das Kapitalkonto II als Fremdkapital zu qualifizieren ist. Im vertraglichen Zwei-Konten-Modell (s. Rz. 7.83 ff.) sind sowohl das Kapitalkonto I als auch das Kapitalkonto II als Eigenkapital zu qualifizieren. Im vertraglichen Drei-Konten-Modell (s. Rz. 7.95 ff.) stellen die Kapitalkonten I und II Eigenkapital dar, während das Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto dem Fremdkapital zuzuordnen ist. Im modifizierten Drei-Konten-Modell (s. Rz. 7.99) ist darüber hinaus auch das Gesellschafter-Verrechnungskonto dem Eigenkapital zuzuordnen. Im vertraglichen Vier-Konten-Modell (s. Rz. 7.101 ff.) sind die Kapitalkonten I und II und das Verlustvortragskonto dem Eigenkapital zuzuordnen, während das Gesellschafter-Verrechnungskonto oder Darlehenskonto Fremdkapital darstellt. Die Qualifikation als Fremdkapital hat zur Konsequenz, dass sich das Volumen für den Verlustausgleich oder Verlustabzug verringert. Zum anteiligen Eigenkapital des Kommanditisten gehören auch sein Anteil an der Rücklage und am Posten „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ und „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“, sofern diese gesondert ausgewiesen werden. gg) Bedeutung der Kapitalkonten in der Insolvenz
7.110
Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital hat auch insolvenzrechtliche Bedeutung (s. unter Rz. 10.25, 10.37). Soweit die Kapitalkonten Eigenkapital darstellen, steht den Gesellschaftern im Fall der Insolvenz der GmbH & Co. KG keine Forderung zu; sie sind keine Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Das Gleiche gilt im Fall der Liquidation der Gesellschaft, bei der die Gesellschafter auf die Schlussverteilung angewiesen sind. Handelt es sich bei den Kapitalkonten um Fremdkapital – wie bei dem Gesellschafter-Verrechnungskonto im vertraglichen Drei-Konten-Modell und Vier-Konten-Modell –, steht den Gesellschaftern eine Forderung gegen die GmbH & Co. KG zu. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 und 5 InsO handelt es sich jedoch um eine nachrangige Forderung (s. unter Rz. 10.152 f.). d) Größenabhängige Erleichterungen
7.111
Für die kleine GmbH & Co. KG (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 HGB) und die Kleinstgesellschaft (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) bestehen bei 1 BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, S. 627 = GmbHR 1997, 718; Erlass Nr. 1 § 15a/1. 2 BMF v. 15.12.1993 – IV B 2 - S 2241a - 57/93, BStBl. I 1993, 976; Erlass Nr. 1 § 15a/2.
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§7
Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
der Aufstellung der Bilanz größenabhängige Erleichterungen. Sie entsprechen denen für die Komplementär-GmbH (s. unter Rz. 7.6 f.).
2. Inhalt der Gewinn- und Verlustrechnung Bei einer GmbH & Co. KG, die unter § 264a Abs. 1 HGB fällt, richtet sich deren Gewinn- und Verlustrechnung nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln. Maßgebend ist folglich das Gliederungsschema nach § 275 Abs. 2 oder 3 HGB.
7.112
In der Gewinn- und Verlustrechnung ist – wie in der Bilanz – zwischen der Sphäre der Gesellschaft und derjenigen der Gesellschafter zu unterscheiden; Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft, wie z.B. Zinsen für Gesellschafterdarlehen, können je nach der getroffenen Vereinbarung entweder zu Aufwand oder Ertrag der Gesellschaft führen oder bei der Ergebnisverwendung zu berücksichtigen sein.1 Die auf das Privatvermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge sind nach § 264c Abs. 3 Satz 1 HGB nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung aufzunehmen. Folglich sind die auf den Anteil am steuerlichen Gewinn der KG entfallenden, von den Gesellschaftern zu zahlenden persönlichen Steuern nicht Teil des Jahresergebnisses. Um eine Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses einer unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Personengesellschaft mit einem Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft – bei der die auf das zu versteuernde Einkommen entfallende Körperschaftsteuer bereits ergebnismindernd berücksichtigt wird – zu ermöglichen, sieht § 264c Abs. 3 Satz 2 HGB vor, dass nach dem Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ ein dem Steuersatz der KomplementärGmbH entsprechender Steueraufwand der Gesellschafter offen abgesetzt oder hinzugerechnet werden kann.2
7.113
Für die kleine und mittelgroße GmbH & Co. KG (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 und 2 HGB) sowie die Kleinstgesellschaft (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) bestehen bei der Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung größenabhängige Erleichterungen. Sie entsprechen denen für die Komplementär-GmbH (s. unter Rz. 7.6 f., 7.30).
7.114
3. Inhalt des Anhangs Nach § 264a Abs. 2 HGB gelten als gesetzliche Vertreter der GmbH & Co. KG die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der vertretungsberechtigten Gesellschaften, im Falle der GmbH & Co. KG also der Komplementär-GmbH. Deshalb hat die unter § 264a Abs. 1 HGB fallende GmbH & Co. KG die Gesamtbezüge, die den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH für die Geschäftsführung der KG auf schuldrechtlicher Basis gewährt worden sind, anzugeben (§ 285 Nr. 9 Buchst. a) HGB). Zu den angabepflichtigen Bezügen gehören dabei nicht die Kosten für Sachleistungen, die der geschäftsführenden Gesellschaft erstattet werden.3 1 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.2. (29). 2 Vgl. IDW RS HFA 7 Ziff. 3.2. (32). 3 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.3. (34).
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7.115
§7
Rechnungslegung und Publizität
7.116
Im Anhang ist ferner der Betrag der im Handelsregister gem. § 172 Abs. 1 HGB eingetragenen Einlagen (Haftsumme) anzugeben, soweit diese nicht geleistet sind (§ 264c Abs. 2 Satz 9 HGB). Für die Frage, ob Einlagen im vorstehenden Sinne als geleistet gelten, ist § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB zu beachten. Demnach gelten Einlagen als den Gläubigern gegenüber nicht geleistet, soweit sie an einen Kommanditisten zurückbezahlt werden. Dies gilt ebenso, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird (§ 172 Abs. 4 Satz 2 HGB). Sachentnahmen sind dabei zu Buchwerten zu berücksichtigen.1
7.117
Für die kleine und mittelgroße GmbH & Co. KG (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 und 2 HGB) sowie die Kleinstgesellschaft (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) bestehen bei der Aufstellung des Anhangs größenabhängige Erleichterungen. Sie entsprechen denen für die Komplementär-GmbH (s. unter Rz. 7.6 f., 7.31).
V. Einheitsgesellschaft 7.118
Hält die GmbH & Co. KG Geschäftsanteile an ihrer eigenen Komplementär-GmbH, handelt es sich um eine Einheitsgesellschaft (s. im Einzelnen unter Rz. 2.461). Auch in diesem Fall haben die GmbH & Co. KG und ihre Komplementär-GmbH eigene Jahresabschlüsse aufzustellen, da sie weiterhin rechtlich selbständige Unternehmen sind. Die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH sind in der Bilanz der GmbH & Co. KG nach § 264c Abs. 4 Satz 1 HGB auf der Aktivseite unter den Posten A III 1 oder A III 3 auszuweisen. Für diese Geschäftsanteile ist nach § 264c Abs. 4 Satz 2 HGB auf der Passivseite in Höhe des aktivierten Betrages nach dem Posten „Eigenkapital“ ein Sonderposten unter der Bezeichnung „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ zu bilden. Dieser passivische Sonderposten tritt an die Stelle einer für Personenhandelsgesellschaften nicht denkbaren Rücklage für eigene Anteile2 oder einer Verrechnung mit den Kapitalanteilen der Kommanditisten und ggf. frei verfügbaren Rücklagen (vgl. § 272 Abs. 1a Satz 1 und 2 HGB). Dadurch hat das Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass die Geschäftsanteile der GmbH & Co. KG an ihrer eigenen Komplementär-GmbH als „eigene“ Anteile zu behandeln sind, obwohl es sich bei den beiden Gesellschaften rechtlich um zwei verschiedene Unternehmen handelt. Der Ausweis dieses Sonderpostens soll im Falle von wechselseitigen Beteiligungen der GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH scheinbare Kapitalvermehrungen vermeiden.3
VI. Bewertung 7.119
Vermögensgegenstände einer GmbH & Co. KG sind wie bisher grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um planmäßige oder außerplanmäßige Abschreibungen anzusetzen (§ 253 Abs. 1 und 3 bis 5 HGB). Außer1 IDW RS HFA 7 Ziff. 3.3. (36). 2 Merkt in Baumbach/Hopt, § 264c HGB Rz. 4. 3 RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 21.
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§7
Aufstellung des Jahresabschlusses der GmbH & Co. KG
planmäßige Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind bei voraussichtlich dauernder Wertminderung vorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB; gemildertes Niederstwertprinzip). Bei Finanzanlagen können außerplanmäßige Abschreibungen auch bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung vorgenommen werden (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB); insofern besteht ein Bewertungswahlrecht. Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind außerplanmäßige Abschreibungen auf einen niedrigeren Börsenoder Marktpreis am Abschlussstichtag vorzunehmen (§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB); das gilt unabhängig davon, ob die Wertminderung dauerhaft oder vorübergehend ist (strenges Niederstwertprinzip). Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 4 Satz 2 HGB). Wurde eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen und fallen die Gründe für diese Abschreibung später weg, gilt darüber hinaus das Wertaufholungsgebot des § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB. Steuerrechtlich sind die einzelnen Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG); handelt es sich dabei um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, vermindert sich der anzusetzende Wert um Absetzungen für Abnutzung („AfA“) i.S. des § 7 EStG, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen und andere in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannte Abzüge. Ein niedrigerer Teilwert kann in der Steuerbilanz angesetzt werden, wenn dieser voraussichtlich dauerhaft besteht (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG);1 anders als bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung muss die Wertminderung sowohl des Anlagevermögens als auch des Umlaufvermögens voraussichtlich dauerhaft bestehen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung besteht insoweit ein steuerrechtliches Bewertungswahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG);2 der Grundsatz der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG) ist danach durchbrochen. Haben die Wirtschaftsgüter bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehört, darf der niedrigere Teilwert nur angesetzt (beibehalten) werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Gründe für die Teilwertabschreibung (noch) bestehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG). Es besteht somit auch steuerrechtlich ein Wertaufholungsgebot, wenn die Gründe für eine Teilwertabschreibung entfallen sind.
7.120
VII. Sanktionen Das Nichtbefolgen der
7.121
– in § 242 Abs. 1 und 2, § 264 Abs. 1 HGB vorgesehenen Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und eines Lageberichts, 1 Zu den Voraussetzungen s. BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 - S 2171 - b/09/10002, BStBl. I 2014, 1162 = GmbHR 2014, 1003. 2 BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Tz. 13, 15; R 6.8 Abs. 1 Satz 3 EStR 2012; str.; a.A. Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 9 V 3.2. Rz. 320; Schulze-Osterloh, DStR 2011, 534 (536 ff.).
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Rechnungslegung und Publizität
– in § 290 Abs. 1 HGB vorgesehenen Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts, – in § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB vorgesehenen Pflicht zur unverzüglichen Erteilung des Prüfungsauftrags, – in § 318 Abs. 4 Satz 3 HGB vorgesehenen Pflicht, den Antrag auf gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers zu stellen und der – in § 320 Abs. 1 bis 3 HGB vorgesehenen Pflicht zur umfassenden Vorlage- und Auskunftserteilung gegenüber dem Abschlussprüfer stellt für sich betrachtet keine Ordnungswidrigkeit dar. Vielmehr ist nach §§ 335 Abs. 1, 335b HGB eine Pflichtwidrigkeit (erst) dann anzunehmen, wenn die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der GmbH & Co. KG die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses und Lageberichts sowie des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung (§ 325 HGB) oder die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung (§ 325a HGB) nicht befolgen. Dadurch werden die zuvor genannten Pflichtverletzungen, z.B. das Nichtbefolgen der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und Lageberichts, mittelbar sanktioniert. Bei Verletzung der Offenlegungspflichten setzt das Bundesamt für Justiz gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft oder die Gesellschaft selbst nach §§ 335 Abs. 1 Satz 1 und 2, 335b HGB ein Ordnungsgeld fest. Das Bundesamt für Justiz wird – anders als das Registergericht nach früherer Rechtslage – von Amts wegen tätig. Das einzelne Ordnungsgeld beträgt mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro (§ 335 Abs. 1 Satz 4 HGB). Für das Verfahren gelten die in § 335 Abs. 2 Satz 1 HGB genannten Vorschriften (s. unter Rz. 7.174 f.). 7.122
Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft und des Aufsichtsrats handeln nach §§ 334, 335b HGB ordnungswidrig, wenn sie bei der – – – – –
Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses Aufstellung des Konzernabschlusses Aufstellung des Lageberichts Aufstellung des Konzernlageberichts Offenlegung, Veröffentlichung oder Vervielfältigung
den in § 334 Abs. 1 HGB genannten Vorschriften zuwiderhandeln. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 334 Abs. 3 HGB mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Fällt eine GmbH & Co. KG (ausnahmsweise) in den Anwendungsbereich des PublG, sind ebenfalls die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 17 ff. PublG zu beachten.
D. Konzernabschluss I. Bedeutung; Funktion 7.123
Der Konzernabschluss eines Unternehmens stellt eine Zusammenfassung der Jahresabschlüsse und Lageberichte des Mutterunternehmens und mindestens eines 780
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§7
Konzernabschluss
Tochterunternehmens dar. Die gesetzliche Grundlage bilden §§ 290 ff. HGB. Der Konzernabschluss besteht neben der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung und dem Konzernanhang aus einer Kapitalflussrechnung und einem Eigenkapitalspiegel (§ 297 Abs. 1 Satz 1 HGB); er kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden (§ 297 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Konzernlagebericht kommt als weiteres Rechnungslegungsinstrument hinzu (§ 315 HGB). Der Konzernabschluss beruht auf dem Grundgedanken, dass die in ihn einbezogenen Unternehmen ein einziges Unternehmen darstellen, obwohl sie rechtlich selbständig sind („Einheitstheorie“; § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB).1 Der Konzernabschluss hat ausschließlich eine Informationsfunktion,2 und zwar zum einen für die Gesellschafter und ggf. zukünftigen Gesellschafter (potenziellen Investoren) und zum anderen für die Gläubiger (Kreditinstitute, Lieferanten u.a.), Abnehmer (Kunden) und Arbeitnehmer. Mit dem Konzernabschluss sind weder für die betroffenen Unternehmen noch für ihre Gesellschafter (Aktionäre) unmittelbare rechtliche Konsequenzen verbunden. Das gilt sowohl zivil- und gesellschaftsrechtlich als auch steuerrechtlich. Der Konzernabschluss bildet nicht die Grundlage für die handelsrechtliche Ergebnisverwendung oder Ergebniszurechnung;3 das gilt unabhängig von der Rechtsform des Mutterunternehmens. Maßgebend sind ausschließlich der festgestellte Jahresabschluss des Mutterunternehmens und des oder der Tochterunternehmen. Bei einer Personenhandelsgesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen wird den Gesellschaftern nach dem gesetzlichen Normalstatut der anteilige Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag auf der Grundlage ihres festgestellten Jahresabschlusses zugerechnet (s. unter Rz. 7.64, 7.72, 7.77); ist nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Ergebnisverwendung erforderlich, gilt das Gleiche (s. unter Rz. 7.64, 7.72, 7.77).
7.124
Darüber hinaus ist der Konzernabschluss auch steuerrechtlich ohne Bedeutung;4 das gilt wiederum unabhängig von der Rechtsform des Mutterunternehmens. Bei einer Personenhandelsgesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen wird der von ihr ermittelte steuerliche Gewinn oder Verlust (erste Gewinnermittlungsstufe; Gesamthandsvermögen) den Gesellschaftern (Mitunternehmern) zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG), weil sie kein Steuersubjekt bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist. Die Personenhandelsgesellschaft und damit auch die GmbH & Co. KG ist zwar Steuersubjekt (Steuerschuldner) bei der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), jedoch beschränkt auf den von ihr erzielten Gewerbeertrag. Wenn die GmbH & Co. KG gleichzeitig Organträgerin einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), sind Steuersubjekte (Steuerschuldner) ebenfalls die Gesellschafter (Mitunternehmer) der GmbH & Co. KG (Einkommen- oder Körperschaftsteuer) und diese selbst (Gewerbesteuer); hierbei ist das ihr zuzurechnende positive oder negative zu versteuernde Einkom-
7.125
1 2 3 4
Vgl. Förschle/Rimmelspacher in Beck’scher BilanzKomm., § 297 HGB Rz. 190. Förschle/Rimmelspacher in Beck’scher BilanzKomm., § 297 HGB Rz. 1. Vgl. Förschle/Rimmelspacher in Beck’scher BilanzKomm., § 297 HGB Rz. 1. Vgl. Förschle/Rimmelspacher in Beck’scher BilanzKomm., § 297 HGB Rz. 1.
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§7
Rechnungslegung und Publizität
men sowie der positive oder negative Gewerbeertrag der Organgesellschaften zu berücksichtigen. 7.126
Weder bei der handelsrechtlichen Ergebniszurechnung noch bei der steuerlichen Gewinnermittlung findet somit die für die Konzernrechnungslegung charakteristische Zwischenergebniseliminierung (§ 304 Abs. 1 HGB) und Aufwands- und Ertragskonsolidierung (§ 305 Abs. 1 HGB) statt. Der Konzernabschluss beschränkt sich – wie eingangs ausgeführt – auf die Informationsfunktion.
II. Komplementär-GmbH als Mutterunternehmen 7.127
Für die Komplementär-GmbH stellt sich die Frage, ob sie verpflichtet ist, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen. Nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB hat eine Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen, wenn sie auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Es muss also ein Mutter-Tochter-Verhältnis bestehen, das dem Mutterunternehmen zumindest die Möglichkeit vermittelt, auf das Tochterunternehmen einen beherrschenden Einfluss auszuüben.1 Ein beherrschender Einfluss des Mutterunternehmens besteht stets (unwiderlegliche Vermutung), wenn die Komplementär-GmbH die in § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB typisierend beschriebenen Einflussmöglichkeiten auf die KG hat oder sie bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Chancen und Risiken der KG trägt (Zweckgesellschaft; § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB).2
7.128
Für die typische GmbH & Co. KG – also für den Fall, dass die KomplementärGmbH nicht oder in geringem Umfang am Gesellschaftskapital der KG beteiligt ist, nicht am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt und vorrangig der Haftungsbeschränkung dient – war deshalb in der Literatur umstritten, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Komplementär-GmbH nach § 290 Abs. 1 HGB a.F. (Konzept der einheitlichen Leitung) zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet war.3
7.129
Anlass für die kontrovers diskutierte Frage gab der Gesetzgeber, indem er in seiner Gesetzesbegründung zum KapCoRiLiG zum Ausdruck brachte, dass er im Fall einer typischen GmbH & Co. KG die GmbH & Co. KG „mit der herrschenden Meinung“ als Beteiligung i.S. des §§ 290 Abs. 1, 271 Abs. 1 HGB ansieht, selbst wenn die Komplementär-GmbH keine Kapitaleinlage erbracht hat.4 Diese Auffassung
1 Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6, 8; Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 20; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (62); DRS 19, Tz. 10. 2 Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6; Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 20; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.2. (65); DRS 19, Tz. 16–20. 3 Für eine generelle Pflicht Schiedermair/Maul in FS Welf Müller, 2001, S. 508; Bitter/Grashoff, DB 2000, 833; Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 86; Merkt in Baumbach/ Hopt, 35. Aufl. 2012, § 264c HGB Rz. 5. Gegen eine generelle Pflicht Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 15 Rz. 8; Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 26 ff. 4 RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 22.
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§7
Konzernabschluss
wurde zwar vielfach – zu Recht – kritisiert;1 sie führte i.d.R. aber zumindest zum zutreffenden Ergebnis. Wenn die GmbH & Co. KG nach dem Regelstatut organisiert ist, lagen jedenfalls die Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB a.F. vor;2 die Frage, ob daneben auch die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 HGB a.F. erfüllt waren, konnte dahinstehen. Die Gesellschafterversammlung der KomplementärGmbH beruft die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und damit auch die der GmbH & Co. KG. Ihr stand somit das Bestellungsrecht i.S. des § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB a.F. zu. Nach der geänderten Fassung des § 290 Abs. 1 und 2 Nr. 2 HGB durch das BilMoG ergibt sich Folgendes: Wenn die GmbH & Co. KG nach dem gesetzlichen Normalstatut organisiert ist, ist die Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung und Vertretung der GmbH & Co. KG berechtigt und verpflichtet. Das gilt unabhängig von der Beteiligung am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG. Zwar steht der Komplementär-GmbH bei einem anderen Unternehmen nicht das Recht zu, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder des Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen. Da sie aber zur Geschäftsführung und Vertretung der GmbH & Co. KG berechtigt und verpflichtet ist, bestimmt sie die Finanz- und Geschäftspolitik der GmbH & Co. KG und ist daher selbst als das maßgebliche Leitungsorgan anzusehen, das seinerseits durch ihre Geschäftsführer vertreten wird. Der Komplementär-GmbH steht infolgedessen sogar ein stärkeres Recht zu als das Bestellungsrecht.3 Auf dieser Grundlage kann die Komplementär-GmbH die Geschäfts- und Finanzpolitik der GmbH & Co. KG bestimmen und die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen, die mit der Geschäftsführung zusammenhängen, treffen und durchsetzen. Sie hat im Innen- und im Außenverhältnis die uneingeschränkte unternehmerische Leitungsmacht, sofern die GmbH & Co. KG nach dem gesetzlichen Normalstatut organisiert ist.4 Gleichzeitig ist sie als Komplementärin Gesellschafter der GmbH & Co. KG, wenn auch ohne oder nur mit geringer Beteiligung am Gesellschaftskapital.5 Die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 HGB sind somit erfüllt.6 Kritisch wird in der Literatur allerdings z.T. angemerkt, dass bei der vorstehenden Interpretation das fehlende wirtschaftliche Eigeninteresse der Komplementär-GmbH außer Betracht bleibe und infolgedessen ein Mutter-Tochter-Verhältnis zu verneinen sei.7 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB, den die zuvor genannte Auffassung zur Begründung heranzieht, nicht vorrangig ist, sondern gleichrangig neben den Einflussmöglichkeiten des Mutterunternehmens 1 Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 15 Rz. 8; Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 26 ff. 2 Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 90. 3 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.2. (67). 4 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (63), Ziff. 6.2.2. (67); DRS 19, Tz. 30; Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6. 5 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 56; Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 8. 6 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (63), Ziff. 6.2.2. (67); im Ergebnis auch Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6; a.A. Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 29 ff., 32. 7 Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 29 ff., 32.
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7.130
§7
Rechnungslegung und Publizität
nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB steht. In vielen Fällen ist die unternehmerische Leitungsmacht der Komplementär-GmbH jedoch eingeschränkt, weil sie die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen nicht treffen und durchsetzen darf. Das ist vor allem der Fall, wenn unternehmerisch bedeutsame Maßnahmen nach dem Gesellschaftsvertrag der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und damit der Kommanditisten bedürfen oder ein Weisungsrecht der Kommanditisten besteht.1 Insbesondere der Zustimmungsvorbehalt bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ist in der Praxis bedeutsam. Denkbar ist auch, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG die Leitungsfunktionen einem oder mehreren geschäftsführenden Kommanditisten zuspricht,2 mit der Folge, dass die Komplementär-GmbH zumindest im Innenverhältnis nur eingeschränkte Rechte hat. 7.131
In sämtlichen der zuvor genannten Fälle hat die Komplementär-GmbH zumindest im Innenverhältnis nur eingeschränkte Befugnisse mit der Folge, dass sie die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen nicht treffen und durchsetzen kann.3 Die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 HGB sind folglich in derartigen Fällen nicht erfüllt.4 Das Gleiche gilt bei einer Einheitsgesellschaft.5
7.132
Aus diesem Grund ist in der Praxis festzustellen, dass Komplementär-GmbH, die nicht oder nur geringfügig am Gesellschaftskapital der KG beteiligt sind, nur in seltenen Ausnahmefällen einen Konzernabschluss aufstellen. Ein derartiger Konzernabschluss hat typischerweise auch nur einen begrenzten Aussagegehalt. Eine Einbeziehung der GmbH & Co. KG in den Konzernabschluss der KomplementärGmbH nach den Grundsätzen der Vollkonsolidierung (§§ 307 ff. HGB) hat zur Folge, dass in der Konzernbilanz für die nicht dem Mutterunternehmen gehörenden Anteile an in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen ein Ausgleichsposten für die Anteile der anderen Gesellschafter – der Kommanditisten der GmbH & Co. KG – in Höhe ihres Anteils am Eigenkapital gesondert auszuweisen ist (§ 307 Abs. 1 HGB). Das Gleiche gilt in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung für den auf sie entfallenden Anteil am Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag (§ 307 Abs. 2 HGB).
7.133
Umgekehrt ist ein Mutter-Tochter-Verhältnis gem. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgrund der in § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB geregelten Einflussmöglichkeiten unproblematisch, wenn die Komplementär-GmbH mehrheitlich am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist oder außerhalb ihrer Rechtsstellung als Komplementärin der GmbH & Co. KG Beteiligungen an inländischen und ausländischen Tochterunternehmen (Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften) hält. 1 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (64), Ziff. 6.2.2. (67); Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6. 2 RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 22; Schulze-Osterloh, BB 2002, 1307 (1309); a.A. Tillmann, DB 1986, 1321. 3 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (64), Ziff. 6.2.2. (67); Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6. 4 Grottel/Kreher in Beck’scher BilanzKomm., § 290 HGB Rz. 57; IDW RS HFA 7, Ziff. 6.2.1. (64), Ziff. 6.2.2. (67); Merkt in Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 6; ggf. stellt sich die Frage, ob ein Einbeziehungswahlrecht gem. § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB besteht. 5 Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 27.
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§7
Konzernabschluss
Für die Komplementär-GmbH besteht jedenfalls dann keine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses, wenn die in § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB genannten Größenkriterien nicht überschritten werden. Im Einzelnen sieht § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Befreiung von der Aufstellungspflicht vor, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der nachstehenden – durch das BilMoG bei der Bilanzsumme und den Umsatzerlösen um 20 % erhöhte – Schwellenwerte nicht überschritten werden: Werte des Mutter- und Tochterunternehmens zusammen
Nicht konsolidiert (sog. Bruttomethode; § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB)
Konsolidiert (sog. Nettomethode; § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB)
Bilanzsumme
23 100 000 Euro
19 250 000 Euro
Umsatzerlöse
46 200 000 Euro
38 500 000 Euro
250
250
Arbeitnehmer (Jahresdurchschnitt)
Nach dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.7.20151 werden die Schwellenwerte erhöht (§ 293 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 und 2 HGB n.F.), und zwar
7.134
7.135
– bei der Bruttomethode auf 24 Mio. Euro bei der Bilanzsumme und auf 48 Mio. Euro bei den Umsatzerlösen und – bei der Nettomethode auf 20 Mio. Euro bei der Bilanzsumme und auf 40 Mio. Euro bei den Umsatzerlösen. Die erhöhten Schwellenwerte gelten erstmals für nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre, bei einem mit Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr also erstmals für das Geschäftsjahr 2016; eine vorzeitige Anwendung (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGHGB; s unter Rz. 7.157) der erhöhten Schwellenwerte ist jedoch bereits für das nach dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr und damit erstmals für das Geschäftsjahr 2014 zulässig. Aufgrund der erhöhten Schwellenwerte wird in Zukunft die Pflicht für zahlreiche GmbH & Co. KG entfallen, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen und darüber hinaus prüfen zu lassen (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 316 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die in § 315a Abs. 1 und Abs. 2 HGB enthaltene Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach den dort genannten internationalen Rechnungslegungsstandards und Vorschriften (IAS/IFRS) gilt – vereinfacht ausgedrückt – lediglich für „kapitalmarktorientierte“ Unternehmen. Eine Komplementär-GmbH wird daher typischerweise von dieser Pflicht nicht erfasst werden. Nach § 315a Abs. 3 Satz 1 HGB besteht jedoch für Unternehmen, die nicht als Emittent am Kapitalmarkt auftreten, das Wahlrecht, einen Konzernabschluss nach IAS/IFRS aufzustellen; der Konzernabschluss nach IAS/IFRS wirkt dann „befreiend“ mit der Folge, dass eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach HGB daneben nicht besteht. Weitere Einzelheiten zum Konzernabschluss nach IAS/IFRS – insbesondere die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital bei Personengesellschaften – werden im Zusammenhang mit der GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen dargestellt (s. unter Rz. 7.140 ff.). 1 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245.
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7.136
§7
Rechnungslegung und Publizität
III. GmbH & Co. KG als Mutterunternehmen 7.137
Hält die GmbH & Co. KG die Geschäftsanteile an ihrer eigenen KomplementärGmbH, spricht man von einer Einheitsgesellschaft (s. unter Rz. 7.118). In diesem Fall ist stets die GmbH & Co. KG und nicht die Komplementär-GmbH als Mutterunternehmen anzusehen.1 Als Mutterunternehmen trifft dann die GmbH & Co. KG die Pflicht, einen Konzernabschluss aufzustellen (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB). Für die Komplementär-GmbH hat dies wiederum zur Folge, dass für sie keine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht (§ 291 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB). Unabhängig davon kann die größenabhängige Befreiung nach § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB eingreifen (s. unter Rz. 7.134 f.).
7.138
Ist die GmbH & Co. KG ihrerseits Mutterunternehmen außerhalb einer Einheitsgesellschaft, kann auch sie zur Aufstellung eines Konzernabschlusses (u.U. Teilkonzernabschlusses) verpflichtet sein. Dies richtet sich wiederum nach § 264a Abs. 1 i.V.m. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB. Nach § 264a Abs. 1 i.V.m. § 291 Abs. 1 Satz 1 HGB ist eine GmbH & Co. KG, die zugleich Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens mit Sitz im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, von der Pflicht befreit, einen (Teil-)Konzernabschluss aufzustellen, wenn die GmbH & Co. KG in den Konzernabschluss der Komplementär-GmbH oder eines anderen Mutterunternehmens einbezogen wird. Unabhängig davon kann wiederum die größenabhängige Befreiung nach § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB eingreifen (s. unter Rz. 7.134 f.).
7.139
Für eine GmbH & Co. KG kann sich auch aus § 11 Abs. 1 i.V.m. § 13 PublG die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts ergeben. Das gilt nicht, wenn die GmbH & Co. KG unter § 264a Abs. 1 HGB fällt oder § 264b HGB eingreift (§ 11 Abs. 5 Satz 1 PublG). Wenn das PublG anwendbar ist, ergibt sich Folgendes: § 11 Abs. 1 PublG setzt voraus, dass mindestens zwei der drei folgenden Merkmale an drei aufeinanderfolgenden Konzernabschlussstichtagen erfüllt sind: – Die Bilanzsumme einer auf den Konzernabschlussstichtag aufgestellten Konzernbilanz übersteigt 65 Mio. Euro. – Die Umsatzerlöse einer auf den Konzernabschlussstichtag aufgestellten Konzern-Gewinn- und -verlustrechnung in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag übersteigen 130 Mio. Euro. – Die Konzernunternehmen mit Sitz im Inland haben in den zwölf Monaten vor dem Konzernabschlussstichtag insgesamt durchschnittlich mehr als fünftausend Arbeitnehmer beschäftigt. Da die Größenmerkmale des PublG jedoch wie beim Jahresabschluss sehr hoch angesetzt worden sind, findet § 11 i.V.m. § 13 PublG nur in wenigen Fällen Anwendung auf eine GmbH & Co. KG. Findet das PublG Anwendung, gelten für das Unternehmen Konzernrechnungslegungspflichten, die im Wesentlichen denjenigen einer Kapitalgesellschaft entsprechen (vgl. § 11 Abs. 1 i.V.m. § 13 PublG). 1 Düll in Reichert, GmbH & Co. KG, § 23 Rz. 89; Förschle/Deubert in Beck’scher BilanzKomm., § 264b HGB Rz. 27.
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§7
Konzernabschluss
Die Ausführungen zum Konzernabschluss der Komplementär-GmbH nach IAS/ IFRS gelten für den Konzernabschluss der GmbH & Co. KG entsprechend (s. unter Rz. 7.136). Wenn eine GmbH & Co. KG ihren Konzernabschluss auf der Grundlage der internationalen Rechnungslegungsstandards und Vorschriften (IAS/IFRS) aufstellt – entweder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 315a Abs. 1 und 2 HGB)1 oder freiwillig (§ 315a Abs. 3 Satz 1 HGB) –, stellt sich wegen der Besonderheiten des deutschen Personengesellschaftsrechts die Frage, welche Anforderungen an den Posten Eigenkapital zu stellen sind und wie Eigenkapital einerseits und Fremdkapital andererseits voneinander abzugrenzen sind.2 Die Regelungen zur Abgrenzung zwischen Eigenkapital (Eigenkapital-Instrument) und Fremdkapital (finanzielle Verpflichtungen) sind in IAS 32.15 bis 34 enthalten. Ein Finanzinstrument ist danach als Eigenkapital (Eigenkapital-Instrument) zu qualifizieren, wenn das Unternehmen (der Emittent) nicht verpflichtet ist, flüssige Mittel (Geldbetrag) oder andere finanzielle Vorteile (finanzielle Vermögenswerte) an den Inhaber des Finanzinstruments – im vorliegenden Zusammenhang den Gesellschafter – zu leisten. Eigenkapital (Eigenkapital-Instrument) besteht folglich nicht, wenn und soweit
7.140
– die Gesellschafter Anspruch auf Auszahlung des Jahresüberschusses haben (IAS 32.17) oder – die Gesellschafter ihren Gesellschaftsanteil gegen flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte an die Gesellschaft zurückgeben (IAS 32.18 (b)) können („kündbare Instrumente“; „puttable instruments“), d.h. eine Abfindungsverpflichtung besteht. Die Nachrangstellung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Personengesellschaft im Fall der Insolvenz oder Liquidation ist – anders als für den Begriff des Eigenkapitals nach HGB (s. unter Rz. 7.60 ff.) – nicht ausreichend.3 Die Qualifikation der Kapitalanteile der Gesellschafter einer Personengesellschaft, und damit auch einer GmbH & Co. KG, als Eigenkapital nach den internationalen Rechnungslegungsstandards ist unter zwei Gesichtspunkten problematisch. Zum einen steht der Komplementärin (§§ 161 Abs. 2 i.V.m. 122 Abs. 1 HGB) und den Kommanditisten (§§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 Satz 2 HGB) ein gesetzliches oder – ggf. eingeschränktes – gesellschaftsvertragliches Entnahmerecht bezogen auf ihren Gewinnanteil (Anteil am Jahresüberschuss) zu. Zum anderen haben Gesellschafter einer Personengesellschaft, die auf unbestimmte Zeit besteht, ein ordentliches Kündigungsrecht (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3, 132 HGB; § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB); unmittelbare oder mittelbare Einschränkungen des Kündigungsrechts sind unzulässig (§ 723 Abs. 3 BGB).4 Ihnen steht darüber hinaus – unabhängig von dem Recht 1 Eine GmbH & Co. KG kann ebenso wie eine GmbH ein kapitalmarktorientiertes Unternehmens i.S. des § 315a Abs. 1 und 2 HGB sein, wenn sie an der Börse gehandelte Genussscheine oder Schuldverschreibungen (vgl. § 221 Abs. 1 AktG) – Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG – ausgibt oder deren Zulassung zum Handel in einem organisierten Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG beantragt hat. 2 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 165 ff.; Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 139, 151 f., jeweils m.w.N. 3 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 165. 4 Roth in Baumbach/Hopt, § 132 HGB Rz. 1, 12.
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7.141
§7
Rechnungslegung und Publizität
des Gesellschafters auf Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung aus wichtigem Grund (§§ 161 Abs. 2, 133 Abs. 1 HGB) – ein außerordentliches Kündigungsrecht zu (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB).1 Die Gesellschafter haben im Fall der Kündigung einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben, so dass eine Abfindungsverpflichtung der Personengesellschaft besteht, für die grundsätzlich der Verkehrswert maßgebend ist (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 Abs. 1 BGB). Die gesetzlichen Regelungen haben zur Konsequenz, dass die Kapitalanteile der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG nach den internationalen Rechnungslegungsstandards und Vorschriften (IAS/IFRS) im Gegensatz zum HGB als Fremdkapital zu qualifizieren sind.2 7.142
Die vorstehenden Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Eigenkapital (Eigenkapital-Instrument) und Fremdkapital (finanzielle Verpflichtung) nach den internationalen Rechnungslegungsstandards und Vorschriften (IAS/IFRS) gelten jedoch nicht für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2009 beginnen, wenn die Ausnahmeregelungen nach IAS 32.16A–D erfüllt sind.3 Ein kündbares Finanzinstrument ist danach als Eigenkapital-Instrument zu qualifizieren, wenn die folgenden in IAS 32.16A geregelten Voraussetzungen erfüllt sind:4 – das Finanzinstrument vermittelt dem Inhaber, d.h. dem Gesellschafter, im Fall der Liquidation des Unternehmens einen proportionalen – seiner Beteiligungsquote entsprechenden – Anteil am Nettovermögen der Gesellschaft (IAS 32.16A(a)); – die mit dem Finanzinstrument verbundenen Ansprüche des Inhabers (Gesellschafters) sind nachrangig gegenüber allen anderen Forderungen gegen das Unternehmen (IAS 32.16A(b)); – die mit dem Nachrang verbundenen Finanzinstrumente müssen für sämtliche Inhaber (Gesellschafter) die gleichen (identischen) finanziellen Ausstattungsmerkmale aufweisen; das gilt insbesondere für die Beteiligungen am Periodenergebnis (Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag) und am Liquidationserlös oder für die Abfindung (IAS 32.16A(c)); – das Finanzinstrument darf nicht mit einer weiteren (zusätzlichen) Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Inhaber (Gesellschafter) verbunden sein (IAS 32.16A(d)); – die für das Finanzinstrument während seiner Laufzeit erwarteten Zahlungsströme (Cash flow) müssen im Wesentlichen auf Gewinnen oder Verlusten, Veränderungen der Nettovermögenswerte oder des Unternehmenswerts während des maßgebenden Zeitraums beruhen (IAS 32.16A(e)).
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 133 HGB Rz. 1, 18 f. m.w.N. 2 Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 165.; Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 139 f., 151 ff.; jeweils m.w.N.; dort auch zu den weitreichenden Konsequenzen. 3 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 157 ff.; Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 165 ff. 4 Vgl. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 162; Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 165 ff.
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Konzernabschluss
Bei einer Personengesellschaft und damit einer GmbH & Co. KG die dem gesetzlichen Normalstatut entspricht, sind die ersten drei Voraussetzungen erfüllt (IAS 32.16A(a)–(c)). Das gilt bei einer GmbH & Co. KG sowohl für die Komplementär-GmbH – unabhängig von ihrer Beteiligung am Gesellschaftskapital – als auch für die Kommanditisten.1 Problematisch ist die Erfüllung der vierten Voraussetzung (IAS 32.16A(d)) aufgrund des Entnahmerechts des Komplementärs (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 122 Abs. 1 HGB) und der Kommanditisten (§§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 Satz 2 HGB).2 Das gleiche Problem stellt sich bei gesellschaftsvertraglichen Entnahmerechten, insbesondere aufgrund des vielfach bestehenden Entnahmerechts für die persönlichen Steuern des Gesellschafters.3
7.143
Nach einer in der Literatur – mit Differenzierungen – vertretenen Ansicht führen die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Entnahmerechte dazu, dass die Kapitalanteile der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft nicht als Eigenkapital anzusehen sind.4 Die gesetzlichen Entnahmerechte stehen der Qualifikation der Kapitalanteile der Gesellschafter als Eigenkapital jedoch nicht entgegen, weil der individuelle Zahlungsanspruch des Gesellschafters die Feststellung des Jahresabschlusses voraussetzt und somit unter dem Vorbehalt der Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung steht.5 Das Gleiche gilt danach, soweit den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag ein Entnahmerecht – insbesondere in Bezug auf die auf sie entfallenden persönlichen Steuern – zusteht.6 Mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses entstehen der Gewinnanspruch und das individuelle Entnahmerecht des Gesellschafters, sofern sie nicht nach dem Gesetz (§§ 161 Abs. 2, 122 Abs. 1 und 2 HGB; §§ 167 Abs. 2; 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB) oder Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder eingeschränkt sind oder ggf. Rücklagen zu bilden sind (s. unter Rz. 7.183 f.).7 Der daraus resultierende Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung seines anteiligen Jahresüberschusses führt insoweit zu Fremdkapital. Die Qualifikation der Kapitalanteile der Gesellschafter als Eigenkapital wird dadurch jedoch nicht berührt.8 Die vierte Voraussetzung der zuvor erläuterten Ausnahmeregelungen für die Einstufung der Kapitalanteile der Gesellschafter als Eigenkapital
7.144
1 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 169 f. m.w.N. (erste Voraussetzung), Rz. 171 m. w. N (zweite Voraussetzung), Rz. 172 ff. m.w.N. (dritte Voraussetzung), jeweils mit Aussagen zur Komplementär-GmbH; RIC 3 DRSC Nr. 9 f. (erste Voraussetzung); RIC 3 DRSC Nr. 11 (zweite Voraussetzung); RIC 3 DRSC Nr. 15 f. (dritte Voraussetzung), jeweils mit Aussagen zur Komplementär-GmbH. 2 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 177 ff.; Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 166. 3 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 182; Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 166. 4 Lüdenbach/Freiberg, BB 2008, 2787 (2788); Kleindiek, ZHR 175 (2011), 247 (265 f.); Schmidt, BB 2008, 434 (436); Rückle, IRZ 2008, 227 (230, 233); krit. auch Förschle/K. Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 247 HGB Rz. 166. 5 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 182; RIC 3 DRSC Nr. 24. 6 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 179 f.; RIC 3 DRSC Nr. 21 ff. 7 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 179 f., 181; RIC 3 DRSC Nr. 22. 8 Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 183; RIC 3 DRSC Nr. 25.
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§7
Rechnungslegung und Publizität
(IAS 32.16A(d)) ist somit unabhängig von dem gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Entnahmerecht erfüllt.1 7.145
Bei der Erfüllung der fünften Voraussetzung (IAS 32.16A(e)) ist danach zu unterscheiden, ob der Gesellschafter der Gesellschaft dauerhaft bis zu einer eventuellen Liquidation angehört oder vorzeitig ausscheidet.2 Im ersten Fall ist diese Voraussetzung erfüllt, weil er am Jahresüberschuss (Gewinn) oder Jahresfehlbetrag (Verlust) und bei der Schlussverteilung am Liquidationsgewinn oder -verlust beteiligt ist.3 Im zweiten Fall ist die Voraussetzung ebenfalls erfüllt, wenn der Gesellschafter Anspruch auf eine Abfindung zum Verkehrswert hat oder dieser bei der Ermittlung der Abfindung zumindest zu berücksichtigen ist;4 diese Voraussetzung ist typischerweise bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln erfüllt.5
7.146
Auch wenn die vorstehenden fünf Voraussetzungen nach IAS 32.16A erfüllt sind, ist ein Eigenkapital-Instrument nicht gegeben, wenn das Unternehmen neben dem kündbaren Finanzinstrument weitere Finanzinstrumente ausgegeben oder Verträge abgeschlossen hat, die die Restrendite der Inhaber (Gesellschafter) der kündbaren Finanzinstrumente beschränken oder ausschließen (IAS 32.16B).6 Es handelt sich um eine Regelung zur Vermeidung von Missbräuchen.7 Sie greift bspw. bei Darlehensgewährungen durch die Gesellschafter ein, wenn die Konditionen unüblich sind und einem Fremdvergleich nicht standhalten.8 Die weitere Regelung, nach der ein Eigenkapital-Instrument nicht gegeben ist (IAS 32.16 C und IAS 32.16 D), hat im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung.9
7.147
Unter den vorstehend aufgeführten Voraussetzungen ist es somit – jedenfalls für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2009 – für Personenhandelsgesellschaften, und damit für eine GmbH & Co. KG möglich, die Kapitalanteile der Gesellschafter im Konzernabschluss nach IAS/IFRS als Eigenkapital auszuweisen.10 Das gilt auch für sonstige Guthaben der Gesellschafter auf Rücklage- oder sonstigen Gesellschafterkonten, sofern die vorstehend erläuterten Voraussetzungen erfüllt sind. Fremdkapital besteht nur, soweit ein individueller gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Auszahlungsanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft besteht.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 179 ff. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 184 ff. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 187. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 188 ff.; RIC 3 DRSC Nr. 29, 37 f. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 190 ff.; RIC 3 DRSC Nr. 29, 37 f. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 162, 193. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 162, 193. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 193, 195; RIC 3 DRSC Nr. 39. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 163 ff. Mentz in MünchKomm. zum BilanzR, 3. Aufl. 2013, IAS 32 Rz. 194.
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§7
Prüfung und Publizität des Jahres- und Konzernabschlusses
E. Prüfung und Publizität des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses der GmbH & Co. KG I. Allgemeines Eine von § 264a Abs. 1 HGB erfasste GmbH & Co. KG hat grundsätzlich nicht nur einen Jahresabschluss und einen Lagebericht nach den Vorschriften für Kapitalgesellschaften aufzustellen und prüfen zu lassen, sondern auch nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Kriterien offenzulegen.1 Dies gilt auch für einen ggf. aufzustellenden Konzernabschluss und Konzernlagebericht. Die Pflichten bestehen gleichermaßen für die Komplementär-GmbH. Daher sind die folgenden Ausführungen gleichermaßen auch für die Prüfung und Publizität des Jahresabschlusses und Lageberichts der Komplementär-GmbH von Bedeutung.
7.148
II. Prüfungspflicht Die GmbH & Co. KG hat ihren Jahresabschluss und Lagebericht durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, sofern es sich nicht um eine kleine GmbH & Co. KG oder ihr gleichgestellte Kleinstgesellschaft handelt (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB).2 Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte sind stets durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 316 Abs. 2 Satz 1 HGB). Als Abschlussprüfer von Jahresabschlüssen und Lageberichten kommen für die große GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Betracht (§ 319 Abs. 1 Satz 1 HGB), für die mittelgroße GmbH & Co. KG neben Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften (§ 319 Abs. 1 Satz 2 HGB). Für Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte gilt unabhängig von der Größe der Gesellschaft, dass lediglich Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Abschlussprüfer sein dürfen (§ 319 Abs. 1 Satz 1 HGB). Für den Fall, dass die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG bis zum Ablauf des Geschäftsjahres keinen Abschlussprüfer gewählt hat, hat das Gericht auf Antrag der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsrats oder eines Gesellschafters einen Abschlussprüfer zu bestellen (§ 318 Abs. 4 Satz 1 HGB). Ohne Prüfung durch einen Abschlussprüfer kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB); er ist analog § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG nichtig.3
7.149
Die Befreiung von der Prüfungspflicht ist vor allem für die Komplementär-GmbH von großer Bedeutung, weil es sich hierbei vielfach um kleine Gesellschaften i.S. des § 267 Abs. 1 HGB oder Kleinstkapitalgesellschaften gem. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB handelt. Sofern keine Prüfungspflicht besteht, ist allerdings eine freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts denkbar.
7.150
1 Vgl. RegE zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806 v. 15.10.1999, S. 17. 2 Zur Einteilung in kleine, mittelgroße und große Gesellschaften s. unter Rz. 7.154 ff. 3 Scheffler, DStR 2000, 529; Farr, GmbHR 2000, 549.
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§7 7.151
Rechnungslegung und Publizität
Nach § 264b HGB wird eine GmbH & Co. KG i.S. des § 264a Abs. 1 HGB von der Pflicht zur Beachtung der für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln befreit, wenn sie – vereinfacht gesagt – in einen Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einbezogen wird (s. unter Rz. 7.40 f.). Das Gleiche gilt, wenn § 264a Abs. 1 HGB – aufgrund der Komplementärstellung einer natürlichen Person – nicht eingreift (s. unter Rz. 7.42 f.). Findet weder § 264a Abs. 1 noch § 264b HGB Anwendung, kann sich eine Prüfungspflicht im Ausnahmefall aus § 6 Abs. 1 PublG ergeben (s. unter Rz. 7.39).
III. Offenlegung 1. Jahresabschluss, Lagebericht a) Allgemeines 7.152
Eine GmbH & Co. KG, die unter § 264a Abs. 1 HGB fällt, ist verpflichtet, bestimmte Unterlagen der Rechnungslegung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 und 3 Halbs. 2 HGB offenzulegen. Die Bedenken des LG Essen und LG Hagen gegen die diesbezügliche Europarechtskonformität des § 264a HGB wurden vom EuGH1 nicht geteilt. Vielmehr hat der EuGH bestätigt, dass weder die Berufsfreiheit noch die Pressefreiheit und das Gleichheitsgebot dadurch verletzt werden, dass eine GmbH & Co. KG, bei der alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Rechtsform einer GmbH haben, ihre Jahresabschlüsse nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln offenlegen müssen.2
7.153
Grundsätzlich hat eine GmbH & Co. KG alle in § 325 Abs. 1 HGB genannten Unterlagen beim Betreiber des Bundesanzeigers elektronisch einzureichen.3 Ob insoweit Erleichterungen bestehen, hängt von der Einteilung der GmbH & Co. KG in eine der folgenden drei Größenklassen ab: kleine, mittelgroße oder große Gesellschaft (§ 267 i.V.m. § 264a Abs. 1 HGB). Aufgrund des MicroBilG4 kommt ab dem Geschäftsjahr 2012 noch die Größenklasse der Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) und damit im Zusammenhang mit der GmbH & Co. KG der Kleinstgesellschaft hinzu (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB). Die für kleine Gesellschaften geltenden besonderen Regelungen gelten für Kleinstgesellschaften entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist (§ 267a Abs. 2 HGB). Unabhängig davon besteht eine Befreiung von der Pflicht zur Offenlegung unter den Voraussetzungen des § 264b HGB (s. unter Rz. 7.40 f.). Findet weder § 264a Abs. 1 noch § 264b HGB Anwendung (s. unter Rz. 7.40 f., 7.42 f.), kann sich eine Offenlegungspflicht im Ausnahmefall aus § 9 Abs. 1 PublG ergeben (s. unter Rz. 7.39). 1 EuGH v. 23.9.2004 – Rs. C-435/02, DB 2004, 2413. 2 EuGH v. 23.9.2004 – Rs. C-435/02, DB 2004, 2413. 3 Zu Strategien zur Vermeidung oder Verminderung der Offenlegungsverpflichtungen bei Personenhandelsgesellschaften Naujok, GmbHR 2003, 263; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 15 Rz. 42 ff.; Waßmer, GmbHR 2002, 412; Carlé, KÖSDI 2000, 12569; Bitter/Grashoff, DB 2000, 833; s. auch unter Rz. 7.42 f. 4 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751.
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§7
Prüfung und Publizität des Jahres- und Konzernabschlusses
b) Einteilung in Größenklassen Große Gesellschaften sind ohne Einschränkung zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses und Lageberichts sowie des Bestätigungsvermerkes verpflichtet. Für kleine und mittelgroße Gesellschaften und darüber hinaus Kleinstgesellschaften bestehen dagegen bestimmte größenabhängige Erleichterungen (s. unter Rz. 7.164 ff.). Handelt es sich bei der GmbH & Co. KG oder der KomplementärGmbH um eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft i.S. des § 264d HGB, gilt sie stets als große GmbH & Co. KG oder Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).
7.154
Die Größenklassen richten sich für eine GmbH & Co. KG i.S.v. § 264a Abs. 1 HGB nach den Schwellenwerten für Kapitalgesellschaften gem. §§ 267, 267a HGB. Kleine bzw. mittelgroße GmbH & Co. KG sind solche, die mindestens zwei der drei nachfolgend genannten – durch das BilMoG um 20 % bei der Bilanzsumme und den Umsatzerlösen erhöhten – Größenmerkmale an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht überschreiten; große sind solche, die mindestens zwei der für die mittelgroße GmbH & Co. KG geltenden Schwellenwerte überschreiten:
7.155
Kleine Gesellschaft
Mittelgroße Gesellschaft
Bilanzsumme
4 840 000 Euro
19 250 000 Euro
Umsatzerlöse
9 680 000 Euro
38 500 000 Euro
50
250
Arbeitnehmerzahl (Jahresdurchschnitt)
Nach dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.7.20151 werden die Schwellenwerte für die kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaft und damit auch für die GmbH & Co. KG i.S.v. § 264a Abs. 1 HGB um rd. 20 % angehoben (§ 267 Abs. 1 und 2 HGB n.F.), und zwar – für die kleine Gesellschaft auf 6 Mio. Euro bei der Bilanzsumme und auf 12 Mio. Euro bei den Umsatzerlösen und – für die mittelgroße Gesellschaft auf 20 Mio. Euro bei der Bilanzsumme und auf 40 Mio. Euro bei den Umsatzerlösen. Die Regelungen des BilRUG sind erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 beginnen, bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr also erstmals für das Geschäftsjahr 2016 (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Die Regelungen zu den erhöhten Schwellenwerte dürfen jedoch bereits für das nach dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr und damit erstmals für das Geschäftsjahr 2014 angewendet werden (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 EGHGB). Macht die Gesellschaft von der vorgezogenen Anwendung der neuen Regelungen keinen Gebrauch, ist deren Anwendung erstmals für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr zulässig (Art. 75 Abs. 2 Satz 2 EGHGB). Die erstmalige Anwendung der erhöhten Schwellenwerte für das nach dem 31.12.2014 beginnende Geschäftsjahr, also das Geschäftsjahr 2015, ist danach nicht möglich. Aufgrund der erhöhten Schwellenwerte wird in Zukunft für zahlreiche GmbH & Co. KG die Prüfungspflicht für ihren Jahresabschluss und Lagebericht entfallen (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). 1 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245.
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7.156
7.157
§7 7.158
Rechnungslegung und Publizität
Eine GmbH ist eine Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) und eine GmbH & Co. KG eine Kleinstgesellschaft (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB), wenn sie an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei nachstehenden Größenmerkmale nicht überschreitet: – 350 000 Euro Bilanzsumme – 700 000 Euro Umsatzerlöse – im Jahresdurchschnitt 10 Arbeitnehmer.
7.159
Bei der Offenlegung des Jahresabschlusses einer kleinen und mittelgroßen GmbH & Co. KG bestehen neben bestimmten Erleichterungen, die sich aus der Wahlrechtsausübung bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses ergeben (§§ 266 Abs. 1 Satz 3, 274a, 276 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 und 2 HGB; s. unter Rz. 7.6, 7.30 f., 7.111, 7.114, 7.117), weitere Erleichterungen (§§ 326, 327 HGB)). Eine kleine GmbH & Co. KG muss zudem keinen Lagebericht aufstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB). Für eine Kleinstgesellschaft bestehen weitergehende Erleichterungen, die über diejenigen für kleine Gesellschaften hinausgehen, und zwar bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 264 Abs. 1 Satz 5, 266 Abs. 1 Satz 4, 275 Abs. 5, 276 Satz 3 HGB; s. unter Rz. 7.6 f., 7.30 f., 7.111, 7.114, 7.117) und darüber hinaus bei seiner Offenlegung (§ 326 Abs. 2 HGB). In § 325 HGB sind die Grundformen und der Umfang der Offenlegungspflichten umschrieben (s. unter Rz. 7.161 f.), in §§ 326, 327 HGB werden die Erleichterungen für kleine und mittelgroße Gesellschaften geregelt (s. unter Rz. 7.164 ff.).1 c) Technischer Weg
7.160
Die gesetzlichen Vertreter der GmbH & Co. KG haben die maßgebenden Unterlagen beim Betreiber des Bundesanzeigers (Bundesanzeigerverlag GmbH) elektronisch einzureichen (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB) und jeweils unverzüglich nach der Einreichung im Bundesanzeiger bekannt machen zu lassen (§ 325 Abs. 2 HGB). Der Betreiber des Bundesanzeigers übermittelt dem elektronisch geführten Unternehmensregister die zuvor bekannt gemachten Daten (§ 8b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB). Nach der Einstellung der Daten sind die Unterlagen zur Rechnungslegung über dessen Internetseite (www.unternehmensregister.de) zugänglich (§ 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB). Die Einsichtnahme in das Unternehmensregister ist jedermann zu Informationszwecken gestattet (§ 9 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 HGB). Für Kleinstgesellschaften (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB), die von der Erleichterung nach § 326 Abs. 2 HGB Gebrauch machen (s. unter Rz. 7.165), besteht folgende Besonderheit: Die Einsichtnahme in die Bilanz ist nur dergestalt möglich, dass das Unternehmensregister auf Antrag eine Kopie übermittelt (§ 9 Abs. 6 Satz 3 HGB). d) Einzureichende Unterlagen
7.161
Nach § 325 Abs. 1 HGB sind folgende Unterlagen offenzulegen: – Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang); – Lagebericht; 1 Vgl. Grottel in Beck’scher BilanzKomm., § 325 HGB Rz. 1.
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§7
Prüfung und Publizität des Jahres- und Konzernabschlusses
– bei prüfungspflichtigen mittelgroßen und großen GmbH & Co. KG i.S. des § 264a Abs. 1 HGB der uneingeschränkte bzw. eingeschränkte Bestätigungsvermerk (ggf. mit Zusätzen nach § 322 Abs. 2 HGB) bzw. der Vermerk des Abschlussprüfers über die Versagung des Bestätigungsvermerkes; – Bericht des Aufsichtsrats (soweit ein Aufsichtsrat besteht); – Ergebnisverwendungsvorschlag der gesetzlichen Vertreter bzw. der Ergebnisverwendungsbeschluss unter Angabe des Jahresüberschusses bzw. Jahresfehlbetrages, soweit sich diese nicht aus dem Jahresabschluss ergeben; – ggf. Änderungen des Jahresabschlusses bei gleichzeitiger Änderung des Bestätigungsvermerkes oder des Versagungsvermerkes aufgrund einer Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB. Die gesetzlichen Vertreter brauchen Angaben über die Ergebnisverwendung nicht zu machen, wenn sich anhand dieser Angaben die Gewinnanteile von natürlichen Personen feststellen lassen (§ 325 Abs. 1 Satz 4 HGB). Das ist bei einer GmbH & Co. KG vielfach der Fall, und zwar auch bei der Komplementär-GmbH. Abgesehen davon ergibt sich die Ergebnisverwendung (Ergebnisverteilung) bei einer GmbH & Co. KG sehr häufig aus dem Jahresabschluss, weil der Gesellschaftsvertrag die Ergebnisverwendung regelt und der Jahresabschluss unter Berücksichtigung der Ergebnisverwendung aufgestellt wird. Ist der Jahresabschluss festgestellt worden, ist das Datum der Feststellung anzugeben (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HGB).
7.162
Bei der Bekanntmachung nach § 325 Abs. 2 HGB kann nach § 325 Abs. 2a Satz 1 HGB an die Stelle des Jahresabschlusses ein Einzelabschluss treten, der nach den in § 315a Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS) aufgestellt ist (s. unter Rz. 7.136, 7.140). Macht ein Unternehmen davon Gebrauch, hat es die IAS/IFRS vollständig zu befolgen (§ 325 Abs. 2a Satz 2 HGB). Die Einzelheiten für die befreiende Wirkung der Offenlegung nach § 325 Abs. 2a HGB ergeben sich aus § 325 Abs. 2b HGB. Für die handelsrechtliche Ergebnisverteilung und für steuerliche Zwecke (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) bleibt jedoch der nach HGB aufgestellte Jahresabschluss maßgeblich, der ggf. für steuerliche Zwecke zu korrigieren ist.
7.163
e) Erleichterungen Die gesetzlichen Vertreter einer kleinen GmbH & Co. KG brauchen nur die Bilanz und den Anhang, nicht dagegen die Gewinn- und Verlustrechnung einzureichen (§ 326 Abs. 1 Satz 1 HGB). Darüber hinaus braucht der Anhang die die Gewinnund Verlustrechnung betreffenden Angaben nicht zu enthalten (§ 326 Abs. 1 Satz 2 HGB). Soweit freiwillig oder aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen eine Prüfung stattgefunden hat, ist zwar ein Bestätigungsvermerk erforderlich;1 auf die Veröffentlichung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerkes des Abschlussprüfers kann jedoch – im Gegensatz zu einem eingeschränkten oder einem versagten – verzichtet werden.2 Das Gleiche gilt für den Bericht des Aufsichtsrats. Wurden bei der Aufstellung des Anhangs freiwillige Zusatzangaben aufgenommen, 1 Schmidt/Küster in Beck’scher BilanzKomm., § 322 HGB Rz. 80. 2 Vgl. Grottel in Beck’scher BilanzKomm., § 328 HGB Rz. 13 m.w.N.
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7.164
§7
Rechnungslegung und Publizität
so dürfen diese bei der Offenlegung nur insoweit weggelassen werden, als es sich um Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung, Angaben zur Ergebnisverwendung oder um Erläuterungen zu solchen Angaben handelt.1 7.165
Bei einer Kleinstgesellschaft (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) besteht ab dem Geschäftsjahr 2012 folgende weitere Erleichterung: Sie kann ihre Offenlegungspflichten nach § 325 HGB auch dadurch erfüllen, dass sie die Bilanz in elektronischer Form zur dauerhaften Hinterlegung beim Betreiber des Bundesanzeigers einreicht und einen Hinterlegungsauftrag erteilt (§ 326 Abs. 2 Satz 1 HGB). Diese Erleichterung hat große Bedeutung für die Komplementär-GmbH, weil es sich bei ihr vielfach um eine Kleinstkapitalgesellschaft handelt.
7.166
Die mittelgroße GmbH & Co. KG kann die Bilanz in der für eine kleine GmbH & Co. KG nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB vorgeschriebenen Form einreichen (§ 327 Nr. 1 HGB). In diesem Fall sind in der Bilanz oder im Anhang jedoch bestimmte in § 327 Nr. 1 HGB genannte Posten zusätzlich gesondert anzugeben.
7.167
Außerdem darf eine mittelgroße GmbH & Co. KG nach § 327 Nr. 2 HGB ihren Anhang ohne die folgenden Angaben nach § 285 Nr. 2 und 8 Buchst. a) sowie Nr. 12 HGB offenlegen: – Die Aufgliederung (nach dem Gliederungsschema des § 266 Abs. 3 HGB) der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren sowie des Gesamtbetrages der Verbindlichkeiten, die durch Pfandrechte oder ähnliche Rechte gesichert sind (§ 285 Nr. 2 HGB); – bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens den nach § 275 Abs. 3 HGB gegliederten Materialaufwand des Geschäftsjahres (§ 285 Nr. 8 Buchst. a) HGB); – Rückstellungen mit einem nicht unerheblichen Umfang, die unter den sonstigen Rückstellungen nicht gesondert ausgewiesen wurden (§ 285 Nr. 12 HGB).
7.168
Hat die GmbH & Co. KG – sofern sie klein oder mittelgroß ist oder es sich um eine Kleinstgesellschaft handelt – bei der Aufstellung des Jahresabschlusses auf bestimmte Aufstellungserleichterungen verzichtet, so kann sie nach h.M. davon ausschließlich für Zwecke der Offenlegung gleichwohl Gebrauch machen.2 Eine erneute Feststellung des Jahresabschlusses ist nicht erforderlich, da es sich nicht um eine Änderung des Jahresabschlusses handelt.3 Unabhängig davon lässt sich eine Einschränkung der Offenlegungspflichten u.U. durch bilanzpolitische Maßnahmen mit dem Ziel der Verringerung der Bilanzsumme oder der zeitlichen Verschiebung der Realisierung der Umsatzerlöse erreichen.
7.169
Die Unterlagen sind vollständig und richtig offenzulegen (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 3 Halbs. 1 HGB). Ist der jeweilige Abschluss festgestellt, so ist das Datum der Feststellung anzugeben (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HGB). Der Betreiber des Bundesanzeigers prüft, ob die vollständig oder teilweise einzureichenden Unterlagen vollzählig sind (§ 329 Abs. 1 HGB). Gibt seine Prüfung Anlass zu der Annahme, dass 1 Farr, GmbHR 2000, 607. 2 Farr, GmbHR 2000, 608; Grottel in Beck’scher BilanzKomm., § 326 HGB Rz. 15; Adler/Düring/Schmaltz, § 326 HGB Rz. 21; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 42a GmbHG Rz. 11, 15. 3 Farr, GmbHR 2000, 608.
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§7
Prüfung und Publizität des Jahres- und Konzernabschlusses
bestimmte Erleichterungen nicht hätten in Anspruch genommen werden dürfen, so kann er zu seiner Unterrichtung von der Gesellschaft innerhalb einer angemessenen Frist die Mitteilung der Umsatzerlöse (§ 277 Abs. 1 HGB) und der durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl (§ 267 Abs. 5 HGB) verlangen (§ 329 Abs. 2 Satz 1 HGB). Unterlässt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, so gelten die Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen (§ 329 Abs. 2 Satz 2 HGB). Die GmbH & Co. KG hat in diesem Fall die fehlenden Unterlagen nachzureichen oder die Bekanntmachung nachzuholen.1 Wird der Jahresabschluss wegen der Inanspruchnahme von Erleichterungen (s. unter Rz. 7.164 ff.) nur teilweise offengelegt und bezieht sich der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers auf den vollständigen Jahresabschluss, so ist hierauf von den gesetzlichen Vertretern hinzuweisen (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Halbs. 2 HGB).
7.170
2. Konzernabschluss und Konzernlagebericht Die Offenlegungspflichten des Mutterunternehmens orientieren sich an den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften. Nach § 325 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 HGB sind der Konzernabschluss mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung, der Konzernlagebericht sowie der Bericht des Aufsichtsrats zum Bundesanzeiger elektronisch einzureichen und bekannt machen zu lassen. Hat das Mutterunternehmen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS) aufzustellen (§ 315a Abs. 1 und 2 HGB) oder wendet es diese freiwillig an (§ 315a Abs. 3 HGB), ist dieser Konzernabschluss und Konzernlagebericht offenzulegen. Die vorstehend erläuterten Regelungen der §§ 328, 329 HGB gelten gleichermaßen für den Konzernabschluss und Konzernlagebericht.
7.171
3. Offenlegungsfristen Die gesetzlichen Vertreter der GmbH & Co. KG i.S.v. § 264a Abs. 1 HGB haben den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach ihrer Vorlage an die Gesellschafter, jedoch spätestens vor Ablauf des zwölften Monats des dem Abschlussstichtag nachfolgenden Geschäftsjahres beim Betreiber des Bundesanzeigers elektronisch einzureichen (§ 325 Abs. 1 Satz 2 HGB). Für den Konzernabschluss und Konzernlagebericht gilt dies ebenfalls (§ 325 Abs. 3 HGB). Diese Offenlegungsfristen gelten unabhängig davon, ob es sich um eine kleine, mittelgroße oder große Gesellschaft i.S.v. § 267 HGB handelt. Das gilt gleichermaßen für eine Kleinstgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB).
7.172
Zur Fristwahrung genügt die Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts bzw. des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts, sofern die anderen einzureichenden Unterlagen nachgereicht werden (§ 325 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 HGB).
7.173
1 Grottel in Beck’scher BilanzKomm., § 329 HGB Rz. 10 m.w.N.
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§7
Rechnungslegung und Publizität
4. Sanktionen 7.174
Nach §§ 335 Abs. 1 Satz 1, 335b HGB ist gegen das vertretungsberechtigte Organ einer Kapitalgesellschaft oder einer unter § 264a Abs. 1 HGB fallenden Personengesellschaft (Geschäftsführung/Vorstand), das seine Offenlegungsverpflichtungen nach § 325 HGB nicht befolgt, ein Ordnungsgeld festzusetzen (s. unter Rz. 7.121). Denkbar ist auch ein Ordnungsgeldverfahren gegen die Gesellschaft selbst (§ 335 Abs. 1 Satz 2 HGB). Ergibt die Prüfung des Betreibers des Bundesanzeigers, dass die offenzulegenden Unterlagen nicht oder unvollständig eingereicht wurden, unterrichtet er nach § 329 Abs. 4 HGB die für die Durchführung der entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren zuständige Verwaltungsbehörde (Bundesamt für Justiz; bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten: BaFin). Die jeweilige Verwaltungsbehörde leitet sodann von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren ein. Nach § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB droht sie ein der Höhe nach beziffertes Ordnungsgeld an. Gleichzeitig fordert sie die Beteiligten auf, innerhalb einer Frist von sechs Wochen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Mit der Androhung sind den Beteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 335 Abs. 3 Satz 2 HGB). Androhung und Festsetzung des Ordnungsgeldes sind wiederholt möglich (§ 335 Abs. 3 Satz 4 HGB). Das Ordnungsgeld beträgt mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro je Verfügung (§ 335 Abs. 1 Satz 4 HGB). Unter den Voraussetzungen des § 335 Abs. 4 Satz 2 HGB reduziert sich das Ordnungsgeld.
7.175
Der Festsetzung eines Ordnungsgeldes steht nicht entgegen, dass der entsprechende offenzulegende Jahresabschluss und Lagebericht bzw. Konzernabschluss und Konzernlagebericht trotz gesetzlicher Pflicht zur Aufstellung und ggf. Prüfung noch nicht aufgestellt oder geprüft wurde (§ 335 Abs. 1 Satz 3 HGB).
F. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses I. Jahresabschluss der Komplementär-GmbH 7.176
Der von den Geschäftsführern aufgestellte Jahresabschluss der KomplementärGmbH bedarf der Feststellung durch das zuständige Organ. Das ist die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 1 GmbHG), sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes regelt, bspw. die Zuständigkeit einem freiwillig gebildeten Aufsichtsrat oder Beirat überträgt. Durch die Feststellung des Jahresabschlusses wird dieser rechtlich verbindlich. Der festgestellte Jahresabschluss bildet die notwendige Grundlage für den Beschluss des zuständigen Organs über die Ergebnisverwendung, d.h. die Verwendung des Jahresergebnisses oder Bilanzgewinns (§ 46 Nr. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG). Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluss und Lagebericht – sofern ein Lagebericht nicht entbehrlich ist (§ 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB) – unverzüglich nach der Aufstellung und ggf. Prüfung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung vorzulegen (§ 42a Abs. 1 Satz 1 798
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§7
Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses
GmbHG). Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf des achten Monats oder, wenn es sich um eine kleine GmbH (§ 267 Abs. 1 HGB) oder eine Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) handelt, bis zum Ablauf der ersten elf Monate des folgenden Geschäftsjahres über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung zu beschließen (§ 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Die Überschreitung der Frist führt nicht zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses. Das für die Feststellung des Jahresabschlusses zuständige Organ hat bei der Feststellung die gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften zu beachten (§ 42a Abs. 2 Satz 3 GmbHG).
II. Jahresabschluss der GmbH & Co. KG Auch wenn es – anders als im GmbH-Recht – an einer gesetzlichen Regelung fehlt, bedarf der Jahresabschluss einer Personengesellschaft und damit auch einer GmbH & Co. KG ebenfalls der Feststellung.1 Durch Feststellung wird der Jahresabschluss – wie bei der Komplementär-GmbH – rechtlich verbindlich. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme der Geschäftsführung, sondern um ein Grundlagengeschäft, über das die Gesellschafter zu entscheiden haben; das gilt allerdings nicht in dem Sinne, dass die Feststellung des Jahresabschlusses die Grundlagen der Gesellschaft – wie bspw. die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder Maßnahmen nach dem UmwG – berührt.2 Seine grundlegende gesellschaftsrechtliche Bedeutung ergibt sich daraus, dass er die Grundlage für die handelsrechtliche Ergebnisverwendung bildet. Mit der Feststellung des Jahresabschlusses ist gleichzeitig die Ergebnisverwendung (§§ 264a Abs. 1, 268 Abs. 1 Satz 1 HGB) verbunden, weil der anteilige Jahresüberschuss (Gewinn) oder Jahresfehlbetrag (Verlust) den Gesellschaftern nach der gesetzlichen Regelung (§§ 120 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 2, 167 Abs. 1 und 2 HGB) bereits im Jahresabschluss des laufenden Geschäftsjahres – durch Gutschrift auf ihrem Kapitalkonto oder Belastung ihres Kapitalkontos – zugeordnet wird. Der anteilige Jahresüberschuss steht den Gesellschaftern bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres zu,3 auch wenn er zu diesem Zeitpunkt der Höhe nach noch nicht feststeht; das Gleiche gilt umgekehrt für die Belastung des anteiligen Jahresfehlbetrages (s. unter Rz. 7.64, 7.72, 7.77). Die gesetzliche Regelung entspricht in der Praxis vielfach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Denkbar ist auch, dass bereits bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses Rücklagen gebildet werden, sofern der Gesellschaftsvertrag das zulässt, ohne dass insoweit ein gesonderter Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Mit der Feststellung des Jahresabschlusses ist insoweit gleichzeitig eine Entscheidung über die Ergebnisverwendung verbunden (§§ 264a Abs. 1, 268 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eines gesonderten Beschlusses über die Ergebnisverwendung bedarf es in diesen Fällen folglich nicht (s. unter Rz. 7.64, 7.72, 7.77). Außerdem ist mit der Feststellung des Jahresabschlusses die Entscheidung über die Ausübung etwaiger handelsrechtlicher Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte, die eine erhebliche Auswirkung 1 Allg.M., vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 3 m.w.N. 2 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, BGHZ 170, 283 = GmbHR 2007, 437 (439); Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 3 f. m.w.N. 3 Priester in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 120 HGB Rz. 80.
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§7
Rechnungslegung und Publizität
auf die Höhe des Jahresüberschusses (oder Jahresfehlbetrags) haben können, verbunden. Zuständiges Organ ist – wie bei der Komplementär-GmbH – die Gesellschafterversammlung, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes regelt. 7.178
Die Gesellschafterversammlung entscheidet grundsätzlich einstimmig (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB). Eine davon abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag – die Beschlussfassung mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit – ist jedoch zulässig (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 2 HGB). Eine allgemein für die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG geltende Mehrheitsregelung reicht aus.1 Die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschluss muss nicht gesondert im Gesellschaftsvertrag aufgeführt werden.2 Eine ausdrückliche Regelung ist allerdings sinnvoll und entspricht auch der gesellschaftsvertraglichen Praxis. Der Gesellschaftsvertrag sollte darüber hinaus auch – in Anlehnung an § 42a Abs. 1 und 2 GmbHG – die Einzelheiten und das Prozedere für die Vorlage des Jahresabschlusses und Lageberichts – sofern ein solcher nicht entbehrlich ist (§§ 264a Abs. 1, 264 Abs. 1 Satz 4 HGB) – an die Gesellschafter, ggf. seine Prüfung und die Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung regeln. Die Komplementär-GmbH, die nicht am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist und über kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung verfügt, muss dem Jahresabschluss nicht notwendigerweise aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung zustimmen.
7.179
Werden mit der Feststellung des Jahresabschlusses Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte ausgeübt, die den Jahresüberschuss der GmbH & Co. KG in erheblichem Umfang verringern, stellt sich die Frage, ob dadurch der Gewinnanspruch der Gesellschafter beeinträchtigt wird; das gilt insbesondere für Minderheitsgesellschafter und die nicht an der Geschäftsführung der GmbH & Co. KG beteiligten Kommanditisten (§ 164 Satz 1 Halbs. 1 HGB). Je nach dem Umfang der Maßnahmen ist eine sachliche Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft erforderlich; es bedarf darüber hinaus – als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht – einer Abwägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Stärkung ihres Eigenkapitals und ihrer Finanzkraft (Thesaurierungsinteresse) einerseits und dem Interesse der Gesellschafter an einer Entnahme (Ausschüttungsinteresse) andererseits.3 Die vorstehenden Überlegungen gelten gleichermaßen, wenn bereits im Jahresabschluss Rücklagen gebildet werden, sofern der Gesellschaftsvertrag das zulässt. In diesem Fall ist mit der Feststellung des Jahresabschlusses insoweit gleichzeitig eine Entscheidung über die Ergebnisverwendung verbunden (§§ 264a Abs. 1, 268 Abs. 1 Satz 1 HGB). Zumindest muss jeweils die Entnahme in Höhe der – ggf. pauschaliert ermittelten – Steuern (Einkommen- oder Körperschaftsteuer) gewährleistet sein, die auf den Gewinnanteil (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG) des
1 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, BGHZ 170, 283 = GmbHR 2007, 437 (438); Grunewald MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012; § 167 HGB Rz. 11 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 4. 2 BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05 „Otto“, BGHZ 170, 283 = GmbHR 2007, 437 (438); Grunewald MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 11 m.w.N.; Roth in Baumbach/Hopt, § 164 HGB Rz. 4. 3 Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 5 f. m.w.N.; Priester in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 120 HGB Rz. 81 f.
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Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses
einzelnen Gesellschafters entfallen.1 Das gilt umso mehr, als die Steuerbelastung beim Gesellschafter (Mitunternehmer) unabhängig von dem Gewinneinbehalt oder der Entnahme eintritt.
III. Einzelabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards Die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH hat darüber hinaus auch die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a HGB) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses zu treffen (§ 46 Nr. 1a GmbHG), wenn diese nicht den Jahresabschluss nach HGB offenlegen möchte (s. unter Rz. 7.163). Das Gleiche gilt für die Entscheidung der Gesellschafterversammlung einer GmbH & Co. KG über die Offenlegung und Billigung eines derartigen Einzelabschlusses (§§ 264a Abs. 1, 325 Abs. 2a HGB).
7.180
IV. Konzernabschluss 1. Komplementär-GmbH Ist die Komplementär-GmbH zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts verpflichtet (s. unter Rz. 7.127 ff.), gelten § 42a Abs. 1 bis 3 GmbHG entsprechend (§ 42a Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Die Gesellschafterversammlung oder ein nach dem Gesellschaftsvertrag anderes zuständiges Organ hat den Konzernabschluss zu billigen (§§ 42a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, 46 Nr. 1b GmbHG). Je nach der Regelung im Gesellschaftsvertrag genügt ein Beschluss mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit. Der Konzernabschluss ist ein Informationsinstrument für die Gesellschafter, Gläubiger, Arbeitnehmer und potenzielle Investoren. An ihn knüpfen sich weder handels- und gesellschaftsrechtliche noch steuerrechtliche Konsequenzen (s. unter Rz. 7.123 ff.).
7.181
2. GmbH & Co. KG Sofern die GmbH & Co. KG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts verpflichtet ist (s. unter Rz. 7.137 ff.), ergibt sich Folgendes: Anders als im GmbH-Recht fehlt es an einer gesetzlichen Regelung. Es ist sachgerecht, § 42a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GmbHG entsprechend anzuwenden und auch den Konzernabschluss einer GmbH & Co. KG der Billigung durch die Gesellschafterversammlung oder ein an ihrer Stelle zuständiges Organ zu unterwerfen. Insofern gelten die Ausführungen zur Billigung des Konzernabschlusses der Komplementär-GmbH entsprechend (s. unter Rz. 7.181).
1 Vgl. Priester in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 122 HGB Rz. 58 ff. m.w.N.
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Rechnungslegung und Publizität
G. Gewinnanspruch und Entnahmerecht I. Entstehung 7.183
Nach der gesetzlichen Regelung ist der anteilige Jahresüberschuss (Gewinn) dem Kapitalanteil (Kapitalkonto) des Gesellschafters zuzuschreiben und der anteilige Jahresfehlbetrag (Verlust) von ihm abzuschreiben (§§ 120 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 2, 167 Abs. 1 HGB); für den Kommanditisten ist darüber hinaus § 167 Abs. 2 HGB zu beachten. Der anteilige Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag wird also nach der gesetzlichen Regelung bereits im Jahresabschluss des laufenden Geschäftsjahres den Gesellschaftern zugeordnet. Der anteilige Jahresüberschuss steht den Gesellschaftern bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres zu, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt der Höhe nach noch nicht feststeht. Der Jahresabschluss wird mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über seine Feststellung rechtlich verbindlich (s. unter Rz. 7.177). Zu diesem Zeitpunkt steht auch der anteilig auf den einzelnen Gesellschafter entfallende Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag der Höhe nach fest. Mit dem Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses entsteht nach der gesetzlichen Regelung gleichzeitig der Gewinnanspruch des Gesellschafters und sein Entnahmerecht (§§ 122 Abs. 1, 161 Abs. 2, 169 Abs. 1 Satz 1 und 2 Halbs. 1 HGB).1 In der Praxis entspricht die gesetzliche Regelung vielfach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Mit der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses ist also gleichzeitig die Ergebnisverwendung verbunden (§§ 264a Abs. 1, 268 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ein gesonderter Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung (Ergebnisverwendung) ist folglich nicht erforderlich. Ein derartiger gesonderter Beschluss ist – wie in anderem Zusammenhang bereits erläutert (s. unter Rz. 7.64, 7.72, 7.77) – nur notwendig, wenn der Gesellschaftsvertrag das ausdrücklich vorsieht oder gesellschaftsvertragliche Entnahmebeschränkungen bestehen.
7.184
Für den Gesellschafter stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt er seinen Gewinnanspruch aktivieren muss oder darf, wenn er Kaufmann ist und alle die gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften (§§ 238 ff. HGB) zu beachten hat. Für die Bilanzierung (Aktivierung) des Gewinnanspruchs ist grundsätzlich ein Rechtsanspruch erforderlich; das entspricht dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB). Danach ist ein Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses erforderlich mit der Folge, dass der Gesellschafter seinen Gewinnanspruch erst im folgenden Geschäftsjahr aktivieren dürfte. Auf der Grundlage der zuvor erläuterten gesetzlichen Regelungen und den damit in der Praxis vielfach übereinstimmenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Zuordnung des anteiligen Jahresüberschusses (Gewinns) oder Jahresfehlbetrags (Verlusts) zu den Gesellschaftern, genügt eine hinreichende Konkretisierung des Gewinnanspruchs des Gesellschafters, um dem Realisationsprinzip zu entsprechen.2 Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist die hinreichende Konkretisierung des Gewinnanspruchs jedenfalls gegeben, wenn der Jahresabschluss der Personengesellschaft im Zeitpunkt der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses beim Gesell1 Vgl. Roth in Baumbach/Hopt, § 121 HGB Rz. 3. 2 IDW RS HFA 18 Ziff. 4. (12).
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Gewinnanspruch und Entnahmerecht
schafter aufgestellt, ggf. geprüft und festgestellt ist.1 Der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses liegt zwar zeitlich nach dem Bilanzstichtag und hat zudem konstitutive Bedeutung; es handelt sich um eine wertbegründende Tatsache. Er spiegelt aber insoweit – korrespondierend zur Zuordnung des anteiligen Jahresüberschusses oder Jahresfehlbetrags zu den Gesellschaftern durch Gutschrift auf ihrem Kapitalkonto oder Belastung ihres Kapitalkontos – die Verhältnisse zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres wider. Unter den genannten Voraussetzungen ist eine Bilanzierung (Aktivierung) des Gewinnanspruchs beim Gesellschafter zumindest zulässig,2 wenn auch nicht zwingend. Der Gesellschafter darf also seinen Gewinnanspruch bereits zum Ende des laufenden Geschäftsjahres aktivieren. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass bei Personengesellschaften nach der gesetzlichen Regelung und der damit vielfach übereinstimmenden gesellschaftsvertraglichen Praxis – anders als bei Kapitalgesellschaften – kein gesonderter Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Ergebnisverwendung und insbesondere nicht über die Entnahme erforderlich ist. Dadurch ist eine phasengleiche Erfassung des Gewinnanteils und damit eine parallele bilanzielle Behandlung bei der Personengesellschaft einerseits und dem Gesellschafter andererseits gewährleistet. Das entspricht auch der steuerlichen Rechtslage, nach der der Anteil des Gesellschafters (Mitunternehmers) am steuerlichen Gewinn oder Verlust der Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG diesem mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahres zugerechnet wird (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Eine Bilanzierung (Aktivierung) beim Gesellschafter scheidet aus, soweit der Jahresüberschuss bei der Personengesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag in eine Rücklage einzustellen ist.3 Das Gleiche gilt, wenn bei der Personengesellschaft ein gesonderter Beschluss über die Gewinnverwendung (Ergebnisverwendung) und ggf. Entnahme erforderlich ist oder gesellschaftsvertragliche oder gesetzliche Entnahmebeschränkungen bestehen, bspw. § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB eingreift.4 Der Anteil des Gesellschafters am Jahresfehlbetrag (Verlust) der Personengesellschaft hat bei ihm handelsrechtlich unmittelbar keine Auswirkung; etwas anderes gilt im Fall der Wertminderung der Finanzanlage, so dass sich die Frage stellt, ob eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen ist (§ 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB; s. unter Rz. 7.119).
II. Ergebnisverwendung Wenn ein gesonderter Beschluss über die Ergebnisverwendung nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlich ist, bedarf es eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB). Eine davon abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag – die Beschlussfassung mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit – ist zulässig (§§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 2 HGB). Eine allgemein für die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG geltende Mehrheitsregelung reicht aus.5 Zuständiges Organ ist die Gesellschafterversammlung, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes regelt. 1 2 3 4 5
IDW RS HFA 18 Ziff. 4. (12); Ziff. 4.1. (14 f.). IDW RS HFA 18 Ziff. 4. (12); Ziff. 4.1. (14 f.). IDW RS HFA 18 Ziff. 4.2. (20 f.). IDW RS HFA 18 Ziff. 4.2. (20 f.). Grunewald in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2012, § 167 HGB Rz. 11.
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§7 7.186
Rechnungslegung und Publizität
Wenn nach dem Gesellschaftsvertrag ein gesonderter Beschluss über die Ergebnisverwendung erforderlich ist oder Rücklagen gebildet werden sollen, stellt sich die Frage, ob dadurch der Gewinnanspruch der Gesellschafter beeinträchtigt wird; das gilt insbesondere für Minderheitsgesellschafter und die nicht an der Geschäftsführung der GmbH & Co. KG beteiligten Kommanditisten (§ 164 Satz 1 Halbs. 1 HGB). Es stellt sich also dasselbe Problem wie bei der Feststellung des Jahresabschlusses, mit der gleichzeitig die Ergebnisverwendung verbunden ist (s. unter Rz. 7.177 ff.). Insofern gelten auch dieselben Überlegungen. Je nach dem Umfang der Bildung von Rücklagen oder Beschränkungen der Entnahme ist eine sachliche Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft erforderlich, es bedarf darüber hinaus – als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht – einer Abwägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Stärkung ihres Eigenkapitals und ihrer Finanzkraft (Thesaurierungsinteresse) einerseits und dem Interesse der Gesellschafter an einer Entnahme (Ausschüttungsinteresse) andererseits. Zumindest muss die Entnahme in Höhe der – ggf. pauschaliert ermittelten – Steuern (Einkommen oder Körperschaftsteuer) gewährleistet sein, die auf den Gewinnanteil (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG) des einzelnen Gesellschafter entfallen.1 Das gilt umso mehr, als die Steuerbelastung beim Gesellschafter (Mitunternehmer) unabhängig von dem Gewinneinbehalt und der Entnahme eintritt.
H. Exkurs: E-Bilanz 7.187
Nach § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG sind u.a. Gewerbetreibende verpflichtet, der Finanzverwaltung den Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln (sog. E-Bilanz). Enthält die Bilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese durch Zusätze oder Anmerkungen – durch eine steuerliche Überleitungsrechnung – den steuerrechtlichen Vorschriften anzupassen und ebenfalls elektronisch zu übermitteln (§ 5b Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige kann stattdessen auch eine den steuerrechtlichen Vorschriften entsprechende Bilanz (Steuerbilanz) elektronisch einreichen (§ 5b Abs. 1 Satz 3 EStG). Bei elektronischer Einreichung einer Überleitungsrechnung nach § 5b Abs. 1 Satz 2 EStG muss sich diese nach Auffassung der Finanzverwaltung auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung beziehen.2 Im Fall der elektronischen Einreichung einer Steuerbilanz nach § 5b Abs. 1 Satz 3 EStG ist das nicht abschließend geklärt.3 Die Regelungen zur E-Bilanz gelten nach der gesetzlichen Anwendungsregelung (§ 52 Abs. 11 EStG; bisher § 52 Abs. 15a EStG) erstmals für nach dem 31.12.2010 und gem. § 51 Abs. 4 Nr. 1c EStG i.V.m. § 1 AnwZpvV4 erstmals für nach dem 31.12.2011 beginnende Wirtschaftsjahre.5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt darüber hinaus eine allgemeine Nicht1 2 3 4 5
Vgl. Priester in MünchKomm. zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 122 HGB Rz. 58 ff. m.w.N. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 24. Schubert/Adrian in Beck’scher BilanzKomm., § 266 HGB Rz. 318 m.w.N. BGBl. I 2010, 2135. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 26.
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§7
Exkurs: E-Bilanz
beanstandungsregelung für das erste nach dem 31.12.2011 beginnende Wirtschaftsjahr1 – bei einem kalendergleichen Wirtschaftsjahr also für das Jahr 2012 – mit der Folge, dass die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung im Ergebnis erstmals für das nach dem 31.12.2012 beginnende Wirtschaftsjahr nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch einzureichen ist.2 Darüber hinaus bestehen spezielle Nichtbeanstandungsregelungen und zeitliche Übergangsregelungen.3 Das BMF ist ermächtigt, im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder den Mindestumfang der nach § 5b EStG elektronisch zu übermittelnden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu bestimmen (§ 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG).4 Durch das Erfordernis der E-Bilanz ergibt sich erstmals ein steuerrechtliches Gliederungsschema für die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung (sog. SteuerTaxonomie).5 Daraus folgt eine Standardisierung und Vereinheitlichung für steuerrechtliche Zwecke. In ihrem Detaillierungsgrad und Umfang geht die Steuer-Taxonomie deutlich über die handelsrechtlichen Regelungen in § 266 HGB (Bilanz) und § 275 HGB (Gewinn- und Verlustrechnung) hinaus.6
7.188
Für Personengesellschaften (gewerbliche Mitunternehmerschaften) bestehen die nachfolgenden Besonderheiten. Der Berichtsbestandteil „Kapitalkontenentwicklung bei Personengesellschaften und anderen Mitunternehmerschaften“ ist zwingend elektronisch zu übermitteln, so dass die Zusammensetzung des steuerlichen Eigenkapitals für die Finanzverwaltung erkennbar ist. Das gilt aufgrund einer Ausnahmeregelung der Finanzverwaltung erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen.7 Außerdem sind Sonder- und Ergänzungsbilanzen zwingend in gesonderten Datensätzen – unabhängig von der Gesamthandsbilanz – elektronisch zu übermitteln.8 Insofern besteht eine Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2015 enden;9 im Ergebnis sind also Sonder- und Ergänzungsbilanzen erstmals für das Wirtschaftsjahr 2015 – bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr – in gesonderten Datensätzen elektronisch zu übermitteln. Diese nach Auffassung der Finanzverwaltung zwingend einzureichenden Berichtsbestandteile gehen über die gesetzlichen Anforderungen des § 5b Abs. 1 EStG hinaus.10
7.189
Für die Größenklassen der GmbH & Co. KG (§ 264a Abs. 1 i.V.m. § 267 Abs. 1 bis 3 und § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB) ist Folgendes zu beachten: Unabhängig von den größenabhängigen Erleichterungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses (s.
7.190
1 2 3 4
5 6 7 8 9 10
BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 27. Schubert/Adrian in Beck’scher BilanzKomm., § 266 HGB Rz. 308. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 20 ff. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 28 i.V.m. den aktualisierten Taxonomien (Version 5.4) (BMF v. 5.6.2012 – IV C 6-S 2133-b/11/10016, BStBl. I 2012, 598; BMF v. 27.6.2013 – IV C 6-S 2133-b/11/10016:003, BStBl. I 2013, 844; BMF v. 13.6.2014 – IV C 6-S 2133-b/11/10016:004, BStBl. I 2014, 886; BMF v. 25.6.2015 – IV C 6-S 2133-b/11/10016:006, BStBl. I 2015, 541). Schubert/Adrian in Beck’scher BilanzKomm., § 266 HGB Rz. 301. Schubert/Adrian in Beck’scher BilanzKomm., § 266 HGB Rz. 301 m.w.N. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 20 f. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 22. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 Tz. 22. Schubert/Adrian in Beck’scher BilanzKomm., § 266 HGB Rz. 329 m.w.N.
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Rechnungslegung und Publizität
unter Rz. 7.6 f., 7.30 f., 7.111, 7.114, 7.117) und seiner Veröffentlichung (s. unter Rz. 7.164 ff.) haben die Gesellschaften die maßgebenden Unterlagen nach § 5b Abs. 1 EStG nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz elektronisch zu übermitteln. Die handelsrechtlichen Erleichterungen sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Die Steuer-Taxonomie orientiert sich an der Gliederung für große Kapitalgesellschaften und geht – wie bereits erläutert – weit über die Anforderungen nach § 266 HGB (Bilanz) und § 275 HGB (Gewinn- und Verlustrechnung) hinaus.1 Mit der E-Bilanz sind erhöhte Anforderungen an die Finanzbuchführung und die IT-Systeme verbunden. Das führt – vor allem in der Umstellungsphase – zu einem erheblichen Mehraufwand für die Unternehmen.
1 Winkeljohann/Lawall in Beck’scher BilanzKomm., § 267a HGB Rz. 32; Weber-Grellet in Schmidt, § 5b EStG Rz. 1.
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§8 Gesellschafterwechsel und Nachfolge A. Anteilsübertragung I. Ausgangspunkt Ein Gesellschafter kann aus der GmbH & Co. KG ausscheiden, indem er seine Beteiligung an der Kommanditgesellschaft und seinen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH einer anderen Person überträgt. Rechtsgrund der Übertragung kann ein Verkauf, eine Schenkung oder auch ein teilentgeltliches Geschäft sein. Von gesellschaftsrechtlicher Relevanz ist vorrangig das Verfügungsgeschäft, denn nur dieses betrifft mittelbar (auch) das Verhältnis des ausscheidenden Gesellschafters zur Gesellschaft und zu seinen Mitgesellschaftern. Demgegenüber regelt das Verpflichtungsgeschäft die Rechtsbeziehungen zwischen dem ausscheidenden Veräußerer und dem eintretenden Erwerber und es bestimmt wesentlich die steuerlichen Auswirkungen der Anteilsübertragung.
8.1
II. Übertragbarkeit 1. GmbH & Co. KG a) Austritt, Eintritt, Übertragung Noch bis zu einer Entscheidung des Reichsgerichts im Jahre 19441 galt die Beteiligung an einer Personengesellschaft und insbesondere auch ein Kommanditanteil als nicht übertragbar. Anteilsübertragungen erfolgten deshalb bis dahin nur durch Austritt des Altgesellschafters und gleichzeitigen Eintritt des Neugesellschafters. Auch heute noch kann die Anteilsübertragung nach diesem Austritt-Eintritt-Modell erfolgen, also in der Weise, dass der veräußerungswillige Gesellschafter gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausscheidet und der Eintretende eine Einlage in Höhe der Abfindung leistet. Jedoch führt eine derartige Gestaltung der Anteilsübertragung zu einer unnötigen Verdoppelung der Haftsummen.2 Der Ausscheidende haftet wegen Rückgewähr der Einlage zeitlich begrenzt nach §§ 161 Abs. 2, 160 HGB in Höhe seiner Haftsumme für sämtliche bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens begründeten Verbindlichkeiten. Die gleiche Haftung (auch) für Altverbindlichkeiten ergibt sich nach § 173 HGB für den Eintretenden, solange dieser seine Einlage nicht erbracht hat oder ihm diese zurückgewährt wurde.
8.2
Da heute die Übertragbarkeit von Beteiligungen an Personengesellschaften nicht mehr in Frage steht, ist das Austritt-Eintritt-Modell kaum noch von praktischer Relevanz. Anteilsübertragungen erfolgen heute regelmäßig entsprechend dem sog. Übertragungsmodell. Der Eintretende übernimmt hiernach den Kommandit-
8.3
1 RG v. 30.9.1944, DNotZ 1944, 195 sowie neu abgedruckt in WM 1964, 1130. 2 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 1; K. Schmidt, GmbHR 1981, 253 (255).
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anteil des Ausscheidenden. Er tritt vollumfänglich in die Rechtsstellung des Veräußerers ein. Hat dieser seine Hafteinlage auf den übertragenen Kommanditanteil erbracht, so sind er und der Erwerber haftungsfrei, ansonsten haften sie bis zur Höhe der Haftsumme beide gesamtschuldnerisch, aber eben nur einmal. 8.4
Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Eintritts eines Gesellschafters spielen allerdings noch dann eine Rolle, wenn nur ein neuer Gesellschafter hinzutreten soll, ohne dass gleichzeitig ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Bei einer solchen Aufnahme eines Gesellschafters übertragen quasi die Mitgesellschafter einen ihrer jeweiligen Beteiligung entsprechenden Teilanteil auf den eintretenden Gesellschafter, so dass es sich auch hierbei um einen Unterfall der Anteilsübertragung handelt. Der Eintritt erfolgt durch Abschluss eines Aufnahmevertrages zwischen dem Eintretenden und den Gesellschaftern. Er stellt insoweit eine Änderung des bestehenden Gesellschaftsvertrages dar, so dass grundsätzlich die Mitwirkung aller Gesellschafter erforderlich ist.1 b) Zustimmungserfordernis
8.5
Die Übertragung des Anteils an einer Kommanditgesellschaft bedarf der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter.2 Dies gilt für den Anteil eines Kommanditisten genauso wie für den Anteil eines Komplementärs. Zustimmungsbedürftig ist nur das Verfügungsgeschäft, nicht das Verpflichtungsgeschäft.3 Solange nicht alle Mitgesellschafter der Übertragung zugestimmt haben, ist sie schwebend unwirksam. Mit Erteilung der Zustimmung wird sie dann rückwirkend wirksam (§ 184 Abs. 1 BGB). Verweigert hingegen auch nur ein Gesellschafter die Zustimmung, wird die Übertragung endgültig unwirksam.
8.6
In Ausnahmefällen sollen die Gesellschafter aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten sein, einer Anteilsübertragung zuzustimmen.4 So etwa, wenn ein Mitgesellschafter seine Stellung als persönlich haftender Gesellschafter schon zu Lebzeiten auf seinen zur Nachfolge berufenen Erben übertragen möchte5 oder wenn die Verweigerung der Zustimmung ersichtlich dem Zweck dient, den Mitgesellschafter zu schädigen oder den Anteil selbst zu besonders niedrigem Preis zu erwerben.6 Gegen eine derartige Zustimmungspflicht auch in Ausnahmefällen sprechen allerdings die gesetzliche Grundregel der Zustimmungsbedürftigkeit und der personalistische Charakter der Personengesellschaft. 1 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 34 Rz. 2. 2 BGH v. 28.4.1954 – II ZR 8/53, BGHZ 13, 179 (185); BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 (114); BGH v. 30.6.1980 – II ZR 219/79, BGHZ 77, 392 (394); Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 III 2b); Binz/ Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 6; Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 719 BGB Rz. 27. 3 BGH v. 14.10.1957 – II ZR 109/56, WM 1958, 49; OLG Hamm v. 30.5.1988 – 8 U 259/87, DB 1989, 169 (170); Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 719 BGB Rz. 27. 4 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR Bd. II, § 35 Rz. 10; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 27. 5 BGH v. 20.10.1986 – II ZR 86/85, JZ 1987, 95 m. Anm. H.P. Westermann sowie BGH v. 8.11. 2004 – II ZR 350/02, NJW-RR 2005, 263. 6 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 27.
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Anteilsübertragung
Leichter lässt sich hingegen im umgekehrten Fall argumentieren. Wurde die Zustimmung im Gesellschaftsvertrag unter Durchbrechung der gesetzlichen Grundregel vorweggenommen, so muss ein Widerruf zulässig sein, wenn die Aufnahme des Erwerbers für den Mitgesellschafter unzumutbar ist. Das wird insbesondere der Fall sein, wenn bereits ein wichtiger Grund zum Ausschluss des Erwerbers gegeben ist.
8.7
Zulässig ist mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter auch die Übertragung eines Teilanteils, die Übertragung aller Anteile auf einen oder mehrere Erwerber sowie die Übertragung von Anteilen auf einen Mitgesellschafter, es sei denn, dieser hat seine Beteiligung bereits auf einen nach der Anteilsübertragung liegenden Zeitpunkt gekündigt.1
8.8
Gestaltungshinweis: Die Zustimmung kann im Gesellschaftsvertrag vorweggenommen werden. In der Praxis ist dies die Regel. Jedoch werden nur in den seltensten Fällen die Gesellschaftsanteile gänzlich frei übertragbar gestellt. Vielmehr sind Regelungen üblich, wonach die Übertragung auf einen bestimmten Erwerberkreis – Mitgesellschafter, Ehegatte, leibliche Abkömmlinge – zustimmungsfrei möglich ist.2 Genauso ist es freilich möglich, einen Erwerberkreis zu definieren, bei dem der veräußerungswillige Gesellschafter die Zustimmung der Mitgesellschafter oder der Gesellschaft einzuholen hat.3 Der Gesellschaftsvertrag kann auch vorsehen, dass die Zustimmung nicht von allen Mitgesellschaftern erteilt werden muss, sondern durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit erteilt werden kann.4 Eine weitgehende Übertragungsfreiheit findet sich meist in Publikumsgesellschaften (Fonds). Hier wird häufig die Übertragbarkeit von der Zustimmung der Komplementärin abhängig gemacht, die diese jedoch nur aus wichtigem Grund verweigern kann. Statt die Übertragung an bestimmte Erwerber zustimmungsfrei zu stellen, kann diesen auch ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung eingeräumt werden. Mit einer solchen Regelung soll sichergestellt werden, dass die Mitgesellschafter von der beabsichtigten Übertragung erfahren und selbst prüfen können, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung vorliegen. Für den veräußerungswilligen Gesellschafter kann eine derartige Regelung hingegen nachteilig sein. So ist er bei einer unzulässigen Verweigerung seiner Mitgesellschafter gezwungen, seine Rechte im Klagewege durchzusetzen.5 Soweit bestimmte Übertragungen zustimmungsfrei gestellt werden sollen, hat dies ausdrücklich und eindeutig zu erfolgen.6 Aufgrund der gegenteiligen gesetzlichen Grundregel wird man nämlich im Zweifel davon auszugehen haben, dass die Übertragung zustimmungspflichtig ist. So begründet bspw. eine gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach die Übertragung an Nichtgesell-
8.9
1 BGH v. 22.5.1989 – II ZR 211/88, GmbHR 1990, 25 = NJW-RR 1989, 1259. 2 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 22; Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 6. 3 Jedoch fällt in dieser Richtung eine Abgrenzung regelmäßig schwerer. 4 Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 719 BGB Rz. 28; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 23, empfiehlt im Gesellschaftsvertrag klarzustellen, dass der betroffene Gesellschafter dabei nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. 5 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 22. 6 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 22.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
schafter der Zustimmung bedarf, nicht durch Umkehrschluss die Zustimmungsfreiheit von Übertragungen an Mitgesellschafter.1 c) Flankierende Regelungen 8.10
Mit den vorgenannten Differenzierungen zum Zustimmungserfordernis von Anteilsübertragungen müssen die Gesellschafter zwei Interessengegensätze austarieren, zum einen das Interesse des ausscheidenswilligen Gesellschafters an einer optimalen Verwertung seines Anteils und zum anderen das Interesse der übrigen Gesellschafter, unter sich zu bleiben und die Gesellschaft vor Fremdeinflüssen zu bewahren.
8.11
Alternativ oder korrespondierend zu den Regelungen des Zustimmungserfordernisses können diese beiden Interessengegensätze auch durch die Vereinbarung von Vorkaufs- oder Erwerbsrechten ausgeglichen werden.2
8.12
Gestaltungshinweis: Die Ausgestaltungsmöglichkeiten derartiger Rechte sind vielfältig. Der Vorkauf ist in den §§ 463–473 BGB geregelt. Der veräußerungswillige Gesellschafter schließt mit einem Dritten einen Kaufvertrag ab, in den der oder die Mitgesellschafter zu den mit dem Dritten ausgehandelten Konditionen eintreten können. Der Kaufpreis für den Anteil wird hier auf dem Markt gefunden. Vor Scheingeschäften versucht § 465 BGB zu schützen. Üben die Mitgesellschafter ihr Vorkaufsrecht nicht aus, erwirbt der Dritte zu den Bedingungen des Kaufvertrages und wird Gesellschafter. Ist hingegen ein Erwerbsrecht vereinbart, hat der veräußerungswillige Gesellschafter den Anteil den Mitgesellschaftern anzubieten, bevor er sich an den Markt wendet. Der Erwerbspreis oder zumindest die Preisfindung ist hier im Vorhinein festgeschrieben. Üblich ist die Bezugnahme auf die gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelungen bei Ausscheiden aus anderen Gründen. Lehnen die Mitgesellschafter den Erwerb ab, kann der veräußerungswillige Gesellschafter frei verkaufen. Die Vorkaufs- oder Erwerbsrechte können auch nochmals innerhalb der Gesellschaft gestaffelt sein, etwa durch Einräumung eines Vorrangs für Gesellschafter desselben Familienstammes oder für einzelne erwerbswillige Gesellschafter. Dem Schutz von Familienstämmen oder bestimmten Minderheiten können weiterhin im Gesellschaftsvertrag oder separaten Konsortialverträgen vereinbarte Call- oder Put-Optionen dienen. Sie begründen unter bestimmten Voraussetzungen Übernahme- oder Andienungsrechte, auch wenn beim betroffenen Gesellschafter aktuell keine Veräußerungs- oder Erwerbsabsicht vorhanden ist.
2. Komplementär-GmbH 8.13
Die Geschäftsanteile an einer GmbH sind nach § 15 Abs. 1 GmbHG „veräußerlich“, sie können also frei übertragen werden. Jedoch gestattet § 15 Abs. 5 GmbHG, die Abtretung der Geschäftsanteile durch den Gesellschaftsvertrag an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, insbesondere von der Genehmigung3 der Ge1 BGH v. 24.2.1986 – II ZR 142/85, GmbHR 1986, 345; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 6. 2 Vgl. auch Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 38 ff. 3 Gemeint ist eine Zustimmung i.S. der §§ 182 ff. BGB; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 66; Ebbing in Michalski, § 15 GmbHG Rz. 140.
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§8
Anteilsübertragung
sellschaft abhängig zu machen.1 Derartige Vinkulierungsklauseln sind die Regel.2 Jedoch ist die Vinkulierung auch hier nur selten umfassend. Vielmehr sehen die Gesellschaftsverträge meist vor, dass Übertragungen an bestimmte Erwerber zustimmungsfrei möglich bleiben. Die Regelungsziele entsprechen den zur KG dargestellten. Aufgrund der gegenteiligen gesetzlichen Grundregel ergeben sich jedoch Formulierungsunterschiede. Bei der Auslegung einzelner Klauseln kann das umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis zu anderen Ergebnissen führen. Gestaltungshinweis: Bei der Formulierung der Vinkulierungsklausel sollte nicht an den Wortlaut des Gesetzes angeknüpft und die Abtretung von der Zustimmung „der Gesellschaft“ abhängig gemacht werden. Es bleibt dann unklar, ob die Geschäftsführung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf.3 Stattdessen sollte die Erteilung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung übertragen und gleichzeitig klargestellt werden, mit welcher Mehrheit sie zu entscheiden hat und ob der veräußerungswillige Gesellschafter und ein erwerbswilliger Mitgesellschafter dabei stimmberechtigt sein sollen oder nicht.4
8.14
Die Erteilung der Zustimmung steht im Ermessen der Gesellschafterversammlung, dieses ist jedoch durch die gesellschafterliche Treuepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz begrenzt.5 In Ausnahmefällen kann daher die Erteilung der Zustimmung geboten sein.
8.15
Ist die Entscheidung gefallen, so hat die Gesellschafterversammlung dem Veräußerer die Zustimmung oder deren Versagung zu erklären. Sie kann hierzu auch die Geschäftsführung ermächtigen. Einer besonderen Form bedarf es nicht. Die Zustimmung kann sogar durch schlüssiges Verhalten erklärt werden.
8.16
Solange die Zustimmung nicht erteilt ist, bleibt der Abtretungsvertrag schwebend unwirksam. Mit Erteilung wird er rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Abschlusses wirksam. Die Versagung der Zustimmung führt zur endgültigen Unwirksamkeit des Abtretungsvertrages. Holt der veräußerungswillige Gesellschafter die Zustimmung vor Abschluss des Verfügungsgeschäfts ein, so sollte er darauf hinwirken, dass sie unwiderruflich erteilt wird. Ansonsten kann sie bis zur Abtretung von der Gesellschafterversammlung frei widerrufen werden.
8.17
1 Zulässig ist auch der generelle Ausschluss der Abtretbarkeit im Gesellschaftsvertrag, Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 135 m.w.N.; Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 57; Ebbing in Michalski, § 15 GmbHG Rz. 138. In diesem Fall bleibt den Gesellschaftern nur ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund. 2 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 28. 3 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 29; nach BGH v. 14.3.1988 – II ZR 211/87, GmbHR 1988, 260 = NJW 1988, 2241 ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich. Dieser bindet die Geschäftsführung nach Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 123 jedoch nur im Innenverhältnis. 4 Ohne derartige Klarstellung ist davon auszugehen, dass eine einfache Mehrheit genügt, vgl. Jasper in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 24 Rz. 199, und auch die betroffenen Gesellschafter stimmberechtigt bleiben, vgl. BGH v. 24.1.1974 – II ZR 65/72, DB 1974, 621. 5 Ausführlich hierzu Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; Reichert/Winter in FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209 (221 ff.).
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§8 8.18
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Im Zuge der GmbH-Reform durch das MoMiG1 wurde mit Wirkung zum 1.11.2008 die bisherige Vorschrift des § 17 GmbHG aufgehoben. Diese sah bei einer Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils eine Genehmigung der Gesellschaft vor. Allerdings bedarf es nunmehr zur Teilung des Geschäftsanteils eines Gesellschafterbeschlusses (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Dieser hat jedoch keinen satzungsändernden Charakter und kann daher mit einfacher Mehrheit getroffen werden.2 In der Satzung kann das Verfahren der Teilung aber auch vereinfacht, etwa dem betroffenen Gesellschafter überlassen, oder beispielsweise durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit oder sogar Einstimmigkeit, erschwert werden.3 Regelungen, die auf Grundlage des alten Rechts eine Zustimmung oder Genehmigung für die Teilung erforderten, sind weiterhin gültig.4
3. Harmonisierung oder Differenzierung 8.19
Im Regelfall entspricht es dem Wunsch der Gesellschafter, die Regelungen im KGVertrag und im GmbH-Vertrag einander anzugleichen. Auch die Beteiligungsverhältnisse in KG und GmbH sollen möglichst gleich sein (s. hierzu im Einzelnen unter § 3). Bei der Vertragsgestaltung ist daher darauf zu achten, dass jedenfalls im Ergebnis der Erwerberkreis, an den zustimmungsfrei übertragen werden kann, in beiden Gesellschaften gleich definiert ist. Während bei den zustimmungspflichtigen Veräußerungen die Gesellschafter selbst den Gleichlauf überwachen können, sind bei zustimmungsfreien Veräußerungen weitere Regelungen erforderlich, die verhindern, dass die Veräußerung von Anteilen lediglich einer Gesellschaft zu Ungleichgewichten führt. Es empfiehlt sich daher, die Gesellschafter zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung gleicher Beteiligungsverhältnisse zu verpflichten. Als schärfste Sanktion kann auch die Ausschließung eines Gesellschafters vorgesehen werden.5
8.20
Eine derartige Harmonisierung zwischen GmbH & Co. KG und KomplementärGmbH findet vor allem dann statt, wenn die GmbH lediglich die Komplementärsfunktion erfüllen und darüber hinaus kein Eigengewicht als Gesellschafterin haben soll. Zuweilen aber wird die GmbH gerade als Gestaltungsmittel eingesetzt, Herrschaft und Kapital in der Gesellschaft zu trennen. Dies geschieht in der Weise, dass lediglich die aktiven Gesellschafter, die Einfluss auf die Geschäftsführung haben sollen, auch Gesellschafter der Komplementär-GmbH werden, während passive Gesellschafter mit lediglich Kapitalanlageinteressen nur Kommanditist werden können. In diesen Fällen ist gerade eine Differenzierung angezeigt, was meist dadurch geschieht, dass der Gesellschafterkreis der Komplementär-GmbH durch strengere Vinkulierung kleiner gehalten wird.6 1 BGBl. I 2008, 2026. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 46 GmbHG Rz. 18; Roth/Altmeppen, § 46 GmbHG Rz. 16b; ebenso im Ergebnis trotz Kritik Zöllner in Baumbach/Hueck, § 46 GmbHG Rz. 31a. 3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 46 GmbHG Rz. 22; Roth/Altmeppen, § 46 GmbHG Rz. 16d. 4 S. hierzu Heckschen, ZErb 2008, 246 (249 f.). 5 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 48. 6 Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 49.
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Anteilsübertragung
III. Übertragung 1. GmbH & Co. KG Die eigentliche Übertragung eines Kommanditanteils erfolgt ohne Beteiligung der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter durch Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber. Wesentlicher Inhalt des Übertragungsvertrages ist die Vereinbarung, dass der Erwerber in die Gesellschafterstellung des Veräußerers eintritt. Mit dem Gesellschaftsanteil geht nicht nur die Beteiligung des Veräußerers am Vermögen der Gesellschaft auf den Erwerber über, sondern sämtliche Mitgliedschaftsrechte wie insbesondere das Stimmrecht, das Informations- und Widerspruchsrecht sowie sonstige gesellschaftsvertraglich begründete Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft.1 Sollen allerdings auch dem Veräußerer höchstpersönlich gewährte Sonderrechte auf den Erwerber übergehen, ist hierzu wiederum die Zustimmung der übrigen Gesellschafter erforderlich, da derartige Sonderrechte nur dem Veräußerer zustehen sollten. Streitanfällig und deshalb klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang häufig die Qualifizierung eines Sonderrechts als höchstpersönlich. Vorsorglich sollte daher die Zustimmung der übrigen Gesellschafter für jede Sonderrechtsübertragung eingeholt werden.
8.21
Klar geregelt und möglichst mit den übrigen Gesellschaftern abgestimmt sollte weiterhin der Übergang von Forderungen und Verbindlichkeiten des Veräußerers gegenüber der Gesellschaft sein. Hierzu gehören insbesondere auch Guthaben oder Verbindlichkeiten auf Privatkonten (Gesellschafter-Verrechnungskonten) des Veräußerers. Nach der Rechtsprechung gehen derartige Ansprüche und Verbindlichkeiten auf den Erwerber über, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits im Rechenwerk der Gesellschaft (Bilanz, Kontenplan) aufgeführt sind.2 Problematisch erscheint dies im Hinblick auf den Übergang von Verbindlichkeiten des Gesellschafters, d.h. Forderungen der Gesellschaft, da die Gesellschaft und damit die übrigen Gesellschafter durch die Veräußerung einen neuen Schuldner erhalten. Aus gutem Grund wird daher in der Literatur die Übernahme der Verbindlichkeiten von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht.3
8.22
Schließlich empfehlen sich Regelungen zur Beteiligung am Jahresergebnis. Im Verhältnis zu der Gesellschaft steht der Gewinnanspruch demjenigen zu, der im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses, also bereits einige Zeit nach Ablauf des Geschäftsjahres, Gesellschafter war.4 Das ist regelmäßig der Erwerber. Im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber richtet sich die Verteilung des Jahresergebnisses jedoch nach § 101 Nr. 2 BGB. Hiernach steht das Jahresergebnis demjenigen zu, der während des betroffenen Geschäftsjahres Inhaber des Gesell-
8.23
1 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 19 f.; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 55. 2 BGH v. 2.11.1987 – II ZR 50/87, DB 1988, 281; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 56; ausführlich hierzu Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 22 ff. 3 Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 719 BGB Rz. 44 m.w.N. 4 BGH v. 6.4.1981 – II ZR 186/80, BGHZ 80, 357; Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 57.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
schaftsanteils war. Bei Veräußerung innerhalb eines Geschäftsjahres ist das Jahresergebnis zeitanteilig aufzuteilen. Der Veräußerer kann daher regelmäßig von dem gewinnbezugsberechtigten Erwerber Ausgleich verlangen, sofern keine von § 101 Nr. 2 BGB abweichende Beteiligung am Jahresergebnis vereinbart wurde. 8.24
Bereits mit Abschluss des Übertragungsvertrages und nicht erst mit Eintragung des Erwerbers im Handelsregister wird der Anteilsübergang wirksam. In der Zeit bis zur Eintragung haftet der Erwerber gem. § 176 Abs. 2 HGB grundsätzlich unbeschränkt.1 Für den Veräußerer hat die Nichteintragung seines Ausscheidens zur Folge, dass er Gesellschaftsgläubigern gegenüber weiterhin als Kommanditist haftet, d.h. nur, sofern er seine Haftsumme nicht geleistet hat oder die Haftung wiederaufgelebt ist.
8.25
Die Nachhaftungsfrist beginnt noch nicht zu laufen, und der Veräußerer hat auch für die nach Übertragung begründeten Verbindlichkeiten wie ein Kommanditist einzustehen. Die Übertragung sollte daher unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Rechtsnachfolge im Handelsregister vorgenommen werden.2 Bei der GmbH & Co. KG wird das vorgenannte Haftungsrisiko allerdings dadurch entschärft, dass jedenfalls nach überwiegender Auffassung in der Literatur die Verwendung der GmbH & Co. KG-Firma im Rechtsverkehr dazu ausreicht, eine Haftung nach § 176 HGB auszuschließen.3
8.26
Der Übertragungsvertrag bedarf keiner besonderen Form. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn das Gesellschaftsvermögen der KG überwiegend aus Grundeigentum oder GmbH-Anteilen besteht.4 Allerdings ist die notarielle Form in den Fällen erforderlich, in denen neben der Übertragung der KG-Anteile auch Immobilien oder GmbH-Anteile übertragen werden.5 Die Übertragung ist von allen Gesellschaftern zur Eintragung im Handelsregister anzumelden. Erforderlich ist auch ein sog. Rechtsnachfolgevermerk, mit dem klargestellt wird, dass der Kommanditistenwechsel nicht durch Austritt und Eintritt, sondern im Wege der Sonderrechtsnachfolge erfolgt. Darüber hinaus verlangen die Registergerichte, dass die Mitgesellschafter persönlich versichern, dem Ausscheidenden keine Abfindung aus dem Ge1 Der BGH vertrat in seiner Entscheidung v. 21.3.1983 – II ZR 113/82, GmbHR 1983, 238 = NJW 1983, 2258 die Auffassung, dass nach Inkrafttreten des § 19 Abs. 5 HGB a.F. (s. heute § 19 Abs. 2 HGB) „möglicherweise“ nicht mehr von einer unbeschränkten Haftung des noch nicht eingetragenen Kommanditisten auszugehen sei. Nach OLG Frankfurt v. 9.5. 2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326, soll bereits die Firmierung als GmbH & Co. KG ausreichen, eine Haftung des Kommanditisten gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter auszuschließen. Ausführlicher hierzu Specks, RNotZ 2008, 143. Auch das Schrifttum geht ganz überwiegend davon aus, dass bei Verwendung der GmbH & Co.-Firma im Rechtsverkehr eine Haftung nach § 176 HGB ausgeschlossen ist; Karsten Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rz. 50 m.w.N. 2 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 43. 3 Einschränkend Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 176 HGB Rz. 4; ausführlicher hierzu bereits Rz. 5.78 ff. 4 BGH v. 31.1.1983 – II ZR 288/81, NJW 1983, 1110 (1111); Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 58 mit dem Hinweis, dass in Umgehungsfällen eine analoge Anwendung von § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB und § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG in Betracht kommen kann. 5 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 31 f.
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§8
Anteilsübertragung
sellschaftsvermögen gewährt oder versprochen zu haben.1 Bei Eintragung mit Rechtsnachfolgevermerk kommt es nicht wie beim alten Austritt-Eintritt-Modell zu einer Verdoppelung der Haftsummen.2 War die Einlage erbracht und wird sie nicht zurückgewährt, haften weder der Veräußerer noch der Erwerber.3 Ist die Einlage allerdings ganz oder teilweise nicht gedeckt, haften beide insoweit gesamtschuldnerisch, der Veräußerer allerdings mit Nachhaftungsbegrenzung nach § 160 HGB.4 Leistet der Erwerber die ausstehende Einlage, so werden sowohl er als auch der Veräußerer von der persönlichen Haftung frei. Wird die Einlage allerdings nach dem Anteilserwerb dem Erwerber zurückgezahlt, führt dies zu einem Wiederaufleben der Haftung beider, also auch des bereits ausgeschiedenen Veräußerers (§ 172 Abs. 4 HGB).5 Der Veräußerer bleibt also für die Zeit der Nachhaftung als Gesamtschuldner dafür verantwortlich, dass die Haftsumme gedeckt bleibt.6 Gestaltungshinweis: Angesichts der aufgezeigten Haftungsrisiken sollte daher bei der Gestaltung der Anteilsübertragung der Veräußerer darauf achten, dass die Übertragung nicht nach dem Austritt-Eintritt-Modell, sondern nach dem Übertragungsmodell erfolgt und ein Nachfolgevermerk im Handelsregister eingetragen wird. Der Erwerber sollte vor allem dafür Sorge tragen, dass die Übertragung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kommanditistenwechsels im Handelsregister vereinbart wird.
8.27
2. GmbH Die Übertragung des oder der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH erfolgt durch Abtretung (§§ 413, 398 BGB). Mit der Abtretung geht der Geschäftsanteil mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Der Erwerber übernimmt bspw. die Pflicht zur Leistung noch offener Einlagen7 und tritt in einen satzungsgemäßen Schiedsvertrag über Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis ein.8 Die Geschäftsanteile sollten im Abtretungsvertrag konkret benannt werden. Bleibt der Gegenstand der Abtretung unbestimmt, ist diese nichtig.9 Mög1 BGH v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, DNotZ 2006, 135; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 162 HGB Rz. 19 m.w.N.; Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 162 HGB Rz. 16 m.w.N. hält eine solche Versicherung zu Recht für nicht erforderlich, da mit der Anmeldung des Rechtsnachfolgevermerks hinreichend klargestellt ist, dass kein Austritt gegen Abfindung und damit keine Einlagerückgewähr erfolgte; eingetragen wird die Versicherung der Gesellschafter ohnehin nicht; so auch das Fazit von Röhl, DNotZ 2013, 657. 2 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 173 HGB Rz. 29. 3 Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 173 HGB Rz. 16. 4 BGH v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82 (85) = GmbHR 1981, 262. 5 BGH v. 20.10.1975 – II ZR 214/74, NJW 1976, 751 (752); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 173 HGB Rz. 33 m.w.N.; a.A. Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, §§ 171, 172 HGB Rz. 27. 6 Zu den Haftungsfolgen bei unrichtiger Registerlage: K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 173 HGB Rz. 35 ff. 7 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 34; Rodewald in GmbH-Hdb., Rz. I 1034. 8 BGH v. 28.5.1979 – III ZR 18/77, WM 1979, 886; Rodewald in GmbH-Hdb., Rz. I 1035. 9 Jasper in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 24 Rz. 173; Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 89: es genügt eine zusammenfassende Bezeichnung mehrerer Anteile, wenn hierdurch keine Zweifel am Gegenstand der Abtretung entstehen.
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8.28
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
lich ist auch die Abtretung künftiger Geschäftsanteile. Die Abtretung wird dann mit Eintragung der GmbH oder der Kapitalerhöhung wirksam. Höchstpersönliche Sonderrechte und verselbständigte Vermögensrechte des Anteilsinhabers gehen nicht automatisch mit über, sondern bedürfen der ausdrücklichen Übertragung, die i.d.R. formfrei möglich ist.1 8.29
Die Abtretung des Geschäftsanteils selbst bedarf zwingend der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3 GmbHG). Einer Eintragung im Handelsregister bedarf es hingegen nicht. Wohl aber hat der beurkundende Notar die Abtretung dem Registergericht anzuzeigen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Jedoch besteht keine ausdrückliche Anmeldepflicht. Allerdings gilt im Verhältnis zur Gesellschaft noch bis zur Anmeldung der Veräußerer als Gesellschafter (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Auch haben die Geschäftsführer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bei Veränderung des Gesellschafterbestands beim Handelsregister eine neue Gesellschafterliste einzureichen. Die Nichtbeachtung der notariellen Form führt zur Nichtigkeit der Abtretung. Eine Heilung ist nicht möglich.2 Die Abtretung ist vielmehr unter Beachtung der notariellen Form zu wiederholen, was jedoch keine Rückwirkung entfaltet. Auch die Grundsätze der für Personengesellschaften entwickelten Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft finden keine Anwendung.3
8.30
Die Übertragung des Geschäftsanteils als solche begründet keine besonderen Haftungsrisiken. Allerdings haftet der Erwerber neben dem Veräußerer für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen (§ 16 Abs. 2 GmbHG). Hierzu gehören rückständige Einlagen sowie fällige Ansprüche aus Differenz-, Unterbilanz- oder Ausfallhaftung. Hieran hat sich auch durch die Reform des GmbH-Rechts im Zuge des MoMiG4 nichts geändert. Zwar war der Wortlaut des alten § 16 Abs. 3 GmbHG, der von „rückständigen Leistungen“ sprach, weiter als die nunmehrige Fassung des § 16 Abs. 2 GmbHG („Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind“). Jedoch ist hiermit keine inhaltliche Änderung verbunden.5
IV. Das Verpflichtungsgeschäft und seine steuerlichen Auswirkungen 8.31
Den Verfügungen über den Kommanditanteil und den Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH geht ein Verpflichtungsgeschäft voraus, in welchem die schuld1 Reichert/Weller in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 15 GmbHG Rz. 68; eine formwirksame Wiederholung der Abtretung ist im Zweifel als Bestätigung (§ 141 Abs. 1 BGB) anzusehen (Reichert/Weller in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 15 GmbHG Rz. 74), die zwar nicht dinglich zurückwirkt, aber die Parteien zur schuldrechtlichen Rückbeziehung verpflichtet. 2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 26 f.; Rodewald in GmbH-Hdb., Rz. I 975. 3 BGH v. 22.1.1990 – II ZR 25/89, NJW 1990, 1915 (1916); Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 15 GmbHG Rz. 27; Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 103; a.A. noch BGH v. 13.3.1975 – II ZR 154/73, WM 1975, 512 (514). 4 BGBl. I 2008, 2026. 5 So ausdrücklich Wicke, § 16 GmbHG Rz. 12; a.A. Wälzholz, MittBayNot 2008, 425 (434) m.w.N.
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Anteilsübertragung
rechtlichen Beziehungen zwischen Veräußerer und Erwerber geregelt werden. Meist finden sich Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in einer Urkunde. Bei dem Verpflichtungsgeschäft handelt es sich entweder um einen Kauf oder eine (gemischte) Schenkung. Die im Verpflichtungsgeschäft vereinbarten gegenseitigen Leistungspflichten bestimmen die steuerlichen Auswirkungen des Geschäfts.
1. Kauf Der Kauf eines Gesellschaftsanteils ist grundsätzlich ein Rechtskauf. Die Veräußerung nahezu sämtlicher Anteile behandelte jedoch die Rechtsprechung wie den Verkauf eines ganzen Unternehmens (= Sachkauf) und wendete hierauf die Sachmängelvorschriften (§§ 459 ff. BGB a.F.) an. Aufgrund der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geschaffenen Neuregelungen ist die Differenzierung zwischen Sach- und Rechtskauf für die Frage der Gewährleistung hingegen bedeutungslos geworden. Vielmehr gelten für den Fall des Vorliegens von Sach- als auch Rechtsmängeln nunmehr einheitliche Gewährleistungsvorschriften. Die gerade für Verjährungsfragen bedeutende Abgrenzung der gewährleistungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen entfällt damit, was zu einer erheblichen Vereinfachung führt. Geblieben ist allerdings die Frage, inwieweit der Veräußerer eines Gesellschaftsanteils auch für Sachmängel haftet. In Orientierung an der bisherigen, in vielerlei Hinsicht allerdings höchst streitigen Rechtsprechung wird man eine Haftung für Sachmängel nur annehmen können, wenn zwar nicht alle Anteile veräußert werden, der Wille der Parteien aber dennoch auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichtet ist, was bei Erwerb in einer Größenordnung von 75 bis nahezu 100 % angenommen wird.1 Allerdings ist die Rechtsprechung bisher bei der Formel geblieben, dass alle oder zumindest nahezu alle Anteile erworben sein müssten. Ob sie auch unter dem neuen Gewährleistungsrecht bei diesem Grundsatz bleibt, ist abzuwarten. Darüber hinaus begründet ein Sachmangel einzelner Vermögensgegenstände nur dann eine Haftung, wenn der Mangel so gewichtig ist, dass er als Mangel des gesamten Unternehmens angesehen werden kann.2 Daran hat sich trotz teils abweichender Stimmen in der Literatur3 nichts geändert.4
8.32
Nach neuem Recht gehört die Mangelfreiheit zur Leistungspflicht des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Käufer erhält bei Mängeln zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung in Form einer Nachbesserung oder Nachlieferung (§§ 437 Nr. 1,
8.33
1 BGH v. 2.6.1980 – VIII ZR 64/79, GmbHR 1980, 204; Hopt in Baumbach/Hopt, Einleitung vor § 1 HGB Rz. 46 ff.; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 14. Aufl. 2010, Rz. 771 ff. m.w.N. 2 Holzapfel/Pöllath, Recht und Praxis des Unternehmenskaufs, 14. Aufl. 2010, Rz. 769 ff.; Mueller-Thuns in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, S. 206 ff. 3 Ausführlicher hierzu Müller in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Vorb. vor § 377 HGB Rz. 16 ff. Umstritten ist insbesondere, ob der Begriff der Beschaffenheit, der an die Stelle des Begriffs der Eigenschaft getreten ist, eng (Triebel/Hölzle, BB 2002, 521; Gaul, ZHR 166 (2002), 35) oder weit (Wolf/Kaiser, DB 2002, 411; Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135) zu verstehen ist, und ob für die Mangelhaftigkeit auf das Unternehmen (Faust in Bamberger/Roth, 3. Aufl. 2012, § 453 BGB Rz. 27 m.w.N.) oder (auch) das mangelhafte Wirtschaftsgut (Matusche-Beckmann in Staudinger, § 453 BGB Rz. 184) abzustellen ist. 4 Huber, AcP 202 (2002), 179 (188 f.).
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439 BGB). Gelingt die Nacherfüllung nicht, steht dem Käufer ein verschuldensabhängiger Anspruch auf Schadensersatz zu (§§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 284, § 311a BGB). Nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB kann er den Kaufpreis mindern und nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten. Die Haftung aus culpa in contrahendo ist in den §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB geregelt, wobei allerdings die Reichweite der culpa in contrahendo nicht abschließend geklärt ist und die Abgrenzung zur Mängelhaftung nach §§ 434 ff. BGB Schwierigkeiten bereitet. In der Praxis wird jedoch meist Klarheit dadurch geschaffen, dass selbständig vertragliche Garantien vereinbart werden. 8.34
Der Abschluss eines Kaufvertrages über einen KG-Anteil bedarf keiner besonderen Form. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn das Vermögen der Kommanditgesellschaft überwiegend aus Grundstücken oder GmbH-Beteiligungen besteht. Anderes gilt jedoch, wenn nicht nur der Kommanditanteil veräußert werden soll, sondern der Verkäufer sich gleichzeitig auch zur Übertragung eines Grundstücks oder eines GmbH-Geschäftsanteils verpflichtet, sofern für die Beteiligten die beiden Rechtsgeschäfte eine Einheit bilden.1 Nach einer Formel des BGH ist dies der Fall, wenn die Parteien mehrere an sich selbständige Vereinbarungen „miteinander stehen und fallen lassen“ wollen.2 Ein Verzicht auf die notarielle Form des Kaufvertrages über den KG-Anteil führt nicht nur zu dessen Unwirksamkeit, sondern aufgrund § 139 BGB auch zur Unwirksamkeit des formwirksam abgeschlossenen Grundstücks- oder Geschäftsanteilskaufvertrages.
8.35
Gestaltungshinweis: Das vorgenannte Problem stellt sich bei Veräußerung von Kommanditanteilen einer GmbH & Co. KG im Zusammenhang mit Geschäftsanteilen der Komplementär-GmbH nahezu immer. Nur in Ausnahmefällen wird man davon ausgehen können, dass die Vertragsparteien den Kaufvertrag über den Kommanditanteil ohne die Verpflichtung zur Übertragung der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH abgeschlossen hätten. Nur in diesem Fall aber bedarf es einer Beurkundung nicht.3
8.36
Allerdings ist dieser Formmangel heilbar, nämlich durch notarielle Beurkundung der Abtretung der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Die Beurkundung der Abtretung heilt nämlich nicht nur gem. § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG das die GmbH-Geschäftsanteile betreffende Verpflichtungsgeschäft – eine solche Heilung ist überhaupt nicht notwendig, wenn dieses beurkundet wurde –, sondern darüber hinaus auch alle weiteren Vereinbarungen, die zu dem als einheitlich qualifizierten Rechtsgeschäft gehören, insbesondere also auch die Verpflichtung zur Abtretung der Kommanditbeteiligung.4 1 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 31 f. 2 BGH v. 10.10.1986 – V ZR 247/85, DB 1987, 377; BGH v. 24.11.1983 – VII ZR 34/83, DB 1984, 451; BGH v. 27.10.1982 – V ZR 136/81, DB 1983, 39. 3 BGH v. 14.4.1986 – II ZR 155/85, GmbHR 1986, 258 = NJW 1986, 2642; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 9. 4 OLG München v. 12.3.1991 – 18 U 5846/90, DNotZ 1993, 615; BGH v. 29.1.1992 – VIII ZR 95/91, GmbHR 1993, 106 = NJW-RR 1992, 991; Seibt in Scholz, § 15 GmbHG Rz. 74; Binz/ Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 9; a.A. Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 6. Aufl. 2009, Kap. 1 Rz. 91; Kempermann, NJW 1991, 684, die zur Heilung auch die Beurkundung der Übertragung der KG-Anteile verlangen.
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2. Steuerliche Auswirkungen des Verkaufs des Kommanditanteils Die entgeltliche Übertragung des Kommanditanteils (i.d.R. mit Komplementäranteil) stellt in steuerlicher Terminologie die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils dar. Nach der Anordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört der bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils entstehende Gewinn zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt es sich jedoch um außerordentliche Einkünfte, die begünstigt besteuert werden. Im Folgenden werden zunächst die steuerlichen Auswirkungen für einerseits den Veräußerer und andererseits den Erwerber im Grundfall der Veräußerung eines (ganzen) KGAnteils, dem kein Sonderbetriebsvermögen angehört und der einen positiven Buchwert ausweist, behandelt (Rz. 8.38 ff.). Die sich bei Veräußerung eines Teilanteils, bei Zugehörigkeit von Sonderbetriebsvermögen oder dem Bestehen eines negativen Kapitalkontos ergebenden Besonderheiten werden sodann gesondert dargestellt (Rz. 8.59 ff.). Die steuerlichen Auswirkungen der Veräußerung des – regelmäßig wirtschaftlich unbedeutenderen – Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH werden am Ende dieses Abschnitts erläutert (Rz. 8.76).
8.37
a) Grundfall Obwohl das Gesetz von der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters spricht, ist nach steuerlicher Wertung Gegenstand der Veräußerung und des Erwerbs nicht die Beteiligung (Mitgliedschaft) als solche, sondern der ideelle Anteil an den einzelnen im Gesamthandsvermögen stehenden Wirtschaftsgütern der Gesellschaft.
8.38
aa) Besteuerung des Veräußerers (1) Veräußerungsgewinn Der Veräußerer hat den ihm durch die Veräußerung entstehenden Gewinn zu versteuern. Der Veräußerungsgewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis (abzüglich Veräußerungskosten) und dem Buchwert der Beteiligung (§ 16 Abs. 2 EStG).
8.39
Der Kaufpreis muss nicht notwendigerweise in einem Barbetrag bestehen. Es kann vielmehr genauso die Übernahme von privaten Verbindlichkeiten, ein Tausch oder auch eine Leibrente vereinbart werden.1 Für die Steuerberechnung ist dann jedoch die Gegenleistung in einem Barbetrag auszudrücken. Für eine Sachleistung im Rahmen eines Tausches ist deren gemeiner Wert anzusetzen,2 und eine Leibrente ist auf den Barwert abzuzinsen. Auch die Übernahme von anteiligen betrieblichen Schulden oder eine entsprechende Freistellung des Ausgeschiedenen durch den Erwerber kann als Kaufpreis qualifiziert werden, jedoch dürfen diese Verbindlichkeiten dann nicht im Rahmen der Gewinnermittlung den Buchwert mindern.
8.40
1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 265 ff.; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 90, 91. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 279 ff.; Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 590.
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8.41
Abgesehen von der Berücksichtigung des Zinsnachteils hat eine Stundung des Kaufpreises keinen Einfluss auf die Steuerentstehung und die Gewinn- und Steuerberechnung. Die Steuer entsteht vielmehr mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Anteil vom Veräußerer auf den Erwerber. Der Veräußerer hat daher die Steuer auch dann zu zahlen, wenn er den Kaufpreis noch nicht erhalten hat. Lediglich bei Veräußerung gegen lebenslange oder langfristige (mehr als zehn Jahre) Versorgungsleistungen kann er zu einer Besteuerung im Zeitpunkt des Zuflusses optieren (R und H 16 Abs. 11 EStR 2012), was allerdings zur Folge hat, dass er die Begünstigungen nach § 34 EStG (hierzu noch Rz. 8.46 ff.) nicht in Anspruch nehmen kann.
8.42
Fällt der Veräußerer ganz oder teilweise mit dem Kaufpreis aus, wird auch ein zwischenzeitlich bestandskräftig gewordener Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung korrigiert.1 Im Ergebnis muss der Veräußerer also keinen Gewinn versteuern, den er tatsächlich und endgültig nicht erzielt hat. Entsprechendes gilt allerdings auch, wenn sich der Kaufpreis nachträglich erhöht.2
8.43
Von dem ermittelten Veräußerungserlös sind zunächst die dem Veräußerer entstandenen Veräußerungskosten abzuziehen. Hierzu gehören bspw. Notar-, Beratungs- und Gutachterkosten, aber auch nachträgliche Aufwendungen wie z.B. die Prozesskosten zur Abwehr von Gewährleistungsansprüchen oder die Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens über die Höhe des Veräußerungsgewinns.3
8.44
Von dem um die Veräußerungskosten geminderten Veräußerungserlös ist schließlich der Buchwert der Beteiligung abzuziehen. Dieser ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung, das ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Übergangs der Beteiligung vom Veräußerer auf den Erwerber, nach bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln.4 Maßgeblich ist insoweit die Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft unter Einbeziehung eventueller Sonder- und Ergänzungsbilanzen. Erfolgte die Anteilsübertragung während eines Wirtschaftsjahres, ist i.d.R. ein Zwischenabschluss aufzustellen.5
8.45
Dem Veräußerer kann freilich auch ein Verlust entstehen, wenn nämlich der Buchwert des Mitunternehmeranteils über dem Veräußerungspreis abzüglich Veräußerungskosten liegt.
1 BFH v. 28.7.1994 – IV R 53/91, BStBl. II 1995, 112 = GmbHR 1995, 141; BFH v. 14.12.1994 – X R 128/92, BStBl. II 1995, 465 = GmbHR 1995, 542; BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 = FR 1993, 848. 2 Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 595 ff. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 301 m.w.N., Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 121. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 310; Schuhmann in Dankmeyer/Giloy, § 16 EStG Rz. 150. 5 Zwingend ist dies aber nicht; es genügt, dass der Wert des Betriebsvermögens nach den Grundsätzen der §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG rechnerisch ermittelt oder geschätzt wird; Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 646 m.w.N.
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Anteilsübertragung
(2) Besteuerung nach der Fünftel-Regelung Der ermittelte Veräußerungsgewinn unterliegt der begünstigten Besteuerung nach § 34 EStG. Hiernach sind zwei Arten einer begünstigten Besteuerung denkbar: eine Besteuerung nach der sog. Fünftel-Regelung und eine Besteuerung zum (fast) halben Steuersatz.
8.46
Die Fünftel-Regelung bietet allerdings nur in seltenen Fällen spürbare Entlastung. Sie bedeutet nicht etwa, wie man dem Begriff nach vermuten könnte, dass lediglich ein Fünftel des Veräußerungsgewinns besteuert wird. Vielmehr wird nach der Fünftel-Regelung die Steuer auf den Veräußerungsgewinn in der Weise ermittelt, dass ein Fünftel des Veräußerungsgewinns den laufenden Einkünften hinzugerechnet wird und die durch diese Hinzurechnung entstehende Mehrsteuer wiederum mit 5 multipliziert wird.1 Zum besseren Verständnis mag nachfolgendes Berechnungsbeispiel dienen.2
8.47
Beispiel Der alleinstehende Steuerpflichtige hat ordentliche Einkünfte von 50 000 Euro und außerordentliche Einkünfte aus der Veräußerung seiner KG-Beteiligung von 200 000 Euro. Die Einkommensteuer auf die ordentlichen Einkünfte betrage laut Grundtabelle 12 780 Euro. Die Einkommensteuer auf die ordentlichen Einkünfte zuzüglich 1/5 der außerordentlichen Einkünfte, somit auf 90 000 Euro, betrage 29 561 Euro. Daraus ergeben sich Mehrsteuern von 16 781 Euro. Diese ergeben durch Multiplikation mit 5 die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn, somit 83 905 Euro.
8.48
Die Fünftel-Regelung soll vor allem Progressionsvorteile bieten. Es soll insbesondere vermieden werden, dass der veräußernde Unternehmer mit seinen im Jahr der Betriebsveräußerung ungewöhnlich hohen Einkünften in den Höchststeuersatz gehoben wird. Sie entlastet damit aber nur denjenigen, der mit seinen ordentlichen Einkünften in niedrigerer Progression liegt. Wer bereits mit seinen ordentlichen Einkünften nach dem Höchststeuersatz besteuert wird, erhält hingegen keine Entlastung. Auch kann die Fünftel-Regelung demjenigen keine Vorteile bringen, der einen derart hohen Veräußerungsgewinn realisiert, dass auch die Zurechnung von nur einem Fünftel zu den ordentlichen Einkünften zur Höchstbesteuerung führt. Gerade bei der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen ist dies meist der Fall.
8.49
(3) Besteuerung nach „halbem“ Steuersatz Steuerlich attraktiv wird daher die Veräußerung eines KG-Anteils allenfalls bei Anwendung der zweiten in § 34 Abs. 3 EStG angebotenen Begünstigung, der Besteuerung mit dem durchschnittlichen halben Steuersatz, genauer: mit 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes. Jedoch kann diese Begünstigung nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden. Allerdings sind Veräußerungen unter Inanspruchnahme des halben Steuersatzes vor dem 1.1.2001 unschädlich.3 Damit die Begünstigung des halben Steuersatzes nicht sinnlos verbraucht, sondern für eine Veräuße1 Wacker in Schmidt, § 34 EStG Rz. 56; Gänger in Bordewin/Brandt, § 34 EStG Rz. 43. 2 Weitere Berechnungsbeispiele s. H 34.2 EStH 2014. 3 § 52 Abs. 47 Satz 7 EStG a.F.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
rung anderen Betriebsvermögens mit voraussichtlich höherem Veräußerungsgewinn vorbehalten werden kann, wird sie nur auf Antrag gewährt. Voraussetzung der Inanspruchnahme des halben Steuersatzes ist aber weiterhin, dass der Steuerpflichtige im Veräußerungszeitpunkt entweder mindestens 55 Jahre alt oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Zudem ist die Begünstigung auf einen Gewinn von maximal 5 Mio. Euro begrenzt. Außerdem wird mindestens der im jeweiligen Veranlagungszeitraum geltende Eingangssteuersatz angesetzt. Er beträgt seit dem Jahr 2009 14 %. 8.51
Unter den gleichen Voraussetzungen, aber unabhängig vom Antrag auf Besteuerung nach dem halben Steuersatz gewährt § 16 Abs. 4 EStG dem Veräußerer des Mitunternehmeranteils einen Freibetrag von 45 000 Euro, der allerdings um denjenigen Betrag gemindert wird, um den der Veräußerungsgewinn einen Betrag von 136 000 Euro übersteigt. Auch dieser Freibetrag kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden und wird daher nur auf Antrag gewährt. (4) § 6b-Rücklage
8.52
Besonders in Fällen, in denen die Fünftel-Regelung zu keinen Entlastungen führt und der halbe Steuersatz nicht in Anspruch genommen werden kann oder soll, kann sich die Inanspruchnahme einer § 6b-Rücklage empfehlen. Nach der Regelung des § 6b EStG ist der Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter (insbesondere Grund und Boden, Gebäude und in beschränktem Rahmen Anteile an Kapitalgesellschaften) unter besonderen Voraussetzungen (Vorbesitzzeit) auf privilegierte Reinvestitionsobjekte übertragbar. Die Begünstigung ist gesellschafterbezogen.1 Da der Gesellschaftsanteil steuerlich als ideeller Anteil an den zum Gesamthandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern qualifiziert wird, kann der Veräußerer des Mitunternehmeranteils den auf die nach § 6b EStG privilegierten Objekte entfallenden Gewinn in einen Sonderposten mit Rücklageanteil einstellen und bei späterer Investition in bestimmte andere oder neue Wirtschaftsgüter auf diese Reinvestitionsobjekte übertragen. Eine Besteuerung des auf die privilegierten Wirtschaftsgüter entfallenden Teils des Gewinns wird insoweit vermieden. Allerdings führt die im Regelfall nur teilweise Inanspruchnahme der § 6b-Rücklage dazu, dass die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG insgesamt entfällt, also auch nicht für den Gewinn aus der anteiligen Veräußerung der nicht unter § 6b EStG fallenden Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden kann (§ 34 Abs. 3 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG). (5) Option zur Zuflussbesteuerung
8.53
Erhält der Veräußerer als Kaufpreis wiederkehrende Bezüge, so kann er alternativ zu der nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigten Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns (mit laufender Besteuerung der in den Bezügen enthaltenen Ertragsanteile als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) EStG) zu einer nicht begünstigten Zuflussbesteuerung optieren. Er hat dann die Bezüge in vollem Umfang (also nicht nur mit dem Ertragsanteil) als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zuflusszeitpunkt nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zu versteuern, 1 Loschelder in Schmidt, § 6b EStG Rz. 4; Förster, FR 2002, 649.
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Anteilsübertragung
wobei die Steuerpflicht erst dann entsteht, wenn die Bezüge in der Summe den Buchwert zuzüglich Veräußerungskosten übersteigen und somit Gewinn darstellen. Der in den wiederkehrenden Bezügen enthaltene Zinsanteil stellt nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings schon vorher, nämlich im Zeitpunkt des Zuflusses, nachträgliche Betriebseinnahmen dar.1 Voraussetzung des Wahlrechts zur Zuflussbesteuerung ist, dass die Bezüge wagnisbehaftet sind.2 Dies ist jedenfalls bei einer Leibrente der Fall. Die Finanzverwaltung3 gewährt in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH4 das Wahlrecht aber auch dann, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wurde, die Raten länger als zehn Jahre zu zahlen sind und eindeutig der Versorgung des Veräußerers dienen, sowie bei einer Zeitrente mit langer, nicht mehr überschaubarer Laufzeit, die der Versorgung des Veräußerers dient.5 Das Wahlrecht ist (vorsorglich) spätestens mit Abgabe der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum der Veräußerung auszuüben.6 bb) Besteuerung des Erwerbers Dem Erwerber bringt der Anteilserwerb in der Regel steuerliche Vorteile. Er schafft durch seine Investition AfA-Volumen und kann durch Abschreibungen in den Folgejahren seine Steuerlast mindern.
8.54
Obwohl der Erwerber den von ihm entrichteten Kaufpreis vorrangig an dem Barwert der ihm voraussichtlich zukünftig zufließenden Erträge aus der Beteiligung und allenfalls sekundär am Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter der Gesellschaft orientiert haben wird, wird nicht der Anteil als solcher abgeschrieben, sondern die Beteiligung des Erwerbers an den einzelnen Wirtschaftsgütern. Hierzu ist der von ihm investierte Betrag, in steuerlicher Terminologie seine Anschaffungskosten (Kaufpreis zuzüglich Erwerbskosten), auf seine Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern zu verteilen. Technisch geschieht dies in der Weise, dass der Erwerber zunächst die Buchwerte und das damit verbundene Abschreibungspotential des Veräußerers übernimmt. Hierbei handelt es sich insbesondere um die anteiligen Buchwerte der Gesamthandsbilanz sowie die Buchwerte der vom Veräußerer eventuell weiterhin übernommenen Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens. Überschreiten aber seine Anschaffungskosten die vom Veräußerer übernommenen anteiligen Buchwerte, sind diese entsprechend aufzustocken. Um die Darstellung der Gesamthandsbilanz, die alle Gesellschafter betrifft und nicht zwischen einzelnen Gesellschaftern differenziert, nicht zu beeinträchtigen, geschieht dies in einer sog. Ergänzungsbilanz. Der anteilige Buchwert in der Gesamthandsbilanz plus der
8.55
1 R 16 Abs. 11 EStR 2012; BMF v. 3.8.2004 – IV A 6 - S 2244 - 16/04, DStR 2004, 1428. 2 Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 95; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 222. 3 H 16 Abs. 11 EStH 2014. 4 BFH v. 12.6.1968 – IV 254/62, BStBl. II 1968, 653; BFH v. 30.1.1974 – IV R 80/70, BStBl. II 1974, 452; BFH v. 26.7.1984 – IV R 137/82, BStBl. II 1984, 829 = FR 1985, 21; BFH v. 11.8. 2011 – VIII B 34/11, BFH/NV 2011, 2039. 5 Vgl. Neu, DStR 2003, 61 (66); kritisch hierzu Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 225; Richter/Richter, DB 1995, 1098. 6 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 226; a.A. Schuhmann in Dankmeyer/Giloy, § 16 EStG Rz. 208; Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 312: bis zur Bestandskraft.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Buchwert in der Ergänzungsbilanz ergibt den dem Erwerber zuzurechnenden Gesamtbuchwert und damit bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern sein individuelles Abschreibungsvolumen.1 8.56
Allerdings ist eine Aufstockung der (anteiligen) Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter nur bis zur Höhe ihrer (anteiligen) Teilwerte möglich. Die Anschaffungskosten liegen aber häufig darüber. Eine anhand eines Gesamtbewertungsverfahrens wie der Ertragswertmethode orientierte Investitionsentscheidung geht gerade davon aus, dass das Ganze meist mehr wert ist als die Summe seiner Teile. Dies führt dazu, dass in der Ergänzungsbilanz auch Werte für Wirtschaftsgüter aktiviert werden, die in der Gesamthandsbilanz nicht erscheinen, die aber vom Erwerber mit bezahlt wurden. Hierbei handelt es sich insbesondere um selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wie Patente und Markenrechte und den selbst geschaffenen Firmenwert. Da diese Wirtschaftsgüter von der Gesellschaft selbst geschaffen und nicht entgeltlich von Dritten erworben wurden, unterliegen sie für die Gesellschaft dem aus § 5 Abs. 2 EStG abzuleitenden Aktivierungsverbot. Der Erwerber aber hat auch diese Wirtschaftsgüter anteilig erworben und hat den auf sie entfallenden Wert deshalb in seiner Ergänzungsbilanz zu erfassen.
8.57
Unterschiedliche Auffassungen werden zur Verteilung des Mehrbetrags auf die einzelnen bilanzierten und nicht bilanzierten Wirtschaftsgüter einschließlich Firmenwert vertreten. Nach der sog. Stufentheorie sind zunächst die bilanzierten Wirtschaftsgüter bis zur Höhe des anteiligen Teilwerts aufzustocken. Ein verbleibender Mehrbetrag an Anschaffungskosten ist sodann auf nicht bilanzierte, abnutzbare immaterielle Einzelwirtschaftsgüter zu verteilen. Danach ist ein Firmenwert zu aktivieren und, sofern dann immer noch ein Mehrbetrag übrig sein sollte, hat auch eine Aktivierung der nicht abnutzbaren immateriellen Einzelwirtschaftsgüter zu erfolgen.2 Vorzugswürdig erscheint hingegen eine Aufstockung entsprechend der sog. modifizierten Stufentheorie. Hiernach ist der Mehrbetrag auf alle Wirtschaftsgüter, die bilanzierten und nicht bilanzierten, sowie den Firmenwert proportional oder nach dem Verhältnis ihrer Teilwerte zu verteilen.3 Eine solche Verteilung erscheint angemessen, weil der Erwerber genauso wie die bilanzierten Wirtschaftsgüter auch die nicht bilanzierten Wirtschaftsgüter und einen eventuellen Firmenwert erworben hat.4
8.58
Liegen die Anschaffungskosten unter dem Buchwert, sind die Buchwerte der bilanzierten Wirtschaftsgüter in einer negativen Ergänzungsbilanz anteilig herabzusetzen.5 Der Ansatz eines negativen Geschäftswerts wird hingegen nicht für zulässig 1 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 460 ff. 2 BFH v. 28.3.1966 – VI 320/64, BStBl. II 1966, 456; BFH v. 7.11.1986 – IV R 7/83, BStBl. II 1986, 176; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 488 f.; Herzig, DB 1990, 133 (134). 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 490 m.w.N.; Hörger/Stobbe, DStR 1991, 1230; Siegel, DStR 1991, 1478; Trompeter, BB 1996, 2494 (2497); Ley, KÖSDI 2001, 12982 (12987); Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 163. 4 Konsequenterweise müsste im Zuge der Verteilung entsprechend der Teilwerte auch eine Abstockung bilanzierter Wirtschaftsgüter in der Ergänzungsbilanz erfolgen können. 5 BFH v. 2.2.1994 – I R 10/93, BStBl. II 1994, 768 (770) = GmbHR 1994, 420; BFH v. 24.10.1996 – IV R 90/94, BStBl. II 1997, 241 = GmbHR 1997, 459.
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Anteilsübertragung
erachtet.1 Dies gilt auch dann, wenn der Minderbetrag höher ist als das Abstockungsvolumen. Der nach Abstockung noch verbleibende Minderbetrag wird dann vielmehr als besonderer Ausgleichsposten in der Ergänzungsbilanz passiviert und in den Folgejahren gewinnerhöhend gegen anteilige Verluste aus der Beteiligung aufgelöst.2 b) Negatives Kapitalkonto Das Kapitalkonto des Kommanditisten kann genauso wie das Kapitalkonto eines Komplementärs negativ werden, nämlich durch Zuweisung von Verlusten und durch (Über-)Entnahmen. Für den Komplementär bestimmt das negative Kapitalkonto unabhängig von seinem Entstehungsgrund den Umfang seiner Nachschusspflicht gegenüber seinen Mitgesellschaftern im Rahmen der Liquidation. Den Kommanditisten trifft eine solche Nachschusspflicht im Innenverhältnis nur in Höhe seiner Entnahmen, es sei denn, diese waren ihm durch gesellschaftsvertragliche Gewährung von Sonderentnahmerechten gestattet. Gegenüber Gläubigern der Gesellschaft haftet er allerdings nur, soweit ihm durch die Entnahmen seine Einlage zurückgewährt wurde (§ 172 Abs. 4 HGB), wobei diese Außenhaftung bis zur Höhe seiner Haftsumme freilich genauso besteht, wenn ihm aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abreden keine Nachschusspflicht bei einlagemindernden Entnahmen trifft.
8.59
Verkauft der Kommanditist seinen Anteil mit einem durch Entnahmen entstandenen negativen Kapitalkonto – aufgrund stiller Reserven kann der Wert durchaus positiv sein –, so übernimmt der Erwerber die Nachschusspflicht.3 Gleiches gilt, wenn der Komplementär seinen Anteil mit negativem Kapitalkonto veräußert, allerdings unabhängig davon, ob dieses durch Entnahme oder Verlust entstanden ist. Die Übernahme dieser Schuld ist als Kaufpreis zu qualifizieren, so dass zur Ermittlung des Veräußerungserlöses des Verkäufers und der Anschaffungskosten des Erwerbers das negative Kapitalkonto dem im Übrigen im Kaufvertrag vereinbarten Entgelt, insbesondere einem vereinbarten Barpreis, hinzuzurechnen ist.4 Die Versteuerung des „mitverkauften“ negativen Kapitalkontos erscheint angemessen, weil der Veräußerer seine Entnahmen steuerfrei erhalten hat, der Erwerber aber zukünftige Gewinne, die er zum Ausgleich des übernommenen negativen Kapitalkontos verwendet, seinerseits zu versteuern hat und damit auf ein höheres Abschreibungsvolumen angewiesen ist. Gleiches gilt, wenn das negative Kapitalkonto eines Komplementärs durch Verluste entstanden ist. Dann hat er nämlich diese Verluste bereits durch Verrechnung mit sonstigen Einkünften steuerlich ef-
8.60
1 BFH v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745 (747) = GmbHR 1994, 818; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 511; Schuhmann, StBP 1999, 206; a.A. Knobbe-Keuk, Bilanzund Unternehmenssteuerrecht, § 23 I 3b), wonach eine Abstockung nur bis zum Teilwert der Wirtschaftsgüter zu erfolgen hat, im Übrigen aber ein negativer Geschäftswert anzusetzen ist. 2 BFH v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745 (747) = GmbHR 1994, 818; Reiß, Stbg 1999, 417 (420); Thiele, FR 1998, 157. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 498. 4 BFH v. 16.12.1992 – XI R 34/92, BStBl. II 1993, 436 = FR 1993, 334; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 497; Hörge/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 157; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rz. 319.
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fektuieren können oder es sind ihm Verlustvorträge entstanden, die er auch im Rahmen der Veräußerung steuerlich nutzen kann. 8.61
Soweit hingegen das negative Kapitalkonto eines Kommanditisten durch Zuweisung von Verlusten der Gesellschaft entstanden ist, haftet er weder Gläubigern noch seinen Mitgesellschaftern gegenüber. Eine quasi mittelbare Haftung ergibt sich für ihn jedoch dadurch, dass zukünftige Gewinne der Gesellschaft zunächst zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos und zum Wiederaufbau der Einlage zu verwenden sind, bis sie dem Kommanditisten zur Verfügung stehen (§§ 167 Abs. 3, 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB).
8.62
In steuerlicher Hinsicht ist insoweit die Sonderregelung zur Berücksichtigung von Verlusten eines Kommanditisten in § 15a EStG zu beachten. Während ein Komplementär sämtliche ihm zugewiesenen Gesellschaftsverluste, insbesondere also auch solche, die zur Entstehung eines negativen Kapitalkontos geführt haben, zum Ausgleich mit anderen Gewinnen und Überschüssen verwenden kann, ist dies dem Kommanditisten durch § 15a EStG versagt. Für ihn sind derartige Verluste nur mit zukünftigen Gewinnen aus seiner Beteiligung verrechenbar (§ 15a Abs. 2 EStG). Bis dahin werden sie quasi als Verlustguthaben „geparkt“, was gesondert festgestellt wird (§ 15a Abs. 4 Satz 1 EStG – vgl. hierzu ausführlich Rz. 6.391 ff.). Was die Veräußerung eines Anteils mit durch Verluste entstandenem negativen Kapitalkonto angeht, entsteht, auch soweit die Verluste nur verrechenbar sind, ein Gewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos und der übrigen vereinbarten Entgelte.1 Dem Erwerber entstehen in entsprechender Höhe Anschaffungskosten. Jedoch mindert sich der Gewinn des Veräußerers insgesamt um die gesondert festgestellten verrechenbaren Verluste (§ 15a Abs. 2 EStG). Ist etwa aufgrund zwischenzeitlicher Einlagen auf das negative Kapitalkonto der sich daraus ergebende Gewinn niedriger als das verrechenbare Verlustguthaben, kann der Rest mit dem aus den übrigen Entgelten entstandenen Gewinn verrechnet werden. Sind auch danach noch verrechenbare Verluste übrig, werden diese zu ausgleichsund abzugsfähigen Veräußerungsverlusten, mindern also andere gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus anderen Einkunftsarten.2 c) Teilanteil
8.63
Bei Veräußerung eines Teilanteils besteht die Besonderheit, dass der oder die Gesellschafter, die einen Bruchteil ihres Gesellschaftsanteils verkaufen, Gesellschafter bleiben. Der Gesellschafterkreis wird erweitert. Hierzu gründen – aus der Perspektive des Steuerrechts – die bisherigen Gesellschafter mit dem Erwerber eine neue Gesellschaft und bringen in diese ihre Mitunternehmeranteile ein.3 Die Einbringung erfolgt dann teils auf eigene Rechnung, nämlich in dem Maße, in dem sie ihren Gesellschaftsanteil behalten wollen, und teils auf Rechnung des Erwerbers, nämlich in Höhe des verkauften Bruchteils. Als Gegenleistung für die Einbringung 1 Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 224; a.A. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15a EStG Rz. B332. 2 FG Köln v. 22.8.1995 – 2 K 5441/90, EFG 1995, 1054; Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 224; Kempermann, StbJb. 96/97, 317 (322); Kempf/Hillringhaus, DB 1996, 12. 3 BFH v. 6.7.1999 – VIII R 17/95, BFH/NV 2000, 34; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 562.
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Anteilsübertragung
gewährt die Gesellschaft den Gesellschaftern Gesellschaftsrechte. Auch der Erwerber erhält Gesellschaftsrechte, denn auch für ihn haben die veräußernden Altgesellschafter einen Bruchteil ihrer Beteiligung in die Gesellschaft eingebracht. Die Einbringung der Mitunternehmeranteile kann steuerneutral zu Buchwerten, genauso aber auch unter Auflösung stiller Reserven zu Teil- oder Zwischenwerten erfolgen. § 24 UmwStG gewährt insoweit ein Wahlrecht. Diejenigen Altgesellschafter, die einen Teil ihrer Mitunternehmeranteile auf Rechnung und zugunsten des Erwerbers einbringen, tun dies jedoch i.d.R. nicht ohne Rechtsgrund und insbesondere nicht ohne hierfür vom Erwerber ein entsprechendes Entgelt zu erhalten. Der Einbringung geht vielmehr ein Verpflichtungsgeschäft voraus, in welchem sich der Erwerber gegenüber dem oder den Altgesellschaftern zu einer Gegenleistung für die von diesem zu seinen Gunsten erbrachte Einlage verpflichtet. Hierdurch entsteht den Altgesellschaftern ein Veräußerungsgewinn in Höhe des Veräußerungserlöses abzüglich Veräußerungskosten und abzüglich der dem zugunsten des Erwerbers eingebrachten Bruchteil entsprechenden Buchwerte. Ob die in Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts erfolgte Einbringung zu Buch-, Teil- oder Zwischenwerten geschieht, ist für die Berechnung des Gewinns unbeachtlich. Wohl aber kann die Ausübung des Wahlrechts im Rahmen der Einbringung Bedeutung für die Frage der Begünstigung der Bruchteilsveräußerung nach § 34 i.V.m. § 16 EStG (Fünftel-Regelung oder „halber“ Steuersatz) erlangen.
8.64
Nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG ist nur noch die Veräußerung eines ganzen Mitunternehmeranteils begünstigt. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teilanteils ist laufender Gewinn mit der Folge, dass er – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung1 – auch der Gewerbesteuer unterliegt.
8.65
Erfolgt hingegen die Einbringung in Ausübung des Wahlrechts nach § 24 UmwStG zu Teilwerten, so werden sämtliche stillen Reserven aufgelöst mit der Folge, dass die Begünstigung des § 34 EStG in Anspruch genommen werden kann. Jedoch handelt es sich nicht um die Veräußerung eines ganzen Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern aufgrund der Veräußerung des Mitunternehmeranteils an zwei Erwerber, nämlich im ersten Schritt an den Neugesellschafter und im zweiten Schritt an die Gesellschaft, um eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 3 EStG. Hinsichtlich des Bruchteils, den die Gesellschafter im zweiten Schritt auf eigene Rechnung einbringen, nimmt ihnen § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG jedoch wieder die Begünstigung. Hiernach gilt der durch den Teilwertansatz entstandene Einbringungsgewinn im Umfang der Beteiligung der bisherigen Gesellschafter an der erweiterten Gesellschaft als nicht begünstigter laufender Gewinn.2
8.66
Der Ausgleich zwischen Altgesellschaftern und Erwerbern kann jedoch auch in anderer Weise und steuerneutral erfolgen. Hierzu müssen die Beteiligten allerdings
8.67
1 BMF v. 15.5.2002 – IV A 5 - S 2296a - 16/02, BStBl. I 2002, 533 Rz. 10; R 7.1 Abs. 3 Satz 6 GewStR 2009. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.16; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 563; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 248.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
von einem Verkauf im eigentlichen Sinne und insbesondere von der Vereinbarung von Zahlungen ins Privatvermögen der Altgesellschafter absehen. Stattdessen bringen die Altgesellschafter ihre Mitunternehmeranteile ausschließlich auf eigene Rechnung in das Gesamthandsvermögen der mit dem Neugesellschafter neu gegründeten Gesellschaft ein.1 Der Neugesellschafter erbringt seinerseits – regelmäßig in bar – eine wertentsprechende Einlage. 8.68
Bei dieser Gestaltung steigt freilich der Liquiditätsbedarf des Eintretenden, und die Altgesellschafter haben keinen Zugriff auf das in das Gesamtvermögen eingelegte und dort gebundene Geld. Zwar könnte das Geld bei Einvernehmen der Gesellschafter nach der Einlage durch den Neugesellschafter (auch) von den Altgesellschaftern entnommen werden. Jedoch qualifiziert die Finanzverwaltung die Gestaltung bei zeitnaher Entnahme der Bareinlage als steuerpflichtigen Bruchteilsverkauf.2 Die Gestaltung kann sich aber anbieten, wenn in der Gesellschaft ohnehin Investitionsbedarf besteht, der ansonsten durch Nachschüsse aller Gesellschafter gedeckt werden müsste. Allerdings wird die Gestaltung in der Praxis nur dann in Betracht kommen, wenn alle Gesellschafter bereit sind, Bruchteile ihrer Beteiligung an den Neugesellschafter abzugeben, da ansonsten auch die nichtveräußerungswilligen Altgesellschafter Bareinlagen erbringen müssten, um ihre bisherige Beteiligungshöhe zu halten. d) Sonderbetriebsvermögen
8.69
Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens gehören zum Mitunternehmeranteil.3 Werden sie zusammen mit dem Gesellschaftsanteil veräußert, ist der dabei entstehende Gewinn insgesamt nach § 34 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begünstigt zu versteuern.
8.70
Wird hingegen das Sonderbetriebsvermögen in zeitlicher Nähe zur Veräußerung des Gesellschaftsanteils oder gleichzeitig mit dieser in ein anderes Betriebsvermögen des Veräußerers – etwa in eine zu diesem Zweck gegründete gewerblich geprägte Personengesellschaft – überführt, was nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 EStG steuerneutral möglich ist, so kann die Begünstigung nicht in Anspruch genommen werden, da mangels Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens nicht der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert wird.4 Dies gilt allerdings nur, wenn das Sonderbetriebsvermögen für die Gesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Unwesentliche Betriebsgrundlagen – etwa ein Pkw – können in ein anderes Betriebsvermögen überführt werden, ohne dass die Begünstigung der Anteilsveräußerung entfällt. Eine Betriebsgrundlage ist wesentlich, wenn sie entweder funktional wesentlich ist – so häufig auch die Beteiligung eines Kommandi1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 562. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24. 11. 3 BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180 = GmbHR 1998, 50; BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383 = GmbHR 1998, 604; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 198; a.A. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG C 52. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 414; s. aber BFH v. 9.11.2011 – X R 60/09, BStBl. II 2012, 638 = GmbHR 2012, 588 sowie – allerdings zu § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG – BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann.
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Anteilsübertragung
tisten an der Komplementär-GmbH (sog. Sonderbetriebsvermögen II) – oder erhebliche stille Reserven enthält.1 Wird allerdings in einem einheitlichen Vorgang das betriebswesentliche Sonderbetriebsvermögen steuerpflichtig ins Privatvermögen entnommen oder an einen anderen Erwerber verkauft, so kann wiederum die Begünstigung für die Anteilsveräußerung in Anspruch genommen werden.2 Zwar wird auch hier nicht der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert, so dass § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG keine Anwendung findet. Jedoch handelt es sich, da durch die Veräußerung des Gesellschaftsanteils und die Entnahme des Sonderbetriebsvermögens sämtliche stillen Reserven des Mitunternehmeranteils aufgelöst werden, um eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 3 EStG, die ebenso nach § 34 EStG begünstigt ist. Zur Ermittlung des begünstigten Gewinns ist der gemeine Wert des Sonderbetriebsvermögens dem Veräußerungserlös hinzuzurechnen (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG). Vergisst also bspw. ein Kommanditist, gleichzeitig mit seinem Kommanditanteil auch seinen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH zu verkaufen, so beschränkt sich sein (eventueller) steuerlicher Nachteil auf die Entnahme des GmbH-Geschäftsanteils, die Begünstigung der Veräußerung des KG-Anteils bleibt ihm hingegen erhalten.
8.71
e) Sonstige Steuerarten aa) Gewerbesteuer Soweit es sich bei den Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen um Einkünfte i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt, unterliegen diese nicht der Gewerbesteuer. Anderes gilt jedoch, wenn der Mitunternehmeranteil nicht unmittelbar von einer natürlichen Person, sondern etwa von einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft3 gehalten wird (§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Gewinn aus Teilanteilsveräußerungen als laufender Gewinn zu qualifizieren und daher gewerbesteuerpflichtig.4 Um laufende und deshalb nicht von der Gewerbesteuer befreite Gewinne handelt es sich schließlich bei Gewinnen aus solchen Geschäften, bei denen auf Veräußerer- und Erwerberseite dieselben Personen stehen (§ 16 Abs. 2 Satz 3 EStG sowie § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Schließlich begründet auch § 18 Abs. 3 UmwStG eine Gewerbesteuerpflicht bei Veräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und damit auch in eine GmbH & Co. KG.
8.72
Gewerbesteuerschuldner ist die Personengesellschaft selbst (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Das geht zulasten des Gewinns der übrigen Gesellschafter, verschafft
8.73
1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 414; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 198a. 2 BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 = FR 1998, 887; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 199. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 8; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rz. 16; Förster, FR 2002, 653; Füger/Rieger, DStR 2002, 933. 4 BMF v. 15.5.2002 – IV A 5 - S 2296a, BStBl. I 2002, 533 Rz. 10; R 7.1 Abs. 3 S. 6 GewStR 2009.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
diesen gleichzeitig allerdings auch wegen der Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrages entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel Anrechnungsvolumen gem. § 35 EStG. Vor allem bei der Kaufpreisbestimmung sollten die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft sowie etwaige gesellschaftsvertragliche Ausgleichsregelungen Berücksichtigung finden. bb) Umsatzsteuer 8.74
Die Veräußerung der KG-Anteile (inklusive der Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH) ist im Regelfall nicht umsatzsteuerbar. Meist fehlt es bereits an der Unternehmenseigenschaft des veräußernden Gesellschafters und der Zugehörigkeit der Anteile zu seinem umsatzsteuerlichen Unternehmen.1 Anderes könnte jedoch gelten, wenn der Gesellschafter für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder eine Geschäftsführertätigkeit ein Entgelt2 erhält.3 Doch auch in diesem Fall könnte einer Steuerbarkeit § 1 Abs. 1a UStG entgegenstehen, wonach eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Hierzu wäre u.E. allerdings Voraussetzung, dass der Erwerber nicht nur den Anteil erhält, sondern auch in das Rechtsverhältnis eintritt, welches zur Zuordnung des Anteils zum Unternehmen des Gesellschafters geführt hat.4 Ausnahmsweise steuerbare Umsätze aus Anteilsveräußerungen sind zudem nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG von der Umsatzsteuer befreit.5 cc) Grunderwerbsteuer
8.75
Grunderwerbsteuer kann anfallen, wenn mindestens 95 % aller Anteile an der Gesellschaft übertragen werden oder die Veräußerung dazu führt, dass sich mindestens 95 % aller Anteile in einer Hand vereinigen (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Hierbei werden auch mittelbare Beteiligungen erfasst, sofern diese ihrerseits zu mindestens 95 % gehalten werden (§ 1 Abs. 3a GrEStG).6 Gleiches gilt auch, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar7 der1 Insbesondere begründet die Beteiligung an der KG, ihr Erwerb, die Beteiligungsverwaltung und ihre Veräußerung für sich noch keine unternehmerische Tätigkeit; Abschnitt 2.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE; EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-442/01, DB 2003, 1611; EuGH v. 21.10. 2004 – C-8/03, IStR 2004, 862. 2 Hingegen macht eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung den Gesellschafter nicht zum Unternehmer (s. allerdings den Vorsteuerabzug betreffend, Abschnitt 15.20 Abs. 1 Satz 5 UStAE). 3 In diesem Sinne wohl Farle, in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 39 Rz. 69 mit Verweis auf Abschnitt 2.3 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 UStAE; Einzelheiten hierzu sind derzeit streitig, diskutiert wird die Frage vorrangig im Hinblick auf eine Vorsteuerabzugsberechtigung (Sterzinger, DStR 2013, 1309), u.E. sollte eine solche Leistungsbeziehung regelmäßig noch keine Zuordnung der Beteiligungen zum umsatzsteuerlichen Unternehmen begründen. 4 In diese Richtung wohl Abschnitt 1.5. Abs. 9 Satz 1–3 UStAE und EuGH v. 30.5.2013 – C-651/11, DStR 2013, 1166. Der BFH v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 qualifiziert auch die Übertragung einer 100 %-Beteiligung als Veräußerung im Ganzen. Ausführlicher hierzu Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 1 UStG Rz. 185; Robisch in Bunjes, § 1 UStG Rz. 135. 5 Abschnitt 4.8.10 UStAE. 6 Behrens, DStR 2013, 1405. 7 Nach BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 (= GmbHR 2013, 822 m. Komm. Klass) war ein mittelbarer Gesellschafterwechsel nur dann zu berücksichtigen, wenn sich
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Anteilsübertragung
gestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a GrEStG); Steuerschuldner ist dann die Gesellschaft (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Anteilserwerbe von Todes wegen bleiben hierbei allerdings außer Betracht (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG).
3. Steuerliche Auswirkungen des Verkaufs des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH Der Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils an der KomplementärGmbH unterliegt dem Teileinkünfteverfahren und ist daher ungeachtet seiner Zugehörigkeit zum (Sonder-)Betriebsvermögen nur zu 60 % einkommensteuerpflichtig (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) und b) EStG). Eine Begünstigung nach § 34 EStG kommt insoweit allerdings nicht in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Wird der Geschäftsanteil von einer Kapitalgesellschaft als Mitunternehmer gehalten, ist der Gewinn sogar zu 95 % steuerfrei (§ 8b Abs. 2, 3 und 6 KStG).1
8.76
4. Schenkung Die GmbH & Co. KG ist beliebtes Gestaltungsmittel für Maßnahmen vorweggenommener Erbfolge. Dies vor allem, seitdem auch lediglich vermögensverwaltende Gesellschaften kraft Eintragung im Handelsregister Kommanditgesellschaft werden können (§ 105 Abs. 2 HGB) und der BGH eine Haftungsbeschränkung in der GbR nur noch durch individualvertragliche Abreden mit den Gläubigern, nicht aber mehr durch den Zusatz „mbH“ zulässt.2 Die GmbH & Co. KG gewährt eine hohe Flexibilität bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages insbesondere im Hinblick auf die Gewährung von Sonderrechten. Da sie gleichzeitig eine Haftungs-
der Gesellschafterbestand der an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaften innerhalb von 5 Jahren vollständig änderte. Die Finanzverwaltung belegte das Urteil mit einem Nichtanwendungserlass (gleichlautender Ländererlass v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278). Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wird § 1 Abs. 2a GrEStG dahingehend ergänzt, dass mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften anteilig zu berücksichtigen sind, dass aber unmittelbar oder mittelbar (Prüfung auf jeder Beteiligungsebene) beteiligte Kapitalgesellschaften in vollem Umfang als neue Gesellschafter gelten, wenn an ihr mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, vgl. Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834 und Rz. 3.345. 1 Ausnahmen bestehen – vereinfacht – insbesondere bei vor dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren vorgenommener Teilwertabschreibung (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) Satz 2 EStG) sowie innerhalb einer siebenjährigen Sperrfrist bei Veräußerung einbringungsgeborener Anteile (§ 3 Nr. 40 Satz 3 EStG a.F., der aber nur noch für bis zum 12.12.2006 einbringungsgeborene Anteile nach § 21 UmwStG a.F. gilt bzw. galt). Beides wird bei klassischen Komplementär-GmbH selten der Fall sein. 2 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, GmbHR 1999, 1134 = NJW 1999, 3483. In steuerlicher Hinsicht kam für die Finanzverwaltung eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG aber nach wie vor in Betracht, wenn die GmbH & Co. GbR mit allen Geschäftspartnern, mit denen sie in vertraglicher Beziehung stand, individuell die Beschränkung ihrer Haftung vereinbarte. Nach Dornheim, DStR 2014, 13, hat die Finanzverwaltung diese Auffassung jedoch aufgrund entgegenstehender finanzgerichtlicher Rechtsprechung aufgegeben.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
beschränkung bieten kann, ist sie ideale Rechtsform für Familiengesellschaften.1 In ihrer klassischen Form ist sie zudem als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu qualifizieren. Das führt dazu, dass bei unentgeltlicher Anteilsübertragung durch Schenkungen oder im Erbwege der Zugang zu erbschaftsteuerlichen Privilegien für unternehmerisches Vermögen (§ 13a ErbStG) dem Grunde nach eröffnet ist. Der letztliche Erhalt dieser Privilegierungen ist allerdings an vielfältige Voraussetzungen, nach noch geltendem insbesondere die Einhaltung einer 50 %-Grenze für das Halten gesetzlich genauer definierten Verwaltungsvermögens, geknüpft (s. dazu ausführlich unter Rz. 8.135 ff.). Für die Komplementär-GmbH gilt: Zwar ist der Erwerb des Geschäftsanteils an einer GmbH grundsätzlich nur dann erbschaftsteuerlich begünstigt, wenn der Schenker oder Erblasser mit mehr als 25 % an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Gehört der GmbH-Anteil aber zum (Sonder-)Betriebsvermögen, was bei Anteilen an der Komplementär-GmbH regelmäßig der Fall ist, so erfasst die Begünstigung nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch den Geschäftsanteil an der GmbH, sofern dieser zusammen mit dem Mitunternehmeranteil übertragen wird.2 a) Formerfordernisse 8.78
Die Schenkung eines KG-Anteils bedarf – wie jedes Schenkungsversprechen – grundsätzlich nach § 518 Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung. Die Einhaltung der Form soll den Schenker vor übereilten Handlungen bewahren. Der Formmangel wird allerdings mit Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Dahinter steht die Vorstellung des Gesetzgebers, dass mit Hingabe des Geschenkes der damit verbundene Vermögensverlust ausreichend spürbar wird, was Warnung genug sein soll. Gerade bei der Schenkung eines Kommanditanteils erscheint dies allerdings fraglich, da ein Vollzug hier bereits in der Weise möglich ist, dass die Kommanditeinlage auf den Beschenkten formlos umgebucht wird.3
8.79
Problematisch erscheint angesichts zwar älterer, aber immer noch gültiger Aussagen höchstrichterlicher Rechtsprechung, die Schenkung von Komplementäranteilen. So qualifiziert der BGH die mit der Schenkung bspw. einer OHG-Beteiligung verbundene Übernahme der Haftung auch für Altverbindlichkeiten (§§ 128–130 HGB), die Beteiligung am Verlust (§§ 120, 121 HGB) sowie die Verpflichtung zur Geschäftsführung unter Einsatz der vollen Arbeitskraft (§ 114 HGB) als vollwertige Gegenleistung. Die Übertragung einer solchen Gesellschaftsbeteiligung mit persönlicher Haftung stelle deshalb keine Schenkung, auch keine gemischte Schenkung dar.4
8.80
Hiergegen ist zu Recht eingewandt worden, dass die Haftungs- und Verlustübernahme sowie die Geschäftsführertätigkeit keine Gegenleistung darstellen, sondern
1 Kirchdörfer/Lorz, DB 2004, Beilage 3; Spiegelberger, ZEV 2003, 391; von Oertzen/Hermann, ZEV 2003, 400. 2 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 116 m.w.N. 3 BGH v. 2.7.1990 – II ZR 243/89, NJW 1990, 2616. 4 BGH v. 21.4.1959 – VIII ZR 71/58, NJW 1959, 1433; BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, NJW 1981, 1956; Weidenkaff in Palandt, § 516 BGB Rz. 9a.
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Anteilsübertragung
der Komplementärstellung innewohnen.1 Für die Übernahme der Geschäftsführertätigkeit und teils auch für die Übernahme der persönlichen Haftung wird heute regelmäßig eine gesondert vereinbarte Vergütung gezahlt. Auch sind – wie der Markt seit vielen Jahren zeigt – Erwerber von Komplementärbeteiligungen trotz Übernahme der Haftung und Geschäftsführung durchaus bereit, einen Kaufpreis zu zahlen oder eine gleichwertige Einlage zu erbringen. Wer einen solchen, gewöhnlich zu zahlenden Kaufpreis nicht zu erbringen hat, erwirbt die Beteiligung jedenfalls insoweit unentgeltlich. In der Beratungspraxis ist die vorgenannte Rechtsprechung dennoch zu beachten. Soweit die schenkungsteuerlichen Vorschriften Anwendung finden sollen, empfiehlt es sich, sie ausdrücklich vertraglich zu vereinbaren. Sollen Minderjährige den KG-Anteil geschenkt erhalten, ist hierzu nach immer noch h.A. die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (s. hierzu bereits Rz. 2.212 ff.). Einer solchen bedarf es gem. § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1822 Nr. 3 BGB insbesondere zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird.2 Über den Wortlaut hinaus wird hierunter nicht nur der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages bei Gründung, sondern auch bei Eintritt eines Gesellschafters gefasst, selbst wenn der Eintritt durch unentgeltliche Anteilsübertragung im Wege der Sonderrechtsnachfolge erfolgt.3 Hiergegen ist mit guten Gründen eingewandt worden, dass der Gesetzgeber durchaus bewusst lediglich den Gründungsvertrag und den entgeltlichen Erwerb eines Erwerbsgeschäfts als genehmigungsbedürftig angesehen hat.4 Auch soll eine Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB jedenfalls in den Fällen nicht in Betracht kommen, in welchen bereits der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag die Anteilsübertragung an den Minderjährigen zustimmungsfrei stellt. Einer Änderung des Gesellschaftsvertrages (so der zweite Fall des § 1822 Nr. 3 BGB) bedarf es hier zur Wirksamkeit der Anteilsübertragung gerade nicht. Doch auch die Zustimmung selbst würde keine Änderung des Gesellschaftsvertrages darstellen.5 Die gleichen Argumente sprechen auch für die Genehmigungsfreiheit der Schenkung eines Komplementäranteils. Ungeachtet dessen sollte die Beratungspraxis nach wie vor von einer Genehmigungsbedürftigkeit ausgehen und vorsorglich bei derartigen Rechtsgeschäften die Genehmigung einholen.6 1 J. Koch in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 516 BGB Rz. 91; Mühl/Teichmann in Soergel, 12. Aufl. 1997, § 516 BGB Rz. 37. 2 BGH v. 30.4.1955 – II ZR 202/53, NJW 1955, 1067; Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 21. 3 Wagenitz in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 1822 BGB Rz. 16 f., 22 f.; Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 35 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, GmbHR 2008, 1262. 4 Damrau, ZEV 2000, 210, mit Hinweis auf Motive IV., S. 1154: „Da zu dem Erwerb eines Erwerbsgeschäfts durch Erbfolge oder Vermächtnis die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes nicht erforderlich ist, so ist es als angemessen erachtet, jenem Fall den Fall des Erwerbs eines Erwerbsgeschäftes durch Schenkung gleichzustellen.“ 5 Damrau, ZEV 2000, 210, mit dem weiteren Hinweis, dass die Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit formal auszulegen und Analogieschlüsse daher nicht statthaft sind. Bereits das BVerfG (BVerfG v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155 (170) = NJW 1986, 1859) habe gerade bei § 1822 Nr. 3 BGB eine analoge Anwendung zum Zwecke des Minderjährigenschutzes abgelehnt. 6 Nach Damrau, ZEV 2000, 209 (213), genügt die Einholung eines Negativattests (wie es Reichert/Ullrich in Reichert, GmbH & Co. KG, § 29 Rz. 61, empfiehlt) nicht, da dieses ein spä-
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.82
Soweit der gesetzliche Vertreter Mitgesellschafter ist oder selbst schenkt, ist wegen des Selbstkontrahierungsverbots der §§ 181, 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2 BGB die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB erforderlich (s. hierzu bereits Rz. 2.211). Nach Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung dürfen jedoch die Eltern als gesetzliche Vertreter die Gesellschaftsrechte ihrer Kinder ausüben. Der Begründung einer Dauerpflegschaft bedarf es nicht. Lediglich bei wesentlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind erneut die Bestellung eines Ergänzungspflegers und auch eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich.
8.83
Der Erwerb von GmbH-Anteilen ist grundsätzlich nicht als Erwerb eines Erwerbsgeschäfts i.S. des § 1822 Nr. 3 BGB anzusehen.1 b) Flankierende Gestaltungsmaßnahmen aa) Rückfallklauseln
8.84
Im Rahmen der Gestaltung von Maßnahmen vorweggenommener Erbfolge beschränkt sich der Schenkungsvertrag i.d.R. nicht auf das Versprechen der Anteilsübertragung. Vielmehr werden zusätzlich weitere Vereinbarungen getroffen, die vor allem die Altersversorgung des Schenkers sichern und die häufig als unzureichend empfundenen gesetzlichen Rückforderungsansprüche (Notbedarf, grober Undank) erweitern.
8.85
Durch die Aufnahme weiterer Rückfallklauseln in Form einer auflösenden Bedingung, eines Widerrufs oder eines Rücktrittsrechts kann für unerwartete und unerwünschte Entwicklungen oder Ereignisse Vorsorge getroffen werden. Zu den gängigsten Rückfallgründen gehören: – das Vorversterben des Beschenkten vor dem Schenker; – das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschenkten oder dessen Ablehnung mangels Masse; – die Einzelzwangsvollstreckung in den Schenkungsgegenstand; – die Veräußerung oder Belastung des geschenkten Vermögens durch den Beschenkten ohne Zustimmung des Schenkers; – die Scheidung des Beschenkten vom Schenker; – die Gewährung der schenkungsteuerlichen Verschonung des Erwerbs von unternehmerischem Vermögen (§§ 13a, b ErbStG).
8.86
Praxishinweis: Besonders vorsichtige Schenker wünschen gar einen freien Widerrufsvorbehalt, der grundsätzlich zulässig ist und einer unentgeltlichen Zuwendung auch nicht den Schenkungscharakter nimmt. Jedoch kann die Ausübung des Widerrufsrechts bei Schenkung von Unternehmensbeteiligungen gesellschaftsrechtlichen Schranken ausgesetzt sein. Steuerlich schließt der freie Widerrufsvorbehalt ter mit der Sache befasstes Gericht nicht bindet und die Genehmigung auch nicht ersetzt. Nach Auffassung von Damrau besteht sogar ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung. 1 Nach Zimmermann in Soergel, 13. Aufl. 2000, § 1822 BGB Rz. 17, besteht aber eine Genehmigungsbedürftigkeit dann, wenn eine Beteiligung erworben wird, die so groß ist, dass der Anteilsinhaber schon unternehmerisch tätig ist.
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Anteilsübertragung
die Qualifizierung der unentgeltlichen Zuwendung als Schenkung zwar nicht aus. Jedoch wird der Beschenkte mit seiner Gesellschaftsbeteiligung ertragsteuerlich nicht als Mitunternehmer qualifiziert,1 was dazu führt, dass die Betriebsvermögensprivilegien (Verschonungsabschlag, Steuerklassenprivileg) nicht in Anspruch genommen werden können.2 bb) Nießbrauch Eine beliebte und steuerlich oft vorteilhafte Alterssicherungsmaßnahme bei Übertragung von KG-Anteilen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge ist der Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts. Die Zulässigkeit eines dinglichen Nießbrauchs an einem Personengesellschaftsanteil war allerdings lange Zeit umstritten. So wurde insbesondere in der Nießbrauchbestellung ein Verstoß gegen das in § 717 Satz 1 BGB verankerte Abspaltungsverbot gesehen, wonach die Abspaltung einzelner Teilbefugnisse an dem Gesellschaftsanteil mit dem Wesen der Gesamthandsgemeinschaft unvereinbar ist.
8.87
In der Praxis hatte sich daher als Ausweichgestaltung die sog. Treuhandlösung durchgesetzt.3 Hiernach wurde dem Nießbraucher die volle Gesellschafterstellung treuhänderisch übertragen mit der Folge, dass er für die Dauer des Nießbrauchs mit allen haftungs- und registerrechtlichen Konsequenzen Gesellschafter auf Zeit wurde. Beim Vorbehaltsnießbrauch fand somit überhaupt kein Gesellschafterwechsel statt. Die Schwäche der Treuhandlösung lag jedoch in der fehlenden Sicherung des Nachfolgers, der nach dem Tode des Treuhänders auf die Rückübertragung der Beteiligung durch dessen Erben angewiesen war.4
8.88
Die heute wohl h.A. hält hingegen eine Nießbrauchbestellung am KG-Anteil für zulässig. Insbesondere sieht sie darin keinen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot. Denn mit der Nießbrauchbestellung werden nicht einzelne Mitgliedschaftsrechte von der Mitgliedschaft abgespalten, sondern die Ausübung dieser Mitgliedschaftsrechte wird auf den Gesellschafter und den Nießbraucher verteilt.5 Allerdings sind
8.89
1 BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653; H 15.9 Abs. 1 EStH 2014. 2 H E 13b.5 ErbStH 2011 „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“. 3 Eine weitere Gestaltungsalternative wurde vereinzelt in der Bestellung des Nießbrauchs am „Gewinnstammrecht“ (Siebert, BB 1956, 1126; Sudhoff, NJW 1971, 481) gesehen, wodurch dem Nießbraucher entsprechend § 1073 BGB ein Anspruch auf den Gewinn aus der Gesellschaftsbeteiligung eingeräumt werden sollte. Die Zulässigkeit eines solchen Nießbrauchs am Gewinnstammrecht wird bestritten von Pohlmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 1068 BGB Rz. 29, dort auch w.N., und bereits Rohlff, NJW 1971, 1337 (1339). BGH v. 12.12.1974 – II ZR 166/72, BB 1975, 295 hat die Frage offen gelassen; der BFH hat die Gestaltung ihrem zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt nach als Vorausabtretung künftiger Gewinnansprüche qualifiziert, BFH v. 13.5.1976 – IV IZ 83/75, BStBl. II 1976, 592. 4 Brandi/Mühlmeier, GmbHR 1997, 737. 5 Vgl. hierzu die Rechtsprechung des BGH zur Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen, insbesondere BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187 (199) = NJW 1989, 3152 (3155= GmbHR 1990, 28. Die grundsätzliche Möglichkeit der Bestellung eines Nießbrauchs an einem Personengesellschaftsanteil bejaht auch BGH v. 20.4.1972 – II ZR
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
die Rechtsfolgen einer solchen echten Nießbrauchbestellung nach wie vor äußerst umstritten.1 Dies gilt für die Aufteilung der mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Vermögensrechte und in noch stärkerem Maße für die Verteilung der Verwaltungs-, Mitwirkungs- und Kontrollrechte. Diese gesellschaftsrechtlichen Unsicherheiten strahlen auch auf die ertragsteuerlichen und schenkungsteuerlichen Wertungen aus, insbesondere was die Qualifizierung des Beschenkten als Mitunternehmer angeht (ausführlicher hierzu Rz. 8.151). Die Nießbrauchbestellung bedarf als Verfügung allerdings der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, die freilich genauso wie die Gestattung sonstiger Verfügungen im Gesellschaftsvertrag vorweggenommen werden kann.2 8.90
Die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Geschäftsanteil der KomplementärGmbH ist demgegenüber grundsätzlich zustimmungsfrei möglich. Jedoch steht eine Vinkulierungsklausel der Nießbrauchbestellung auch dann entgegen, wenn sie sich nur auf die Abtretung bezieht.3 Wie die Abtretung bedarf auch die Nießbrauchbestellung der notariellen Beurkundung (§ 1069 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 GmbHG). Zur Geltendmachung von Rechten des Nießbrauchers gegenüber der Gesellschaft ist nach dem Rechtsgedanken des § 407 BGB eine Anzeige der Nießbrauchbestellung erforderlich.4
8.91
Anders als beim Nießbrauch am Kommanditanteil führt die Bestellung des Nießbrauchs am Geschäftsanteil der Komplementär-GmbH nur zum Übergang der Vermögensrechte auf den Nießbraucher. Die Verwaltungsrechte verbleiben beim Gesellschafter, der ihre Ausübung jedoch durch widerrufliche Vollmacht dem Nießbraucher übertragen kann. Doch auch ansonsten ist er aufgrund des Nießbrauchs verpflichtet, seine Verwaltungsrechte in der Weise auszuüben, dass das Nießbrauchsrecht hierdurch nicht beeinträchtigt wird.5 cc) Versorgungsleistungen
8.92
Ein weiteres Gestaltungsinstrument zur Sicherung der Altersversorgung im Rahmen von Anteilsschenkungen ist die Verpflichtung des Beschenkten zu Versorgungsleistungen. Früher wurden derartige Versorgungsleistungen regelmäßig als Leibgeding, auch Altenteil genannt, vereinbart, was heute nur noch selten der Fall ist. Häufiger sind allerdings noch vertragliche Pflegeverpflichtungen. Die größte praktische Relevanz im Bereich der Versorgungsleistungen aber haben reine Geldleistungen, wobei zwischen der Rente und der dauernden Last zu unterscheiden ist. Die Rente ist vereinbar als Zeit- oder Leib-(= Lebens-)Rente. Sie unterschei-
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143/69, BGHZ 58, 316; BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, ZEV 1999, 71. Nach OLG Stuttgart v. 28.1.2013 – 8 W 25/13, ZIP 2013, 624 und OLG Oldenburg v. 9.3.2015 – 12 W 51/15, NJW-RR 2015, 814 ist der Nießbrauch am Kommanditanteil auch eintragungsfähig. Brandi/Mühlmeier, GmbHR 1997, 736; K. Schmidt, ZGR 1999, 601; Reichert/Schlitt in FS Flick, 1997, S. 217; Pohlmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 1068 BGB Rz. 27, 49 ff. und 68 ff.; Wertenbruch in Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 681. Pohlmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 1068 BGB Rz. 32. Pohlmann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 1068 BGB Rz. 36. Wicke, § 16 GmbHG Rz. 10. Ausführlicher hierzu, teils mit Gestaltungshinweisen Barry, RNotZ 2014, 401; Werner, ZErb 2015, 38; Milatz/Sonneborn, DStR 1999, 137; Korn, DStR 1999, 1461 (1469).
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Anteilsübertragung
det sich von der dauernden Last dadurch, dass sie eine gleich bleibende Leistung darstellt, während die Höhe der dauernden Last bei sich ändernder Leistungsfähigkeit des Verpflichteten oder sich änderndem Bedarf des Berechtigten abzuändern ist.1 Derartige Versorgungsleistungen bieten dem Übergeber regelmäßig eine größere Sicherheit als ein vorbehaltener Nießbrauch. Während beim Nießbrauch die Fruchtziehung allein von der zukünftigen Ertragskraft des Gesellschaftsvermögens abhängt, haftet für die Erbringung der Versorgungsleistungen der Übernehmer mit seinem gesamten künftigen Einkommen und Vermögen einschließlich des Gesellschaftsanteils (zu den steuerlichen Auswirkungen s. Rz. 8.152 ff.). dd) Sonderrechte Viele Senioren sind – vor allem aus steuerlichen Gründen – durchaus bereit, Vermögenssubstanz und oft auch die hieraus fließenden Erträge an die jüngere Generation abzugeben. Gleichzeitig ist ihnen aber auch daran gelegen, nach wie vor die Hand auf das Vermögen zu halten und selbst für dessen Erhalt und Wertentwicklung zu sorgen. Dieses Ziel kann insbesondere durch den Vorbehalt gesellschaftsvertraglicher Sonderrechte erreicht werden, wozu die GmbH & Co. KG ein Höchstmaß an Flexibilität bietet (zu den steuerlichen Auswirkungen s. Rz. 8.161 ff.).
8.93
5. Steuerliche Auswirkungen der Schenkung a) Ertragsteuer aa) Grundfall Die Schenkung des Kommanditanteils führt grundsätzlich zu keinen ertragsteuerlichen Belastungen. Vielmehr bestimmt § 6 Abs. 3 EStG, dass der Rechtsnachfolger die Buchwerte des Schenkers fortzuführen hat (Zwang zur Buchwertfortführung). Soweit der Schenker die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG in Anspruch genommen hat, führt die Schenkung nicht zu einer Nachversteuerung. Vielmehr hat der Beschenkte den nachversteuerungspflichtigen Betrag fortzuführen (§ 34a Abs. 7 Satz 1 EStG).
8.94
Auch die Schenkung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH löst, jedenfalls sofern sie zusammen mit der Schenkung des Kommanditanteils erfolgt, keine Ertragsteuern aus. Hingegen kann die isolierte Schenkung des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH zu Steuerbelastungen führen, sofern dieser stille Reserven enthält. Dies ergibt sich aus der Sonderbetriebsvermögensqualität des GmbHAnteils. Die unentgeltliche Übertragung nur des Sonderbetriebsvermögens auf einen Mitgesellschafter ist zwar gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG ebenfalls zu Buchwerten möglich. Die Übertragung auf einen Nichtgesellschafter führt dagegen zu einer steuerpflichtigen Entnahme.
8.95
Ebenso bewirkt die isolierte Übertragung des gesamten Kommanditanteils eine Entnahme des GmbH-Anteils, da dieser nach der Übertragung von einem Nichtgesellschafter gehalten wird. Sofern der Anteil an der Komplementär-GmbH eine
8.96
1 Weber-Grellet in Schmidt, § 22 EStG Rz. 30 ff.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
wesentliche Betriebsgrundlage darstellt,1 begründet nach Auffassung der Finanzverwaltung die Übertragung des Kommanditanteils bei gleichzeitiger Entnahme des GmbH-Anteils ins Privatvermögen zudem eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 3 EStG.2 In diesem Fall werden also auch sämtliche stillen Reserven des Kommanditanteils realisiert und sind – allerdings nach § 34 EStG begünstigt – zu versteuern. 8.97
Ebenfalls zu Buchwerten und damit steuerneutral erfolgt die unentgeltliche Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils. Dies gilt jedoch nur, soweit es sich bei dem Erwerber (Beschenkten) um eine natürliche Person handelt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. 2 Alt. EStG), nicht also etwa bei Erwerb einer Familienstiftung. Der nachversteuerungspflichtige Betrag i.S. des § 34a Abs. 3 EStG bleibt nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Teilanteilsschenkungen in vollem Umfang beim Schenker,3 zu einer Nachversteuerung kommt es nicht.
8.98
Voraussetzung der Buchwertfortführung ist weiterhin, dass die Anteilsübertragung unentgeltlich erfolgt. Die Übernahme eines negativen Kapitalkontos durch den Beschenkten ist unschädlich, wenn ansonsten keine Gegenleistung (Gleichstellungsgeld, Abstandszahlung, Übernahme einer privaten Schuld) vereinbart ist. Auch der Vorbehalt eines Nießbrauchs oder die Vereinbarung von Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG steht einer Unentgeltlichkeit regelmäßig nicht entgegen.4 Die teilentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils (gemischte Schenkung), bei der die vereinbarte Gegenleistung unter dem Verkehrswert des Anteils liegt, ist entweder als voll entgeltliche oder voll unentgeltliche Übertragung zu beurteilen. Die Einordnung hängt davon ab, ob das Entgelt über dem steuerlichen Buchwert des Mitunternehmeranteils liegt – dann voll entgeltlich –, oder ob es dem Buchwert entspricht oder darunter liegt – dann voll unentgeltlich (sog. Einheitstheorie).5 bb) Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen
8.99
Probleme können sich bei der unentgeltlichen Anteilsübertragung allerdings in Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen6 ergeben. (1) Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils
8.100
Wird der gesamte Anteil des Mitunternehmers unentgeltlich übertragen, setzt § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG nämlich voraus, dass neben dem Anteil am Gesamthandsvermögen auch sämtliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens übertragen 1 Hierzu jüngst OFD Frankfurt/M., Rundvfg. v. 13.2.2014 – S 2134 A - 14 - St 213, DStR 2014, 746; s. hierzu auch Rz. 8.105 ff. 2 Ausführlicher zur Mitübertragung und Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen – auch bei Teilanteilsübertragungen – im Folgenden unter Rz. 8.99. 3 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290 - a/07/10001, 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838 Tz. 47. 4 Herrmann in Frotscher, § 6 EStG Rz. 476 ff. 5 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 58 m.w.N. 6 Hierzu BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458. Trotz abweichender Tendenzen in der BFH-Rechtsprechung (s. Rz. 8.118 ff.) soll der folgenden Darstellung zunächst die Sichtweise der Finanzverwaltung zugrunde gelegt werden.
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Anteilsübertragung
werden, soweit diese für die Funktion des Betriebes von wesentlicher Bedeutung sind (funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen – rein funktionale Betrachtungsweise). Denn der steuerliche Mitunternehmeranteil umfasst sowohl den Gesellschaftsanteil (den Anteil am Gesamthandsvermögen) als auch das wesentliche Sonderbetriebsvermögen. Die Buchwertfortführung ist deshalb unzulässig, wenn derartiges funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten und in das Privatvermögen des Übertragenden überführt wird. In diesem Fall handelt es sich um eine insgesamt tarifbegünstigte Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils.1 Der Rechtsnachfolger unterliegt nicht der fünfjährigen Veräußerungsbeschränkung des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, da bereits sämtliche stillen Reserven aufgedeckt sind.
8.101
Wird anlässlich der unentgeltlichen Anteilsübertragung (Gesamthandsvermögen) funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen entweder steuerneutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zum Buchwert übertragen oder in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen des Altgesellschafters überführt (§ 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG) ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die unentgeltliche Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen gleichfalls nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG zum Buchwert möglich. Der sich aus der Aufdeckung der stillen Reserven ergebende Gewinn stellt laufenden, nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigten Gewinn dar.2
8.102
Vorsicht ist auch nach wie vor geboten, wenn man diesen nicht gewünschten Folgen durch eine zeitliche Staffelung (zunächst die Entnahme des funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens oder dessen Buchwertübertragung oder -überführung i.S.v. § 6 Abs. 5 EStG und mit einem (kurzen) zeitlichen Abstand danach die Schenkung des (restlichen) Gesellschaftsanteils) „umgehen“ möchte. Ist nicht nur ein zeitlicher3 sondern auch ein sachlicher Zusammenhang ersichtlich, wendet die Finanzverwaltung auf solche Sachverhalte – entgegen aktueller Rechtsprechung4 – die „alte“ sog. Gesamtplanrechtsprechung des BFH5 an mit der Folge, dass die stillen Reserven des geschenkten Mitunternehmeranteils aufzudecken und als laufender Gewinn zu versteuern sind. Der (zwingende) Buchwertansatz nach § 6 Abs. 5
8.103
1 So auch BFH v. 31.8.1995 – VIII B 21/93, BStBl. II 1995, 890 = FR 1995, 863. 2 BFH v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104 = GmbHR 1998, 202; BFH v. 6.5.2010 – IV R 52/08, GmbHR 2010, 876 weist jedoch darauf hin, dass der grundsätzlich anzusetzende Entnahmegewinn durch den vorrangigen Tatbestand der Veräußerung verdrängt werde, wenn ein Veräußerungsentgelt vereinbart wurde. Hierzu zählt der BFH auch die Übernahme der auf den Kommanditanteil des Schenkers anteilig entfallenden Verbindlichkeiten der KG sowie eine durch Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts begründete fortdauernde Gewinnbeteiligung des Schenkers, die bei Übertragung des ganzen Mitunternehmeranteils i.S. des § 6 Abs. 3 EStG gerade nicht als Entgelt zu qualifizieren gewesen wären. Der BFH unterscheidet damit auch auf der Rechtsfolgenseite zwischen der Übertragung von Mitunternehmeranteilen nach § 6 Abs. 3 EStG und der Übertragung von KG-Anteilen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 3 EStG. 3 Ein zeitlicher Zusammenhang kann im Einzelfall auch schon einmal bei einem Abstand von 25 Monaten angenommen werden, BFH v. 12.4.1989 – I R 105/85, BStBl. II 1989, 653 = FR 1989, 494; vom FG München (v. 12.11.2003 – 9 K 4811/01, EFG 2004, 496) wurde ein Gesamtplan sogar bei einem Abstand von sechs Jahren bejaht. 4 S. hierzu Rz. 8.118 ff. 5 BFH v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 = GmbHR 2001, 35; bestätigt durch BFH v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726 = GmbHR 2010, 776.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
EStG für übertragenes oder überführtes funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen wird hierdurch allerdings nicht berührt. 8.104
Ist das ins Privatvermögen entnommene oder in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen überführte Sonderbetriebsvermögen dagegen nicht funktional wesentlich, so ist auch nach Auffassung der Finanzverwaltung die „Zurückbehaltung“ unschädlich für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Schenkung des Mitunternehmeranteils erfolgt zum Buchwert und damit ohne Aufdeckung der stillen Reserven. Allenfalls ist – bei Entnahme des Sonderbetriebsvermögens, bezogen auf das entnommene Wirtschaftsgut – ein Entnahmegewinn als laufender Gewinn zu versteuern.
8.105
Zur Frage, wann der zum Sonderbetriebsvermögen zählende Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH als wesentliche Betriebsgrundlage zu qualifizieren ist, hat die Finanzverwaltung ausdrücklich Stellung genommen.1 Hiernach ist – neben dem Sonderfall der Komplementärstellung in mehreren Kommanditgesellschaften – zwischen drei Fallgruppen zu unterscheiden. Die erste Fallgruppe betrifft die „klassische“ Komplementär-GmbH, die am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der KG nicht beteiligt ist. In diesem Fall ist die Beteiligung an der Komplementär-GmbH nur dann funktional wesentlich, wenn der Kommanditist an der Kommanditgesellschaft mit 50 % oder weniger beteiligt ist, aber die Stimmmacht in der Komplementär-GmbH besitzt und deshalb in der Lage ist, seinen geschäftlichen Betätigungswillen in der KG im Rahmen der laufenden Geschäftsführung über die GmbH durchzusetzen. Ist er mit mehr als 50 % an der Kommanditgesellschaft beteiligt, erhöht seine Gesellschafterstellung bei der Komplementär-GmbH seinen Einfluss hingegen nur unwesentlich, so dass auch seine Beteiligung hieran nicht als wesentlich zu qualifizieren ist. Anderes gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings dann, wenn die Komplementär-GmbH einziger Mitgesellschafter des Kommanditisten ist (Zwei-Personen-Gesellschaft), weil in diesem Fall die GmbH erforderlich ist, um überhaupt eine Personengesellschaft und damit eine Kommanditistenstellung zu begründen. In dieser besonderen Konstellation sei sie daher funktional wesentlich.
8.106
In der zweiten Fallgruppe geht es um eine Komplementär-GmbH, die am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Bei dieser Konstellation qualifizierte die Finanzverwaltung den Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH zunächst generell als funktional wesentliche Betriebsgrundlage, da bei wirtschaftlicher Betrachtung die mittelbare Gesellschafterstellung über die GmbH einer wirtschaftlich nicht unbedeutenden Erweiterung der bestehenden Kommanditbeteiligung entspreche. Im Anschluss an eine Entscheidung des FG Münster2 beurteilt die Finanzverwaltung aber nunmehr auch diese zweite Fallgruppe nach den Kriterien der ersten.
8.107
Die dritte Fallgruppe schließlich betrifft eine Komplementär-GmbH mit eigenem Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung. Von einer funktionalen Wesentlichkeit (und dem Vorliegen von notwendigem Sonderbetriebsvermögen II) geht die Finanzverwaltung nur dann aus, wenn die GmbH aufgrund ihres eige1 Zuletzt OFD Frankfurt/M. Rundvfg. v. 13.2.2014 – S 2134 A - 14 - St 213, DStR 2014, 746. 2 FG Münster v. 14.8.2013 – 2 K 4721/10 G F, EFG 2014, 81.
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§8
Anteilsübertragung
nen Geschäftsbetriebs auch wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist und die Geschäftsbeziehungen aus Sicht der KG nicht von nur geringer Bedeutung sind. Der 1. Senat des BFH hatte bereits im Jahr 2009 in zwei Entscheidungen zur Problematik Stellung genommen.1 In beiden Entscheidungen stellte er allerdings klar, dass der Streitfall keine Veranlassung biete, die Frage abschließend zu beantworten. Seine Stellungnahme beschränkte sich daher auf die Aussage, dass sich eine funktionale Wesentlichkeit allenfalls daraus ableiten lasse, dass die Beteiligung an der Komplementär-GmbH die Stellung des Mitunternehmers im Rahmen der KG „nachhaltig stärkt“. Eine solche Beurteilung „mag“ nach Auffassung des 1. Senats insbesondere dann in Betracht kommen, wenn sie den Einfluss des Mitunternehmers auf die Geschäftsführung der KG grundlegend erweitert, was nur dann der Fall sein kann, wenn erst die Beteiligung an der Komplementär-GmbH den Kommanditisten in die Lage versetzt, über Fragen der laufenden Geschäfte der KG zu bestimmen. Der 4. Senat2 hat ausdrücklich offen gelassen, ob er den Erwägungen des 1. Senats zur Frage der Wesentlichkeit von Geschäftsanteilen des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH folgen könnte.3
8.108
Es bleibt jedoch abzuwarten, wir lange überhaupt noch der Frage der funktionalen Wesentlichkeit im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG Bedeutung zukommt. Der 4. Senat des BFH4 „neigte“ bereits in seiner Entscheidung vom 6.5.2010 dazu, ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens im Regelfall dann nicht mehr zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen, wenn es nach der Übertragung des Kommanditanteils nicht mehr von der KG genutzt und deshalb der KG auch nicht mehr zur (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Nutzung überlassen wird. Der Rückbehalt und die Überführung derartiger Wirtschaftsgüter in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen würden damit einer Buchwertfortführung nicht entgegenstehen. Ausdrücklich noch nicht eingehen – auch nicht mit einer Tendenzaussage – wollte der 4. Senat aber auf eine in der Literatur vertretene Auffassung.5 Diese betonte, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Buchwertfortführung für die Übertragung von Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft ausdrücklich anordne, und folgerte daraus, dass eine derartige Ausgliederung der Buchwertfortführung der Anteilsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG auch dann nicht entgegenstehen könne, wenn es sich bei dem übertragenen Wirtschaftsgut um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. In seiner
8.109
1 BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = GmbHR 2010, 317 m. Komm. Suchanek und BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 = GmbHR 2010, 600. 2 BFH v. 6.5.2010 – IV R 52/08, GmbHR 2010, 876. 3 Nach BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, DStR 2015, 1362 mit Anm. Wendt, gehört die Beteiligung eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH von weniger als 10 % nicht zum Sonderbetriebsvermögen II, auch dann nicht, wenn die Komplementär-GmbH außergewöhnlich hoch am Gewinn der KG beteiligt ist. Die dem nachgelagerte Frage der Wesentlichkeit stellt sich dann nicht mehr. Ob Entsprechendes für Beteiligungen von 10 % bis 25 % gilt, hat der BFH offen gelassen. 4 BFH v. 6.5.2010 – IV R 52/08, GmbHR 2010, 876. 5 Wendt, FR 2005, 468, 471 f.; a.A. aber Wacker, Zeitschrift für Steuern und Recht 2005, 358 (360).
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Entscheidung vom 2.8.20121 ist der 4. Senat dann aber dieser Auffassung gefolgt und hat klargestellt, dass die Unterscheidung von funktional wesentlichem und funktional nicht wesentlichem Sonderbetriebsvermögen im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze finde. Die Finanzverwaltung wendet diese Entscheidung jedoch (noch) nicht an.2 (2) Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils 8.110
Die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 EStG zum Buchwert mögliche Schenkung eines Teils eines Mitunternehmeranteils setzt im Falle des Vorhandenseins von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen voraus, dass dieses dem geschenkten Gesellschaftsanteil quotenentsprechend mitübertragen wird.3 Umfasst das Sonderbetriebsvermögen mehrere funktional wesentliche Wirtschaftsgüter, müssen alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter anteilig mitübertragen werden.
8.111
Die Buchwertübertragung scheitert letztlich aber auch dann nicht, wenn „zu wenig“ funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen (sog. unterquotale Übertragung) oder „zu viel“ Sonderbetriebsvermögen (sog. überquotale Übertragung) übertragen wird. Hinsichtlich der sonstigen Rechtsfolgen ist hier jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung zu unterscheiden:
8.112
Wird zusammen mit dem Teilanteil am Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsanteil) gar kein oder quotal betrachtet zu wenig funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögens übertragen (unterquotale Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen), so erfolgt die Übertragung auch hier grundsätzlich zum Buchwert; da der Schenker nur einen Teil seines Gesellschaftsanteils übertragen hat, ist er weiterhin Mitunternehmer der Gesellschaft und das zurückbehaltene Sonderbetriebsvermögen bleibt Sonderbetriebsvermögen bei dieser Mitunternehmerschaft. Allerdings handelt es sich (insgesamt) um eine Übertragung i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG,4 die an die weitere Voraussetzung geknüpft ist, dass der Rechtsnachfolger den geschenkten Gesellschaftsanteil über einen Zeitraum von fünf Jahren (ganz oder teilweise) weder veräußert noch aufgibt (Sperrfrist). Wird gegen die Veräußerungssperre verstoßen, hat dies zur Folge, dass rückwirkend auf den Zeitpunkt der Schenkung die Voraussetzungen für die steuerneutrale Buchwertübertragung beim Schenker nicht mehr vorliegen. Damit sind für die gesamte Übertragung rückwirkend5 auf diesen Zeitpunkt die Teilwerte anzusetzen und die aufgedeckten stillen Reserven vom Schenker nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG als laufender Gewinn zu versteuern. Die fünfjährige Behaltefrist beginnt mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (Nutzungen und Lasten).
1 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, DStR 2012, 2118 = GmbHR 2012, 1260 m. Komm. Hoffmann; hierzu noch Rz. 8.118 ff. 2 BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S2241/10/10002 - DOK 2013 0837216, BStBl. I 2013, 1164. 3 BFH v. 24.8.2000 – IV R 51/98, BStBl. II 2005, 173. 4 Die Finanzverwaltung erkennt insbesondere keine Aufteilung des Vorgangs in eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (soweit quotal) und eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG an. 5 Der ursprüngliche Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.
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Anteilsübertragung
Eine Besonderheit besteht in diesem Zusammenhang, wenn der Beschenkte bereits vor der unterquotalen Teilanteilsübertragung Mitunternehmer der Gesellschaft war. In diesem Fall kann der Beschenkte unabhängig von der Behaltefrist und ohne steuerliche Konsequenzen für den Schenker Teile seines Gesellschaftsanteils veräußern oder entnehmen, solange seine Beteiligung hierdurch nicht unter den geschenkten Teilanteil gemindert wird.1
8.113
Als schädliche Veräußerung durch den Rechtsnachfolger sind nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich auch Umwandlungsvorgänge (Einbringung in eine Kapital- oder Personengesellschaft oder der Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft, §§ 20, 24, 25 UmwStG) sowie auch eine steuerneutrale Buchwertübertragung des übernommenen Sonderbetriebsvermögens nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu beurteilen.2 In Fällen der Einbringung nach §§ 20, 24 UmwStG gilt dies allerdings nur, wenn der einbringende Rechtsnachfolger dann auch die im Gegenzug erhaltene Beteiligung innerhalb der Sperrfrist (beginnend ab der ursprünglichen Übertragung) veräußert.
8.114
Da die Rechtsfolgen einer Sperrfristverletzung durch den Beschenkten den Schenker treffen, ist im Übergabevertrag entsprechende Vorsorge für diesen Fall zu treffen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang bspw. an eine sog. Steuerklausel, nach der der Schenker zur Übernahme der Steuer aus den aufgedeckten stillen Reserven verpflichtet ist, an einen Zustimmungsvorbehalt oder auch an eine vertragliche Schadensersatzpflicht.
8.115
Unschädlich ist es, wenn der Rechtsnachfolger den Teilanteil seinerseits unentgeltlich weiter überträgt, wobei jedoch sein Rechtsnachfolger – entsprechend der „Fußstapfentheorie“ – in die Sperrfrist nachfolgt.
8.116
Überträgt der Schenker zusammen mit dem Teilanteil am Gesamthandsvermögen quotal betrachtet „zu viel“ funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen (überquotale Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen), so führt dies nach Auffassung der Finanzverwaltung dazu, dass dieser Vorgang aufgeteilt wird: Soweit sich Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen quotal entsprechen, ist die Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG zu beurteilen; die überquotale Übertragung des Sonderbetriebsvermögens beurteilt sich dagegen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Damit erfolgt auch bei dieser Gestaltung die Übertragung insgesamt steuerneutral zum Buchwert. Auch in Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist ggf. eine Sperrfrist zu beachten (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG), die in diesem Fall zwar „nur“ drei Jahre beträgt, allerdings auch erst mit Abgabe der Steuererklärung (Feststellungserklärung) des Übertragungsjahres beginnt. Die Verletzung der Sperrfrist führt hier ebenfalls insoweit (d.h. bezogen auf die Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) zum rückwirkenden Teilwertansatz. Werden die bis zu der Übertragung entstandenen stillen Reserven dem übertragenden Mitunternehmer im Wege des Teilwertansatzes in Kombination mit einer diesen neutralisierenden negativen Ergänzungsbilanz zugewiesen, ist die Sperrfrist nicht zu beachten (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 (a.E.) EStG).
8.117
1 Beispiel in BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, Rz. 12. 2 BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, Rz. 13. Zur abweichenden Rechtsprechung des BFH s. Rz. 8.118 ff.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
(3) Neuausrichtung der Rechtsprechung 8.118
Der BFH hat jüngst im Bereich der §§ 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG durch gleich mehrere Entscheidungen1 neue Weichenstellungen vorgenommen,2 welche künftig bei der Planung von Unternehmensnachfolgen flexiblere Gestaltungen erlauben und das bei Unternehmensübergaben nicht zu unterschätzende ertragsteuerliche Risikopotential deutlich reduzieren werden.3 Für die hier relevanten Bereiche der Teilanteilsübertragung und der Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen ist grundlegend vor allem seine Entscheidung vom 2.8.2012. Der Entscheidung lag – leicht vereinfacht – folgender Sachverhalt zugrunde:
8.119
Ein Vater hatte in einem ersten Schritt seiner Tochter einen 80%igen Teilanteil seiner 100%igen Beteiligung an einer ein Speditionsunternehmen betreibenden GmbH & Co. KG zusammen mit seinem gesamten, 100%igen Anteil an der Komplementär-GmbH unentgeltlich übertragen. Zurückbehalten hatte er ein in seinem Alleineigentum und steuerlichen Sonderbetriebsvermögen gehaltenes Grundstück, welches der GmbH & Co. KG zur Nutzung überlassen war und für diese eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellte. In einem zweiten Schritt schenkte er sieben Wochen später seiner Tochter die restlichen 20 % an der KG und überführte gleichzeitig das Grundstück in eine von ihm zwischenzeitlich gegründete separate KG, wodurch das Grundstück von seinem Sonderbetriebsvermögen in das Betriebsvermögen der neu gegründeten Mitunternehmerschaft wechselte. Der Sachverhalt gab dem BFH Anlass zu gleich mehreren, ganz wesentlichen Grundaussagen:
8.120
– Der BFH fasst die beiden Gestaltungsschritte nicht zusammen, sondern beurteilt sie getrennt. Er stellt klar, dass für die im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG relevante Frage, ob neben dem Gesellschaftsanteil auch das gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen und somit der ganze Mitunternehmeranteil übertragen wurde, allein auf den Tag der Übertragung abzustellen ist. Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens, die zuvor entnommen oder veräußert worden sind, sind nicht mehr Bestandteil des Mitunternehmeranteils. 1 Neben der im Folgenden zu behandelnden Entscheidung v. 2.8.2012 sind hier vor allem zu nennen: BFH v. 21.6.2012 – IV R 1/08, GmbHR 2012, 1015; BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, GmbHR 2012, 1193 (Modifizierung der Trennungstheorie); BFH v. 18.9.2013 – X R 42/10, GmbHR 2013, 1325 (Einheitstheorie bei teilentgeltlicher Einbringung eines Betriebs nach § 24 UmwStG) – s. zu den vorgenannten Entscheidungen Nichtanwendungserlass des BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002 - DOK 2013 0837216, BStBl. I 2013, 1164; BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, GmbHR 2013, 1210 (Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern auf beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften, Vorlage an das BVerfG); BFH v. 31.7.2013 – I R 44/12, GmbHR 2013, 1218 (Einbringung eines Einzelwirtschaftsguts in Einpersonen-GmbH & Co. KG und Sperrfristregelung) und im Anschluss hieran BFH v. 26.6. 2014 – IV R 31/12, GmbHR 2014, 1322. 2 Kritisch hierzu Brandenberg, DB 2013, 17; Vees, DStR 2013, 743; Mitschke, FR 2013, 314; Dernheim, DStZ 2014, 46. 3 Siehe hierzu Bode, DB 2012, 2375; Schulze zur Wiesche, DStR 2012, 2414; Prinz/Hütig, DB 2012, 25597; Kanzler, FR 2012, 1120; Korn, KÖSDI, 2012, 18144; Stein/Stein, FR 2013, 156; Bohn/Peltes, DStR 2013, 281; Rogall/Dreßler, Ubg 2013, 73; Wendt, BFH/PR 2012, 299; Wendt, BFH/PR2013, 3; Wendt, DB 2013, 834; Strahl, FR 2013, 322; Levedag, GmbHR 2013, 673; Levedag, GmbHR 2014, 337; Oenings/Lienicke, DStR 2014, 1997; Graw, FR 2015, 267; Mielke, DStR 2015, 673.
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Anteilsübertragung
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Entsprechendes gilt für Wirtschaftsgüter des gesamthänderischen Betriebsvermögens. Ob bei der vorherigen Entnahme oder Veräußerung stille Reserven aufgedeckt wurden oder nicht, ist ohne Belang. Den ersten Schritt qualifiziert der BFH dementsprechend als Teilanteilsübertragung, bei welcher das Sonderbetriebsvermögen teils überquotal (Anteil an der Komplementär-GmbH) und teils unterquotal (zurückbehaltenes Grundstück) mitübertragen wurde. Die Frage, ob Sonderbetriebsvermögen quotenentsprechend mitübertragen wurde und damit keine fünfjährige Behaltensfrist in Gang gesetzt wird, bestimmt sich nach Auffassung des BFH aber nicht wirtschaftsgutbezogen, sondern wertmäßig. Im entschiedenen Fall erfolgte daher trotz der überquotalen Übertragung des GmbH-Anteils aufgrund der Zurückbehaltung des werthaltigeren Grundstücks im Ergebnis eine unterquotale Übertragung, weshalb die Behaltensfrist in Gang gesetzt wurde. Die fünfjährige Behaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG endet, wenn dem Erwerber des Teilanteils der restliche Bruchteil des Anteils am Gesellschaftsvermögen übertragen wird. Die überquotale Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen beurteilt sich allein nach § 6 Abs. 3 EStG. Der BFH widerspricht damit ausdrücklich der Finanzverwaltung, die nur den quotalen Teil des Sonderbetriebsvermögens nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt, den überquotalen Teil aber nach § 6 Abs. 5 EStG. Die überquotale Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen löst damit nicht die Behaltensfristen des § 6 Abs. 5 EStG aus. Auch die Behaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG wird nur in Gang gesetzt, wenn das Sonderbetriebsvermögen „nicht mindestens“ quotenentsprechend mitübertragen wird, also nur bei (wertmäßig) unterquotaler, nicht aber bei überquotaler Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen. Die Privilegierungen nach §§ 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG stehen nach dem Gesetzeswortlaut gleichberechtigt nebeneinander und können damit auch gleichzeitig zur Anwendung gelangen. Damit steht insbesondere die steuerneutrale Überführung von Sonderbetriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen im Rahmen des § 6 Abs. 5 EStG, sei es gleichzeitig in zeitlichem oder sachlichem Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils, der Steuerneutralität auch dieser Anteilsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegen. Eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG kommt nur dann nicht in Betracht, wenn nach Überführung des Sonderbetriebsvermögens oder sonstigen Betriebsvermögens die zurückbleibende Sachgesamtheit der Mitunternehmerschaft wirtschaftlich nicht lebensfähig ist und es somit zu einer Betriebsaufgabe kommt. Die Unterscheidung von funktional wesentlichem und nicht wesentlichem Sonderbetriebsvermögen findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze.
Die Finanzverwaltung hat die Entscheidung mit einem Nichtanwendungserlass1 belegt und das BMF-Schreiben vom 3.3.20052 bisher nicht geändert.3 1 BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002 - DOK 2013 0837216, BStBl. I 2013, 1164. 2 BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458. 3 Nach Levedag, GmbHR 2014, 337, „dürften“ aber dennoch nicht vom Nichtanwendungserlass betroffen sein: die wertmäßige Bestimmung über- oder unterquotaler Mitübertragung
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 2.8.2012 noch offen gelassen, ob die von ihm aufgestellten Grundsätze auch bei einer realisierenden Entnahme oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens gelten. Doch auch dies hat er zwischenzeitlich in konsequenter Fortführung seiner neuen Rechtsprechung bestätigt. Mit Urteil vom 9.12.20141 hat er entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils auch dann zu Buchwerten erfolgt, wenn kurz zuvor entsprechend einer einheitlichen Planung Sonderbetriebsvermögen veräußert wurde. Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG diene der ertragsteuerlich unbelasteten Vermögensübertragung zur Sicherung der Liquidität der vom Unternehmensnachfolger fortgeführten betrieblichen Einheit „und damit typischerweise der Erleichterung der Generationennachfolge“. Es komme deshalb nur darauf an, dass im Zeitpunkt der Übertragung eine funktionsfähige betriebliche Einheit besteht. Unerheblich sei hingegen, welchen Umfang das Betriebsvermögen vor der Übertragung hatte, ob und wann also etwa ein Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen verlassen habe und ob dies buchwertneutral oder unter Aufdeckung von stillen Reserven erfolgte. Der BFH hat damit der Anwendung seiner Gesamtplanrechtsprechung auf Fälle der §§ 6 Abs. 3 und 6 Abs. 5 EStG eine klare Absage erteilt.2 Es bleibt abzuwarten, wie lange die Finanzverwaltung trotz dieser eindeutigen Aussagen noch an ihrer bisherigen Linie, insbesondere ihrem Schreiben vom 3.3.2005 und ihrem Nichtanwendungserlass festhält. b) Schenkungsteuer
8.129
Die unentgeltliche Übertragung des Kommanditanteils und genauso auch des Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH ist schenkungsteuerpflichtig. Die Höhe der Schenkungsteuer hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs, seiner Minderung durch Freibeträge und sonstige Begünstigungen sowie dem anzuwendenden progressiv gestalteten Steuersatz. aa) Die Bewertung der GmbH & Co. KG
8.130
Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20083 wurde mit Wirkung zum 1.1.2009 die Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer grundlegend geändert. Waren bis dahin bei der Bewertung meist Ergebnisse anzutreffen, die deutlich unter den Verkehrswerten lagen, so ist den Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechend, Ziel der danach eingeführten und nun geltenden Bewertungsregeln, die Ermittlung eines Werts, der zumindest annähernd dem Verkehrswert entspricht. Zentrale Vorschrift für die Bewertung ist § 11 BewG, auf den von Sonderbetriebsvermögen, die ausschließliche Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG bei überquotalen Übertragungen und die Verkürzung der Behaltefrist bei späterer Übertragung der Restanteile auf denselben Erwerber. 1 BFH v. 9.12.2014 – IV R 29/14, GmbHR 2015, 263. 2 Gleichzeitig hat er aber gerade jüngst wieder ihre Anwendung im Bereich der §§ 16, 34 EStG, also betreffend die Tarifbegünstigung bei entgeltlicher Übertragung eines Mitunternehmeranteils betont: BFH v. 9.12.2014 – IV R 36/13, GmbHR 2015, 382 und BFH v. 17.12. 2014 – IV R 57/11, GmbHR 2015, 384. 3 BGBl. I 2008, 3018.
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Anteilsübertragung
die Vorschrift des § 12 ErbStG verweist. Die Vorschrift kennt allerdings einen ganzen Strauß von verschiedenen Bewertungsmethoden, die untereinander konkurrieren und je nach Sachverhalt den „richtigen“ Wert des geschenkten Unternehmens ergeben. Im Folgenden sollen die Grundzüge dargestellt werden.1 Nach § 11 Abs. 1 BewG werden börsennotierte Aktien mit ihrem Börsenkurs angesetzt. Der Börsenkurs hat vor allen Bewertungsmethoden Vorrang. Für die GmbH & Co. KG wird diese Methode mit Ausnahme der GmbH & Co. KGaA keine Bedeutung erlangen, es sei denn, dass im Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG oder einer nachgeordneten Tochtergesellschaft wiederum börsennotierte Werte vorhanden sind, die einzeln nach der Maßgabe von § 11 Abs. 1 BewG zu bewerten sind. Ist der Börsenkurs als Wertmaßstab nicht anwendbar, so ist nach § 11 Abs. 2 BewG der Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ebenso wie der gemeine Wert eines Anteils an einer Personengesellschaft (§ 109 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG) aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Sofern also fremdübliche Verkäufe innerhalb des letzten Jahres vorliegen, sind diese als Wertmaßstab ausschlaggebend. Letztlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gezahlte Kaufpreis für die Bewertung den zuverlässigsten Maßstab darstellt.
8.131
Liegen weder ein Börsenkurs noch Veräußerungen in den letzten 12 Monaten vor, so ist der gemeine Wert der Anteile unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Das Gesetz unterscheidet hier: Die Berücksichtigung der Ertragsaussichten kann unter Zuhilfenahme der „normalen“ Ertragswertmethode, nach der Wirtschaftsprüfer den Verkehrswert eines Unternehmens ermitteln, durchgeführt werden. Für die Praxis bedeutet dies die Anwendung des Standards IDW S 1. Alternativ zu einer Wertermittlung nach IDW S 1 kann nach § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG i.V.m. §§ 199 ff. BewG auch ein vereinfachtes Ertragswertverfahren angewendet werden. Das vereinfachte Ertragswertverfahren geht im Kern vom durchschnittlichen Jahresertrag der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre aus (§ 201 BewG). Diese werden durch Hinzurechnungen und Abzüge korrigiert (§ 202 BewG) und anschließend mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert (§ 203 BewG). Der Kapitalisierungsfaktor ist der reziproke Wert des Kapitalisierungszinses. Dieser wiederum setzt sich zusammen aus einem sich ändernden marktabhängigen Basiszins und einem pauschalen Risikozuschlag von 4,5 %. Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten und wird von der Finanzverwaltung jährlich im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Zum Jahresbeginn 2009 betrug der Kapitalisierungszins (3,61 % + 4,5 % =) 8,11 % und damit der Kapitalisierungsfaktor ca. 12,3. Zum Jahresbeginn 2015 hingegen betrug der Kapitalisierungszins nur noch (0,99 % + 4,5 % =) 5,49 % und der Kapitalisierungsfaktor 18,21; 2014 lag er noch bei 14,10. Die sinkenden Zinsen haben also in den letzten Jahren zu einer
8.132
1 Zu den Einzelheiten siehe Piltz, Ubg 2009, 13; Creutzmann, DB 2008, 2784; Hannes/Onderka, ZEV 2008, 173 und 2009, 421; Siegmund/Zipfel, BB 2009, 2678; Halaczinsky, ErbStB 2009, 79; Eisele, NWB-BB 2010, 78; Eisele, NWB 2011, 2782 und Eisele, NWB-BB 2012, 111.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
erheblichen Steigerung der nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerte geführt. Zu beachten ist jedoch, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren keine Anwendung findet, wenn es zu einem „offensichtlich unzutreffenden Ergebnis“ führt (§ 199 BewG). Für die Rechtsanwendung ist derzeit noch offen, wann ein solches unzutreffendes Ergebnis offensichtlich vorliegt.1 8.133
Neben dem Ertragswertverfahren und dem vereinfachten Ertragswertverfahren erkennt § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auch ein Bewertungsverfahren an, das „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke“ die übliche Methode darstellt. Ein Beispiel hierfür ist eine auf Umsatzkennzahlen basierende Bewertung, wie sie z.B. bei freiberuflichen Praxen üblich ist. Der Steuerpflichtige, der sein Unternehmen für Zwecke der Erbschaft- oder Schenkungsteuer bewerten muss, hat ein Wahlrecht, ob er die Bewertung nach einer „anderen“ Methode oder aber das Ertragswertverfahren oder das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden will,2 wobei zum vereinfachten Ertragswertverfahren freilich nur optiert werden kann, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf der nach den genannten Methoden ermittelte Wert jedoch nicht den Substanzwert des Unternehmens unterschreiten. Es müssen also die einzelnen zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter jeweils mit dem Verkehrswert bewertet werden. Der Substanzwert ergibt sich dann nach Abzug der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge.
8.134
Im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2008 stellt die Bewertung nach dem neuen Erbschaftsteuerrecht den Steuerpflichtigen vor enorme Herausforderungen. Zum einen sind Bewertungen nach IDW S 1 nur durch einen sachverständigen Wirtschaftsprüfer möglich, was im Einzelfall hohe Kosten verursachen kann. Zum anderen stehen dem Steuerpflichtigen oft alternativ mehrere Bewertungsmethoden zur Verfügung. Um festzustellen, welche für ihn die günstigste ist, muss er alle anwendbaren Methoden „durchrechnen“, was weiteren Aufwand verursacht. Selbst wenn der Steuerpflichtige davon ausgeht, nach § 13a ErbStG eine Steuerbefreiung von 85 % oder gar von 100 % erreichen zu können (s. dazu Rz. 8.135 ff.), so muss er dennoch einen Unternehmenswert feststellen. Denn zum einen sind die genannten Steuerbefreiungen an verschiedene Voraussetzungen gekoppelt. Werden diese nicht erfüllt, so ist Nachsteuer festzusetzen, die – je nach Sachverhalt – den Wert des gesamten Unternehmens erfassen kann. Zum anderen sind die Privilegien für unternehmerisches Vermögen nach § 13a ErbStG daran gekoppelt, dass in den privilegierten Unternehmen Verwaltungsvermögen unterhalb einer gewissen Quote vorliegt (zu den Einzelheiten Rz. 8.137). Ob die Verwaltungsvermögensquote erfüllt ist, bestimmt sich nach dem Verkehrswert des Verwaltungsvermögens im Verhältnis zum gesamten Unternehmenswert, der nach den genannten Verfahren festzustellen ist.
1 Beispiele in R B 199.1 Abs. 4–6 ErbStR 2011. 2 S. bereits Hannes/Onderka, ZEV 2008, 173 (174), Piltz, Ubg 2009, 13 (16), so auch jetzt die Finanzverwaltung R B 199.1 Abs. 4 ErbStR 2011; a.A. noch Mannek, DB 2008, 423 (428) zum Entwurf einer Anteils- und Betriebsvermögensbewertungsverordnung.
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Anteilsübertragung
bb) Minderung durch Freibeträge und Begünstigungen (1) (Noch) aktuelle Rechtslage Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20081 haben sich – neben der Bewertung, s. Rz. 8.130 ff. – auch die Regeln für die Schenkung und Vererbung von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften grundlegend geändert.2 Sofern privilegiertes unternehmerisches Vermögen i.S.v. § 13a ErbStG vorliegt, kann der Erwerber solchen Vermögens eine Steuerbefreiung von 85 % oder gar eine vollständige Steuerbefreiung erreichen. Zudem steht in Fällen des § 13a ErbStG ein „gleitender“ Abzugsbetrag in Höhe von 150 000 Euro zur Verfügung, der mit zunehmender Höhe des Erwerbs abgeschmolzen wird. Sofern Betriebsvermögen i.S.v. §§ 13a, 13b ErbStG durch natürliche Personen erworben wird, die den ungünstigen Steuerklassen II oder III unterfallen, erhalten diese ein Steuerklassenprivileg: Ihr Erwerb wird wie in der günstigen Steuerklasse I besteuert. Daneben kann der Erwerber – je nach Sachverhalt – persönliche Freibeträge geltend machen. Für Kinder beträgt der Freibetrag 400 000 Euro, für Ehegatten sogar 500 000 Euro (§ 16 ErbStG).
8.135
Zu dem nach §§ 13a und 19a ErbStG begünstigten Betriebsvermögen gehören neben ganzen Gewerbebetrieben und Teilbetrieben auch Beteiligungen an Personengesellschaften jeder Größe. Mit von der Begünstigung erfasst ist auch das Sonderbetriebsvermögen, insbesondere auch die Anteile an der Komplementär-GmbH.3 Nicht begünstigt ist hingegen der Erwerb nur einzelner Wirtschaftsgüter des steuerlichen Betriebsvermögens, selbst wenn dies im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ertragsteuerneutral möglich sein sollte.
8.136
Die Inanspruchnahme der Privilegien für unternehmerisches Vermögen nach den §§ 13a und 19a ErbStG ist jedoch an erhebliche Voraussetzungen geknüpft. Sofern eine Steuerverschonung i.H.v. 85 % erreicht werden soll (Verschonungsweg 1), darf das Verwaltungsvermögen der Gesellschaft nicht mehr als 50 % betragen. Zum Verwaltungsvermögen gehören insbesondere Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke4 sowie Wertpapiere und diesen vergleichbare Forderungen, aber auch Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen, soweit sie die Schulden und 20 % des Unternehmenswerts übersteigen.5 Wei-
8.137
1 BGBl. I 2008, 3018. 2 S. dazu im Überblick Crezelius, ZEV 2009, 1; Hübner, Ubg 2009, 1 sowie Hannes/Onderka, ZEV 2009, 10. 3 Ansonsten ist der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur privilegiert, wenn der Schenker (oder Erblasser) mit mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft unmittelbar beteiligt ist oder wenn bei einer Beteiligung von 25 % oder weniger ein Poolvertrag mit anderen Gesellschaftern geschlossen wird, der zu einer Beteiligung des Pools von mehr als 25 % führt (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Zu den Anforderungen an solche erbschaftsteuerlichen Poolvereinbarungen Weber/Schwind, ZEV 2009, 16; Onderka/Lasa, Ubg 2009, 309; Feick/Nordmeier, DStR 2009, 893; Wälzholz, MittBayNot 2013, 281. 4 Im Bereich der Nutzungsüberlassung von Grundstücken bestehen aber wieder erhebliche Ausnahmen (z.B. kein Verwaltungsvermögen bei Betriebsaufspaltung, bestimmten Betriebsverpachtungen sowie bei der Nutzungsüberlassung von Wohnimmobilien, wenn diese einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert), s. dazu § 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG sowie Hannes/Onderka, ZEV 2009, 10 und Scholten/Koretzkij, DStR 2009, 147. 5 § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG wurde zur Vermeidung einer Begünstigung sog. „Cash-GmbH“ oder „Cash-GmbH & Co. KG“ eingeführt. Siehe zur Neuregelung und dem hierzu bereits
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tere Beispiele für schädliches Verwaltungsvermögen sind Kunstgegenstände oder auch im Betriebsvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften, die zu einer Beteiligung von 25 % oder weniger führen (§ 13b Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 ErbStG). Mit einer Holdingklausel1 (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG) wird schließlich verhindert, dass durch Verlagerung von Verwaltungsvermögen in untere Konzernebenen die Verschonung für Vermögen in Anspruch genommen wird (nach dem früherem Muster der Unterbringung von Privatvermögen in gewerblich geprägten Personengesellschaften), welches nach der Zielsetzung des Gesetzgebers eine Begünstigung nicht verdient hat. Hiernach gehört eine Tochter- oder Enkelgesellschaft unabhängig von ihrer Rechtsform insgesamt zum Verwaltungsvermögen, wenn sie ihrerseits die 50%ige Verwaltungsvermögensquote überschreitet. 8.138
Wird der Verwaltungsvermögenstest erfüllt, so muss im Falle des Verschonungswegs 1 zudem das Betriebsvermögen 5 Jahre lang gehalten werden. Eine Veräußerung, auch wesentlicher Betriebsgrundlagen, innerhalb dieser Haltefrist kann erhebliche Nachsteuern auslösen (§ 13a Abs. 5 ErbStG). Zudem tritt die Steuerfreiheit in Höhe von 85 % nur dann ein, wenn innerhalb der nächsten 5 Jahre innerhalb des Betriebs insgesamt 400 % der Lohnsumme zum Zeitpunkt des Übergangs des Betriebs (sog. Ausgangslohnsumme) gezahlt werden. Die Ausgangslohnsumme bestimmt sich nach dem Durchschnitt der Lohnsummen der letzten fünf Jahre (vgl. § 13a Abs. 1 und 4 ErbStG).2
8.139
Alternativ zum Verschonungsweg 1 steht dem Steuerpflichtigen auch ein Verschonungsweg 2 zur Verfügung. Hier darf das schädliche Verwaltungsvermögen jedoch nur die Grenze von 10 % erreichen (§ 13a Abs. 8 ErbStG). Zudem beträgt die Haltefrist für das Betriebsvermögen sieben Jahre, die Lohnsummenregelung läuft ebenfalls sieben Jahre und fordert, dass insgesamt 700 % der Ausgangslohnsumme zum Zeitpunkt des Übergangs der Anteile in den nächsten sieben Jahren gezahlt werden. Dem Steuerpflichtigen steht ein Wahlrecht zwischen dem Verschonungsabschlag 1 und dem Verschonungsabschlag 2 zu. Das Wahlrecht muss durch unwiderrufliche Option ausgeübt werden. Zeichnet sich zu einem späteren Zeitpunkt ab, dass die strengeren Kriterien des Verschonungswegs 2 nicht erreicht werden können, ist also ein Wechsel in den Verschonungsweg 1 nicht mehr möglich. Rechtsfolge des Verschonungswegs 2 ist jedoch eine vollständige Steuerfreiheit des unter § 13a ErbStG fallenden privilegierten unternehmerischen Vermögens. (2) Verfassungswidrigkeit der geltenden Verschonungsregelungen
8.140
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 17.12.20143 die §§ 13a und 13b ErbStG jeweils i.V.m. § 19 Abs. 1 ErbStG für mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetergangenen Erlass v. 10.10.2013 – S 3812b - 10 - VA 6 (GmbHR 2014, 53); Stalleiken, DB 2013, 1382; Hannes, DStR 2013, 1417; Korezkij, DStR 2013, 1764; Weber/Schmidt, ZEV 2013, 369; Milatz/Herbst, GmbHR 2014, 18. 1 Zu Holdingstrukturen siehe Hannes/Steger, ErbStB 2009, 113 (119). 2 Hinsichtlich der Einzelheiten muss an dieser Stelle auf Spezialliteratur verwiesen werden. 3 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 = GmbHR 2015, 88, siehe hierzu Crezelius, ZEV 2015, 1; Hannes, ZEV 2015, 7; Piltz, DStR 2015, 97; Reich, BB 2015, 148; Seer, GmbHR 2015, 113; Stalleiken, DB 2015, 18; Geck, ZEV 2015, 129; Viskorf/Philipp, ZEV 2015, 133; Kahle/Hiller/Eichholz, DStR 2015, 183; Kirchdörfer/Layer, DB 2015, 451.
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zes unvereinbar erklärt. Gleichzeitig hat es angeordnet, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter anwendbar ist, und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 30.6.2016 eine Neuregelung zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Begründung nicht das Verschonungssystem als Ganzes verworfen, wohl aber verschiedene Einzelregelungen beanstandet. Den Umfang der Verschonung, also sowohl die Regelverschonung mit dem 85%igen Verschonungsabschlag als auch die Vollverschonung, die zur vollständigen Steuerbefreiung des Erwerbs führt, hält das Gericht zwar grundsätzlich für verfassungskonform. Uneingeschränkt gelte dies jedoch nur für kleine und mittlere Unternehmen, nicht aber für große Unternehmen. Jede Steuerbefreiung stelle nämlich eine Ungleichbehandlung dar und bedürfe deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Umso größer die Steuerbefreiung ausfalle, desto größer sei die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung und umso höher sei die sich daraus ergebende Rechtfertigungslast. Gerechtfertigt werde die Ungleichbehandlung durch die Gefährdung des Bestands und der Fortentwicklung der Unternehmen und damit des Erhalts der durch sie geschaffenen Arbeitsplätze. Bei kleinen und mittleren Unternehmen könne eine Gefährdung durch ansonsten entstehende erbschaftsteuerliche Belastungen unterstellt werden. Ihre Verschonung bedürfe daher keiner weiteren besonderen Rechtfertigung. Bei großen Unternehmen verlange aber bereits das betragsmäßige Ausmaß der Steuerbefreiung eine besondere Rechtfertigung. Hinzu komme, dass große Unternehmen nur eines der vom Gesetzgeber mit der Verschonung verfolgten Gemeinwohlziele, nämlich den Erhalt von Arbeitsplätzen, erfülle. Das zweite Gemeinwohlziel, den Erhalt der klein- und mittelständischen Unternehmerlandschaft, werde durch die Verschonung großer Vermögen hingegen nicht verwirklicht. Die Gefährdung großer Unternehmen durch Erbschaft- und Schenkungsteuern dürfe daher nicht unwiderleglich vermutet werden. Vielmehr bedürfe die Rechtfertigung deren Verschonung im bisherigen Umfang einer individuellen Bedürfnisprüfung. In deren Rahmen wäre zu untersuchen, ob eine ohne Verschonung des Erwerbs entstehende Erbschaftsteuerbelastung tatsächlich den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt der mit ihm verbundenen Arbeitsplätze gefährdet oder ob der Erwerber möglicherweise auch unter Berücksichtigung sonstigen ererbten oder geschenkt erhaltenen Vermögens oder seines eigenen Vermögens in der Lage ist, die entstehende Erbschaftsteuer zu bezahlen. Eine Abgrenzung kleiner und mittlerer Unternehmen von großen Unternehmen kann sich das Bundesverfassungsgericht anhand von Größenklassen, wie bspw. Anzahl der Arbeitnehmer, Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme, vorstellen. Bei der kompletten Ausgestaltung billigt es dem Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum zu. Alternativ zur Erhöhung der Rechtfertigungslast könne der Gesetzgeber aber auch die Verschonung reduzieren. Beispielhaft nennt das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf einen Gesetzesentwurf des Landes Bayern aus dem Jahr 2005 die Einführung einer Förderungshöchstgrenze von 100 Mio. Euro pro Erwerb.
8.141
Die Definition der begünstigungsfähigen Vermögensarten in § 13b Abs. 1 ErbStG hält das Bundesverfassungsgericht hingegen für verfassungskonform. Sie kann daher, jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht, so bleiben wie sie ist. Dies gilt auch für die zu Recht häufig kritisierte 25 %-Grenze für Kapitalgesellschaften und die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, durch eine Poolregelung mit Mitgesellschaftern, diese Hürde zu überspringen.
8.142
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8.143
Als verfassungswidrig beanstandet das Bundesverfassungsgericht hingegen zentrale Regelungen des Verwaltungsvermögenstests. Gleichheitswidrig sei insbesondere das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ in Verbindung mit der für die Regelverschonung maßgeblichen Verwaltungsvermögensquote von 50 %. Hierdurch könne ein nicht zu rechtfertigender Teil nichtbegünstigungswürdigen Verwaltungsvermögens unter die Verschonung fallen. Umgekehrt wäre bei Überschreiten der Quote an sich begünstigungswürdiges Betriebsvermögen nicht verschont. Gleichheitswidrig sei auch die auf dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ aufbauende Holdingklausel des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG. Bei optimaler Verteilung von Verwaltungsvermögen auf unterschiedlichen Holdingebenen lässt es die Holdingklausel zu, dass auch weit mehr als 50 % Verwaltungsvermögen verschont übertragen werden können. Der Gesetzgeber ist somit aufgerufen, das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ zu beseitigen. Naheliegend ist, dass das Verwaltungsvermögen generell der Vollversteuerung unterworfen wird. Zur Vermeidung des positiven Kaskadeneffekts in Holdingstrukturen wird der Gesetzgeber wohl eine konsolidierte Ermittlung des Verwaltungsvermögens vorschreiben müssen. Mit Ausnahme der Holdingklausel ist hingegen der Katalog des Verwaltungsvermögens in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG unbeanstandet geblieben. Hieran müsste der Gesetzgeber somit nichts ändern. Die gesetzliche Regelung zur Nachsorgephase (Lohnsummenkontrolle und Behaltenspflichten) kann aus verfassungsrechtlicher Sicht weitgehend unverändert bleiben. Lediglich die 20-Beschäftigten-Grenze, die darüber entscheidet, ob überhaupt eine Lohnsummenkontrolle stattfindet, erscheint dem Bundesverfassungsgericht zu hoch, da sie dazu führt, dass bis zu 90 % der Unternehmen keiner Lohnsummenkontrolle unterliegen.
8.144
Bis zur Verabschiedung eines verfassungskonformen Gesetzes gilt das vorstehend skizzierte Verschonungssystem weiter. Eine rückwirkende Neuregelung auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung kommt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht in Betracht. Einer solchen Rückwirkung stünden die damit verbundene haushaltswirtschaftliche Unsicherheit, verwaltungstechnische Probleme und vor allem das berechtigte Interesse der Steuerpflichtigen an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerlicher Hinsicht entgegen. Ausnahmsweise könne der Gesetzgeber allerdings für solche Neuregelungen eine Rückwirkung auf den 17.12.2014 anordnen, die einer exzessiven Ausnutzung der als gleichheitswidrig befundenen Einzelregelungen der §§ 13a und 13b ErbStG entgegenwirken sollen. (3) Regierungsentwurf vom 8.7.2015
8.145
Nachdem zunächst das Bundesfinanzministerium am 1.6.2015 einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des BVerfG“ vorgelegt hatte,1 hat das Kabinett am 8.7.2015 einen Regierungsentwurf verabschiedet, der die nachfolgenden Kernaussagen enthält:2
8.146
Das begünstigte Vermögen i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG heißt zukünftig „begünstigungsfähiges Vermögen“. Nach wie vor aber gehören hierzu land- und forstwirt1 Hierzu Erkis, DStR 2015, 1409; Korezkij, DStR 2015, 1337; Söffing, ErbStB 2015, 194; Steger/Königer, BB 2015, 1623; Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673; von Oertzen/Reich, BB 2015, 1559; Zipfel, DStZ 2015, 521. 2 S. BT-Drucks. 18/5923; Hannes, ZEV 2015, 371; Korezkij, DStR 2015, 1649.
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schaftliches Vermögen, Einzelunternehmen und Beteiligungen an Mitunternehmerschaften sowie Anteile an Kapitalgesellschaften mit der bisherigen 25 %-Grenze und Poolregelung. Den Verwaltungsvermögenstest in seiner bisherigen Form soll es hiernach jedoch nicht mehr geben. Der Entwurf sieht nicht nur eine Beseitigung des Alles-oder-Nichts-Prinzips vor, sondern nennt auch nicht mehr den vom Bundesverfassungsgericht an sich gebilligten Katalog des Verwaltungsvermögens. Stattdessen wird das begünstigungsfähige Vermögen in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen aufgeteilt. Die Aufteilung bestimmt sich danach, ob das jeweilige zum begünstigungsfähigen Vermögen gehörende Wirtschaftsgut überwiegend einer gewerblichen, land- und forstwirtschaftlichen oder freiberuflichen Tätigkeit nach seinem Hauptzweck dient. Ist dies der Fall, gehört es zum begünstigten Vermögen, anderenfalls zum nicht begünstigten Vermögen. Gesondert aufgeteilt werden die Finanzmittel. Diese werden nicht gegenständlich, sondern betragsmäßig dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugerechnet. Sie gehören zum begünstigten Vermögen, soweit sie die Schulden und 20 % des Gesamtwerts des Betriebsvermögens nicht übersteigen. Der übersteigende Teil hingegen gehört zum nicht begünstigten Vermögen. Sog. junge Finanzmittel, das ist der Saldo aus innerhalb der letzten zwei Jahre entnommenen und eingelegten Finanzmitteln, sind von der Begünstigung ausgenommen. Die Schulden des Unternehmens werden, soweit sie nicht bereits mit Finanzmitteln verrechnet wurden, dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen im Verhältnis von deren Werten zugeordnet. Maßgeblich für die Schuldenaufteilung wird damit jeweils die Summe der gemeinen Werte der Aktiva des begünstigten und der Aktiva des nicht begünstigten Vermögens. Danach wird in einem weiteren Schritt nicht begünstigtes Vermögen in Höhe von 10 % des Nettowerts des begünstigten Vermögens in begünstigtes Vermögen umqualifiziert. Ausgenommen von der Umqualifizierung bleibt sog. junges nicht begünstigtes Vermögen, wozu solches nicht begünstigtes Vermögen gehört, das dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen ist. Steht hiernach der Nettowert des begünstigten und des nicht begünstigten Vermögens fest, wird in einem letzten Schritt der gemeine Wert des Gesamtunternehmens, der in der Regel nach Ertragswertgesichtspunkten festgestellt wird und über dem Substanzwert liegt, im Verhältnis der Nettowerte des begünstigten und nicht begünstigten Vermögens in einen begünstigten und einen nicht begünstigten Teil aufgeteilt. Der begünstigte Teil unterliegt der Verschonung, der nicht begünstigte Teil nicht. In Konzernstrukturen werden die vorgenannten Schritte konsolidiert im Rahmen einer sog. Verbundvermögensaufstellung durchgeführt. Die Art und Weise der Lohnsummenkontrolle ändert sich nicht. Jedoch wird die Beschäftigtengrenze, die darüber entscheidet, ob überhaupt eine Lohnsummenkontrolle durchzuführen ist, auf drei gesenkt. Zusätzlich wird als neue Kategorie eine erleichterte Lohnsummenkontrolle für Unternehmen mit mehr als 3 und bis zu 10 sowie mehr als 10 und bis zu 15 Beschäftigten eingeführt. Im Rahmen dieser erleichterten Lohnsummenkontrolle gelten insbesondere geringere Mindestlohnsummen. Zu den Behaltensfristen enthält der Regierungsentwurf keine Änderungen.
8.147
Deutlich komplizierter werden auch die Regelungen zu Art und Umfang der Verschonung. Die bisherige Verschonung mit 85 %igem und 100 %igem Verschonungsabschlag gilt zwar fort, jedoch nur bis zu einer Förderhöchstgrenze von 26 Mio. Euro. Diese Grenze verdoppelt sich auf 52 Mio. Euro bei Gesellschaften, deren Gesellschaftsvertrag in einem Zeitraum von insgesamt 40 Jahren, nämlich
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innerhalb von 10 Jahren vor dem Steuerentstehungszeitpunkt und 30 Jahre danach, Entnahmen oder Gewinnausschüttungen nahezu vollständig beschränkt, Anteilsverfügungen nur an Angehörige i.S. des § 15 Abs. 1 AO gestattet und Abfindungen bei Ausscheiden eines Gesellschafters auf einen Wert begrenzt, der erheblich unter dem gemeinen Wert des Anteils liegt. Wird die Förderhöchstgrenze überschritten, kommt die „Normalverschonung“ nicht mehr in Betracht. Stattdessen kann der Steuerpflichtige wählen zwischen einem Abschmelzungsmodell, bei dem die Verschonung mit steigendem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs reduziert wird, und einem Erlassmodell, bei dem die auf das begünstigte Vermögen entfallende Erbschaftsteuer insoweit erlassen wird, als der Erwerber nicht über ausreichende Mittel verfügt, die Erbschaftsteuer zu zahlen. Im Abschmelzungsmodell reduziert sich der 85 %ige und auch der 100 %ige Verschonungsabschlag um jeweils 1 Prozentpunkt für jede vollen 1,5 Mio. Euro, die der Wert des begünstigten Vermögens die maßgebliche Förderhöchstgrenze (26 Mio. oder 52 Mio. Euro) übersteigt. Der geringste Verschonungsabschlag liegt bei der Regelverschonung bei 20 % und bei der Vollverschonung bei 35 %. Beim Erlassmodell bestimmt sich die Höhe des Steuererlasses nach dem dem Erwerber zur Zahlung der Steuer zur Verfügung stehenden Vermögen. Zum verfügbaren Vermögen gehört nach dem Regierungsentwurf die Hälfte der Summe der gemeinen Werte sämtlicher Vermögensgegenstände, die nicht zum begünstigten Vermögen gehören, sowie weiterhin die Hälfte des Werts des eigenen Vermögens des Erwerbers, soweit es nicht als begünstigtes Vermögen zu qualifizieren wäre. Der Erlass entfällt – ggf. anteilig – bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme und bei einem Verstoß gegen die Behaltenspflichten. Weiterhin kommt es zu einer Aufhebung des Erlasses, wenn der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach seinem Erwerb durch Schenkung oder Erwerb von Todes wegen – egal von wem – weiteres verfügbares Vermögen erwirbt. Der Erwerber ist dann wieder zur Zahlung der vollen Steuer verpflichtet. Er kann aber einen neuen Erlassantrag stellen. Bei der Berechnung des neuen Erlasses wird dem verfügbaren Vermögen im Zeitpunkt der Steuerentstehung das nun zusätzlich erworbene Vermögen hinzugerechnet. (4) Gegenvorschlag der Länder vom 25.9.2015 8.149
Die Bundesländer haben am 25.9.2015 einen eigenen Gesetzentwurf1 ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der vor allem auf der Tatbestandsseite wesentliche Änderungen zum Regierungsentwurf enthält. Insbesondere möchten die Bundesländer am alten Verwaltungsvermögenskatalog festhalten und diesen lediglich an einigen Stellen modifizieren. So sollen beispielsweise Wertpapiere, die Pensionsverpflichtungen rückdecken, als Finanzmittel zu qualifizieren sein. Der „FinanzmittelFreibetrag“ von 20 % des Unternehmenswertes soll nur noch dann Anwendung finden, wenn das begünstigungsfähige Vermögen „überwiegend“ einer gewerblichen Tätigkeit dient. Die Umqualifizierung von nichtbegünstigtem Vermögen in begünstigtes Vermögen i.H.v. 10 % des begünstigten Vermögens ist im Länderentwurf nicht vorgesehen. Auf der Rechtsfolgenseite wollen die Länder die Abschmelzung stark kürzen und keine Sockelverschonung mehr gewähren. Bei Erwerben von mehr als 26 Mio. Euro schmilzt der Verschonungsabschlag linear bis zu einem Wert von 34 Mio. Euro auf Null ab. Die weitere Rechtsentwicklung bleibt abzuwarten. 1 S. BR-Drucks. 353/15 (B) v. 25.9.2015.
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6. Steuerliche Auswirkungen flankierender Gestaltungsmaßnahmen a) Nießbrauchsvorbehalt Mit der Schenkung von KG-Anteilen unter Nießbrauchsvorbehalt lassen sich schenkungsteuerliche Effekte erzielen. Sofern eine Begünstigung nach § 13a ErbStG in Anspruch genommen wird, ist der Abzug des Nießbrauchs jedoch nur anteilig möglich (§ 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG). Dies bedeutet bei Inanspruchnahme des Verschonungswegs 1 (85 %-Abschlag), dass der steuerliche Wert des Nießbrauchs nur i.H.v. 15 % steuerlich als Abzugsposten geltend gemacht werden kann. Sofern der Verschonungsweg 2 und damit die volle Steuerfreiheit des Erwerbs gewählt wird, ist der Nießbrauch unbeachtlich. Sofern ein Nachsteuertatbestand des § 13a Abs. 5 ErbStG verwirklicht wird und damit der 85 %- oder 100 %-Abschlag (ggf. auch anteilig) wegfällt, ist der Nießbrauch in der entsprechenden höheren Quote zu berücksichtigen. Sofern der Erwerb des KG-Anteils nicht unter die Begünstigung des § 13a ErbStG fällt, weil z.B. das Verwaltungsvermögen zu hoch ist, ist der Nießbrauch in vollem Umfang abzugsfähig, was nach Wegfall des § 25 ErbStG a.F. durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zu besonderen Entlastungen führt.
8.150
Wird ein KG-Anteil unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, ist der Beschenkte nach der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung neben dem Vorbehaltsnießbraucher Mitunternehmer.1 Die Anwendung der Privilegien für unternehmerisches Vermögen nach § 13a ErbStG ist also dem Grunde nach möglich. Freilich sind die oben für den Verschonungsweg 1 und Verschonungsweg 2 genannten Voraussetzungen zu erfüllen. Zu beachten ist jedoch, dass es ausnahmsweise zur Versagung der Privilegien nach § 13a ErbStG kommen kann, wenn durch die konkrete vertragliche Ausgestaltung das Nießbrauchsrecht derart vom gesetzlichen Regelungsmodell abweicht, dass der Beschenkte nicht als Mitunternehmer qualifiziert werden kann. Insoweit ist also bei der Gestaltung Zurückhaltung geboten.2
8.151
b) Versorgungsleistungen aa) Ertragsteuer Eine Anteilsübertragung unter Vorbehalt einer Leibrente oder dauernden Last kann dreierlei darstellen: Ein steuerpflichtiges, entgeltliches Veräußerungsgeschäft, nicht steuerbare Unterhaltszahlungen nach § 12 Nr. 2 EStG oder eine – meist angestrebte – zum Sonderausgabenabzug berechtigende Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG).
8.152
Von einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist auszugehen, wenn sich der Übergeber im Zuge vorweggenommener Erbfolge in Form der Versorgungs-
8.153
1 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = FR 1994, 789; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 306; Münch, ZEV 1998, 8 (10). 2 S. als warnende Beispiele BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 = GmbHR 2009, 386 (u.a. unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht); FG Münster v. 19.6.2008 – 3 K 1086/06 Erb, EFG 2008, 1733; BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, BStBl. II 2010, 555 = GmbHR 2010, 669 (Stimmrechte auch für Grundlagengeschäfte, Irrelevanz der Einheitlichkeit des Mitunternehmeranteils), BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 = GmbHR 2013, 839 („Quoten“-Nießbrauch, Vollmacht mit sanktionierendem Widerruf); BFH v. 6.5.2015 – II R 34/13, DStR 2015, 1799 (Vorbehalt der Stimmrechtsausübung auch für Grundlagengeschäfte).
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leistungen Erträge seines Vermögens in der Weise vorbehält, dass der Übernehmer sich verpflichtet, aus diesen erwirtschafteten Erträgen einen Teil an den Übergeber abzuführen.1 8.154
Von einem entgeltlichen Geschäft ist hingegen auszugehen, wenn die Versorgungsleistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten bemessen wurden, die Vertragsparteien also von der Gleichwertigkeit des übertragenen Anteils auf der einen Seite und der Versorgungsleistungen auf der anderen Seite ausgingen.2 Die Finanzverwaltung vermutet dies widerlegbar bei einer Vermögensübertragung unter Fremden. Auch wird ein entgeltliches Geschäft angenommen, wenn die Versorgungsleistungen nicht lebenslang gezahlt werden müssen, sondern auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind3 oder – abhängig von der tatsächlichen Lebensdauer – eine festgelegte Mindestzeit zu erbringen sind.4 Ein Anhaltspunkt für ein entgeltliches Geschäft ergibt sich nach Auffassung der Finanzverwaltung schließlich auch daraus, dass die wiederkehrenden Leistungen auf Dauer die erzielbaren Erträge übersteigen.5 Steuerlich unbeachtliche Unterhaltsleistungen liegen vor, wenn den Versorgungsleistungen keine Gegenleistung gegenübersteht und der Verpflichtete die Verpflichtung zu ihrer Erbringung freiwillig eingegangen ist. Die Finanzverwaltung geht von einer solchen unentgeltlichen Zuwendung i.S. des § 12 Nr. 2 EStG insbesondere dann aus, wenn der Barwert der wiederkehrenden Leistungen doppelt so hoch ist wie der Wert des übertragenen Vermögens.6
8.155
Mit Wirkung zum 1.1.2008 wurde das Recht der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen nachhaltig geändert.7 Die neue Fassung8 des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG beschränkt nunmehr den sachlichen Anwendungsbereich der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen.9 Mit Datum vom 11.3.2010 hat die Finanzverwaltung einen Erlass zur neuen Rechtslage (sog. IV. Rentenerlass) veröffentlicht.10 Dieser hat zwar eine Vielzahl von Rechtsfragen für die Praxis geklärt, keineswegs jedoch alle, so dass in der Literatur eine rege Diskussion entstanden ist.11 1 BMF v. 11.3.2010 – II C 3 - 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 2 f.; Wacker in Schmidt, § 22 EStG Rz. 78. 2 BMF v. 11.3.2010 – II C 3 - 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 5 f.; Wacker in Schmidt, § 22 EStG Rz. 71; Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 70. 3 BFH v. 21.10.1999 – X R 75/97, FR 2000, 159 = ZEV 2000, 116 m. Anm. Geck. 4 BMF v. 11.3.2010 – II C 3 - 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 56. 5 BMF v. 11.3.2010 – II C 3 - 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 6. 6 BMF v. 11.3.2010 – II C 3 - 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 66. 7 Zur alten Rechtslage bis zum 31.12.2007 s. BMF v. 16.9.2004 – IV T 3 - S 2255 - 3 54/04, DStR 2004, 1696 („dritter Rentenerlass“); Schwenke, DStR 2004, 1679; Heinrichshofen, ErbStB 2004, 335. 8 Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 9 Zur Übergangsregelung zwischen altem und neuem Recht siehe § 52 Abs. 3e EStG. 10 Für Übertragungsverträge vor dem 1.1.2008 bleibt der III. Rentenerlass (BMF v. 16.9.2004 – IV C 3 - S 2255 - 354/04, BStBl. I 2004, 922) grundsätzlich anwendbar. Näheres hierzu und zu den Ausnahmen BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 82 ff. 11 Zum IV. Rentenerlass siehe insbesondere Wälzholz, GmbH-StB 2010, 206; Wälzholz, DStR 2010, 850; Geck, ZEV 2010, 161; Geck – mit Gestaltungsüberlegungen zu Übergaben von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen DStR 2011, 1303; Reddig, DStZ 2010, 445; Risthaus, DB 2010, 803; Seitz, DStR 2010, 629; Korn, KÖSDI 2010, 16920.
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Hannes
§8
Anteilsübertragung
Im Falle der Übertragung eines KG-Anteils ist es notwendig, dass die KG eine originär gewerbliche, land- und forstwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. a) EStG). Damit ist eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung z.B. dann nicht möglich, wenn Anteile an einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) übertragen werden, die ihrem Wesen nach vermögensverwaltend tätig ist. Umstritten ist, ob auch die Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils vom Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1c EStG erfasst ist.1 Der IV. Rentenerlass bejaht dies.2 Auch mit Blick auf die Übertragung von GmbH-Anteilen finden sich Einschränkungen. So ist es nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c) EStG notwendig, dass ein GmbH-Anteil in Höhe von mindestens 50 % übertragen wird und der Übergeber bisher als Geschäftsführer der GmbH tätig war. Nach der Übergabe muss der Übernehmer als Geschäftsführer diese Tätigkeit ausüben, was so zu verstehen ist, dass der Übergeber seine Tätigkeit als Geschäftsführer aufgibt. Weiterhin ist Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug, dass die Versorgungsleistungen „lebenslang“ gewährt werden und dass der Empfänger der Versorgungsleistungen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Schließlich muss das Vermögen nach einer zum Übertragungsstichtag zu treffenden Prognose ausreichend Ertrag bringen, um die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil zu sichern. Die Versorgungsleistungen sollten also nicht höher sein als die langfristig erzielbaren Erträge. Bei der Übergabe eines Mitunternehmeranteils wird dies von der Finanzverwaltung widerlegbar vermutet, wenn der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird.3
8.156
Die Qualifizierung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen als unentgeltlicher Vorgang, entgeltliches Geschäft oder Unterhaltsabrede hat vor allem Bedeutung für die steuerliche Behandlung der Versorgungsleistungen. Handelt es sich um ein entgeltliches Geschäft, sind die Versorgungsleistungen in Höhe ihres Barwerts als Kaufpreis zu qualifizieren. Der Veräußerer hat den ihm entstehenden Gewinn grundsätzlich sofort – ggf. begünstigt nach §§ 16, 34 EStG – und die in den Rentenzahlungen enthaltenen Ertragsanteile nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) EStG im Jahr des Rentenbezugs zu versteuern.4 Stattdessen kann er aber auch zur Besteuerung im Zuflusszeitpunkt optieren. Dann unterliegen die Versorgungsleistungen als nicht begünstigte nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in vollem Umfang, also nicht nur mit ihrem Ertragsanteil, der Besteuerung (§ 15 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG).5 Die Steuerpflicht entsteht allerdings erst dann, wenn die gezahlten Versorgungsleistungen in der Summe den Buchwert zuzüglich Veräußerungskosten übersteigen und somit Gewinn darstellen. Der in den wiederkehrenden Bezügen enthaltene Zinsanteil stellt nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings schon im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar. Der Erwerber und Rentenverpflichtete hat unabhängig von der Ausübung des Wahlrechts durch den Veräußerer in Höhe des Barwerts der
8.157
1 2 3 4 5
Dafür Wälzholz, DStR 2008, 273, 275; a.A. Reimann, FamRZ 2008, 19 (21). BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 8. BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 26 ff. R 16 Abs. 11 EStR 2012; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 221, 240 f. R 16 Abs. 11 EStR 2012; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 221; Hörger/Rapp in Littmann/ Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 100.
Hannes
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Versorgungsleistungen Anschaffungskosten.1 Den in den Versorgungsleistungen enthaltenen Zinsanteil kann er als Betriebsausgaben geltend machen.2 Sind die wechselseitigen Leistungen als Unterhalt zu qualifizieren, bleiben sie auf beiden Seiten steuerlich unbeachtlich. 8.158
Im Falle einer Versorgungsleistung i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG kann der Verpflichtete die Versorgungsleistungen vollumfänglich als Sonderausgaben abziehen. Dem vollen Abzug steht auf Empfängerseite eine volle Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b) EStG als sonstige Einkünfte gegenüber. Da die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ein unentgeltlicher Vorgang ist, findet beim Übergeber des Vermögens keine Realisierung i.S. einer Veräußerung der übergebenen Vermögensgegenstände statt. Entsprechend hat der Übernehmer des Vermögens auch keine Anschaffungskosten, die ggf. abschreibungsfähig wären. bb) Schenkungsteuer
8.159
Schenkungsteuerlich werden die Versorgungsleistungen als Gegenleistung qualifiziert.3 Die Besteuerung erfolgt nach den Grundsätzen einer gemischten Schenkung. In Fällen, in denen der Verkehrswert des Schenkungsgegenstandes über dem Steuerwert liegt, was nach Einführung der neuen Bewertungsregelungen mit ihrer grundsätzlichen Maßgeblichkeit des gemeinen Werts nur noch ausnahmsweise vorkommen wird, wurde bisher die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage in der Weise ermittelt, dass der Steuerwert der Leistung des Schenkers in dem Verhältnis aufgeteilt wurde, in dem der Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten zu dem Verkehrswert des geschenkten Vermögens stand. Die hierfür maßgebliche Berechnungsformel lautete:4 Steuerwert der Schenkerleistung × Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten Verkehrswert der Schenkerleistung = Steuerwert der freigebigen Zuwendung Der Verkehrswert der Bereicherung ergab sich wiederum aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert des geschenkten Anteils und dem Kapitalwert der Versorgungsleistungen.
8.160
Die zunächst vom Bundesverfassungsgericht5 geforderte und vom Gesetzgeber mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1.1.2009 umgesetzte Angleichung der Steuerwerte an die Verkehrswerte hat offenbar die Finanzverwaltung dazu veranlasst, die Ermittlung der Bereicherung nicht mehr nach vorstehender Verhältnisrechnung, sondern durch schlichte Saldierung vorzunehmen.6 Bezogen auf beispielsweise die Übergabe eines Kommanditanteils gegen lebenslange Versorgungsleistungen bedeutet dies, dass vom erbschaftsteuerlichen Wert des Anteils der Kapitalwert der Versorgungsleistung abzuziehen ist. Soweit für den Erwerb des Anteils die 1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 232; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 102. 2 Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 102. 3 Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 61a. 4 R 17 Abs. 2 ErbStR 2003. 5 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = GmbHR 2007, 320. 6 R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011.
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Hannes
§8
Ausscheiden durch Tod
Verschonung nach §§ 13a, b ErbStG Anwendung findet, ist das (anteilige) Abzugsverbot nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG zu beachten.1 c) Gesellschaftsvertragliche Sonderrechte Der gesellschaftsvertragliche Vorbehalt von Sonderstimmrechten hat i.d.R. keine steuerlichen Auswirkungen. Jedoch kann auch hier je nach Gestaltung die Mitunternehmerstellung des Beschenkten in Frage stehen. Auch können Sonderstimmrechte die Begründung oder Beendigung einer personellen Verflechtung nach den Grundsätzen zur Betriebsaufspaltung zur Folge haben.
8.161
Sondergewinnbezugsrechte können neben der regelmäßig auch angestrebten ertragsteuerlichen Zurechnung schenkungsteuerliche Nachteile haben. So ist nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b) BewG der nach Verteilung der Kapitalkonten verbleibende Wert des Betriebsvermögens der Personengesellschaft nach dem für die Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen. Damit wird für die Wertbestimmung des Erwerbs nicht die Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft, sondern die Beteiligung am Gewinn maßgeblich, wodurch der mit der Anteilsübertragung angestrebte schenkungsteuerliche Effekt vereitelt werden kann. Demgegenüber bleiben vereinbarte Vorabgewinnanteile bei der Aufteilung des Werts unberücksichtigt. Die Gewährung von nicht sachlich zu rechtfertigenden Sondergewinnbezugsrechten kann zudem eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung nach § 7 Abs. 6 ErbStG darstellen.2 Sonderentnahmerechte begründen i.d.R. keine unmittelbaren ertragsteuerlichen oder schenkungsteuerlichen Folgen. Allerdings entsteht dem Sonderentnahmeberechtigten durch Übergewinnentnahmen ein negatives Kapitalkonto, was er oder seine Rechtsnachfolger im Falle späterer Veräußerung entsprechend zu versteuern haben.
8.162
B. Ausscheiden durch Tod I. Gesetzliche Nachfolgeregelungen und ihre steuerlichen Konsequenzen In der GmbH & Co. KG gibt es drei Typen von Gesellschaftern, und zwar den Komplementär (das ist in der GmbH & Co. KG typischerweise nicht eine natürliche Person, sondern eine GmbH), den Kommanditisten und den GmbH-Gesellschafter. Im Falle ihres Todes sieht das Gesetz jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen vor.
8.163
1. Tod eines Komplementärs Für den Fall des Todes eines Komplementärs sieht § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB vor, dass dieser aus der Gesellschaft ausscheidet und die 1 Vgl. R E 7.4 Abs. 2 ErbStR 2011. 2 Die Finanzverwaltung fasst unter § 7 Abs. 6 ErbStG nicht nur die Anteilsschenkung mit gleichzeitiger Zuwendung der überhöhten Gewinnbeteiligung, sondern auch die isolierte Gewinnübermaß-Schenkung (R E 7.8 Abs. 2 ErbStR 2011). Demgegenüber weist Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 137 zutreffend darauf hin, dass sich derartige Zuwendungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ErbStG beurteilen.
Hannes
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8.164
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Der Anteil des Ausgeschiedenen wächst den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung an, ohne dass hierzu ein besonderer Übertragungsakt nötig wird. Die Erben des verstorbenen Gesellschafters sind auf einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch verwiesen, der mangels Regelung im HGB und aufgrund des Verweises in § 105 Abs. 3 HGB aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleitet wird. Der Abfindungsanspruch besteht nicht, wie der Wortlaut des § 738 Abs. 1 BGB vermuten lässt, gegenüber den Gesellschaftern, sondern gegen die Gesellschaft und bemisst sich nach dem Verkehrswert des Anteils, also unter Berücksichtigung der vorhandenen stillen Reserven und des Geschäftswerts (ausführlicher hierzu Rz. 8.245 ff.). 8.165
Ertragsteuerlich wird das Ausscheiden gegen Abfindung wie eine entgeltliche Veräußerung des Mitunternehmeranteils des verstorbenen Gesellschafters an die verbleibenden Gesellschafter behandelt. Der Veräußerungsgewinn entsteht nicht in der Person der Erben, sondern noch in der Person des Erblassers.1 Dies hat Folgen für die Begünstigungen nach §§ 16, 34 EStG („halber“ Steuersatz oder Fünftel-Regelung, s. Rz. 8.46 ff.). Insoweit ist nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Erben, sondern die des Erblassers abzustellen. Für die Gesellschaft und damit den verbleibenden Gesellschafter stellen die Abfindungsleistungen Anschaffungskosten dar; soweit die Abfindung also über dem Buchwert liegt, entsteht ihnen neues Abschreibungsvolumen.
8.166
Hat der Erblasser der Gesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen und diese somit im steuerlichen Sonderbetriebsvermögen gehalten, führt der Erbfall ungeachtet einer eventuellen Fortführung der Nutzungsüberlassung mangels weiterer Zugehörigkeit der Erben zur Mitunternehmerschaft zur Entnahme dieser Wirtschaftsgüter.2 Da jedoch das Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil gehört, ist der Vorgang insgesamt als Aufgabe des Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 3 EStG zu qualifizieren und der entstehende Entnahmegewinn als Teil des Aufgabegewinns begünstigt zu versteuern.
8.167
Der Erwerb des Abfindungsanspruchs durch die Erben ist erbschaftsteuerpflichtig. Eine Inanspruchnahme der Betriebsvermögensprivilegien kommt nicht in Betracht, da der Abfindungsanspruch als reines Forderungsrecht dem Privatvermögen zuzurechnen ist.3 Hingegen erfüllt die Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern keinen Erbschaftsteuertatbestand, da diese – genauer: die Gesellschaft – für den ihnen anwachsenden Teil des Gesellschaftsanteils eine gleichwertige Abfindung zu zahlen haben. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erfasst nur solche Erwerbe durch Anwachsung – fingiert als Schenkung auf den Todesfall –, bei denen der Steuerwert des Anteils die Abfindung übersteigt.4
8.168
Dem Tod einer natürlichen Person entspricht die Vollbeendigung einer juristischen Person, bei der GmbH & Co. KG somit die Vollbeendigung der Komplementär-GmbH. Allerdings führt noch nicht die Auflösung der Komplementär-GmbH zum Ausscheiden. Voraussetzung ist vielmehr, dass die GmbH über kein Ver1 Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 81 m.w.N.; a.A. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG Rz. B 123. 2 Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 1022. 3 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 3 ErbStG Rz. 138. 4 S. hierzu Götzenberger, BB 2009, 131.
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Hannes
§8
Ausscheiden durch Tod
mögen mehr verfügt.1 Zur Schaffung klarer Verhältnisse empfiehlt es sich daher, gesellschaftsvertraglich bereits die Auflösung dem Tod gleichzustellen. Ebenfalls nicht zum Ausscheiden führt auch die Verschmelzung oder der Formwechsel der Komplementär-GmbH, wohl aber können derartige Umwandlungsfälle die Mitgesellschafter zur Ausschließung der Komplementärgesellschaft berechtigen.2 Wie der leibliche Tod führt schließlich auch der „wirtschaftliche Tod“ zum Ausscheiden. Dies gilt nicht nur für den Komplementär, sondern genauso für den Kommanditisten. Konkrete Voraussetzung hierfür ist nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters. Wird die Eröffnung mangels Masse abgelehnt, kommt es somit nicht zum Ausscheiden.3 Allerdings empfiehlt es sich, durch gesellschaftsvertragliche Ergänzung auch für diesen Fall das Ausscheiden des Gesellschafters vorzusehen.
8.169
2. Tod eines Kommanditisten Stirbt ein Kommanditist, wird die Gesellschaft nach § 177 HGB mit den Erben fortgesetzt. Bei Vorhandensein mehrerer Erben geschieht dies im Wege der Sonderrechtsnachfolge, so dass nicht die Erbengemeinschaft, sondern die Erben unmittelbar Kommanditisten werden.4 Die Kommanditbeteiligung des Erblassers zerfällt in eine der Zahl der Miterben entsprechende Anzahl einzelner Kommanditbeteiligungen, so dass jeder einzelne Erbe entsprechend seiner Erbenquote Kommanditist wird. Dies bedeutet eine Durchbrechung des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge.5
8.170
Ist der Erbe bereits Kommanditist, so vereinigen sich sein ursprünglicher und sein ererbter Anteil zu einem einheitlichen Anteil.6 Bei getrennten Anteilen bleibt es hingegen, wenn der ererbte Anteil durch eine Nacherbeneinsetzung7 oder eine Testamentsvollstreckung8 beschränkt ist. Zur Vereinigung der Anteile kommt es auch bei einem Komplementär als Erben, jedoch mit der Folge, dass sich die unbeschränkte Haftung auch auf den ererbten Kommanditanteil erstreckt.
8.171
Einkommensteuerrechtlich sind die Buchwerte des erworbenen Teils des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG fortzuführen. Dies gilt auch für gleich-
8.172
1 OLG Frankfurt v. 14.5.1976 – 20 W 313/76, DNotZ 1976, 619 (620); OLG Düsseldorf v. 17.10.1994 – 3 Wx 354/94, GmbHR 1995, 233; a.A. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 13; K. Schmidt in Scholz, § 60 GmbHG Rz. 115; Casper in Ulmer/Habersack/Winter, 1. Aufl. 2008, § 60 GmbHG Rz. 164. 2 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 22; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 11. 3 OLG Hamm v. 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233. 4 BGH v. 4.5.1983 – IVa ZR 229/81, GmbHR 1984, 39 = WM 1983, 672 (673); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 16 m.w.N. 5 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (191 ff.); BGH v. 1.6.1987 – II ZR 259/86, BGHZ 101, 123 (125) = GmbHR 1987, 466; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187 (192) = GmbHR 1990, 28. 6 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 19 m.w.N. 7 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 19; Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 105 HGB Rz. 35. 8 Ulmer, NJW 1990, 77; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 19 m.w.N. Entsprechendes gilt wohl auch bei angeordneter Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
zeitig ererbtes Sonderbetriebsvermögen. Wurde hingegen das Sonderbetriebsvermögen durch testamentarische Anordnung einem Nichtgesellschafter vermacht, kommt es zur steuerpflichtigen Entnahme. Handelt es sich bei dem so entnommenen Sonderbetriebsvermögen um eine wesentliche Betriebsgrundlage, könnte dies bei wortlautentsprechender Anwendung sogar zu einer Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils führen, mit der steuerlichen Folge, dass die stillen Reserven sowohl des Mitunternehmeranteils als auch des Sonderbetriebsvermögens als Aufgabegewinn – bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 34 EStG allerdings begünstigt – zu versteuern wären. Gegen eine Gewinnrealisierung aufgrund Anteilsaufgabe spricht hingegen, dass die Vermächtniserfüllung erst nach dem Erbfall erfolgt. So hatte schon der BFH die Zuwendung des vermachten Wirtschaftsguts eines Einzelunternehmens – und Gleiches muss bei einer Mitunternehmerschaft gelten – als Entnahme des Erben (nicht des Erblassers) qualifiziert.1 Rechnet man aber die Vermächtniserfüllung (= Entnahme) dem Erben zu, so ist diese konsequenterweise als der „Gesamtübertragung“ des Erblassers nachgelagert anzusehen, was für eine Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG spricht. Auch die Finanzverwaltung belässt es bei der Besteuerung des Entnahmegewinns und gewährt hinsichtlich des vererbten Betriebs die Buchwertfortführung.2 Entsprechendes muss auch bei Vererbung eines Mitunternehmeranteils gelten.3 8.173
Der Erwerb des Gesellschaftsanteils im Wege der Sondererbfolge unterliegt der Erbschaftsteuer. Die Betriebsvermögensprivilegien nach den §§ 13a, 13b, 19a ErbStG können – sofern die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen – auch für das Sonderbetriebsvermögen, welches auch erbschaftsteuerlich dem Mitunternehmeranteil zugerechnet wird, in Anspruch genommen werden.
3. Tod eines GmbH-Gesellschafters 8.174
Die Geschäftsanteile eines GmbH-Gesellschafters sind frei vererblich (§ 15 Abs. 1 GmbHG). Anders als in der KG vollzieht sich die Nachfolge hier nicht im Wege der Sondererbfolge. Vielmehr geht bei Vorhandensein mehrerer Erben der Geschäftsanteil auf die Erbengemeinschaft über und unterliegt damit der gesamthänderischen Bindung. Dies hat zur Folge, dass die Mitgliedschaftsrechte in der Komplementär-GmbH gem. § 18 GmbHG von den Miterben nur gemeinschaftlich ausgeübt werden können.4 Eine Harmonisierung mit der Sonderrechtsnachfolge in der KG kann auf erbrechtlichem Wege in der Weise erfolgen, dass entweder durch Vorausvermächtnisse oder durch eine Teilungsanordnung jedem Miterben ein seinem Kommanditanteil entsprechender Geschäftsanteil an der GmbH zugewiesen wird. Umgekehrt können auch die Miterben durch eine gesellschaftsvertragliche
1 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837 (843) = FR 1990, 635; so auch BMF v. 14.3. 2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 60. 2 Auch im Falle einer missglückten qualifizierten Nachfolgeklausel geht die Finanzverwaltung (nur) von der Entnahme des Sonderbetriebsvermögens, nicht also einer Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils aus; BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 72–74. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 669. 4 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 31; Felix, KÖSDI 1996, 10581.
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Hannes
§8
Ausscheiden durch Tod
Vertreterklausel zur einheitlichen Abstimmung – Kernbereichsbeschlüsse ausgenommen – in der KG gezwungen werden.1 Der erbrechtliche Übergang des Geschäftsanteils hat grundsätzlich keine ertragsteuerlichen Folgen. Gehört der Geschäftsanteil allerdings zum (Sonder-)Betriebsvermögen, kommt es zur Versteuerung eines Entnahmegewinns, wenn nicht gleichzeitig auch das Unternehmen oder der Mitunternehmeranteil auf den Erwerber übergeht.
8.175
Außerdem entsteht Erbschaftsteuer, wobei im Falle des gleichzeitigen Übergangs des KG-Anteils wegen der Sonderbetriebsvermögensqualität der GmbH-Anteile die Betriebsvermögensprivilegien auch dann in Anspruch genommen werden können, wenn der Erblasser nicht mit mehr als 25 % an der Komplementär-GmbH beteiligt war. Hierzu müssen aber die sonstigen Voraussetzungen der §§ 13a und 13b ErbStG erfüllt sein (s. dazu Rz. 8.136 ff.).
8.176
II. Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklauseln und ihre steuerlichen Konsequenzen 1. Auflösungsklausel Durch Aufnahme einer Auflösungsklausel in den Gesellschaftsvertrag können sich die Gesellschafter die ehemals gesetzlich2 vorgesehene Regelung zu Eigen machen, nach der der Tod eines Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft führte. Praktisch wird dies nur selten der Fall sein, war doch der mit der HGB-Reform vollzogene Wechsel von der Auflösung der Gesellschaft zu ihrer Fortführung mit Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters gerade Erfüllung langjähriger Forderungen der Praxis. Doch selbst wenn der Gesellschaftsvertrag die Auflösung der Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters vorsieht, ist den Gesellschaftern eine einvernehmliche Fortsetzung durchaus möglich. Dabei kann die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht sogar die Zustimmung zu einem entsprechenden Fortsetzungsbeschluss gebieten, wenn sachliche Gründe für eine Fortsetzung sprechen, ausscheidende Gesellschafter von der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten freigestellt werden und eine Abfindung zumindest in Höhe des voraussichtlichen Liquidationserlöses erhalten.3
8.177
2. Ausscheidensklausel Da nunmehr nach der gesetzlichen Regel der versterbende Komplementär aus der Gesellschaft ausscheidet, die Erben eines Kommanditisten hingegen in dessen Anteil nachrücken, besteht Anlass für die Aufnahme einer Ausscheidens- oder Ausschließungsklausel (häufig auch nach wie vor Fortsetzungsklausel genannt) nur bei Tod eines Kommanditisten. Eine derartige gesellschaftsvertragliche Regelung 1 Ausführlich zu Vertreterklauseln Grunewald in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 HGB Rz. 170 ff. 2 § 131 HGB i.d.F. vor dem 1.7.1998. 3 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 8.
Hannes
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8.178
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
ist ohne besondere sachliche Rechtfertigung möglich. § 177 HGB lässt abweichende vertragliche Bestimmungen ausdrücklich zu.1
3. Ausscheidensklauseln mit Abfindungsbeschränkung oder Abfindungsausschluss 8.179
Da bei gesetzlich oder vertraglich angeordnetem Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod dessen Erben eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts verlangen können, besteht Gestaltungsbedarf bei diesen Klauseln vor allem auf der Rechtsfolgenseite. Je nach Wert und Größe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen des Erblassers kann die Abfindungsverpflichtung für die Gesellschafter und damit das Unternehmen eine existenzbedrohende Liquiditätsbelastung zur Folge haben. Im Interesse des Erhalts des Unternehmens kann daher eine Reduzierung oder sogar ein gänzlicher Ausschluss der Abfindung2 angezeigt sein. Der Streitvermeidung dienlich sind weiterhin gesellschaftsvertragliche Vorschriften zur Berechnung der Abfindung (z.B. Buchwert, Stuttgarter Verfahren (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung), Ertragswertverfahren, verbindlicher Verweis auf Sachverständigenbewertung; hierzu ausführlicher Rz. 8.245 ff.).
8.180
Die Reduzierung der Abfindung hat unmittelbare ertragsteuerliche Auswirkungen. Der Veräußerungsgewinn berechnet sich aus der Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen Abfindung und dem Buchwert der abgefundenen Beteiligung. Bei gänzlichem Abfindungsausschluss ist zu differenzieren: Beruht der Abfindungsausschluss auf familiären Gründen, liegt eine unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils auf den Todesfall vor.3 War der Abfindungsausschluss hingegen betrieblich veranlasst, so entsteht in der Person des verstorbenen Gesellschafters ein Veräußerungsverlust. Das ist anzunehmen, wenn er für alle Gesellschafter gleichermaßen galt und die Beteiligten auch nicht von erheblich unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgingen.4
8.181
Erbschaftsteuerlich greift bei einer Reduzierung der Abfindung auf einen Betrag, der unter dem nach § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 95 bis 99 BewG zu bestimmenden Steuerwert des Anteils liegt, die Fiktion des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Danach gilt, soweit der Steuerwert des Anteils die Abfindung übersteigt, der übersteigende 1 Ausnahmen bestehen jedoch bei Publikumsgesellschaften, die einer verschärften Inhaltskontrolle unterliegen (s. Rz. 2.296 ff.). Nach K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 177 HGB Rz. 6, kann in engen Grenzen die Berufung auf eine Ausschließungsklausel zudem rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Geschäftsgrundlage der Ausschließungsklausel durch Veränderungen in der Gesellschaft weggefallen ist. 2 Zu dessen Zulässigkeit bei Ausscheiden durch Tod Schäfer in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 738 BGB Rz. 61; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 131 HGB Rz. 161 m.w.N.; s. auch BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186; kritisch zur Qualifizierung von Abfindungsausschlüssen als entgeltliches Geschäft und hierauf gründenden Gestaltungen zur Pflichtteilsreduzierung Hölscher, ZEV 2010, 609. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 663; BFH v. 20.8.1970 – IV R 236/67, BStBl. II 1971, 83; BFH v. 10.6.1998 – IV B 105/97, BFH/NV 1999, 165. 4 Die verbleibenden Gesellschafter, denen der Anteil angewachsen ist, haben entweder den Anteil des Erblassers vom Gesellschaftsvermögen abzustocken oder die Buchwerte fortzuführen und in deren Höhe einen laufenden Gewinn zu versteuern. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 663; Bolk, DStZ 1986, 547 (550); a.A. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG Rz. B 124: § 7 Abs. 1 EStDV a.F.
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Ausscheiden durch Tod
Betrag als unentgeltlicher und damit erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb der verbleibenden Gesellschafter (Schenkung auf den Todesfall).1 Nach Anhebung der erbschaftsteuerlichen Werte auf Verkehrswertniveau wird nahezu jede Abfindungsbeschränkung zu einer Erbschaftsteuerbelastung bei den verbleibenden Gesellschaftern führen.2 Allerdings kann bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 13a und 13b ErbStG auf den Anwachsungserwerb auch der Verschonungsabschlag in Anspruch genommen werden.3
4. Einfache Nachfolgeklausel Von einer einfachen Nachfolgeklausel spricht man, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass bei Tod eines Gesellschafters dessen Erben in die Gesellschafterstellung nachrücken.4 Die einfache Nachfolgeklausel entspricht der gesetzlichen Regelung des § 177 HGB bei Tod eines Kommanditisten. Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so werden alle Gesellschafter, und zwar nicht in Erbengemeinschaft, sondern jeder für sich im Wege der Sonderrechtsnachfolge.5 Es kommt zu einer automatischen Spaltung der Mitgliedschaft im Umfang der Erbquoten. Konstitutiv ist daher die einfache Nachfolgeklausel nur für Komplementäre. Diejenigen Erben, die in die Komplementärstellung nachfolgen, können nach § 139 Abs. 1 HGB ihr Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, dass ihnen unter Belassung des bisherigen Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt und der ihnen jeweils zukommende Teil der Einlage des Erblassers als Kommanditeinlage anerkannt wird. Einen entsprechenden Antrag hat jeder der Erben für sich innerhalb von drei Monaten seit seiner Kenntnis vom Erbanfall an seine Mitgesellschafter zu stellen (§ 139 Abs. 3 Satz 1 HGB). Die Mitgesellschafter entscheiden über den Antrag mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung einstimmig. Ihnen ist es gestattet, Anträge mehrerer Erben unterschiedlich zu bescheiden, dem einen also eine Kommanditistenstellung einzuräumen, dem anderen aber nicht. Derjenige Erbe, dem keine Kommanditistenstellung eingeräumt wird, muss sich dann entscheiden, ob er als Komplementär in der Gesellschaft bleibt oder aus der Gesellschaft ausscheidet.
8.182
War ein Erbe bereits Kommanditist, bleibt er auch hinsichtlich seines ursprünglichen Anteils beschränkt haftend,6 allerdings nur dann, wenn die Mitgesellschafter seinem Antrag entsprechen. Ansonsten bleibt ihm nur die Möglichkeit, entweder mit dem ererbten Anteil auszuscheiden oder insgesamt persönlich haftender Gesellschafter zu werden. War hingegen ein Erbe bereits Komplementär, so hat er nicht die Möglichkeit, mit seinem gesamten, also ererbten und originären, An-
8.183
1 Siehe hierzu Götzenberger, BB 2009, 131. 2 Ausführlicher zu den durch beschränkende Abfindungsklauseln entstehenden erbschaftsteuerlichen Auswirkungen Jesse, FR 2011, 201 und 303; Neumayer/Imschweiler, DStR 2010, 201. 3 R E 3.4, H E 3.4 Abs. 2 und R E 13b.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. 4 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Rz. 800; Schulze zur Wiesche, BB 1997, 2624. 5 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (191 ff.); BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187 (192) = GmbHR 1990, 28; KG v. 30.5.2000 – 1 W 931/99, NJW-RR 2000, 1704. 6 K. Schmidt, GmbHR 2002, 347 m.w.N.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
teil Kommanditist zu werden. Vielmehr ist ihm das Antragsrecht von vornherein versagt.1 8.184
Scheidet der Erbe innerhalb der Dreimonatsfrist aus oder wird er in dieser Zeit Kommanditist, so haftet er für die bis dahin entstandenen Gesellschaftsschulden nur wie ein Erbe, also mit den erbrechtlichen Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung.2
8.185
Gesellschaftsvertragliche Modifizierungen des § 139 HGB sind nur zugunsten der Komplementärerben möglich, im Übrigen ist § 139 HGB zwingend.3 Allerdings kann der dem Komplementärerben im Falle seines Ausscheidens zustehende Abfindungsanspruch beschränkt werden, wenn diese Beschränkung keine Sonderregelung darstellt, sondern auch für alle sonstigen Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters gilt. Auch kann der Erblasser selbst, etwa durch testamentarische Auflagen, seine Erben in der Ausübung des Wahlrechts nach § 139 HGB beschränken.4
8.186
Zur Liquiditätsschonung der Mitgesellschafter werden häufig Umwandlungsklauseln in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, die den Erben automatisch zum Kommanditisten werden lassen.5 Voraussetzung hierfür ist, dass nach der Umwandlung noch zumindest ein Komplementär in der Gesellschaft verbleibt. Das ist in der GmbH & Co. KG wegen der Komplementär-GmbH der Fall.
8.187
Ertragsteuerlich erfolgt die Anteilsübertragung kraft einfacher Nachfolgeklausel erfolgsneutral. Die Miterben werden Mitunternehmer und haben – nach § 6 Abs. 3 EStG zwingend – die Buchwerte des Erblassers anteilig fortzuführen.6 Ist der Erbe oder sind die Miterben verpflichtet, den Gesellschaftsanteil aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten oder aufgrund eines Vorausvermächtnisses oder einer Teilungsanordnung7 an einen Miterben weiterzugeben, erfolgt auch dies entsprechend § 6 Abs. 3 EStG zwingend zu Buchwerten.8 Während die Gesellschaftsbeteiligung im Wege der Sondererbfolge bei Spaltung der Mitgliedschaft auf die einzelnen Nachfolger übergeht, bleibt das Sonderbetriebsvermögen in der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden.9 Steuerlich aber ist das Sonderbetriebsvermögen den Mitunternehmern im Verhältnis ihrer Beteiligung zuzuordnen, geht also quotengleich auf diese über. Da das Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil gehört, ist auch insoweit die Buchwertfortführung zwingend. Steuerpflichtige Entnahmen entstehen allerdings, wenn Gegenstände des Sonderbetriebs1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 139 HGB Rz. 65. 2 BGH v. 21.10.1970 – II ZR 258/67, BGHZ 55, 267 (273); Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 139 HGB Rz. 51 ff. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 139 HGB Rz. 61; ausführlicher hierzu Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 139 HGB Rz. 45. 4 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 139 HGB Rz. 136; Roth in Baumbach/Hopt, § 139 HGB Rz. 6. 5 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 139 HGB Rz. 139; Froning in Sudhoff, Unternehmensnachfolge, § 44 Rz. 46; Weidlich, ZEV 1994, 205. 6 BFH v. 13.2.1997 – IV R 15/95, BStBl. II 1997, 535 (538); BFH v. 4.11.1998 – IV B 136/98, BStBl. II 1999, 291 = FR 1999, 211; Felix, GmbHR 1990, 561; Felix, KÖSDI 1997, 11064. 7 BFH v. 4.5.2000 – IV R 10/99, BFH/NV 2000, 1039 = FR 2000, 814, auch wenn die Teilungsanordnung nicht innerhalb der von der Finanzverwaltung geforderten Sechsmonats-Frist umgesetzt wird. 8 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 665, 668; Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 1044. 9 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Rz. 802.
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Ausscheiden durch Tod
vermögens in der letztwilligen Verfügung einem Nichtgesellschafter zugewiesen werden.1 Nachversteuerungspflichtige Beträge aus der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung sind von dem Nachfolger-Erben – bei mehreren Miterben anteilig – fortzuführen.2 Der Erbfall löst keine Nachversteuerung aus. Der Erwerb der KG-Anteile mit zugehörigem Sonderbetriebsvermögen unterliegt der Erbschaftsteuer, kann aber – in Abhängigkeit vom jeweiligen Sachverhalt – nach §§ 13a, 13b, 19a ErbStG begünstigt sein (s. Rz. 8.135 ff.).
8.188
5. Qualifizierte Nachfolgeklausel Bestimmt der Gesellschaftsvertrag, dass nicht allen Erben, sondern nur bestimmten Erben oder Vermächtnisnehmern eines Gesellschafters bei dessen Tod die Beteiligung zufallen soll, so spricht man von einer qualifizierten Nachfolgeklausel.3 Die Qualifizierung kann hier auf vielfältige Art erfolgen, bspw. durch die Benennung einzelner Personen (Abkömmlinge, Ehegatte, andere Gesellschafter), durch Festlegung eines Mindest- oder Höchstalters oder durch Voraussetzung bestimmter beruflicher Qualifikationen oder Ausbildungsabschlüsse. Die in der Praxis sehr häufig anzutreffende qualifizierte Nachfolgeklausel birgt allerdings erhebliche Probleme in sich. Zunächst ist unbedingt darauf zu achten, Gesellschaftsvertrag und letztwillige Verfügung aufeinander abzustimmen.4 Unproblematisch sind insoweit lediglich diejenigen Fälle, in denen der gesellschaftsvertragliche Nachfolgeberechtigte auch im Testament als Erbe genannt ist oder gesetzlich allein erbberechtigt ist. In diesem Fall bewirkt nämlich die qualifizierte Nachfolgeklausel, dass der Gesellschaftsanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar auf den qualifizierten Nachfolger übergeht.5
8.189
Praxishinweis: Doch selbst bei dieser einfachen Konstellation kann die qualifizierte Nachfolgeklausel erhebliche Probleme mit sich bringen, wenn nämlich der darin vorgesehene Nachfolger und Alleinerbe vor dem Erblasser verstirbt und eine gesellschaftsvertragliche Anpassung nicht mehr erfolgt oder an der fehlenden Zustimmung der Erben scheitert.
8.190
Erhebliche Liquiditätsbelastungen können dem Unternehmensnachfolger bereits dann entstehen, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung weitere Mit-
8.191
1 Zur steuerlichen Behandlung einer nachträglichen Auseinandersetzung unter den Miterben s. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 670. 2 Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 85. 3 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Rz. 809; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 672; Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 77. 4 S. hierzu den vom BGH v. 18.4.2002 – IX ZR 72/99, ZEV 2002, 322 m. Anm. Limmer entschiedenen Regressfall, bei dem zwar keine qualifizierte Nachfolgeklausel im eigentlichen Sinne vorlag, wohl aber eine einfache Nachfolgeklausel mit der Möglichkeit des Ausschlusses nicht qualifizierter Erben, so dass sich insoweit die gleichen Probleme stellten. Der BGH führt dort aus: „Eine Verfügung von Todes wegen, die die Gesellschaftsbeteiligung betrifft, kann deshalb regelmäßig nur vorgenommen werden, wenn die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben beachtet werden.“ 5 BGH v. 4.5.1983 – IVa ZR 229/81, NJW 1983, 2376; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 (51).
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
erben eingesetzt hat.1 Diese können zwar nicht Gesellschafter werden, ihnen steht aber gegen den nachfolgeberechtigten Erben ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch zu.2 Steuerliche Belastungen entstehen den Miterben hierdurch nicht, allerdings kann auch der Nachfolger die von ihm zu erbringende Ausgleichsleistung nicht als Anschaffungskosten der Beteiligung steuerlich effektuieren.3 Problematisch kann für den Nachfolger aber vor allem die Höhe der Ausgleichsleistung sein. Bei ihrer Bemessung geht es nämlich nicht um die Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die zugleich Erben sind, sondern allein um die erbrechtliche Auseinandersetzung. Auch wenn der Gesellschaftsvertrag also besondere Abfindungsklauseln enthalten sollte, ist im Rahmen der erbrechtlichen Auseinandersetzung der Verkehrswert der Beteiligung maßgeblich.4 Dies führt nicht selten zu erheblichen Liquiditätsbelastungen des qualifizierten Nachfolgers. Dies gilt vor allem dann, wenn der Nachfolger seinerseits aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkung im Fall der Kündigung der Gesellschaft nur eine geringe Abfindung verlangen kann. Darüber, ob und in welchem Maße eine beschränkende Abfindungsklausel bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Anteils einen Abschlag rechtfertigt und ob, wie bspw. bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen, bei zeitnahem Ausscheiden des Gesellschaftererben der geringere Klauselwert als Verkehrswert anzusetzen ist, lässt sich trefflich streiten. 8.192
Gestaltungshinweis: Zur Streitvermeidung sollte deshalb sowohl das Ob als auch der Umfang einer Ausgleichszahlung in der letztwilligen Verfügung geregelt werden. Sofern der Nachfolgererbe auch wertmäßig gegenüber den anderen Miterben bevorzugt werden soll, muss dies in der letztwilligen Verfügung durch ein Vorausvermächtnis zum Ausdruck gebracht werden.
8.193
Von einer gescheiterten qualifizierten Nachfolgeklausel spricht man, wenn der im Gesellschaftsvertrag bestimmte Nachfolger überhaupt nicht Erbe des Verstorbenen wird. Die Klausel läuft in diesem Fall leer.
8.194
Darüber hinaus kann eine qualifizierte Nachfolgeklausel auch leicht zur Steuerfalle werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Nachlass Gegenstände des Sonderbetriebsvermögens gehören. Hat bspw. der Erblasser als Kommanditist einer GmbH & Co. KG, die in einem ihr vom Erblasser zur Nutzung überlassenen Grundstück wirtschaftet, seinen Sohn im Gesellschaftsvertrag als alleinigen Nachfolgeberechtigten benannt, bisher aber von der Errichtung eines Testaments abgesehen, so sind die ertragsteuerlichen Auswirkungen für seine aus Ehefrau, Sohn und Tochter bestehenden Hinterbliebenen fatal. Mangels Testaments beerben ihn seine Ehefrau zur Hälfte sowie sein Sohn und seine Tochter zu jeweils einem Viertel. Aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag aber kann allein der Sohn in die Gesellschafterstellung nachrücken. Ehefrau und Tochter sind nicht nachfolgeberechtigt. Demgegenüber fällt das Betriebsgrundstück, das bislang im vollen Umfang als Sonderbetriebsvermögen zu qualifizieren war, in den 1 Crezelius in Handbuch Personengesellschaften, Rz. II 561. 2 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 672. 3 BMF v. 11.1.1993 – IV B 2 - S 2242 - 86/92, BStBl. I 1993, 62 Rz. 83; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 672; Crezelius in Handbuch Personengesellschaften, Rz. II 585. 4 Crezelius in Handbuch Personengesellschaften, Rz. II 561.
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§8
Ausscheiden durch Tod
Nachlass und gehört damit zum Gesamthandsvermögen der aus Mutter und den beiden Kindern bestehenden Erbengemeinschaft. Steuerrechtlich hat dies zur Konsequenz, dass das Grundstück in Höhe der Erbquoten der nicht qualifizierten Miterben (Ehefrau und Tochter), vorliegend somit zu einer Quote von 3/4 entnommen wird. Das bedeutet, dass 3/4 der im Sonderbetriebsvermögen ruhenden stillen Reserven aufgelöst werden und der Entnahmegewinn dem Erblasser als laufender Gewinn zuzurechnen und nicht begünstigt zu versteuern ist.1 Nach Einführung des § 6 Abs. 3 EStG und vor dem Hintergrund der allerdings noch zum alten Recht ergangenen Entscheidungen2 zur Teilanteilsveräußerung unter Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen war zweifelhaft, ob es, sofern es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt, sogar über dessen Entnahme hinaus zur Aufgabe des Mitunternehmeranteils, also der Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven auch des vom qualifizierten Nachfolger übernommenen Mitunternehmeranteils und Sonderbetriebsvermögens kommen konnte. In diesem Fall wäre bei Erfüllung der hierzu notwendigen Voraussetzungen dann allerdings auch der Gewinn aus der Entnahme des auf die Nichtgesellschafter entfallenden Sonderbetriebsvermögens als Aufgabegewinn nach §§ 16, 34 EStG begünstigt. Hauptsächliches Argument für die Annahme einer Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils ist, dass das Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil gehört und § 6 Abs. 3 EStG eine Buchwertfortführung nur für den Fall der Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils vorsieht. Ob diese Rechtsfolge aber tatsächlich der Intention des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 EStG entspricht, erscheint fraglich.3 Das Postulat der Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils sollte zumindest für die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge nicht gelten, da auch der Erblasser selbst bei Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen nur Entnahmen getätigt, nicht aber seinen Mitunternehmeranteil aufgegeben hätte. Der Gesamtrechtsnachfolger aber tritt ohne weiteres und ohne dass es hierzu einer besonderen Regelung bedarf, in die steuerliche Rechtsstellung des Erblassers ein. Die Finanzverwaltung geht – allerdings wohl mehr aus Billigkeitsgründen – bei missglückten qualifizierten Nachfolgeklauseln ebenfalls nicht von einer Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils, sondern lediglich der Entnahme des Sonderbetriebsvermögens aus.4 In erbschaftsteuerlicher Hinsicht wird die qualifizierte Nachfolgeklausel als ein gesellschaftsrechtlich besonders ausgestalteter Unterfall einer bloßen Teilungsanordnung behandelt5 und dem qualifizierten Nachfolger der gesamte Gesellschaftsanteil zugerechnet. Seit der Erbschaftsteuerreform 2009 kann er als Letzterwerber auch den Verschonungsabschlag auf seinen gesamten Anteilserwerb in 1 Nach Gebel, BB 1995, 173 (176) soll sich diese Steuerbelastung vermeiden lassen, wenn die Teilauseinandersetzung über den Gesellschaftsanteil alsbald durch eine weitere Teilauseinandersetzung über das Sonderbetriebsvermögen ergänzt und dabei auch dieser Nachlassbestandteil vom Gesellschafter/Miterben unter Buchwertfortführung übernommen wird. 2 BFH v. 24.8.2000 – IV R 51/98, GmbHR 2000, 1166 m. Komm. Bitz; dazu Geck, DStR 2000, 2031 (2035). 3 Geck, ZEV 2002, 41 (44); Sorg, DStR 2000, 1384. 4 BMF v. 3.3.2005 – IV B2 - S 2241 - 14/05, DStR 2005, 475 i.V.m. BMF v. 11.1.1993 – IV B2 S 2242 - 86/92, BStBl. I 1993, 62. 5 BFH v. 10.11.1982 – II R 85/78, II R 86/78, BStBl. II 1983, 329; R E 3.1 Abs. 3 ErbStR 2011; zu Recht kritisch hierzu: Crezelius in Handbuch Personengesellschaften, Rz. II 606.
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8.195
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Anspruch nehmen.1 Soweit Sonderbetriebsvermögen entnommen wird, ist es nicht von den Betriebsvermögensprivilegien erfasst.2
6. Eintrittsklausel 8.196
Bei der Eintrittsklausel wird dem Erben oder einer dritten Person das Recht eingeräumt, in die Gesellschaft einzutreten.3 In der Zwischenphase, also in der Zeit zwischen Tod des Gesellschafters und dem Eintritt des Nachfolgers, besteht die Gesellschaft allein aus den verbleibenden Gesellschaftern.4 Der Eintritt des neuen Gesellschafters bedarf bei der Eintrittsklausel einer Aufnahmevereinbarung zwischen den verbleibenden Gesellschaftern und dem Eintrittsberechtigten.5 Da die Gesellschaftsnachfolge unabhängig von der erbbedingten Rechtsnachfolge erfolgt, kann das Eintrittsrecht jedem Dritten, insbesondere also auch Nichterben, zustehen. Mit Eintritt in die Gesellschaft begründet der durch die Eintrittsklausel Begünstigte seine Mitgliedschaft in der GmbH & Co. KG. Den nicht nachfolgeberechtigten Erben steht gegen die Gesellschaft – zunächst unabhängig vom Eintritt des Eintrittsberechtigten – ein Abfindungsanspruch zu. Dieser wird jedoch für den Fall des Eintritts gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen.
8.197
Die Regeln der Eintrittsklausel sind auch dann von Bedeutung, wenn eine qualifizierte Nachfolgeklausel gescheitert ist, etwa weil es versäumt wurde, dem gesellschaftsvertraglich qualifizierten Nachfolger die Beteiligung auch von Todes wegen zuzuwenden.6 Nach Auffassung des BGH kann nämlich die gescheiterte Nachfolgeklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als rechtsgeschäftliche Eintrittsklausel qualifiziert werden.7 Die Auslegung kann also insbesondere dazu führen, dass dem im Gesellschaftsvertrag als Nachfolger Vorgesehenen ein Eintrittsrecht gewährt wird, soweit dies mit der letztwilligen Verfügung des Erblassers in Einklang steht.8
8.198
Gestaltungshinweis: Zur Klarstellung empfiehlt es sich, ergänzend zur qualifizierten Nachfolgeklausel ein Eintrittsrecht des qualifizierten Nachfolgers bei fehlgeschlagener Nachfolge zu vereinbaren. Da die Eintrittsklausel unabhängig von den erbrechtlichen Regelungen wirkt, kann der Erblasser die Bestimmung des Eintrittsberechtigten über den Todeszeitpunkt hinausschieben und auch einem Dritten überlassen, was im Rahmen einer erbrechtlichen Verfügung nicht ohne weiteres möglich wäre (§ 2065 BGB). Ein weiterer Vorteil der Eintrittsklausel ist darin zu sehen, dass mit ihr neben oder statt den Erben oder Vermächtnisnehmern auch 1 Vgl. R E 13a.3 Abs. 1 und R E 13b Abs. 1 und 2 ErbStR 2011; siehe hierzu auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 93 f. und § 13a ErbStG Rz. 56. 2 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13a ErbStG Rz. 41. 3 BFH v. 29.10.1991 – VIII R 51/84, BStBl. II 1992, 512 (514 f.) = FR 1992, 297 m. Komm. Schmidt; Formulierungsvorschlag bei Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 20 Rz. 51. 4 Westermann in Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 1254 f. 5 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Rz. 826. 6 Westermann in Handbuch Personengesellschaften, Rz. I 1238. 7 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 264. 8 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 264 (265); BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, NJW 1977, 1339.
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Hannes
§8
Ausscheiden durch Tod
außenstehende Dritte als Nachfolger bestimmt werden können. Vorteilhaft kann weiterhin sein, dass bei der Eintrittsklausel – im Gegensatz zur erbrechtlichen Nachfolge – keine Wahlmöglichkeit des Nachfolgers nach § 139 HGB besteht.1 Für den Erblasser und die verbleibenden Gesellschafter bleibt bei Formulierung einer Eintrittsklausel allerdings die Unsicherheit, ob der Eintrittsberechtigte von seinem Eintrittsrecht Gebrauch macht oder die Gesellschaft bei Nichteinritt eine Abfindungszahlung zu leisten hat und so in ihrer Liquidität belastet wird. Sofern allerdings zukünftige Erben oder Vermächtnisnehmer des Gesellschafters als Eintrittsberechtigte vorgesehen sind, kann der Erblasser kraft Erbrecht eine Eintrittspflicht begründen, so etwa durch Auflage oder aufschiebend oder auflösend bedingte Erbeinsetzung oder Vermächtniszuwendung.2 Die ertragsteuerlichen Auswirkungen einer Eintrittsklausel hängen davon ab, ob der Eintrittsberechtigte von seinem Eintrittsrecht Gebrauch macht oder nicht. Erfolgt kein Eintritt, wird die Gesellschaft also von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, so entsprechen die ertragsteuerlichen Folgen denen bei einer Nachfolge kraft Fortsetzungsklausel.3 Bei Zahlung einer Abfindung erzielt daher der Erblasser einen Veräußerungsgewinn, der bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt zu versteuern ist. Kommt es hingegen zum Eintritt, differenziert die Finanzverwaltung nach wie vor danach, ob das Eintrittsrecht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall ausgeübt wird.4 Ist dies der Fall, so gelten, wenn alle Erben von ihrem Eintrittsrecht Gebrauch machen, die gleichen Regelungen wie bei der einfachen Nachfolgeklausel. Wenn nur einer oder einige Erben von ihrem Eintrittsrecht Gebrauch machen, gelten die Regelungen zur qualifizierten Nachfolgeklausel entsprechend.5 Erfolgt hingegen der Eintritt nach Ablauf von sechs Monaten, so bleibt es beim Veräußerungsgewinn des Erblassers, und es kommt lediglich als weiterer Tatbestand der Erwerb des Gesellschaftsanteils durch den Eintrittsberechtigten hinzu. Das Entgelt für den Erwerb entspricht regelmäßig der Höhe des Abfindungsanspruchs, der mit Eintritt entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelungen rückwirkend entfällt.
8.199
Im Schrifttum wird danach differenziert, ob die Eintrittsklausel in der Weise auszulegen ist, dass die verbleibenden Gesellschafter den ihnen angewachsenen Anteil zunächst als Treuhänder halten und der Eintrittsberechtigte somit unentgeltlich erwirbt, oder ob die eintrittsberechtigten Erben zunächst einen Abfindungsanspruch erhalten und dieser bei ihrem Eintritt mit der Einlageverpflichtung verrechnet wird, was einen entgeltlichen Erwerb begründet.6 Nur im ersten Fall wären entsprechend den Regelungen zur einfachen Nachfolgeklausel die Buchwerte fortzuführen. Im zweiten Fall aber wäre noch vom Erblasser der Veräußerungsgewinn
8.200
1 Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 20 Rz. 49. 2 Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rz. 263; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 20 Rz. 49. 3 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 70; Märkle, DStR 1993, 1616 (1620). 4 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 70. 5 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 70 Satz 4. 6 Groh, DB 1990, 2135 (2141); Märkle, DStR 1993, 1616 (1620); Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 677; Carlé, KÖSDI 2009, 16416; Schallmoser in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 94.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
zu versteuern und die Eintrittsberechtigten hätten in Höhe ihres verrechneten Abfindungsanspruchs Anschaffungskosten.1 Ist der Eintrittsberechtigte nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer berufen, kommt im Falle seines Eintritts nur die vorgenannte Treuhandlösung in Betracht.2 Bei Vorhandensein von Sonderbetriebsvermögen stellt sich auch hier das Entnahmeproblem, da Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen mit dem Erbfall auseinanderfallen. Der Gesellschaftsanteil wächst zunächst den verbleibenden Gesellschaftern an, das Sonderbetriebsvermögen erhalten die Erben. Soweit allerdings die Erben eintrittsberechtigt sind und innerhalb von sechs Monaten von ihrem Eintrittsrecht Gebrauch machen, wird vertreten, dass insoweit die Buchwerte fortgeführt werden können.3 Die Gestaltungspraxis sollte hierauf jedoch trotz des generellen Verweises der Finanzverwaltung auf ihre Ausführungen zur einfachen und qualifizierten Nachfolgeklausel4 nicht vertrauen. 8.201
Erbschaftsteuerlich wird die Eintrittsklausel so verstanden, dass das Eintrittsrecht und nicht der Abfindungsanspruch zugewendet wird, so dass der Erwerber bei Ausübung des Eintrittsrechts die Gesellschaftsbeteiligung selbst als Erwerbsgegenstand erhält.5 Die Finanzverwaltung behandelt den Erwerb kraft Eintrittsklausel fiktiv als verschonungsfähigen Erwerb von Todes wegen.6 Das Sonderbetriebsvermögen fällt, sofern es vom eintretenden Gesellschafter erworben wurde, als zum Mitunternehmeranteil gehörig ebenfalls unter die Privilegierung.7
III. Testamentsvollstreckung 8.202
Mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung kann der Erblasser unterschiedliche Ziele verbinden. So kann die Anordnung einer Abwicklungsvollstreckung der Vermeidung von Streitigkeiten zwischen dem Unternehmensnachfolger und weichenden Erben oder generell der Sicherung der Durchsetzung der letztwilligen Anordnungen des Erblassers dienen. Mit einer Verwaltungs- und Dauervollstreckung kann für die Zeit der Minderjährigkeit der Gesellschaftererben oder auch bis zum Abschluss einer qualifizierten Ausbildung derselben die Ausübung der Gesellschaftsrechte in fachkundige Hände gegeben werden.
8.203
Allerdings ist auch hinsichtlich der Ausgestaltung und generellen Zulässigkeit einer Verwaltungsvollstreckung am Gesellschaftsanteil nach den oben genannten Gesellschaftstypen, die in einer GmbH & Co. KG vorkommen, zu differenzieren. 1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 677; J. Mayer, Grundzüge des Rechts der Unternehmensnachfolge, 1999, S. 156. 2 Crezelius in Handbuch Personengesellschaften, II Rz. 594. 3 Wacker/Franz, BB 1993, Beilage 5, 26; Hörger/Stephan/Pohl, Unternehmens- und Vermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002, Rz. 852; kritisch zu Recht J. Mayer, Grundzüge des Rechts der Unternehmensnachfolge, 1999, S. 158; Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, S. 1101 f. 4 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 70 Satz 4. 5 Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 28; Hübner, NWB Fach 10, 787. 6 R E 13b.1 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011; nach R E 13b.1 Abs. 2 Satz 3 ist weiterhin die Ausübung des Eintrittsrechts durch einen Nichterben begünstigt, wenn ihm der Abfindungsanspruch vom Erblasser vermächtnisweise zugewendet wurde. 7 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 91.
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Ausscheiden durch Tod
So ist die Verwaltungsvollstreckung an einer Komplementär-Beteiligung nur beschränkt zulässig. Die Beschränkungen ergeben sich aus der Disparität der erbund gesellschaftsrechtlichen Haftungsordnung. Während der Komplementär mit seinem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, kann der Erbe unter bestimmten Voraussetzungen seine Haftung auf seine Erbschaft beschränken. Allerdings wird deshalb – anders als bei einer Testamentsvollstreckung an einem Einzelunternehmen – die Testamentsvollstreckung an einer Komplementär-Beteiligung nicht als gänzlich unzulässig angesehen; sie ist lediglich in ihrer Wirkung beschränkt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung differenziert insoweit zwischen der Innenseite (= Mitgliedschaftsrechte) und der Außenseite (= Vermögensrechte) der Komplementärbeteiligung.1 So ist an der Außenseite der Beteiligung durchaus eine Testamentsvollstreckung möglich. Damit können mit der Testamentsvollstreckung die vermögensrechtlichen Ansprüche auf den Gewinn oder auch ein Auseinandersetzungsguthaben dem Zugriff der Privatgläubiger der Gesellschaftererben entzogen werden. Nicht von der Testamentsvollstreckung erfasst ist hingegen die Innenseite der Beteiligung, also die mitgliedschaftlichen Rechte, wie Geschäftsführung, Vertretung und das Stimmrecht. Soll der Verwaltungsvollstrecker auch diese Mitgliedschaftsrechte ausüben können, so ist auf Alternativgestaltungen auszuweichen, wobei für deren Durchführung jedenfalls die Zustimmung der im Innenbereich immer mitbetroffenen Mitgesellschafter erforderlich ist. Zu diesen Ausweichgestaltungen gehört die sog. Treuhandlösung, wonach der Testamentsvollstrecker den Anteil im eigenen Namen treuhänderisch für Rechnung der Erben hält. Praktisches Problem dieser Ausweichgestaltung ist, dass der Testamentsvollstrecker als Treuhänder unmittelbar Gesellschaftsgläubigern haftet.2 Obwohl dem Testamentsvollstrecker insoweit grundsätzlich ein Freistellungs- oder Ersatzanspruch gegenüber den Erben zusteht (§§ 2216, 2218, 670 BGB) sind verständlicherweise selbst bei Vereinbarung einer besonderen Vergütung als „Risikoprämie“ nur wenige Testamentsvollstrecker bereit, die Treuhand zu übernehmen. Eine Alternativgestaltung hierzu ist, dass der Testamentsvollstrecker den Anteil im Namen der Erben und von diesen bevollmächtigt hält (Vollmachtlösung). Nachteil dieser Ausweichgestaltung ist, dass in diesem Falle die Erben persönlich mit ihrem Gesamtvermögen haften, und dies für fremdes Handeln, nämlich das des Testamentsvollstreckers.3 Eine dritte Ausweichgestaltung ist schließlich die Umwandlung der Komplementärstellung in eine haftungsbeschränkte Kommanditistenstellung, was gerade bei der GmbH & Co. KG leicht 1 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431; BGH v. 3.7.1989 – II ZR 1/89, NJW 1989, 3152; BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, GmbHR 1996, 362 = NJW 1996, 1284; BGH v. 12.1.1998 – II ZR 23/97, NJW 1998, 1313. 2 Die persönliche Haftung für Altschulden kann der Testamentsvollstrecker zwar durch entsprechende Handelsregistereintragung nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 2 HGB ausschließen. Die Erben haften nach der treuhänderischen Übertragung für Altschulden ohnehin nicht mehr persönlich, da sie den Geschäftsbetrieb eingestellt haben (§ 27 Abs. 2 HGB). Für Neuverbindlichkeiten aber haftet der Testamentsvollstrecker persönlich und unbeschränkt. 3 Aus diesem Grunde wird es auch als problematisch angesehen, die Erben – wie im Rahmen der Vollmachtlösung notwendig – durch testamentarisch auflösende Bedingung oder Auflage zur Erteilung der Vollmacht zu zwingen; ablehnend insbesondere Lorz, Testamentsvollstreckung und Unternehmensrecht, 1995, S. 51 ff.; Zimmermann in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2013, § 2205 BGB Rz. 26; Ulmer, ZHR 146 (1982), 555.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
fallen wird. Die vorgenannte Problematik stellt sich insoweit nur, wenn eine natürliche Person neben der GmbH Komplementärin ist. Tritt diese aber in die haftungsbeschränkte Rechtstellung eines Kommanditisten zurück, bleibt die GmbH als Komplementärin und damit die Rechtsform der GmbH & Co. KG erhalten. 8.204
Die Verwaltungsvollstreckung an einem Kommanditanteil ist hingegen grundsätzlich zulässig.1 Ein Haftungskonflikt wird auch dann nicht gesehen, wenn die Einlage nicht geleistet oder zurückgewährt wurde. Allerdings bedarf die Ausübung der Gesellschaftsrechte durch den Verwaltungsvollstrecker der Zustimmung der Mitgesellschafter,2 die vorsorglich im Gesellschaftsvertrag vorweggenommen werden sollte.
8.205
Uneinigkeit besteht hingegen zu der Frage, ob der Testamentsvollstrecker auch Maßnahmen ergreifen kann, die unmittelbar in den Kernbereich der Mitgliedschaft3 eingreifen. So wird zum Schutz der Gesellschaftererben vor der Fremdherrschaft des Testamentsvollstreckers vertreten, dass die Kernbereichsrechte allein den Erben zustehen4 oder der Testamentsvollstrecker bei Kernbereichsbeschlüssen zumindest deren Zustimmung einzuholen hat.5 Da es vorliegend jedoch allein um das Verhältnis zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker geht, kann diesen Schutz vor Fremdherrschaft nur das Erbrecht bieten. Ein darüber hinausgehender Schutz anhand der Kernbereichslehre erscheint insoweit entbehrlich.6 Zu den erbrechtlichen Schranken der Befugnisse des Testamentsvollstreckers gehören insbesondere das Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2205 Satz 3 BGB), die Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 2216 BGB) und das Verbot, den Gesellschaftererben persönlich über den Nachlass hinaus zu verpflichten.7 Aus dem letztgenannten Grundsatz ergibt sich zudem, dass auch die Wahlrechte nach § 139 Abs. 1 und Abs. 2 HGB dem Erben und nicht dem Testamentsvollstrecker zustehen, da dieser
1 BGH v. 3.7.1989 – II ZR 1/89, NJW 1989, 3153, DNotZ 1990, 183 m. Anm. Reimann; hierzu Ulmer, NJW 1990, 73. 2 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, NJW 1977, 1339; BGH v. 25.2.1985 – II ZR 130/84, GmbHR 1985, 193 = NJW 1985, 1953; BGH v. 13.5.2014 (II ZR 250/12, GmbHR 2014, 863 m. Komm. Werner) in dem er klarstellt, dass dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich auch alle Verwaltungsrechte, insbesondere das Stimmrecht zustehen, und die Erben zur Verfolgung ihrer Rechte auf das Erbrecht verwiesen sind. 3 Nach BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NJW 2015, 859 dürfte sich dieselbe Frage hinsichtlich der absoluten und wohl auch relativ unentziehbaren Rechte eines Gesellschafters stellen. 4 Quack, BB 1989, 2273. 5 Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Rz. V 180 ff.; Mayer, ZIP 1990, 976 (978); Ulmer, NJW 1990, 73 (80 f.). Inwieweit sich BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NJW 2015, 859, mit der sich der BGH – u.E. nur scheinbar – von der Kernbereichslehre und dem Bestimmtheitsgrundsatz endgültig verabschiedet und diese durch Treupflichtmaßstäbe ersetzt hat, auf diese Argumentation auswirkt, bleibt abzuwarten. Es steht jedoch zu erwarten, dass sie bezogen auf die absolut und relativ unentziehbaren Gesellschaftsrechte fortlebt. 6 Lorz, Testamentsvollstreckung und Unternehmensrecht, 1995, S. 176 ff.; Lorz in FS Boujong, 1996, S. 319 (325); Dörrie, ZEV 1996, 370 (374); LG Mannheim v. 10.11.1998 – 2 O 193/98, ZEV 1999, 443 (444) m. Anm. Wenninger, zur Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine AG. 7 Dörrie, ZEV 1996, 370 (371 ff.).
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Kündigung
ansonsten über das Fortbestehen der persönlichen unbeschränkten Haftung der Gesellschaftererben bestimmen könnte.1 Auch an dem Anteil an der Komplementär-GmbH ist eine Verwaltungsvollstreckung zulässig – dies sogar ohne Zustimmung der Mitgesellschafter, sofern die Satzung nicht Entgegenstehendes vorsieht. Neben den erbrechtlichen Beschränkungen wird auch hier eine weitere Schranke der Befugnisse des Testamentsvollstreckers nach der sog. Kernbereichslehre gezogen.2 Weiterhin erhalten die Erben ein Stimmrecht, wenn der Testamentsvollstrecker aufgrund persönlicher Betroffenheit an der Ausübung der Stimmrechte gehindert ist oder das Kontrahierungsverbot nach § 181 BGB greift. Ein Beispiel hierfür ist der Beschluss über seine Entlastung als Geschäftsführer oder als Mitglied eines anderen Organs der Kapitalgesellschaft.3 Soll der Testamentsvollstrecker nach dem Willen des Erblassers auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH werden, empfiehlt es sich, seine Befreiung vom Kontrahierungsverbot des § 181 BGB testamentarisch anzuordnen.4
8.206
C. Kündigung I. GmbH & Co. KG 1. Überblick Die Grundnorm des Kündigungsrechts der Personengesellschaften ist § 723 BGB. Sie wird für die Personenhandelsgesellschaften modifiziert durch die §§ 131 ff. HGB. Die für die Vertragsgestaltung wichtigste Aussage des § 723 BGB ist in dessen dritten Absatz formuliert. Hiernach ist eine Vereinbarung, durch die das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder den Vorschriften des § 723 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zuwider beschränkt wird, nichtig. Die Kündigung einer Personengesellschaft muss daher immer möglich bleiben. Zwar sind innerhalb des gesetzlichen Rahmens weitgehende Beschränkungen des Kündigungsrechts zugelassen, jedoch dürfen diese seine Ausübung nicht derart erschweren oder mit Nachteilen belegen, dass dies wirtschaftlich einer Kündigungsausschließung gleichkommt.
1 Schörning, ZEV 2001, 129 (135), der zutreffend die Wahlrechte nach § 139 HGB der Innenseite der Beteiligung zuordnet, die von der Testamentsvollstreckung gerade nicht erfasst ist. 2 Priester in FS Stimpel, 1985, S. 463 ff.; Pauli in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Rz. V 249; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 15 Rz. 127; zu Recht a.A.: Dörrie, ZEV 1996, 370 (374) sowie auch nunmehr Priester in FS Streck, 2011, 89. Inwieweit sich BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NJW 2015, 859, mit der sich der BGH – u.E. nur scheinbar – von der Kernbereichslehre und dem Bestimmtheitsgrundsatz endgültig verabschiedet und diese durch Treupflichtmaßstäbe ersetzt hat, auf diese Argumentation auswirkt, bleibt abzuwarten. Es steht jedoch zu erwarten, dass sie bezogen auf die absolut und relativ unentziehbaren Gesellschaftsrechte fortlebt. 3 Weidlich in Palandt, § 2205 BGB Rz. 19; BGH v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, BB 1989, 1499. 4 Weidlich in Palandt, § 2205 BGB Rz. 19; Formulierungsvorschlag bei Reimann in Bengel/ Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Rz. II 56 ff., 60.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.208
§ 723 Abs. 1 BGB unterscheidet zwischen einer Gesellschaft, die für unbestimmte Zeit eingegangen ist, und einer auf bestimmte Zeit vereinbarten Gesellschaft. Eine auf unbestimmte Zeit eingegangene Gesellschaft kann jederzeit gekündigt werden, aufgrund der ergänzenden Regelung des § 132 HGB allerdings nur für den Schluss eines Geschäftsjahres und unter Beachtung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Hingegen ist eine auf bestimmte Zeit vereinbarte Gesellschaft nur außerordentlich, also nur aus wichtigem Grund kündbar. Hinzu kommt, dass § 133 HGB für Personenhandelsgesellschaften aus Gründen der Rechtssicherheit statt einer schlichten Kündigung die Erhebung einer Auflösungsklage verlangt. Dadurch ergeben sich auch Unterschiede in den Rechtsfolgen. Die Auflösungsklage führt zur Auflösung der Gesellschaft durch Gestaltungsurteil. Die Kündigung hingegen hat nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge, während die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird.
8.209
Von einer auf bestimmte Zeit vereinbarten Gesellschaft ist immer dann auszugehen, wenn für die Gesellschaft eine Mindestdauer vorgesehen ist, während derer die Gesellschafter an die Gesellschaft gebunden sind. Eine derartige Mindestdauer kann sich auch aus dem Gesellschaftszweck,1 dem Inhalt vereinbarter Beitragspflichtigen2 oder dem gesellschaftsvertraglichen Ausschluss einer ordentlichen Kündigung für eine bestimmte Zeit ergeben.
8.210
Fehlen derartige Regelungen oder ist lediglich eine Höchstdauer bestimmt, ist von einer auf unbestimmte Zeit vereinbarten Gesellschaft auszugehen. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft auf die Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen ist oder nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Mindestzeit stillschweigend fortgeführt wird (§ 134 HGB).
8.211
Die vorgenannten gesetzlichen Vorschriften werden i.d.R. allerdings innerhalb eines durch die Rechtsprechung abgesteckten Rahmens auf vielfältige Weise durch gesellschaftsvertragliche Regelungen modifiziert; dies sowohl auf der Tatbestandsseite, etwa durch die Vereinbarung besonderer Formen und Fristen der Kündigung und durch die Konkretisierung von wichtigen Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung oder auch zur Herbeiführung der Auflösung der Gesellschaft berechtigten sollen, als auch auf der Rechtsfolgenseite, nämlich vor allem durch Abfindungsklauseln, mit denen die von der Gesellschaft zu zahlende Abfindung meist beschränkt wird, Regelungen zu ihrer Ermittlung aufgestellt oder Zahlungsmodalitäten festgelegt werden, aber auch durch etwa die Zulassung einer außerordentlichen Austrittskündigung anstelle der Auflösungsklage.
2. Ordentliche Kündigung 8.212
Die ordentliche Kündigung ist nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern sämtlichen Mitgesellschaftern gegenüber zu erklären. Allerdings entfaltet auch die ge-
1 BGH v. 17.6.1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10, 91 (98): bis zum Erscheinen der ersten Ausgabe eines Verlages. 2 OLG Zweibrücken v. 7.7.1998 – 8 U 83/97, NZG 1998, 939.
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Kündigung
genüber der Geschäftsführung erklärte Kündigung durchaus Wirkung, jedoch erst, wenn die Mitgesellschafter davon Kenntnis erlangen.1 Die Kündigungserklärung bedarf keiner besonderen Form, sie kann auch konkludent erfolgen. Deshalb kann auch eine Klage auf Feststellung der Auflösung Kündigungswirkung entfalten.2 Entgegen früherer reichsgerichtlicher Rechtsprechung3 wird heute auch eine bedingte Kündigung grundsätzlich als zulässig angesehen;4 anderes soll lediglich dann gelten, wenn die Bedingung für die übrigen Gesellschafter eine unzumutbare Ungewissheit begründet, was bspw. nicht zu befürchten ist, wenn die Erfüllung der Bedingung von dem Willen gerade der übrigen Gesellschafter abhängt.5 Die Kündigung kann auch durch einen Bevollmächtigten erklärt werden, etwa den beauftragten Rechtsanwalt. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass mit der Kündigung auch die Vollmachtsurkunde vorgelegt wird, da ansonsten die Mitgesellschafter die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen können, was zur Verfristung führen kann. Für minderjährige Gesellschafter üben deren gesetzliche Vertreter das Kündigungsrecht aus. Bei mit einer Testamentsvollstreckung belasteten Gesellschaftern ist zu differenzieren. Die Kündigung einer Kommanditistenstellung hat durch den Testamentsvollstrecker zu erfolgen. Erstreckt sich hingegen die Testamentsvollstreckung nur auf die Außenseite der Beteiligung, wie dies insbesondere bei Komplementär-Beteiligungen der Fall ist, so steht das Kündigungsrecht nach § 132 HGB nur dem Erben zu.6
8.213
Die Kündigung kann nach § 132 HGB nur für den Schluss eines Geschäftsjahres erfolgen und ist mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkt zu erklären. Stimmt das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr überein, muss die Kündigung somit bis jeweils zum 30.6. zugegangen sein. Eine erst nach diesem Zeitpunkt zugegangene Kündigungserklärung entfaltet erst für den 31.12. des Folgejahres Wirkung. Allerdings können die Mitgesellschafter auch eine verspätete Kündigung anerkennen. Wirksam ist insbesondere auch eine zur Unzeit erklärte Kündigung, jedoch hat der zur Unzeit kündigende Gesellschafter den seinen Mitgesellschaftern hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen.
8.214
Mit Wirkung der Kündigung, bei fristgemäßer Kündigungserklärung also zum Schluss des Geschäftsjahres, scheidet der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, und die Gesellschaft wird von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Vermögensrechtlich hat dies zur Folge, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligungen anwächst (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Einer ausdrücklichen Übertragung bedarf es hierzu nicht. Nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB sind dem ausscheidenden Gesellschafter die Gegenstände, die er der Gesellschaft überlassen hat, zurück-
8.215
1 BGH v. 11.1.1993 – II ZR 227/91, NJW 1993, 1002. 2 BGH v. 3.7.1958 – II ZR 32/57, WM 1958, 1335 (1336); Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 132 HGB Rz. 6; Haas, in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 132 HGB Rz. 4. 3 RG v. 4.12.1917 – III 251/17, RGZ 91, 307 (308 f.). 4 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 23/85, NJW 1986, 2245; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 132 HGB Rz. 18; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 132 HGB Rz. 7. 5 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 132 HGB Rz. 7 m.w.N. 6 Lorz, Testamentsvollstreckung und Unternehmensrecht, 1995, S. 164; Dörrie, ZEV 1996, 370 (375).
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zugeben. Hierzu gehören einmal die Gegenstände, die er der Gesellschaft nur zur Nutzung überlassen hat (quoad usum), darüber hinaus aber auch solche Gegenstände, die er dem Werte nach, aber nicht zu zivilrechtlichem Eigentum, eingebracht hat (quoad sortem). Soweit diese quoad sortem überlassenen Gegenstände allerdings zwischenzeitlich eine Werterhöhung erfahren haben, mindert sich entsprechend sein Abfindungsanspruch.1 Schließlich ist der ausscheidende Gesellschafter von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien. 8.216
Die zentrale Folge des Ausscheidens ist hingegen der dem Ausscheidenden entstehende Abfindungsanspruch (s. Rz. 8.245). Nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB soll er für seinen Anteil dasjenige erhalten, was er bei Auflösung der Gesellschaft im Zuge der Auseinandersetzung erhalten hätte. Dem Wortlaut nach wäre also der Ausscheidende auf lediglich den Liquidationswert seines Anteils verwiesen. Jedoch besteht heute weitestgehende Einigkeit darüber, dass ihm der „wahre Unternehmenswert“ zu ersetzen ist, der nach Going-Concern-Grundsätzen im Wege der Schätzung zu ermitteln ist.
8.217
Der Abfindungsanspruch entsteht im Zeitpunkt des Ausscheidens und ist sofort fällig.2 Schuldner des Abfindungsanspruchs ist die Gesellschaft, die Gesellschafter haften nur im Rahmen der §§ 128 ff. und 171 ff. HGB.3 Eine Verzinsung des Abfindungsanspruchs kommt erst ab Verzug der Gesellschaft in Betracht. Da es sich bei dem Gesellschaftsvertrag nicht um ein Handelsgeschäft i.S. des § 353 HGB handelt, kann allein die Fälligkeit noch keine Verzinsungspflicht begründen.4
8.218
Die Ermittlung des Abfindungsanspruchs hat nach wohl immer noch h.M. durch Aufstellung einer Abschichtungsbilanz zu erfolgen, was zu Zeiten, da der Unternehmenswert noch nach dem Wert der Substanz bestimmt wurde, Sinn machte, bei einer Unternehmensbewertung entsprechend der Ertragswertmethode hingegen überflüssig erscheint. Ungeachtet dessen hat der ausgeschiedene Gesellschafter einen klagbaren Anspruch auf Aufstellung der Abschichtungsbilanz. Der Anspruch richtet sich gegen die Gesellschaft,5 die Vollstreckung erfolgt dann nach § 887 ZPO.6 Nach der Aufstellung der Abschichtungsbilanz ist diese festzustellen. 1 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 61; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 106; a.A. Piltz, DStR 1991, 251 (252); Grziwotz, DStR 1992, 1365 (1366). 2 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 67 m.w.N.; Rasner, NJW 1983, 2906; OLG Köln v. 26.8.1994 – 19 U 5/94, DB 1994, 2019 (2020), jedenfalls soweit die Beträge unter den Gesellschaftern unstreitig sind; a.A., nämlich ab dem Zeitpunkt der Berechenbarkeit des Abfindungsanspruchs: K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 129; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 13. 3 Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 37 Rz. 15 m.w.N.; a.A. Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 74: Schuldner seien die Gesellschafter. 4 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 13; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 131 HGB Rz. 68; Piehler/Schulte in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 37 Rz. 47; a.A. Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 54. 5 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 136; Roth in Baumbach/ Hopt, § 131 HGB Rz. 51; a.A., nämlich gegen die zuständigen Gesellschafter: BGH v. 23.11. 1972 – II ZR 97/70, BB 1973, 441; Emmerich in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 138 HGB Rz. 18 (Wahlmöglichkeit zwischen Gesellschaft und Gesellschafter). 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 57; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 136.
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Kündigung
Die Feststellung ist jedoch nicht separat einklagbar. Sie dient lediglich dazu, die in die Abschichtungsbilanz aufgenommenen Posten im Wege eines Feststellungsvertrages zwischen dem Ausgeschiedenen und der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern zu fixieren. Die Feststellung entfaltet Bindungswirkung jedoch nur, soweit die Parteien von zutreffenden Grundlagen ausgingen.1 Der ggf. mit Hilfe der Abschichtungsbilanz ermittelte Abfindungsbetrag ist das Ergebnis einer Gesamtabrechnung. Das hat vor allem verfahrensrechtliche Bedeutung. Die bis zum Abrechnungsstichtag entstandenen und bei der Ermittlung der Abfindung zu berücksichtigenden Einzelansprüche (z.B. Forderung auf Einlagennachschuss2 oder Darlehensansprüche im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis) stellen nur unselbständige Rechnungsposten dar3 und können deshalb nicht selbständig im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden. Wohl aber bleibt es den Parteien gestattet, im Wege der Feststellungsklage die Berücksichtigung von Einzelposten bei Erstellung der Gesamtabrechnung zu klären.4 Eine Ausnahme von dem Prinzip der Gesamtabrechnung bildet allerdings die Abrechnung schwebender Geschäfte, die nach § 740 BGB in einer gesonderten Abrechnung zu erfolgen hat. Ansonsten aber bleibt es dabei, dass nur der in der Gesamtabrechnung ermittelte Abfindungsanspruch eingeklagt werden kann. Die Klage auf Aufstellung der Abschichtungsbilanz oder Vornahme der Gesamtabrechnung und die eigentliche Leistungsklage können in einer Stufenklage verbunden werden. Soweit Teile der Gesamtforderung unstreitig sind, lässt die Rechtsprechung es zu, dass diese in separater Klage vorab geltend gemacht werden.5
3. Außerordentliche Kündigung Liegt ein wichtiger Grund vor,6 so haben die Gesellschafter jederzeit – bei einer für eine bestimmte Dauer eingegangenen Gesellschaft auch vor Ablauf dieser Zeit – die Möglichkeit, die GmbH & Co. KG zur Auflösung zu bringen. Ist normalerweise die außerordentliche Kündigung dazu das rechtliche Instrument, so übernimmt aus Gründen der Rechtssicherheit – der wichtige Grund ist nicht immer leicht feststellbar – in der Personenhandelsgesellschaft die Auflösungsklage nach § 133 HGB diese Funktion.7 1 BGH v. 16.1.1995 – II ZR 279/93, GmbHR 1995, 296 = ZIP 1995, 276 betr. Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage; BGH v. 23.3.1960 – II ZR 175/59, BB 1960, 754. 2 BGH v. 8.10.1952 – II ZR 2/52, BB 1952, 870. 3 BGH v. 15.5.2000 – II ZR 6/99, NZG 2000, 832 (833); BGH v. 12.7.1999 – II ZR 4/98, WM 1999, 1827 f.; Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 44. 4 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 99, mit dem Hinweis, dass eine unzulässige Leistungsklage regelmäßig auch das Begehren einer derartigen Feststellungsklage enthalten wird. 5 BGH v. 12.7.1999 – II ZR 4/98, WM 1999, 1827; BGH v. 15.1.1988 – V ZR 153/86, BGHZ 103, 72 (77); BGH v. 24.10.1994 – II ZR 231/93, DStR 1994, 1858; Lorz in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 100. 6 Hierzu ausführlich unter Rz. 9.15 ff. 7 Anders bei Publikumsgesellschaften. Hier tritt in den Fällen des fehlerhaften Beitritts und der grundlegenden Umgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses an die Stelle der Auflösungsklage – auch wenn der Gesellschaftsvertrag dies nicht ausdrücklich vorsieht – die sog. Austrittskündigung, die das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
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Gesellschaftsvertragliche Regelungen, welche das Recht des Gesellschafters, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, ausschließen oder beschränken, sind nichtig (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 133 Abs. 3 HGB). Damit sind Klauseln ausgeschlossen, in denen etwa die Erhebung der Auflösungsklage von der Zustimmung Dritter abhängig gemacht wird oder in denen an eine erfolglose Auflösungsklage besondere Sanktionen, wie etwa das zwangsweise Ausscheiden des klagenden Gesellschafters, geknüpft werden.1 Problematisch kann es auch sein, bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftsvertraglich als „unwichtigen Grund“ zu definieren und auf diese Art das Recht auf Erhebung der Auflösungsklage auszuschließen. Im Regelfall wird es sich hierbei jedoch lediglich um eine Klarstellung handeln, welche Verhaltensweisen nach übereinstimmender Ansicht der Gesellschafter noch keine Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gesellschaft begründen. Ist eine Auslegung in diesem Sinne möglich, kann eine derartige Regelung die Erhebung der Auflösungsklage nicht hindern, wohl aber ist die gesellschaftsvertragliche Qualifikation des Verhaltens vom Gericht entsprechend zu würdigen.2
8.221
Als zulässig werden hingegen gesellschaftsvertragliche Modifizierungen auf der Rechtsfolgenseite angesehen. Deren bedeutendste ist die Ausscheidensklausel, nach der bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Gesellschaft nicht aufgelöst wird, sondern der klagende oder kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Voraussetzung der Zulässigkeit einer derartigen Klausel ist allerdings, dass der Ausscheidende angemessen abgefunden wird, also im Wesentlichen zumindest dasjenige erhält, was ihm auch im Falle der Liquidation zugekommen wäre.3 Ohne gesellschaftsvertragliche Grundlage wird man hingegen nach wie vor nur in Ausnahmefällen ähnlich wie bei Publikumsgesellschaften von einem außerordentlichen Austrittsrecht anstelle der Auflösungsklage ausgehen können.4 Allerdings sollten diese Ausnahmefälle zunehmen, nachdem der Gesetzgeber mit dem Handelsrechtsreformgesetz zahlreiche Auflösungstatbestände durch Ausscheidensregelungen ersetzt und damit der Unternehmenskontinuität ein besonderes Gewicht eingeräumt hat.5 Rechtfertigende Grundlage hierfür kann insbesondere auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sein, der gerade im Rahmen des
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hat; BGH v. 12.5.1977 – II ZR 89/75, BGHZ 69, 160 (162 f.); Henze/Notz in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. B Rz. 182 f. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 53; Roth in Baumbach/Hopt, § 133 HGB Rz. 20. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 68. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 70; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 129 hält allerdings angemessene Abschläge zum vollen Ertragswert oder angemessene Auszahlungsmodalitäten zu Recht für zulässig. Die generelle Möglichkeit einer zum Ausscheiden führenden Kündigung aus wichtigem Grund bejahen hingegen Roth in Baumbach/Hopt, § 133 HGB Rz. 1; für ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund bei der oHG: Röhricht in FS Kellermann, 1991, S. 379. Nach Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 133 HGB Rz. 9 sollte die gesetzliche Wertung zugunsten der Unternehmenskontinuität generell zum Anlass genommen werden, die auf Publikumsgesellschaften zugeschnittene Gewährung eines außerordentlichen Austrittsrechts anstelle der Auflösungsklage in geeigneten Konstellationen auch auf „typische“ Personengesellschaften auszudehnen. Das Gericht solle als milderes Mittel anstelle der Auflösung das Ausscheiden des Klägers gegen Abfindung aussprechen können und auch die Möglichkeit einer auf diese Rechtsfolge gerichteten Gestaltungsklage anerkennen können; ebenso Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 133 HGB Rz. 3.
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Kündigung
§ 133 HGB besondere Bedeutung gewinnt. So ist anerkannt, dass die Auflösung der Gesellschaft mit der damit verbundenen Zerschlagung wirtschaftlicher Werte nur Ultima Ratio sein kann und deshalb eine mildere, ebenso angemessene Maßnahme stets vorzuziehen ist. Zu diesen milderen Mitteln kann neben dem Austrittsrecht des Auflösungsklägers auch die Ausschließung derjenigen Gesellschafter gehören, die den wichtigen Grund erfüllt und so dem oder den Klägern die Fortsetzung der Gesellschaft unzumutbar haben werden lassen.1 Weiterhin kommen als mildere Mittel die Entziehung der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis oder von den beklagten Mitgesellschaftern angebotene Gesellschaftsvertragsänderungen in Betracht.2 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Gesellschafter eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin unzumutbar ist, weil für die Zukunft ein sinnvolles Zusammenwirken der Gesellschafter nicht mehr erwartet werden kann3 oder das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern nachhaltig zerrüttet ist.4 I.d.R. ist dies der Fall, wenn ein anderer Gesellschafter vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen wesentliche gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen verstoßen hat oder die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird (§ 133 Abs. 2 HGB). Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen ein Gesellschafter einen wichtigen Grund ohne schuldhaftes Verhalten verwirklicht. Ungeachtet dessen wiegen verschuldete Verstöße freilich schwerer als unverschuldete.5 Der wichtige Grund muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorgelegen haben.6
8.222
4. Sonderkündigungsrecht Minderjähriger Nach § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB kann ein minderjähriger Gesellschafter innerhalb von drei Monaten nach Erreichen der Volljährigkeit die Gesellschaft kündigen. Für Personenhandelsgesellschaften hat der Gesetzgeber auf die Normierung eines derartigen Sonderkündigungsrechts verzichtet. Allerdings soll – laut Gesetzesbegründung – § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB auf die Auslegung des wichtigen Grundes i.S.v. § 133 HGB ausstrahlen.7 Klarheit schafft dieser Hinweis freilich nicht. Einerseits wird man davon ausgehen müssen, dass auf das Erfordernis einer Klageerhebung, wie sie § 133 HGB gerade vorsieht, nicht ohne gesellschaftsvertragliche Grundlage verzichtet werden kann. Andererseits sollte dies nicht dazu führen, dass die Gesellschaft zwingend aufzulösen ist. Vielmehr ist auch hier genauso wie bei allen sonstigen wichtigen Gründen das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, so dass statt der Rechtsfolge der Auflösung durchaus auch das Ausscheiden des volljährig gewordenen Gesellschafters in Betracht kommt. Da der Minderjährige durch das Sonderkündigungsrecht zudem nur vor einer unbeschränkten persönlichen Haftung geschützt werden sollte, kann die Erreichung der Volljährigkeit 1 2 3 4 5 6 7
K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 32. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 7. Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 133 HGB Rz. 10 m.w.N. BGH v. 15.9.1997 – II ZR 97/96, BB 1997, 2340. BGH v. 24.7.2000 – II ZR 320/98, NJW 2000, 3491. BGH v. 28.4.1975 – II ZR 16/73, WM 1975, 770. BGH v. 24.7.2000 – II ZR 320/98, NJW 2000, 3491. Begr. RegE BT-Drucks. 13/5624 v. 26.9.1996, S. 10.
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nur bei Komplementären einen wichtigen Grund darstellen. Als milderes Mittel gegenüber Auflösung oder Ausscheiden sollte daher auch die Einräumung einer Kommanditistenstellung entsprechend § 139 Abs. 3 HGB in Betracht kommen.1
II. Kündigung der Komplementär-GmbH 8.224
Im Recht der Kapitalgesellschaften ist eine Kündigung einzelner Beteiligungen oder der Gesellschaft insgesamt durch einen Gesellschafter nicht vorgesehen. Ein Gesellschafter, der aus einer Kapitalgesellschaft (GmbH) ausscheiden will, ist grundsätzlich darauf angewiesen, seinen Geschäftsanteil zu veräußern, d.h. auf einen anderen zu übertragen.2 Soweit die Satzung kein einseitiges Lösungsrecht von der Gesellschaft statuiert, sieht das Gesetz lediglich die vom Gesellschafter zu erhebende Auflösungsklage (§ 61 GmbHG) vor. Indes besteht heute Einigkeit, dass ein weiter gehendes Lösungsrecht des GmbH-Gesellschafters erforderlich ist.3 In Rechtsprechung4 und Schrifttum5 ist inzwischen das außerordentliche Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters unbestritten.
8.225
Ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund wird dem GmbH-Gesellschafter zuerkannt, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Austrittswilligen dies rechtfertigt und ein weniger einschneidender Lösungsweg nicht zur Verfügung steht.6 Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob das außerordentliche Austrittsrecht nur dann besteht, wenn die Satzung die Übertragung von Geschäftsanteilen einschränkt oder ausschließt,7 oder ob es genügt, wenn die Übertragung des Geschäftsanteils aus rein tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, so dass die Ausgestaltung der Satzung unerheblich für das Bestehen eines außerordentlichen Austrittsrechts ist und ein Austrittsrecht immer dann besteht, wenn das Festhalten an der Beteiligung unzumutbar ist.8
8.226
Der zum Austritt berechtigende wichtige Grund kann in den Verhältnissen der Gesellschaft (GmbH), auch in ihrer Beteiligung an der GmbH & Co. KG, sowie in der Person eines oder mehrerer Mitgesellschafter liegen, wenn diese die Gesellschafts1 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 133 HGB Rz. 23; Grunewald, ZIP 1999, 597 (599); ähnlich Klumpp, ZEV 1998, 409 (413); a.A. Habersack, FamRZ 1999, 1 (7); Reimann, DNotZ 1999, 179 (208). 2 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 34 GmbHG Rz. 48. 3 Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 1 ff. 4 Vgl. nur BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (369) = GmbHR 1992, 257. 5 Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 2; Strohn in MünchKomm. GmbHG, § 34 GmbHG Rz. 4; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 3. 6 Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 7 ff. u. Rz. 16; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 44; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 34 GmbHG Rz. 46. 7 So Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 4; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 74; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 34 GmbHG Rz. 55. 8 Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 60 GmbHG Rz. 110 f.; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 16, wonach auch eine unzumutbare Veräußerungsmöglichkeit das Austrittsrecht begründen kann; so auch OLG Hamm v. 28.9.1992 – 8 U 9/92, GmbHR 1993, 656. Auch BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (369) = GmbHR 1992, 257 erwähnt im Zusammenhang mit dem außerordentlichen Austrittsrecht die Voraussetzung einer satzungsmäßigen Veräußerungsbeschränkung nicht.
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politik und auch das Miteinander der Gesellschafter derart beeinflussen, dass dem Austrittswilligen ein Verbleib in der GmbH nicht mehr zumutbar ist (insbesondere Verhalten in Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat/Beirat).1 Selbst wenn der Austrittswillige in seiner Person den Grund für die Zerstrittenheit setzt, steht ihm – soweit die Geltendmachung nicht rechtsmissbräuchlich ist2 – das Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu.3 Damit stellt sich die Anerkennung eines wichtigen Austrittsgrundes als Interessenabwägung zwischen dem Verbleib in der Gesellschaft sowie der Zumutbarkeit der einzelnen Alternativen der Beendigung der Gesellschafterstellung durch Veräußerung des Gesellschaftsanteiles oder einer Auflösung der Gesellschaft dar.4 Durch die grundsätzlich nicht formbedürftige5 Austrittserklärung (Kündigung) ist der Austritt wirksam. Die Gesellschaft kann – unter Beachtung von §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 3 GmbHG – Übertragung des oder der betroffenen Geschäftsanteile an sich, einen Gesellschafter oder einen Dritten verlangen oder den Geschäftsanteil einziehen.6 Der ausscheidende Gesellschafter erhält zum Ausgleich einen Abfindungsanspruch oder ein Einziehungsentgelt, welches wirtschaftlich dem Abfindungsanspruch entspricht.7
8.227
Wegen der nach wie vor bestehenden Unsicherheit über die Voraussetzungen des außerordentlichen Austrittsrechts aus der GmbH (s. Rz. 8.225) ist eine Satzungsregelung empfehlenswert. In dieser können Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Austritts näher bestimmt werden. Eine Regelung darf die Voraussetzungen für ein außerordentliches Austrittsrecht erweitern, nicht aber wesentlich einschränken.8 Über die außerordentliche Lösungsmöglichkeit hinaus kann den Gesellschaftern zudem durch die Satzung ein ordentliches Kündigungs- oder Austrittsrecht eingeräumt werden.9 Große Bedeutung kommt der Satzungsregelung auch zu, soweit die Möglichkeiten zur Bestimmung der Höhe des Abfindungsanspruches oder Einziehungsentgeltes sowie zur Gestaltung des Auszahlungs-
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Ausführlich Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 7 ff. m.w.N. Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 12. Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 10. Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 10; auf den „Ultima-Ratio“-Charakter verweisen Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, Anh. § 34 GmbHG Rz. 55 und Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 15. Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 47; Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 13. OLG Köln v. 19.12.1997 – 4 U 31/97, GmbHR 1998, 641; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 27; Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 16. Der Zustimmung Dritter, die Rechte an dem Geschäftsanteil haben, bedarf es nicht; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 22. Mangels einer gesellschaftsvertraglichen Regelung der Abfindung oder des Einziehungsentgeltes ist dem Ausscheidenden der Verkehrswert des Anteils zu vergüten; Lutter in Lutter/ Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 49 m.w.N.; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 23; Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 17; zur Abfindung s. Rz. 8.216, 8.240 ff. Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 2, 28, 30; Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 24; Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 27. Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 28; H. Winter/Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 24; Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 27.
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modus wahrgenommen werden.1 Schließlich sollte die Satzung auch eindeutig festlegen, welche Rechtsfolgen die Kündigung eines Gesellschafters für die GmbH hat. Nach einer Ansicht in der Literatur soll die Ausübung des gesellschaftsvertraglich eingeräumten Kündigungsrechts nämlich – soweit die Satzung keine weiteren Anordnungen trifft – zur Auflösung der Gesellschaft führen.2 Hier kann eine eindeutige Satzungsregelung Klarheit schaffen. Für die Übergangszeit von der Abgabe der Austrittserklärung bis zur Übertragung bzw. Einziehung des Geschäftsanteils behält der betroffene Gesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte.3 Insbesondere verbleibt ihm das Stimmrecht4 bis zum Verlust des Geschäftsanteils, jedoch kann er es hier insoweit ausüben, als sein Interesse am Erhalt der ihm zustehenden Abfindung betroffen ist.5 8.229
Gleichwohl ist zu empfehlen, in die Austrittsregelung in der Satzung aufzunehmen, dass das Stimmrecht bis zum Übergang oder zum Untergang des Geschäftsanteils durch Einziehung ruht.6
III. Ausschließung und Hinauskündigung aus der GmbH & Co. KG 1. Hinauskündigung 8.230
Im Falle der ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung scheidet der Kündigende aus der Gesellschaft aus. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ein anderer Gesellschafter durch möglicherweise sogar schuldhafte Verwirklichung eines wichtigen Grundes Anlass zur Kündigung gegeben hat. Dies wird häufig als unbefriedigend empfunden. Angemessener erscheint es, wenn derjenige, der den wichtigen Grund veranlasst hat, die Gesellschaft verlassen muss. Ebendies wird mit seiner Ausschließung erreicht. Da die Ausschließung gegen den Willen des Ausscheidenden erfolgt, bedarf sie stets eines wichtigen Grundes.
8.231
Allerdings finden sich in vielen Gesellschaftsverträgen auch Regelungen, wonach die Gesellschafter einen Gesellschafter ohne wichtigen Grund aus der Gesellschaft ausschließen können. Noch bis in das Jahr 1977 waren derartige Hinauskündigungsklauseln durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gebilligt, dies selbst dann, wenn der Ausgeschlossene lediglich zum Buchwert abgefunden wurde. Mit 1 Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 27; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 30; OLG Köln v. 19.12.1997 – 4 U 31/97, GmbHR 1998, 641 (642). 2 Haas in Baumbach/Hueck, § 60 GmbHG Rz. 90; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 29; Topf-Schleuning, Einfache Kündigungsklauseln in GmbH-Satzungen, 1993, S. 137 ff.; für die Gegenansicht Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, § 60 GmbHG Rz. 27, der das Bestandsinteresse der Gesellschaft betont und im Zweifel einen Austritt unter Fortbestand der GmbH annimmt. 3 H.M.; BGH v. 30.11.2009 – II ZR 208/08, GmbHR 2010, 256 = NJW 2010, 1206; Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 26; Kort in MünchHdb. GesR, Bd. III, § 29 Rz. 26. 4 BGH v. 26.10.1983 – II ZR 87/83, BGHZ 88, 320 (326) = GmbHR 1984, 93. 5 BGH v. 30.11.2009 – II ZR 208/08, GmbHR 2010, 256 = NJW 2010, 1206. 6 Dazu auch Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 19, der das Ruhen sämtlicher Mitgliedschaftsrechte für zulässig hält; u.E. ist dies z.B. im Hinblick auf § 51a GmbHG problematisch.
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Kündigung
seiner Entscheidung vom 20.1.19771 hat der BGH jedoch eine Änderung seiner Rechtsprechung eingeleitet und in zahlreichen Folgeentscheidungen einer Erweiterung der gesetzlichen Ausschließungstatbestände enge Grenzen gesetzt. Man wird heute von einer gefestigten Rechtsprechung sprechen können, nach der gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, welche die Hinauskündigung eines Gesellschafters nach freiem Ermessen, also ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes vorsehen, wegen Verstoßes gegen die Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts als sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit als nichtig anzusehen sind.2 Nur ganz außergewöhnliche Umstände können nach heutiger Rechtsprechung eine Hinauskündigungsklausel sachlich rechtfertigen. Zu diesen besonderen Fallgruppen gehört die Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine schon längere Zeit bestehende Gesellschaft von Freiberuflern.3 So wird es als angemessen angesehen, wenn sich die Altgesellschafter auf diese Weise für eine zeitlich begrenzte Probezeit das Recht vorbehalten, den neuen Gesellschafter wieder aus der Gesellschaft auszuschließen, wenn sie nicht zuversichtlich sind, dauerhaft harmonisch mit ihm zusammenarbeiten zu können. Wie lange diese Zeit des Kennenlernens sein darf, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls, im Regelfall wird man jedoch von einer Dauer von zwei bis drei Jahren ausgehen können.4 Weitere Fallgruppen, in denen gesellschaftsvertragliche Vereinbarung eines Hinauskündigungsrechts als sachlich gerechtfertigt angesehen wird, sind die Manager- und Mitarbeitermodelle,5 bei denen Geschäftsführern oder verdienten Mitarbeitern unentgeltlich oder zu einem günstigen Kaufpreis – etwa in Höhe des Nennwerts der Beteiligung – eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird, die bei Beendigung des Geschäftsführeramtes oder der Beendigung des Anstellungsver1 BGH v. 20.1.1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212. 2 BGH v. 13.7.1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263; BGH v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 = GmbHR 1989, 117. Ausführlich zur Rechtsprechungsentwicklung Becker, Die Zulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln nach freiem Ermessen im Gesellschaftsvertrag, 2010, S. 31 ff.; Schmolke, Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014, S. 537 ff. 3 BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, NZG 2004, 569 zur Möglichkeit des Ausschlusses eines in eine ärztliche Gemeinschaftspraxis aufgenommenen Mitgesellschafters ohne sachlichen Grund innerhalb einer begrenzten (Probe-)Zeit, bestätigt durch BGH v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, NZG 2007, 583; s. auch BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103 nach dem ein Hinauskündigungsrecht sachlich gerechtfertigt sein kann, wenn der Berechtigte wegen enger persönlicher Beziehungen zu seinem Mitgesellschafter die volle Finanzierung der Gesellschaft übernimmt und diesem – ähnlich einem Treuhänder – eine Mehrheitsbeteiligung sowie die alleinige Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt wird; hierzu und zu den folgenden Fallgruppen Roth in Baumbach/Hopt, § 140 HGB Rz. 31; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 140 HGB Rz. 53 ff. 4 Grunewald, DStR 2004, 1750 (1751); s. auch BGH v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, NZG 2007, 583, wonach unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles die höchstzulässige Frist bei Aufnahme eines Vertragsarztes in eine Gemeinschaftspraxis drei Jahre beträgt. 5 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, NJW 2005, 3641 = GmbHR 2005, 1558 (Managermodell) und v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, GmbHR 2005, 1561 (Mitarbeitermodell). Siehe weiterhin BGH v. 19.3.2007 – II ZR 300/05, ZEV 2007, 340 mit Anm. Langenfeld (Wirksame Hinauskündigungsklausel bei testamentarischer Anordnung durch den Erblasser); OLG Karlsruhe v. 12.10.2006 – 9 U 34/06, ZEV 2007, 137 mit Anm. Ivo (Pflicht des angeheirateten Familiengesellschafters zur Anteilsübertragung bei Ehescheidung). Heusel/Goette, DStR 2015, 1315, halten auch die Hinauskündigung eines Minderheitsgesellschafters mit lediglich einer Kleinstbeteiligung für sachlich gerechtfertigt.
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8.232
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
hältnisses wieder gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurück zu übertragen ist.1 Schließlich wird als sachlicher Grund für eine Hinauskündigung auch die ordentliche Beendigung eines neben der gesellschaftsrechtlichen Beziehung bestehenden Kooperationsvertrages gesehen, demgegenüber die gesellschaftsrechtliche Beziehung von einer untergeordneten Bedeutung ist.2
2. Ausschließung aus wichtigem Grund 8.233
Die Ausschließung von Gesellschaftern der GmbH & Co. KG findet ihre gesetzliche Grundlage in §§ 161 Abs. 2, 140 HGB. Hiernach kann ein Gesellschafter, in dessen Person ein wichtiger Grund i.S. des § 133 HGB vorliegt, von den übrigen Gesellschaftern aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die Ausschließung hat jedoch nach der gesetzlichen Grundregel durch Ausschließungsklage zu erfolgen. Die Klage ist von allen übrigen Gesellschaftern zu erheben. Ist einer der Gesellschafter hierzu nicht bereit und verstößt seine Weigerung gegen die gesellschafterliche Treuepflicht, so kann er von einem Mitgesellschafter auf Zustimmung zur Ausschließung verklagt werden. Die Zustimmungsklage kann gem. § 260 ZPO mit der Ausschließungsklage verbunden werden. Ist noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der wichtige Grund i.S. des § 133 HGB gegeben, so wird das Gericht die Ausschließung des Gesellschafters aussprechen. Mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils scheidet der Beklagte aus der Gesellschaft aus, sein Anteil wächst den übrigen Gesellschaftern, welche die Gesellschaft fortsetzen, an. Der Ausgeschlossene hat wie jeder ausscheidende Gesellschafter einen Anspruch auf Abfindung, der sich nach dem Verkehrswert seiner Beteiligung im Zeitpunkt der Klageerhebung bemisst. Bei Nachschieben maßgeblicher Gründe während des Klageverfahrens ist Bewertungsstichtag der Zeitpunkt der Geltendmachung dieser Gründe.3
8.234
Die Ausschließung kann Komplementäre und Kommanditisten gleichermaßen treffen. Insbesondere kommt auch ein Ausschluss der Komplementär-GmbH in Betracht. Sofern allerdings die Kommanditisten gleichzeitig Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind, werden sie kein Interesse an deren Ausschluss haben, denn sie würden sich letztlich damit selbst ausschließen.4 Ein Interesse der Kommanditisten am Ausscheiden der Komplementär-GmbH wird nur bei fehlender Personenidentität bestehen. Als Ausschließungsgrund wird dabei in erster Linie eine Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis in Betracht kommen. Verletzt der Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH die ihm gegenüber der GmbH & Co. KG obliegende Verpflichtung zur Geschäftsführung vorsätzlich oder grob fahrlässig, kommt zwar § 133 Abs. 2 HGB nicht unmittelbar zur Anwendung, der Geschäftsführer der GmbH ist weder geschäftsführender Gesellschafter der 1 Hierzu Gehrlein, NJW 2005, 1969; Böttcher, NZG 2005, 992; Büttner/Toner MDR 2006, 21; Battke/Grünberg, GmbHR 2006, 225; Hohaus/Weber, NZG 2005, 961; Werner WM 2006, 213. 2 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 153/03, NZG 2005, 479 = GmbHR 2005, 620. 3 BGH v. 8.5.1972 – II ZR 96/70, NJW 1972, 1320; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 140 HGB Rz. 87; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 140 HGB Rz. 3; Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, § 140 HGB Rz. 21. 4 Tillmann, DB 1974, 1705.
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Kündigung
GmbH & Co. KG noch steht er als „mittelbarer Geschäftsführer“ zu ihr in einem unmittelbaren Anstellungsverhältnis, jedoch ergibt sich aus der Organstellung des Geschäftsführers, dass sein Handeln und Verschulden der GmbH als eigenes zuzurechnen ist.1 Die Ausschlussgründe des § 140 HGB entsprechen den wichtigen Gründen, die nach § 133 HGB auch zur Auflösung der GmbH & Co. KG führen können. Insbesondere gehört hierzu auch die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten, wobei auch hier ein Verschulden nicht notwendige Voraussetzung für das Vorliegen des wichtigen Grundes ist. Ein Unterschied besteht allerdings insoweit, als der wichtige Grund in der Person des auszuschließenden Gesellschafters eingetreten sein muss und den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses gerade mit dem Auszuschließenden unzumutbar ist. Wegen des starken Eingriffs in die Gesellschafterstellung kommt die Ausschließung zudem nur dann in Betracht, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, den übrigen Gesellschaftern eine Fortführung des Gesellschaftsverhältnisses auch ohne Ausschließung des betroffenen Gesellschafters wieder zumutbar werden zu lassen und das zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Dabei liegt es in erster Linie in der Verantwortung des Auszuschließenden, seinen Mitgesellschaftern weniger belastende Regelungsalternativen vorzuschlagen.2 Über die Frage, ob es zur Ausschließung als Ultima Ratio kommen muss, ist letztlich im Rahmen einer Gesamtabwägung zu entscheiden. Maßgebliche Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung können neben der Schwere der Pflichtverletzung des Auszuschließenden auch eine eventuelle Mitverantwortung der die Ausschließung betreibenden Gesellschafter, die wirtschaftlichen Folgen des Ausscheidens für den Auszuschließenden, seine Leistungen und Verdienste in der Vergangenheit, seine Stellung in der Gesellschaft und die Struktur des Gesellschaftsverhältnisses sein.3 Hingegen ist die Größe des Anteils4 des Auszuschließenden grundsätzlich unerheblich.5 Als wichtige Gründe in der Person eines Gesellschafters kommen insbesondere in Betracht: Verstöße gegen Wettbewerbsverbote,6 die Einräumung einer Unterbeteiligung an einen Konkurrenten,7 der Aufbau eines eigenen Konkurrenzunternehmens in Erwartung baldiger Trennung,8 kreditgefährdende Äußerungen,9 Eigenmächtigkeiten in der Geschäftsführung, insbesondere die vertragswid-
1 BGH v. 28.6.1993 – II ZR 119/92, DStR 1993, 1598; BGH v. 25.4.1983 – II ZR 170/82, GmbHR 1983, 301 = NJW 1984, 173 (174); Westermann, NJW 1977, 2185 (2186). 2 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 140 HGB Rz. 10; Emmerich in Heymann, 2. Aufl. 1996, § 140 HGB Rz. 16. 3 Ausführlich hierzu Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 140 HGB Rz. 15 ff. m.w.N. 4 BGH v. 9.12.1968 – II ZR 42/67, BGHZ 51, 204 (207). 5 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 140 HGB Rz. 19; BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103; BGH v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, BGHZ 107, 351 (354); BGH v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 (220) = GmbHR 1989, 117. 6 BGH v. 3.2.1997 – II ZR 71/96, NJW-RR 1997, 925. 7 BGH v. 12.10.1999 – II ZR 245/91, DStR 1992, 1661. 8 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 70. 9 BGH v. 23.1.1967 – II ZR 166/65, BGHZ 46, 392 (394 ff.); OLG München v. 4.12.1998 – 23 U 2700/95, NZG 1999, 591 (594).
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8.235
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
rige Nichteinholung erforderlicher Zustimmungen1 oder Veruntreuungen und Unterschlagungen.2 8.236
Anders als das Auflösungsrecht nach § 133 HGB ist das Ausschließungsrecht des § 140 HGB jedoch nicht zwingend. Im Gesellschaftsvertrag kann die Ausschließung erschwert, bspw. auf bestimmte wichtige Gründe begrenzt oder sogar völlig ausgeschlossen werden. Praktisch bedeutsam sind vor allem verfahrensrechtliche Erleichterungen. So sehen viele Gesellschaftsverträge vor, dass eine Ausschließung statt im Wege der Klage auch durch einen Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden kann, bei dem der Auszuschließende nicht mitstimmen darf, aber anzuhören ist.3 Möglich ist es auch, die Entscheidung über die Ausschließung Organen der Gesellschaft zu übertragen oder einen automatischen Ausschluss bei Eintritt bestimmter, einen wichtigen Grund darstellender Ereignisse vorzusehen.4 In diesen Fällen ist es Sache des Ausgeschlossenen, die Ausschließung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies geschieht durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter. Hierzu kann der Gesellschaftsvertrag eine Frist vorsehen. Die Versäumung der festgelegten Frist steht einer Klageerhebung allerdings nicht entgegen, wenn der Kläger geltend machen kann, dass der Ausschließungsbeschluss durch die gesellschaftsvertragliche Regelung nicht gedeckt ist und somit der vertraglichen Grundlage entbehrt.5
8.237
Gestaltungshinweis: Eine Alternative zur Ausschließung ist die Vereinbarung vertraglicher Übernahmerechte, bspw. derart, dass bereits eine einseitige Übernahmeerklärung genügen soll.6 Die Vereinbarung eines derartigen Übernahmerechts bedarf nicht der Form des § 15 GmbHG; auch dann nicht, wenn, wie z.B. bei der Einheitsgesellschaft, zum Gesellschaftsvermögen GmbH-Anteile gehören.7
IV. Ausschließung aus der GmbH 8.238
Das GmbHG kennt nur die Einziehung (§ 34 GmbHG). Jedoch darf eine Einziehung des Geschäftsanteils nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. § 34 Abs. 2 GmbHG stellt klar, dass ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten die Einziehung nur stattfindet, wenn ihre Voraussetzungen vor dem Zeitpunkt, in welchem er den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren.
8.239
Sofern die Satzung keine Zwangseinziehung oder Abtretungsverpflichtung vorsieht, ist dennoch der Ausschluss eines Gesellschafters bei Vorliegen eines wichti1 BGH v. 30.11.1951 – II ZR 109/51, BGHZ 4, 108 (121); Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 140 HGB Rz. 20; BGH v. 28.6.1993 – II ZR 119/92, NJW-RR 1993, 1123 (1124). 2 BGH v. 14.6.1999 – II ZR 193/98, ZIP 1999, 1355 (1356); BGH v. 17.2.1955 – II ZR 316/53, BGHZ 16, 317 (323); BGH v. 25.1.1960 – II ZR 22/59, BGHZ 32, 17. 3 BGH v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, NJW 2011, 2648 m.w.N.; BGH v. 26.2.1996 – II ZR 77/95, DB 1996, 1273 (1274); differenzierend hierzu: Abramenko, GmbHR 2001, 501. 4 Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 140 HGB Rz. 6. 5 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 140 HGB Rz. 50; BGH v. 20.1.1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212 (216); Roth in Baumbach/Hopt, § 119 HGB Rz. 32. 6 BGH v. 17.12.2001 – II ZR 31/00, ZIP 2002, 712; BGH v. 8.1.1990 – II ZR 115/89, BB 1990, 444. 7 BGH v. 31.1.1983 – II ZR 288/81, BGHZ 86, 367 (370).
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§8
Abfindung
gen Grundes möglich und zulässig.1 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn durch die Person oder das Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters die Erzielung des Gesellschaftszwecks erheblich gefährdet oder sogar unmöglich gemacht wird und deswegen sein Verbleib in der Gesellschaft bei einer Gesamtwürdigung untragbar erscheint.2 Der Ausschluss darf nur Ultima Ratio sein. Er ist also nur dann zulässig, wenn der den wichtigen Grund bildende Anlass nicht auf andere Weise beseitigt werden kann.3 Die Ausschlussgründe entsprechen im Wesentlichen denen in der Personengesellschaft. Gleiches gilt auch für die Durchführung des Ausschlusses. So erfordert der Ausschluss zunächst einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, der mit 3/4-Mehrheit zu fassen ist, wenn die Satzung keine andere Mehrheit vorsieht.4 Die auszuschließenden Gesellschafter sind vom Stimmrecht ausgeschlossen. Sodann ist durch die GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, Ausschlussklage zu erheben (in der Zwei-Personen-Gesellschaft kann der verbleibende Gesellschafter Klage erheben). Das Gericht trifft ein sog. bedingtes Gestaltungsurteil, in welchem gleichzeitig die Höhe der Abfindung und die Zahlungsfristen festzusetzen sind. Die Satzung kann vorsehen, dass die Gesellschafterversammlung auch ohne Ausschlussklage einen Gesellschafter ausschließen kann. Jedoch ist auch in diesem Fall durch eine Anfechtungsklage eine gerichtliche Kontrolle dahin gehend möglich, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen eingehalten wurden.5 Die gerichtliche Kontrolle kann nicht ausgeschlossen werden, wohl aber ist die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes zulässig.6
D. Abfindung I. Allgemeine Überlegungen Soweit ein Gesellschafterwechsel oder das Ausscheiden eines Gesellschafters vollständig auf privatautonomer Grundlage stattfindet, d.h. auch das an den Ausscheidenden zu entrichtende Entgelt frei vereinbart wird, sind Überlegungen zur Abfindung des Gesellschafters nicht von Bedeutung. Anderes gilt hingegen in den Fällen des Ausscheidens durch Tod und durch Kündigung oder Ausschluss, in denen die Abfindung des Ausscheidenden Konsequenz eines einseitigen Rechtsakts ist. Auch ist denkbar, dass die Gesellschafter in einem Bereich privatautonomer Gestaltung – etwa für den Fall von Anteilsübertragungen aufgrund wechselseitig eingeräumter Andienungsrechte oder Rechten zur Übernahme einer Beteiligung – Entgelte vereinbaren, die eine Kompensation für den Verlust von Gesellschafterrechten darstellen. 1 Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 32 m.w.N. 2 Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 33. 3 Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 34 GmbHG Rz. 6; Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 11. 4 BGH v. 1.4.1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157; bestätigt durch BGH v. 13.1.2003 – II ZR 173/02, GmbHR 2003, 284 und BGH v. 13.1.2003 – II ZR 227/00, GmbHR 2003, 286; a.A. Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 39 m.w.N.: einfache Stimmenmehrheit. 5 Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 39 m.w.N. 6 Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 40.
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8.240
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.241
Die Abfindung und eine insoweit vorgenommene gesellschaftsvertragliche Regelung sind aufgrund der damit verbundenen Liquiditätsbelastungen in mehrfacher Hinsicht von entscheidender Bedeutung nicht nur für die beteiligten Gesellschafter, sondern ebenso für die Gesellschaft und deren Unternehmen. Soweit wie im Regelfall die Gesellschaft selbst die Abfindung aufzubringen hat, kommt einer beschränkenden Abfindungsregelung ein liquiditätssichernder und damit zumeist unternehmenserhaltender Zweck zu (Kapitalerhaltungsfunktion).1
8.242
Da die Abfindung die nicht verhandelbare Entschädigung für den ausscheidenden Gesellschafter darstellt, kann die gesellschaftsvertragliche Einflussnahme auf die Abfindungshöhe mittels Abfindungsklauseln zu einem bedeutenden Steuerungsinstrument für das Verhalten des Gesellschafters ausgebaut werden. Eine nicht unerhebliche Funktion von Abfindungsklauseln ist daher in der Disziplinierung der Gesellschafter zu sehen (Disziplinierungsfunktion).2
8.243
Schließlich trägt eine Abfindungsregelung, sofern sie einfache und klare Vorgaben für die Abfindungsermittlung enthält, zu einer einfachen und unaufwändigen Abwicklung des Ausscheidenden bei (Vereinfachungsfunktion).3 Damit wird zugleich ein mögliches Konfliktpotential zwischen den Gesellschaftern und zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und der Gesellschaft entschärft (Schlichtungsfunktion).
8.244
Bei der Bemessung der Abfindung ist dem Interessenwiderstreit zwischen einerseits einer angemessenen, möglichst hohen Entschädigung für das entzogene oder aufgegebene Beteiligungsrecht in der Person des ausscheidenden Gesellschafters und andererseits dem Bestreben nach einer möglichst weitgehenden Beschränkung des Abfindungsanspruches bei den verbleibenden Gesellschaftern und der Gesellschaft selbst Rechnung zu tragen. Der gleiche Interessengegensatz ist durch Regelungen zur Erfüllung der Abfindung aufzulösen. So wird die Gesellschaft im Regelfall eine liquiditätsschonende und damit ratierliche Abfindungszahlung anstreben, während der ausscheidende Gesellschafter auch zur Reduzierung seines Risikos eines Forderungsausfalls an einer möglichst kurzfristigen Befriedigung seines Abfindungsanspruchs interessiert sein wird.
1 BGH v. 12.6.1975 – II ZR 12/73, BGHZ 65, 22 (27); BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (368); Sörgel/Engelmann, DStR 2003, 1260 (1261); Kazele, INF 2001, 689 (690); Hülsmann, GmbHR 2001, 409 (410); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c); Kort, DStR 1995, 1961 (1962); Piltz, BB 1994, 1021; Ulmer in FS Quack, 1991, S. 477 (478); Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994), 271 (273). 2 Sörgel/Engelmann, DStR 2003, 1260 (1261); Kazele, INF 2001, 689 (690); Kort, DStR 1995, 1961 (1962); Piltz, BB 1994, 1021; etwa kann der Gesellschafter durch eine „unattraktive“ Abfindungsregelung zur Vermeidung von Ausschlussgründen angehalten oder davon abgehalten werden, die Gesellschaft durch Kündigung zu verlassen. 3 BGH v. 12.6.1975 – II ZR 12/73, BGHZ 65, 22 (27); BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (368) = GmbHR 1992, 257; BGH v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, GmbHR 1993, 505 = DStR 1993, 1109; Piltz, BB 1994, 1021; Haack, GmbHR 1994, 437; Sörgel/Engelmann, DStR 2003, 1260 (1261).
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§8
Abfindung
II. Der gesetzliche Abfindungsanspruch 1. Allgemeines Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung zur Abfindung, so kann der Ausgeschiedene für seinen Anteil gem. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB dasjenige verlangen, was er bei Auflösung der Gesellschaft und anschließender Auseinandersetzung erhalten hätte. Zwar legt der Gesetzeswortlaut eine Abfindung zum Liquidationswert nahe. Es besteht jedoch Einigkeit, dass für die Bestimmung der Abfindung der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Unternehmens einschließlich der stillen Reserven, insbesondere des Geschäfts- oder Firmenwerts maßgeblich ist, der entsprechend dem Going-Concern-Prinzip, also unter der Annahme, dass die Gesellschaft fortgesetzt wird, zu ermitteln ist.1 Nach § 738 Abs. 2 BGB ist der Wert, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln. Diese Schätzung hat allerdings aufgrund konkreter Unterlagen und sachverständig, insbesondere unter Anwendung anerkannter Methoden betriebswirtschaftlicher Unternehmensbewertung, zu erfolgen.2 Da sich die meisten Sachverständigen am Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1) orientieren, nach dem die Bewertung von Unternehmen grundsätzlich entsprechend einem Gesamtbewertungsverfahren, insbesondere der Ertragswertmethode oder dem für die Masse mittelständischer Unternehmen allerdings weniger gebräuchlichen Discounted-cash-flow-Verfahren, zu erfolgen hat, hat sich auch zwischenzeitlich in der Rechtsprechung eine Gesamtbewertung in Form der Ertragswertmethode zur Bestimmung des „wahren“ Unternehmenswerts durchgesetzt. Hingegen kommt dem Substanzwert eines Unternehmens kaum noch eigenständige Bedeutung zu. Gleiches gilt für die früher ebenfalls noch gebräuchlicheren Mischverfahren, bei denen mit unterschiedlicher Gewichtung sowohl der Substanz- als auch der Ertragswert eines Unternehmens Berücksichtigung fand. Allerdings betont die Rechtsprechung, dass trotz der seit längerem eindeutig vorherrschenden Berechnungsweise auf Grundlage des Ertragswerts der Tatrichter nicht an eine bestimmte Wertermittlungsmethode gebunden ist.3 So kann also auch heute noch, insbesondere bei überdurchschnittlich hohem Anteil des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, dem Substanzwert – vor allem in Form des Liquidationswerts – eine erhöhte Bedeutung zukommen. Auch sog. Praktikermethoden können, wenn sie sich auf dem Markt durchgesetzt haben, durchaus für die Bestimmung des Unternehmenswerts herangezogen werden.4 Im Folgenden soll deshalb ein kurzer Überblick über die unterschiedlichen Methoden der Unternehmensbewertung gegeben werden.
1 BGH v. 21.4.1955 – II ZR 227/53, BGHZ 17, 130; BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (370) = GmbHR 1992, 257. 2 BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (370) = GmbHR 1992, 257; BGH v. 24.9. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192 (193) = GmbHR 1985, 113. 3 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, GmbHR 1993, 505 = NJW 1993, 2101 (2102); BGH v. 24.10. 1990 – XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547 (1548); BGH v. 25.11.1998 – XII ZR 84/97, NJW 1999, 784 (787); BGH v. 6.11.2013 – XII ZB 434/12, NJW 2014, 294. 4 Vgl. etwa BGH v. 25.11.1998 – XII ZR 84/97, NJW 1999, 784 (787) zu Umsatzverfahren bei der Bewertung von Steuerberaterpraxen; BGH v. 6.2.2008 – XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
2. Bewertungsverfahren 8.246
In einer Grobeinteilung lässt sich differenzieren zwischen Einzelbewertungs-, Gesamtbewertungs- und Mischverfahren. a) Substanz- und Liquidationswertverfahren
8.247
Das Substanzwertverfahren gehört zu den Einzelbewertungsverfahren. Der Unternehmenswert bestimmt sich hier nach der Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter. Die Einzelbewertung erfolgt nach Fortführungsgesichtspunkten und somit zu Wiederbeschaffungspreisen. Nicht selbständig wiederbeschaffbare Wirtschaftsgüter, insbesondere ein selbstgeschaffener Geschäfts- oder Firmenwert, bleiben hier unberücksichtigt.
8.248
Auch der Liquidationswert wird im Rahmen eines Einzelwertverfahrens bestimmt. Jedoch erfolgt hier die Wertbestimmung unter der Annahme, dass das Unternehmen zerschlagen und die einzelnen Wirtschaftsgüter veräußert werden. Die Wertansätze der einzelnen Wirtschaftsgüter erfolgen hier somit nach Veräußerungspreisen. Außerdem sind die voraussichtlich entstehenden Liquidationskosten wertmindernd zu berücksichtigen.
8.249
Sowohl der Substanzwert als auch der Liquidationswert können Bedeutung innerhalb der Ertragswertmethode gewinnen. So gibt der Wert der vorhandenen Vermögenssubstanz Aufschluss über zukünftig erforderlich werdende Investitionen, Abschreibungen und Finanzierungsaufwendungen, die sich allesamt auf den zukünftigen Ertrag auswirken. Der Liquidationswert gewinnt als Untergrenze des Ertragswerts Bedeutung. Denn wer durch den Verkauf sämtlicher Wirtschaftsgüter einen höheren Ertrag erzielt als durch die Fortführung des Unternehmens, wird es – vernünftigerweise – liquidieren.1 Schließlich bestimmt sich nach dem Liquidationswert auch der Wert des im Rahmen der Ertragswertmethode gesondert zu bewertenden nicht betriebsnotwendigen Vermögens. b) Ertragswertverfahren
8.250
Die Gesamtbewertungsverfahren sind demgegenüber von der Erkenntnis getragen, dass das Ganze mehr wert ist als die Summe seiner Teile. Wertbestimmender Faktor ist der zukünftige Einnahmeüberschuss aus dem Unternehmen, der auf den Barwert zum Bewertungsstichtag diskontiert wird.
8.251
Beim Ertragswertverfahren wird der Wert des Unternehmens als die Summe ermittelt, die ein Investor für eine alternative Investition mit gleicher Sicherheit und gleichem Ertrag aufwenden müsste. In einem ersten Schritt ist hierzu der Zukunftsertrag aus der Investition in das Unternehmen zu ermitteln, der dann in einem zweiten Schritt mit dem einer vergleichbaren Investition angemessenen Zinssatz auf seinen Barwert zum Bewertungsstichtag zu diskontieren ist. Der ermittelte Wert ist der Preis für die erzielbaren Zukunftserträge. Wesentliche Größen für die Bestimmung des Unternehmenswerts sind daher der nachhaltig erzielbare Zu1 Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 31; Fleischer/ Schneider, DStR 2013, 1736.
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§8
Abfindung
kunftserfolg, der ermittelt wird durch eine Vergangenheitsanalyse und einer darauf aufbauenden Zukunftsprognose, und der Kapitalisierungszinssatz, der sich bestimmt nach einem für nahezu risikofreie Investitionen üblichen Basiszinssatz, der den Besonderheiten der Investition in ein Unternehmen Rechnung tragend um Zu- und Abschläge zu korrigieren ist. Im Rahmen der somit zunächst vorzunehmenden Vergangenheitsanalyse sind die Erfolgsfaktoren zu ermitteln, die nachhaltig zu dem Vergangenheitsergebnis beigetragen haben. Hierzu werden vorrangig die Jahresabschlüsse, aber auch sonstige möglichst geprüfte Unterlagen des Unternehmens der letzten – meist drei bis fünf – abgeschlossenen Geschäftsjahre herangezogen. Einmalige und außerordentliche Aufwendungen und Erträge werden in unterschiedlicher Weise korrigiert oder sogar gänzlich eliminiert.
8.252
So werden die Aufwendungen und Erträge des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ausgesondert. Hierzu zählen insbesondere diejenigen Vermögensgegenstände, die zur Erreichung des eigentlichen Unternehmenszwecks nicht erforderlich sind und deshalb veräußert werden könnten, ohne dass davon die eigentliche Unternehmensaufgabe berührt würde. Diese nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände werden mit dem Liquidationswert angesetzt. Die mit den nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen im Zusammenhang stehenden Erträge und Aufwendungen bleiben bei der Prognose des Zukunftserfolgs folglich unberücksichtigt. Darüber hinaus kann die Ausgliederung dieser Vermögensgegenstände auch noch Auswirkung auf die Finanzsituation des Unternehmens und damit auf dessen Ertragskraft haben (verminderter Beleihungsrahmen führt zu erhöhten Finanzierungskosten oder verhindert Expansion).
8.253
Da die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften aus Vereinfachungsgründen den Unternehmenserfolg nicht immer exakt dem Jahr seiner Entstehung zurechnen, ist auch derartiger Aufwand und Ertrag periodengerecht zuzuordnen. So sind aufwandswirksame Vorleistungen in der Vergangenheit (z.B. Werbekampagnen), die noch langfristig in die Zukunft wirken, zu verteilen, was sich auf das Vergangenheitsergebnis gewinnerhöhend auswirkt. Umgekehrt sind unterlassene Aufwendungen (Reparaturstau) durch periodengerechte Verteilung auf die Vergangenheitsjahre rückzubeziehen, was zu einer Reduzierung der Vergangenheitserträge führt. Aufwendungen und Erträge einmaliger Natur, wie z.B. außerplanmäßige Abschreibungen, sind zu eliminieren und aperiodische Aufwendungen und Erträge periodengerecht zuzuordnen.
8.254
Ein weiterer notwendiger Arbeitsschritt ist die Korrektur personenbezogener Erfolgsfaktoren. Die steuerliche Gleichstellung von Sondervergütungen eines Mitunternehmers mit Gewinnen aus der Mitunternehmerschaft führt dazu, dass insbesondere in Familienpersonengesellschaften Vergütungen für Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft vielfach erst gar nicht vereinbart werden. In der Gewinn- und Verlustrechnung der Personengesellschaft taucht deshalb derartiger Aufwand nicht auf. Solche lediglich personenbezogenen Erfolgsfaktoren aber sind zu korrigieren. So ist etwa der Ertrag der Vergangenheit um einen angemessenen kalkulatorischen Unternehmerlohn, angemessene Darlehenszinsen oder eine übliche Miete zu kürzen.
8.255
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.256
Die vorgenannten Maßnahmen zur Bereinigung der Vergangenheitsergebnisse können darüber hinaus Auswirkung auf die von diesem Ergebnis gerade abhängige Steuerbelastung haben, was wiederum die Korrektur des Steueraufwands des Unternehmens zur Folge hat. Der Steueraufwand sowie auch sonstige ergebnisabhängige Aufwendungen sind daher neu zu berechnen.
8.257
Weitaus schwieriger als die Vergangenheitsanalyse stellt sich insbesondere bei mittelständischen Unternehmen, die vorrangig in Rechtsform der GmbH & Co. KG geführt werden, die Prognose des Zukunftserfolgs dar. Grund hierfür ist vor allem, dass für eine vernünftige Schätzung der zukünftigen Erträge die Entwicklung des Unternehmens unter Berücksichtigung möglichst aller interner und externer Einflüsse zu planen ist. Für die Schätzung ist also auf eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung zurückzugreifen, die entsprechend der Empfehlungen des IDW nach dem gängigen Gesamtkostenverfahren aufzustellen ist. Ergänzend wird man noch gesonderte Rechnungen fertigen müssen, etwa zur Ermittlung der zukünftigen Umsatzerlöse eine Umsatzprognose, für die Feststellung des zukünftigen Investitionsbedarfs und – damit zusammenhängend – des Abschreibungsbedarfs und der Reinvestitionsrate eine Investitionsplanung und zur Ermittlung des zukünftigen Finanzierungsvolumens eine Finanzbedarfsrechnung und Zinsprognose. Derartige Aufwands-, Ertrags- und Investitionsplanungen, Umsatzprognosen und Kapitalflussrechnungen fehlen in den meisten Unternehmen, zumindest den meisten kleinen und mittleren, und sind für den externen Bewerter nur sehr aufwändig zu erstellen. Das führt meist dazu, dass die Bewertung stark vergangenheitsorientiert bleibt.
8.258
Zudem ist die Prognose des Zukunftserfolgs naturgemäß mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden. Diesem Unsicherheitsproblem versucht man mit unterschiedlichen Methoden zu begegnen. Statt einen einheitlichen Zukunftsertrag zu schätzen und diesen entsprechend der Formel zur Bestimmung des Barwerts einer ewigen Rente abzuzinsen, wird bspw. nach der Phasenmethode der Prognosezeitraum in eine nähere und eine fernere Phase, gelegentlich auch in drei Phasen zerlegt. Für die nähere Phase, meist die ersten drei bis fünf Jahre nach dem Bewertungsstichtag, werden die finanziellen Überschüsse aufgrund detaillierter Planrechnungen geschätzt. Die Erfolge der ferneren Phase werden unter Berücksichtigung von Trenderwartungen aus den Detailplanungen der näheren Phase abgeleitet. Andere Methoden sind die Schätzung von Bandbreiten, die Sicherheitsäquivalenzmethode und die Risikoprofilmethode.1
8.259
Ein gerade für die Rechtsprechung nicht unbedeutendes Problem ist das Stichtagsprinzip. So ist angesichts der langen Verfahrensdauern gerichtlicher Auseinandersetzungen die Zukunft im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens häufig schon Vergangenheit und damit jedenfalls teilweise bekannt. Diesem Problem begegnet die Rechtsprechung mit der sog. Wurzeltheorie. Hiernach sind nur die am Bewertungsstichtag „in der Wurzel angelegten“ späteren Entwicklungen des Unternehmens zu berücksichtigen. Es kommt also wesentlich auf den Sach- und Erkenntnisstand des Bewerters zum Bewertungsstichtag an.2 1 Zum Unsicherheitsproblem bei der Unternehmensbewertung Behringer, DStR 1999, 731. 2 BGH v. 17.1.1973 – IV ZR 142/70, DB 1973, 563 (565); ausführlich hierzu Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 114 ff. m.w.N.
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§8
Abfindung
In der betriebswirtschaftlichen Literatur lange umstritten und von der Rechtsprechung wohl noch nicht abschließend entschieden ist die Berücksichtigung von persönlichen Steuern. Darüber, dass die vom Unternehmen selbst zu tragenden Betriebssteuern wie Grundsteuer, Verbrauchsteuern, Kfz-Steuern im Rahmen der Zukunftsprognose ertragsmindernd zu berücksichtigen sind, besteht Einigkeit. Betriebssteuern sind eigentümerunabhängig, so dass sie auch im Rahmen einer objektivierten Unternehmensbewertung in die Zukunftsprognose einzubeziehen sind.
8.260
Weniger eindeutig ist hingegen die Berücksichtigung persönlicher und ertragsabhängiger Steuern, wie insbesondere der Gewerbesteuer, der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Ehemals herrschend war die Auffassung, dass die Einkommensteuer als persönliche und individuell unterschiedliche Steuer den subjektiven Wertfaktoren zugerechnet und bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts nicht zu berücksichtigen ist. Gleiches galt für die Körperschaftsteuer, die zwar vom Unternehmen selbst zu tragen ist, während der Geltung des Anrechnungsverfahrens jedoch einer (vorausgezahlten) Einkommensteuer gleichgestellt, damit den persönlichen Steuern zugerechnet und ebenfalls nicht berücksichtigt wurde. Seit Einführung der 25%igen (und seit 1.1.2009 15%igen) Definitivsteuer für Körperschaften ist hingegen eine derartige Qualifizierung nicht mehr möglich. Umgekehrtes gilt für die Gewerbesteuer. Auch diese belastet das Unternehmen als Steuersubjekt und ist daher wie eine Betriebssteuer zu behandeln, nämlich von den prognostizierten Ertragsüberschüssen in Abzug zu bringen. Durch die zum 1.1.2001 eingeführte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuer (Tarifermäßigung gem. § 35 Abs. 1 EStG) könnte diese allerdings wie früher die Körperschaftsteuer der Einkommensteuer gleichgestellt werden und damit unberücksichtigt bleiben.
8.261
Das IDW hat auf Anregungen im betriebswirtschaftlichen Schrifttum1 reagierend hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung persönlicher Steuern eine grundsätzliche Neuorientierung vorgenommen. Auf Grundlage der Überlegung, dass der Wert eines Unternehmens durch die Höhe der Zuflüsse an den Investor, die er zu seiner freien Verfügung hat, bestimmt wird, berücksichtigt das IDW nunmehr die persönliche Einkommensteuer sowohl bei der Prognose des Zukunftserfolges als auch bei der Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes.2 Auch die jüngere Rechtsprechung tendiert zu einer Berücksichtigung der persönlichen Steuern durch Abschläge pauschalierter Steuersätze auf Ertrag und Kapitalisierungszinsen.3
8.262
Noch unsicherer, um nicht zu sagen willkürlich, erscheint häufig die Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes. Durch die Abzinsung des Zukunftserfolgs mit dem
8.263
1 Ballwieser in FS Schneider, 1995, S. 15 ff.; Ballwieser, DB 1997, 2393; Siepe, WPg 1997, 1; Siepe, WPg 1997, 37; Kruschwitz/Löffler, DB 1998, 1041; Günther, DB 1999, 2425. 2 S. Standard S 1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer; kritisch gegenüber einer Nachsteuerbewertung Hüttemann, WPg 2007, 812. 3 OLG Stuttgart v. 26.10.2006 – 20 W 14/05, NZG 2007, 112 (117) = AG 2007, 128; OLG Stuttgart v. 16.2.2007 – 20 W 6/06, NZG 2007, 302 (308); OLG München v. 17.7.2007 – 31 Wx 60/06, BB 2007, 2395 (2397); OLG Stuttgart v. 19.3.2008 – 20 W 3/06, AG 2008, 510; nach OLG München v. 18.2.2014 – 31 Wx 211/13 ist die Berücksichtigung persönlicher Steuern mittlerweile „allgemein anerkannt“.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Kapitalisierungszinssatz werden die Erträge aus dem Unternehmen mit denen einer Alternativinvestition vergleichbar gemacht. Das Problem dabei ist, dass es eine identische Alternativinvestition nicht gibt. Die Alternativinvestition ist i.d.R. einem anderen Risiko ausgesetzt, kann schwerer oder leichter wieder zu Liquidität gemacht werden, unterliegt in stärkerem oder schwächerem Maße inflationären Schwankungen und ist zeitlich begrenzt. Diesen Unterschieden ist bei der Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes Rechnung zu tragen. Dies wird in der Weise versucht, dass ausgehend von einem Basiszinssatz für weitestgehend risikofreie Kapitalmarktanlagen durch Zu- und Abschläge den allgemeinen und speziellen Unternehmensrisiken, der schlechteren Fungibilität von Unternehmen und der i.d.R. größeren Abhängigkeit eines Unternehmens von inflationären Einflüssen Rechnung getragen wird. Die Probleme beginnen jedoch bereits bei der Bestimmung des Basiszinssatzes. Als Vergleichsgröße wird meist vom landesüblichen Zinssatz einer langfristigen, risikofreien Kapitalmarktanlage, insbesondere von inländischen öffentlichen Anleihen, ausgegangen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zum einen der im Rahmen des Ertragswertverfahrens sonst gleich bleibend unterstellte Kapitalisierungszinssatz in Zukunft schwanken wird und zum andern der landesübliche Zinssatz nur für eine zeitlich begrenzte Investition gewährt wird, während bei Diskontierung entsprechend der Ewigen-Renten-Formel die Ewigkeit der Erträge unterstellt wird. Dem ersten Problem versucht man dadurch zu begegnen, dass als Basiszins nicht der Stichtagszins zugrunde gelegt, sondern der zukünftig durchschnittlich erzielbare Zins geschätzt wird.1 Die Schätzung orientiert sich freilich auch meist an Vergangenheitswerten, so dass häufig statt des aktuellen Zinssatzes der durchschnittliche Zinssatz für öffentliche Anleihen der letzten Jahre vor dem Bewertungsstichtag angesetzt wird. In der Rechtsprechung werden allerdings für die Durchschnittsermittlung unterschiedliche Zeiträume genannt.2 Das Problem der zeitlich unbegrenzten Lebensdauer eines Unternehmens wird zwar nicht gelöst, jedoch wird der Rückgriff auf öffentliche Anleihen mit einer festen Laufzeit von zehn oder mehr Jahren als objektivierungsbedingte Vereinfachung anerkannt.3 In jüngeren Entscheidungen wird statt eines vergangenheitsorientierten Ansatzes häufig auch eine marktzinsorientierte Ableitung des Basiszinssatzes vorgenommen.4 8.264
Da die Erträge aus einem Unternehmen weniger sicher sind als die Zinserträge aus einer öffentlichen Anleihe, kann der Basiszins nicht die maßgebliche Größe zur Barwertermittlung der zukünftigen Unternehmenserträge sein. Zwar vermittelt die Investition in ein Unternehmen neben dem unternehmerischen Risiko gleichzeitig auch die Chance höherer Erträge, die bei Festanleihen nicht besteht. Doch 1 Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 172. 2 OLG Düsseldorf v. 11.4.1988 – 19 W 32/86, WM 1988, 1052 (1059) (3 Jahre); OLG Düsseldorf v. 2.8.1994 – 19 W 1/93, WM 1995, 756 (761) (20 Jahre); BayObLG v. 19.10.1995 – BReg. 3 Z 17/90, AG 1996, 127 (129) (10 Jahre); LG Dortmund v. 1.7.1996 – 20 AktE 2/94, AG 1996, 427 (429) (15 Jahre). 3 Ausführlich hierzu Metz, Der Kapitalisierungszinssatz bei der Unternehmensbewertung, 2007. 4 S. beispielhaft OLG Karlsruhe v. 16.7.2008 – 12 W 16/02, AG 2009, 47; OLG Düsseldorf v. 4.7.2012 – I 26 W 8/10, NZG 2012, 1260; OLG Frankfurt v. 30.8.2012 – 21 W 14/11, NZG 2012, 1382.
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§8
Abfindung
macht dies eine Korrektur des Basiszinses nicht entbehrlich.1 Investoren verhalten sich vielmehr risikoavers, d.h. sie weichen trotz Chance dem Risiko aus oder lassen sich die Übernahme von Unsicherheit durch eine Risikoprämie abgelten.2 Weil also in Unternehmen statt in sicherere Anlagen nur investiert wird, wenn mit dem Risiko auch gleichzeitig die Chance eines höheren Ertrages verbunden ist, ist der Basiszins um einen Risikozuschlag – in der jüngeren Rechtsprechung auch Marktrisikoprämie genannt – zu erhöhen. Die Höhe des Risikozuschlages auf den Basiszins hängt auch davon ab, inwieweit bei der Bestimmung der Zukunftserträge bereits Risiken berücksichtigt wurden. Wird, wie bei der Sicherheitsäquivalenz-Methode, der Zukunftserfolg bereits unter Berücksichtigung sämtlicher Risiken und Chancen ermittelt, ist ein (nochmaliger) Risikozuschlag auf den Kapitalisierungszinssatz entbehrlich. Das gleiche Problem stellt sich bei der Berücksichtigung spezieller Unternehmensrisiken. Das Unternehmensrisiko lässt sich nämlich aufteilen in das spezielle und das allgemeine Unternehmensrisiko. Mit dem speziellen Unternehmensrisiko werden im Unternehmen selbst angelegte Risikofaktoren, wie z.B. die bestehende Konkurrenzsituation, die Qualifikation des Personals und der Geschäftsführung, das Auslaufen von Einkaufs- oder Absatzverträgen, berücksichtigt. Bei kleineren und mittleren mittelständischen Unternehmen gehört hierzu auch die Abhängigkeit des Unternehmenserfolgs von der Person des geschäftsführenden Inhabers, seinen besonderen Kenntnissen, Erfahrungen und persönlichen Geschäftsbeziehungen, die ein übernehmender Investor nicht ohne weiteres fortsetzen kann. Demgegenüber werden mit dem allgemeinen Unternehmensrisiko alle die Unternehmen generell betreffenden Unwägbarkeiten, wie z.B. Naturkatastrophen, wirtschaftliche oder politische Krisen und unabsehbare konjunkturelle Entwicklungen, erfasst. Die Rechtsprechung erfasst die speziellen Unternehmensrisiken überwiegend bereits bei der Bestimmung des nachhaltig erzielbaren Zukunftsertrags.3 Sie kommt daher zu relativ geringen Risikozuschlägen. Das IDW empfiehlt hingegen, auf eine Aufteilung des Unternehmensrisikos in allgemeine und spezielle Risiken zu verzichten und das Unternehmensrisiko ausschließlich im Kapitalisierungszinssatz zu erfassen. Der Risikozuschlag muss dann entsprechend höher ausfallen.
8.265
Ein weiterer wertbestimmender Unterschied zwischen einer Kapitalmarktinvestition und einer Unternehmensinvestition besteht darin, dass auf dem Kapitalmarkt erworbene öffentliche Anleihen jederzeit wieder veräußert und somit kurzfristig zu Liquidität gemacht werden können, ein Unternehmen hingegen nicht. Diesem Umstand wird mit einem Fungibilitätszuschlag zum Basiszins Rechnung getragen. Häufig wird die fehlende Fungibilität aber auch als Wiederverkaufsrisiko als Teil des allgemeinen Unternehmensrisikos bei der Bestimmung des Risikozuschlags berücksichtigt.
8.266
1 So aber OLG Celle v. 4.4.1979 – 9 Wx 2/77, DB 1979, 1031 (1032); OLG Zweibrücken v. 9.3. 1995 – 3 W 133/92, 3 W 145/92, WM 1995, 980 (984), die meinen, dass sich Risiko und Chance aufheben. 2 Knoll, DStR 2007, 1053; OLG Stuttgart v. 26.10.2006 – 20 W 14/05, NZG 2007, 112 (117). 3 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, NJW 1978, 1316 (1319); BayObLG v. 19.10.1995 – BReg. 3 Z 17/90, BB 1996, 259 (261); OLG Düsseldorf v. 12.2.1992 – 19 W 3/91, AG 1992, 200 (204).
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
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Neben derartigen Zuschlägen kommen aber auch Kürzungen des für die Unternehmensinvestition ermittelten Zinssatzes in Betracht. Weitgehende Einigkeit besteht hinsichtlich der Notwendigkeit eines Geldentwertungsabschlags. Während bei einer langfristigen Kapitalanlage Ertragssteigerungen zum Ausgleich von Inflationsverlusten ausgeschlossen sind, der Zinssatz vielmehr dauerhaft feststeht, eröffnet die Anlage in ein Unternehmen die Chance von Ertragssteigerungen. In Unternehmen können die Auswirkungen einer Inflation meist dadurch reduziert werden, dass die gestiegenen Kosten auf der Beschaffungsseite durch Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden. Allerdings geht man davon aus, dass dies den Unternehmen nur teilweise gelingt, weshalb der Geldentwertungsabschlag (auch Wachstumsrate genannt) mit einem Betrag angesetzt wird, der unterhalb der Inflationsrate liegt. Die Rechtsprechung hält einen Abschlag in der Größenordnung von 0,5 %–2 % für angemessen.1
8.268
Wer, wie überwiegend die Betriebswirtschaftslehre und das IDW, den ermittelten Zukunftsertrag auch um persönliche Steuern gekürzt hat, muss diese Kürzung auch beim Kapitalisierungszinssatz vornehmen. Denn genauso wie die Erträge aus einem Unternehmen unterliegen auch die zum Basiszins verzinsten Überschüsse aus der sicheren Investitionsalternative persönlichen Ertragsteuern. Ob es dabei ausreicht, die Kürzung mit einem pauschalen Steuersatz und ungeachtet der Besteuerungsunterschiede der verschiedenen Einkunftsarten vorzunehmen, erscheint fraglich.
8.269
Nach Feststellung des nachhaltigen Zukunftsertrages und des Kapitalisierungszinsfußes erfolgt die Diskontierung bei der Phasenmethode differenzierend nach den verschiedenen Phasen, ansonsten aber vereinfacht entsprechend der Formel für den Barwert einer ewigen Rente: Unternehmenswert (UW) = jährlicher Überschuss (E) : Kapitalisierungszinsfuß (i). UW ¼
8.270
E i
Mit der Anwendung der Rentenformel wird gleichzeitig dreierlei unterstellt: eine unbegrenzte Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens bei Erhaltung der Substanz, eine nachschüssige Verzinsung und ewig gleich bleibende finanzielle Überschüsse. c) Discounted-cash-flow-Verfahren
8.271
Ein grundsätzlich gleiches Bewertungsprinzip, nämlich die Diskontierung eines Überschusses auf den Barwert zum Bewertungsstichtag, verfolgt auch das Discounted-cash-flow-Verfahren. Allerdings werden hier nicht Zukunftserfolge, sondern cash flows (= erwartete Zahlungsüberschüsse vor Finanzierung und nach Investition und Steuern) diskontiert. Der Abzinsungsfaktor bestimmt sich nicht wie der Kapitalisierungszinssatz nach einer Alternativrendite des Investors, sondern überwiegend nach marktorientierten Kapitalkostensätzen. Das Discounted-cash-flowVerfahren begegnet vor allem in drei Varianten: Beim dem Ertragswertverfahren am 1 Seetzen, WM 1994, 45 (48); OLG Karlsruhe v. 16.7.2008 – 12 W 16/02, AG 2009, 47.
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§8
Abfindung
nächsten stehenden Nettoansatz werden die den Eigentümern zufließenden Zahlungsströme mit einem risikoangepassten Zinsfuß auf der Basis des sog. Capital-asset-pricing-Modells (CAPM) auf ihren Gegenwartswert diskontiert. Eine komponentenweise Ermittlung des Unternehmensgesamtwerts erfolgt nach der sog. Adjusted-present-value-Methode (APV-Methode). Hier wird der Einfluss der Finanzierung auf den Gesamtkapitalwert gesondert berechnet und zum Marktwert eines unverschuldeten Unternehmens addiert. Am gebräuchlichsten ist die sog. EntityMethode. Nach dieser wird nicht lediglich der Wert des Eigenkapitals, sondern der Gesamtwert des Unternehmens ermittelt, nämlich durch Diskontierung der den Eigen- und Fremdkapitalgebern zufließenden Zahlungsströme. Als Diskontierungsfaktor werden die gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten, die sog. weighted average costs of capital (WACC), herangezogen. Reduziert man sodann den ermittelten Unternehmensgesamtwert um den Wert des Fremdkapitals, so erhält man den maßgeblichen Eigenkapitalwert. Bei der Entity-Methode erfolgt die Berechnung des Unternehmenswerts somit zweistufig. Zunächst ist der Gesamtkapitalwert als Summe von Eigenkapitalwert und Fremdkapitalwert zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist sodann der Wert des Eigenkapitals (der eigentliche Unternehmenswert) zu bestimmen, indem vom Gesamtkapitalwert der Wert des Fremdkapitals subtrahiert wird. Wesentliche Größen beim Discounted-cash-flow-Verfahren entsprechend der Entity-Methode sind somit der cash flow und der gewogene Kapitalkostensatz.
8.272
Unter dem cash flow versteht man hier die Zahlungsüberschüsse des Unternehmens, die sowohl den Eigenkapital- als auch den Fremdkapitalgebern des Unternehmens zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Ausschüttung der cash flows in rechtlicher oder faktischer Hinsicht möglich ist. Da auch die den Fremdkapitalgebern zur Verfügung stehenden Überschüsse im cash flow berücksichtigt werden, handelt es sich um einen cash flow vor Finanzierung. Investitionsausgaben und Unternehmensteuern mindern hingegen den cash flow. Der zu diskontierende cash flow ist genauso wie der Zukunftserfolg im Ertragswertverfahren ein Prognosewert. Der cash flow kann entweder direkt durch eine Prognose der zukünftigen Zahlungsströme geschätzt werden, was allerdings zur Prognose der Steuerzahlungen auch die Erstellung einer Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, einer Planbilanz und einer Planvermögensaufstellung erfordert. Genauso ist es aber auch möglich – und gängige Praxis –, den cash flow aus den Daten des betrieblichen Rechnungswesens abzuleiten. Hierzu ist wie beim Ertragswertverfahren eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen, auf deren Grundlage sodann der cash flow indirekt abgeleitet wird.1 Das IDW beschränkt sich dabei nicht auf einen einheitlichen Zukunfts-cash-flow. Vielmehr wird, ähnlich wie bei der Phasenmethode, zunächst ein cash flow für einen Detailprognosezeitraum von ca. fünf bis zehn Jahren ab dem Bewertungsstichtag detailliert bestimmt. Für die sich daran anschließende Zeit ist ein Residualwert als Barwert eines ab dann als konstant unterstellten künftigen cash flows zu ermitteln. Hierbei wird meist der cash flow des letzten Jahres des Detailprognosezeitraums zugrunde gelegt. Auch im Discounted-cash-flow-Verfahren wird der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens nach Liquidationsgrundsätzen bestimmt.
8.273
1 S. hierzu IDW S 1 (Stand 2.4.2008), Rz. 127.
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§8 8.274
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
Die gewogenen Kapitalkosten hängen im Wesentlichen von drei Größen ab: den Kosten des Eigenkapitals, den Kosten des Fremdkapitals und dem Verschuldungsgrad, welcher dargestellt wird durch das Verhältnis des Eigenkapitals und Fremdkapitals jeweils zum Gesamtkapital. Die Fremdkapitalkosten bestimmen sich nach dem Durchschnitt der mit den jeweiligen Fremdkapitalgebern vereinbarten Zinsen abzüglich der auf diese entfallenden Unternehmensteuern. Die Eigenkapitalkosten (= Renditeforderung der Eigenkapitalgeber) bestimmen sich nach dem capital-asset-pricing-Modell (CAPM bzw. bei Berücksichtigung der persönlichen Steuern: Tax-CAPM), bei dem einem risikolosen Basiszins eine Risikoprämie zugeschlagen wird. Die Risikoprämie ermittelt sich aus dem Produkt einer unternehmensindividuell festzulegenden Risikohöhe, dem sog. Beta-Wert, und dem Renditevorteil, den man erzielt, wenn man sein Geld statt in risikolose Anlagen in riskantere Wertpapiere des gesamten Marktes investiert. Für die im DAX vertretenen Aktiengesellschaften werden die aktuellen Beta-Werte börsentäglich veröffentlicht, weshalb für diese Gesellschaften das Discounted-cash-flow-Verfahren leichter angewendet werden kann und bereits gebräuchlicher ist als bei mittelständischen Unternehmen, bei denen der Beta-Wert erst ermittelt werden müsste. d) Mischverfahren
8.275
Die Mischverfahren versuchen mit unterschiedlicher Gewichtung sowohl den Substanzwert als auch den Ertragswert eines Unternehmens zu berücksichtigen. Das Mittelwertverfahren bestimmt den Unternehmenswert als Mittelwert zwischen Substanz- und Ertragswert, wobei nicht beide gleichwertig berücksichtigt werden müssen. Beim Verfahren der undiskontierten Übergewinnabgeltung wird dem Substanzwert ein zeitlich begrenzter Übergewinn hinzurechnet. Der Übergewinn ist dabei die Differenz aus Ertrag und Rendite aus normal verzinster Substanz. Das bekannteste Übergewinnverfahren ist das sog. Stuttgarter Verfahren (s. dazu Rz. 8.298), welches die Übergewinnverzinsung, die zu einem Zinssatz von 9 % erfolgt, auf fünf Jahre begrenzt. Beim Stuttgarter Verfahren ist allerdings der Übergewinn nicht der Überschuss über die Normalverzinsung des Substanzwerts, sondern der Überschuss über die Normalverzinsung des gesuchten Unternehmenswerts.1 e) Praktikermethoden
8.276
Schließlich haben sich insbesondere für bestimmte Berufsgruppen auch verschiedene sog. Praktikermethoden durchgesetzt. Diese Methoden sind aus Vereinfachungsgründen meist vergangenheitsorientiert und verwenden unter Verzicht auf eine aufwändige Ermittlung von Kapitalisierungszinsfüßen marktgängige Multiplikatoren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedenklich ist zudem die bei diesen Methoden häufig anzutreffende Orientierung am Umsatz statt am Ertrag. Es dürften aber keine Zweifel bestehen, dass eine Steuerberatungs- oder Arztpraxis mit einer Kostenquote von 60 % weniger wert ist als eine Praxis mit gleichem Umsatz, aber einer Kostenquote von 30 %.2 1 Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 39 f. 2 BGH v. 25.11.1998 – XII ZR 84/97, NJW 1999, 784 (785) hat deshalb auch eine Orientierung am Umsatzverfahren bei Ermittlung des Werts einer Steuerberatungspraxis hingenommen, weil das Berufungsgericht die getroffene Entscheidung letztlich auf den mit Hilfe des mo-
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§8
Abfindung
3. Besonderheiten des GmbH-Rechts Hinsichtlich der Höhe und Bemessung der Abfindung bestehen in der abfindungsrechtlichen Diskussion keine rechtsformbezogenen Unterschiede. Allerdings ist bei der Abfindung des Gesellschafters einer GmbH, insbesondere auch des Gesellschafters einer Komplementär-GmbH, der Kapitalerhaltungsgrundsatz (§ 30 Abs. 1 GmbHG) zu beachten. Nach bisher h.M. war die Einziehung eines Geschäftsanteils nicht möglich, wenn die Abfindungszahlung nicht ohne Beeinträchtigung des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögens möglich war. Deshalb sollte der Beschluss über die Einziehung, und zwar auch der Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils, unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung der Abfindung aus dem freien Gesellschaftsvermögen stehen.1 Stand bereits bei der Beschlussfassung fest, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, dem ausscheidenden Gesellschafter die Abfindung aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft zu zahlen, sollte der Beschluss nichtig sein.2 War, etwa aufgrund zwischenzeitlicher Wertverluste, erst im Zeitpunkt des Austritts die Abfindung nicht mehr aus dem freien Vermögen zahlbar, so war der (wirksam beschlossene) Austritt nicht durchführbar.3
8.277
Praktischer Nachteil dieser Bedingungslehre war, dass eine insbesondere bei ratierlichen Abfindungsvereinbarungen lang andauernde Unsicherheit über die Mitgliedschaft des ausgeschlossenen Gesellschafters besteht. Dem versuchte man in der Vergangenheit dadurch zu begegnen, dass im Gesellschaftsvertrag angeordnet wurde, dass die Gesellschaftsrechte in der Schwebezeit zwischen Beschlussfassung und Wirksamwerden des Ausscheidens durch Bedingungseintritt ruhen sollten. Der BGH hat mit Urteil vom 30.6.20034 eine weitere Erleichterung dadurch geschaffen, dass nunmehr im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden kann, dass die Erklärung des Austritts eines Gesellschafters sofortige Wirkung haben und insbesondere unabhängig von der Zahlung der Abfindung wirksam sein soll. In einem
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difizierten Ertragswertverfahrens ermittelten niedrigeren Wert des Praxisanteils gestützt hatte. OLG Frankfurt v. 26.11.1996 – 5 U 111/95, GmbHR 1997, 171 (172); OLG Zweibrücken v. 17.5.1996 – 6 U 8/95, GmbHR 1997, 939 (942); KG Berlin v. 2.8.1999 – 2 W 509/99, GmbHR 1999, 1202 (1204); OLG Düsseldorf v. 23.11.2006 – 6 U 283/05, NZG 2007, 278; OLG München v. 11.12.2007 – 31 Wx 048/07, NZG 2008,199; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 37 f.; Westermann in Scholz, § 34 GmbHG Rz. 55 ff.; a.A. hingegen KG v. 6.2.2006 – 23 U 206/04, NZG 2006, 437; gegen die Bedingungslehre auch bereits Löwe/ Thoß, NZG 2003, 1005. BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, GmbHR 2000, 822 = NJW 2000, 2819 (2821) (mit der Einschränkung, dass dies nur gilt, wenn der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenem Vermögens erfolgen darf); Westermann in Scholz, § 34 GmbHG Rz. 55; Fastrich in Baumbach/Hueck, § 34 GmbHG Rz. 40; a.A., nämlich für bloße Anfechtbarkeit OLG Celle v. 6.8.1997 – 9 U 224/96, GmbHR 1998, 140 = NZG 1998, 29; Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 34 GmbHG Rz. 18. Seibt in Scholz, Anh. § 34 GmbHG Rz. 16. Nach OLG Hamm v. 11.1.1999 – 8 U 42/98, NZG 1999, 597 (598) waren Einziehung und Austritt hingegen unproblematisch, wenn der Abfindungsbetrag von einem Dritten geleistet wurde und dieser auf einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft verzichtete. BGH v. 30.6.2003 – II ZR 326/01, GmbHR 2003, 1062 = NZG 2003, 871; OLG Nürnberg v. 11.6.2008 – 12 U 1646/07, ZEV 2008, 604 m. Anm. Langenfeld.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
obiter dictum hat er zudem festgestellt, dass Entsprechendes auch für die zwangsweise Einziehung des Geschäftsanteils und den Ausschluss des Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss vereinbart werden kann. 8.279
Mit seiner Entscheidung vom 24.1.20121 hat sich der BGH nahezu gänzlich von der Bedingungslehre gelöst und die Einziehung von der späteren Abfindungszahlung weitgehend entkoppelt. Festgehalten hat er lediglich an seiner Auffassung, dass in den Fällen, in denen bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann, der Einziehungsbeschluss nichtig ist. In allen anderen Fällen aber wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den Betroffenen wirksam, und dieser verliert seine Gesellschafterstellung. Korrespondierend hierzu aber hat der BGH zum Schutz des ausscheidenden Gesellschafters eine anteilige Ausfallhaftung der verbleibenden Gesellschafter begründet. Unklar bleibt jedoch bereits der eigentliche Rechtsgrund dieser Haftung2 und damit zahlreiche Folgefragen3, die möglichst vorab in der Satzung geklärt werden sollten.4
III. Gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelungen 1. Allgemeines 8.280
Gesellschafterdisziplinierung und Liquiditätssicherung lassen sich mit möglichst weitgehenden gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkungen erreichen. Auch lässt sich mit einem Verweis auf eindeutige und leicht umsetzbare Bewertungsmethoden das Ausscheidensverfahren vereinfachen und abkürzen, was zumindest grundsätzlich auch das Konfliktpotential in der Ausscheidensphase reduziert. Jedoch sind der Gestaltung von Abfindungsklauseln Grenzen gesetzt. Problematisch an dieser Grenzziehung ist, dass sie nicht eindeutig verläuft, vielmehr in jedem Einzelfall unterschiedlich verlaufen kann. Dieser Umstand aber führt wie1 BGH v. 24.1.2012 – II ZR 109/11, GmbHR 2012, 387. 2 Altmeppen, ZIP 2012, 1685; Priester, ZIP 2012, 658 und Schneider/Mayer, NJW 2013, 502 sehen den Haftungsgrund in der durch das Ausscheiden bewirkten Vermögensmehrung bei den verbleibenden Gesellschaftern; Schockenhoff, NZG 2012, 449 in der gesellschaftlichen Treuepflicht. 3 Beispielsweise, ob auch Gesellschafter anteilig haften, die gegen die Einziehung gestimmt haben; dagegen Schockenhoff, NZG 2012, 449; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 43; skeptisch auch H.P. Westermann in Scholz, § 34 GmbHG Rz. 58; dafür Altmeppen, ZIP 2012, 1685; Schneider/Hoger, NJW 2013, 502; Grunewald, GmbHR 2012, 769, allerdings mit der Ergänzung, dass dann die dissentierenden Gesellschafter ein Recht zur Auflösung der Gesellschaft unabhängig von dem Mehrheitserfordernis des § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG erhalten sollen; Winkler, BB 2012, 664; Stumpf/Müller, GWR 2012, 143. Oder, ob auch eine Ausfallhaftung unter den Gesellschaftern besteht; bejahend Schneider/Hoger, NJW 2013, 502; Schockenhoff, NZG 2012, 449, sowie Grunewald, GmbHR 2012, 769, die es zudem für sachgerecht hält, den Gesellschaftern, die die Schuld ausgefallener Mitgesellschafter übernommen haben, einen Anspruch auf Übertragung einer entsprechenden Quote des eingezogenen Geschäftsanteils zuzubilligen. 4 Hinweise zur Satzungsgestaltung bei Stumpf/Müller, GWR 2012, 143; Grunewald, GmbHR 2012, 769; Weyland/Hoger in Hopt, Vertrags- und Formularhandbuch Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, II D 1.3 § 6 III–V.
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§8
Abfindung
der zu einer deutlichen Erhöhung des Konfliktpotentials. Nicht ohne Grund sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Abfindungsklauseln, insbesondere die Abfindungshöhe im Rahmen von Ausscheidensauseinandersetzungen, sehr häufig.
2. Grobes Missverhältnis Gestritten wird i.d.R. über die Frage, ob zwischen dem Klauselwert der Beteiligung und ihrem Verkehrswert ein grobes Missverhältnis besteht. Schon der Kern des Streits zeigt, dass eine Abfindungsklausel das Ziel einer Vereinfachung nie sicher erreichen kann, ist doch für den Nachweis des groben Missverhältnisses eine sachverständige Verkehrswertbestimmung – meist entsprechend dem Ertragswertverfahren – unentbehrlich. Ob und wann ein solches grobes Missverhältnis besteht, kann den Beteiligten vor dem Rechtsstreit keiner sicher sagen. In der Literatur wird zum Teil davon ausgegangen, dass jedenfalls Abfindungen in Höhe von weniger als 50 % des Verkehrswerts der Beteiligung einer Bestandskontrolle durch die Gerichte nicht standhalten.1 Die Rechtsprechung hat bisher ausdrücklich Abfindungen als unzureichend und grob unangemessen angesehen, bei denen das Missverhältnis noch größer war. Die Klauselwerte lagen zwischen 20 % und 50 % des Verkehrswerts.2 Allerdings hat die Rechtsprechung immer betont, dass es eine feste quotenmäßige Grenze nicht geben könne. Das grobe Missverhältnis sei vielmehr im Rahmen einer alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Interessenabwägung festzustellen. Neben dem Verhältnis zwischen Klausel- und Verkehrswert sind daher noch zahlreiche weitere Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehören vor allem die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft, sein Anteil am Erfolg des Unternehmens und der Anlass seines Ausscheidens.3 So muss sich insbesondere ein Gesellschafter, der aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird, eher mit einem für ihn ungünstigen Klauselwert abfinden lassen als ein Gesellschafter, der selbst aus wichtigem Grund wegen eines Fehlverhaltens seiner Mitgesellschafter kündigt.4 Die Literatur nimmt dies zum Teil zum Anlass, je nach Ausscheidensgrund
1 Großfeld, AG 1988, 217 (218); Sauter in Beck’sches Hdb. der PersGes., § 8 Rz. 159; für die 50 %-Grenze als Orientierungsgröße auch Erman in FS Westermann, 1974, S. 75, (79); Lange, NZG 2001, 635 (641); Ulmer/Schäfer, ZGR 1995, 134 (153); Richter, Die Abfindung ausscheidender Gesellschafter unter Beschränkung auf den Buchwert, 2002, S. 111 (114); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c) ee) (S. 1490); einige teilweise differenzierend nach dem Grund des Ausscheidens. 2 S. bspw. BGH v. 23.10.1972 – II ZR 31/70, NJW 1973, 651 (652) (20 %); BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, NJW 1993, 3193 (3194) (35 %); BGH v. 13.6.1994 – II ZR 38/93, GmbHR 1994, 871 = NJW 1994, 2536 (1/3 bis 1/2); OLG Frankfurt v. 20.1.2011 – 22 U 3/09, juris (Ratenzahlung ohne Verzinsung bei 39 %); OLG Bremen v. 13.3.2013 – 4 UF 7/12 (45 % mit dem Hinweis, dass die Ausgeschiedene die Verkehrswertsteigerung durch Mitarbeit mit geschaffen habe; 69 % bei Vertragsschluss waren noch zumutbar); ausführliche Zusammenstellungen bei Piltz, BB 1994, 1023; Mecklenbrauck, BB 2000, 2001; Hülsmann, NJW 2002, 1673. 3 BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281 (286 f.). 4 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, NJW 1993, 2101 (2102) = GmbHR 1993, 505 betont jedoch, dass dies nicht heißt, dass der einen wichtigen Grund erfüllende Gesellschafter jede Abfindungsbeschränkung hinnehmen muss; zustimmend Mecklenbrauck, BB 2000, 2001 (2005); Piltz, BB 1994, 1021 (1023).
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8.281
§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
unterschiedliche Wertrelationen zwischen Klausel- und Verkehrswert zuzulassen.1 Tatsächlich wird man aus den genannten Grundsätzen auch für die Gestaltung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung den Schluss ziehen können, dass eine Differenzierung der Abfindungshöhe nach Anlass und Umständen des Ausscheidens, nicht jedoch im Hinblick auf die vom Ausscheiden jeweils betroffenen Gesellschafter zulässig ist (kein abfindungsbezogener „Gesellschafter minderen Rechts“).2 Von den dadurch eröffneten Möglichkeiten kann z.B. durch Verringerung der Abfindung für den Fall des Ausschlusses des Gesellschafters oder der Einziehung seines Geschäftsanteils aus wichtigem Grund Gebrauch gemacht werden. Entsprechendes gilt im Falle der Zwangsvollstreckung in die Beteiligung oder bei Insolvenz des Gesellschafters für den nach Ausscheiden des Gesellschafters dem Gläubiger bzw. Insolvenzverwalter zustehenden Abfindungsanspruch; dabei sollten allerdings, um nicht dem Vorwurf der Gläubigerbenachteiligung ausgesetzt zu sein, gleich mehrere der vorgenannten Gründe zu einer geringeren Abfindung berechtigen.
3. Rechtsgrundlagen der Klauselkontrolle a) Überblick 8.282
Die Klauselkontrolle beruht auf unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen. Die Grenze der Zulässigkeit ergibt sich zum einen aus § 723 Abs. 3 BGB, wonach das Kündigungsrecht eines Gesellschafters nicht ausgeschlossen oder den gesetzlichen Vorschriften zuwider beschränkt werden darf. Abfindungsklauseln, die zu einer geringen Abfindung führen, lassen zwar formal das Kündigungsrecht unangetastet. Jedoch wird die Kündigung für den Ausscheidenswilligen wirtschaftlich derart unattraktiv, dass die Abfindungsbeschränkung faktisch einem Ausschluss des Kündigungsrechts gleichkommen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschafter im konkreten Fall aufgrund der ihm ungünstigen Regelung tatsächlich von einer Kündigung abgehalten wird, sondern lediglich darauf, ob die Abfindungsklausel typischerweise geeignet ist, einen austrittswilligen Gesellschafter in seiner Entscheidung negativ zu beeinflussen.3
8.283
Einen weiteren Kontrollmaßstab schafft § 138 BGB. Hiernach ist eine Abfindungsregelung sittenwidrig, nach der die Abfindung in einem Maß beschränkt wird, welches außer Verhältnis steht zu der Beschränkung, die erforderlich wäre, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern.4
8.284
Nach § 138 BGB kann eine Abfindungsklausel weiterhin nichtig sein, wenn sie zu einer einseitigen Gläubigerbenachteiligung führt, etwa für den Fall der Zwangsvollstreckung in den Anteil, und im Fall der Insolvenz des Mitgesellschafters eine geringere Abfindung vorsieht als für den Fall der Ausschließung eines Gesell1 Ulmer/Schäfer, ZGR 1995, 134 (153); Mecklenbrauck, BB 2000, 2001 (2005). 2 Müller, ZIP 1995, 1561 (1567). 3 BGH v. 17.4.1989 – II ZR 258/88, GmbHR 1989, 289; BGH v. 13.6.1994 – II ZR 38/93, GmbHR 1994, 871; Kazele, Inf 2001, 689 (690). 4 BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (376) = GmbHR 1992, 257; BGH v. 9.1. 1989 – II ZR 83/88, GmbHR 1989, 508; kritisch hierzu Siegle, ZGR 1999, 659 (663 ff.).
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§8
Abfindung
schafters aus wichtigem Grund.1 Die Gläubigerbenachteiligung kann dazu führen, dass nicht nur die Abfindungsbeschränkung unwirksam ist, sondern darüber hinaus auch alle Beeinträchtigungen, denen der Schuldner ohne die Insolvenz oder Pfändung nicht unterworfen wäre.2 Nach § 138 BGB nichtig kann schließlich auch eine Abfindungsklausel sein, die gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Das ist etwa der Fall, wenn verschiedenen Gesellschaftern ohne sachlichen Grund unterschiedliche Abfindungen zugewiesen werden. Eine derartige Ungleichbehandlung kann auch aus einer Vereinbarung folgen, die für bestimmte Fälle des Ausscheidens eine verminderte Abfindung vorsieht und wenn diese einzelnen Fälle nur bei einzelnen Gesellschaftern auftreten können.3 Als sachlich gerechtfertigt wird hingegen eine Differenzierung angesehen, welche die Höhe der Abfindung an der Dauer der Mitgliedschaft orientiert.4 Auch kann eine höhere Abfindung dadurch gerechtfertigt sein, dass ein Gesellschafter die Gesellschaft durch seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten wirtschaftlich getragen hat.5 Hingegen kann die Art des Anteilserwerbs, also der Erwerb durch Schenkung oder im Erbwege, eine Abfindungsbeschränkung nicht rechtfertigen.6 Ungeachtet dessen kann sich der Schenker im Schenkungsvertrag Rückforderungsrechte ohne Entschädigung des Beschenkten vorbehalten. Insoweit sollte strikt zwischen Schenkungs- und Gesellschaftsrecht getrennt werden.7
8.285
Einen besonders strengen Maßstab legt die Rechtsprechung bei der Abfindung von Gesellschaftern an, die ohne wichtigen Grund hinausgekündigt worden sind. War eine solche Hinauskündigung ausnahmsweise sachlich gerechtfertigt und damit zulässig oder hat der Gesellschafter eine unzulässige Hinauskündigung akzeptiert und steht lediglich die Höhe der Abfindung in Streit, so verlangt § 138 BGB, dass die Abfindungsregelung im Kern der gesetzlichen Regelung entspricht und im Wesentlichen zur Abgeltung des vollen Werts des Gesellschaftsanteils führt.8
8.286
b) Anfängliche Fehlerhaftigkeit Bei der Prüfung, ob die Abfindungsregelung wegen Verstoßes gegen § 723 Abs. 3 BGB oder § 138 BGB nichtig ist, ist von den Verhältnissen auszugehen, die im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindungsklausel gegeben sind, bei späteren Klausel1 BGH v. 12.6.1975 – II ZR 12/73, NJW 1975, 1835; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, NZG 2000, 1027 (1028) = GmbHR 2000, 822; OLG Frankfurt v. 9.9.1977 – 20 B 702/76, BB 1978, 170; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c); Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 60; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 126. 2 OLG Hamm v. 11.2.1999 – 27 U 187/98, NZG 1999, 599; Kazele, INF 2001, 689 (691). 3 Kazele, INF 2001, 689 (690); Engel, NJW 1986, 345 (348). 4 Kazele, INF 2001, 689 (690); Hülsmann, GmbHR 2001, 409 (412). 5 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 52/77, NJW 1979, 104. 6 BGH v. 9.1.1989 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685 (2686). 7 Zutreffend K. Schmidt, BB 1990, 1992 (1996); a.A. Mayer, ZGR 1995, 93; zum freien Rückkaufsrecht Bütter/Tonner, NZG 2003, 193 (196). 8 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 52/77, NJW 1979, 104; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 128; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c) bb); Roth in Baumbach/ Hopt, § 131 HGB Rz. 65.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
änderungen ist deren Zeitpunkt maßgeblich.1 Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 138 BGB oder § 723 Abs. 3 BGB bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindungsklausel ist deren Nichtigkeit. An die Stelle der gesellschaftsvertraglichen Regelungen tritt dann § 738 Abs. 1 BGB. Der ausscheidende Gesellschafter kann somit eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seiner Beteiligung verlangen.2 8.288
In der GmbH kann es allerdings in analoger Anwendung des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG, der nicht nur auf satzungsändernde Beschlüsse, sondern auch auf die Ursprungssatzung angewendet wird, zu einer Heilung der Nichtigkeit kommen. Die nichtige Abfindungsklausel ist hiernach als wirksam zu behandeln, wenn seit Eintragung der GmbH oder des die Abfindungsklausel aufnehmenden oder ändernden Beschlusses in das Handelsregister drei Jahre verstrichen sind.3 Jedoch wird die Heilungswirkung dahingehend eingeschränkt, dass sie nur im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zum Ausschluss der Nichtigkeitsklage führt. Demgegenüber sollen sich Gläubiger der Gesellschaft auch noch nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist auf die Nichtigkeit der Abfindungsklausel wegen Gläubigerbenachteiligung berufen können.4 Doch erscheint auch in den übrigen Fällen die Heilungsmöglichkeit in analoger Anwendung des § 242 AktG gerade bei personalistisch strukturierten GmbH unangemessen, wird hierdurch doch eine sittenwidrige Klausel auf Dauer festgeschrieben. Ob insoweit in der GmbH, anders als etwa in einer Publikums-AG, das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Bestandsschutz derart höher ist als im Personengesellschaftsrecht, erscheint fraglich.5
8.289
Gestaltungshinweis: Wem die Nichtigkeitsfolge zu weit geht, der kann in den Gesellschaftsvertrag für den Fall der Nichtigkeit eine Anpassung vorschreiben, um so zur Liquiditätsschonung der Gesellschaft eine Abfindung zum vollen Verkehrswert entsprechend der gesetzlichen Regelung zu vermeiden. Dabei empfiehlt es sich, zur Erleichterung der Anpassung die Gründe für die gewollte Abfindungsbeschränkung ausdrücklich mitzuteilen.
1 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 129, 133. 2 Jäger in Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 31 Rz. 30 f.; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 132 f.; BGH v. 29.5.1978 – II ZR 52/77, NJW 1979, 104 und die GmbH betreffend BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, NJW 1992, 892 (896) = GmbHR 1992, 257; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, GmbHR 2000, 822 = NZG 2000, 1027; a.A., nämlich Anpassung der Abfindung durch ergänzende Vertragsauslegung Engel, NJW 1986, 345 (349); Kazele, INF 2001, 689 (691); Bacher/Spieth, GmbHR 2003, 973 (betreffend anfänglich fehlerhafte Abfindungsklauseln in GmbH-Satzungen: Nichtigkeit nur von Klauseln, die Gläubiger einseitig benachteiligen und die Abfindung für den Fall des Austritts aus wichtigem Grund und für den Fall der Hinauskündigung beschränken, im Übrigen lediglich Anfechtbarkeit). 3 Fastrich in Baumbach/Hueck, § 34 GmbHG Rz. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 34 GmbHG Rz. 108; Kazele, INF 2001, 689 (691). 4 Altmeppen in Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 34 GmbHG Rz. 60; Fastrich in Baumbach/ Hueck, § 34 GmbHG Rz. 32; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 34 GmbHG Rz. 96; Sosnitza in Michalski, § 34 GmbHG Rz. 82; Ulmer in Hachenburg, 8. Aufl. 1992, § 34 GmbHG Rz. 103; a.A. Kazele, INF 2001, 689 (691), jetzt auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, § 34 GmbHG Rz. 108. 5 Geißler, NZG 2006, 527 schlägt mit guten Gründen eine Anpassung der geheilten Abfindungsklausel gem. § 242 BGB vor, wie sie auch beim Hineinwachsen in ein grobes Missverhältnis vorgenommen wird.
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Abfindung
c) Spätere Fehlerhaftigkeit Neben den vorstehend behandelten Fällen der anfänglichen Fehlerhaftigkeit von Abfindungsklauseln ist in der Praxis von besonderer Bedeutung der Fall, dass eine im Zeitpunkt der Vereinbarung der Klausel durchaus angemessene Abfindungsregelung im Laufe der Zeit aufgrund der Geschäftsentwicklung des Unternehmens oder Veränderungen seiner abfindungsrelevanten Daten für den ausscheidenden Gesellschafter unzumutbar geworden ist. Gemeint sind insbesondere die Fälle, in denen zwar nicht im Zeitpunkt der Vereinbarung der Klausel, wohl aber im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters ein grobes Missverhältnis zwischen Klauselwert und Verkehrswert der Beteiligung festzustellen ist. Dass ein derart grobes Missverhältnis im Laufe mehrerer Jahre oder sogar Jahrzehnte entsteht, kommt relativ häufig vor. Die Gefahr der Entstehung einer unzumutbaren Wertrelation besteht vor allem bei Buchwert- und Substanzwertklauseln: Bei einer Immobilien GmbH & Co. KG sinkt der im Gründungs- oder Einlagezeitpunkt hohe Buchwert aufgrund langjähriger Abschreibungen auf fast null, während die Immobilien ihren Wert gehalten haben oder sogar im Wert gestiegen sind. Oder: Eine mit dem Substanzwert im Zeitpunkt der Gründung angemessen bewertete Dienstleistungs-GmbH & Co. KG hat sich mit geringem Betriebsvermögen auf dem Markt einen Namen geschaffen und erzielt nachhaltig hohe Erträge.
8.290
Die Rechtsprechung hat in derart unzumutbar gewordenen Abfindungsklauseln in entsprechender Anwendung des § 723 Abs. 3 BGB eine unzulässige Einschränkung des Kündigungsrechts gesehen. Jedoch sollte dieser Verstoß gegen § 723 Abs. 3 BGB nicht zur Nichtigkeit und damit Abfindung zum vollen Verkehrswert führen, sondern lediglich zu einer Anpassung der Abfindung an die geänderten Verhältnisse unter Berücksichtigung der von den Beteiligten mit der Abfindungsregelung verfolgten Zwecke.1 Seit seiner Entscheidung vom 24.5.19932 begründet der BGH die in diesen Fällen vorzunehmende Vertragsanpassung jedoch nicht mehr mit § 723 Abs. 3 BGB, sondern der sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergebenden gesellschaftlichen Treuepflicht. Grund hierfür ist, wie der BGH in seiner kurze Zeit später ergangenen Entscheidung vom 20.9.19933 erläutert, dass eine ursprünglich wirksame, also zunächst weder nach § 138 BGB zu beanstandende noch das Kündigungsrecht der Gesellschafter entgegen § 723 Abs. 3 BGB faktisch beeinträchtigende Abfindungsklausel nicht dadurch nichtig werden könne, dass sich Abfindungsanspruch und tatsächlicher Anteilswert im Laufe der Jahre immer weiter voneinander entfernen. Zwar könne der Gesellschafter durch die infolge der tatsächlichen Entwicklung für ihn ungünstig gewordene Abfindungsregelung davon abgehalten werden, sein Kündigungsrecht auszuüben, jedoch stelle dies nur einen Aspekt dar, unter dem das Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung für ihn unzumutbar sein könne. Letztlich aber gehe es „um eine die beiderseitigen Interessen im Hinblick auf die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigende Ermittlung dessen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Entwick-
8.291
1 BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 (371) = GmbHR 1992, 257; BGH v. 24.9. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192 (193) = GmbHR 1985, 113. 2 BGH v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, NJW 1993, 2101 (2102) = GmbHR 1993, 505. 3 BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, NJW 1993, 3193.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
lung vorhergesehen hätten“, notfalls sei der Vertragsinhalt unter Berücksichtigung dieser Entwicklung zu ergänzen.1 8.292
Um Abfindungsklauseln vor solchen nachträglichen Korrekturen zu schützen, wird zum Teil empfohlen, im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich klarzustellen, dass es bei der Abfindungsregelung auch dann bleiben soll, wenn der Klauselwert aufgrund künftiger Entwicklung in erheblichem Maße hinter dem Verkehrswert der Beteiligung zurückbleibt.2 Da der tatsächliche Wille Grenze ergänzender Vertragsauslegung ist, hofft man so, die Klausel anpassungsresistent zu machen. Es ist jedoch bereits fraglich, ob die Rechtsprechung sich durch einen derartigen Klauselzusatz von einer Korrektur abhalten lässt, die Bezugnahme auf Treu und Glauben und den „redlichen Vertragspartner“ lässt dies nicht erwarten.3 Hinzu kommt aber, dass der Klauselzusatz die Gefahr einer anfänglichen Fehlerhaftigkeit und damit Unwirksamkeit der Klausel begründet, schließt sie doch bereits in ihrer ursprünglichen Regelung die Möglichkeit der Abfindung zu einem Wert, der im groben Missverhältnis zum (freilich späteren) tatsächlichen Verkehrswert steht, mit ein.
8.293
Gestaltungshinweis: Stattdessen empfiehlt es sich deshalb, in den Gesellschaftsvertrag für den Fall, dass später einmal eine Anpassung notwendig sein sollte, Kriterien festzulegen, nach denen die Anpassung zu erfolgen hat und dabei den übereinstimmenden Willen der Gesellschafter, die Liquidität der Gesellschaft zu schonen und den Ausscheidenden eine möglichst niedrige Abfindung zu gewähren, zu betonen.
4. Klauseltypen 8.294
Die Kautelarpraxis hat die unterschiedlichsten Abfindungsregelungen hervorgebracht.4 Sie reichen vom gänzlichen Abfindungsausschluss bis zur Abfindung zum Verkehrswert. Zuweilen kann eine Abfindungsregelung sogar zu einem über dem Verkehrswert liegenden Klauselwert führen.5
8.295
Ein Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig.6 Er wird lediglich für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Tod als zulässig angesehen.7 1 BGH v. 20.9.1991 – II ZR 104/92, NJW 1993, 3193; zu dieser Rechtsprechungsänderung Dauner-Lieb, ZHR 158 (1994), 271; Rasner, ZHR 158 (1994), 292; Ulmer/Schäfer, ZGR 1995, 134; Kort, DStR 1995, 961 (966); Mecklenbrauck, BB 2000, 2001 (2004). 2 Rasner, ZHR 158 (1994), 292 (300 ff.); Müller, ZIP 1995, 1561 (1569). 3 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 135. 4 Vgl. die Übersichten bei Piltz, BB 1994, 1021 und Rasner, ZHR 158 (1994), 292 (294 f.). 5 Vgl. OLG Bamberg v. 15.4.1998 – 3 U 74/95, NZG 1998, 897. 6 BGH v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, GmbHR 2014, 811 m. Komm. Wachter = NZG 2014, 820 zur Sittenwidrigkeit des Abfindungsausschlusses bei Ausschließung eines Gesellschafters wegen grober Verletzung der Interessen der Gesellschaft und wegen Verstoßes gegen seine Gesellschafterpflichten. 7 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, NJW 1957, 180; BGH v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, jüngst wieder bestätigt durch BGH v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, GmbHR 2014, 811 m. Komm. Wachter = NZG 2014, 820. Weitere Fälle, in denen ein Abfindungsausschluss als zulässig angesehen wird, sind auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- und Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz (BGH v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, NZG 2005, 971 und II ZR 173/04, GmbHR 2005, 1558 = NZG 2005, 968) und wenn die Gesellschaft einen rein ideellen Zweck verfolgt (BGH v. 2.6.1997 – II ZR 81/96, GmbHR 1997, 939 = NZG 1998, 25).
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Hannes
§8
Abfindung
Buchwertklauseln sind zwar grundsätzlich zulässig, bergen aber dennoch ein erhöhtes Unwirksamkeits- oder zumindest Anpassungsrisiko. Dem bei Buchwertklauseln unbestreitbaren Vorteil der Vereinfachung der Abfindungsberechnung steht daher der Nachteil eines ganz erheblichen Streitpotentials gegenüber. Die Buchwertklausel ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Darüber hinaus muss man sich im Klaren sein, dass die Buchwertklausel i.d.R. mit dem tatsächlichen Wert des Unternehmens nichts zu tun hat. Buchwertklauseln bemessen die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters nach der Höhe seines Kapitalkontos in der Handels- oder, je nach Vereinbarung, Steuerbilanz. Stille Reserven, insbesondere ein originärer Firmenwert, bleiben somit unberücksichtigt. Dagegen fließen der anteilige Gewinn des laufenden Geschäftsjahres, sämtliche in der Bilanz ausgewiesenen Posten mit Rücklagencharakter und Guthaben auf Privatkonten des ausgeschiedenen Gesellschafters genauso mit ein wie der Anteil des Ausscheidenden an Verlustvortragskonten. Aufwandsrückstellungen sind wie offene Rücklagen zu behandeln. Sonderabschreibungen sind aufzulösen.1 Hingegen soll eine § 6b-Rücklage Berücksichtigung finden.2 Maßgeblicher Stichtag ist zwar grundsätzlich der Tag des Ausscheidens, jedoch wird in Buchwertklauseln regelmäßig der letzte, dem Ausscheiden vorangehende, zuweilen auch der erste, dem Ausscheiden nachfolgende Bilanzstichtag für maßgeblich erklärt. Die Aufstellung einer Abschichtungsbilanz wird damit entbehrlich. In der Rückbeziehung auf das letzte abgeschlossene Wirtschaftsjahr kann zudem ein Ausschluss der Beteiligung an schwebenden Geschäften gesehen werden.3
8.296
Angesichts der mit Buchwertklauseln verbundenen Rechtsunsicherheit wird, um die Abfindungsberechnung einfach zu halten, häufig auch in Abfindungsklauseln an Steuerwerte angeknüpft, die regelmäßig einen höheren Wert als den Buchwert ausweisen.
8.297
In vielen, insbesondere alten Gesellschaftsverträgen, findet sich ein Verweis auf das Stuttgarter Verfahren. Das Stuttgarter Verfahren stammt aus der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 12 Abs. 2 BewG i.V.m. R 96 ff. ErbStR 2003) und wurde mit der Reform der Erbschaftsteuer zum 1.1.2009 abgeschafft. Denkbar ist zudem, den Wert der Abfindung an das Stuttgarter Verfahren in seiner Fassung zum 31.12.2008 zu koppeln. Der Verweis auf das Stuttgarter Verfahren dient bei Kapitalgesellschaften sicherlich der Vereinfachung. Hingegen erfordert die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens zur Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften einige Anpassungen (z.B. Berücksichtigung eines kalkulatorischen Unternehmerlohns und sonstiger Vergütungen im Rahmen von Austauschgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, Berücksichtigung einer ehemals 25%igen, seit 2009 15%igen Definitivsteuer), die keineswegs eindeutig und deshalb möglichst in der Abfindungsklausel vorzuschreiben sind. Darüber hinaus muss man sich bewusst sein, dass auch das Stuttgarter Verfahren zu „falschen“ Unternehmenswerten führt. Zwar enthält es als Mischverfahren auch eine Ertragskomponente, jedoch sind zur Wertermittlung, wenn sie einfach bleiben
8.298
1 Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783 (1787 f.); Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 116; a.A. Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 71. 2 OLG München v. 13.11.1996 – 7 U 3344/96, GmbHR 1997, 167. 3 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 104.
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Gesellschafterwechsel und Nachfolge
soll, ausschließlich die Erträge der Vergangenheit maßgeblich. Hat die Gesellschaft aber in den letzten drei Jahren vor dem Ausscheiden in die Entwicklung von Produkten investiert, die erst in den nächsten, zukünftigen Jahren auf den Markt gebracht werden, so bleibt dies bei der Abfindungsberechnung zu Lasten des Ausscheidenden unberücksichtigt. Hat hingegen die Gesellschaft in den vergangenen Jahren hohe Erträge erzielt, es aber in dieser Zeit versäumt, neue Produkte zu entwickeln (Investitionsstau), so steht zu befürchten, dass die Gesellschaft mit einer Abfindung belastet wird, die sie aus den Zukunftserträgen nicht wird erbringen können. 8.299
Ein grundsätzliches Problem des Verweises auf Steuerwerte ist aber in der Kurzlebigkeit des Steuerrechts zu sehen. Ihr kann bei Formulierung der Abfindungsklausel nur bedingt Rechnung getragen werden. Stellt man auf die jeweils gültigen steuerlichen Bewertungsregeln ab, so können Änderungen des Bewertungsverfahrens durch den Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung dazu führen, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens ein ganz anderes Berechnungsverfahren zur Anwendung kommt, als es den Vorstellungen der Gesellschafter bei Vereinbarung der Abfindungsklausel entsprach.1 Erklärt man hingegen das Bewertungsverfahren in der Fassung zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindungsklausel für maßgeblich, so können Steuerrechtsänderungen dazu führen, dass die Anwendung der alten Fassung zu Werten führt, die ebenfalls nicht den Vorstellungen der Gesellschaft entsprochen haben (Beispiel: Ablösung des Anrechnungsverfahrens durch Einführung des Halbeinkünfteverfahrens mit 25%iger, mittlerweile 15%iger Definitivsteuer). Sofern man sich in der Zukunft auf das Stuttgarter Verfahren als Maßstab für die Abfindungsregelung einigen will, sollte zumindest die Fassung des Stuttgarter Verfahrens zum 31.12.2008 zugrunde gelegt werden.
8.300
An die Stelle des seinerzeit in den Erbschaftsteuerrichtlinien niedergelegten Stuttgarter Verfahrens ist mit Wirkung zum 1.1.2009 das in den §§ 199 ff. BewG normierte Vereinfachte Ertragswertverfahren getreten. Es findet nicht nur auf die Bewertung von Anteilen an (nicht notierten) Kapitalgesellschaften sondern auch auf die Bewertung von Beteiligungen an Unternehmen in anderen Rechtsformen Anwendung; allerdings nur, wenn nach der Bewertungshierarchie des § 11 Abs. 2 BewG eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten zu erfolgen hat und seine Vereinfachungen nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen (s. Rz. 8.132). Kurz zusammengefasst bestimmt sich der Wert nach dem Vereinfachten Ertragswertverfahren durch Multiplikation des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags mit einem Kapitalisierungsfaktor. Der Jahresertrag bestimmt sich – wiederum vergangenheitsorientiert – grundsätzlich nach dem Durchschnitt der Betriebsergebnisse (= Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) der letzten vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahres, gemindert um 30 % zur pauschalen Abgeltung des Ertragsteueraufwands. Der Kapitalisierungsfaktor bestimmt sich als reziproker Wert des Kapitalisierungszinssatzes, der sich wiederum aus einem jährlichen neu festgelegten Basiszins und einem pauschalen Risikozuschlag von 4,5 % zusammensetzt. Die Vereinfachung liegt also vor allem in der Verwendung von Steuerdaten, dem Verzicht auf eine Zukunftsprognose und den gesetzlich 1 Zu den sich durch Änderungen oder die Abschaffung des Stuttgarter Verfahrens ergebenden Auslegungsfragen Casper/Altgen, DStR 2008, 2319 (2322 f.).
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§8
Abfindung
angeordneten Pauschalierungen. Zur Vermeidung aufwendiger und teurer Sachverständigengutachten wird daher bereits in neuen Gesellschaftsverträgen auf das Vereinfachte Ertragswertverfahren verwiesen; da es tendenziell zu deutlich höheren Werten führt als das Stuttgarter Verfahren allerdings häufig verbunden mit einem Abschlag für Abfindungszwecke. Die auf den Substanz- oder Liquidationswert verweisenden Einzelbewertungsverfahren sind, abgesehen von der Bewertung reiner Dienstleistungsgesellschaften, relativ gestaltungssicher.1 Bei Gesellschaften mit zahlreichen und unterschiedlichen Vermögensgegenständen ist eine Einzelbewertung allerdings aufwändig, und die Bestimmung der Wiederbeschaffungs- oder Zerschlagungswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter birgt ein nicht unerhebliches Konfliktpotential.
8.301
Am sichersten erscheint es, zur Bestimmung der Abfindung auf das Ertragswertverfahren zu verweisen und den hiernach festgestellten Wert zur Liquiditätsschonung der Gesellschaft um Abschläge zu mindern. Dabei können für das Ausscheiden durch Ausschluss aus wichtigem Grund einschließlich Insolvenz und Zwangsvollstreckung in den Anteil durchaus höhere Abschläge vereinbart werden als etwa für Fälle des Ausscheidens durch ordentliche Kündigung. Es empfehlen sich hierzu Abschläge von 20 % bis 40 %; höhere Abschläge sind zwar nicht ausgeschlossen, jedoch sollte auch für den Fall der Ausschließung aus wichtigem Grund die in der Literatur immer wieder genannte 50 %-Grenze nicht überschritten werden.
8.302
Die Wertermittlung sollte wegen der Unsicherheit bei der Bestimmung des nachhaltigen Zukunftserfolgs und des Kapitalisierungszinsfußes und dem damit verbundenen Konfliktpotential einem Sachverständigen zur verbindlichen Entscheidung übertragen werden. Zuweilen wird auch empfohlen, zur Vereinfachung und Klarstellung das Verfahren der Ertragswertermittlung vorzuschreiben.2 Dies sollte jedoch nicht so weit gehen, dass der Kapitalisierungszins bereits in der Abfindungsklausel vorgegeben wird. Berücksichtigt man, dass allein der Basiszins innerhalb der letzten 15–20 Jahre sich mehr als halbiert hat, so kann eine Festlegung des Kapitalisierungszinsfußes auf hohem oder niedrigem Niveau in Zusammenhang mit einem Abschlag auf den hiernach ermittelten Ertragswert von bspw. 40 % oder sogar 50 % durchaus zu einem groben Missverhältnis führen. Nicht minder problematisch ist es, statt der Zukunftserträge die Vergangenheitsergebnisse für maßgeblich zu erklären.3
8.303
Neben der Berechnungsart enthalten Abfindungsklauseln regelmäßig auch besondere Auszahlungsmodalitäten. Hierzu gehört zur Liquiditätsschonung der Gesellschaft das Recht zu ratierlicher Leistung der Abfindung sowie zur Befriedigung des Abfindungsberechtigten mit Sachwerten.
8.304
1 Piltz, BB 1994, 1021 (1026) empfiehlt deshalb das Substanzwertverfahren in Fällen, in denen die Vereinbarung des Buchwerts unwirksam oder zumindest unsicher ist, und verweist darauf, dass bisher aus der Rechtsprechung keine Fälle bekannt sind, in denen eine Substanzwertklausel als unangemessen verworfen wurde. 2 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 140. 3 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 140; die von Lorz in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Nachbesserungsklausel ist zwar grundsätzlich sinnvoll, aber, sofern sie einfach gefasst bleiben soll, sehr umgehungsanfällig.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.305
Hinsichtlich der Auszahlungsstreckung zieht die Rechtsprechung allerdings Grenzen. Eine Verteilung der Abfindungszahlung über einen Zeitraum von 15 Jahren ist nach Auffassung des BGH selbst bei angemessener Verzinsung unzulässig.1 Dass in dieser Entscheidung eine Auszahlungsstreckung im Umfang von zehn Jahren aufrechterhalten wird, kann nicht allgemein als Billigung einer derartigen Auszahlungsperiode verstanden werden.2 Im Einzelfall wird es neben der Länge der Auszahlungsperiode durchaus auch darauf ankommen, ob der zu stundende Abfindungsanspruch angemessen verzinst wird und ob sich aus den Gesamtumständen einschließlich des Anlasses für das Ausscheiden des Gesellschafters Anhaltspunkte für die Unangemessenheit der Auszahlungsstreckung ergeben. Dabei kann auch von Relevanz sein, ob die Gesellschaft, etwa aufgrund der Aufnahme eines neuen Gesellschafters, ohne weiteres in der Lage ist, die Abfindung auch kurzfristig zu erbringen.3 Als unbedenkliche Orientierungsgröße wird man eine Tilgungsperiode von fünf Jahren ansehen können.
8.306
Die Gestaltung der Abfindung mit Sachwerten hat – neben den damit häufig verbundenen steuerlichen Zusatzbelastungen – vor allem den Nachteil, dass die Vermögensgegenstände, mit denen der Ausscheidende abgefunden werden soll, wiederum für sich bewertet werden müssen, was das Streitpotential nochmals erhöht oder weitere Sachverständigenkosten verursacht.
IV. Steuerliche Auswirkungen 8.307
Ertragsteuerlich stellt das Ausscheiden gegen Abfindung eine Veräußerung dar und wird wie diese behandelt. Entspricht die Abfindung, wie insbesondere bei vereinbarter Buchwertklausel, dem Buchwert, ist das Ausscheiden steuerneutral. Liegt die Abfindung über dem Buchwert, entsteht dem Ausscheidenden in Höhe des übersteigenden Betrages ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn. Für die verbleibenden Gesellschafter stellt die Abfindung Anschaffungskosten dar, so dass die Buchwerte um den sie übersteigenden Teil der Abfindung aufzustocken sind. Liegt die Abfindung unter dem Buchwert,4 ist für die ertragsteuerlichen Auswirkungen danach zu differenzieren, ob dies betriebliche oder private Gründe hat. Von der betrieblichen Veranlassung einer abfindungsbeschränkenden Klausel wird man insbesondere ausgehen können, wenn die Abfindungsbeschränkung in erster Linie der Liquiditätsschonung der Gesellschaft und damit der Sicherung der Unternehmensfortführung dienen sollte. Von einer privaten Veranlassung wird man hingegen ausgehen müssen, wenn es sich bei den verbleibenden Gesellschaftern, denen der Anteil gegen geringe Abfindung oder bei Ausscheiden durch Tod sogar abfindungsfrei anwächst, um nahe Angehörige des Ausscheidenden handelt und die unentgeltliche oder teilentgeltliche Anwachsung lediglich anstelle einer ansonsten 1 2 3 4
BGH v. 9.1.1980 – II ZR 83/88, NJW 1989, 2685 (2686). Ulmer in FS Quack, 1991, S. 501. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2c), e), i). Auch wenn Abfindungsklauseln, die zu einer Abfindung unter Buchwert führen, häufig nichtig oder zumindest anzupassen sind, sind derartige Fälle keineswegs selten. So kommt es vor, dass sich der Ausscheidende gegen eine möglicherweise sittenwidrige „Unter-Buchwert-Klausel“ nicht wehrt. Auch kann die Abfindung unter dem Buchwert wirksam sein, weil der Verkehrswert unwesentlich über dem Buchwert liegt.
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§8
Abfindung
vorgesehenen Maßnahme vorweggenommener Erbfolge oder Übertragung von Todes wegen tritt.1 Wurde der Ausgeschiedene aus betrieblichen Gründen unter Buchwert abgefunden, so kann er steuerlich einen Veräußerungsverlust geltend machen. Ein solcher Verlust kann weiterhin auch dann entstehen, wenn der Ausgeschiedene zwar zum Buchwert abgefunden wurde, ihm darüber hinaus aber noch Abwicklungskosten (= Veräußerungskosten) entstanden sind. Die Erwerber haben die Buchwerte der ihnen anteilig angewachsenen Wirtschaftsgüter, soweit möglich, anteilig abzustocken. Ein hiernach verbleibender Rest ist in der Steuerbilanz der Gesellschaft erfolgsneutral als Ausgleichsposten zu passivieren, der in der Folgezeit gewinnerhöhend gegen spätere Verlustanteile oder bei Beendigung der Beteiligung aufzulösen ist.2 Erfolgte die Abfindung unter Buchwert aus privaten Gründen, handelt es sich um einen unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Vorgang mit der Folge, dass dem Ausscheidenden weder ein Veräußerungsgewinn noch ein Veräußerungsverlust entsteht und die Erwerber die Buchwerte gem. § 6 Abs. 3 EStG fortzuführen haben. Erfolgt die Abfindung mit Sachwerten aus dem Gesellschaftsvermögen, so steht dies der Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern durch die Gesellschaft im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs gleich. Der Gesellschaft entsteht ein laufender Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des als abfindungsübertragenen Wirtschaftsguts und dessen Buchwert. Haben sich der ausscheidende Gesellschafter und die verbleibenden Gesellschafter erst nachträglich auf eine Sachwertabfindung geeinigt, so gilt als Veräußerungspreis der Nennwert des ursprünglich auf Geld gerichteten Abfindungsanspruchs und nicht der gemeine Wert des an Erfüllungs statt hingegebenen Wirtschaftsguts.3 Für die Bestimmung des der Gesellschaft durch die Sachwertabfindung entstehenden laufenden Gewinns ist allerdings zu beachten, dass die Sachwertabfindung durch die Gesellschaft (= Veräußerung des Einzelwirtschaftsguts) als dem Ausscheiden des abfindungsberechtigten Gesellschafters (= Veräußerung des Mitunternehmeranteils) nachgelagert angesehen wird. Der Ausscheidende veräußert also zunächst seinen Mitunternehmeranteil, was bei den verbleibenden Gesellschaftern zu einer anteiligen Aufstockung der Buchwerte der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft führt (freilich nur, soweit der Nennwert der Abfindung oder bei vertraglich vereinbarter Sachwertabfindung der gemeine Wert des Wirtschaftsguts den Buchwert übersteigt). Zu den insoweit aufgestockten Wirtschaftsgütern gehören auch diejenigen Wirtschaftsgüter, mit welchen der Ausscheidende sodann in einem zweiten Schritt von der Gesellschaft abgefunden wird. Der der Gesellschaft durch die nachgelagerte Sachwertabfindung entstehende Gewinn ergibt sich somit aus der Differenz des gemeinen Werts des dem Ausscheidenden übertragenen Wirtschaftsguts und dem im ersten Schritt aufgestockten Buchwert dieses Wirtschaftsguts.4 1 Vgl. BFH v. 20.8.1970 – IV R 236/67, BStBl. II 1971, 83. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 511; BFH v. 26.6.2002 – IV R 3/01, BStBl. II 2003, 112; BFH v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745 = GmbHR 1994, 818; BFH v. 24.10.1996 – IV R 90/94, BStBl. 1997, 241 = GmbHR 1997, 459. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 521. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 521; vgl. auch BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06; IV B 2 - S 2242 - 2/04, BStBl. I 2006, 253 Tz. 51 zum Ausscheiden eines Miterben aus der Erbengemeinschaft gegen Sachwertabfindung. A.A. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG C 112–114.
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§8
Gesellschafterwechsel und Nachfolge
8.309
Wird zur Erfüllung der Sachwertabfindung ein Wirtschaftsgut des Gesellschaftsvermögens in ein Betriebsvermögen des ausscheidenden Gesellschafters übertragen, so soll dies hingegen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwingend zu Buchwerten erfolgen.1 Hierzu sollte allerdings vertraglich sichergestellt werden, dass der ausgeschiedene Gesellschafter das ihm zur Abfindung übertragene Wirtschaftsgut nicht innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG veräußert oder entnimmt.
8.310
Die Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern kann auch schenkungsteuerliche Auswirkungen haben. Das Erbschaftsteuergesetz hält hierzu zwei Tatbestände bereit. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG regelt die Besteuerung des Anwachsungserwerbs bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod. In § 7 Abs. 7 ErbStG geht es um den Übergang des Anteils eines Gesellschafters bei seinem lebzeitigen Ausscheiden, also z.B. durch Kündigung oder Ausschluss.2 Schenkungoder erbschaftsteuerpflichtig wird der Anwachsungserwerb immer dann, wenn der Steuerwert des den verbleibenden Gesellschaftern angewachsenen Anteils über der hierfür dem Ausscheidenden geleisteten Abfindung liegt. Bemessungsgrundlage der Steuer ist die Differenz zwischen dem Steuerwert des Anteils und der (niedrigeren) Abfindung. Entsprechendes gilt für das Ausscheiden aus der Komplementär-GmbH, auch soweit der Anteil durch Einziehung untergeht (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG). Durch das Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer erlangen die genannten Vorschriften eine erhebliche Bedeutung. Denn in Zukunft ist der Steuerwert von Gesellschaften weitgehend identisch mit deren Verkehrswert. Dieser wird in den allermeisten Fällen über dem Wert der Abfindung liegen, so dass durch die Reform der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und § 7 Abs. 7 ErbStG erheblich erweitert wurde.3
8.311
Sofern ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 7 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb vorliegt, stellt sich die Frage, ob die Betriebsvermögensprivilegien der §§ 13a und 19a ErbStG in Anspruch genommen werden können. Dies setzt zunächst voraus, dass die in Rz. 8.135 ff. dargestellten Voraussetzungen des Verschonungswegs 1 oder des Verschonungswegs 2 erfüllt werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so ist eine Inanspruchnahme der Betriebsvermögensprivilegien möglich. Dies war jedenfalls unter Geltung des „alten“ Erbschaftsteuerrechts auch von Seiten der Finanzverwaltung anerkannt4 und muss dem Grunde nach auch für das seit dem 1.1.2009 geltende Erbschaftsteuerrecht gelten. Zu beachten ist jedoch, dass die Finanzverwaltung – zu Unrecht – von der Anwendung der Betriebsvermögensprivilegien eine Ausnahme in dem Fall machte, dass die Geschäftsanteile an einer GmbH eingezogen wurden.5 1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 524. 2 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch die Bewertungsregel des § 7 Abs. 5 ErbStG erwähnt. Hiernach ist eine Buchwertklausel bei der Bewertung eines geschenkt erhaltenen Anteils nicht wertmindernd zu berücksichtigen. Die eigentliche Bedeutung der Vorschrift liegt in der Zukunft, wenn nämlich der Beschenkte einmal gegen Buchwertabfindung ausscheidet. § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG ordnet nämlich an, dass die bei der seinerzeitigen Schenkung erlangte Bereicherung auflösend bedingt erworben wurde, soweit sie den Buchwert übersteigt. Mit Bedingungseintritt ist der ursprüngliche Schenkungssteuerbescheid entsprechend zu korrigieren, was aber nur auf (befristeten) Antrag erfolgt. 3 S. hierzu Götzenberger, BB 2009, 131; Groß, ErbStB 2009, 154; Milatz/Kamper, GmbHR 2009, 470. 4 S. R 7, R 55 ErbStR 2003 sowie H 22 ErbStH 2003. 5 R 7 Abs. 3 Satz 9 ErbStR 2003.
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§9 Auflösung und Liquidation A. Gesellschaftsrecht Auf dem Weg zu ihrem endgültigen Erlöschen durchläuft die GmbH & Co. KG verschiedene Stadien. Ausgangspunkt ist die Auflösung. Sie tritt mit der Verwirklichung des gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglich festgelegten Auflösungstatbestandes ein. I.d.R. bedeutet die Auflösung noch nicht das Ende der GmbH & Co. KG, sondern nur, dass die Gesellschaft ihre werbende, unternehmerische Tätigkeit einstellt und zur Abwicklungsgesellschaft wird.1 An die Auflösung schließt sich der Prozess der Abwicklung (Liquidation) an, d.h. die schwebenden Geschäfte müssen beendet, die Schulden müssen bezahlt und das Vermögen der Gesellschaft muss verwertet werden. Sollte nach Durchführung der Liquidation ein Vermögensüberschuss verbleiben, ist dieser an die Gesellschafter auszukehren. Erst wenn sämtliche Liquidationsgeschäfte abgeschlossen sind und ein etwa verbliebenes Vermögen unter den Gesellschaftern verteilt wurde, ist die Gesellschaft beendet (sog. Vollbeendigung).2 Mit der Vollbeendigung erlischt die GmbH & Co. KG und ihre Firma wird aus dem Handelsregister gelöscht.
9.1
Eine besondere Art der Beendigung ist das zwangsweise herbeigeführte Ende der GmbH & Co. KG infolge einer Insolvenz. Ist die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig, so verlangt die Rechtsordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Mit der Eröffnung des Verfahrens ist die Gesellschaft kraft Gesetzes aufgelöst. Es schließt sich eine besonderen Regeln unterworfene Abwicklung (das Insolvenzverfahren) an, an deren Ende ebenfalls die Vollbeendigung der Gesellschaft steht (ausführlich zur Insolvenz der GmbH & Co. KG nachfolgend § 10).
9.2
Sowohl bei der „normalen“ Liquidation als auch beim Insolvenzverfahren ist streng zu trennen zwischen der GmbH & Co. KG einerseits und ihrer Komplementär-GmbH andererseits. Für beide Gesellschaften gelten unterschiedliche Regeln; jede Gesellschaft durchläuft ein eigenständiges Verfahren. Die Auflösung und Liquidation einer Personenhandelsgesellschaft richtet sich nach §§ 131 ff. HGB. Wie für jede KG gelten diese Vorschriften auch für die GmbH & Co. KG.3 Davon zu unterscheiden sind Auflösung und Liquidation der Komplementär-GmbH, die in §§ 60 ff. GmbHG geregelt sind. Eine Verknüpfung dergestalt, dass die Auflösung der einen Gesellschaft zwingend auch die Auflösung der anderen nach sich zieht, sieht das Gesetz nicht vor. Auch im Übrigen sind die gesetzlichen Regelungen für die KG und die GmbH nicht aufeinander abgestimmt. Es empfiehlt sich daher, bei einer GmbH & Co. KG die Auflösung und Liquidation beider Gesellschaften durch entsprechende Regelungen in Gesellschaftsvertrag und Satzung zu koordinieren.
9.3
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 2. 2 Zur Terminologie vgl. auch Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 10 ff.; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 1. 3 Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 278.
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§9
Auflösung und Liquidation
I. Auflösung 9.4
Als Auflösung wird die Verwirklichung eines gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglich festgelegten Tatbestandes bezeichnet, dessen Rechtsfolge die Abwicklung der Gesellschaft ist. Durch die Auflösung ändert die GmbH & Co. KG ihren Gesellschaftszweck. Aus der werbenden Gesellschaft wird eine Liquidationsgesellschaft, deren Zweck allein auf die Abwicklung und Auseinandersetzung der Gesellschaft gerichtet ist.
1. Gesetzliche Auflösungsgründe 9.5
Die einzelnen Tatbestände, die von Gesetzes wegen zur Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft führen, sind in § 131 Abs. 1 und Abs. 2 HGB aufgeführt. Über § 161 Abs. 2 HGB gelten sie auch für die GmbH & Co. KG. Als lex specialis geht § 131 HGB den Bestimmungen des BGB zur Auflösung einer GbR (§§ 726 ff. BGB) vor; diese finden auf die Personenhandelsgesellschaft daher keine Anwendung.1 Die in § 131 Abs. 1 und Abs. 2 HGB genannten Auflösungsgründe sind nicht abdingbar. Das Handelsrechtsreformgesetz2 hat die Systematik des § 131 HGB grundlegend geändert. Während bis dahin wesentliche Veränderungen in der Person eines Gesellschafters stets die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hatten, gilt seither das Primat der Unternehmenserhaltung. Grundsätzlich soll die Gesellschaft unter Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters fortgesetzt werden.3 Nur noch die in § 131 Abs. 1 und Abs. 2 HGB genannten Tatbestände führen zur Auflösung der Gesellschaft. Im Übrigen sind die ehemaligen Auflösungsgründe (Tod eines Gesellschafters, Insolvenz über sein Vermögen, Kündigung durch den Gesellschafter oder einen seiner Privatgläubiger) zu Ausscheidensgründen geworden (vgl. § 131 Abs. 3 HGB). Greifen mehrere Auflösungsgründe ein, so stehen diese unabhängig nebeneinander.4 a) Zeitablauf
9.6
Eine Gesellschaft, welche nur für eine bestimmte Zeit eingegangen wurde, ist gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB mit Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen wurde, aufgelöst. Die Zeitdauer muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar oder an ein bestimmtes Ereignis geknüpft sein. Mit Zeitablauf ist die Gesellschaft automatisch aufgelöst. Setzen die Gesellschafter nach Zeitablauf die Gesellschaft stillschweigend fort, so gilt sie gem. § 134 HGB als auf unbestimmte Zeit eingegangen.
1 2 3 4
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 52 II.1. b). HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. Begründung zum Entwurf des HRefG, BT-Drucks. 13/8444 v. 29.8.1997, S. 41 u. 65. Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 5 f.; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 10.
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§9
Auflösung
b) Auflösungsbeschluss Gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB wird die Gesellschaft durch einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter aufgelöst. Es liegt in der Privatautonomie der Gesellschafter, jederzeit die Auflösung ihrer Gesellschaft auf einen beliebigen (zukünftigen) Zeitpunkt beschließen zu können. Da es sich bei der Auflösung um eine Vertragsänderung (Zweckänderung) handelt, bedarf dieser Beschluss grundsätzlich der Einstimmigkeit (§ 119 Abs. 1 HGB).1 Das bedeutet, dass auch alle Kommanditisten zustimmen müssen. Wollen die Gesellschafter davon abweichen, so können sie im Gesellschaftsvertrag eine andere Mehrheit vorsehen.2 Aus der gesellschafterlichen Treuepflicht kann sich im Einzelfall die Verpflichtung ergeben, einer notwendigen Auflösung zuzustimmen.3 Von der Zustimmung Dritter darf der Auflösungsbeschluss nicht abhängig gemacht werden.
9.7
Gestaltungshinweis: Belässt man es bei der GmbH & Co. KG für den Auflösungsbeschluss bei dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip, führt dies zu Friktionen mit der Rechtslage bei der Komplementär-GmbH, denn § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG lässt für den Auflösungsbeschluss bei der GmbH eine Mehrheit von drei Vierteln genügen. Um den gewollten Gleichklang bei beiden Gesellschaften zu verwirklichen, sind für die Auflösungsbeschlüsse vertraglich die gleichen Mehrheiten festzulegen.4 In den KG-Vertrag sollte daher eine Regelung aufgenommen werden, die den Beschluss über die Auflösung der GmbH & Co. KG an die gleiche Mehrheit knüpft, wie sie für den Beschluss über die Auflösung der Komplementär-GmbH erforderlich ist. Natürlich kann auch umgekehrt verfahren werden. Wenn es im Interesse der Gesellschafter liegt, die Gesellschaften nur bei Zustimmung aller Gesellschafter aufzulösen, dann müsste eine Regelung in den GmbH-Vertrag aufgenommen werden, wonach abweichend von § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG für die Auflösung der GmbH ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss erforderlich ist.
9.8
Der Auflösungsbeschluss kann bei der KG formlos und auch konkludent gefasst werden.5 Melden alle Gesellschafter zusammen die Auflösung der GmbH & Co. KG zur Eintragung in das Handelsregister an, ohne dass eine ausdrückliche Beschlussfassung vorangegangen ist und auch keine anderen Auflösungsgründe vorliegen, so ist darin zugleich ein konkludenter Auflösungsbeschluss zu sehen.6 Ein Auflösungsbeschluss kann ggf. in einem Gesellschafterbeschluss über die vollständige Einstellung der Tätigkeit oder die Veräußerung des Unternehmens gesehen werden.7 Allerdings müssen dann Anhaltspunkte vorliegen, aus denen folgt, dass die Gesellschafter die KG nicht fortsetzen wollen. Grundsätzlich stellen die Veräußerung, die Verpachtung oder die Einstellung des Geschäftsbetriebs keinen Auflösungstatbestand dar. Dem Auflösungsbeschluss müssen die Tatsache der Auf-
9.9
1 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 14. 2 OLG Hamm v. 26.10.1988 – 8 U 21/88, GmbHR 1989, 295. 3 BGH v. 17.12.1959 – II ZR 81/59, NJW 1960, 434; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 15. 4 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 1980, 261 (262 f.). 5 Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 131 HGB Rz. 25; Koller in Koller/Kindler/ Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 3. 6 OLG Köln v. 28.8.1978 – 2 Wx 137/72, DNotZ 1979, 54. 7 OLG Hamm v. 26.10.1988 – 8 U 21/88, GmbHR 1989, 295.
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§9
Auflösung und Liquidation
lösung und der Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft zur Abwicklungsgesellschaft wird, zu entnehmen sein.1 Er kann aufschiebend von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht werden.2 9.10
Ob die Mitwirkung eines minderjährigen Gesellschafters an einem Auflösungsbeschluss der Genehmigung durch das Familiengericht bedarf, ist umstritten.3 Ist der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen ebenfalls Gesellschafter oder Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, so ist jedenfalls ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Lebt ein Gesellschafter im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und stellt die KG-Beteiligung (nahezu) sein ganzes Vermögen dar, so benötigt er gem. § 1365 Abs. 1 BGB für den Auflösungsbeschluss die Einwilligung seines Ehegatten.4 c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens
9.11
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen führt gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB zur Auflösung der GmbH & Co. KG. Der bloße Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO), die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21, 22 InsO) stellen hingegen keine Auflösungsgründe dar.5 Wird auf die sofortige Beschwerde der Gesellschaft (§ 34 Abs. 2; § 6 InsO) der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehoben, so lässt dies i.S. einer auflösenden Bedingung die Auflösung der Gesellschaft entfallen.6 Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 26 InsO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt, so richtet sich die Auflösung nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB (dazu sogleich unter Rz. 9.20). Die bloße Vermögenslosigkeit der Gesellschaft führt nicht zu ihrer Auflösung.7
9.12
Die Auswirkungen der Insolvenz gehen über die Rechtsfolge der „normalen“ Auflösung weit hinaus. Eine Vielzahl von Spezialproblemen, angefangen bei der Feststellung der Insolvenzgründe über die Pflicht zur Beantragung des Insolvenzverfahrens bis hin zu den gesetzlichen Sanktionen, gilt es zu beachten (vgl. zur Insolvenz im Einzelnen § 10).
9.13
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters führt anders als bei der GbR (s. § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht zur Auflösung der GmbH & Co. KG, sondern nach § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters.
1 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 36. 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 18. 3 Nach der streng am Wortlaut des § 1822 Nr. 3 BGB orientierten Ansicht des BGH v. 20.9. 1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26, und BGH v. 22.9.1969 – II ZR 144/68, BGHZ 52, 316, ist eine Genehmigung nicht erforderlich. Im Schrifttum hingegen wird z.T. eine Genehmigung für erforderlich gehalten, so bspw. von K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 18. 4 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 40. 5 Koller in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 4. 6 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 13. 7 BGH v. 25.11.1981 – VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 326.
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§9
Auflösung
d) Gerichtliche Entscheidung Eine Personenhandelsgesellschaft kann gem. § 131 Abs. 1 Nr. 4 HGB durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst werden. Der Auflösungsgrund des § 131 Abs. 1 Nr. 4 HGB betrifft den in § 133 HGB geregelten Fall der Auflösungsklage. Danach kann ein Gericht auf Antrag eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft aussprechen. Voraussetzung dafür ist, dass ein wichtiger Grund vorliegt.
9.14
Ob ein wichtiger Grund zur Auflösung der Gesellschaft gegeben ist, hängt von der Abwägung der Umstände des Einzelfalls ab. Der Gesellschaftszweck muss nachhaltig beeinträchtigt und eine Fortsetzung der Gesellschaft für die Gesellschafter unzumutbar sein.1 Ein wichtiger Grund kann z.B. vorliegen bei einem irreparablen Zerwürfnis der Gesellschafter untereinander2 oder wenn ein Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende Pflicht verletzt. Zwar werden in § 133 Abs. 2 HGB nur die vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung erwähnt, es können aber ggf. auch leicht fahrlässige oder schuldlose Verstöße einen Auflösungsgrund darstellen.3 Als Pflichtverletzungen kommen u.a. Verweigerung des geschuldeten Arbeitseinsatzes, geschäftsschädigende Handlungen oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung in Betracht.4 Der wichtige Grund muss nicht in der Person eines Gesellschafters liegen. Als wichtiger Grund anerkannt wurde bspw. auch die dauerhafte Unrentabilität des Unternehmens.5 Wird ein minderjähriger Gesellschafter volljährig, so ist dies gem. § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 723 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB für diesen aus Gründen der Minderjährigenhaftungsbegrenzung ebenfalls ein wichtiger, die Auflösungsklage rechtfertigender Grund.6 Ein wichtiger Grund i.S. des § 133 HGB ist bei der GmbH & Co. KG zudem die Auflösung der Komplementär-GmbH (s. dazu Rz. 9.27 ff.). Zweckerreichung oder das Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks führen im Gegensatz zur GbR (s. § 726 BGB) nicht zur automatischen Auflösung der Personenhandelsgesellschaft.7 Vielmehr können die Gesellschafter durch Satzungsänderung einen neuen Zweck vereinbaren. Geschieht dies nicht, so kann jeder Gesellschafter Auflösungsklage nach § 133 HGB erheben.
9.15
Das Recht zur Auflösungsklage kann im Gesellschaftsvertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden (§ 133 Abs. 3 HGB). Das bedeutet auch, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes gesellschaftsvertraglich zwar abgemildert, nicht aber verschärft werden dürfen.8 Der Gesellschaftsvertrag kann insbesondere vorsehen, dass bestimmte Umstände stets einen wichtigen Grund darstellen und dass die Auflösung nicht nur durch Klage, sondern auch durch Kündigung herbeigeführt werden kann. Ist nicht explizit geregelt, dass
9.16
1 BGH v. 8.7.1976 – II ZR 34/75, WM 1976, 1030; BGH v. 15.9.1997 – II ZR 97/96, NJW 1998, 146; Roth in Baumbach/Hopt, § 133 HGB Rz. 5 m.w.N. 2 BGH v. 30.11.1951 – II ZR 109/51, BGHZ 4, 108 (113) = GmbHR 1952, 58. Teilw. wird zusätzlich gefordert, dass sich das Zerwürfnis negativ auf die innerbetrieblichen Belange auswirken muss, s. BGH v. 15.9.1997 – II ZR 97/96, ZIP 1997, 1919. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 133 HGB Rz. 8. 4 Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 133 HGB Rz. 23 m.w.N. 5 BGH v. 17.12.1959 – II ZR 81/59, NJW 1960, 434. 6 Behnke, NJW 1998, 3082. 7 BGH v. 12.5.1977 – II ZR 89/75, BGHZ 69, 162; Hopt in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 10. 8 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 67 f.
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§9
Auflösung und Liquidation
eine Kündigung die Auflösung zur Folge hat, so führt die Kündigung gem. § 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB nur zum Ausscheiden des Kündigenden. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Gesellschafter oder gar die Mehrheit der Gesellschafter ihre Mitgliedschaft kündigen.1 9.17
Die Erhebung der Auflösungsklage ist nicht an bestimmte Fristen gebunden.2 Allerdings kann ein Gesellschafter sein Klagerecht verwirken, wenn er nach Eintritt des wichtigen Grundes mit der Klageerhebung zu lange zögert und den Eindruck vermittelt, der wichtige Grund sei doch nicht so schwerwiegend oder er halte trotz des wichtigen Grundes an der werbenden Gesellschaft fest.3
9.18
Klageberechtigt ist jeder Gesellschafter einzeln einschließlich der KomplementärGmbH.4 Die Klage ist gegen alle anderen Gesellschafter und nicht gegen die Gesellschaft zu richten. Haben sich Gesellschafter bereits außergerichtlich verbindlich mit der Auflösung einverstanden erklärt, so müssen sie nicht mitverklagt werden.5 Allerdings sollten von ihnen entsprechende Unterwerfungserklärungen eingeholt werden.6 Da die Entscheidung über die Auflösung nur einheitlich für und gegen alle Gesellschafter ergehen kann, sind die verklagten Gesellschafter in dem Verfahren notwendige Streitgenossen (§ 62 ZPO).7 Die Auflösungsklage kann auch als Widerklage erhoben werden, bspw. wenn gegen den Gesellschafter gerichtlich der Ausschluss- oder die Einziehung betrieben wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des wichtigen Grundes ist der Schluss der mündlichen Verhandlung.8 Die Auflösung der Gesellschaft tritt mit Rechtskraft des Urteils ein.9 Statt des ordentlichen Rechtswegs kann der Gesellschaftsvertrag für die Entscheidung über die Auflösungsklage die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vorsehen.
9.19
Die Auflösung der Gesellschaft kann nur die ultima ratio sein.10 Die Auflösungsklage hat daher keinen Erfolg, wenn den Belangen des Auflösungsklägers in einer für ihn zumutbaren Weise durch eine für die anderen Gesellschafter weniger einschneidenden Maßnahme Rechnung getragen werden kann.11 Das Gericht kann daher – wenn die Fortsetzung nur für einen Gesellschafter unzumutbar ist oder 1 BGH v. 7.4.2008 – II ZR 3/06, ZIP 2008, 1075; BGH v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, NZG 2008, 623. 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 39. Eine Ausnahme bildet die auf § 723 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gestützte Klage des volljährig gewordenen Gesellschafters. Diese ist innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt zu erheben, zu dem der volljährig Gewordene Kenntnis von seiner Gesellschafterstellung erlangt hat. 3 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 49 und 69; K. Schmidt in MünchKomm. HGB 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 41. 4 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 45. 5 BGH v. 15.9.1997 – II ZR 97/96, NJW 1998, 146. 6 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 43. 7 BGH v. 15.9.1997 – II ZR 97/96, NJW 1998, 146. 8 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 46. 9 BGH v. 17.12.1959 – II ZR 32/59, BGHZ 31, 295; Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 71. 10 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 40; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 133 HGB Rz. 13; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 133 HGB Rz. 13. 11 OLG Naumburg v. 5.4.2012 – 2 U 106/11, GmbHR 2012, 804 = ZIP 2012, 2348; BGH v. 15.4.1985 – II ZR 274/83, GmbHR 1985, 297 = NJW 1985, 1901.
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Auflösung
der wichtige Grund nur in der Person eines Gesellschafters begründet liegt – auf Antrag der übrigen Gesellschafter statt der Auflösung die Ausschließung dieses einen Gesellschafters aussprechen (§ 140 HGB) bzw. bei einer zweigliedrigen Gesellschaft ein Übernahmerecht eines Gesellschafters vorsehen.1 Bisweilen wird auch schon die Entziehung der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis gem. §§ 117, 127 HGB oder eine Änderung des Gesellschaftsvertrages das gegenüber der Auflösung mildere Mittel sein. e) Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse Gem. §§ 131 Abs. 2 Nr. 1, 161 Abs. 2 HGB ist eine GmbH & Co. KG mit der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, mit dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt worden ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Ablehnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse führt jedoch nur dann zur Auflösung der Gesellschaft, wenn – wie im Regelfall – neben der Komplementär-GmbH weder eine natürliche Person noch eine OHG oder eine KG mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter an der GmbH & Co. KG beteiligt ist (vgl. § 131 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 HGB).
9.20
f) Löschung wegen Vermögenslosigkeit Die bloße Vermögenslosigkeit einer Gesellschaft, also allein das Fehlen eines verwertbaren Aktivvermögens, bewirkt für sich weder deren Beendigung noch ihre Auflösung. Allerdings kann eine vermögenslose Gesellschaft gem. § 394 Abs. 4 FamFG von Amts wegen im Handelsregister gelöscht werden. Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit führt gem. §§ 131 Abs. 2 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB zur Auflösung der GmbH & Co. KG. Voraussetzung für die Löschung ist allerdings, dass sowohl bei der KG als auch bei der Komplementär-GmbH der Tatbestand der Vermögenslosigkeit gegeben ist (§ 394 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Erforderlich ist ferner, dass an der GmbH & Co. KG – wie üblich – weder unmittelbar noch mittelbar eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist (vgl. § 131 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 HGB, § 394 Abs. 2 Satz 3 FamFG).
9.21
Die Löschung erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag der Steuerbehörde. Alle Übrigen, insbesondere Geschäftsführer, Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft, können die Löschung nach § 394 FamFG nur anregen.2
9.22
Ist die Gesellschaft tatsächlich vermögenslos, so ist sie mit ihrer Löschung gleichzeitig aufgelöst und vollbeendet. Eine Liquidation findet dann mangels einer verteilungsfähigen Masse nicht statt.3 Sollte sich nach der Löschung herausstellen, dass die Gesellschaft doch noch über verteilungsfähiges Vermögen verfügt, so ist die Gesellschaft noch nicht beendet und muss noch liquidiert werden (§ 145 Abs. 3 HGB). Die bereits erfolgte Löschung im Handelsregister steht der dann noch durchzuführenden Liquidation nicht entgegen.
9.23
1 BGH v. 14.5.1952 – II ZR 40/51, BGHZ 6, 113. 2 OLG München v. 12.5.2011 – 31 Wx 205/11, GmbHR 2011, 657 = NZG 2011, 709. 3 Koller in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 6.
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§9
Auflösung und Liquidation
2. Weitere Auflösungsgründe 9.24
§ 131 Abs. 1 und Abs. 2 HGB enthalten eine nicht abdingbare, aber ergänzbare Aufzählung der Gründe für die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft.1 Als weitere Auflösungstatbestände kommen in Betracht: a) Gesellschaftsvertragliche Auflösungsgründe
9.25
Es steht den Gesellschaftern frei, im Gesellschaftsvertrag der KG weitere Auflösungsgründe vorzusehen.2 Insbesondere die in § 131 Abs. 3 Nr. 1–4 und 6 HGB genannten Gründe können gesellschaftsvertraglich zu Auflösungstatbeständen gemacht werden und führen dann statt zum Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft. b) Zweckerreichung und Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks
9.26
Abweichend vom Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt das Erreichen oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks nicht zur automatischen Auflösung der KG.3 Es obliegt vielmehr den Gesellschaftern zu entscheiden, ob sie in einer solchen Situation die Gesellschaft auflösen oder eine Änderung des Gesellschaftszwecks vornehmen wollen. Zweckerreichung und Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks stellen allerdings wichtige Gründe i.S.v. § 133 HGB dar, die jeden einzelnen Gesellschafter zur Auflösungsklage berechtigen. c) Auflösung der Komplementär-GmbH
9.27
Unproblematisch, da gesetzlich geregelt, ist der Fall, dass über das Vermögen der Komplementär-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die GmbH ist damit gem. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG aufgelöst und scheidet gem. §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB aus der GmbH & Co. KG aus.4 Wird kein neuer Komplementär bestellt, so hat dies die Auflösung der KG zur Folge.5
9.28
Fraglich ist hingegen, welche Auswirkungen die Auflösung der GmbH aus einem anderen Grund als der Insolvenz auf die KG hat. Wichtigster Anwendungsfall ist hier die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH mangels Masse und die damit verbundene Auflösung der GmbH nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG. In der Literatur wird für den Fall der aufgelösten Komplementär-GmbH für eine rechtsfortbildende Erweiterung der gesetzlichen Auflösungsgründe plädiert, weil der Liquidator der GmbH nicht einer1 Koller in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 1a. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 74; Koller in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 131 HGB Rz. 6. 3 Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 26. 4 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952. Zur Frage, ob dies auch bei der gleichzeitigen Insolvenz von Komplementär-GmbH und GmbH & Co. KG der Fall ist, s. Rz. 10.2 ff. 5 Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 279. Zu den Rechtsfolgen, die sich aus dem Ausscheiden der Komplementär-GmbH ergeben, sogleich unter Rz. 9.29 f.
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Auflösung
seits die GmbH abwickeln, andererseits aber für die KG werbend tätig sein könne.1 Die Auflösung der Komplementär-GmbH sei daher ein zusätzlicher in § 131 HGB nicht genannter Auflösungsgrund für die GmbH & Co. KG.2 Ein Bedürfnis für eine derartige Rechtsfortbildung ist u.E. zu verneinen. Da die Auflösung der Komplementär-GmbH in jedem Fall einen wichtigen Grund für die Auflösung der GmbH & Co. KG i.S. des § 133 HGB darstellt, kann sowohl der Liquidator der Komplementär-GmbH als auch jeder Kommanditist Auflösungsklage erheben, wenn er der Auffassung ist, die aufgelöste Komplementär-GmbH könne ihren Gesellschafterpflichten nicht mehr nachkommen. Jeder Kommanditist kann darüber hinaus auf Ausschließung der aufgelösten Komplementär-GmbH aus der KG nach § 140 HGB klagen und schließlich können die Gesellschafter der GmbH & Co. KG die Auflösung der Komplementärin zum Anlass nehmen, um gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB auch die Auflösung der KG zu beschließen. Das Gesetz stellt damit ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um auf die Auflösung der KomplementärGmbH zu reagieren. Die automatische Auflösung der KG wegen der Auflösung ihrer Komplementär-GmbH ist daher nicht notwendig. Dies gilt umso mehr, seit der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 131 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz3 die gesetzlichen Auflösungsgründe reduziert hat und seither auch der mit der Auflösung der Komplementär-GmbH vergleichbare Fall des Todes eines persönlich haftenden Gesellschafters nicht mehr automatisch die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat. Die GmbH führt somit auch als Liquidationsgesellschaft die Geschäfte der GmbH & Co. KG und vertritt diese im Rechtsverkehr. Es ist Sache der KG-Gesellschafter zu entscheiden, ob und inwiefern die Auflösung der Komplementär-GmbH auch Folgen für die GmbH & Co. KG haben soll. Im Übrigen ist eine Vollbeendigung der Komplementär-GmbH so lange nicht möglich, wie sie persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG ist.4 d) Ausscheiden der Komplementär-GmbH Ist die GmbH, wie im Regelfall, der einzige persönlich haftende Gesellschafter der GmbH & Co. KG und scheidet sie – aus welchem Grund auch immer – aus der Gesellschaft aus, so wird diese dadurch nicht automatisch zur OHG. Da die Kommanditisten ihre Haftung beschränken und eine Beteiligung als persönlich und unbeschränkt haftender Gesellschafter gerade nicht wollen, eine KG ohne persönlich haftenden Gesellschafter als werbende Gesellschaft aber nicht fortbestehen kann, ist die GmbH & Co. KG mit dem Ausscheiden ihres einzigen persönlich haftenden Gesellschafters aufgelöst.5 Die Gesellschaft besteht als KG i.L. fort. Dass die Ge1 So vor allem K. Schmidt/Bitter in Scholz, § 60 GmbHG Rz. 66 und 115; K. Schmidt, GmbHR 1994, 829 (834); K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (279 f.); K. Schmidt, BB 1980, 1497 (1498 ff.). 2 In diesem Sinne auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, § 60 GmbHG Rz. 122 ff.; Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 283. 3 HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1447. 4 OLG Frankfurt v. 16.6.2005 – 20 W 408/04, GmbHR 2005, 1137; dazu Heckschen/Voigt, EWiR 2005, 881; OLG Düsseldorf v. 17.10.1994 – 3 Wx 354/94, GmbHR 1995, 233. 5 BGH v. 12.11.1952 – II ZR 260/51, BGHZ 8, 37; BayObLG v. 10.3.2000 – 3Z BR 385/99, BB 2000, 1211; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 7 Rz. 6; Krings/Otte, NZG 2012, 761 (762); K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 46.
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9.29
§9
Auflösung und Liquidation
sellschaft keinen persönlich haftenden Gesellschafter mehr hat, ist für ihre Liquidation unerheblich.1 Die verbleibenden Gesellschafter stehen nun vor der Wahl, entweder die Liquidation zu betreiben oder die Gesellschaft als OHG bzw. nach Aufnahme eines neuen Komplementärs als KG fortzusetzen.2 Nur für den Fall, dass sie weder die Liquidation betreiben noch einen neuen Komplementär bestellen und stattdessen die Gesellschaft werbend fortsetzen, wird die Gesellschaft zur OHG.3 9.30
Existiert neben der Komplementär-GmbH nur ein einziger Kommanditist (Zweipersonengesellschaft), hat das Ausscheiden der GmbH die Auflösung und gleichzeitig die liquidationslose Vollbeendigung der GmbH & Co. KG zur Folge. Alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Anwachsung) auf den bisherigen Kommanditisten über; er kann seine Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten allerdings auf das übergegangene Vermögen beschränken.4 e) Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den letzten Gesellschafter
9.31
Eine Personengesellschaft ist ein durch Vertrag begründetes Schuldverhältnis i.S.v. § 705 BGB, das mindestens zwei Personen voraussetzt. Eine „Einmann-Personengesellschaft“ kann es folglich nicht geben.5 Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der Gesellschaft aus oder vereinigen sich durch Anteilsübertragungen alle Anteile an einer Personengesellschaft in einer Hand, so ist die Gesellschaft damit automatisch aufgelöst und zugleich vollbeendet.6 Ein Liquidationsverfahren findet nicht statt. Das Gesellschaftsvermögen und die Verbindlichkeiten der Gesellschaft wachsen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge dem verbleibenden Gesellschafter an, ohne dass es eines besonderen Übertragungsaktes bedarf.7 Der verbleibende Gesellschafter haftet als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich für alle Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG. War er ursprünglich Kommanditist, würde er damit zum Vollhafter. Um dies zu vermeiden, wird ihm in entsprechender Anwendung von § 27 HGB die Möglichkeit gegeben, seine Haftung auf das ihm angewachsene Gesellschaftsvermögen zu beschränken.8 Voraussetzung ist, dass er das Handels1 Krings/Otte, NZG 2012, 761 (763). 2 Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (615, 617), die allerdings davon ausgehen, dass sich die Gesellschaft in eine OHG umwandelt, wenn die Gesellschafter nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 27 HGB mit der Abwicklung beginnen. 3 Krings/Otte, NZG 2012, 761 (763); Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 30. 4 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952; BGH v. 10.12.1990 – II ZR 256/89, NJW 1991, 844 sowie nachfolgend Rz. 9.31. 5 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 78; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 7. 6 BGH v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, 296; OLG Hamm v. 31.10.1983 – 15 W 134/83, ZIP 1984, 180; KG v. 3.5.2005 – 1 W 319/03, GmbHR 2005, 929; Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 7, 19, 35; Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (625). 7 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952; OLG Karlsruhe v. 25.10.2006 – 7 U 11/06, NZG 2007, 265; Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (627). 8 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952; BGH v. 10.12.1990 – II ZR 256/89, NJW 1991, 844; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 7 Rz. 15; Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (636); Krings/Otte, NZG 2012, 761 (765).
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§9
Auflösung
geschäft, das ehemals von der GmbH & Co. KG betrieben wurde, innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von der Anwachsung einstellt.1 Verbleibt nach dem Ausscheiden aller Kommanditisten nur noch die Komplementär-GmbH, so wird diese zur Trägerin des Unternehmens.2 f) Formwechsel oder Verschmelzung der Komplementär-GmbH Die formwechselnde Umwandlung der Komplementär-GmbH führt nicht zur Auflösung der GmbH & Co. KG. Die Komplementärstellung verbleibt vielmehr bei dem formgewechselten Rechtsträger.3
9.32
Ist die Komplementärin im Rahmen einer Verschmelzung der aufnehmende Rechtsträger, so hat dies zunächst einmal keinen Einfluss auf ihre Beteiligung an der GmbH & Co. KG. Denkbar ist aber, dass sich durch die Verschmelzung die Gesellschafterstruktur der GmbH wesentlich verändert. Sollte dies für die Mitgesellschafter in der GmbH & Co. KG unzumutbar sein, so können sie die Ausschließung der GmbH nach § 140 HGB oder die Auflösung der KG nach § 133 HGB betreiben.
9.33
Ist die Komplementär-GmbH übertragender Rechtsträger im Rahmen einer Verschmelzung, so ist umstritten, ob die Komplementärstellung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht oder ob die Verschmelzung in entsprechender Anwendung von § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Gesellschaft führt.4 U.E. besteht für eine analoge Anwendung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB kein Bedarf, denn sollte der neue Komplementär für die Kommanditisten unzumutbar sein, so kommen seine Ausschließung nach § 140 HGB oder eine Auflösungsklage nach § 133 HGB in Betracht.
9.34
3. Rechtsfolgen der Auflösung Mit Verwirklichung des Auflösungstatbestandes ist die Gesellschaft aufgelöst, ohne dass es noch eines gesonderten Umsetzungs- oder Vollzugsaktes bedarf. Die GmbH & Co. KG wird zur Liquidationsgesellschaft und muss dies durch einen entsprechenden Firmenzusatz deutlich machen (bspw. „i.L.“; „in Liquidation“ oder „in Abwicklung“, vgl. § 153 HGB). Die Gesellschaft ist nicht mehr werbend tätig, ihr Zweck ist nunmehr die Abwicklung.
1 Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (621). 2 BGH v. 19.2.1990 – II ZR 42/89, NJW-RR 1990, 798; BayObLG v. 19.6.2001 – 3Z BR 48/01, NZG 2001, 889. 3 RG v. 12.2.1929 – II 295/28, RGZ 123, 289 (294 f.); Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 6 Rz. 29; Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 131 HGB Rz. 84. 4 Für ein Ausscheiden analog § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB: Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 21; Grunewald in Lutter, § 20 UmwG Rz. 19; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 UmwG Rz. 7. Für Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers auch in die Komplementärstellung: Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG/UmwStG, 1996, § 20 UmwG Rz. 15; Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwG Rz. 159.
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9.35
§9 9.36
Auflösung und Liquidation
Zwischen der werbenden und der aufgelösten Gesellschaft besteht rechtliche Identität; werbende Gesellschaft und Abwicklungsgesellschaft sind dasselbe Rechtssubjekt. Die Auflösung der Gesellschaft führt nicht zur automatischen Beendigung aller Rechtsbeziehungen, daher bleibt die Gesellschaft bspw. aus bestehenden Verträgen weiter berechtigt und verpflichtet; eine Ausnahme gilt für den Fall der Insolvenz (dazu ausführlich unter § 10). Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander bestimmen sich weiterhin nach dem Gesellschaftsvertrag. Zu beachten ist dabei allerdings, dass mit der Auflösung eine Durchsetzungssperre greift, die bewirkt, dass Gesellschafter Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis (bspw. Entnahmen oder Abfindungen) nicht mehr einzeln geltend machen können. Diese Ansprüche gehen vielmehr als Rechnungsposten in die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens ein.1 Mit der Auflösung der Gesellschaft geht die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis von der Komplementärin auf die Liquidatoren über (§ 146 HGB).
9.37
Die Auflösung der KG führt nicht automatisch zur Auflösung der KomplementärGmbH.2 Die Auflösung der Komplementär-GmbH folgt vielmehr den allgemeinen Regeln des GmbH-Rechts. Die gesetzlichen Auflösungsgründe sind in § 60 Abs. 1 GmbHG geregelt. Danach bildet die Auflösung der KG keinen gesetzlichen Auflösungsgrund für ihre Komplementär-GmbH. Eine Verknüpfung kann gem. § 60 Abs. 2 GmbHG hergestellt werden, indem in der Satzung der GmbH die Auflösung der KG als Auflösungsgrund für die GmbH normiert wird. Beruht die Auflösung der KG auf einem Beschluss der Gesellschafter, so kann dies im Falle von Beteiligungsidentität bei KG und Komplementär-GmbH auch als Auflösungsbeschluss für die Komplementär-GmbH ausgelegt werden, vorausgesetzt, es liegen alle Beschlussvoraussetzungen und zudem konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gesellschafter neben der KG auch die Komplementär-GmbH auflösen wollen.3 Findet sich unter den GmbH-Gesellschaftern keine qualifizierte Mehrheit für eine Fortführung der GmbH mit geändertem Gegenstand, so haben sie die GmbH aufzulösen. Nach § 61 Abs. 1 und 2 GmbHG können Gesellschafter Auflösungsklage erheben, deren Geschäftsanteile mindestens 10 % des Stammkapitals entsprechen. Da die Zweckerreichung der Komplementär-GmbH erst mit der Beendigung (nicht schon mit der Auflösung) der KG eintritt, wird die Auflösungsklage erst nach dem Erlöschen der KG Erfolg haben.4
4. Anmeldung zum Handelsregister 9.38
Die Auflösung der GmbH & Co. KG ist gem. §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 HGB von sämtlichen Gesellschaftern (auch den Kommanditisten) in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung ist nur deklaratorisch, d.h. die Wirksamkeit der Auflösung hängt nicht von ihrer Eintragung im Handelsregister ab.5 Ist unter den Gesellschaftern streitig, ob die Ge1 2 3 4 5
Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 45 Rz. 7. Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 285. K. Schmidt, GmbHR 1980, 261 (262). Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 46 Rz. 65. BayObLG v. 30.12.1980 – BReg. 1 Z 108/80, DB 1981, 518.
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Lüke
§9
Auflösung
sellschaft aufgelöst ist, so wird diese Frage nicht als Vorfrage der Handelsregistereintragung durch das Registergericht geprüft und entschieden, sondern ist von den Gesellschaftern durch eine Streitentscheidung im Zivilprozess zu klären.1 Zum Handelsregister anzumelden sind zudem die Liquidatoren und ihre Vertretungsmacht (§ 148 HGB). Im Falle einer liquidationslosen Vollbeendigung sind mit der Auflösung zugleich die Vollbeendigung der Gesellschaft und das Erlöschen der Firma zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.2
9.39
Einer Handelsregisteranmeldung bedarf es nicht, wenn Auflösungsgrund die Eröffnung oder die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 1 HGB) ist, da in diesem Fall die Auflösung von Amts wegen eingetragen wird (§ 31 InsO). Im Fall der Löschung der GmbH & Co. KG wegen Vermögenslosigkeit entfällt die Eintragung der Auflösung, da die Gesellschaft mit ihrer Löschung vollbeendet ist.
9.40
Die Eintragung der Auflösung im Handelsregister hat nur deklaratorische Bedeutung. Unterbleibt die Handelsregistereintragung, ändert dies an der Auflösung der Gesellschaft nichts. Allerdings beginnt die Frist für die fünfjährige Nachhaftung der Gesellschafter gem. § 159 Abs. 2 HGB erst mit der Eintragung der Auflösung im Handelsregister.
9.41
5. Fortsetzung der Gesellschaft Ist die GmbH & Co. KG aufgelöst, aber noch nicht vollbeendet, so kann sie grundsätzlich wieder in eine werbende Gesellschaft umgewandelt und damit fortgesetzt werden. Erforderlich ist neben einem ausdrücklichen oder konkludenten Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter, dass der Auflösungsgrund behoben und die Gesellschaft nicht mehr auflösungsreif ist. Wurde die KG aufgelöst, weil die Komplementär-GmbH ausgeschieden ist, kann die KG als solche nur unter Eintritt eines neuen Komplementärs oder als eine unter den verbleibenden Gesellschaftern bestehende OHG fortgesetzt werden. Nach der Vollbeendigung der Gesellschaft ist eine Fortsetzung nicht mehr möglich. Fortsetzungsfähig ist die GmbH & Co. KG auch nur, solange mit der Verteilung ihres Vermögens unter den Gesellschaftern noch nicht begonnen wurde.3 Den Sonderfall der Fortsetzung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelt § 144 HGB.
9.42
Der Fortsetzungsbeschluss kann formlos und auch stillschweigend gefasst werden.4 Nach §§ 119 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB bedarf der Beschluss der Zustimmung aller Gesellschafter. Soll eine qualifizierte Mehrheit ausreichen, muss dies im Gesellschaftsvertrag zugelassen werden. Eine Zustimmungspflicht besteht bei Fortsetzungsbeschlüssen grundsätzlich nicht.5 Die Fortsetzung ist von allen Gesell-
9.43
1 OLG Hamm v. 16.7.2007 – 15 W 56/07, NZG 2007, 905. 2 OLG Düsseldorf v. 2.7.1997 – 3 Wx 94/97, GmbHR 1997, 903; OLG Frankfurt/M. v. 25.8. 2003 – 20 W 354/02, GmbHR 2003, 1358; OLG München v. 16.6.2010 – 31 Wx 94/10, NZG 2010, 1305. 3 K. Schmidt/Bitter in Scholz, § 60 GmbHG Rz. 119. 4 BGH v. 19.6.1995 – II ZR 255/93, NJW 1995, 2843. 5 BGH v. 2.7.2007 – II ZR 181/06, DStR 2007, 2021.
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§9
Auflösung und Liquidation
schaftern in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 9.44
Der Fortsetzungsbeschluss führt nicht zur rückwirkenden Beseitigung der Auflösung, sondern lässt die Abwicklungsgesellschaft mit ex-nunc-Wirkung wieder zur werbenden Gesellschaft werden (erneute Zweckänderung).1 Die aufgelöste und dann fortgesetzte Gesellschaft bleibt stets ein und derselbe Rechtsträger; sie haftet daher für alle Schulden, die vor und nach der Auflösung begründet wurden.2
II. Liquidation 9.45
Mit ihrer Auflösung tritt die GmbH & Co. KG in das Stadium der Liquidation ein. Die werbende Gesellschaft wird zur Abwicklungsgesellschaft. Ihr Gesellschaftszweck ist nicht mehr die unternehmerische Tätigkeit, sondern die Abwicklung, an deren Ende die Verteilung des verbleibenden Vermögens an die Gesellschafter und damit die Vollbeendigung der Gesellschaft steht.
9.46
Ist die GmbH & Co. KG gem. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, so folgt die Liquidation der Gesellschaft den besonderen Regeln der Insolvenzordnung (s. dazu nachfolgend § 10).
9.47
Wie bei der Auflösung sind auch bei der Liquidation die GmbH & Co. KG und ihre Komplementär-GmbH getrennt zu betrachten. Beide Gesellschaften durchlaufen eigenständige Verfahren, für die unterschiedliche Regelungen gelten (vgl. §§ 145–158 HGB für die KG, §§ 66–74 GmbHG für die GmbH). Schon wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung der GmbH für die Verbindlichkeiten der KG sollten beide Verfahren trotz ihrer rechtlichen Eigenständigkeit miteinander verzahnt werden.
1. Liquidation der Kommanditgesellschaft 9.48
Die Liquidationsphase beginnt mit der Verwirklichung des Auflösungstatbestandes. Die spätere Eintragung der Auflösung im Handelsregister ist lediglich deklaratorisch (§ 145 Abs. 1 HGB). a) Liquidatoren
9.49
Mit der Auflösung der Gesellschaft erlischt die auf Gesetz, Gesellschaftsvertrag und ggf. Gesellschafterbeschluss beruhende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementär-GmbH. Diese Aufgaben übernehmen nunmehr die Liquidatoren. Nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 146 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 HGB sind sämtliche Gesellschafter der KG – also die Komplementär-GmbH und die Kommanditisten3 – geborene Liquidatoren. Auch der Gesellschafter, des1 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 30. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 32; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 131 HGB Rz. 37. 3 OLG Hamm v. 5.3.2003 – 8 U 130/02, NZG 2003, 627.
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§9
Liquidation
sen Gesellschaftsanteil von einem Privatgläubiger gekündigt wurde, ist gesetzlicher Liquidator; der Gläubiger hat allein das Widerspruchsrecht gem. § 145 Abs. 2 HGB. Ist ein Gesellschafter insolvent, so nimmt für ihn sein Insolvenzverwalter die Funktion des Liquidators wahr (§ 146 Abs. 3 HGB). An Stelle der Miterben eines Gesellschafters übt eine von diesen bestellte Person als Vertreter die Funktion des Liquidators aus (§ 146 Abs. 1 Satz 2 HGB). Das Amt der geborenen Liquidatoren beginnt unmittelbar mit der Auflösung. Die Liquidation der KG durch alle ihre Gesellschafter wird in vielen Fällen sehr umständlich oder sogar unpraktikabel sein. § 146 Abs. 1 Satz 1 HGB eröffnet daher die Möglichkeit, die Liquidation einzelnen Gesellschaftern oder Dritten zu übertragen. Dies kann entweder bereits im Gesellschaftsvertrag der KG geschehen oder durch Gesellschafterbeschluss. Der Gesellschafterbeschluss ist grundsätzlich einstimmig zu fassen, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag lässt eine Mehrheitsentscheidung zu.1 Je mehr Gesellschafter eine GmbH & Co. KG hat, desto sinnvoller ist es, bereits im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, wer im Falle der Auflösung als Liquidator fungiert. Fehlt eine derartige Bestimmung, so kann man auch bei einer Vielzahl von Gesellschaftern nicht zwingend davon ausgehen, dass § 146 HGB stillschweigend abbedungen und die Komplementär-GmbH zur alleinigen Liquidatorin bestellt ist.2 Soll von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden, müssen sich die Gesellschafter auch bei einer Vielzahl von Gesellschaftern auf einen oder mehrere gekorene Liquidatoren verständigen. Kommt eine solche Verständigung nicht zustande, so liegen i.d.R. die Voraussetzungen für die Ernennung eines Liquidators durch das Gericht (§ 146 Abs. 2 HGB) vor.
9.50
Neben natürlichen Personen kommen als Liquidatoren auch juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften in Betracht.3 Selbst gegen eine GbR als Liquidatorin bestehen seit dem Beschluss des BGH vom 16.7.20014 keine Bedenken mehr. Durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss wird bei der GmbH & Co. KG vielfach die Komplementär-GmbH zum Liquidator bestellt. Ein Gesellschafter ist aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Stellung verpflichtet, das Amt des Liquidators zu übernehmen, selbst wenn er bislang weder zur Geschäftsführung noch zur Vertretung der Gesellschaft berufen war.5 Eine Vergütung erhält er grundsätzlich nicht, denn die Ausübung des Amtes zählt zu seinen Gesellschafterpflichten.6 Etwas anders gilt, wenn durch den Gesellschaftsvertrag oder einen mit dem Liquidator geschlossenen Dienstvertrag ein Vergütungsanspruch begründet wird.7 Werden Dritte zu Liquidatoren bestellt, können sie die Annahme des Amtes auch ablehnen. Nehmen sie das Amt an, so werden sie aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig und haben in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung einen Vergütungsanspruch gem. §§ 675, 612 BGB.
9.51
1 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 146 HGB Rz. 9. 2 Ebenso Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 287f. A.A. K. Schmidt in Scholz, § 66 GmbHG Rz. 59. 3 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 1. 4 BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, DB 2001, 1983. 5 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 146 HGB Rz. 9; Roth in Baumbach/Hopt, § 146 HGB Rz. 2 f. 6 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 146 HGB Rz. 4 und 11. 7 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 33.
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§9
Auflösung und Liquidation
9.52
§ 146 Abs. 2 HGB ermöglicht die Bestellung des Liquidators durch das Gericht. Voraussetzung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund für eine gerichtliche Bestellung des Liquidators ist gegeben, wenn unter Würdigung aller Umstände eine ordnungsgemäße Abwicklung der KG nicht gewährleistet ist und erhebliche Nachteile für die Gesellschaft oder einen Liquidationsbeteiligten drohen.1 Dies kann bspw. der Fall sein, wenn den amtierenden Liquidatoren erhebliche Pflichtverstöße zur Last gelegt werden, begründetes Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit oder Redlichkeit besteht oder aus anderen Gründen von ihnen keine sachgerechte und zügige Abwicklung zu erwarten ist. Der Antrag kann auch mit dem Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Liquidators nach § 147 HGB verbunden werden. Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter, ein Gläubiger eines Gesellschafters im Falle des § 135 HGB, der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters (§ 146 Abs. 3 HGB) sowie der (Mit-)Erbe eines Gesellschafters.2 Im Falle der Nachtragsliquidation nach Löschung der KG wegen vermeintlicher Vermögenslosigkeit (§ 145 Abs. 3 HGB), werden die Liquidatoren stets durch das Gericht bestellt. Aber auch in diesem Fall wird das Gericht nur auf Antrag tätig. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Wird der Liquidator durch das Gericht bestimmt, so kommt mit der Annahme der Bestellung zwischen der Gesellschaft und dem Liquidator ein Dienstverhältnis zustande.3
9.53
Die Liquidatoren sind im Abwicklungsstadium die gesetzlichen Vertreter der KG. Mit der Auflösung ist die Vertretungsmacht der bisherigen geschäftsführenden Gesellschafter beendet. In der Liquidation sind gem. § 149 Satz 2 HGB die Liquidatoren dazu berufen, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Mehrere Liquidatoren üben Geschäftsführung und Vertretung grundsätzlich gemeinschaftlich aus (§ 150 Abs. 1 HGB). Die Liquidatoren können aber einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen (§ 150 Abs. 2 Satz 1 HGB). Ist ein gesamtvertretungsberechtigter Liquidator aus tatsächlichen oder rechtlichen (z.B. § 181 BGB) Gründen an der Geschäftsführung oder Vertretung gehindert, so führt dies nicht zur alleinigen Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis der anderen Liquidatoren. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft muss vielmehr durch Neubestellung eines weiteren Liquidators, durch eine Änderung der Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsbefugnis oder durch die Abberufung des betreffenden Liquidators wieder hergestellt werden.4 Durch Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschluss oder gerichtliche Entscheidung kann einzelnen Liquidatoren die Befugnis zur Einzelgeschäftsführung und -vertretung erteilt werden. Die Liquidatoren können zudem generell oder im Einzelfall von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden. Eine für die werbende Gesellschaft eingeräumte Einzelvertretungsbefugnis wirkt ebenso wenig fort wie die für die werbende Gesellschaft erteilte Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.5 1 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 146 HGB Rz. 33 f. 2 Koller in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 146 HGB Rz. 3. 3 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 40; Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 12. 4 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 151 HGB Rz. 4 und 6. A.A. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 150 HGB Rz. 4. 5 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 255/07, GmbHR 2009, 212 (für die GmbH); dazu Reymann, GmbHR 2009, 176.
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§9
Liquidation
Die Geschäftsführungsbefugnis der Liquidatoren wird durch den in § 149 Satz 1 HGB beschriebenen Liquidationszweck begrenzt. Ihre Vertretungsmacht umfasst nur solche Rechtsgeschäfte, die dem Liquidationszweck objektiv dienlich sein können.1 Es wird dabei allerdings ein weiter Maßstab angelegt.2 Die Gesellschaft ist daher auch an liquidationsfremde Geschäfte gebunden, sofern sie nicht nachweist, dass der Geschäftspartner den liquidationsfremden Zweck kannte oder kennen musste.3
9.54
Die Liquidationsbeteiligten sind gem. § 152 HGB berechtigt, den Liquidatoren Weisungen zu erteilen. Sofern der Gesellschaftsvertrag keine andere Mehrheitsregelung trifft, ist dazu ein einstimmiger Beschluss erforderlich. Die Weisung kann die Vornahme oder Unterlassung bestimmter Handlungen umfassen, insbesondere kann die Vornahme bestimmter Handlungen einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden.
9.55
Die Liquidatoren können rechtsgeschäftliche Vollmachten erteilen. Da die KG auch im Liquidationsstadium Handelsgesellschaft ist, kann auch die aufgelöste Gesellschaft Prokura erteilen.4 Eine bestehende Prokura wird mit der Auflösung nicht unwirksam, sondern wird inhaltlich auf den Liquidationszweck beschränkt.5 Auch rechtsgeschäftliche Vollmachten der werbenden Gesellschaft bleiben bis zu einem Widerruf durch die Liquidatoren bestehen.
9.56
Die Firma der GmbH & Co. KG hat mit Beginn der Liquidationsphase einen auf die Liquidation hinweisenden Zusatz (z.B. „in Liquidation“ oder „i.L.“) zu enthalten (§ 153 HGB). Der Liquidationszusatz ist nicht Firmenbestandteil und wird auch nicht in das Handelsregister eingetragen. Ist neben der GmbH & Co. KG auch die Komplementär-GmbH in Liquidation, so muss für sie § 68 Abs. 2 GmbHG beachtet werden.6 Handelt ein Liquidator für die Gesellschaft ohne den Liquidationszusatz beizufügen, so wird dennoch die Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Der Verstoß gegen § 153 HGB kann jedoch zur Anfechtbarkeit des Geschäfts nach § 119 Abs. 2 BGB sowie zu Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschaft und den Liquidator persönlich führen.
9.57
1 BGH v. 1.12.1983 – III ZR 149/82, NJW 1984, 982; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 45. 2 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 148 HGB Rz. 23. 3 BGH v. 1.12.1983 – III ZR 149/82, NJW 1984, 982; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, § 149 HGB Rz. 7. Nach a.A. ist die Vertretungsmacht der Liquidatoren unbeschränkt. Die Behandlung liquidationsfremder Geschäfte soll sich nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht bestimmen, s. K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 149 HGB Rz. 52; K. Schmidt, AcP 184 (1984), 528 ff. I.d.R. dürfte dies zu identischen Ergebnissen führen. 4 Roth in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 48 HGB Rz. 2a; K. Schmidt, BB 1989, 229; Weber in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 48 HGB Rz. 6; a.A. noch RG v. 21.10.1909 – VI 477/08, RGZ 72, 119. 5 OLG München v. 9.8.2011 – 31 Wx 314/11, NZG 2011, 1183; Weber in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, § 48 HGB Rz. 6; a.A. noch RG v. 21.10.1909 – VI 477/08, RGZ 72, 119. 6 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 153 HGB Rz. 10 ff.; K. Schmidt in Scholz, § 68 GmbHG Rz. 17. A.A. Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 290.
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§9
Auflösung und Liquidation
9.58
Die Liquidatoren und die Art ihrer Vertretungsmacht sind gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 HGB von allen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das Gleiche gilt für jede Veränderung in der Person eines Liquidators oder in der Vertretungsberechtigung. Die Anmeldung bedarf gem. § 12 Abs. 1 HGB der öffentlichen Beglaubigung. Die Anmeldepflicht trifft sämtliche Gesellschafter; die Liquidatoren selbst können die Anmeldung nicht vornehmen.1 Werden die Liquidatoren durch das Gericht bestellt oder abberufen, so erfolgt die Registereintragung von Amts wegen (§ 148 Abs. 2 HGB).
9.59
Die Liquidatoren können durch einen Beschluss der Liquidationsbeteiligten abberufen werden (§ 147 Halbs. 1 HGB). Der Beschluss über die Abberufung ist einstimmig zu fassen, falls der Gesellschaftsvertrag keine anderweitige Regelung enthält. Beim Vorliegen eines wichtigen Grundes ist die Abberufung zudem gem. § 147 Halbs. 2 HGB durch gerichtliche Entscheidung möglich, falls ein Liquidationsbeteiligter dies beantragt. Ein wichtiger Grund für eine gerichtliche Abberufung setzt allerdings voraus, dass eine weitere Tätigkeit des Liquidators die Abwicklung gefährden würde.2
9.60
Während ein Nichtgesellschafter-Liquidator bei der Niederlegung seines Amtes lediglich die Schranken zu beachten hat, die sich aus dem zugrunde liegenden Dienstverhältnis ergeben, kann sich ein Gesellschafter-Liquidator von seinem Amt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes lösen.3 Die Beendigung des Liquidatorenamtes lässt ein etwaiges Dienstverhältnis grundsätzlich unberührt; liegt ein wichtiger Grund vor, so kann der Vertrag außerordentlich gekündigt werden.4 b) Durchführung der Liquidation
9.61
Die Liquidatoren betreiben die Abwicklung der Gesellschaft. Sie haben die laufenden Geschäfte zu beenden, offene Forderungen einzuziehen, das Gesellschaftsvermögen zu verwerten („versilbern“), die Schulden zu begleichen und verbleibendes Vermögen unter den Gesellschaftern zu verteilen (§ 149 Satz 1 HGB). Sie haben dabei stets das Wohl der Gesellschaft und das Interesse der Gesellschafter an einem möglichst hohen Liquidationserlös zu beachten.5
9.62
Die Auflösung der Gesellschaft hat auf den Bestand bestehender Vertrags- und Rechtsverhältnisse keinen Einfluss, denn die Gesellschaft in Liquidation ist mit der Gesellschaft vor der Auflösung rechtlich identisch. Nur in Ausnahmefällen berechtigt die Auflösung die Gesellschaft, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.6 Sollte dies nicht möglich sein, so sind die Verträge ordentlich zu kündigen oder ggf. im Einvernehmen mit dem Vertragspartner aufzuheben.
1 2 3 4
Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 148 HGB Rz. 3. Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 147 HGB Rz. 6. Roth in Baumbach/Hopt, § 147 HGB Rz. 5. Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 47; Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 42. 5 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 5 f. 6 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 48.
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§9
Liquidation
Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen (§ 149 Satz 1 Halbs. 2 HGB).1 Der Begriff des schwebenden Geschäfts ist dabei weit auszulegen, daher kann das Unternehmen auch nach der Auflösung zeitweise fortgeführt werden, wenn dies zu einer sachgerechten Verwertung bspw. durch Veräußerung des Unternehmens im Ganzen sinnvoll erscheint. Auch muss die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, bestehende Verpflichtungen zu erfüllen, was ggf. nur durch eine zeitweise Fortführung des Geschäftsbetriebs oder das Eingehen neuer Geschäfte erreicht werden kann.
9.63
Offene Forderungen der Gesellschaft haben die Liquidatoren einzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Forderung auf Geld, Waren oder auf sonstige Vermögensgegenstände gerichtet ist.2 Die Einziehung kann nur dann unterbleiben, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen keine Aussicht auf Befriedigung besteht. Bei Forderungen der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern ist wie folgt zu differenzieren: Forderungen aus Drittgeschäften, also aus Geschäften, bei denen der Gesellschafter der KG wie ein Dritter gegenübersteht, sind von den Liquidatoren einzuziehen. Forderungen, die ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben (sog. Sozialansprüche), werden grundsätzlich nicht eingezogen, sondern als Rechnungsposten in die Gesamtabrechnung eingestellt.3 Dies gilt bspw. für noch nicht geleistete Einlagen, Schadensersatzansprüche gegen Gesellschafter und Ansprüche auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen. Diese Art von Ansprüchen ist von den Liquidatoren nur insoweit einzuziehen, als dies für Zwecke der Abwicklung, insbesondere zur Tilgung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft erforderlich ist4 oder wenn sie von den Gesellschaftern dazu ermächtigt wurden. Die Beweislast dafür, dass der eingeforderte Betrag nicht benötigt wird, trägt der Gesellschafter.5 Jedoch haben die Liquidatoren die insoweit bedeutsamen Verhältnisse darzulegen, wenn nur sie dazu imstande sind.6 Die Liquidatoren entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und inwiefern sie einzelne Gesellschafter auf Begleichung offener Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis in Anspruch nehmen. Eine gleichmäßige Inanspruchnahme aller Gesellschafter ist dabei nicht erforderlich. Der Ausgleich unter den Gesellschaftern erfolgt im Rahmen der Schlussrechnung.
9.64
Die Liquidatoren haben die Vermögensgegenstände der Gesellschaft zu verwerten, d.h. in Geld umzusetzen. Die Art und Weise der Verwertung bestimmen die Liquidatoren nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei haben sie sich stets um die bestmögliche Verwertung zu bemühen, es sei denn, die Beteiligten haben gem. § 152 HGB eine anders lautende Weisung erteilt. Die Liquidatoren können das Unternehmen als Ganzes oder in Teilen veräußern oder sie zerschlagen das Unternehmen und verwerten jeden Vermögensgegenstand einzeln.7 Die Verwertung ist auch in
9.65
1 Roth in Baumbach/Hopt, § 149 HGB Rz. 6; K. Schmidt in Scholz, § 70 GmbHG Rz. 19. 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 51. 3 BGH v. 24.9.2001 – II ZR 69/00, DStR 2002, 228 (zur GbR); Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 21; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 149 HGB Rz. 2. 4 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 22; Hillmann in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, § 149 HGB Rz. 7. 5 BGH v. 3.7.1978 – II ZR 54/00, GmbHR 1978, 255. 6 BGH v. 5.11.1979 – II ZR 145/78, NJW 1980, 1522. 7 RG v. 30.10.1914 – II B 4/14 und 5/14, RGZ 85, 397; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 35.
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§9
Auflösung und Liquidation
der Weise möglich, dass ein Gesellschafter das Unternehmen oder bestimmte Vermögensgegenstände in Anrechnung auf sein Auseinandersetzungsguthaben übernimmt.1 Da die Liquidatoren zur bestmöglichen Verwertung verpflichtet sind, müssen sie insbesondere bei Veräußerungen an Gesellschafter besondere Vorsicht walten lassen. Sie haben hinreichende Unterlagen zum Wert des betreffenden Vermögensgegenstands zusammenzutragen und müssen in der Lage sein, die Grundlagen ihrer Berechnungen darzulegen.2 Zu beachten ist auch, dass ein Gesellschafter, der sich einen vorhandenen Geschäftswert der GmbH & Co. KG nutzbar macht oder Geschäftschancen der Gesellschaft selbst wahrnimmt, seinen Mitgesellschaftern dafür einen Ausgleich schuldet.3 Dazu bedarf es einer drittüblichen Vereinbarung mit der Gesellschaft. Ohne eine solche darf der Gesellschafter aufgrund der auch in der Liquidation fortgeltenden Treuepflicht Geschäftschancen der KG nicht für sich oder andere, sondern nur für die Gesellschaft nutzen.4 9.66
Die Liquidatoren haben die Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen. Dabei haben sie den Bestand und die Durchsetzbarkeit einer Gläubigerforderung sorgfältig zu prüfen und notfalls gerichtlich klären zu lassen. Reicht das Vermögen der Gesellschaft zur Tilgung aller Verbindlichkeiten nicht aus oder wird die Gesellschaft im Zuge der Liquidation zahlungsunfähig, so sind die Liquidatoren gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.
9.67
Stehen den Gesellschaftern Forderungen aus Drittgeschäften gegen die Gesellschaft zu, so sind sie insoweit wie gewöhnliche Gläubiger zu behandeln.5 Bei Gesellschafterdarlehen, die mit einem Rangrücktritt versehen sind, darf eine Rückzahlung jedoch nur aus einem Liquidationsüberschuss erfolgen.6 Für Ansprüche gegen die Gesellschaft, die aus dem Gesellschaftsverhältnis herrühren (sog. Sozialansprüche), besteht hingegen eine Durchsetzungssperre, d.h. ein Gesellschafter kann sie in der Liquidationsphase nicht mehr isoliert geltend machen.7 Diese Forderungen sind vielmehr als unselbstständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung einzustellen (Grundsatz der Gesamtabrechnung).8 c) Schlussverteilung
9.68
Nachdem die laufenden Geschäfte und alle Vertragsverhältnisse beendet, alle Vermögensgegenstände in Geld umgesetzt und alle Forderungen beglichen sind, haben die Liquidatoren das verbleibende Vermögen (das sog. Reinvermögen) nach Maßgabe der Schlussbilanz unter den Gesellschaftern zu verteilen (§ 155 Abs. 1 HGB). 1 OLG Hamm v. 31.10.1983 – 15 W 134/83, ZIP 1984, 180; Roth in Baumbach/Hopt, § 149 HGB Rz. 4. 2 OLG Hamm v. 27.7.1954 – 15 W 287/54, BB 1954, 913. 3 BGH v. 14.1.1980 – II ZR 218/78, GmbHR 1981, 56. 4 OLG Düsseldorf v. 3.12.1999 – 17 U 173/99, NZG 2000, 475. 5 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 149 HGB Rz. 40. 6 Dazu ausführlich Seppelt, BB 2010, 1395. 7 BGH v. 12.11.2007 – II ZR 183/06, ZIP 2008, 24 (zur GbR); Hillmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, § 149 HGB Rz. 21. 8 BGH v. 3.4.2006 – II ZR 40/05, NZG 2006, 459; BGH v. 18.3.2002 – II ZR 103/01, NZG 2002, 519; BGH v. 15.5.2000 – II ZR 6/99, NJW 2000, 2586; BGH v. 2.10.1997 – II ZR 249/96, ZIP 1997, 2120.
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§9
Liquidation
Zunächst ist der in der Schlussbilanz ausgewiesene Abwicklungsgewinn oder -verlust gem. §§ 121, 120 Abs. 2 HGB bzw. entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelung den Kapitalkonten der Gesellschafter gutzuschreiben bzw. zu belasten.1 Werden für die Gesellschafter mehrere Kapitalkonten2 geführt, so sind diese anschließend zu saldieren. Gesellschafter, bei denen danach ein negatives Kapitalkonto verbleibt, nehmen nicht an der Schlussverteilung teil.
9.69
Gem. § 167 Abs. 3 HGB trifft den Kommanditisten grundsätzlich keine Nachschusspflicht. Auch die §§ 735, 739 BGB finden keine Anwendung. Daraus folgt, dass ein Kommanditist im Zuge der Schlussverteilung nicht ausgleichspflichtig ist; einen etwaigen negativen Kapitalanteil braucht er nicht aufzufüllen. Etwaige Verluste werden vielmehr dem persönlich haftenden Gesellschafter zugerechnet. Der Kommanditist hat bei Auflösung der Gesellschaft maximal eine etwa rückständige Pflichteinlage sowie rückzahlbare (Über-)Entnahmen an die Gesellschaft zu leisten.
9.70
Der Anteil am Liquidationserlös zählt zum Kernbereich der Mitgliedschaft. Eine von § 155 HGB abweichende Verteilung bedarf daher der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters.3 Dies gilt auch, wenn die Verteilung des Vermögens nicht in Geld, sondern in Vermögensgegenständen der Gesellschaft erfolgen soll. Solange Streit unter den Gesellschaftern über die Verteilung des Vermögens besteht, ist die Liquidation noch nicht beendet.4 Gem. § 155 Abs. 3 HGB muss die Verteilung des Vermögens bis zur Beilegung eines solchen Streits ausgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass sich die Gesellschafter nicht über die Feststellung der von den Liquidatoren vorgelegten Schlussbilanz verständigen können.
9.71
Für die GmbH verbietet § 73 Abs. 1 GmbHG jegliche Verteilung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter, bevor nicht alle bekannten Schulden getilgt oder sichergestellt sind und zusätzlich das sog. Sperrjahr abgelaufen ist. Das Recht der Personengesellschaften ist dagegen weniger streng. Schon während der Liquidation darf gem. § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB das entbehrliche Geld vorläufig an die Gesellschafter verteilt werden. Ein Sperrjahr ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Dies hat zu der Frage geführt, ob bei der GmbH & Co. KG durch eine analoge Anwendung des § 73 Abs. 1 GmbHG für eine Vereinheitlichung des Rechts gesorgt werden müsse. Rechtsprechung ist dazu, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. In der Literatur wird für eine analoge Anwendung des § 73 GmbHG auf die GmbH & Co. KG plädiert.5 Hintergrund des Sperrjahres ist der Schutz der Gläubiger, die ihre Forderungen nach der Auskehr des Vermögens und der Vollbeendigung der Gesellschaft nicht mehr realisieren können. Diese Gefahr sieht das HGB für die KG mit Rück-
9.72
1 BGH v. 17.11.1955 – II ZR 42/54, BGHZ 19, 42 (47). 2 Entscheidend ist nicht die im Gesellschaftsvertrag gewählte Bezeichnung für die Konten, sondern die Einordnung als Eigenkapitalkonto. Fremdkapitalkonten (Darlehenskonten) sind hingegen wie Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber Dritten separat abzurechnen. 3 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 155 HGB Rz. 4; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 63. 4 BayObLG v. 18.11.1982 – BReg. 3 Z 32/82, BB 1983, 82. 5 K. Schmidt in Scholz, § 73 GmbHG Rz. 38 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1989, 141 (144); Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 155 HGB Rz. 17; Kindler in Koller/Kindler/ Roth/Morck, § 155 HGB Rz. 2; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 67; Henze/ Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 179a HGB Anh. A Rz. 293 f.
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§9
Auflösung und Liquidation
sicht auf die persönliche Haftung des Komplementärs nicht. Ist aber nicht eine natürliche Person, sondern eine GmbH persönlich haftender Gesellschafter und steht auch deren Beendigung bevor, dann muss auch bei der GmbH & Co. KG für einen entsprechenden Gläubigerschutz gesorgt werden.1 Die Liquidatoren dürfen daher mit der Verteilung des Restvermögens der GmbH & Co. KG (Schlussverteilung) erst beginnen, wenn die Schulden getilgt sind und das Sperrjahr bei der Komplementär-GmbH abgelaufen ist; vor Ablauf des Sperrjahres dürfen keine Vermögenswerte der Gesellschaft an die Gesellschafter verteilt werden. Auch eine Vorabausschüttung gem. §§ 155 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB kommt erst nach Ablauf des Sperrjahres in Betracht. Die Ausschüttungssperre gem. § 73 Abs. 1 GmbHG analog gilt jedoch nur für den Fall, dass sowohl die KG als auch die GmbH aufgelöst sind; ist nur die KG aufgelöst, scheidet eine Analogie aus, und es bleibt bei der Regelung des § 155 Abs. 2 HGB, die Vorabausschüttungen zulässt.2 9.73
Praxishinweis: Damit bei der Liquidation der GmbH & Co. KG das Sperrjahr nicht beachtet werden muss und auch Vorabausschüttungen nach § 155 Abs. 2 HGB möglich bleiben, sollte die Komplementär-GmbH erst aufgelöst werden, wenn die Liquidation der KG abgeschlossen ist.
9.74
Entsteht über die Verteilung des Restvermögens Streit unter den Gesellschaftern, so haben die Liquidatoren die Verteilung bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen (§ 155 Abs. 3 HGB). Die Liquidation kann dann durch Hinterlegung des streitigen Betrags zugunsten der Gesellschafter beendet werden.3
9.75
Wenn allerdings eine Verteilung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter überhaupt nicht in Betracht kommt, etwa weil es im Zuge der Liquidation verbraucht wurde oder weil die Gesellschaft schon vor der Auflösung vermögenslos war, dann ist der Schutzzweck des Sperrjahres gegenstandslos, so dass von seiner Einhaltung abgesehen werden kann.4 Die Liquidatoren können das Erlöschen der Gesellschaft sofort zum Handelsregister anmelden. Sie müssen dabei versichern, dass kein verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist, und keine Abwicklungshandlungen mehr vorzunehmen sind. d) Bilanzierung
9.76
Im Hinblick auf die im Liquidationsstadium vorzunehmende Bilanzierung ist zwischen der externen Rechnungslegung der aufgelösten Gesellschaft und der internen Rechnungslegung der Liquidatoren zu unterscheiden.5 aa) Externe Rechnungslegung
9.77
Die handelsrechtliche Verpflichtung zur Aufstellung von jährlichen Bilanzen (Jahresabschlüssen) wird als externe Rechnungslegung bezeichnet. Da die aufgelöste 1 Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 293. 2 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 155 HGB Rz. 49; K. Schmidt in Scholz, § 73 GmbHG Rz. 40; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 67. 3 BayObLG v. 20.11.1978 – BReg. 1 Z 118/78, BReg. 1 Z 90/78, WM 1979, 655. 4 OLG Köln v. 5.11.2004 – 2 Wx 33/04, GmbHR 2005, 108 (zur GmbH). 5 Vgl. K. Schmidt in FS L. Schmidt, 1993, S. 227 (231).
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§9
Liquidation
KG ihre Kaufmannseigenschaft nicht verliert, bleibt sie gem. §§ 238, 242 ff. HGB auch weiterhin verpflichtet, Bücher zu führen, zum Ende eines Geschäftsjahres einen Jahresabschluss aufzustellen und diesen nach § 325 HGB offenzulegen.1 Dies gilt auch dann, wenn der Auflösungsstichtag in die Rechnungslegungsperiode fällt. Die periodische handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht der Personenhandelsgesellschaften dauert folglich über die Auflösung der Gesellschaft hinaus an und ist bis zur Vollbeendigung der Gesellschaft fortzuführen.2 Darüber hinaus ist die Gesellschaft auch nach den steuerlichen Vorschriften weiterhin zur jährlichen Gewinnermittlung verpflichtet (§§ 140, 141 AO). Das Aufstellen einer handelsrechtlichen Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft auf den Auflösungsstichtag oder einer handelsrechtlichen Liquidationseröffnungsbilanz ist nicht erforderlich. Das bisherige Geschäftsjahr der Gesellschaft läuft grundsätzlich weiter; das Gesetz verlangt bei der KG kein auf den Auflösungsstichtag lautendes Rumpfgeschäftsjahr.3 Ob mit dem Auflösungsstichtag ein neues Geschäftsjahr beginnt, richtet sich allein nach dem Gesellschaftsvertrag oder einem entsprechenden Beschluss der Gesellschafter.4
9.78
Die jährliche externe Rechnungslegung richtet sich weiterhin nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 242 ff. HGB. Die Wertansätze richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Bilanzrechts. Die Aufstellung des Jahresabschlusses obliegt den Liquidatoren. Die Feststellung der Bilanz durch die Gesellschafter legt die Bilanzansätze zwischen den Gesellschaftern verbindlich fest.5 Erst mit Beendigung der Liquidation ist im Rahmen der externen Rechnungslegung eine Schlussbilanz aufzustellen.
9.79
bb) Interne Rechnungslegung Die Liquidatoren der KG haben gem. §§ 154, 161 Abs. 2 HGB zu Beginn und bei Beendigung der Liquidation eine Bilanz aufzustellen. Diese sog. Liquidationseröffnungsbilanz gibt einen Überblick über die zur Verfügung stehende Masse und die zu begleichenden Verbindlichkeiten. Bilanzstichtag ist der Zeitpunkt der Auflösung. Die Liquidationseröffnungsbilanz ist eine Vermögens- und keine Ertragsbilanz; sie dient nicht der Ermittlung des Geschäftsergebnisses, sondern ist Ausgangspunkt für die nun anstehende Liquidation.6 Es gibt keine Bilanzkontinuität 1 LG Bonn v. 20.11.2009 – 39 T 1252/09, NZG 2010, 156; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 47 Rz. 82; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 154 HGB Rz. 3; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 154 HGB Rz. 15. 2 Vgl. K. Schmidt in FS L. Schmidt, 1993, S. 227 (231); Förster/Döring, Die Liquidationsbilanz, 4. Aufl. 2005, S. 38 ff. 3 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 154 HGB Rz. 6 f. und 11; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 154 HGB Rz. 17 f.; K. Schmidt in Scholz, § 71 GmbHG Rz. 37 f. A.A. LG Bonn v. 20.11.2009 – 39 T 1252/09, NZG 2010, 156; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 154 HGB Rz. 2: Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres und Schlussbilanz auf den Zeitpunkt der Auflösung. 4 Sollen GmbH & Co. KG und Komplementär-GmbH parallel liquidiert werden, so können die Bilanzstichtage durch Beschluss der Gesellschafter synchronisiert werden, s. auch Rz. 9.102 ff. 5 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 72. 6 Hopt in Baumbach/Hopt, § 154 HGB Rz. 2; Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 46 Rz. 66.
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9.80
§9
Auflösung und Liquidation
zu den vorangehenden Jahresabschlüssen. In der Liquidationseröffnungsbilanz sind alle Vermögensgegenstände mit ihrem wirklichen (Veräußerungs-)Wert anzusetzen. Stille Reserven sind also aufzudecken. Erforderlich ist eine Neubewertung auf den Auflösungsstichtag. Dabei ist bereits die voraussichtliche Verwertungsweise zu berücksichtigen (bspw. Verkauf des Unternehmens als Ganzes oder Zerschlagung). Auf der Passivseite sind insbesondere auch die mit der Liquidation und der Betriebseinstellung verbundenen Kosten zu berücksichtigen. 9.81
Gem. § 154 HGB haben die Liquidatoren im Rahmen der internen Rechnungslegung eine Liquidationsschlussbilanz aufzustellen. Stichtag ist – entgegen dem Gesetzeswortlaut – der Tag, an dem alle Forderungen eingezogen, alle Vermögensgegenstände versilbert und alle Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind. Die Liquidationsschlussbilanz ist Teil der internen Rechnungslegung. Auch sie ist wie die Liquidationseröffnungsbilanz eine Vermögensbilanz. Aus ihr ergibt sich der im Rahmen der Schlussrechnung nach § 155 HGB zu verteilende Liquidationsüberschuss.1
9.82
Für die Aufstellung der Liquidationsbilanzen i.S.v. § 154 HGB sind die Liquidatoren zuständig. e) Vollbeendigung und Handelsregisteranmeldung
9.83
Die Liquidationsgesellschaft besteht bis zur Auseinandersetzung und Abwicklung ihrer sämtlichen Vertragsbeziehungen fort.2 Ist die Liquidation beendet, d.h., sind alle Liquidationsgeschäfte abgeschlossen und ist das verbliebene Vermögen unter den Gesellschaftern verteilt worden, so ist die Gesellschaft vollbeendet.
9.84
Sämtliche Liquidatoren haben dann das Erlöschen der Firma der GmbH & Co. KG in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 157 Abs. 1 HGB). Die Handelsregistereintragung hat jedoch nur deklaratorische Wirkung; das Erlöschen der KG tritt unabhängig davon in dem Moment ein, in dem das Vermögen der Gesellschaft endgültig und vollständig verteilt ist (§ 155 HGB) oder die Gesellschaft aus sonstigen Gründen keine Vermögensgegenstände mehr besitzt (Vollbeendigung).3
9.85
Die Bücher und Papiere der Gesellschaft sind einem Gesellschafter zur Verwahrung zu übergeben. Ist kein Gesellschafter zu ihrer Verwahrung bereit, wird ein Dritter durch das Gericht bestimmt (§ 157 Abs. 2 HGB). Jeder Gesellschafter oder Erbe eines Gesellschafters hat ein Recht auf Einsicht in diese Unterlagen (§ 157 Abs. 3 HGB).
9.86
Stellt sich nach der Löschung der GmbH & Co. KG im Handelsregister heraus, dass doch noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, so ist die Liquidation noch nicht beendet und die Gesellschaft besteht noch immer. Es ist die sog. Nachtragsliquidation durchzuführen. Dabei wird die Gesellschaft durch die bisherigen Liquidatoren 1 Roth in Baumbach/Hopt, § 154 HGB Rz. 3; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 154 HGB Rz. 16. 2 OLG Brandenburg v. 2.4.2008 – 3 U 103/07, NZG 2008, 506. 3 Roth in Baumbach/Hopt, § 157 HGB Rz. 3; Kindler in Koller/Kindler/Roth/Morck, § 157 HGB Rz. 1.
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§9
Liquidation
vertreten; eine Neubestellung ist nicht erforderlich.1 Etwas anderes gilt gem. § 146 Abs. 2 Satz 3 HGB, wenn die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde; in diesem Fall sind für eine Nachtragsliquidation die Liquidatoren durch das Gericht zu ernennen. Wenn für die gelöschte Gesellschaft nur einzelne Abwicklungshandlungen vorzunehmen sind – bspw. die Abgabe einer Löschungsbewilligung oder die Entgegennahme eines Steuerbescheids – dann geht das Schrifttum davon aus, dass derjenige, der gem. § 157 Abs. 2 HGB die Bücher und Papiere der Gesellschaft verwahrt, zu derartigen Maßnahmen ermächtigt ist.2 Nach Auffassung des OLG Hamm hingegen ist bei der (Publikums-)GmbH & Co. KG in solchen Fällen analog § 273 Abs. 4 AktG jedenfalls dann gerichtlich ein Abwickler für die KG zu bestellen, wenn zwischenzeitlich auch die Komplementär-GmbH erloschen ist.3
2. Liquidation der Komplementär-GmbH Die Liquidation der GmbH & Co. KG hat nicht zwingend auch die Auflösung und Liquidation ihrer Komplementär-GmbH zur Folge. Jedoch kommt es häufig vor, dass neben der KG auch die GmbH beendet werden soll, weil für sie nach Beendigung der KG keine Verwendung mehr besteht. Maßgebliche Vorschriften für die Auflösung und Liquidation der GmbH sind die §§ 60 ff. GmbHG.
9.87
a) Auflösungsgründe Die Tatbestände, die kraft Gesetzes zur Auflösung einer GmbH führen, sind in § 60 Abs. 1 GmbHG genannt. Dies sind:
9.88
– – – –
der Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit, ein Auflösungsbeschluss der Gesellschafter, die Auflösung durch Gerichtsurteil oder durch die Verwaltungsbehörde, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse, – die Auflösung durch das Registergericht wegen eines wesentlichen Mangels in der Satzung, – die Auflösung durch das Registergericht wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG). Die gesetzlichen Auflösungsgründe aus § 60 Abs. 1 Nr. 1–7 GmbHG entsprechen den in § 131 Abs. 1 und 2 HGB für die Personenhandelsgesellschaft geregelten Auflösungstatbeständen (s. dazu Rz. 9.5 ff.). Neben den in § 60 Abs. 1 GmbHG geregelten gesetzlichen Auflösungsgründen können gem. § 60 Abs. 2 GmbHG weitere Auflösungsgründe in der GmbH-Satzung festgelegt werden. Ist die GmbH & Co. KG vollbeendet und hat die Komplementär-GmbH keinen weiteren Unternehmenszweck als die Übernahme der persönlichen Haftung und
1 BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 = GmbHR 1990, 251. 2 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 155 HGB Rz. 22; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 155 HGB Rz. 57. 3 OLG Hamm v. 13.7.1990 – 15 W 40/90, DB 1990, 1960.
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§9
Auflösung und Liquidation
Geschäftsführung in dieser GmbH & Co. KG, so ist ihr Gesellschaftszweck unmöglich geworden. Dies allein führt jedoch noch nicht zur Auflösung der GmbH. Es ist vielmehr Sache der Gesellschafter, ob sie der GmbH einen neuen Unternehmensgegenstand geben oder ob sie gem. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG die Auflösung der Gesellschaft beschließen. Wegen der Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks können zudem Gesellschafter, die zusammen mit 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt sind, Auflösungsklage gem. § 61 GmbHG gegen die Gesellschaft erheben. b) Liquidatoren, Handelsregisteranmeldung und Firmenzusatz 9.90
Die im Zeitpunkt der Auflösung im Amt befindlichen Geschäftsführer sind – ohne dass es eines Bestellungsaktes bedarf – die geborenen Liquidatoren der GmbH. Durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss können aber auch andere Personen (natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften) und auch eine GbR zu (gekorenen) Liquidatoren bestellt werden. Wenn durch die Satzung oder durch Gesellschafterbeschluss nichts anderes bestimmt wird, sind mehrere Liquidatoren nur gesamtvertretungsberechtigt (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Dies gilt auch dann, wenn sie zuvor als Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt waren.1 Eine Einzelvertretungsbefugnis, die den Geschäftsführern der werbenden Gesellschaft durch Satzungsbestimmung oder Gesellschafterbeschluss erteilt wurde, erlischt mit der Auflösung ebenso wie eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.
9.91
Die Auflösung der GmbH ist gem. § 65 Abs. 1 GmbHG in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Anzumelden sind auch die Liquidatoren und ihre abstrakte und konkrete Vertretungsbefugnis.2 Anmeldepflichtig sind nach § 78 GmbHG die Liquidatoren in zur Vertretung berechtigender Anzahl.3 Der Firma der aufgelösten GmbH ist ein auf die Liquidation hinweisender Zusatz hinzuzufügen (§ 68 Abs. 2 GmbHG). c) Durchführung der Liquidation
9.92
Mit der Auflösung ändert sich der Gesellschaftszweck der GmbH. Gegenstand der Gesellschaft ist nunmehr die Abwicklung und Auseinandersetzung. Die Liquidatoren haben die Auflösung der Gesellschaft gem. § 65 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.4 Gem. § 12 GmbHG ist in jedem Fall die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs im elektronischen Bundesanzeiger erforderlich. Daneben hat die Veröffentlichung in anderen Blättern und/oder elektronischen Informationsmedien zu erfolgen, wenn der Gesellschaftsvertrag diese als Gesellschaftsblätter bezeichnet (§ 12 Satz 2 GmbHG). In der Bekanntmachung sind zugleich die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei ihr zu melden (§ 65 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). 1 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 255/07, GmbHR 2009, 212; dazu Reymann, GmbHR 2009, 176. 2 BGH v. 7.5.2007 – II ZB 21/06, GmbHR 2007, 877. 3 BayObLG v. 31.3.1994 – 3Z BR 23/94, GmbHR 1994, 478 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 65 GmbHG Rz. 2. 4 Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 30.6. 2009, BGBl. I 2009, 2479, bedarf es nur noch eines einmaligen Gläubigeraufrufs (bis dahin musste dreimal aufgerufen werden).
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Liquidation
Wie bei der KG haben die Liquidatoren der GmbH die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das Vermögen zu verwerten und die Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen (§ 70 GmbHG). Das verbleibende Vermögen haben sie nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile unter den Gesellschaftern zu verteilen (§ 72 Satz 1 GmbHG). Die Verteilung darf gem. § 73 Abs. 1 GmbHG jedoch nicht vor Ablauf eines Sperrjahres, das mit der Bekanntmachung des Gläubigeraufrufs beginnt, vorgenommen werden.
9.93
d) Bilanzierung Auf den Tag vor der Auflösung (24.00 Uhr) ist die Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft aufzustellen. Die Auflösung zwingt also – anders als bei der KG –, sofern sie nicht auf den „normalen“ Bilanzstichtag fällt, zur Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres. Für die Schlussbilanz gelten die allgemeinen für Jahresabschlüsse maßgeblichen Vorschriften und Bewertungsgrundsätze, so insbesondere auch der Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität und der Stetigkeit des Bilanzansatzes. Neben der Bilanz sind auch die Gewinn- und Verlustrechnung, der Anhang und ggf. ein Lagebericht zu erstellen (vgl. §§ 264 ff., 275 ff., 284 ff. HGB). Zweck dieser Rechnungslegung ist insbesondere die Ergebnisfeststellung für die Zeit bis zur Auflösung.1 Eine Ausschüttung dieses Ergebnisses ist nicht zulässig, denn es greift insofern die Ausschüttungssperre des § 73 Abs. 1 GmbHG.
9.94
Sodann ist auf den Tag der Auflösung eine Liquidationseröffnungsbilanz mit erläuterndem Bericht zu erstellen (§ 71 Abs. 1 GmbHG). Im erläuternden Bericht ist über den voraussichtlichen Verlauf der Abwicklung zu berichten, insbesondere über deren zu erwartende Dauer und die Kosten. Die Liquidationseröffnungsbilanz ist keine Vermögensbilanz. Gliederung, Ansatz und Bewertung folgen den allgemeinen Regeln über den Jahresabschluss. Nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Satz 3 GmbHG kommt ein abweichender Wertansatz in Betracht.
9.95
Während der Liquidation bleibt die Gesellschaft verpflichtet, zum Ende eines jeden Geschäftsjahres Jahresabschlüsse nach den allgemeinen Vorschriften aufzustellen. Da mit der Auflösung ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden ist, sind die nachfolgenden Jahresabschlüsse, sofern nichts Abweichendes beschlossen wird, stets auf den Jahrestag der Auflösung aufzustellen. Die Jahresabschlüsse sind auch weiterhin durch Beschluss der Gesellschafter festzustellen.
9.96
Nach Beendigung der Liquidationsmaßnahmen und Ablauf des Sperrjahres ist die Liquidationsschlussbilanz aufzustellen. Aus ihr ergibt sich das Ergebnis seit der letzten Rechnungslegung und das zur Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen.
9.97
Wie bei der KG ist auch bei der GmbH zwischen der externen (periodischen) Rechnungslegung des Unternehmens und der internen Rechnungslegung der Liquidatoren zu unterscheiden.2 Beide Arten der Rechnungslegung haben unterschiedliche
9.98
1 K. Schmidt in Scholz, § 71 GmbHG Rz. 8. 2 K. Schmidt in Scholz, § 71 GmbHG Rz. 6.
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§9
Auflösung und Liquidation
Zwecke und sind nebeneinander vonnöten.1 § 71 GmbHG behandelt nur die externe Rechnungslegung. Sofern die nach § 71 GmbHG vorgeschriebenen Bilanzen und Berichte keine Übersicht über das vollständige Vermögen und die Abwicklung geben, sind die Liquidatoren im Rahmen der internen Rechnungslegung verpflichtet, zusätzliche Vermögensübersichten und Liquidationspläne zu erstellen.2 Üblich ist es schließlich, dass die Liquidatoren im Rahmen ihrer Rechenschaftspflicht eine Schlussrechnung erstellen, in der über die Schlussverteilung des Gesellschaftsvermögens Rechnung gelegt wird. e) Beendigung der Liquidation 9.99
Nach Beendigung der Liquidation durch Vorlage der Schlussrechnung und Auskehrung des etwaigen Restvermögens an die Gesellschafter haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation in öffentlich beglaubigter Form zum Handelsregister anzumelden, woraufhin die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht wird (§ 74 Abs. 1 GmbHG). Nach der Lehre vom Doppeltatbestand ist die GmbH vollbeendet, wenn sie zum einen vermögenslos und zum anderen aus dem Handelsregister gelöscht ist.3 Mit der Vollbeendigung verliert die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit und die aktive wie passive Parteifähigkeit.
3. Verzahnung der Liquidation von KG und Komplementär-GmbH 9.100
Während in der KG sämtliche Gesellschafter, und zwar auch die Kommanditisten, geborene Liquidatoren sind (§§ 146 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), sind in der GmbH nicht die Gesellschafter, sondern die Geschäftsführer von Gesetzes wegen zu Liquidatoren berufen (§ 66 Abs. 1 GmbHG). Zweckmäßigerweise sollten die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch für die Abwicklung der GmbH & Co. KG zuständig sein, haben sie doch die Geschäfte der KG geführt, als diese noch werbend tätig war.
9.101
Gestaltungshinweis: Der Gesellschaftsvertrag der KG sollte daher § 146 Abs. 1 HGB abbedingen und für den Fall der Abwicklung die Komplementär-GmbH zum Liquidator bestimmen.4 Durch die bloße Auslegung des Gesellschaftsvertrages kann dieses Ergebnis regelmäßig nicht erzielt werden.5
9.102
Verzahnungsprobleme zwischen KG und Komplementär-GmbH in Liquidation ergeben sich insoweit, als der Bilanzstichtag bei der GmbH nunmehr der Tag der Auflösung ist, während die Bilanz der KG weiterhin auf das Ende des Geschäftsjahres aufzustellen ist. 1 K. Schmidt, Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, S. 41 ff. 2 K. Schmidt in Scholz, § 71 GmbHG Rz. 31. 3 Haas in Baumbach/Hueck, § 74 GmbHG Rz. 16; K. Schmidt/Bitter in Scholz, § 60 GmbHG Rz. 56. 4 S. dazu auch K. Schmidt in Scholz, § 66 GmbHG Rz. 58 ff., der nur bei der personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG eine vertragliche Regelung verlangt und in allen anderen Fällen stets die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als geborene Liquidatoren ansieht. 5 Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 287 f. A.A. K. Schmidt in Scholz, § 66 GmbHG Rz. 59.
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§9
Liquidation
Gestaltungshinweis: Durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Regelungen lässt sich diese Problematik lösen, so z.B. indem die Gesellschafterversammlung der KG ein der aufgelösten GmbH angepasstes Geschäftsjahr beschließt.1
9.103
4. Vollbeendigung ohne Liquidation Die Liquidation ist die regelmäßige Folge der Auflösung. Stattdessen ist aber auch eine Vollbeendigung ohne Liquidation möglich, denn die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag oder nachträglich eine „andere Art der Auseinandersetzung“ vereinbaren (vgl. § 145 Abs. 1 HGB).2 Eine andere Art der Auseinandersetzung ist insbesondere die Realteilung, bei der das Gesellschaftsvermögen nicht versilbert, sondern zusammen mit den Verbindlichkeiten an die Gesellschafter verteilt wird.
9.104
Eine Vereinbarung über eine „andere Art der Auseinandersetzung“ ist einstimmig zu treffen, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag lässt eine Mehrheitsentscheidung zu. Zu beachten ist weiterhin, dass das Recht auf Teilhabe am Liquidationserlös zum Kernbereich der Gesellschafterrechte zählt, so dass eine andere Art der Auseinandersetzung, die den Liquidationsanteil eines Gesellschafters beeinträchtigt, nur mit dessen Zustimmung durchgeführt werden kann. Ist die Gesellschaft durch die Kündigung eines Gläubigers eines Gesellschafters oder durch die Insolvenz eines Gesellschafters aufgelöst, so ist eine Auseinandersetzung ohne Liquidation nur mit Zustimmung des Gläubigers bzw. des Insolvenzverwalters möglich (§ 145 Abs. 2 HGB).
9.105
Eine Liquidation findet auch dann nicht statt, wenn alle Gesellschafter bis auf einen aus der Gesellschaft ausscheiden und somit das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 738 BGB (sog. Anwachsung) auf den Verbleibenden übergeht.3 Alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft gehen in diesem Fall auf den letzten verbleibenden Gesellschafter über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf. Eine Liquidation der Gesellschaft findet aber auch dann nicht statt, wenn alle Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile auf einen übertragen.4 In beiden Fällen führt die Anteilsvereinigung in einer Hand zur liquidationslosen Vollbeendigung der GmbH & Co. KG.
9.106
Fälle der liquidationslosen Vollbeendigung sind ferner die Übertragung des Vermögens der GmbH & Co. KG als Ganzes im Zuge einer Verschmelzung und die Aufspaltung der Gesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes. Ist die Gesellschaft gem. § 394 FamFG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden und damit gem. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB aufgelöst, findet ebenfalls keine Liquidation statt, es sei denn, nach der Löschung stellt sich heraus, dass doch noch Vermögen vorhanden ist (§ 145 Abs. 3 HGB).
9.107
1 K. Schmidt, Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, S. 68. 2 S. dazu K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 145 HGB Rz. 31 ff.; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (276 ff.). 3 BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, NZG 2008, 704; BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952. 4 BayObLG v. 19.6.2001 – 3Z BR 48/01, GmbHR 2001, 776.
Lüke
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§9 9.108
Auflösung und Liquidation
Im Fall der liquidationslosen Vollbeendigung sind gleichzeitig die Handelsregisteranmeldungen nach § 143 Abs. 1 Satz 1 HGB (Auflösung) und § 157 HGB (Erlöschen der Firma) vorzunehmen. Einstweilen frei.
9.109–9.240
B. Steuerrecht I. Einkommensteuer 1. Vorbemerkungen 9.241
Die Beendigung des Gewerbebetriebs einer GmbH & Co. KG kann auf verschiedene Arten vollzogen werden, die vielfach unterschiedliche einkommensteuerliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. So kann z.B. die Gesellschaft aufgelöst und im Anschluss hieran abgewickelt (liquidiert) werden. Die ursprüngliche Verpflichtung der Gesellschafter, den Gesellschaftszweck zu fördern, geht dann über in die Verpflichtung, zur möglichst günstigen Abwicklung der Gesellschaft beizutragen. Die Abwicklung (Liquidation) kann sowohl durch Veräußerung des Betriebs der Gesellschaft als auch durch Überführung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens in die Privatvermögen oder andere Betriebsvermögen der Gesellschafter bzw. durch Kombinationen sowohl der einen wie der anderen Vorgänge erfolgen. Dabei kann diese Abwicklung in einem einheitlichen Vorgang stattfinden oder sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Darüber hinaus ist es auch möglich, den Gewerbebetrieb einer GmbH & Co. KG bei fortbestehender, d.h. nicht aufgelöster, Gesellschaft zu beenden, indem die – nicht gewerblich geprägte – Gesellschaft ihre gesamte gewerbliche Tätigkeit endgültig aufgibt und fortan als vermögensverwaltende Gesellschaft agiert. Die zwangsweise Auflösung und Abwicklung der GmbH & Co. KG durch Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens unterscheidet sich dabei in ihren steuerlichen Konsequenzen grundsätzlich nicht von der gewöhnlichen Beendigung der Gesellschaft.
9.242
Ertragsteuerlich werden derartige Sachverhalte in § 16 EStG geregelt. § 16 Abs. 1 EStG erfasst neben Gewinnen aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen und Anteilen eines persönlich haftenden Gesellschafters an einer KGaA auch solche, die aus der Veräußerung eines gesamten Betriebs oder eines Teilbetriebs stammen. Durch § 16 Abs. 3 EStG werden die stillen Reserven eines Betriebs ertragsteuerlich im Falle seiner Aufgabe erfasst. Umstritten ist dabei, ob die Berücksichtigung der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe durch § 16 EStG nur deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat, d.h., ob die Betriebsbeendigung auch ohne die Regelung des § 16 EStG zur gewinn- und ertragsteuerwirksamen Aufdeckung stiller Reserven führen würde oder nicht.1 1 Die h.A. geht von einer rein klarstellenden Funktion des § 16 EStG aus, da eine Besteuerung der dort geregelten Vorgänge bereits durch andere Normen (§§ 2, 4 Abs. 1, 5 und 15 EStG) gesichert sei, vgl. BFH v. 16.9.1966 – VI 118/65/VI 119/65, BStBl. III 1967, 70 (71); BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (714) = FR 1993, 637; Gänger in Bordewin/
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Aus Sicht des Steuerpflichtigen steht im Vordergrund, wann Veräußerungsgewinne nach § 16 EStG privilegiert besteuert werden können. So hat der Gesetzgeber zur Vermeidung von Härten für kleinere Veräußerungsgewinne und zur Sicherung der Altersversorgung der veräußernden Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Freibetrages geschaffen (§ 16 Abs. 4 EStG).1 Darüber hinaus besteht eine Tarifermäßigung für Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne i.S. des § 16 EStG (§ 34 EStG), deren Zweck es ist, „die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen“.2 Demzufolge ist eine weitere wesentliche Funktion des § 16 EStG, die durch die §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne von den nicht begünstigten laufenden Gewinnen zu trennen. Dies umsomehr als dass nur die laufenden Gewinne der Gewerbesteuer unterliegen nicht aber die Veräußerungs- oder Aufgabegewinne (s. im Einzelnen Rz. 9.327 f.).
9.243
Im Folgenden werden die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der verschiedenen Möglichkeiten der Beendigung des Gewerbebetriebs einer GmbH & Co. KG dargestellt. Nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sind die steuerlichen Aspekte der Veräußerung von Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen. In der nachfolgenden Übersicht werden die wesentlichen Lebenssachverhalte, die zu einer (endgültigen oder vorübergehenden) Beendigung eines Gewerbebetriebs führen, mit den daraus resultierenden steuerlichen Rechtsfolgen dargestellt. Zur Verdeutlichung der systematischen Abgrenzung zu Sachverhalten im Zuge der Betriebsfortführung wurden beide Sachverhaltsgruppen unter dem allgemeinen Begriff „Änderung des bestehenden Gewerbebetriebs“ zusammengefasst. Aus Vereinfachungsgründen wurden die besonderen steuerlichen Tatbestände der Beendigung des Gewerbebetriebs im Fall des Wegfalls der Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) nicht berücksichtigt.
9.244
Brandt, § 16 EStG Rz. 2; Stuhrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 16 EStG Rz. 3 f.; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 6; von einer zumindest partiell konstitutiven Funktion des § 16 EStG gehen hingegen aus: Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 3; Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG A 31; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 22 I 1, S. 777 f.; wohl auch Stahl in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 16 EStG Rz. 2. 1 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 781. 2 BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 (126 f.) = GmbHR 2000, 144 m. Komm. Götz.
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2. Betriebsveräußerung Eine Betriebsveräußerung im Ganzen (§§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, Abs. 4, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG) setzt voraus, dass alle wesentlichen Grundlagen des betreffenden Betriebs oder Teilbetriebs1 in einem einheitlichen Vorgang entgeltlich auf einen Erwerber übergehen und damit die hierdurch entfaltete gewerbliche Tätigkeit des Veräußerers endet. Der Betrieb muss mit seinen wesentlichen Grundlagen als selbständiger Organismus auf den Erwerber übergehen.2 Der Veräußerer muss seine gewerbliche Tätigkeit, die er bislang mit den veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen entfaltet hat, aufgeben.3 Maßgebend für die Betriebsveräußerung ist dabei der Zeitpunkt, in dem das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Wirtschaftsgütern übertragen wird,4 also bei Immobilien der Übergang von Nutzen und Lasten, bei beweglichen Sachen regelmäßig Besitzverschaffung, nicht erst der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums. Die Vereinbarung eines rückwirkenden wirtschaftlichen Stichtags wie sie bei Veräußerung aller Gesellschaftsanteile (üblicherweise, wenn auch unpräzise, als share deal – effective date bezeichnet) üblich ist, ist hingegen regelmäßig nicht maßgebend.
9.246
Diese von der Rechtsprechung zur Betriebsveräußerung im Ganzen entwickelten Grundsätze gelten nicht nur für Einzelunternehmer, sondern auch für Personengesellschaften.5 Es ist daher insbesondere zu beachten:
9.247
(1) Die Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt einen entgeltlichen Vorgang voraus. Hiervon abzugrenzen ist die unentgeltliche Betriebsübertragung, die nicht zur Realisierung der stillen Reserven, sondern zwingend zur Buchwertfortführung beim Betriebsübernehmer führt (§ 6 Abs. 3 EStG), z.B. bei Übergang eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils im Erbfall oder bei Schenkung. Bei einer teilentgeltlichen Übertragung handelt es sich um einen einheitlichen Vorgang, der nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufteilbar ist. Diese „Einheitstheorie“ steht der im Bereich des Privatvermögens zur Anwendung kommenden „Trennungstheorie“ gegenüber.6 Ein Veräußerungsgewinn entsteht nur dann und insoweit, als das erhaltene Entgelt den Buchwert
9.248
1 Im Rahmen des vorliegenden Kapitels wird im Folgenden auf die Veräußerung oder Aufgabe von Teilbetrieben nicht besonders eingegangen. Abgesehen von der speziellen Thematik, wie ein Teilbetrieb für Zwecke des § 16 EStG abzugrenzen ist, gelten hinsichtlich der Tatbestandvoraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 16 und 34 EStG insofern keine Besonderheiten, vgl. z.B. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 143 ff. 2 Es kommt lediglich darauf an, dass der Betrieb als geschäftlicher Organismus fortgeführt werden kann. Die tatsächliche Fortführung durch den Erwerber ist nicht erforderlich (R 16 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012). 3 BFH v. 12.6.1996 – XI R 56/95, XI R 57/95, BStBl. II 1996, 527 (529) = FR 1996, 676 m. Komm. Kanzler; BFH v. 18.12.1996 – XI R 63/96, BStBl. II 1997, 573 (574) = FR 1997, 540; eine Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit in vollem Umfang ist hingegen nicht erforderlich, vgl. BFH v. 9.8.1989 – X R 62/87, BStBl. II 1989, 973 (974) = FR 1989, 723. 4 BFH v. 3.10.1984 – I R 119/81, BStBl. II 1985, 245 (246) = FR 1985, 184; BFH v. 22.9.1992 – VIII R 7/90, BStBl. II 1993, 228 (229 f.) = GmbHR 1993, 606. 5 BFH v. 4.2.1982 – IV R 150/78, BStBl. II 1982, 348 (349) = FR 1982, 302; BFH v. 3.10.1989 – VIII R 142/84, BStBl. II 1990, 420 (422) = FR 1990, 309; BFH v. 20.2.2003 – III R 34/01, BStBl. II 2003, 700 = FR 2003, 658 m. Komm. Wendt. 6 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 39.
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(Kapitalkonto) übersteigt;1 liegt das Entgelt darunter, sind die Buchwerte fortzuführen, ein Verlust für den Veräußerer entsteht hierdurch nicht.2 9.249
(2) Alle wesentlichen Betriebsgrundlagen müssen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen werden.3 Erfolgt die Übertragung auf verschiedene Erwerber, so hat dies die Beendigung des Betriebs als selbständigen Organismus zur Folge, so dass keine Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG mehr angenommen wird. In diesem Fall kann jedoch eine (ebenfalls begünstigte) Betriebsaufgabe vorliegen.4 Die Tatsache, dass einzelne, nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen rechnende Wirtschaftsgüter zurückbehalten (z.B. in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder als Betriebsvermögen weitergeführt) werden, lässt den Charakter der Betriebsveräußerung hingegen unberührt.5 Dementsprechend dürfte auch die Veräußerung nicht wesentlicher Betriebsgrundlagen an andere Erwerber insofern unschädlich sein. Als wesentliche Betriebsgrundlagen werden zunächst solche Wirtschaftsgüter angesehen, die nach der Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind (funktionale Betrachtung). Die Zuordnung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. I.d.R. gehören zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen insbesondere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, z.B. Betriebsgrundstücke, Maschinen und Betriebseinrichtungen,6 nicht jedoch kurzfristig wieder beschaffbare einzelne Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens von geringem Wert.7 Auch immaterielle Wirtschaftsgüter können dazu gehören, bspw. Kundenstamm, Konzessionen, Geschäftswert.8 Entsprechendes kann für nicht kurzfristig wieder beschaffbare Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gelten.9 Darüber hinaus werden entsprechend der Zielsetzung der §§ 16, 34 EStG, die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven zu begünstigen, von der Rechtsprechung auch solche Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlagen angesehen, die zwar funktional gesehen für den Betrieb nicht erforderlich sind, in denen jedoch erhebliche stille Reserven gebunden sind (quantitative Betrachtung). Im Ergebnis führt die Verfolgung dieser funktional-quantitativen Betrachtungsweise bei der GmbH & Co. KG dazu, dass auch Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens (insbesondere auch gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen) zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören können, die rein funktional betrachtet nicht für den Gewerbebetrieb der Gesellschaft erforderlich sind.10 1 BFH v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811 (814) = GmbHR 1986, 332; BFH v. 16.12. 1992 – XI R 34/92, BStBl. II 1993, 436 (437) = FR 1993, 334. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 58. 3 BFH v. 5.2.2014 – X R 22/12, GmbHR 2014, 439 = NZG 2014, 438 (439). 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 94; s. hierzu Rz. 9.254 ff. 5 BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (106) = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing. 6 BFH v. 10.11.2005 – IV R 7/05, BStBl. II 2006, 176. 7 Z.B. BFH v. 21.5.1992 – X R 77, 78/90, BFH/NV 1992, 659 (660); BFH v. 17.4.1997 – VIII R 2/95, BStBl. II 1998, 388 (391 ff.) = FR 1998, 17; BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (712 f.) = FR 1993, 637; BFH v. 15.11.1984 – IV R 139/81, BStBl. II 1985, 205 (208) = FR 1985, 242. 8 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 104 m.w.N. 9 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 106 m.w.N. 10 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 112; BFH v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104 = GmbHR 1998, 202.
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(3) Die Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit ist weiteres selbständiges Tatbestandsmerkmal einer Betriebsveräußerung. Dies wird regelmäßig vorliegen, wenn die Gesellschaft durch oder nach der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen beendet und aufgelöst wird. Zumindest bei wirtschaftlichen Tätigkeiten, die in nicht unerheblichem Umfang Maschinen und Mitarbeiter Know-how einsetzen müssen, wird ein Fortführen oder Wiederaufnehmen der Tätigkeit im kleineren Maße ausscheiden. Setzt die Gesellschaft den Veräußerungsgewinn ein, um eine andere Tätigkeit mit anderen Betriebsmitteln aufzunehmen, gleichsam ein Branchenwechsel, steht dies der Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit und damit der Privilegierung des Veräußerungsgewinn nicht entgegen. Eine Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann unabhängig davon vorliegen, ob die Veräußerung auch tatsächlich die Auflösung der Gesellschaft nach sich zieht oder ob diese weiterhin – eventuell mit veränderter Zwecksetzung oder in anderer Rechtsform – fortbesteht.1 Werden alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einschließlich Geschäftsbeziehungen und Geschäftswert veräußert und wird der Erwerber dadurch in die Lage versetzt, eine mit der bisherigen Betätigung wirtschaftlich identische Betätigung aufzunehmen, so liegt u.E. auch dann eine begünstigte Betriebsveräußerung vor, wenn die veräußernde Gesellschaft nachfolgend einen Gewerbebetrieb derselben Art neu eröffnet, da diese Tätigkeit nicht mit den veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen vorgenommen wird.2
9.250
Veräußert die Gesellschaft alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Mitunternehmer oder eine (teilweise) beteiligungsidentische Personengesellschaft, so steht dies der Annahme einer begünstigten Betriebsveräußerung zwar grundsätzlich nicht entgegen. Gem. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG gilt ein Veräußerungsgewinn allerdings insoweit als laufender (nicht begünstigter) Gewinn, als auf der Seite des Veräußerers und der des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind. Hierdurch sollen jene Fälle von den Begünstigungen der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG ausgenommen werden, in denen wirtschaftlich betrachtet eine Veräußerung des Steuerpflichtigen „an sich selbst“ erfolgt.3 Im Falle von Veräußerungen zwischen vollständig beteiligungsidentischen Personengesellschaften führt dies zur vollständigen Qualifikation des Veräußerungsgewinns als laufender Gewinn.4
9.251
Die Entnahme von nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden betrieblichen Wirtschaftsgütern (des Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögens)
9.252
1 BFH v. 4.2.1982 – IV R 150/78, BStBl. II 1982, 348 (349) = FR 1982, 302. 2 So auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 98; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 41; allerdings hat die Finanzverwaltung zu § 18 Abs. 3 EStG ausgeführt, dass die Tätigkeit zum Zwecke der steuerlichen Begünstigung wenigstens eine „gewisse Zeit“ eingestellt werden müsse, wobei eine Fortführung in geringem Umfang (max. 10 % der Einnahmen in den letzten drei Jahren) unschädlich sei: OFD Berlin v. 15.8.2003 – St 122 S 2249 - 3/03, FR 2003, 1146. Die Hinzugewinnung neuer Mandate innerhalb der „gewissen Zeit“ sei hingegen in jedem Fall schädlich, d.h. auch bei Unterschreiten der 10 %-Grenze. 3 Die Regelung richtete sich historisch gegen die sog. „Aufstockungsmodelle“, bei denen ein begünstigter Veräußerungsgewinn einem entsprechend erhöhten AfA-Volumen gegenüberstand, vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 3. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 111.
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in das Privatvermögen eines Mitunternehmers lässt die Begünstigung des Veräußerungsvorgangs insgesamt unberührt, d.h., die entnommenen Wirtschaftsgüter erhöhen mit ihrem gemeinen Wert den Veräußerungsgewinn. Da insoweit keine Veräußerung vorliegt, ist die Entnahme von der gesetzlichen Einschränkung des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht betroffen.1 9.253
Die Tarifbegünstigung bezieht sich allerdings nach Sinn und Zweck der Vorschriften (Milderung der erhöhten Steuerbelastung infolge Zusammenballung von außerordentlichen Einkünften) nur auf den eigentlichen Veräußerungsgewinn, nicht auch auf im Rahmen der Abwicklung durch Anlage des Veräußerungserlöses erzielte Erträge.2
3. Betriebsaufgabe 9.254
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt die Betriebsaufgabe als Veräußerung. Diese Fiktion führt zur einheitlichen steuerlichen Behandlung von Betriebsveräußerung und -aufgabe im Rahmen des § 16 EStG. Dementsprechend führt auch die Betriebsaufgabe zur grundsätzlichen Gewährung der Steuerbegünstigungen gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG.
9.255
Im Gegensatz zur Betriebsveräußerung, die die Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber voraussetzt, werden bei der Betriebsaufgabe die wesentlichen Grundlagen des Betriebs insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder ins Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt und damit die Existenz des Betriebs als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens – jedenfalls in seiner bisherigen Form – beendet.3 Entsprechend der Zielsetzung der Tarifermäßigung des § 34 EStG, die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen, wird eine Betriebsaufgabe nur angenommen, wenn sie in einem einheitlichen Vorgang in zeitlich konzentrierter Form erfolgt.
9.256
Im Einzelnen gilt Folgendes: (1) Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen, um seinen Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftsleben aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt.4 Bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft bedeutet dies, dass die einkunftsrelevante Tätigkeit insgesamt endgültig eingestellt wird. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Betrieb freiwillig oder unter Zwang eingestellt wird.5 Bei einer Personengesellschaft führt die Einstellung des Betriebs oder eines Teilbetriebs zudem grundsätzlich dann zur Aufgabe des gesamten Betriebs 1 Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 128b. 2 BFH v. 3.4.2014 – IV R 12/10, DStRE 2014, 1300 (1307) = FR 2014, 1023 m. Komm. Wendt. 3 So z.B. BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (171); BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (105 f.) = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing. 4 BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, Rz. 39, BeckRS 2015, 95323. 5 BFH v. 3.7.1991 – X R 163/87, X R 164/87, BStBl. II 1991, 802 (804) = FR 1991, 598.
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der Personengesellschaft, wenn diese nach der Betriebs- bzw. Teilbetriebseinstellung nicht mehr gewerblich tätig ist.1 Handelt es sich dagegen um eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, so hat die Aufgabe eines Teilbetriebs keine Auswirkung auf den verbleibenden Restbetrieb. Die Betriebsaufgabe beginnt mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist. Zu dem Zeitpunkt des Beginns der Betriebsaufgabe ist die Schlussbilanz zu erstellen, da zu diesem Zeitpunkt die laufende gewerbliche Tätigkeit endet und sodann der ggf. begünstigte Betriebsaufgabegewinn generiert wird. (2) Die Rechtsprechung geht von der Vorstellung aus, dass die Betriebsaufgabe als „Totalentnahme“ zu werten ist, die sich in einem zusammenhängenden Vorgang vollziehen muss, um dem Gesetzeszweck der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG zu entsprechen, nur die zusammengeballte Realisierung stiller Reserven zu begünstigen.2 Sofern eine Betriebsbeendigung in schrittweise vonstatten gehenden Veräußerungen oder Entnahmen der einzelnen Wirtschaftsgüter erfolgt, muss dies vom zeitlichen Ablauf her noch als wirtschaftlich einheitlicher Vorgang angesehen werden können, damit ertragsteuerlich von einer Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG ausgegangen werden kann.3 Zwischen Beginn und Ende des Betriebsaufgabevorgangs darf folglich nur ein kurzer Zeitraum liegen.4 Wann der Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Betriebsaufgabe noch als kurzer Zeitraum einzustufen ist, unterliegt einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise; die Beispiele aus der Rechtsprechung reichen dabei von sechs Monaten bis hin zu 36 Monaten.5 Dabei steht die Tatsache, dass sich die Betriebsaufgabe auf zwei Veranlagungszeiträume erstreckt, der steuerbegünstigten Aufgabe nicht entgegen;6 der auf mehrere Veranlagungszeiträume entfallende Gewinn ist jeweils nach § 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG ermäßigt zu besteuern und der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auf die einzelnen Veranlagungszeiträume aufzuteilen. Diese Aufteilung des Freibetrags auf beide Veranlagungszeiträume erfolgt nach Auffassung der Finanzverwaltung im (erst nach Abschluss der Betriebsaufgabe feststehenden) Verhältnis der jeweiligen Gewinne zum gesamten Betriebsaufgabegewinn.7
9.257
(3) Die Betriebsaufgabe beginnt erst mit den dem Aufgabeentschluss folgenden Handlungen, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbständigem Organismus gerichtet sind, z.B. durch Einstellung der werbenden Tätigkeit oder durch Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die für die Betriebsfortführung unerlässlich sind.8
9.258
1 2 3 4 5 6 7
BFH v. 16.11.1967 – IV R 8/67, BStBl. II 1968, 78 (79). BFH v. 13.12.1983 – VIII R 90/81, BStBl. II 1984, 474 (478) = GmbHR 1984, 210. BFH v. 26.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798 (800 f.) = GmbHR 2001, 831. BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (712) = FR 1993, 637. Vgl. die Rechtsprechungsbeispiele bei Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 193. BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. I. BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. I; s. Rz. 9.317; a.A.: Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 725 m.w.N., der den Freibetrag zunächst weitestmöglich vom Aufgabegewinn im ersten Veranlagungszeitraum und erst anschließend – in Höhe des ggf. verbleibenden Restes – vom Gewinn im folgenden Veranlagungszeitraum abziehen will. 8 BFH v. 5.7.1984 – IV R 36/81, BStBl. II 1984, 711 (712) = FR 1984, 649; BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (105 f.) = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing.
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Dabei ist der Beginn aber nicht derart mit der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen verbunden, dass erst bei Vorliegen solcher Veräußerungen der Beginn anzunehmen ist. Auch die Veräußerung sonstigen beweglichen Analgevermögens kann ausreichen, wenn dadurch der Wille bekundet wird, die gewerbliche Tätigkeit endgültig einzustellen.1 Bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) ist allerdings zu beachten, dass die alleinige Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit nicht bereits den Beginn der Betriebsaufgabe nach sich zieht. Durch bloße Vorbereitungshandlungen, wie z.B. den Gesellschafterbeschluss über die Auflösung der Gesellschaft und die Eintragung dieses Beschlusses ins Handelsregister, wird die Betriebsaufgabe noch nicht in Gang gesetzt.2 Die Betriebsaufgabe wird beendet, wenn das letzte zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgut veräußert oder entnommen wird.3 9.259
Gemäß § 16 Abs. 3a EStG ist eine Betriebsaufgabe gegeben, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter beschränkt oder ausgeschlossen wird (Entstrickung). Die Regelung des § 16 Abs. 3a EStG zielt insbesondere auf die Verlegung eines ausländischen Gewerbebetriebs aus dem Inland in das Ausland also beispielsweise die Konstellation, dass eine GmbH & Co. KG mit ausschließlich im Ausland ansässigen Gesellschaftern die Betriebsstätte der Gesellschaft aus der Bundesrepublik ins Ausland verlegt oder eine GmbH & Co. KG mit inländischen Gesellschaftern die inländische Betriebsstätte in ein DBA-Ausland verlegt. Allerdings gewährt die Regelung des § 36 Abs. 5 EStG eine fünfjährige Steuerstreckung bzgl. des Aufgabegewinns.
9.260
Nach der Rechtsprechung liegt weiter dann eine Betriebsaufgabe durch Entstrickung vor, wenn der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zwar bestehen bleibt, der Betrieb aber durch eine Handlung oder einen Rechtsvorgang so in seiner ertragsteuerlichen Einordnung verändert wird, dass die Besteuerung der stillen Reserven des Betriebsvermögens nicht mehr gewährleistet ist,4 also zum Beispiel im Falle einer Besitz-Personengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für die Betriebsaufspaltung entfallen (z.B. Wegfall der personellen Verflechtung durch Veräußerung der Anteile an dem Betriebsunternehmen).5
4. Allmähliche Abwicklung und Betriebseinstellung 9.261
Neben der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe besteht auch die Möglichkeit, einen Betrieb allmählich abzuwickeln. Dies kann einen faktischen Hinter1 BFH v. 5.5.2015 – X R 48/13, BeckRS 2015, 95323 Rz. 40. 2 BFH v. 25.6.1970 – IV 350/64, BStBl. II 1970, 719 (720); vgl. auch BFH v. 17.2.1971 – I R 170/69, BStBl. II 1971, 484 (485); BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (105 f.) = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing. 3 BFH v. 27.2.1985 – I R 235/80, BStBl. II 1985, 456 (457 f.) = FR 1985, 476; BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (712) = FR 1993, 637; BFH v. 12.12.2000 – VIII R 10/99, BStBl. II 2001, 282 (283) = FR 2001, 343 m. Komm. Kanzler. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 175. 5 BFH v. 13.12.1983 – VIII R 90/81, BStBl. II 1984, 474 = GmbHR 1984, 210.
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grund haben, weil zum Beispiel Käufer für ein veraltetes Warenlager und veraltete Maschinen nur langsam und schwierig zu finden sind. Gleiches kann für schwierige Betriebsgrundstücke gelten. Im Gegensatz zu der durch die §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigten Betriebsaufgabe, die nur bei zeitlich konzentrierter Gewinnrealisierung möglich ist (s. hierzu Rz. 9.256 f.), führt die allmähliche Abwicklung des Gewerbebetriebs zu einer sukzessiven Gewinnrealisierung. Diese sukzessive Gewinnrealisierung unterliegt der normalen tariflichen Einkommenbesteuerung. Eine steuerliche Entlastung kann eintreten indem der Gewinn aus der Betriebsbeendigung über mehrere Veranlagungszeiträume verteilt wird, wodurch sich die Möglichkeit zur Vermeidung progressionsbedingter Steuerbelastungsspitzen bietet. Da die allmähliche Abwicklung nicht zu einer Besteuerung des zusammengeballten Gewinns führt, besteht aus Sicht des Gesetzgebers kein Anlass, diese steuerlich zu begünstigen. Der Gewinn aus der allmählichen Betriebsabwicklung unterliegt daher als laufender Gewinn der tariflichen Einkommensteuer. Nach ständiger Rechtsprechung besteht bei endgültiger Betriebseinstellung grundsätzlich ein Wahlrecht, die Veräußerung oder sonstige Verwertung des Betriebsvermögens ertragsteuerlich als begünstigte Betriebsaufgabe (s. Rz. 9.254) oder als nicht begünstigte allmähliche Abwicklung zu behandeln.1 Faktisch bedeutet dies, dass aktiv eine Entscheidung getroffen werden muss, ob ein Unternehmen weitergeführt wird oder beispielsweise wegen veralteter Produktpalette die Tätigkeit eingestellt wird, um Verluste zu vermeiden. Denn die Möglichkeit, von diesem Wahlrecht Gebrauch zu machen, besteht nur dann, wenn die Absicht besteht, die wesentlichen Betriebsgrundlagen in absehbarer Zeit entweder zu veräußern oder in das Privatvermögen bzw. in einen anderen Betrieb zu überführen.2 Ist diese Absicht nicht gegeben, so besteht kein derartiges Wahlrecht mit der Folge, dass die Betriebseinstellung grundsätzlich als (begünstigte) Betriebsaufgabe anzusehen ist, ohne dass es einer entsprechenden Betriebsaufgabeerklärung bedarf.3 Anders ausgedrückt bedeutet dies für die Gesellschafter, dass sie eine Prognoseentscheidung treffen müssen, ob und in welchem zeitlichen Rahmen das Betriebsvermögen veräußert werden kann. Erscheint dies möglich, so sind die steuerlichen Folgen einer schrittweisen Veräußerung über mehrere Veranlagungszeiträume mit dem entlastenden Effekt der vermutlich niedrigeren tariflichen Einkommensteuer den steuerlichen Folgen einer einmaligen begünstigten Betriebsaufgabebesteuerung gegenüberzustellen. Die Ausübung des Wahlrechts muss eindeutig und klar zum Ausdruck kommen. Dies ist i.S. einer Betriebsaufgabe der Fall, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten alle Tatbestandsmerkmale einer Betriebsaufgabe (s. hierzu Rz. 9.256 ff.) erfüllt.4 Ansonsten bleibt – die Absicht, die Betriebsabwicklung in absehbarer Zeit durchzuführen, vorausgesetzt – die Betriebsver1 BFH v. 12.3.1964 – IV 107/63 U, BStBl. III 1964, 406 (407); BFH v. 25.7.1972 – VIII R 3/66, BStBl. II 1972, 936 (937); BFH v. 24.10.1979 – VIII R 49/77, BStBl. II 1980, 186 = FR 1980, 203; BFH v. 19.1.1983 – I R 84/79, BStBl. II 1983, 412 (413) = FR 1983, 295; BFH v. 22.10. 1992 – III R 7/91, BFH/NV 1993, 358 (359); BFH v. 28.9.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276 (278) = FR 1996, 145; BFH 5.12.1996 – IV R 65/95, BFH/NV 1997, 225 (226) m.w.N. 2 BFH v. 19.1.1983 – I R 84/79, BStBl. II 1983, 412 (413) = FR 1983, 295; BFH v. 28.5.1986 – I S 13/85, BFH/NV 1987, 294 (295); BFH v. 17.4.1996 – X R 128/94, BFH/NV 1996, 877 (878 f.). 3 BFH v. 19.1.1983 – I R 84/79, BStBl. II 1983, 412 (413) = FR 1983, 295. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 184.
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§9
Auflösung und Liquidation
mögenseigenschaft der jeweiligen Wirtschaftsgüter bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verwertung, der eindeutigen Überführung ins Privatvermögen oder der Aufgabe der Verwertungsabsicht erhalten.1 Dabei kann sich die Abwicklung durchaus über mehrere Jahre hinziehen.2 Allerdings droht oft den Gesellschaftern die planende Kontrolle hierbei zu entgleiten, denn spätestens wenn das Finanzamt zur Einschätzung gelangt, eine Verwertung sei nicht mehr möglich, wird eine notwendige Entnahme in das Privatvermögen angenommen und damit letztlich der Besteuerungszeitpunkt der Verwertungs-Prognoseentscheidung des Finanzamts unterstellt. 9.263
Eine Abgrenzung ist wiederum nötig zum schlichten Nichtstun. Insbesondere bei schwer verwertbaren Betriebsgrundstücken könnte sonst die – vermutlich eher geringe Gewinnrealisierung – in die nächste Generation hinausgezögert werden. Ein so nicht veräußertes Betriebsgrundstück ist zu dem Zeitpunkt notwendig in das Privatvermögen übernommen, zu dem mit einer Veräußerung nicht mehr zu rechnen ist.3 Die in zurückbehaltenen, noch nicht veräußerten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven werden spätestens dann aufgedeckt und der laufenden Besteuerung unterworfen, wenn mit einer betrieblichen Verwertung oder einer Übernahme in das Privatvermögen in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen ist. Denn die Betriebsaufgabe ist ein tatsächlicher Vorgang, dessen ertragsteuerrechtliche Folgen durch Willenserklärung nicht vermieden werden können.4 Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, durch Nichtabgabe einer Betriebsaufgabeerklärung die Besteuerung der in dem eingestellten Betrieb enthaltenen stillen Reserven auf unbestimmte Zeit zu verschieben.5
5. Sonderfälle in Abgrenzung zur Betriebsaufgabe und allmählichen Abwicklung 9.264
Von der Betriebsaufgabe bzw. der allmählichen Abwicklung werden solche Fälle unterschieden, in denen es nicht zur abschließenden Beendigung des Betriebs kommt. Hierzu zählen insbesondere die Fortführung des Betriebs in anderer Form (Strukturwandel) bzw. an anderem Ort (Betriebsverlegung) und die Betriebsunterbrechung. In diesen Fällen erfolgt grundsätzlich keine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung der stillen Reserven im Betriebsvermögen.6
1 BFH v. 27.10.1983 – IV R 217/81, BStBl. II 1984, 364 (365 f.) = FR 1984, 230; BFH v. 30.3.1989 – IV R 45/87, BStBl. II 1989, 509 (510) = FR 1989, 429. 2 BFH v. 27.10.1983 – IV R 217/81, BStBl. II 1984, 364 (365 f.) = FR 1984, 230; BFH v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (713) = FR 1993, 637. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 186 m.w.N. 4 BFH v. 3.6.1997 – IX R 2/95, BStBl. II 1998, 373 (374) = FR 1997, 818; BFH v. 29.7.2003 – X B 12/03, BFH/NV 2003, 1575. 5 BFH v. 25.7.1972 – VIII R 3/66, BStBl. II 1972, 936 (937); BFH v. 21.5.1992 – X R 77, 78/90, BFH/NV 1992, 659 (661); BFH v. 26.4.2001 – IV R 14/00, BStBl. II 2001, 798 (801) = GmbHR 2001, 831; a.A. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 790, wonach ein zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut nur aufgrund einer Maßnahme des Steuerpflichtigen diese Eigenschaft wieder verlieren kann und daher ohne entsprechende Maßnahme auch keine gewinnrealisierende Entnahme ins Privatvermögen stattfindet. 6 Vgl. detailliert Wendt, FR 1998, 264.
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Bleibt eine Gesellschaft weiterhin – wenn auch in Form eines neuen Betriebs – tätig, so hängt die Frage, ob eine begünstigte Betriebsaufgabe mit nachfolgender Neueröffnung oder lediglich eine Betriebsfortführung oder Betriebsverlegung vorliegt, nach der Rechtsprechung des BFH entscheidend davon ab, ob der ursprüngliche und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung identisch (Betriebsfortführung/-verlegung) oder nicht identisch sind (Betriebsaufgabe).1 Die Prüfung der Identität soll unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den Verhältnissen des Einzelfalls erfolgen. Als Indizien für eine wirtschaftliche Identität des ursprünglichen und des neuen Betriebs sieht der BFH neben der Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel insbesondere die artgleich ausgeübte werbende Tätigkeit, den gleichen Kundenstamm sowie das gleiche örtliche Wirkungsfeld an.2
9.265
Eine Betriebsunterbrechung kann vorliegen, wenn der Betrieb, d.h. die werbende Tätigkeit, (vorübergehend) eingestellt wird, jedoch die Absicht vorhanden ist, den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleicher oder ähnlicher Weise wieder aufzunehmen (subjektives Merkmal), so dass der stillgelegte und der eröffnete Betrieb als identisch anzusehen sind (Ruhen des Betriebs).3 Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter jederzeit die Wiederaufnahme des Betriebs gestatten (objektives Merkmal).4 So kann eine Betriebsunterbrechung auch nur angenommen werden, wenn und solange die Möglichkeit zur (jederzeitigen) Fortführung der gewerblichen Tätigkeit besteht.5 Dies setzt auch voraus, dass die wesentlichen Grundlagen des Betriebs auch künftig noch für den Betrieb einsetzbar sind.6 Liegen die Voraussetzungen für eine Betriebsunterbrechung durch schlichtes Ruhen des Betriebs vor, so war nach ständiger
9.266
1 BFH v. 24.6.1976 – IV R 199/72, BStBl. II 1976, 670; BFH v. 24.6.1976 – IV R 200/72, BStBl. II 1976, 672; BFH v. 3.10.1984 – I R 116/81, BStBl. II 1985, 131 (132) = FR 1985, 160; BFH v. 14.7.1988 – IV R 3/85, BFH/NV 1989, 368 (369); BFH v. 9.10.1996 – XI R 71/95, BStBl. II 1997, 236 (238) = FR 1997, 225 m. Komm. Wendt; BFH v. 26.2.1997 – X R 31/95, BStBl. II 1997, 561 (563 f.) = GmbHR 1997, 715. 2 BFH v. 24.6.1976 – IV R 199/72, BStBl. II 1976, 670; BFH v. 24.6.1976 – IV R 200/72, BStBl. II 1976, 672; Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 16 EStG F 22; a.A.: Rapp in Littmann/ Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 80. 3 BFH v. 3.10.1984 – I R 116/81, BStBl. II 1985, 131 (132) = FR 1985, 160; BFH v. 28.9.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276 (278 f.) = FR 1996, 145; BFH v. 26.2.1997 – X R 31/95, BStBl. II 1997, 561 (563 f.) = GmbHR 1997, 715; BFH v. 14.3.2006 – VIII R 80/03, BStBl. II 2006, 591 = GmbHR 2006, 778; ausführlich hierzu Stahl, KÖSDI 2006, 15125. 4 Dieses Tatbestandsmerkmal sieht der BFH selbst dann als erfüllt an, wenn ein Betrieb im Zuge einer (fehlgeschlagenen) Betriebsaufspaltung in (auf die Betriebsgesellschaft übereignete) bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens einerseits und (bei der Besitzgesellschaft zurückbehaltene) verpachtete Wirtschaftsgüter andererseits aufgeteilt wird und hierdurch bei den jeweiligen Einzelwirtschaftsgütern zum Teil ein Eigentümerwechsel eintritt, vgl. BFH v. 11.5.1999 – VIII R 72/96, BStBl. II 2002, 722 = GmbHR 1999, 873; darüber hinaus nimmt der BFH auch bei erheblicher Verkleinerung und Strukturänderung eines Betriebs keine Betriebsaufgabe an, sofern keine ausdrückliche Aufgabeerklärung des Steuerpflichtigen vorliegt, vgl. BFH v. 18.3.1999 – IV R 65/98, BStBl. II 1999, 398 (399) = FR 1999, 814 m. Komm. Kanzler; BMF v. 1.12.2000 – IV A 6 S 2242 - 16/00, BStBl. I 2000, 1556; vertiefend hierzu Märkle, BB 2002, 17. 5 BFH v. 11.5.1999 – VIII R 72/96, BStBl. II 2002, 722 (724) = GmbHR 1999, 873; BFH v. 21.3. 2002 – IV R 1/01, BStBl. II 2002, 519 (520 f.) = FR 2002, 999 m. Komm. Seeger. 6 Vgl. z.B. zum Fall der Betriebsverpachtung BFH v. 28.8.2003 – IV R 20/02, BFH/NV 2003, 1495 (1496) = FR 2003, 1166; BFH v. 20.6.2000 – VIII R 18/99, BFH/NV 2001, 31 (32).
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BFH-Rechtsprechung aus Nachweisgründen so lange von einer Fortführungsabsicht auszugehen, bis der Steuerpflichtige klar und eindeutig erklärt, er werde die gewerbliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen,1 seit Veranlagungszeitraum 2011 ist eine ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung bei Betriebsunterbrechung gem. § 16 Abs. 3b EStG notwendig. Steht hingegen fest, dass eine Betriebsfortführung auf Dauer nicht möglich sein wird, handelt es sich um eine Betriebsaufgabe oder um eine allmähliche Abwicklung.2 9.267
Neben der reinen Betriebsunterbrechung unter Zurückbehaltung der wesentlichen Betriebsgrundlagen („Betriebsunterbrechung im engeren Sinn“) besteht die Möglichkeit zur Betriebsverpachtung im Ganzen („Betriebsunterbrechung im weiteren Sinn“). Eine Betriebsverpachtung im Ganzen liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen seines Gewerbebetriebs einem Dritten zur Nutzung überlässt und objektiv die Möglichkeit besteht, den Betrieb später identitätswahrend fortzuführen.3 Es darf durch die Verpachtung aber keine Betriebsaufspaltung entstehen und die Verpächterleistungen dürfen keine solchen Sonderleistungen enthalten, die ihrerseits als gewerbliche Betätigung qualifiziert werden könnten. Die für die Verpachtung wesentlichen Betriebsgrundlagen sind rein funktional zu bestimmen, Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven aber ohne funktionale wesentliche Bedeutung können zurückbehalten werden, verlieren hierdurch aber nicht ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen.4 Der Betrieb kann auch dann fortgeführt werden, wenn eine wesentliche Betriebsgrundlage zerstört und der Betrieb erst nach deren Wiederherstellung oder Anschaffung oder Herstellung einer funktionsgleichen Betriebsgrundlage wieder aufgenommen werden kann.5 Allerdings hat der Steuerpflichtige in diesem Fall die Möglichkeit, die Betriebsaufgabe zu erklären („Verpächterwahlrecht“), seit dem 5.11.2011 gem. § 16 Abs. 3b EStG.6 Im Falle der Betriebsverpachtung ist nach der bisherigen Rechtsprechung und dem 2011 eingefügten § 16 Abs. 3b EStG grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung so lange von einer Fortführung des Betriebs auszugehen, wie eine Betriebsaufgabe nicht ausdrücklich erklärt worden ist und die Möglichkeit besteht, den Betrieb fortzuführen.7 Eine sehr langfristige Betriebsverpachtung bewirkt für sich also keine Betriebsaufgabe. Das „Verpächterwahlrecht“ kann bei Personengesellschaften nur einheitlich ausgeübt werden.8 Eine Betriebsaufgabe in diesen Fällen erfordert eine eindeutige Aufgabeerklärung gegenüber dem Finanzamt, die rechtsgestaltender Natur ist und auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt mit steu1 BFH v. 11.5.1999 – VIII R 72/96, BStBl. II 2002, 722 (724) = GmbHR 1999, 873 m.w.N.; nach den Ausführungen des BFH kann in der bloßen Angabe von Einkünften als solche aus Vermietung und Verpachtung in den Steuererklärungen noch keine eindeutige Willensäußerung des Steuerpflichtigen gesehen werden, dass er die stillen Reserven nunmehr aufdecken wolle; vgl. auch BFH v. 19.7.2007 – XI B 188/06, BFH/NV 2007, 1885 (1886 f.). 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 182. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 696 m.w.N. 4 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 697; vgl. BFH v. 19.2.2004 – III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231 (1233) m.w.N.; BFH v. 11.10.2007 – X R 39/04, BStBl. II 2008, 220 = GmbHR 2008, 271 m. Komm. Bitz. 5 BFH v. 17.10.1991 – IV R 97/89, BStBl. II 1992, 392 (394) = FR 1992, 160. 6 Vgl. zur vorhergehenden Rechtslage R 16 Abs. 5 Satz 1 EStR 2008. 7 BFH v. 19.3.2009 – IV R 45/06, BStBl. II 2009, 902 = FR 2010, 35 m. Komm. Kanzler. 8 BFH v. 17.4.1997 – VIII R 2/95, BStBl. II 1998, 388 (391) = FR 1998, 17.
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erlicher Wirkung zurückgenommen werden kann.1 Die Aufgabeerklärung wird mit Zugang beim Finanzamt wirksam. Sie kann bis zu 3 Monate rückbezogen werden (§ 16 Abs. 3b Satz 2 EStG). Der bisherige Streit, ob ein solcher Rückbezug auch anzuerkennen ist, wenn erhebliche Wertsteigerungen im Rückbezugszeitraum eingetreten sind, ist damit erledigt.2 Die Möglichkeit, bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen zwischen der Aufgabe des Betriebs i.S. des § 16 Abs. 3 EStG und der Fortführung des Gewerbebetriebs wählen zu können,3 besteht allerdings nur bei nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften. Bei gewerblich geprägten Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG führen Einkünfte aus der Verpachtung des Betriebs hingegen jedenfalls weiterhin zu gewerblichen Einkünften.
9.268
Der Strukturwandel eines Gewerbebetriebs in einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bzw. der selbständigen Arbeit oder umgekehrt sowie zwischen verschiedenen Branchen innerhalb derselben Einkunftsart (z.B. eines Gewerbebetriebs vom Produktions- zum Handelsbetrieb) führt nach Auffassung des BFH grundsätzlich nicht zur Betriebsaufgabe,4 da sich – ohne eine Entnahmehandlung – lediglich die steuerrechtliche Beurteilung ändert.5 Entsprechendes soll gelten, wenn sich die bisherige betriebliche Tätigkeit dergestalt ändert, dass nach den von der Rechtsprechung entwickelten „Liebhaberei-Grundsätzen“ nicht mehr von einer einkunftsrelevanten Tätigkeit auszugehen ist (Beurteilungswandel). So bleiben z.B. im Falle des Wandels eines Gewerbebetriebs zur Liebhaberei die bisher in dem Betrieb genutzten Wirtschaftsgüter zunächst Betriebsvermögen. Die zum Zeitpunkt der Beendigung der einkunftsrelevanten Tätigkeit vorhandenen stillen Reserven werden erst aufgedeckt, wenn die Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen werden oder der Betrieb tatsächlich aufgegeben wird.6
9.269
1 Vgl. zu Form und Wirksamkeitsvoraussetzungen vor und nach 2011 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 711 m.w.N.; zur Rechtslage vor 2011 BFH v. 22.9.2004 – III R 9/03, BStBl. II 2005, 160 = GmbHR 2005, 246; Schuster, FR 2007, 584. 2 Ebenso Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 711 m.w.N. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen BFH v. 17.4.1997 – VIII R 2/95, BStBl. II 1998, 388 (390 ff.) = FR 1998, 17. 4 BFH v. 7.10.1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (170 ff.); Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 84 m.w.N.; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 177 m.w.N. 5 Auch dieser Rechtsprechung liegt das Prinzip der Besteuerung der verwirklichten Gewinne unter Außerachtlassung nur buchmäßiger Gewinne zugrunde, vgl. Rapp in Littmann/Bitz/ Pust, § 16 EStG Rz. 84. 6 BFH v. 29.10.1981 – IV R 138/78, BStBl. II 1982, 381 (382 ff.) = FR 1982, 176; BFH v. 13.12. 2001 – IV R 86/99, BStBl. II 2002, 80 (81) = FR 2002, 351 m. Komm. Kanzler; der BFH verfolgt insofern den Grundsatz der Besteuerung nur verwirklichter Gewinne, der auch der Rechtsprechung zur Betriebsverpachtung und zum Strukturwandel zugrunde liegt. Hiernach soll eine Besteuerung erheblicher Gewinne aus der Auflösung stiller Reserven vermieden werden, wenn diese Gewinne nicht realisiert, sondern nur buchmäßig in Erscheinung getreten sind, vorausgesetzt, die Erfassung der stillen Reserven bleibt gesichert; verfahrensrechtlich erfolgt eine gesonderte und einheitliche Ermittlung der stillen Reserven im Betriebsvermögen zum Zeitpunkt des Beurteilungswandels, vgl. § 8 der Verordnung über die ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung v. 19.12.1986, BGBl. I 1986, 2663.
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6. Realteilung a) Definition, Anwendungsfälle und Abgrenzungen 9.270
Eine weitere mögliche Form der Betriebsaufgabe einer gewerblichen GmbH & Co. KG ist die Naturalteilung ihres Gesellschaftsvermögens (sog. Realteilung). Nach Auflösung der Gesellschaft (§§ 161 Abs. 2, 131 HGB) verkörpert diese eine andere Art der Auseinandersetzung als die der Liquidation (§§ 161 Abs. 2, 145 HGB). Dies kann zivilrechtlich durch bloße Auflösung der Gesellschaft und Auseinandersetzung durch Verteilung des Gesellschaftsvermögens erfolgen (§§ 161 Abs. 2, 145 Abs. 1 HGB) sowie z.B. auch durch Aufspaltung des Gesellschaftsvermögens gem. § 123 Abs. 1 UmwG im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge. Es ist grundsätzlich nicht relevant, ob die real zu teilende Gesellschaft gewerblich, freiberuflich oder land- und forstwirtschaftlich tätig ist oder ob es sich um eine ausländische Mitunternehmerschaft handelt.1 Darüber hinaus kann auch eine Innengesellschaft real geteilt werden (z.B. atypisch Stille Gesellschaft, Erbengemeinschaft mit Betriebsvermögen). Der typische Fall der Realteilung stellt sich wie folgt dar. Beispiel
9.271
Die AB-Brauerei-GmbH & Co. KG produzierte bislang verschiedene Biersorten. Ihr Betriebsvermögen besteht aus den Produktionsanlagen (Grund und Boden, Gebäude, Brauerei-Anlagen) und einigen weiteren Grundstücken, die bislang an Dritte verpachtet wurden. B verspricht sich von einem weiteren Engagement im Brauereigeschäft keinen wirtschaftlichen Erfolg. Er bevorzugt demgegenüber eine Konzentration auf die gewerbliche Entwicklung von Immobilien. A hingegen beabsichtigt, weiterhin im Brauereigeschäft tätig zu sein. A und B beschließen daraufhin, die gemeinsame Geschäftstätigkeit zu beenden. Zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres soll die Gesellschaft aufgelöst werden. Die Auseinandersetzung der Gesellschaft soll dadurch erfolgen, dass A und B jeweils Teile des Gesamthandsvermögens der AB-Brauerei-GmbH & Co. KG erhalten, deren Wert demjenigen ihrer Gesellschaftsbeteiligung entspricht. A erhält die Produktionsanlagen der Brauerei nebst zugehörigem Grund und Boden sowie Fabrikgebäuden, während B die verpachteten Grundstücke erhält. Beide übernehmen die betreffenden Wirtschaftsgüter in ihre jeweiligen gewerblichen Einzelunternehmen.
9.272
Systematisch führt die Verteilung des Gesamthandsvermögens an die Mitunternehmer grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung, da die Mitunternehmerschaft als „partielles Steuerrechtssubjekt“ (s. hierzu Rz. 6.487) und Trägerin des Betriebsvermögens hierdurch aufgelöst und beendet wird. Im Zuge dieser Betriebsaufgabe gilt das Betriebsvermögen der Gesellschaft als an die einzelnen Mitunternehmer übereignet, so dass grundsätzlich eine Betriebsaufgabe vorliegt.2 In Fällen der Übertragung des real geteilten Betriebsvermögens in eigene Betriebsvermögen der Mitunternehmer allerdings hatte der BFH ursprünglich auf Basis des durch ihn entwickelten „finalen Entnahmebegriffs“3 ein Wahlrecht zur ertragsteuerneutralen
1 Vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 538; OFD Berlin v. 5.12.1996 – St 447 - S 2243 - 1/87, DB 1997, 450; beachte aber „Entstrickungsregelung“ gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. 2 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BStBl. II 1982, 456 (457) = FR 1982, 279; BFH v. 29.4.2004 – IV B 124/02, BFH/NV 2004, 1395. 3 Vgl. zur Rechtsentwicklung Heinicke in Schmidt, § 4 EStG Rz. 326 ff. m.w.N.
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Einkommensteuer
Buchwertfortführung angenommen.1 Dies galt sowohl bei Übertragung von Teilbetrieben als auch von einzelnen Wirtschaftsgütern.2 Im Zuge des StEntlG3 wurde die steuerliche Realteilung in § 16 Abs. 3 Satz 2–4 EStG mit Wirkung ab dem 1.1. 1999 gesetzlich geregelt. Hiernach war eine ertragsteuerneutrale Realteilung nur noch bei Übertragung von Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen möglich. Durch das UntStFG4 wurde die zunächst systematisch nicht mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG abgestimmte Norm in die zurzeit gültige Regelung geändert, wonach wiederum auch die Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern begünstigt ist.5 Auf Grundlage der Neuregelung besteht in den einschlägigen Fällen nunmehr ein Zwang zur Buchwertfortführung. Eine ertragsteuerneutrale Realteilung ist hiernach grundsätzlich nicht nur möglich, sondern geboten, wenn Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen werden, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Dies soll nach Auffassung der Finanzverwaltung jedenfalls dann gelten, wenn mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage6 nach der Realteilung noch Betriebsvermögen eines Realteilers darstellt, so dass auch nicht jeder Realteiler wesentliche Betriebsgrundlagen erhalten muss. Damit ist jedenfalls die Entnahme auch wesentlicher Wirtschaftsgüter im Zuge einer Realteilung in das Privatvermögen der Realteiler grundsätzlich unschädlich, solange mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage in einem Betriebsvermögen verbleibt.7 Eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter i.d.S. ist auch dann gegeben, wenn eine Verbindlichkeit der Mitunternehmerschaft auf einen Realteiler übertragen wird.8 Während eine gemeinsame Übertragung von (positiven) Einzel-Wirtschaftsgütern und Verbindlichkeiten nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nach Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung eine Teilentgeltlichkeit und demzufolge eine partielle Gewinnrealisierung zur Folge hat („Trennungstheorie“),9 führt dies im Falle der Real1 Rechtsgrundlage dieses Wahlrechts war nach Auffassung von Rechtsprechung (BFH v. 10.12.1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385 [387] = FR 1992, 368) und Finanzverwaltung (BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Tz. 24.18 [Umwandlungssteuererlass alt]) eine sinngemäße Anwendung von § 24 UmwStG, vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 530. 2 BFH v. 23.3.1995 – IV R 93/93, BStBl. II 1995, 700 (701 f.) = GmbHR 1995, 918. 3 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 4 UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 5 Das geltende Recht ist erstmals auf Realteilungen nach dem 31.12.2000 anzuwenden (§ 52 Abs. 34 Satz 4 EStG). Zur Rechtsentwicklung s. den Überblick bei Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 530–532. 6 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. I. Der Begriff der „wesentlichen Betriebsgrundlage“ in diesem Kontext soll sich entsprechend der Auslegung nach der sog. „funktional-quantitativen“ Betrachtungsweise bestimmen lassen; s. hierzu vorstehend Rz. 9.249 ff. 7 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. I; kritisch zu der Frage der Abgrenzung der Realteilung zur Betriebsaufgabe im Extremfall der Übertragung nur einer wesentlichen Betriebsgrundlage in ein Betriebsvermögen bei ansonsten vollständiger Entnahme der restlichen Wirtschaftsgüter in die Privatvermögen der Realteiler Paus, DStZ 2006, 285. 8 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 545 m.w.N. 9 S. ausführlich zum Streitstand der Trennungstheorie Beschluss des BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, GmbHR 2014, 876 m. Komm. Keller/Sundheimer = DStRE 2014, 1025.
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teilung gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG nicht zur Gewinnrealisierung.1 Die Zerschlagung der Sachgesamtheit „Betrieb“ im Rahmen der Realteilung rechtfertigt es nach Auffassung des BFH vielmehr, in diesen Fällen die Grundsätze der „Einheitstheorie“ anzuwenden, wonach die mit den aktiven Wirtschaftsgütern zusammenhängenden Schulden als unselbständige Bestandteile der jeweiligen Organisationseinheit bzw. des jeweiligen Sondervermögens (Gesamthandsvermögens) zu beurteilen sind („Nettobetrachtung“).2 Demzufolge wird die Übernahme von Schulden im Rahmen der Realteilung nicht als Entgelt für die Übertragung anderer Wirtschaftsgüter angesehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den vom Realteiler übernommenen Wirtschaftsgütern stehen oder ob sie in inkongruentem Verhältnis zur jeweiligen Beteiligung des Realteilers am Gesellschaftsvermögen übertragen werden.3 9.274
Problematisch ist der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG. Hiervon erfasst wird jedenfalls der eingangs geschilderte Beispielsfall einer Auseinandersetzung durch Verteilung des betrieblichen Vermögens an die Mitunternehmer.4 Da jedoch keine gesetzliche Definition des Begriffs der Realteilung existiert, ist eine Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG auf darüber hinaus mögliche Fälle mitunter äußerst umstritten. Kern der Meinungsverschiedenheiten ist insbesondere die Anwendung von § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG auf zwei Fallgruppen, nämlich zum einen (1) die Übertragung von Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen anderer Mitunternehmerschaften und zum anderen (2) die Übertragung von Betriebsvermögen aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft, mit anderen Worten, ob für das Ausscheiden eines Gesellschafters gleichwohl die Realteilungsgrundsätze mit der Folge der Buchwertfortführung angewandt werden können, obwohl die KG weiter besteht. In beiden Fällen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Realteilung i.S.v. § 16 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG gegeben.5
9.275
Demgegenüber sieht ein Teil der Literatur in der Auflösung und Beendigung einer Mitunternehmerschaft durch Übertragung des Betriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft auf mehrere personenidentische6 Folgegesellschaften einen Anwendungsfall der Realteilung, wenngleich der enge Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG eine Übertragung der Wirtschaftsgüter „in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer“ verlangt.7 Entsprechend der vorstehenden Sichtweise gibt es Literaturstimmen, die in dem Ausscheiden mehrerer Mitunterneh1 Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 189b; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 545; Brandenberg, DStZ 2002, 595; Ostermayer/Riedel, BB 2003, 1305 (1308). 2 BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420 (423 f.) = GmbHR 2002, 284 m. Komm. Hoffmann; Brandenberg, DStZ 2002, 595. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 545 m.w.N.; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 189b. 4 Vgl. etwa Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 535; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 540. 5 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. II. und IV.1. 6 Dies soll auch bei geänderten Beteiligungsverhältnissen gelten. 7 Dem engen Wortlaut folgend – also nur Übertragung in Einzelbetriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen des Realteilers – BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. IV.1; auch die Übertragung in ein Gesamthandsvermögen/Schwester-Mitunternehmerschaft zulassend etwa Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 546 m.w.N.; Schell, BB 2006, 1026 (1027).
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mer aus einer Mitunternehmerschaft und der Gründung einer neuen Mitunternehmerschaft, auf die ein Teil des Betriebsvermögens der ursprünglichen Mitunternehmerschaft übertragen wird, einen Anwendungsfall der steuerlichen Realteilung sehen.1 Teilweise wiederum wird einschränkend angenommen, dass derartige Sachverhalte aus systematischen Gründen nur insoweit von § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG erfasst werden, als der oder die Mitunternehmer der zu teilenden Mitunternehmerschaft allein vermögensmäßig an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind, auf die das Betriebsvermögen übertragen wird, da insofern eine Gleichstellung des betrieblichen Gesamthandsvermögens der aufnehmenden Mitunternehmerschaft mit dem gesetzlich geforderten „Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer“ gerechtfertigt erscheine.2 Demgegenüber bestehen abweichende Literaturmeinungen, die einen Vermögensübergang in ein anderes Gesamthandsvermögen entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung für die Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG bereits aufgrund des gesetzlichen Wortlauts grundsätzlich nicht für ausreichend halten.3 Als weiteres Argument wurde bisher bei einer ertragsteuerneutralen Übertragung von Betriebsvermögen auf eine Schwester-Mitunternehmerschaft herangezogen, dass die wertungsgleiche, die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern betreffende Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (s. hierzu Rz. 11.301 ff., 11.327 ff.) eine direkte Übertragung in das Betriebsvermögen einer Schwester-Personengesellschaft nicht zulassen solle. Diese Frage ist derzeit Gegenstand einer Vorlage des ersten Senats des BFH zum Bundesverfassungsgericht und die Entscheidung dort wird sich auf die hier erforderliche Auslegung wegen des gleichen Regelungszwecks auswirken.4 Unstreitig hinreichend für die Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ist demgegenüber die Übertragung von Betriebsvermögen in ein Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers bei einer anderen Mitunternehmerschaft.5 Von den Befürwortern der Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG auf die Übertragung von Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft wird angeführt, dass das hierdurch beabsichtigte Ergebnis auch durch bestimmte Alternativgestaltungen erreicht werden kann, z.B. durch die vor der Realteilung vorgenommene Einbringung des Mitunternehmeranteils in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft und die anschließende Realteilung mit der anderen Mitunternehmerschaft als Realteiler, wobei über solchen Übertragungsabfolgen das Damoklesschwert der Gesamtplanrechtsprechung hängt.6 1 Für die Annahme einer steuerlichen Realteilung Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 540, der hierin wirtschaftlich die Auflösung der Mitunternehmerschaft unter Verteilung ihres Betriebsvermögens auf zwei nicht personenidentische Folgegesellschaften sieht; darüber hinaus vertritt er die Auffassung, dass in diesen Fällen das Wahlrecht zum Teilwertansatz gem. § 24 UmwStG besteht. 2 Insofern differenzierend Carlé/Bauschatz, KÖSDI 2002, 13133 (13142); Schulze zur Wiesche, DB 2006, 921 (922). 3 Brandenberg, DStZ 2002, 595. 4 BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, GmbHR 2013, 1210 = DStR 2013, 2158. 5 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. IV.1.; Brandenberg, DStZ 2002, 595. 6 Vgl. z.B. Schulze zur Wiesche, DB 2006, 921 (922); dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass dieses Modell nur dann sinnvoll ist, wenn auch die vorherige Einbringung des Mitunternehmeranteils in die andere Mitunternehmerschaft steuerneutral erfolgen kann. Da-
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Beispiel 9.276
An der DE-GmbH & Co. KG sind die Kommanditisten D und E beteiligt. Im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft befindet sich ein Grundstück, das dauerhaft an die EF-GmbH & Co. KG für deren betriebliche Zwecke verpachtet wird. An der EF-GmbH & Co. KG ist E ebenfalls als Kommanditist beteiligt. Zum Ende des laufenden Geschäftsjahres wird die DE-GmbH & Co. KG aufgelöst und das Vermögen real unter D und E aufgeteilt. Dabei soll E u.a. das verpachtete Grundstück erhalten. Der Pachtvertrag soll bestehen bleiben, wodurch E in die Rechtsstellung der DE-GmbH & Co. KG als Verpächter eintritt. Auf den vorstehenden Fall ist § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG anzuwenden. Steuerrechtlich ist davon auszugehen, dass das Grundstück als Einzelwirtschaftsgut im Zuge der Realteilung in das Sonderbetriebsvermögen des E an der EF-GmbH & Co. KG übergeht, da er es an diese für deren betriebliche Zwecke überlässt (SBV I; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG) (s. hierzu Rz. 6.534). Hierdurch ist entsprechend dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG insoweit gewährleistet, dass die Wirtschaftsgüter der DE-GmbH & Co. KG in das „jeweilige Betriebsvermögen“ der Mitunternehmer übergehen. Die Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ist in diesem Fall vorrangig gegenüber § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG anzuwenden, da die Übertragung des Wirtschaftsguts im Rahmen einer Realteilung erfolgt, so dass § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG insofern als Spezialregelung anzusehen ist.1
9.277
Ebenfalls schwierig ist die Abgrenzung der Realteilung zur Sachwertabfindung.2 Diese wird allgemein angenommen, wenn ein Mitunternehmer aus der im Übrigen fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidet und ihm hierfür Sachwerte der Gesellschaft übertragen werden. Während die steuerliche Realteilung traditionell eine Auflösung und Beendigung der Mitunternehmerschaft voraussetzt,3 wird die Mitunternehmerschaft im Fall der Sachwertabfindung regelmäßig nicht beendet, sondern ohne den ausscheidenden Gesellschafter fortgeführt.4 Demzufolge lehnen einige Literaturstimmen die Subsumtion der Sachwertabfindung unter die Regelungen zur steuerlichen Realteilung auch grundsätzlich ab.5 Nach einer auch in der jüngere Rechtsprechung vertretenen Auffassung6 wird die Sachwertabfindung hingegen dann als Unterfall der Realteilung angesehen, wenn auf den ausscheidenden Mitunternehmer Sachgesamtheiten, also insbesondere Teilbetriebe
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bei sind neben ertragsteuerlichen Effekten gegebenenfalls auch grunderwerbsteuerliche Wirkungen zu beachten; vgl. des Weiteren Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 546; auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 548. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. I.; zur Konkurrenz von § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vgl. z.B. Carlé/Bauschatz, KÖSDI 2002, 13133 (13137 ff.); Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 187l. Ausführlich hierzu Schulze zur Wiesche, Stbg 2006, 374. Nach Auffassung jener, die eine Subsumtion der Sachwertabfindung unter die Regelungen zur Realteilung ablehnen, erfolgte die Regelung der steuerlichen Realteilung systematisch bewusst im Kontext der Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG, so dass die Realteilung jedenfalls die Beendigung der Mitunternehmerschaft voraussetzt, vgl. Reiß in Kirchhof, § 16 EStG Rz. 235; wohl auch BFH v. 29.4.2004 – IV B 124/02, BFH/NV 2004, 1395. Etwas anderes gilt nur im Falle des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters gegen Sachwertabfindung, weil auch in diesem Fall die Gesellschaft beendet und deren Vermögen verteilt wird. Reiß in Kirchhof, § 16 EStG Rz. 235; Brandenberg, DStZ 2002, 595 (596); Hörger in Littmann/Blitz/Pust, § 16 EStG Rz. 197n. FG Münster v. 29.1.2015 – 12 K 3033/14 F, BB 2015, 816; FG Hamburg v. 18.4.2012 – 3 K 89/11, EFG 2012, 1744.
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oder Mitunternehmeranteile, übertragen werden, da hierdurch eine Teilbetriebsaufgabe gegeben sei.1 Schließlich gibt es auch Meinungen, welche die Sachwertabfindung generell von den Regelungen zur steuerlichen Realteilung erfasst sehen.2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung repräsentiert das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer von den verbleibenden Mitunternehmern fortgeführten Mitunternehmerschaft jedenfalls keinen Fall der Realteilung.3 Sofern der betreffende Mitunternehmer hierfür eine Sachwertabfindung erhält, ist hierauf bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen § 6 Abs. 3 EStG oder § 6 Abs. 5 EStG anzuwenden.4 Praxishinweis: Aufgrund der trotz des hierzu ergangenen BMF-Schreibens nicht in jedem Fall abschließend klaren steuerlichen Rechtslage sollte vor einer entsprechenden Umstrukturierung in Zweifelsfällen versucht werden, eine verbindliche Auskunft der zuständigen Finanzbehörde einzuholen.
9.278
Keine Realteilung ist das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer Mitunternehmerschaft gegen Barabfindung, da der Ausscheidende kein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens übernimmt.5 Ebenfalls nicht als Realteilung anzusehen ist die Auseinandersetzung zweier beteiligungsidentischer Mitunternehmerschaften in der Weise, dass ein Mitunternehmer den Betrieb der einen Mitunternehmerschaft und der andere den Betrieb der anderen als Einzelunternehmen fortführt, da beide Mitunternehmerschaften insofern nicht als Einheit gesehen werden können.6
9.279
b) Rechtsfolgen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Realteilung vor, sind in der Gewinnermittlung der real zu teilenden Mitunternehmerschaft die in die jeweiligen Betriebsvermögen der Mitunternehmer übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend mit ihren Buchwerten anzusetzen. In den Eröffnungsbilanzen der übernehmenden Mitunternehmer sind die Wirtschaftsgüter dementsprechend ebenfalls mit diesen Buchwerten zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 EStG). Der übernehmende Mitunternehmer tritt z.B. für Zwecke der AfA in vollem Umfang in die Rechtsstellung der Personengesellschaft ein.
9.280
Im (seltenen) Idealfall stimmen dabei die Kapitalkonten der einzelnen Mitunternehmer mit den Buchwerten der durch sie übernommenen Wirtschaftsgüter überein und entsprechen die Verkehrswerte dieser Wirtschaftsgüter den Anteilen der Mitunternehmer am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft. Unter diesen Voraussetzungen sind zur Gewährleistung einer proportionalen Auseinandersetzung keine Ausgleichszahlungen zwischen den Gesellschaftern erforderlich. Zumeist jedoch weichen diese Beträge voneinander ab, so dass im Zuge einer Auseinanderset-
9.281
1 Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 542; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 536 m.w.N. 2 Z.B. Blumers/Beinert/Witt, BB 1999, 1786, insbesondere mit Verweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/265 v. 13.1.1999, S. 179); Engl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 10 Rz. 307. 3 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. II. 4 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. II. 5 BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 (270) = FR 1998, 887. 6 BFH v. 20.2.2003 – III R 34/01, BStBl. II 2003, 700 (701) = FR 2003, 658 m. Komm. Wendt.
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zung neben der Zuteilung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens auch bare Ausgleichszahlungen (Spitzenausgleich) zwischen den Gesellschaftern geleistet werden. Daneben kann ein Spitzenausgleich auch für Steuerbelastungsdivergenzen geleistet werden, weil die Gesellschafter im Rahmen der Realteilung des Gesamthandsvermögens Wirtschaftsgüter mit unterschiedlich hohen stillen Reserven erhalten und folglich unterschiedlich hohe zukünftige Steuerbelastungen übernehmen. Nach Auffassung des BFH1 liegt dieser Vorgang außerhalb des gewerblichen Bereichs und stellt sich als Gewinnverwendung dar, die keinen Zusammenhang mit der Realteilung aufweist. Entgegen dieser Ansicht sieht die h.A. in der Literatur2 auch hierin einen Gewinn des den Ausgleich empfangenen Gesellschafters. Beispiel 9.282
In dem eingangs gegebenen Beispiel (s. Rz. 9.271) der AB-Brauerei-GmbH & Co. KG sind die Kommanditisten A und B zu jeweils 50 % vermögensmäßig an der Gesellschaft beteiligt. Ihre Kapitalkonten betragen jeweils 1 000 000 Euro, der Verkehrswert ihrer Beteiligung beträgt jeweils 4 000 000 Euro. Die von A übernommenen Produktionsanlagen nebst Grund und Boden sowie Gebäuden sind mit einem Buchwert von 500 000 Euro bilanziert; ihr Verkehrswert beträgt 3 000 000 Euro. Die von B übernommenen Grundstücke sind mit einem Buchwert von 1 500 000 Euro bilanziert; ihr Verkehrswert beträgt 5 000 000 Euro. Da B mit den Grundstücken wertmäßig über seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen liegende Wirtschaftsgüter erhält, hat er an A einen Wertausgleich i.H.v. 1 000 000 Euro zu leisten.
9.283
Aus der Vereinbarung eines Spitzenausgleichs resultieren zwei Problembereiche. Zum einen entsteht durch die bare Ausgleichszahlung ein Veräußerungsgewinn, auf den die Realteilungsgrundsätze nicht anzuwenden sind. Zum anderen besteht bei den Realteilern ein bilanzielles Problem, da die Buchwerte der von den Gesellschaftern übernommenen Wirtschaftsgüter nicht deren Kapitalkonten entsprechen. Die sich hieran anschließenden Rechtsfragen werden von Finanzverwaltung und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.
9.284
Nach Auffassung der Finanzverwaltung und der dieser folgenden h.A. in der Literatur ist die Realteilung einer Personengesellschaft unter Fortführung der Buchwerte gegen Spitzenausgleich in zwei rechtlich selbständige Vorgänge, nämlich in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen, aufzuteilen.3 Der Spitzenausgleich, der den entgeltlichen Erwerb begründet, bezieht sich dabei auf das „Mehr“, welches ein Mitunternehmer im Rahmen der Realteilung über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen hinaus erhält. Demzufolge soll bei der Ermittlung des hierbei entstehenden Veräußerungsgewinns dem Spitzenausgleich als Veräußerungserlös der anteilige Buchwert des veräußerten Vermögens gegenüberzustellen sein. Auf das obige Beispiel bezogen bedeutet dies, dass B aufgrund seines Kapitalkontos wertmäßig 4 000 000 Euro am Gesellschaftsvermögen zustehen, er durch Zuteilung der Grundstücke im Rahmen der Realteilung jedoch 5 000 000 Euro, d.h. 1 000 000 Euro mehr, 1 Vgl. BFH v. 10.2.1972 – IV 317/65, BStBl. II 1972, 419 (422). 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 548 m.w.N. 3 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VI; vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 549; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 555 m.w.N.
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erhält. Diesen Betrag (1/ 3 der Grundstückswerte) zahlt er als Spitzenausgleich in bar an A. Nach Auffassung der Finanzverwaltung erwirbt B demnach 1/ 3 der Grundstücke unentgeltlich im Zuge der Realteilung und 1/ 3 entgeltlich durch Spitzenausgleich. Dem Spitzenausgleich i.H.v. 1 000 000 Euro steht ein anteiliger Buchwert der Grundstücke i.H.v. 300 000 Euro gegenüber (1/ 3 von 1 500 000 Euro), so dass A einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.H.v. 700 000 Euro erzielt. Dieser Veräußerungsgewinn soll nach neuerer Auffassung der Finanzverwaltung ein laufender Gewinn sein, d.h. eine Begünstigung gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG kommt hierfür nicht in Betracht.1 Der Veräußerungsgewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer, es sei denn, er entfällt gem. § 7 Satz 2 GewStG nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligten Mitunternehmer.2 Nach Auffassung der Rechtsprechung zum Gesetzesstand bis 1998 handelte es sich demgegenüber bei dem Spitzenausgleich um einen Forderungsverkauf.3 Die Realteilungsvereinbarung trete als gesonderte Vereinbarung neben die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Konkretisierung des Auseinandersetzungsanspruchs und ändere zum einen die Art der Erfüllung dieses Anspruchs, indem an die Stelle des auf Geld gerichteten Auseinandersetzungsanspruchs ein Anspruch auf Übereignung bestimmter Wirtschaftsgüter tritt. Zum anderen ändere sie die Höhe des Anspruchs insoweit, als die Gesellschaft berechtigt wird, den aus der handelsrechtlichen Realteilungsbilanz abgelei-teten Auseinandersetzungsanspruch gegenüber einem Gesellschafter nicht vollständig und gegenüber dem anderen Gesellschafter überschießend zu erfüllen. Gleichzeitig enthalte die Realteilungsvereinbarung eine Abtretung dieses geänderten Auseinandersetzungsanspruchs in Höhe der Wertdifferenz zwischen der Summe der Verkehrswerte der übernommenen Wirtschaftsgüter und dem ursprünglichen (gesellschaftsvertraglichen) Auseinandersetzungsanspruch von dem durch die Zuteilung begünstigten an den hierdurch benachteiligten Gesellschafter. Dieser Forderungsverkauf führt nach Ansicht des BFH zur alten Rechtslage beim ausgleichsberechtigten Gesellschafter in voller Höhe des Spitzenausgleichs zu Betriebseinnahmen; eine anteilige Gegenrechnung der Buchwerte – wie sie die Finanzverwaltung und die h.A. in der Literatur propagiert – findet nicht statt. Am obigen Beispiel ausgerichtet würde dies bedeuten, dass A einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.H.v. 1 000 000 Euro erzielt. Eine Begünstigung gem. §§ 16, 34 EStG kommt vorliegend nicht in Betracht, da hierfür nach ständiger Rechtsprechung alle stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufzulösen wären.4 Ob diese Auffassung weiter Anwendung finden kann, ist nach der Entwicklung der neueren Rechtsprechung zweifelhaft.5 Jedenfalls für den Fall, dass der Spitzenausgleich den Gesamtbuchwert nicht übersteigt, könnte die anteilige Gewinnrealisierung ausgeschlossen sein.6 1 2 3 4
Vgl. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VI. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VI. BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607 (612) = FR 1993, 463 m. Komm. Schmidt. BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607 (612 f.) = FR 1993, 463 m. Komm. Schmidt. 5 BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, DStR 2012, 2051; Streitstand der Trennungstheorie BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, GmbHR 2014, 876 m. Komm. Keller/Sundheimer = DStRE 2014, 1025. 6 Ablehnend Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 549 m.w.N. zur Literatur.
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Neben der Besteuerung des Spitzenausgleichs stellt sich das Problem, dass die Summen der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter zumeist nicht der Höhe der jeweiligen Kapitalkonten der Gesellschafter entsprechen. Dies beruht zum einen auf dem Umstand, dass die Wirtschaftsgüter zweckmäßigerweise auf der Grundlage der jeweiligen Verkehrswerte zugeteilt, die Kapitalkonten hingegen durch die jeweiligen Buchwerte bestimmt werden, bei denen die stillen Reserven regelmäßig nicht gleichmäßig verteilt sind. Zum anderen kann hierfür die ungleichmäßige Zuteilung von Wirtschaftsgütern verantwortlich sein, die schließlich zur Vereinbarung eines Spitzenausgleichs führt. Zur Gewährleistung der Buchwertfortführung sind die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter und die Kapitalkonten der Gesellschafter bei den Nachfolgeunternehmen aufeinander abzustimmen. Unter den verschiedenen denkbaren Möglichkeiten der bilanziellen Anpassung gibt die Finanzverwaltung1 der Kapitalkontenanpassungsmethode den Vorzug. Dabei werden die Buchwerte der Wirtschaftsgüter aus der Realteilungsbilanz der Gesellschaft in den Fortführungsbilanzen der Gesellschafter mit ihren unveränderten Buchwerten angesetzt. Die Kapitalkonten der Gesellschafter hingegen werden an die Summe der Buchwerte der Wirtschaftsgüter angepasst, d.h. entweder auf- oder abgestockt. Dies bewirkt, dass Teile der stillen Reserven des Gesamthandsvermögens, an dem bislang beide Gesellschafter entsprechend ihrer vermögensmäßigen Beteiligung gesamthänderisch partizipierten, von dem (den) Gesellschafter(n) mit höheren Kapitalkonten auf den (die) Gesellschafter mit niedrigeren Kapitalkonten übergehen. Beispiel
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In Fortführung des eingangs gegebenen Beispiels (s. Rz. 9.271) der AB-Brauerei GmbH & Co. KG erhält A Wirtschaftsgüter mit Buchwerten i.H.v. 500 000 Euro; das Kapitalkonto in seiner Eröffnungsbilanz i.H.v. 1 000 000 Euro wird um 500 000 Euro auf 500 000 Euro abgestockt. B übernimmt Wirtschaftsgüter mit Buchwerten i.H.v. 1 500 000 Euro; das Kapitalkonto in seiner Eröffnungsbilanz i.H.v. 1 000 000 Euro wird um 500 000 Euro auf 1 500 000 Euro aufgestockt. Durch den zusätzlich von B an A gezahlten Spitzenausgleich i.H.v. 1 000 000 Euro hat B zusätzliche Anschaffungskosten in entsprechender Höhe. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stockt B lediglich um die Höhe des Spitzenausgleichs nach Abzug des anteiligen Buchwerts (für den entgeltlich erworbenen Teil) auf, d.h. um 700 000 Euro (Spitzenausgleich/ Anschaffungskosten 1 000 000 Euro ./. anteiliger Buchwert der Grundstücke 300 000 Euro) auf 2 200 000 Euro. Er „verliert“ bei dieser Verfahrensweise Anschaffungskosten i.H.v. 300 000 Euro. A führt seine Buchwerte i.H.v. 500 000 Euro im Übrigen fort.
9.288
Gestaltungshinweis: Als „Gestaltung“ zur Vermeidung eines steuerpflichtigen Spitzenausgleichs liegt es nahe zu versuchen, die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft so unter den Gesellschaftern aufzuteilen, dass die Summe der Verkehrswerte der einem Gesellschafter zugeteilten Wirtschaftsgüter seinem Auseinandersetzungsanspruch entspricht. Dabei ist zu beachten, dass liquide Mittel und Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Rahmen der bei der Realteilung gebotenen „Netto-Betrachtung“ den einzelnen Mitunternehmern grundsätzlich frei, d.h. auch disquotal, zugewiesen werden können (s. hierzu Rz. 9.273).2 Sofern hierdurch ein Wertausgleich 1 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VII. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 545.
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Einkommensteuer
nicht hergestellt werden kann, wird im Schrifttum empfohlen, entsprechende liquide Mittel vor der Realteilung in das Gesamthandsvermögen einzulegen (sog. Einlagenlösung) bzw. solche durch Kreditaufnahme zu finanzieren und im Anschluss Guthaben und Verbindlichkeit disquotal zu verteilen.1 Diese Gestaltungen sind umstritten, da die solchermaßen dem Gesellschaftsvermögen zugeführten Aktiva letztlich nicht zum dortigen Verbleib bestimmt sind und somit den Charakter von Scheineinlagen haben bzw. u.U. zur Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. des § 42 Abs. 1 AO führen können. Daher besteht das Risiko, dass insofern ein verdeckter Spitzenausgleich angenommen werden kann, der an der Rechtsfolge der Gewinnrealisierung nichts ändert.2 Zur Vermeidung dieser Rechtsfolgen sind jedenfalls frühzeitig die Voraussetzungen zur Schaffung eines gesellschaftsinternen Wertausgleichs zu schaffen, um einen unmittelbaren zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs zur später folgenden Realteilung zu verhindern. c) Gewinnrealisierende Realteilung Soweit im Falle der Realteilung einer Personengesellschaft nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG erfüllt sind, hat dies grundsätzlich einen (u.U. gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigten) steuerpflichtigen Aufgabegewinn zur Folge. So führt eine Realteilung insbesondere insoweit zur Gewinnrealisierung, als ein zugewiesenes Wirtschaftsgut nicht in ein Betriebsvermögen des Mitunternehmers, sondern in sein Privatvermögen übertragen wird, oder die Besteuerung der stillen Reserven nicht sichergestellt ist, z.B. weil das Wirtschaftsgut auf eine Betriebsstätte in einem DBA-Land übertragen wird.3 Die vorstehenden Umstände hindern allerdings nicht die Ertragsteuerneutralität der Realteilung insoweit, als die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Dies erfordert zum einen eine personendifferenzierende Betrachtung, da eine Voraussetzung der Realteilung die Übertragung „in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer“ ist. Zum anderen ist eine objektdifferenzierende Betrachtung nötig, da auf das wirtschaftliche Schicksal jedes einzelnen Wirtschaftsguts bzw. jeder einzelnen Sachgesamtheit abzustellen ist.
9.289
Beispiel Im eingangs gegebenen Beispiel der AB-Brauerei GmbH & Co. KG möchte B einen Teil der von ihm übernommenen Grundstücke nicht im Rahmen seines Gewerbebetriebs einsetzen, sondern für außerbetriebliche Zwecke (z.B. durch Vermietung) nutzen. Hierzu übernimmt er die Hälfte der wertmäßig identischen Immobilien im Zuge der Realteilung in sein Privatvermögen. Die Realteilung ist insoweit zu Buchwerten vorzunehmen, als die Wirtschaftsgüter in die jeweiligen Betriebsvermögen von A und B übertragen werden und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG). Dabei sind zunächst die Mitunternehmer A und B getrennt zu betrachten (personendifferenzierende Betrachtung); darüber hinaus sind die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die einzelnen Wirtschaftsgüter gesondert zu prüfen (objektdifferenzierende Betrachtung). Bezüglich der durch A übernommenen 1 Vgl. die Übersicht bei Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 550. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 550 m.w.N.; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 556. 3 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. V. bzgl. Entstrickung § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 3 EStG.
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Wirtschaftsgüter sind die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so dass insoweit zwingend die Buchwerte fortzuführen sind. Demgegenüber überträgt B die auf ihn entfallenden Wirtschaftsgüter nur zur Hälfte in sein Betriebsvermögen, während er die andere Hälfte in sein Privatvermögen übernimmt. Folglich beschränkt sich die Pflicht zur Buchwertfortführung bei B auf den Teil der Immobilien, der in sein Betriebsvermögen übergeht. Bezüglich des ins Privatvermögen übernommenen Teils hingegen erfolgt zwingend eine Gewinnrealisierung (anteiliger Verkehrswert 2,5 Mio. Euro ./. anteiliger Buchwert 0,75 Mio. Euro = Aufgabegewinn 1,75 Mio. Euro). Der Aufgabegewinn ist nicht durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt, da hierdurch keine vollständige Gewinnrealisierung erfolgt ist.1
9.291
Flankiert wird § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG durch die Missbrauchsregelungen des § 16 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG. Hiernach ist bei der Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern unter bestimmten Voraussetzungen zwingend der gemeine Wert anzusetzen, um nicht erwünschte Buchwertübertragungen zu verhindern.
9.292
Gem. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG besteht eine Behaltefrist, in der eine Veräußerung2 oder eine Entnahme von zuvor durch Realteilung empfangenen Einzelwirtschaftsgütern durch den Realteiler insoweit rückwirkend zur Gewinnrealisierung durch Ansatz des gemeinen Werts führt. Dies soll sicherstellen, dass die mit der Buchwertfortführung verbundene Begünstigung nur solchen Realteilungen zugute kommt, die der Umstrukturierung, nicht aber der Vorbereitung einer Veräußerung3 oder Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter dienen. Ansonsten könnten steuerliche Vorteile (z.B. durch Verlustnutzung, Gewerbesteuerfreiheit durch Veräußerung von Mitunternehmeranteilen, Tarifbegünstigung) durch Einschaltung sog. „Objektgesellschaften“ erzielt werden.4 Hiervon betroffen sind allerdings nur „Grund und Boden, Gebäude und andere wesentliche Betriebsgrundlagen“.5 Die Voraussetzungen sind wiederum personen- und objektbezogen zu ermitteln. Die Sperrfrist beginnt im Zeitpunkt der Realteilung und endet drei Jahre nach Abgabe der Feststellungserklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung beim Finanzamt. Diese Regelung soll zur zeitnahen Abgabe der Steuererklärung beitragen, so dass ohne die Abgabe der betreffenden Steuererklärung grundsätzlich eine unbegrenzte Sperrfrist bestünde.6 Der Gewinn aus dem mit 1 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 551; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 547; BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BStBl. II 1994, 607 (614) = FR 1993, 463 m. Komm. Schmidt. 2 Maßgebend ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, vgl. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VIII. 3 Als Veräußerung gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch eine Einbringung zusammen mit Sachgesamtheiten gem. §§ 20, 24 UmwStG und ein Formwechsel gem. § 25 UmwStG (auch zu Buchwerten) sowie eine Übertragung gem. § 6 Abs. 5 EStG, vgl. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VIII; a.A. Wacker in Schmidt, § 16 Rz. 553 m.w.N.; ebenfalls kritisch Schell, BB 2006, 1026 (1029). 4 Vgl. hierzu das Beispiel 1 zur Parallelvorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG von van Lishaut, DB 2001, 1519 (1520). 5 Umstritten ist, ob auch in den ausdrücklich genannten Fällen eine Wesentlichkeit zu fordern ist; so Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 553; Schell, BB 2006, 1026 (1028 f.); abl. Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VIII; ebenso Paus, FR 2002, 866 (873); Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 560; Brandenberg, DStZ 2002, 594 (595); Umlaufvermögen soll hiervon indes nicht erfasst sein. 6 Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 560.
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steuerlicher Rückwirkung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durchzuführenden Ansatz des gemeinen Werts stellt einen nicht gem. §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigten laufenden Gewinn dar, der bei Wirtschaftsgütern, die zum Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörten, allen Realteilern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen ist, wenn nicht eine abweichende besondere Regelung hierüber getroffen worden ist.1 Gestaltungshinweis: Bereits in der Realteilungsabrede sollte eine entsprechende Regelung getroffen werden, wie ein eventueller Gewinn aus dem rückwirkenden Ansatz des gemeinen Werts gem. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG auf die Realteiler zu verteilen ist, um eine unzutreffende und unerwünschte Verteilung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu vermeiden. Entsprechendes gilt, soweit Sonderbetriebsvermögen eines Realteilers im Rahmen der Realteilung von einem anderen Realteiler übernommen worden ist.2
9.293
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG erfolgt der Ansatz des gemeinen Werts, soweit einzelne Wirtschaftsgüter3 unmittelbar oder mittelbar auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder sonstige Vermögensmasse übertragen werden. Hierdurch soll generell die Verfügung über Wirtschaftsgüter ohne Teilwertrealisation durch Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Nutzung der Vorteile des Teileinkünfteverfahrens vermieden werden.4 Allerdings gilt die Regelung auch dann, wenn bereits an der real zu teilenden Mitunternehmerschaft ausschließlich Körperschaften beteiligt sind.5 Eine unmittelbare Übertragung liegt vor, soweit Wirtschaftsgüter der real geteilten Personengesellschaft in das Betriebsvermögen einer an ihr beteiligten Körperschaft übertragen werden. Demgegenüber soll insbesondere dann eine mittelbare Übertragung anzunehmen sein, wenn Wirtschaftsgüter in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft übertragen werden, an der eine Körperschaft (Realteiler) als Mitunternehmerin beteiligt ist, was allerdings voraussetzt, dass hierin entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung überhaupt ein Fall der Realteilung i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 2 bis 4 EStG gesehen werden kann.6 Zwar kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift – im Gegensatz zur Parallelvorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG (s. hierzu Rz. 11.349) – insofern auch nicht darauf an, ob sich der Anteil einer bereits beteiligten Körperschaft an den einzelnen Wirtschaftsgütern durch die Realteilung erhöht. Die h.A. sowie offenbar auch die Finanzverwaltung wollen die Regelung indes (teleologisch reduziert) nur
9.294
1 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. IX; kritisch hierzu Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 554; ebenso Paus, DStZ 2006, 285 (288 f.). 2 Zu möglichen gewerbesteuerlichen Folgen nach § 7 Satz 2 GewStG auf Grund der gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG als Steuerschuldnerin anzusehenden Personengesellschaft vgl. Schell, BB 2006, 1026 (1030). 3 Hierzu gehören nicht Betriebe, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile und 100 %-Anteile an Kapitalgesellschaften. Erfasst werden hingegen einzelne Wirtschaftsgüter, auch Anteile an Kapitalgesellschaften, soweit nicht 100%ig oder wesentliche Betriebsgrundlage eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils. Fraglich ist die Behandlung von Bruchteilen eines Mitunternehmeranteils, vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 553. 4 BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, S. 33 f. 5 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. I. 6 Vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 555; vgl. demgegenüber BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. IV.1.
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insoweit anwenden, als sich die Beteiligung der einzelnen, bereits zuvor beteiligten Realteiler-Körperschaft an dem Wirtschaftsgut erhöht.1 Die Verteilung des durch den Ansatz des gemeinen Werts entstehenden Gewinns für einkommensteuerliche Zwecke ist umstritten. Teilweise wird vertreten, der betreffende Gewinn sei nach dem Gesetzeszweck allen Mitunternehmern nach ihrem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen.2 9.295
Durch das SEStEG3 wurde eine weitere „Körperschaftsklausel“ zur Realteilung in § 16 Abs. 5 EStG eingefügt.4 Diese sieht den rückwirkenden Ansatz des gemeinen Werts vor, soweit durch die Realteilung, Teilbetriebe auf einzelne Mitunternehmer übertragen werden, welche Anteile an einer Körperschaft beinhalten und so unmittelbar oder mittelbar von einem nicht von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Steuerpflichtigen (z.B. natürlicher Person) auf einen von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Mitunternehmer (z.B. Kapitalgesellschaft) übertragen werden und dieser (also die Kapitalgesellschaft) die Anteile innerhalb von sieben Jahren nach der Realteilung unmittelbar oder mittelbar priveligiert veräußert. Als Veräußerung gilt dabei auch einer der in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG genannten Ersatzvorgänge.5 Hierdurch soll verhindert werden, dass im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft, die aus natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften besteht, auf die Kapitalgesellschaft die in dem Gesellschaftsvermögen enthaltenen Anteile allein übertragen werden und diese die Anteile anschließend im Ergebnis zu 95 % steuerfrei6 veräußert. Denn das Besteuerungsregime der Anteile würde so von anteilig Teileinkünfteverfahren (natürliche Person) und anteilig § 8b KStG-Freistellung (Kapitalgesellschaft) als Folge der Realteilung zu vollständig § 8b KStG-Freistellung wechseln. Die Problematik entspricht insoweit der Einbringung von Teilbetrieben mit Kapitalgesellschaftsanteile in eine Kapitalgesellschaft im Wege des § 20 UmwStG und die Besteuerungsfolgen entsprechen dem dort geregelten Einbringungsgewinn II.
9.296
Die Regelung des § 16 Abs. 5 EStG findet nur Anwendung bei Übertragung eines Kapitalgesellschaftsanteils in einem Teilbetrieb7 im Rahmen einer Realteilung 1 Vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 555 m.w.N.; Brandenberg, DStZ 2002, 594 (596); BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. I.; demzufolge ist § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht anzuwenden, wenn nur eine Kapitalgesellschaft zu 100 % an der Realteilungsgesellschaft beteiligt ist, vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 555; Brandenberg, DStZ 2002, 594 (596). 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 553; Brandenberg, DStZ 2002, 594 (595); diese Auslegung würde auch der grundsätzlichen Auffassung der Finanzverwaltung zu § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG entsprechen; vgl. Rz. 9.292 a.E. 3 SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Dabei handelt es sich um eine flankierende Klausel im Rahmen der generellen Neuregelung des bisherigen Systems der „einbringungsgeborenen Anteile“ durch eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns bei Veräußerungen innerhalb von sieben Jahren durch das SEStEG; vgl. z.B. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1535). 5 Hierzu zählt insbesondere auch die unentgeltliche Übertragung der Anteile auf eine Kapitalgesellschaft, die Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen bzw. deren Kapitalherabsetzung oder Rückzahlung aus ihrem steuerlichen Einlagekonto. 6 Unter Berücksichtigung von § 8b Abs. 2 und 3 KStG. 7 Hierzu gehört auch eine 100%ige Kapitalgesellschafts-Beteiligung; BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. III.
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zu Buchwerten auf eine Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft. Überdies gilt sie nur insoweit, als vor Realteilung der Mitunternehmerschaft natürliche (nicht durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigte) Personen beteiligt waren, so dass § 16 Abs. 5 EStG insgesamt nicht greift, wenn an einer real geteilten Mitunternehmerschaft ausschließlich (durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigte) Kapitalgesellschaften beteiligt waren. Rechtsfolge des § 16 Abs. 5 EStG ist, dass für den veräußerten Kapitalgesellschaftsanteil rückwirkend (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) zum Realteilungszeitpunkt der gemeine Wert anzusetzen ist. Strittig ist hierbei, ob der Ansatz des gemeinen Werts – worauf der Wortlaut von § 16 Abs. 5 EStG hindeutet – für die gesamten Kapitalgesellschaftsanteile zu erfolgen hat1 oder lediglich für den Anteil daran, der der früheren Beteiligungsquote natürlicher Personen an der RealteilungsMitunternehmerschaft entspricht.2 Da die Regelung des § 16 Abs. 5 EStG dem Zweck dient, die fiskalisch nachteiligen Folgen des Besteuerungsregimewechsels auszugleichen, kann auch nur diese nachteilige Folge beseitigt werden und nicht eine weitergehende Besteuerung erreicht werden, als wenn gar keine Realteilung stattgefunden hätte. Deshalb soll die rückwirkende Besteuerung nur die frühere Beteiligungsquote der natürliche Person umfassen. Entsprechend dem Verweis in § 16 Abs. 5 EStG auf § 22 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist der nachträglich anzusetzende Gewinn außerdem für jedes seit der ursprünglichen Übertragung abgelaufene Zeitjahr um ein Siebtel zu mindern.3 Die Besteuerung erfolgt entsprechend der Zielsetzung der Regelung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel der Mitunternehmerschaft.4
7. Weitere Aspekte von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe a) Behandlung von Sonderbetriebsvermögen Da der Tatbestand der Betriebsveräußerung gem. § 16 Abs. 1 EStG bzw. der Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 EStG nur die zusammengeballte Realisierung stiller Reserven erfassen und begünstigen soll (s. Rz. 9.243), müssen hierzu sämtliche stille Reserven des Betriebsvermögens der Personengesellschaft in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden. Da das steuerliche Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG neben ihrem Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen ihrer Mitunternehmer umfasst (s. Rz. 6.491, 6.527 ff.), sind nach h.A. zumindest jene Wirtschaftsgüter der betreffenden Sonderbetriebsvermögen mit zu veräußern bzw. gewinnrealisierend aus den Sonderbetriebsvermögen zu entnehmen, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Mitunternehmerschaft zählen.5
1 Z.B. Intemann in Hermann/Heuer/Raupach, Jahresband 2005–2007, § 16 EStG J 06–10; Förster, DB 2007, 72 (78). 2 Z.B. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 558. 3 Vgl. das Beispiel bei Förster, DB 2007, 72 (78). 4 Intemann in Hermann/Heuer/Raupach, Jahresband 2005–2007, § 16 EStG J 06–10; Förster, DB 2007, 72 (78); demgegenüber hätte im Falle einer Aufdeckung stiller Reserven lediglich in Höhe der Beteiligungsquote natürlicher Personen auch nur eine Besteuerung durch diese zu erfolgen; vgl. insofern Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 558. 5 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 112 m.w.N.
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9.297
§9 9.298
Auflösung und Liquidation
Werden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, aufgrund einheitlicher Planung und im zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung ertragsteuerneutral, d.h. zu Buchwerten in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen des betreffenden Mitunternehmers oder eines Dritten überführt, entfällt für diesen die Tarifbegünstigung des § 34 EStG insgesamt.1 b) Negative Kapitalkonten des Mitunternehmers
9.299
Bestehen für Kommanditisten einer zu liquidierenden GmbH & Co. KG negative Kapitalkonten, die durch Verlustzuweisungen entstanden sind, können diese in der Liquidationsschlussbilanz nicht bestehen bleiben.2 Denn hierdurch würde eine Nachschusspflicht des betreffenden Gesellschafters verkörpert. Ein Kommanditist hingegen unterliegt grundsätzlich keiner derartigen Nachschusspflicht, da er an Verlusten der Gesellschaft nur bis zur Höhe seines Kapitalanteils und seiner rückständigen Einlage teilnimmt (§ 167 Abs. 3 HGB). Im Zuge der Liquidation der GmbH & Co. KG sind zunächst die Gewinne, die durch Realisierung der stillen Reserven entstehen, den Gesellschaftern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Ist das Kapitalkonto eines Kommanditisten negativ, wird der Gewinn diesem Kapitalkonto gutgeschrieben, so dass sich dessen negativer Bestand entsprechend verringert. Verbleibt hiernach ein negativer Bestand, so entfällt das negative Kapitalkonto mit Beendigung der Liquidation der Gesellschaft.3 Die steuerlichen Folgen unterscheiden sich danach, wie die Verluste, aus denen das negative Kapitalkonto entstanden ist, sich in der Vergangenheit steuerlich ausgewirkt haben.
9.300
Soweit das negative Kapitalkonto aus ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten entstanden ist,4 führt dessen Auflösung im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Gesellschaft bei dem betreffenden Kommanditisten gem. § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG grundsätzlich zu einem tarifbegünstigten5 Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG.6 Die bei dem betreffenden Kommanditisten nicht ausgleichs1 BFH v. 9.12.2014 – IV R 36/13, GmbHR 2015, 382 = DStR 2015, 404. 2 §§ 16 Abs. 1 Satz. 1 Nr. 2 EStG, § 34 EStG privilegieren auch den Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen. Zur Berechnung der Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos in die Veräußerungsgewinnberechnung s. Rz. 8.59 ff. Hier soll nur das negative Kapitalkonto bei der Beendigung der KG besprochen werden. 3 BFH v. 10.11.1980 – GrS 1/79, BStBl. II 1981, 164 = FR 1981, 199. 4 Dies kann z.B. der Fall sein bei „überschießender“ Außenhaftung oder Verlustentstehung vor Anwendbarkeit des § 15a EStG. 5 Der Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos ist aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt. Das gilt auch dann, wenn keine Betriebsveräußerung oder -aufgabe vorliegt, sondern eine allmähliche Abwicklung der Gesellschaft, BFH v. 11.8.1994 – IV R 124/92, BStBl. II 1995, 253 = GmbHR 1995, 312; kritisch zur sachlichen Rechtfertigung der Norm: Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 241; zur Entwicklungsgeschichte des § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG vgl. Baldi in Frotscher, § 15a EStG Rz. 312. 6 H 15a EStH 2014 „Auflösung des negativen Kapitalkontos“; steht jedoch bereits zu einem früheren Termin fest, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen nicht in Betracht kommt, ist dieser frühere Termin maßgebend, BFH v. 11.8.1994 – IV R 124/92, BStBl. II 1995, 253 = GmbHR 1995, 312; Wacker in Schmidt,
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bzw. abzugsfähigen Verluste werden den anderen Mitunternehmern grundsätzlich nach dem allgemeinen Gewinn- bzw. Verlustverteilungsschlüssel zugerechnet (§ 52 Abs. 24 Satz 4 EStG). Während nach h.A. in der Literatur die betreffenden Verluste sämtlichen Mitunternehmern zuzurechnen sind,1 d.h. den Komplementären ohne Beschränkung und den Kommanditisten, soweit für diese ein positives Kapitalkonto geführt wird, sind die Verlustanteile nach Auffassung der Finanzverwaltung ausschließlich bei den Komplementären anzusetzen.2 Soweit das negative Kapitalkonto demgegenüber nicht aus ausgleichs- oder abzugsfähigen, sondern aus verrechenbaren Verlusten entstanden ist, findet § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG keine Anwendung, so dass ein aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos resultierender Gewinn nur bei Vorliegen einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe i.S. des § 16 EStG durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt ist, nicht jedoch bei einer allmählichen Betriebsabwicklung. Dies ist steuerlich allerdings regelmäßig ohne Bedeutung, da diesem negativen Kapitalkonto ein verrechenbarer Verlust gem. § 15a Abs. 4 EStG gegenübersteht, der den Gewinn aus der Auflösung gem. § 15a Abs. 2 EStG entsprechend mindert.3 Ein durch nachträgliche Einlagen des Kommanditisten vermindertes negatives Kapitalkonto führt bei diesem insoweit zu ausgleichs- bzw. abzugsfähigen Verlusten, da er auch wirtschaftlich hierdurch belastet ist.4
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Die vorstehenden Rechtsfolgen der Liquidation einer gewerblichen GmbH & Co. KG treten entsprechend ein, wenn eine derartige Gesellschaft zwar fortbesteht, d.h. nicht aufgelöst und abgewickelt wird, sie ihren Gewerbebetrieb jedoch beendet. Wird eine lediglich gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte GmbH & Co. KG dadurch beendet, dass die hierfür erforderlichen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale entfallen und wird diese Gesellschaft hierdurch in eine vermögensverwaltende Gesellschaft überführt, so werden die negativen Kapitalkonten nach Verminderung durch den anteiligen Aufgabegewinn nicht aufgelöst und auf die anderen Mitunternehmer verteilt, sondern fortgeführt und nachfolgend ggf. im Rahmen der jeweils erzielten Überschusseinkunftsart „nachversteuert“.5
9.302
c) Einkünfte des Mitunternehmers nach Betriebsbeendigung Auch nach Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs anfallende Schuldzinsen können als nachträgliche Betriebsausgaben und damit als nachträgliche negative Einkünfte gem. §§ 15, 24 Nr. 2 EStG abziehbar sein, soweit sie für Verbindlichkeiten geleistet werden, die bis zur Vollbeendigung des Gewerbebetriebs trotz
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§ 15a EStG Rz. 241. In diesem Fall ist der Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos als „laufender Gewinn“ nicht durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt. Vgl. z.B. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 241; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15a EStG Rz. 59 m.w.N.; Korn/Heißenberg in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 15a EStG Rz. 111. R 15a Abs. 6 Satz 2 EStR 2012. BFH v. 3.9.2009 – IV R 17/07, BStBl. II 2010, 631 (638) = FR 2010, 524; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BFH/NV 2003, 1490 (1492) = GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 243. Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 247 f.
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Verwertung des Aktivvermögens nicht getilgt werden konnten.1 Diese Grundsätze gelten entsprechend bei Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebs der GmbH & Co. KG. Hat ein Mitunternehmer zur Finanzierung seiner Einlageverpflichtung einen Kredit aufgenommen, der durch den auf ihn entfallenden Liquidationserlös nicht in vollem Umfang abgedeckt ist, so sind die weiterhin anfallenden Schuldzinsen insoweit als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar.2 Der BFH hat zudem entschieden, dass ein Betriebsausgabenabzug auch dann und so lange möglich ist, als der Schuldentilgung Auszahlungshindernisse hinsichtlich des Veräußerungserlöses, Verwertungshindernisse hinsichtlich der zurückbehaltenen Aktivwerte oder Rückzahlungshindernisse hinsichtlich der früheren Betriebsschulden entgegenstehen,3 sofern diese Hindernisse ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben.4 Als nachträgliche Betriebsausgaben können jedoch Zinszahlungen durch den Mitunternehmer nicht anerkannt werden, wenn der GmbH & Co. KG bei ordnungsgemäßer Abwicklung ausreichende Mittel zur Tilgung der Schuld zur Verfügung gestanden hätten.5 Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend, wenn ein Mitunternehmer Aktivwerte seines Sonderbetriebsvermögens nach Beendigung seiner Mitunternehmerstellung nicht zur Tilgung der mit diesem Vermögen wirtschaftlich zusammenhängenden Schulden verwendet. Demgegenüber führt es nicht zur Aberkennung der Zinszahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben, wenn ein Mitunternehmer die Aktivwerte aus seinem Sonderbetriebsvermögen nicht zur Tilgung der Schulden aus dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft einsetzt.6 9.304
Wenn ein Kommanditist betriebliche Schulden seiner liquidierten und vollbeendigten Gesellschaft tilgt, führt dies nach Auffassung des BFH bei diesem nur unter bestimmten Voraussetzungen zu nachträglichen Betriebsausgaben. Sofern eine Nachschusspflicht im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, kommt ein steuerlicher Abzug nur in Betracht, soweit der Kommanditist im Innenverhältnis zur Begleichung der Schuld nicht verpflichtet war und soweit ihm ein Rückgriffsanspruch gegen die Mitgesellschafter zusteht, der nicht durchsetzbar ist.7 Erfolgte die Übernahme der Gesellschaftsschuld hingegen aufgrund einer Haftung gem. § 172 Abs. 4 HGB, kommt eine Berücksichtigung der Zahlung als Sonderbetriebsaufwand grundsätzlich nicht in Betracht, da sich der Verlust der Einlage des Kommanditisten bereits im Gesellschaftsergebnis und dem dem Kommanditisten zuge1 BFH v. 11.12.1980 – I R 119/78, BStBl. II 1981, 460 = FR 1981, 304; BFH v. 12.11.1997 – XI R 98/96, BStBl. II 1998, 144 = GmbHR 1998, 291; BFH v. 13.2.1996 –VIII R 18/92, BStBl. II 1996, 291 (292 ff.) = GmbHR 1996, 544; BFH v. 28.3.2007 – X R 15/04, BStBl. II 2007, 642 = FR 2007, 1025; OFD Erfurt v. 18.9.1998 – S 2242 A - 08 - St 324, DB 1998, 2091. 2 BFH v. 27.11.1984 – VIII R 2/81, BStBl. II 1985, 323 (324 f.) = GmbHR 1985, 338; BFH v. 15.5. 2002 – X R 3/99, BStBl. II 2002, 809 (810 f.) = GmbHR 2002, 1227 m. Komm. Weber-Grellet. 3 BFH v. 27.11.1984 – VIII R 2/81, BStBl. II 1985, 323 (324 f.) = GmbHR 1985, 338; BFH v. 19.8. 1998 – X R 96/95, BStBl. II 1999, 353 (354 f.) = FR 1999, 91; OFD Erfurt v. 18.9.1998 – S 2242 A - 08 - St 324, DB 1998, 2091. 4 Vgl. zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zu den Ausnahmen vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung BFH v. 28.3.2007 – X R 15/04, BStBl. II 2007, 642 = FR 2007, 1025. 5 BFH v. 13.2.1996 –VIII R 18/92, BStBl. II 1996, 291 (293) = GmbHR 1996, 544. 6 OFD Erfurt v. 18.9.1998 – S 2242 A - 08 - St 324, DB 1998, 2091. 7 BFH v. 25.5.1999 – VIII R 54/98, BFH/NV 1999, 1593 (1594).
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wiesenen Verlustanteil niedergeschlagen hat. Ertragsteuerlich abzugsfähig ist die Zahlung nur, soweit der Kommanditist auf Basis von § 172 Abs. 4 HGB eine Gesellschaftsschuld getilgt hat, die er im Innenverhältnis zu seinen Mitgesellschaftern nicht zu tragen verpflichtet war und sein hierdurch entstandener Regressanspruch gegen diese nicht durchsetzbar ist.1 Hat der Kommanditist, dessen Kapitalkonto negativ ist, Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernommen, so führt der Wegfall eines negativen Kapitalkontos insoweit nicht zu steuerpflichtigem Gewinn, als mit einer Inanspruchnahme des Kommanditisten ernsthaft zu rechnen ist.2 Soweit die spätere tatsächliche Inanspruchnahme (bzw. Nichtinanspruchnahme) von der Berücksichtigung bei Ermittlung des Aufgabegewinns abweicht, ist der Aufgabegewinn entsprechend den vom BFH in den Beschlüssen des Großen Senats vom 19.7.1993 aufgestellten Grundsätzen rückwirkend nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.3
9.305
d) Veräußerungs-/Aufgabegewinn Bei Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs der KG ist der Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Werden anlässlich der Veräußerung einzelne, nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen rechnende Wirtschaftsgüter zurückbehalten und in das Privatvermögen überführt, so erhöht der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter entsprechend der Regelung zum Aufgabegewinn in § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG ebenfalls den begünstigten Veräußerungsgewinn.4 In Ermangelung einer eigenen Bewertungsvorschrift des EStG sollen hierzu nach Auffassung des BFH unmittelbar die allgemeinen Vorschriften des ersten Teils des BewG, insbesondere § 9 BewG, heranzuziehen sein.5 Werden die Wirtschaftsgüter demgegenüber zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt, erhöht entweder deren Buchwert den Veräußerungspreis oder – mit gleichem Ergebnis – deren Buchwert wird nicht Bestandteil des Werts des Betriebsvermögens gem. § 16 Abs. 2 EStG.6
9.306
Der Aufgabegewinn ermittelt sich grundsätzlich aus der Gegenüberstellung des „Aufgabeendvermögens“ zum endgültigen Aufgabezeitpunkt und des „Aufgabe-
9.307
1 BFH v. 25.5.1999 – VIII R 54/98, BFH/NV 1999, 1593 (1594). 2 BFH v. 12.7.1990 – IV R 37/89, BStBl. II 1991, 64 (65) = FR 1991, 51. 3 BFH v. 19.7.1993 – GrS 1/92, BStBl. II 1993, 894 = FR 1993, 845; BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 = FR 1993, 848; vgl. auch BFH v. 28.7.1994 – IV R 53/91, BStBl. II 1995, 112 (114) = GmbHR 1995, 141; BFH v. 14.12.1994 – X R 128/92, BStBl. II 1995, 465 (466) = GmbHR 1995, 542; BFH v. 11.9.1997 – IV B 81/96, BFH/NV 1998, 317. 4 BFH v. 1.10.1986 – I R 96/83, BStBl. II 1987, 113 (114); BFH v. 17.1.1989 – VIII R 370/83, BFH/NV 1989, 698 (699) = FR 1989, 401; BFH v. 3.10.1989 – VIII R 142/84, BStBl. II 1990, 420 (422) = FR 1990, 309; handelt es sich demgegenüber um wesentliche Betriebsgrundlagen, führt deren Entnahme in das Privatvermögen dazu, dass es sich insgesamt nicht um einen Veräußerungsgewinn, sondern um einen Aufgabegewinn handelt. 5 BFH v. 19.1.1978 – IV R 61/73, BStBl. II 1978, 295 (297); differenzierend zugunsten eines „gemeinen Werts“ als spezifischer Wertmaßstab des § 16 EStG: Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 277. 6 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 273, plädiert dafür, den Buchwert aus dem Wert des Betriebsvermögens gem. § 16 Abs. 2 EStG auszuscheiden.
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anfangsvermögens“ zum Zeitpunkt des Aufgabebeginns.1 Das Aufgabeendvermögen (Aufgabepreis) umfasst zunächst den Veräußerungspreis für die im Rahmen der Aufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter. Hierin einbezogen werden nur solche Veräußerungen, die sich während der Betriebsaufgabe vollziehen (zeitlicher Zusammenhang) und in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe stehen. Der BFH erkennt in ständiger Rechtsprechung einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe nur insoweit an, als es sich nicht um laufende Geschäftsaktivitäten handelt. So finden z.B. Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis keinen Eingang in das Aufgabeendvermögen, da insofern die bisherige normale Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird.2 Darüber hinaus gehört zum Aufgabeendvermögen der gemeine Wert der im Rahmen der Betriebsaufgabe in das Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter sowie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe erzielte sonstige Erträge.3 Der gemeine Wert wird dabei grundsätzlich nach § 9 Abs. 2 BewG ermittelt.4 Der anzusetzende gemeine Wert von Grundstücken und Gebäuden (Verkehrswert) kann auch aus dem erzielten Kaufpreis bei einem zeitnahen Verkauf des zu bewertenden Grundstücks abgeleitet werden.5 Zum Aufgabegewinn kann auch eine Verbindlichkeit gehören, die in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Aufgabe erlassen wird.6 Dabei kann sich auch ein negativer Aufgabegewinn ergeben.7 Bei Aufgabe des ganzen Betriebs einer GmbH & Co. KG bestimmt § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG, dass für jeden Gesellschafter der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen ist, den er bei der Auseinandersetzung erhalten hat. Aufgabegewinn des Gesellschafters ist daher die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der erhaltenen Wirtschaftsgüter und dem Buchwert seines Kapitalkontos, vermehrt um die von anderen Gesellschaftern erhaltenen Ausgleichszahlungen und vermindert um die von ihm an Mitgesellschafter zu leistenden Ausgleichszahlungen. 9.308
Veräußerungs- und Aufgabegewinne sind grundsätzlich nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen, sofern keine anders lautende Vereinbarung vorliegt.8 Der Veräußerungsgewinn wird ungeachtet des 1 Vgl. hierzu ausführlich Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 290 ff. 2 Z.B. Gewinne aus einem Räumungsverkauf (BFH v. 29.11.1988 – VIII R 316/82, BStBl. II 1989, 602 = FR 1989, 435) und aus der Veräußerung von Grundstücken bei Aufgabe eines gewerblichen Grundstückshandels (BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing; BFH v. 5.7.2005 – VIII R 65/02, BStBl. II 2006, 160 = FR 2006, 287 m. Komm. Kempermann); hingegen können Rücklieferungen an Lieferanten oder die Veräußerung an Abnehmer der gleichen Handelsstufe, die nicht den Charakter einer normalen gewerblichen Betätigung haben, zum begünstigten Aufgabegewinn gehören (BFH v. 2.7. 1981 – IV R 136/79, BStBl. II 1981, 798 = FR 1981, 597); ebenso bei Veräußerung des Warenbestands an Handelsvertreter, die bisher den Verkauf nur vermittelten (BFH v. 1.12.1988 – IV R 140/86, BStBl. II 1989, 368 = FR 1989, 312; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 343). 3 Hierzu gehören z.B. Entschädigungen, Stilllegungsgelder und Versicherungsleistungen, vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 295. 4 BFH v. 27.2.1985 – I R 235/80, BStBl. II 1985, 456 (458) = FR 1985, 476. 5 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 294 m.w.N. 6 BFH v. 26.1.1989 – IV R 86/87, BStBl. II 1989, 456 (457) = FR 1989, 371. 7 BFH v. 12.6.1975 – IV R 10/72, BStBl. II 1975, 853 (854 f.). 8 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BStBl. II 1982, 456 (457) = FR 1982, 279.
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tatsächlichen Zuflusszeitpunktes im Zeitpunkt der Veräußerung verwirklicht, d.h. zu dem Zeitpunkt, zu dem das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übertragen wird.1 Demgegenüber kann bei der Betriebsaufgabe angesichts des Aufgabezeitraums, in dem die Wirtschaftsgüter (u.U. an mehrere Erwerber) veräußert und in das Privatvermögen überführt werden, i.d.R. nicht von einem Aufgabezeitpunkt gesprochen werden. Maßgeblich für die Gewinnverwirklichung und Bewertung ist grundsätzlich der Zeitpunkt des jeweiligen Aufgabeteilakts. Demzufolge entsteht der Aufgabegewinn i.d.R. sukzessive und u.U. in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen.2 Bei mehr als zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen soll in der Regel eine allmähliche Betriebsaufgabe vorliegen.3 Aufgrund der Begünstigung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns durch die §§ 16, 34 EStG und der regelmäßig bestehenden Befreiung von der Gewerbesteuer (s. hierzu Rz. 9.328) ist eine exakte Abgrenzung vom laufenden Gewinn erforderlich. Zu dem begünstigten Aufgabegewinn gehören z.B. nur solche Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die im Rahmen der Aufgabe des Betriebs, d.h. nicht nur in zeitlichem (weder vorher noch nachher), sondern auch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufgabe (nicht nur gelegentlich der Aufgabe) veräußert werden.4 Denn die §§ 16, 34 EStG sollen nach Auffassung des BFH nicht schlechthin eine zusammengeballte Gewinnrealisierung begünstigen, sondern nur die Zusammenballung in der speziellen, sachlich abgrenzbaren Form der Betriebsveräußerung und -aufgabe.5 Hieraus folgert er, dass Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im Wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall nicht begünstigt sind (insbesondere die Veräußerung von Umlaufvermögen an den bisherigen Abnehmerkreis).6 Dies gilt unabhängig davon, dass diese Gewinne u.U. während einer Betriebsaufgabe anfallen (zeitlicher Zusammenhang). So ist auch die Veräußerung sämtlicher Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG nicht tarifbegünstigt, wenn deren Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Veräußerung ausschließlich oder nahezu ausschließlich aus zum Umlaufvermögen gehörenden Grundstücken besteht.7 Ist hingegen ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu bejahen, können auch Gewinne aus der Veräußerung von Umlaufvermögen begünstigt sein.8 1 BFH v. 26.7.1984 – IV R 137/82, BStBl. II 1984, 829 (830) = FR 1985, 21; BFH v. 22.9.1992 – VIII R 7/90, BStBl. II 1993, 228 (229 f.) = GmbHR 1993, 606. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 262 m.w.N. 3 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 262 m.w.N. 4 Zum begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn gehört auch der Ertrag aus einer im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe vollzogenen Auflösung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. (BFH v. 20.12. 2006 – X R 31/03, BStBl. II 2007, 862 = FR 2007, 789; BMF v. 30.10.2007 – IV B 2 S 2139-b/07/0001, BStBl. I 2007, 790). 5 BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 (106) = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing. 6 Hierzu gehören z.B. Gewinne aus einem Räumungsverkauf (BFH v. 29.11.1988 – VIII R 316/82, BStBl. II 1989, 602 = FR 1989, 435) sowie aus der Veräußerung von Immobilien bei einem gewerblichen Grundstückshandel (BFH v. 9.9.1993 – IV R 30/92, BStBl. II 1994, 105 = FR 1994, 56 m. Komm. Söffing). 7 BFH v. 14.12.2006 – IV R 35/05, BFH/NV 2007, 692. 8 Dies ist z.B. der Fall bei Rücklieferung an Lieferanten oder einer Veräußerung an Abnehmer der gleichen Handelsstufe (BFH v. 2.7.1981 – IV R 136/79, BStBl. II 1981, 798 = FR 1981, 597)
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9.310
Nicht zum begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn, sondern zum laufenden Gewinn gehören Gewinne aus Veräußerungen, bei denen auf der Seite des Veräußerers und auf der Seite des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind (§ 16 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 EStG). Diese Fiktion, durch die eine tarifbegünstigte Buchwertaufstockung verhindert werden soll,1 gilt im Fall der Betriebsaufgabe allerdings nur für die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3 Satz 5 EStG). Die erforderliche Personenidentität von Veräußerer und Erwerber wird auch durch die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft (in Höhe der jeweiligen Beteiligung) vermittelt, nicht jedoch an einer Kapitalgesellschaft.
9.311
Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH wirkt der Ausfall der Kaufpreisforderung aus der Betriebsveräußerung materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurück, d.h., die Gewinnrealisierung entfällt insoweit nachträglich. Die betreffende Veranlagung ist in diesem Fall gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.2 Das Gleiche gilt für spätere Ereignisse, die ergeben, dass der der Besteuerung zugrunde gelegte Wert des Betriebsvermögens zu hoch oder zu niedrig angesetzt ist.3
9.312
Bei Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen sofortiger Besteuerung des Veräußerungsgewinns unter Inanspruchnahme der Vergünstigungen der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG und der Besteuerung als nachträgliche gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG) ab dem Zeitpunkt zu, in dem der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Kapitalanteil das steuerliche Kapitalkonto zzgl. der ggf. angefallenen Veräußerungskosten des Veräußerers übersteigen.4 Bei den nachträglichen gewerblichen Einkünften handelt es sich um laufende Einkünfte, für die die Vergünstigungen der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG nicht gewährt werden können.5 Bei Wahl der Sofortbesteuerung rechtfertigt der vorzeitige Tod des Veräußerers keine rückwirkende Änderung des Veräußerungsgewinns beim Veräußerer oder der Anschaffungskosten beim Erwerber.6 Etwas anderes gilt dann, wenn die Rentenforderung
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sowie der Veräußerung des Warenbestands an Handelsvertreter, die den Verkauf bisher nur vermittelten (BFH v. 1.12.1988 – IV R 140/86, BStBl. II 1989, 368 = FR 1989, 312). Vgl. BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BFH/NV 2004, 1189 = GmbHR 2004, 1096. BFH v. 19.7.1993 – GrS 1/92, BStBl. II 1993, 894 (896) = FR 1993, 845; BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (900 ff.) = FR 1993, 848. Zu weiteren, auf den Zeitpunkt der Veräußerung/Aufgabe rückwirkenden Ereignissen vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 360 ff.; vgl. auch BFH v. 12.10.2005 – VIII R 66/03, BStBl. II 2006, 307. Vgl. R 16 Abs. 11 Satz 1–7 EStR 2012; BMF v. 16.9.2004 – IV C 3 - S 2255 - 354/04, DStR 2004, 1696 Tz. 64; der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil hingegen stellt bereits im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar. Die derart vorzunehmende Aufteilung der wiederkehrenden Leistungen in einen Kapital- und einen Zinsteil und deren unterschiedliche steuerliche Behandlung ist gem. R 16 Abs. 11 Satz 8 EStR 2012 erst für Veräußerungen erforderlich, die ab dem 1.1.2004 erfolgen; für frühere Veräußerungen gilt R 139 Abs. 11 EStR 2001. S. hierzu sowie zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens/Teileinkünfteverfahrens in Fällen der Zuflussbesteuerung BMF v. 3.8. 2004 – IV A 6 - S 2244 - 16/04, FR 2004, 1026. H 16 Abs. 11 EStH 2014 „Freibetrag“. H 16 Abs. 11 EStH 2014 „Tod des Rentenberechtigten“.
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uneinbringlich wird; der Forderungsausfall wirkt gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf das Jahr der Veräußerung zurück.1 Veräußert eine GmbH & Co. KG ihren Gewerbebetrieb, ist zweifelhaft, ob das Wahlrecht durch die Mitunternehmerschaft oder deren Mitunternehmer auszuüben ist. Nach h.A. in der Literatur ist das Wahlrecht durch die einzelnen Mitunternehmer auszuüben.2 Diesen steht das Wahlrecht dann zu, wenn der Veräußerungspreis in langfristigen, wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen besteht oder die wiederkehrenden Bezüge hauptsächlich im Interesse des Veräußerers (Sicherung der Versorgung) und nicht im Interesse des Erwerbers vereinbart wurden.3 Das Wahlrecht besteht insbesondere bei Leibrenten (auch abgekürzten)4 und bei Zeitrenten mit langen, nicht mehr überschaubaren Laufzeiten, wenn die Zeitrente auch mit dem Nebenzweck vereinbart ist, dem Veräußerer langfristig eine etwaige zusätzliche Versorgung zu schaffen.5 Kein Wahlrecht besteht hingegen bei gewinn- oder umsatzabhängigen Veräußerungsentgelten,6 ebenso wie im Falle von bis zu zehn Jahren zu zahlenden Kaufpreisraten.7 Bei Betriebsübertragungen zwischen nahen Angehörigen ist zudem zu prüfen, ob überhaupt eine Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge oder eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S. des § 6 Abs. 3 EStG vorliegt, in deren Rahmen den wiederkehrenden Bezügen der Charakter privater Versorgungsleistungen zukommt.8
9.313
Auch wenn der Veräußerungspreis im Rahmen einer Betriebsveräußerung aus einer Kombination aus Festbetrag und wiederkehrenden Bezügen gebildet wird, besteht das Wahlrecht hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge. Dabei ist der Buchwert des Betriebsvermögens vorrangig vom Festpreis abzuziehen.9 Übersteigt der Festpreis den Buchwert, entsteht ein (tarifbegünstigter) Veräußerungsgewinn; ist er hingegen niedriger, kommt es zu einer Besteuerung der Bezüge (als nachträgliche gewerbliche Einkünfte) erst, wenn sie den Buchwert abzüglich Festpreis übersteigen. Ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn kann auch in der nachträglichen
9.314
1 BFH v. 19.8.1999 – IV R 67/98, BStBl. II 2000, 179 (182) = FR 2000, 97 m. Komm. Kanzler; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 221–224, 381. 2 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 227; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16 EStG Rz. 101; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 403; Stahl in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 16 EStG Rz. 191; Gänger in Bordewin/Brandt, § 16 EStG Rz. 108. 3 Grundlegend BFH v. 12.6.1968 – IV 254/62, BStBl. II 1968, 653. 4 BFH v. 30.1.1974 – IV R 80/70, BStBl. II 1974, 452. 5 H 16 Abs. 11 EStH 2014 „Zeitrente“. 6 BFH v. 14.5.2002 – VIII R 8/01, BStBl. II 2002, 532 (534 f.) = FR 2002, 877; H 16 Abs. 11 EStH 2014, „Gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreis“. 7 BFH v. 12.6.1968 – IV 254/62, BStBl. II 1968, 653; BFH v. 27.4.1993 – VIII R 27/92, BFH/NV 1994, 159; H 16 Abs. 11 EStH 2014, „Ratenzahlungen“; kritisch zur Anwendbarkeit des von der älteren BFH-Rechtsprechung geschaffenen „Zehnjahreszeitraums“: FG Düsseldorf v. 25.8.2005 – 15 K 2016/03 E (rkr.), EFG 2005, 1862. 8 Nach Auffassung der Finanzverwaltung spricht bei Betriebsübertragungen zwischen nahen Angehörigen gegen wiederkehrende Leistungen grundsätzlich eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer privaten Versorgungsrente: BMF v. 13.1.1993 – IV B 3 S 2190 – 37/92, BStBl. I 1993, 80 Tz. 26; vgl. auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 77. 9 Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 248.
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§9
Auflösung und Liquidation
Ablösung wiederkehrender Bezüge aus einer Betriebsveräußerung durch eine Einmalzahlung gesehen werden.1 e) Freibetrag 9.315
Unter bestimmten Voraussetzungen wird einem Steuerpflichtigen (nur natürliche Person), der einen begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 1 bzw. 3 EStG erzielt, gem. § 16 Abs. 4 EStG ein Freibetrag i.H.v. 45 000 Euro gewährt. Dieser Freibetrag ist nur einmal im Leben zu gewähren, bei Vorliegen der Voraussetzungen aber in voller Höhe.2 Zur Vermeidung der Entlastung hoher Veräußerungsgewinne ermäßigt er sich um den Betrag, um den er die Ermäßigungsgrenze von 136 000 Euro übersteigt, d.h. ab einem Veräußerungsgewinn von 181 000 Euro (= 45 000 Euro + 136 000 Euro) erfolgt keine Begünstigung gem. § 16 Abs. 4 EStG.
9.316
Anspruch auf den Freibetrag haben nur Steuerpflichtige, die im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe das 55. Lebensjahr vollendet haben oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig sind. Außerdem besteht ein Antragserfordernis, das jedoch nicht form- und fristgebunden ist.3 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG müssen bereits im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung vorgelegen haben. Hierfür ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem (zumindest) das wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Wirtschaftsgütern übergeht.4
9.317
Erstreckt sich die Betriebsaufgabe über zwei Kalenderjahre und fällt der Aufgabegewinn daher in zwei Veranlagungszeiträumen an, ist der Freibetrag im Verhältnis der auf die jeweiligen Zeiträume entfallenden anteiligen Aufgabegewinne aufzuteilen.5 Da die Höhe des gesamten Aufgabegewinns erst nach Abschluss der Betriebsaufgabe endgültig feststeht, steht auch die Höhe des Freibetrags in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen erst zu diesem Zeitpunkt fest. Die Finanzverwaltung geht in derartigen Fällen von einer rückwirkenden Änderung des im ersten VZ gewährten anteiligen Freibetrags gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus, sofern sich im zweiten VZ eine Über- oder Unterschreitung der Kappungsgrenze oder ein Gesamt-Aufgabeverlust ergibt.6 1 BFH v. 14.1.2004 – X R 37/02, BStBl. II 2004, 493 (496 f.) = GmbHR 2004, 599; der BFH sah in dem entschiedenen Fall sogar die erforderliche Zusammenballung der Einkünfte als gegeben an, wenngleich der Steuerpflichtige bereits in einem vorangegangenen VZ eine Einmalzahlung als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn versteuert hatte; er begründete dies mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die vorangegangene Einmalzahlung relativ gering war. 2 Dabei ist es irrelevant, ob eine Veräußerung des Betriebs voll- oder teilentgeltlich erfolgt (BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. III). 3 Vertiefend zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen vgl. Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 575 ff.; Schoor, DStZ 2004, 627. 4 Vgl. BFH v. 28.11.2007 – X R 12/07, BStBl. II 2008, 193 = FR 2008, 370 m. Komm. Wendt. Zur Anwendung auf Fälle der Vollendung des 55. Lebensjahres während einer zwei Veranlagungszeiträume berührenden Betriebsaufgabe vgl. BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. IV. 5 BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. I. 6 BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. I.
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§9
Einkommensteuer
Wenn eine GmbH & Co. KG ihren Geschäftsbetrieb veräußert oder aufgibt, steht jedem der Mitunternehmer der Freibetrag nach Maßgabe seiner persönlichen Verhältnisse in voller Höhe zu.1 Verfahrensrechtlich erfolgt die Feststellung des anteiligen Veräußerungsgewinns der Mitunternehmer zwar im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Mitunternehmerschaft. Über die Gewährung des Freibetrages wird aufgrund der persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen indes erst im Rahmen der persönlichen Einkommensteuerveranlagung des Mitunternehmers entschieden.2
9.318
f) Ermäßigte Besteuerung Neben weiteren, abschließend aufgezählten Einkünften zählen die Veräußerungsgewinne i.S. des § 16 EStG zu den sog. außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Nicht begünstigt sind lediglich solche Veräußerungsgewinne, die bereits nach dem Teileinkünfteverfahren teilweise steuerfrei bleiben (§§ 3 Nr. 40 Buchst. a), 3c Abs. 2 EStG); hierdurch soll eine Doppelermäßigung vermieden werden.3 § 34 Abs. 1 EStG kodifiziert die grundsätzlich anzuwendende Tarifglättung bei außerordentlichen Einkünften durch die sog. „Fünftel-Regelung“. Alternativ hierzu kann für Veräußerungsgewinne in bestimmten Fällen auf Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG ein ermäßigter Steuersatz angewandt werden.
9.319
Im Rahmen der Tarifglättung („Fünftel-Regelung“) wird zunächst der Steuerbetrag ermittelt, der entstünde, wenn lediglich ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte angefallen wäre. Zu diesem Zweck ermittelt man die Differenz zwischen der Steuer auf das restliche zu versteuernde Einkommen („verbleibendes Einkommen“) und der Steuer auf das verbleibende Einkommen zzgl. eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte. Anschließend wird diese Differenz verfünffacht. Durch diese Rechenoperation erfolgt in bestimmten Fällen eine Minderung der Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte, da bei entsprechend geringem verbleibenden Einkommen die Grenzsteuerbelastung der außerordentlichen Einkünfte im linear-progressiven Tarif gesenkt wird.4 Sobald zumindest ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte im Rahmen des zu versteuernden Einkommens in der oberen Proportionalzone (Spitzensteuersatz) besteuert wird, entfaltet die Regelung keine steuermindernde Wirkung mehr, da die Steuer auf ein Fünftel dieser Einkünfte einem Fünftel der Steuer auf die gesamten Einkünfte entspricht.5
9.320
Bis zu einem Veräußerungsgewinn von max. 5 Mio. Euro kann einmalig (wie der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG einmal im Leben; § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG) auf Antrag ein ermäßigter Steuersatz auf die Veräußerungsgewinne angewendet werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist (§ 34 Abs. 3 EStG). Ein darüber hinausgehender Veräußerungsgewinn unterliegt grundsätzlich dem vollen Steuersatz. Im Falle eines in zwei Veranlagungszeiträumen anfallenden Aufgabe-
9.321
1 2 3 4 5
R 16 Abs. 13 Satz 3 EStR 2012. R 16 Abs. 13 Satz 1, 2 EStR 2012. BT-Drucks. 14/2683 v. 15.2.2000, S. 116. Zu Berechnungsbeispielen vgl. H 34.2 EStH 2014. Vgl. Henning/Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131 (132).
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§9
Auflösung und Liquidation
gewinns ist der Höchstbetrag von 5 Mio. Euro – wie auch der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG – in jedem Veranlagungszeitraum anteilig anzusetzen.1 Die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 3 EStG ist antragsgebunden, da er alternativ zu der „Fünftel-Regelung“ gem. § 34 Abs. 1 EStG gewährt wird. Der ermäßigte Steuersatz beträgt gem. § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes auf das Gesamteinkommen, mindestens jedoch 14.2 9.322
Die vorstehenden Ermäßigungen können nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige auf die Veräußerungsgewinne ganz oder teilweise § 6b bzw. § 6c EStG anwendet (§ 34 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 6 EStG). Sofern für derartige Gewinne eine Rücklage gem. §§ 6b Abs. 3 Satz 1, 6c Abs. 1 Satz 2 EStG gebildet, die Reinvestition jedoch unterlassen wurde, führt die Auflösung der Rücklage zu laufendem Gewinn, auf den § 34 EStG nicht anwendbar ist.3 Der Anteil eines Gesellschafters am Veräußerungsgewinn ist allerdings auch dann tarifbegünstigt, wenn ein anderer Gesellschafter § 6b EStG in Anspruch genommen hat.4 g) Nachversteuerung in Fällen tarifbegünstigter thesaurierter Gewinne gem. § 34a EStG
9.323
Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20085 wurde in § 34a EStG eine neue Regelung eingefügt, mittels derer Mitunternehmern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wird, in ihrer Mitunternehmerschaft thesaurierte Gewinne mit einem besonderen Einkommensteuertarif von 28,25 % besteuern zu lassen. Hintergrund der Regelung ist es, die ertragsteuerliche Belastung von Mitunternehmerschaften insoweit an diejenige thesaurierender Kapitalgesellschaften anzunähern. Infolge der Progressionsabhängigkeit des regulären Einkommensteuertarifs ergibt sich die Vorteilhaftigkeit dieses besonderen Tarifs allerdings regelmäßig nur im Falle von Mitunternehmern mit Gewinnanteilen in erheblicher Höhe.6
9.324
Da die begünstigte Besteuerung sich lediglich auf die nicht entnommenen Gewinnanteile („Begünstigungsbetrag“) beschränkt, ist zu gewährleisten, dass die thesaurierten und dadurch begünstigt besteuerten Gewinnanteile im Falle ihrer späteren Entnahme der regulären Besteuerung zugeführt werden. Zu diesem Zweck wird grundsätzlich zum Ende jedes Veranlagungszeitraums der „nachversteuerungspflichtige Betrag“ durch Abzug der Einkommensteuer und des Solidaritäts1 Vgl. BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 7 Tz. I. 2 Der ermäßigte Steuersatz wurde mit Wirkung ab 2004 (geändert durch HBeglG 2004 v. 29.12.2003, BGBl. I 2003, 3076) von der Hälfte (50 %) auf 56 % des Durchschnittssteuersatzes angehoben. 3 BFH v. 4.2.1982 – IV R 150/78, BStBl. II 1982, 348 = FR 1982, 302. 4 BFH v. 30.3.1989 – IV R 81/87, BStBl. II 1989, 558 = FR 1989, 460; H 16 Abs. 9 EStH 2014, „Personengesellschaft“; nach Aufgabe der gesellschaftsbezogenen Betrachtungsweise i.R.d. § 6b EStG kommt es hierbei wieder auf das Vorliegen der Voraussetzungen beim einzelnen Gesellschafter an. 5 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 6 Zur grundsätzlichen Funktionsweise der Thesaurierungsbegünstigung bei Gesellschaftern einer GmbH & Co. KG s. Rz. 6.188 ff.
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§9
Einkommensteuer
zuschlags vom Begünstigungsbetrag ermittelt und der so fortgeschriebene Betrag für jeden Mitunternehmeranteil gem. § 34a Abs. 3 Satz 3 EStG gesondert festgestellt.1 Des Weiteren wird für jeden Veranlagungszeitraum geprüft, ob die Entnahmen des Mitunternehmers die Summe seiner Einlagen und seines Gewinnanteils übersteigen (sog. „Nachversteuerungsbetrag“ gemäß § 34a Abs. 4 EStG). Eine Nachversteuerung in Höhe von 25 % Einkommensteuer zzgl. darauf entfallenden Solidaritätszuschlags erfolgt, soweit einem „Nachversteuerungsbetrag“ im laufenden Veranlagungszeitraum ein nachversteuerungspflichtiger Betrag zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums gegenübersteht (§ 34a Abs. 4 EStG). Insoweit besteht nämlich ein sog. „Entnahmeüberhang“,2 d.h. eine Entnahme solcher Gewinnbestandteile, die der begünstigten Besteuerung unterlegen haben. Die vollständige Betriebsveräußerung und -aufgabe werden in diesem Zusammenhang gemäß § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG als Sonderfälle der Entnahme angesehen. Demzufolge wird in diesen Fällen eine Totalentnahme des „nachversteuerungspflichtigen Betrages“ unterstellt, so dass hierdurch eine umfassende Nachversteuerung erfolgt. Zwar ist der besondere Fall der Realteilung als Unterfall der Betriebsaufgabe nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt worden (s. Rz. 9.270 ff.). Die Finanzverwaltung betrachtet indes auch eine ansonsten ertragsteuerneutrale Realteilung als Tatbestand, durch den eine Nachversteuerung ausgelöst wird.3
9.325
Demgegenüber verursacht die Veräußerung eines Betriebsteils grundsätzlich keine Nachversteuerung.4 Dasselbe gilt z.B. bei einer doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaft im Falle der Veräußerung der Beteiligung an der Untergesellschaft.5 Die Anwendung des besonderen Steuertarifs scheidet allerdings gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG u.a. insoweit aus, als für die betreffenden Gewinne bereits der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG oder die Steuerermäßigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen wird (s. Rz. 9.315 ff., 9.321 f.). Da es sich um alternativ anwendbare Begünstigungsregelungen handelt, kann der Steuerpflichtige bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen zwischen der Anwendung der §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 3 EStG und des § 34a EStG wählen, so dass die Anwendung des besonderen Steuertarifs dennoch möglich ist, wenn kein Antrag
9.326
1 In Fällen der unentgeltlichen Übertragung von ganzen Mitunternehmeranteilen gemäß § 6 Abs. 3 EStG erfolgt zudem eine gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags zum Ende des Tages vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag, da der nachversteuerungspflichtige Betrag gemäß § 34a Abs. 7 Satz 1 EStG mit auf den neuen Mitunternehmer übergeht. Dies ist bei der Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils nicht erforderlich, da in diesen Fällen der nachversteuerungspflichtige Betrag insgesamt beim bisherigen Mitunternehmer verbleibt (BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 25, 47). 2 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 27. 3 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 41 f.; kritisch hierzu Schiffers, DStR 2008, 1805 (1813); Schulze zur Wiesche, DB 2008, 1933 (1935), will in Fällen der Übertragung von Wirtschaftsgütern in Betriebsvermögen der Realteiler § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG entsprechend anwenden, der nach seinem Wortlaut indes nur für Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG gilt. 4 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 42. 5 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 34a Abs. 1 EStG in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, S. 172.
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§9
Auflösung und Liquidation
gem. §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 3 EStG gestellt worden ist.1 Nach der sehr weitgehenden Auffassung der Finanzverwaltung scheidet eine Inanspruchnahme von § 34a EStG auch für jenen Teil eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns aus, der nach Abzug des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 4 EStG zu versteuern ist oder der bei Inanspruchnahme von § 34 Abs. 3 EStG die Höchstgrenze überschreitet.2 Darüber hinaus sollen jene Teile ausgenommen sein, die gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b) EStG dem Teileinkünfteverfahren unterliegen,3 wenngleich diese Auslegung nicht durch den Gesetzeswortlaut gedeckt scheint.4
II. Gewerbesteuer 9.327
Bei der Gewerbesteuer handelt es sich um eine Objektsteuer, durch die die betroffenen Gemeinden einen angemessenen Ausgleich für die mit der Ansiedlung der Gewerbebetriebe verbundenen Belastungen erhalten sollen (Äquivalenzprinzip).5 Dementsprechend beschränkt sich die sachliche Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 GewStG grundsätzlich auf den laufenden Gewinn eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Konzept der Besteuerung des „stehenden Gewerbebetriebs“ bewirkt andererseits, dass die Auflösung und Abwicklung einer Personengesellschaft allein nicht zur Beendigung der Gewerbesteuerpflicht führt.6 Die Gewerbesteuerpflicht von Personengesellschaften erlischt erst oder bereits durch die Beendigung der werbenden Tätigkeit, d.h. mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs.7 Dies gilt auch für gewerblich geprägte Personengesellschaften.8
9.328
Von dem nach § 2 Abs. 1 GewStG zu beurteilenden Bestehen eines Steuergegenstands zu differenzieren ist die Frage, ob ein Gewinn aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft gem. § 7 Satz 1 GewStG zu deren Gewerbeertrag zu zählen ist.9 Nach ständiger Rechtsprechung und h.A. zählen Gewinne aus der Veräußerung und Aufgabe des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft grundsätzlich nicht zum Gewerbeertrag gem. § 7 Satz 1 GewStG.10 Daher ist im Ergebnis für die Gewerbesteuerfreiheit des Ertrags aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs einer Personengesellschaft grundsätzlich nur entscheidend, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 bzw. 3 EStG gegeben sind, während im Fall der allmählichen Betriebsabwicklung die Erträge aus der Veräußerung oder Entnahme grundsätzlich der Gewerbesteuer unterliegen.11 Dementsprechend unterliegen
1 2 3 4 5 6 7 8
BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 4 ff. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 4. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001, DStR 2008, 1637 Tz. 4. Kritisch auch Schiffers, DStR 2008, 1805 (1807). Güroff in Glanegger/Güroff, § 1 GewStG Rz. 11. § 4 Abs. 1 GewStDV; R 2.6 Abs. 4 GewStR 2009. R 2.6 Abs. 4 und Abs. 1 GewStR 2009. Güroff in Glanegger/Güroff, § 2 GewStG Rz. 582; BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 (468) = GmbHR 2004, 685. 9 So kann sich z.B. eine (Teil-)Betriebsaufgabe noch im Rahmen eines werbenden Unternehmens vollziehen; vgl. Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 24 m.w.N. 10 H 7.1 (3) GewStR 2009 „Veräußerungs- und Aufgabegewinne“. 11 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 24.
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§9
Gewerbesteuer
nach Auffassung von Rechtsprechung1 und Finanzverwaltung2 auch solche Veräußerungsgewinne der Gewerbesteuer, die gem. § 16 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 EStG aufgrund der Identität von Veräußerer und Erwerber als laufende Gewinne anzusehen sind. Allerdings ist zu beachten, dass die Gewerbesteuerfreiheit des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns nicht die Auflösung der wesentlichen stillen Reserven, sondern nur funktional die Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe voraussetzt.3 Dieser funktionale Betriebsbegriff des Gewerbesteuerrechts führt z.B. dazu, dass sich in bestimmten Fällen die Höhe des gewerbesteuerfreien Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns von dem des durch die §§ 16, 34 EStG begünstigten Gewinns unterscheidet.4
9.329
Beispiel Die AB-GmbH & Co. KG, an der nur die natürlichen Personen A und B als Kommanditisten vermögensmäßig beteiligt sind, soll aufgelöst und abgewickelt werden. Sie veräußert in kurzem zeitlichem Abstand nahezu ihr gesamtes Betriebsvermögen an Dritte. Lediglich ein Betriebsgrundstück, das zu ihren wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, wird unter Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG in das Betriebsvermögen des B überführt.
9.330
Zwar sind nach einkommensteuerlichen Grundsätzen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigungen nach den §§ 16, 34 EStG nicht gegeben, da nicht sämtliche stillen Reserven aufgedeckt wurden (s. hierzu Rz. 9.249, 9.255 f.). Gewerbesteuerlich handelt es sich indes um eine (funktionale) Betriebsaufgabe, so dass der hieraus entstandene Gewinn nicht der Gewerbesteuer unterfällt.
Darüber hinaus ergeben sich im Rahmen der Betriebsaufgabe noch weitere Unterschiede zwischen der einkommensteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Wertung. So kann die Einstellung der werbenden Tätigkeit zur gewerbesteuerrechtlichen Betriebseinstellung führen, während einkommensteuerrechtlich u.U. ledig-
1 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BFH/NV 2004, 1189 = GmbHR 2004, 1096; nach Auffassung des BFH dienen die Regelungen des § 16 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 EStG dem Zweck, die zeitweise mit dem sog. „Aufstockungsmodell“ verfolgten rechtsmissbräuchlichen Ziele (Betriebsveräußerung an beteiligungsidentische Personengesellschaft und Schaffung von Abschreibungspotential unter Ausnutzung von §§ 16 Abs. 4, 34 EStG sowie der Gewerbesteuer-Freiheit für Veräußerungsgewinne) zu verhindern. Aus diesem Zweck der betreffenden Regelungen ergibt sich deren Verbindlichkeit auch für die Gewerbesteuer, so dass die hiervon erfassten „laufenden Gewinne“ auch als Gewerbeertrag zu erfassen sind. 2 Abschn. 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 GewStR 1998; R 7.1 Abs. 3 GewStR 2009 enthält den Satz nicht mehr, die Regelung soll aber noch gelten, vgl. Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 333. 3 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 69. 4 BFH v. 17.3.2010 – IV R 41/07, = BStBl. II 2010, 977 (980) = GmbHR 2010, 834; BFH v. 29.10. 1987 – IV R 93/85, BStBl. II 1988, 374 (376 f.) = GmbHR 1988, 318; BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809 (810) = FR 1994, 650; nach Auffassung des BFH liegt der Grund für die Gewährung der Steuervergünstigungen nach den §§ 16, 34 EStG darin, dass die zusammengeballte Auflösung der stillen Reserven mit ihren typischen steuererhöhenden Auswirkungen infolge der Tarifprogression eine Milderung der Besteuerung geraten erscheinen lässt, während der Grund für die – nicht als Steuervergünstigung anzusehende – Gewerbesteuer-Freistellung von Gewinnen aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs darin liegt, dass die Übertragung des Betriebs nicht Gegenstand der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag ist.
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Auflösung und Liquidation
lich eine Betriebsunterbrechung vorliegt.1 Dies ist z.B. der Fall bei der Betriebsverpachtung, bei der der Unternehmer keine ausdrückliche Aufgabeerklärung gem. § 16 Abs. 3b Nr. 1 EStG abgegeben hat.2 Ähnlich ist beim Strukturwandel zu unterscheiden, bei dem ein gewerbliches Unternehmen in ein land- und forstwirtschaftliches oder eines i.S. des § 18 EStG übergeht (s. Rz. 9.269). Trotz Fehlens einer Betriebsaufgabe gem. § 16 EStG kommt es in diesen Fällen grundsätzlich zu einer gewerbesteuerrechtlichen Betriebseinstellung. 9.332
Etwas anderes gilt nur bei Betriebsunterbrechungen, die vorübergehend und in der Art des Betriebs begründet sind (§ 2 Abs. 4 GewStG). Bei den insbesondere hierunter fallenden Saisonbetrieben sowie sonstigen erkennbar vorübergehend geplanten Betriebsstilllegungen kommt es nicht zu einer gewerbesteuerrechtlichen Betriebseinstellung.3 Entsprechendes gilt für Betriebsverlegungen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die wirtschaftliche Identität des Betriebs fortbesteht.4 Anderenfalls wäre gewerbesteuerrechtlich von einer Einstellung des ursprünglichen Betriebs und Neugründung eines Betriebs auszugehen.
9.333
Durch die ggf. erforderliche Differenzierung zwischen einkommensteuerlicher Betriebsaufgabe und gewerbesteuerlicher Betriebseinstellung ist eine eigenständige gewerbesteuerrechtliche Gewinnermittlung durchzuführen. Zwar lassen es die nach § 7 Satz 1 GewStG maßgeblichen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuergesetzes nicht zu, gewinnrealisierende Steuertatbestände lediglich für gewerbesteuerrechtliche Zwecke anzunehmen, so dass eine Besteuerung der stillen Reserven eines Betriebs mit Gewerbesteuer nicht in Betracht kommt, wenn einkommensteuerlich für den Betrieb die Buchwerte fortgeführt werden.5 Andererseits erfordert § 7 Satz 1 GewStG für Fälle der nur gewerbesteuerrechtlichen Betriebseinstellung eine eigenständige und zutreffende Ermittlung des Gewinns für gewerbesteuerliche Zwecke.
9.334
Gem. § 7 Satz 2 GewStG6 gehört u.a. der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft zu deren Ge1 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 80; zur Betriebsunterbrechung s. Rz. 9.266 f.; ebenso BFH v. 28.9.1995 – IV R 39/94, BStBl. II 1996, 276 (278 f.) = FR 1996, 145. 2 R 2.2 Satz 2 GewStR 2009. 3 Keß in Lenski/Steinberg, § 2 GewStG Rz. 5001. 4 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 79; die wirtschaftliche Identität wird i.d.R. durch den Bestand an materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern geprägt. 5 Eine eigenständige gewerbesteuerrechtliche Entstrickung existiert nicht; vgl. Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 36, 67 m.w.N. 6 Eingefügt wurde die seit dem 1.1.2002 geltende Regelung durch das UntStFG v. 24.12.2001, BGBl. I 2001, 3858; § 7 Satz 2 GewStG wurde zunächst nach seinem Inkrafttreten durch einen gesetzgeberischen Fehler wieder aufgehoben und anschließend erst durch das am 23.7.2002 verabschiedete Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen (StBAÄG), BGBl. I 2002, 2715 (2721), in einer Neufassung – mit Rückwirkung zum 1.1.2002 (§ 36 Abs. 1 GewStG i.d.F. des StBAÄG) – wieder eingeführt; fraglich ist insofern die Zulässigkeit der rückwirkenden Einführung und demzufolge die Rechtswirkung von § 7 Satz 2 GewStG in der Zeit vom 1.1.2002 bis zur Verkündung des StBAÄG im BGBl. am 26.7.2002; vgl. hierzu Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 18; Bechler/Schröder, DB 2002, 2238; Behrens/Schmitt, BB 2002, 860; Suchanek/Herbst, NWB Fach 5, 1507; die Zulässigkeit der Rückwirkung bejahend z.B. Brandenberg, DStZ 2002, 551 (553).
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§9
Gewerbesteuer
werbeertrag, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt (§ 7 Satz 2 Nr. 1 GewStG). Ziel der Regelung sollte es sein zu verhindern, dass die grundsätzlich gewerbesteuerpflichtige Veräußerung von Wirtschaftsgütern oder (Teil-)Betrieben insbesondere durch Kapitalgesellschaften dadurch umgangen wird, dass das zu veräußernde Vermögen zuvor ertragsteuerneutral1 in eine Personengesellschaft eingebracht wird und anschließend der (Teil-)Betrieb der Personengesellschaft bzw. die Anteile an der Personengesellschaft gewerbesteuerfrei veräußert werden.2 Aufgrund des weit reichenden Wortlauts des § 7 Satz 2 GewStG erfasst die Regelung indes nicht nur solche Mitunternehmerschaften, an denen (teilweise) Kapitalgesellschaften beteiligt sind, sondern auch solche, an denen wiederum andere Personengesellschaften beteiligt sind (doppelstöckige Personengesellschaften), und zwar unabhängig davon, ob an diesen wiederum Kapitalgesellschaften oder natürliche Personen beteiligt sind. Beispiel An der AB-GmbH & Co. KG sind als Kommanditisten die natürliche Person A und die B-GmbH & Co. KG zu jeweils 50 % beteiligt. Die AB-GmbH ist als Komplementärgesellschaft an der AB-GmbH & Co. KG nicht vermögensmäßig beteiligt. Die Anteile an der B-GmbH & Co. KG wiederum werden jeweils zu 50 % von der natürlichen Person B und der C-GmbH gehalten. Zum Ende des Erhebungszeitraums veräußert die AB-GmbH & Co. KG ihren gesamten Betrieb an D. Der Veräußerungsgewinn beträgt 1 Mio. Euro. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der AB-GmbH & Co. KG gem. § 2 Abs. 1 GewStG unterstellt,3 ist die Veräußerung ihres Betriebs grundsätzlich gem. § 7 Satz 1 GewStG nicht gewerbesteuerpflichtig.4 Allerdings ist an der AB-GmbH & Co. KG nur i.H.v. 50 % eine natürliche Person (A) und i.H.v. 50 % eine andere GmbH & Co. KG (B-GmbH & Co. KG) unmittelbar beteiligt. Dies führt gem. § 7 Satz 2 Nr. 1 GewStG dazu, dass der Veräußerungsgewinn i.H.v. 50 % (500 000 Euro) in den Gewerbeertrag der veräußernden Gesellschaft einbezogen wird. Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, dass an der Obergesellschaft (B-GmbH & Co. KG) wiederum zu 50 % eine natürliche Person (B) beteiligt ist. Entscheidend ist nach dem Wortlaut der Regelung ausschließlich die fehlende unmittelbare Beteiligung.5 1 Z.B. gem. § 6 Abs. 5 EStG, § 24 UmwStG. 2 Parallel hierzu verhindert § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG entsprechende gewerbesteuerliche Gestaltungen durch Nutzung von Umwandlungsgestaltungen (z.B. Verschmelzung, Spaltung oder Formwechsel auf eine Personengesellschaft vor Betriebsveräußerung/-aufgabe), indem diese Regelung Aufgabe- und Veräußerungsgewinne der Gewerbesteuer unterwirft, sofern diese innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung entstehen. 3 Nach der eingangs dargestellten Dogmatik des GewStG können Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs einer Personengesellschaft überhaupt nur dann unter § 7 GewStG fallen, wenn sie im Rahmen eines gem. § 2 Abs. 1 GewStG sachlich gewerbesteuerpflichtigen Betriebs anfallen. Sofern die AB-GmbH & Co. KG ihren Betrieb nach dessen Einstellung (Beendigung der werbenden Tätigkeit) veräußert, unterliegt der hieraus entstehende Gewinn nicht mehr der sachlichen Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 GewStG, vgl. Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 376 m.w.N. (Stand Juli 2015). Demzufolge dürfte § 7 Satz 2 Nr. 1 GewStG u.E. aufgrund seiner Stellung im GewStG in diesem Fall nicht zur Anwendung kommen. 4 H 7.1 (3) GewStR 2009 „Veräußerungs- und Aufgabegewinne“. 5 Dieses Ergebnis wurde aus Praktikabilitätserwägungen in Kauf genommen, da es für das Betriebs-Finanzamt der Untergesellschaft regelmäßig schwierig feststellbar sei, ob und in welchem Umfang eine natürliche Person mittelbar an dem Veräußerungsgewinn der Personengesellschaft beteiligt ist, vgl. BT-Drucks. 14/7344 v. 8.11.2001, S. 12. Eine zweckentsprechende Entlastung dieser mittelbar beteiligten natürlichen Personen soll durch die Anwendung des § 35 EStG erfolgen.
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9.335
§9
Auflösung und Liquidation
9.336
Aufgrund des Wortlauts des § 7 Satz 2 GewStG können Zweifel bestehen, ob die Regelung neben Gewinnen aus der Veräußerung und Aufgabe von (Teil-)Betrieben von Mitunternehmerschaften auch Verluste hieraus erfasst. Die wohl h.A. bejaht dies.1 Danach besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen gem. § 7 Satz 2 Nr. 1 GewStG gewerbesteuerlich relevanten Veräußerungs- bzw. Aufgabeverlust einer Personengesellschaft mit einem Gewinn der Gesellschaft zu verrechnen, den diese seit Beginn des laufenden Erhebungszeitraums erzielt hat. Problematisch könnte sich allerdings der Vortrag gem. § 10a GewStG eines nach § 7 Satz 2 GewStG zu berücksichtigenden Gewerbeverlusts darstellen, da es durch eine (Teil-)Betriebsveräußerung (jedenfalls partiell) an der hierfür erforderlichen Unternehmensidentität fehlen dürfte.2 Andererseits dürften nach § 7 Satz 2 GewStG gewerbesteuerpflichtige Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne durch bestehende Verlustvorträge der Gesellschaft gemindert werden, da der durch die Veräußerung bzw. Aufgabe verursachte Gewinn noch vor einem ggf. vorliegenden Wegfall der Unternehmensidentität entsteht.3
9.337
Sofern im Zuge einer Realteilung ein Spitzenausgleich geleistet wird (s. hierzu Rz. 9.281 ff.), war dies nach früherer Rechtsprechung nicht gewerbesteuerpflichtig.4 Da der BFH den Spitzenausgleich als „Aufgabegewinn im weiteren Sinne“ ansieht, geht auch die Finanzverwaltung davon aus, dass gem. § 7 Satz 2 GewStG derartige Ausgleichszahlungen an Kapital- oder Personengesellschaften als Mitunternehmer der real zu teilenden Gesellschaft der Gewerbesteuer unterfallen.5
III. Umsatzsteuer 9.338
Bei Liquidation einer Personengesellschaft ergeben sich umsatzsteuerlich insoweit keine Besonderheiten, als die Gesellschaft umsatzsteuerlich so lange Unternehmer bleibt, bis das letzte Wirtschaftsgut veräußert und die Umsatzsteuerschuld beglichen ist.6 Bei Veräußerung des Gesellschaftsvermögens an Dritte oder an die Gesellschafter (als Dritte) gelten die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze. Die abschließende Verteilung des Liquidationserlöses ist dagegen unbeachtlich, da die Gesellschaft die Gesellschaftsanteile nicht für ihr Unternehmen, sondern zwecks endgültiger Auflösung des Unternehmens „zurückerwirbt“. Im Fall der Liquidation durch Realteilung des Gesellschaftsvermögens liegen dagegen tauschähnliche steuerbare und (in Abhängigkeit vom jeweiligen Sachverhalt) auch steuerpflichtige Umsätze vor (Gegenleistung: Rückgewähr der Gesellschaftsrechte oder Verrechnung mit dem Auseinandersetzungsguthaben).7 1 Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 379 m.w.N. (Stand Juli 2015); Behrens/Schmitt, BB 2002, 860 (862 f.); Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 24 Rz. 191; a.A. wohl Beußer, FR 2001, 880 (884). 2 So Roser in Lenski/Steinberg, § 7 GewStG Rz. 379 (Stand Juli 2015); Behrens/Schmitt, BB 2002, 860 (863); vgl. zum Fall der Realteilung R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 7 GewStR 2009. 3 Zu dieser Problematik im Falle der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen vgl. Füger/ Rieger, DStR 2002, 933 (937). 4 BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BStBl. II 1994, 809 = FR 1994, 650. 5 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242 - 6/06, BStBl. I 2006, 228 Tz. VI. 6 2.6 Abs. 6 Satz 6 UStAE. 7 Völkel in Zimmermann/Hottmann/u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, N. 35 f.
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§9
Grunderwerbsteuer
Sowohl im Fall der Veräußerung des Betriebs der Personengesellschaft als auch bei unentgeltlicher Übertragung kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen, was zur Nichtsteuerbarkeit der Umsätze führt (§ 1 Abs. 1a UStG). Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden. Sowohl bei entgeltlicher als auch bei unentgeltlicher Übertragung beeinträchtigt die Zurückbehaltung einzelner unwesentlicher Wirtschaftsgüter nicht die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen.1
9.339
Wird die Komplementär-GmbH als Liquidator mit der Abwicklung der GmbH & Co. KG beauftragt und erhält sie hierfür eine Vergütung, so liegt hierin ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch.2
9.340
IV. Grunderwerbsteuer Die Grunderwerbsteuer erfasst Erwerbsvorgänge über Grundstücke zwischen verschiedenen Rechtsträgern. Dabei ist es unerheblich, ob Grundstücke als Einzelwirtschaftsgüter aus einem weiter bestehenden Betrieb einer GmbH & Co. KG heraus veräußert werden oder im Rahmen einer Betriebsveräußerung gem. § 16 Abs. 1 EStG als Bestandteil des Gesamthandsvermögens auf den Erwerber übergehen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dementsprechend wird Grunderwerbsteuer grundsätzlich auch dann ausgelöst, wenn Grundstücke im Zuge einer Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 EStG veräußert werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
9.341
Etwas anderes gilt u.U., wenn die Veräußerung des gesamten Betriebs bzw. der einzelnen Grundstücke des Gesamthandsvermögens an einen oder mehrere Gesellschafter der GmbH & Co. KG erfolgt. In diesem Fall wird Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der jeweilige Erwerber (Gesellschafter) am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Dies gilt entsprechend, wenn ein Grundstück in das Miteigentum mehrerer Gesellschafter übergeht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Werden im Zuge einer Betriebsaufgabe, das Grunderwerbsteuergesetz knüpft übergreifend an die Auflösung der Gesamthand an, Grundstücke aus dem Gesamthandsvermögen auf die einzelnen Gesellschafter verteilt, wird Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils der betreffenden Gesellschafter an der Auseinandersetzungsquote der Gesellschaft nicht erhoben, wenn die Beteiligten für diesen Fall eine vom bisherigen Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart haben (§ 6 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die Regelungen gelten gem. § 6 Abs. 4 GrEStG zur Missbrauchsvermeidung dann nicht, wenn der das Grundstück übernehmende Gesellschafter, bei Erbfolge/Schenkung unter Hinzurechnung der Gesellschafterzeit des Erblassers oder Schenkers, noch keine fünf Jahre Gesellschafter war oder innerhalb der letzten fünf Jahre eine abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart wurde.3
9.342
Entsprechende begünstigende Regelungen gelten beim Übergang von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft in das Gesamthandseigen-
9.343
1 1.5 Abs. 3 UStAE. 2 BFH v. 8.11.1995 – V R 8/94, BStBl. II 1996, 176 = GmbHR 1996, 380. 3 Vgl. zu Einzelheiten Pahlke, § 6 GrEStG Rz. 32 ff.
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§9
Auflösung und Liquidation
tum einer anderen Gesellschaft (§ 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG); diese Befreiung greift allerdings wiederum zur Vermeidung von Missbräuchen nicht, wenn sich der Anteil eines Gesellschafters an der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb vermindert (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Beispiel 9.344
Die A-GmbH & Co. KG ist eine Einpersonen-GmbH & Co. KG. Beteiligt sind lediglich A als Kommanditist zu 100 % und die A-GmbH als Komplementärgesellschaft, die nicht am Gewinn und Vermögen der KG partizipiert. Im Zuge der Betriebsaufgabe der Gesellschaft entnimmt A ein im Gesamthandsvermögen befindliches Grundstück in sein Privatvermögen. Durch die Übertragung des Grundstücks von der A-GmbH & Co. KG auf A erfolgt ein Rechtsträgerwechsel, der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grundsätzlich Grunderwerbsteuer auslöst.1 Gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer insgesamt nicht erhoben, da sich die Berechtigung des A an dem Grundstück trotz Rechtsträgerwechsels wirtschaftlich betrachtet in vollem Umfang fortsetzt.
9.345
In entsprechender Weise erfolgt die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung der Realteilung einer Personengesellschaft. Hiernach wird Grunderwerbsteuer insoweit nicht erhoben, als der Gesellschafter, der das Grundstück bzw. den das Grundstück beinhaltenden (Teil-)Betrieb erhält, am Vermögen der real geteilten Gesellschaft beteiligt war (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Erfolgt eine Übertragung auf eine personen- und beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaft,2 tritt gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG vollständige Grunderwerbsteuerfreiheit ein.3 Dies gilt insoweit nicht, als sich der Anteil des betreffenden Gesellschafters am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks vermindert (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).
9.346
Zur Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme der vorstehend dargestellten Steuerbefreiungen bestimmt § 6 Abs. 4 GrEStG, dass diese insoweit nicht greifen, als ein Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat (§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Das Gleiche gilt insoweit, als eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist (§ 6 Abs. 4 Satz 2 GrEStG).
1 So findet auf Auseinandersetzungsverträge grundsätzlich § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Anwendung, vgl. Pahlke, § 1 GrEStG Rz. 153. 2 Zur ertragsteuerlichen Problematik der Anwendung der Realteilungsgrundsätze auf derartige Übertragungen s. Rz. 9.275. 3 Pahlke, § 6 GrEStG Rz. 39; Ostermayer/Riedel, BB 2003, 1305 (1308).
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§ 10 Insolvenz A. Insolvenz I. Allgemeines Einer der gesetzlichen Auflösungsgründe für die GmbH & Co. KG ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (§§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB). Das Gesetz unterscheidet streng zwischen der Gesellschafts- und der Gesellschafterinsolvenz. Es ist daher zu trennen zwischen der Insolvenz der GmbH & Co. KG und einer etwaigen Insolvenz ihrer Komplementär-GmbH.1 Beide Gesellschaften sind für sich genommen insolvenzfähig (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO) und daher selbständig auf ihre Insolvenzreife zu überprüfen. Ergibt die Prüfung die Insolvenzreife beider Gesellschaften, so bedarf es zur Einleitung der Insolvenzverfahren eines gesonderten Insolvenzantrags für jede Gesellschaft.2 Beide Gesellschaften durchlaufen getrennte Insolvenzverfahren mit getrennten Insolvenzmassen. Tatsächlich wird es jedoch nur selten zur Insolvenz der einen ohne die gleichzeitige Insolvenz der anderen Gesellschaft kommen. Wegen der persönlichen Haftung der Komplementär-GmbH für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG nach §§ 128, 161 Abs. 2 HGB zieht die Insolvenz der KG regelmäßig die Insolvenz der Komplementär-GmbH nach sich. Solange die KG zahlungsfähig ist, wird auch i.d.R. bei ihrer Komplementär-GmbH kein Insolvenzgrund vorliegen, denn die Komplementärin hat, wegen aller Verbindlichkeiten, die sie für die KG begleicht, einen Freistellungsanspruch gem. § 110 HGB gegen die KG. Solange dieser Freistellungsanspruch werthaltig und durchsetzbar ist, wird bei einer typischen Komplementär-GmbH, d.h. bei einer Komplementärin, die neben der persönlichen Haftung und Geschäftsführung in der GmbH & Co. KG keine weiteren Aktivitäten entfaltet, kein Insolvenzgrund vorliegen.3 Eine Pflicht der Komplementär-GmbH, die Verbindlichkeiten der KG zu passivieren, besteht erst dann und nur insoweit, als sie ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen muss.4 Nur wenn die KG wegen Zahlungsunfähigkeit die korrespondierende Ausgleichsforderung nach § 110 HGB nicht mehr bedienen kann oder wenn diese Forderung wegen Überschuldung der KG nicht mehr werthaltig ist, ist regelmäßig auch bei der Komplementär-GmbH ein Insolvenzgrund gegeben (sog. Doppel- oder Simultaninsolvenz).
1 Sog. Trennungsprinzip, K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209 (1210). 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 6. 3 K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209 (1211); Schlitt, NZG 1998, 701. Zu Insolvenz-Konstellationen, bei denen die Komplementär-GmbH neben ihrer Tätigkeit als persönlich haftende Gesellschafterin der KG ein eigenes Unternehmen betreibt oder als sog. „Stern-Komplementärin“ an mehreren KGs beteiligt ist, siehe Krings/Otte, NZG 2012, 761. 4 Maurer/Odörfer, GmbHR 2008, 351; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 31.
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10.1
§ 10
Insolvenz
II. Doppel- und Simultaninsolvenz 10.2
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters führt – falls der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG nichts anderes bestimmt – gem. §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB zum Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters aus der Gesellschaft. Das gilt sowohl für die Insolvenz eines Kommanditisten als auch für die Insolvenz der Komplementär-GmbH. Gemäß BGH-Urteil vom 15.3.20041 gilt dies selbst dann, wenn neben der Komplementär-GmbH nur noch ein Kommanditist an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH führt auch in diesem Fall zu ihrem Ausscheiden und damit zur liquidationslosen Vollbeendigung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge ihres einzig verbliebenen Kommanditisten. Dieser haftet dann persönlich für die Verbindlichkeiten der KG, allerdings nur mit dem ihm zufallenden Gesellschaftsvermögen, es sei denn, es greift eine weitergehende Haftung nach § 171 HGB oder § 25 HGB.
10.3
Fraglich ist, ob die Regelung des §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB auch für den Fall gilt, dass neben der Komplementär-GmbH auch die GmbH & Co. KG insolvent ist (sog. Doppelinsolvenz). Nach Liebs und K. Schmidt soll § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB in diesem Fall keine Anwendung finden.2 Die gleichzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG und ihrer KomplementärGmbH soll demnach zwar zur Auflösung beider Gesellschaften, nicht aber zum Ausscheiden der GmbH aus der KG führen. Dadurch soll erreicht werden, dass die GmbH & Co. KG als solche fortbesteht und damit ein eigenständiges Insolvenzverfahren durchlaufen kann.3 Aus diesem Grunde sei § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB für den Fall der Doppelinsolvenz, also der gleichzeitigen Insolvenz von GmbH & Co. KG und Komplementär-GmbH, teleologisch zu reduzieren, mit der Folge, dass es in diesem Fall nicht zum Ausscheiden des insolventen Gesellschafters – also der Komplementär-GmbH – komme.4
10.4
Der BGH hat hierzu inzwischen zutreffend klargestellt, dass eine teleologische Reduktion des § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB bei der gleichzeitigen Insolvenz von GmbH & Co. KG und Komplementär-GmbH jedenfalls dann nicht erforderlich ist, wenn noch Gesellschafter verbleiben.5 Bei einer GmbH & Co. KG mit zwei oder mehreren Kommanditisten besteht die Gesellschaft auch nach dem Ausscheiden der Komplementär-GmbH fort (s. Rz. 9.29). Zwar ist die Gesellschaft durch das Ausscheiden des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters aufgelöst, aber auch über das Vermögen einer aufgelösten KG kann das Insolvenzverfahren durchgeführt werden. Es besteht mithin keine Notwendigkeit, von dem gesetzlich angeordneten Ausscheiden des insolventen Gesellschafters hier eine Ausnahme zu machen. Selbst wenn neben der Komplementär-GmbH nur noch ein einziger Kom1 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952. 2 Liebs, ZIP 2002, 1716; K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209; K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 131 HGB Rz. 76; K. Schmidt, ZIP 2008, 2337 (2344 f.); K. Schmidt, ZIP 2010, 1621. 3 K. Schmidt, GmbHR 2003, 1404. 4 K. Schmidt/Bitter in Scholz, § 60 GmbHG Rz. 115 ff.; Bitter in Scholz, vor § 64 GmbHG Rz. 203 ff. 5 BGH v. 8.5.2014 – I ZR 217/12, GmbHR 2014, 871 m. Komm. Blöse.
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§ 10
Insolvenzgründe
manditist an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, steht dies dem insolvenzbedingten Ausscheiden der GmbH nicht entgegen. Durch das Ausscheiden der GmbH ist die GmbH & Co. KG dann nicht nur aufgelöst, sondern zugleich liquidationslos vollbeendet; ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Anwachsung nach §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 739 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den Kommanditisten über.1 Der Kommanditist ist dadurch nicht schutzlos gestellt, denn er kann die Haftung für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG in analoger Anwendung des § 27 HGB auf das übernommene Vermögen begrenzen (s. Rz. 9.31). Reicht dieses Vermögen zur Begleichung der Verbindlichkeiten nicht aus, so ist in Anlehnung an das Nachlassinsolvenzverfahren analog §§ 315 ff. InsO ein Partikularinsolvenzverfahren über das Sondervermögen der vollbeendeten GmbH & Co. KG in der Rechtsträgerschaft des ehemaligen Kommanditisten durchzuführen.2 Allein im Falle der simultanen Insolvenz von GmbH & Co. KG, KomplementärGmbH und des einzigen (oder aller) Kommanditist(en) würde das zeitgleiche Ausscheiden sämtlicher Gesellschafter zur Undurchführbarkeit eines Insolvenzverfahrens über das KG-Vermögen führen, weil beim gleichzeitigen Ausscheiden aller Gesellschafter kein Rechtsträger mehr für das ehemalige Gesellschaftsvermögen verbliebe. In diesem Ausnahmefall ist es sachgerecht, durch teleologische Reduktion die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB auszuschließen.3 In der Praxis wird es wohl kaum vorkommen, dass alle drei Insolvenzverfahren genau zeitgleich eröffnet werden. Eröffnet das Insolvenzgericht die Verfahren zeitlich versetzt (und sei es auch nur um eine Minute), so wird der Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger, dessen Insolvenzverfahren zuletzt eröffnet wurde, und eine teleologische Reduktion von § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB ist dann selbst bei Insolvenz sämtlicher Gesellschafter nicht erforderlich.
10.5
III. Insolvenzgründe Eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland unterliegt dem deutschen Insolvenzrecht, das insbesondere in der Insolvenzordnung (InsO) normiert ist. Die §§ 17–19 InsO regeln die Insolvenzgründe. Insolvenzgründe für die typische GmbH & Co. KG, also für eine KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO).
1 BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, GmbHR 2004, 952. 2 Albertus/Fischer, ZInsO 2005, 246 (249); Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 (643); Gundlach/ Frenzel/Schmidt, DStR 2004, 1658; Herchen, EWiR 2007, 527. In diesem Sinne auch KG Berlin v. 10.10.2013 – 1 W 72/12, ZIP 2012, 1817; OLG Hamm v. 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233; LG Dresden v. 7.3.2005 – 5 T 889/04, ZIP 2005, 955; AG Hamburg v. 1.7. 2005 – 67a IN 143/05, ZInsO 2005, 837 sowie zum umgekehrten Fall der Anwachsung bei der Komplementärin nach Ausscheiden des letzten Kommanditisten AG Köln v. 23.4.2009 – 74 IN 306/08, NZG 2009, 1074 und BVerwG v. 13.7.2011 – 8 C/10, ZIP 2011, 1891 mit zust. Anm. Haas/Vogel = EWiR 2011, 671. 3 OLG Hamm v. 3.7.2003 – 15 W 375/02, GmbHR 2003, 1361.
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10.6
§ 10
Insolvenz
1. Zahlungsunfähigkeit 10.7
Eine GmbH & Co. KG ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO).1 Allein entscheidend ist die Zahlungsunfähigkeit der GmbH & Co. KG, auf eine etwaige Zahlungsfähigkeit ihrer Komplementärin oder der Kommanditisten kommt es nicht an, denn deren Liquidität zählt selbst dann nicht zu den verfügbaren Mitteln der GmbH & Co. KG, wenn sie aufgrund eines gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbestands für deren Verbindlichkeiten einstehen müssen.2
10.8
Relevant sind nur Zahlungsverpflichtungen, keine sonstigen Leistungspflichten. Die Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft müssen fällig sein. Daher sind Forderungen, die rechtlich oder tatsächlich gestundet wurden, nicht zu berücksichtigen.3 Eine Forderung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Wille des Gläubigers, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. In Rechtsprechung und Schrifttum wird dazu formelartig ein ernsthaftes Einfordern verlangt.4 Die tatsächlichen Anforderungen an dieses Tatbestandsmerkmal sind jedoch minimal. Es genügt eine fälligkeitsbegründende Handlung des Gläubigers, gleichgültig, ob die Fälligkeit aus der ursprünglichen Vertragsabrede oder aus einer nach Erbringung der Leistung übersandten Rechnung herrührt. Eine zusätzliche Rechtshandlung, insbesondere eine Mahnung, ist daneben entbehrlich. Ist für die Zahlung eine Zeit bestimmt, kann der Gläubiger auch ohne ein besonderes Zahlungsverlangen von der pünktlichen Zahlung ausgehen. Es dürfen allein solche fälligen Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit außer Betracht bleiben, die rein tatsächlich gestundet sind.5
10.9
Gläubiger der Forderung kann ein Dritter, ein Gesellschafter6 oder ein Geschäftsführer sein. Fraglich ist, wie ein für eine Forderung vereinbarter Rangrücktritt im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit7 wirkt. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO spricht lediglich von einem „Nachrang im Insolvenzverfahren“, so dass ein Rangrücktritt, der gemäß dem Wortlaut oder unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 2 InsO vereinbart wurde, bei wörtlicher Auslegung lediglich für ein etwaiges Insolvenzverfahren eine ver1 Zur Zahlungsunfähigkeit und ihrer Feststellung ausführlich Bork, ZIP 2008, 1749; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 228 ff., 249 ff. m.w.N.; Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5.6 ff. 2 Schmid in MünchHdb. GesR, Bd. II, § 47 Rz. 7; Wimmer in Frankfurter Kommentar zur InsO, § 17 InsO Rz. 3. 3 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235; BGH v. 21.12.2007 – IX ZR 93/06, BB 2008, 634. 4 Grundlegend BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666; BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706; Bork, ZIP 2014, 997; Erdmann, NZI 2007, 695 jeweils m.w.N. 5 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235; BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79; BGH v. 26.2.2013 – II ZR 54/12, GmbHR 2013, 482; Baumert, NZI 2013, 131. Eine tatsächliche Stundung ist bspw. bei einem pactum de non petendo oder dann gegeben, wenn für streitige Steuerforderungen eine Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289. 6 BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, GmbHR 2013, 31 m. Komm. Wenzler: „Bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit […] sind fällige Gesellschafterforderungen nicht auszuklammern.“ 7 Zur Wirkung bei der Überschuldungsprüfung siehe unter Rz. 10.42 ff.
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
fahrensmäßige Verteilungsreihenfolge normiert; eine zusätzliche vorinsolvenzrechtliche Durchsetzungssperre kann dem nicht ohne weiteres entnommen werden.1 Insbesondere kann nicht unterstellt werden, dass jemand, der sich zu einem verfahrensrechtlichen Nachrang bereit erklärt, auch stets eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vereinbaren will. Es bedarf vielmehr konkreter Anhaltspunkte, dass nach dem Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) neben dem Nachrang im Insolvenzverfahren auch eine außerinsolvenzliche Durchsetzungssperre oder eine Stundung gewollt ist.2 Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn objektiv nicht zu erwarten ist, dass kurzfristig die notwendige Liquidität zur Begleichung der Schulden vorhanden sein wird. In seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2005 hat der BGH konkrete Vorgaben zu Dauer und Wesentlichkeit der Illiquidität gemacht; danach ist die Zahlungsunfähigkeit von der bloßen Zahlungsstockung und der unwesentlichen Liquiditätslücke wie folgt abzugrenzen:3
10.10
– Ist die GmbH & Co. KG objektiv in der Lage, sich innerhalb von maximal drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und damit ihre Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen, handelt es sich nur um eine insolvenzrechtlich unerhebliche Zahlungsstockung.4 – Selbst wenn nach Ablauf der drei Wochen ein Anteil von weniger als 10 % der fälligen Forderungen nicht bedient werden kann, ist noch nicht von Zahlungsunfähigkeit, sondern nur von einer unbeachtlichen Liquiditätslücke auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke in Kürze 10 % oder mehr betragen wird. Beträgt die Liquiditätslücke 10 % oder mehr, dann liegt regelmäßig Zahlungsunfähigkeit vor, sofern nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Liquiditätslücke kurzfristig geschlossen werden kann und den Gläubigern ein kurzfristiges Zuwarten zuzumuten ist.5 Erforderlich ist eine Prognose über die gesamte Entwicklung der Finanzlage des Schuldners. Auf der Einnahmenseite können dabei nur solche Mittel, bspw. aus Krediten, neuem Eigenkapital, Veräußerung von Vermögensgegenständen oder laufenden Einnahmen, berücksichtigt werden, mit deren Eingang sicher zu rechnen ist. Auf der Grundlage der Prognose ist ein taggenauer Liquiditätsplan zu erstellen, in dem alle fälligen Verbindlichkeiten den liquiden oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mitteln der Gesellschaft gegenüber gestellt werden. Der Liquiditätsplan muss mindestens die nächsten drei Wochen umfassen.6 Er ist in der Krisensituation ständig fortzuschreiben, um eine kontinuierliche Beobachtung zu ermöglichen. 1 Zutreffend AG Itzehoe v. 1.5.2014 – 28 IE 1/14 „Prokon“, ZIP 2014, 1038; Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005; Bork, ZIP 2014, 997; Mock, NZI 2012, 102. A.A. K. Schmidt, GmbHR 1999, 9 (13); K. Schmidt in FS Frotscher, 2013, S. 536, der in jedem Rangrücktritt zugleich einen pactum de non petendo für die vorinsolvenzliche Zeit sieht. 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472; Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005; Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 9; Mock, NZI 2014, 102. 3 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, GmbHR 2005, 1117. 4 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, DB 2006, 2683; BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, (139 f.) = GmbHR 2005, 1117 m. Komm. Blöse. 5 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, DB 2006, 2683; BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, (139 f.) = GmbHR 2005, 1117 m. Komm. Blöse; Neumaier, NJW 2005, 3041. 6 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, GmbHR 2005, 1117.
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10.11
§ 10
Insolvenz
Feststellung der Zahlungsunfähigkeit
Deckungsquote =
10.12
Liquide Mittel Zahlungspflichten
! 100 %, d. h. liquide Mittel größer oder gleich den Zahlungspflichten
> 90 % < 100 %, d. h. liquide Mittel größer als 90 % der Zahlungspflichten
< 90 %, d. h. liquide Mittel kleiner als 90 % der Zahlungspflichten
zahlungsfähig
zahlungsfähig, wenn Deckungsquote in den nächsten 3 Wochen nicht abnimmt
zahlungsunfähig, wenn Deckungsquote in den nächsten 3 Wochen nicht wieder über 90 % liegt
Die Praxis orientiert sich zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zumeist an dem besonders deutlichen Fall der Zahlungseinstellung (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Sie liegt vor, wenn die Gesellschaft wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann und dies den beteiligten Verkehrskreisen erkennbar geworden ist.1 Erforderlich ist ein nach außen erkennbares Verhalten, dass den Schluss erlaubt, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Durch die Nichtzahlung fälliger Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen wird i.d.R. für die beteiligten Verkehrskreise deutlich, dass die Nichtzahlung auf einem objektiven Mangel an Geldmitteln beruht.2 Einer ausdrücklichen Zahlungsverweigerung bedarf es nicht.3 Insbesondere die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein Indiz für eine Zahlungseinstellung.4 Weitere Indizien für eine Zahlungseinstellung sind Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger, eine Vielzahl von Zahlungsaufforderungen und Mahnungen sowie Zahlungsrückstände bei Gläubigern, auf deren Leistungen der Schuldner zur Aufrechterhaltung seines 1 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, DB 2006, 2683; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 232. 2 BGH v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457. 3 BGH v. 22.11.1990 – IX ZR 103/90, ZIP 1991, 39. 4 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318; BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706.
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§ 10
Insolvenzgründe
Betriebes existenziell angewiesen ist.1 Eine starke Vermutungswirkung haben Zahlungsrückstände bei Steuern und Sozialabgaben, weil die Organe der Gesellschaft für diese Zahlungsverpflichtungen auch persönlich haften. Gibt es Indizien für und gegen die Zahlungseinstellung, so sind diese in einer Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen. Die gesetzliche Vermutung, dass Zahlungsunfähigkeit anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, kann die Gesellschaft widerlegen, indem sie nachweist, dass sie nur zahlungsunwillig, aber nicht zahlungsunfähig ist.2 Die Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus.3 Dies gilt auch dann, wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen.4 Die Zahlungseinstellung gilt nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat.5
10.13
Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die Gesellschaft ihre Zahlungen allgemein wieder aufnimmt.6
10.14
2. Drohende Zahlungsunfähigkeit Der Gesetzgeber hat mit § 18 InsO neben der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung als weiteren Insolvenzgrund die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ eingeführt.7 Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihre bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Auch hier ist eine Prognose in Form eines Liquiditätsplans zu erstellen; dieser hat alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft und deren Fälligkeit zu erfassen.8 Zu erfassen sind auch solche Zahlungspflichten, deren Fälligkeit nicht sich, aber überwiegend wahrscheinlich ist, bspw. weil aufgrund gegebener Umstände mit der Kündigung eines Darlehens zu rechnen ist. Das Gleiche gilt für streitbefangene Verbindlichkeiten. Zum Nachweis des Insolvenzgrundes kann das Gericht die Vorlage des Liquiditätsplans verlangen.9 Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit begründet lediglich ein Recht der Geschäftsführer, das Insolvenzverfahren herbeizuführen und die Gesellschaft damit unter dessen Schutz zu stellen,10 nicht dagegen eine Insolvenz1 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, GmbHR 2013, 1202 m. Komm. Blöse. 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 12. 3 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008; BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097. 4 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, ZIP 2001, 524; BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666. 5 BGH v. 24.1.2012 – II ZR 119/10, GmbHR 2012, 566. 6 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837. 7 Vgl. dazu Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5.38 ff. 8 BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, GmbHR 2014, 259. 9 Uhlenbruck, GmbHR 1995, 195 (197). 10 Z.B. zur Verschaffung von Liquidität durch die „Rückschlagsperre“ des § 88 InsO, wonach die Sicherung eines Gläubigers aufgrund Zwangsvollstreckung nach der Antragstellung (und bis zu einem Monat davor) unwirksam wird.
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10.15
§ 10
Insolvenz
antragspflicht (§ 18 Abs. 1 InsO). Zudem ist die Berufung auf diesen Insolvenzantragsgrund allein dem Schuldner vorbehalten. Zu beachten ist, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der GmbH & Co. KG nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet, wenn er ohne Zustimmung der KG-Gesellschafter einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellt.1
3. Überschuldung 10.16
Der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff hat in den letzten Jahren mehrfach seinen Inhalt geändert. Bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 erfolgte eine zweistufige Überschuldungsprüfung nach dem sog. modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff.2 Danach stand die Fortführungsprognose als gleichwertiges Tatbestandsmerkmal neben der rechnerischen Überschuldung, was zur Folge hatte, dass bereits eine positive Fortführungsprognose den Insolvenzgrund der Überschuldung ausschloss. Kerngedanke dieser auf Karsten Schmidt zurückgehenden Aufwertung der Fortführungsprognose zum vorrangigen Tatbestandsmerkmal der Überschuldungsprüfung ist folgender Schluss: Wüsste man von einer Gesellschaft, dass sie niemals zahlungsunfähig wird, so gäbe es auch im Falle ihrer Überschuldung keine Veranlassung, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen.3 Trotz der höchstrichterlichen Bestätigung dieser Praxis durch den BGH4 wurde mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung eine neue Überschuldungsdogmatik eingeführt. Zum Schutz der Gläubiger sollte eine positive Fortbestehensprognose allein nicht mehr ausreichen, um den Tatbestand der Überschuldung zu verneinen. Vielmehr sollte in jedem Fall durch Aufstellung eines Überschuldungsstatus geklärt werden, ob eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne gegeben ist. Das Ergebnis der Fortführungsprognose war nur noch dafür maßgeblich, ob die Vermögensgegenstände im Überschuldungsstatus zu Liquidations- oder Fortführungswerten anzusetzen waren.5 Ende des Jahres 2008 sah sich der Gesetzgeber dann jedoch vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise zu einer erneuten Kehrtwende veranlasst. Um zu vermeiden, dass Unternehmen, bei denen die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie weiter erfolgreich am Markt operieren können, ein Insolvenzverfahren durchlaufen müssen, wurde durch eine Änderung von § 19 Abs. 2 InsO der modifizierte zweistufige Überschuldungsbegriff, wie er bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung galt, wieder eingeführt. Diese Erleichterung für die Unternehmen war zunächst zeitlich befristet.6 Die Befristung wurde im Jahre 2009 um drei Jahre verlängert7 und schließlich
1 OLG München v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, GmbHR 2013, 590 m. Komm. Leinekugel, GmbHR 2013, 590. 2 Grundlegend K. Schmidt, AG 1978, 334; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, 1990, S. 37 ff. 3 K. Schmidt, AG 1978, 334; K. Schmidt, ZIP 1980, 235. 4 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, GmbHR 1992, 659. 5 Pape in Kübler/Prütting, § 19 InsO Rz. 5 ff. 6 Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung des Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982. 7 Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3151.
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
2012 ganz aufgehoben.1 Das Insolvenzrecht ist damit endgültig wieder zum modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff zurückgekehrt. Die praktische Bedeutung des insolvenzrechtlichen Überschuldungstatbestands als Insolvenzantragsgrund ist vergleichsweise gering.2 Die überwiegende Anzahl der Insolvenzanträge werden erst lange nach dem Eintritt der Überschuldung wegen einsetzender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Die Frage, ob und seit wann Überschuldung vorliegt, ist dann für das Insolvenzgericht nicht mehr von Interesse. Von elementarer Bedeutung ist der Überschuldungstatbestand hingegen für die zivilund strafrechtliche Haftung der Geschäftsleiter (s. dazu Rz. 10.81 ff.), denn die Frage, ob ein Geschäftsleiter gegen das Zahlungsverbot verstoßen hat oder wegen Insolvenzverschleppung straf- und haftbar ist, hängt i.d.R. davon ab, wann Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne eingetreten war.
10.17
Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Die Fortführungsprognose ist damit neben der Überschuldung eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Überschuldungsprüfung. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen der rechnerischen und der (insolvenz-)rechtlichen Überschuldung. Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne liegt erst vor, wenn kumulativ eine rechnerische Überschuldung und eine negative Fortführungsprognose gegeben sind. Es reicht folglich allein eine positive Fortführungsprognose aus, um den Insolvenzgrund der Überschuldung und damit die Insolvenzantragspflicht trotz des Vorliegens einer rechnerischen Überschuldung zu verneinen.
10.18
1 Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v. 5.12.2012, BGBl. I 2012, 2418. Dazu Böcker/Poertzgen, GmbHR 2013, 17. 2 Im Zeitraum von 2004 bis 2007 wurden in Deutschland 276 785 Unternehmensinsolvenzverfahren eröffnet. In nur 6 006 Fällen (= 2,17 %) war Überschuldung der Insolvenzgrund, s. Ahrendt/Plischkaner, NJW 2009, 964 (965) und Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 23.
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§ 10 10.19
Insolvenz
Ablauf der Überschuldungsprüfung nach dem modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff:1
Fortbestehensprognose 1. Stufe positiv
negativ
keine Überschuldung
Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten
keine Insolvenzantragspflicht 2. Stufe
positiv
negativ
keine Überschuldung
Überschuldung
keine Insolvenzantragspflicht
Insolvenzantragspflicht
a) Fortführungsprognose 10.20
Die Wiedereinführung des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs hat zur Folge, dass die Fortführungsprognose in den Mittelpunkt der Überschuldungsprüfung rückt. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen das Unternehmen rechnerisch überschuldet ist und die insolvenzrechtliche Überschuldung damit allein von der Fortführungsprognose abhängt. Die Aufwertung der Fortführungsprognose zu einem selbständigen Tatbestandsmerkmal führt dazu, dass die Gerichte diese Prognose besonders sorgfältig überprüfen, um im Interesse der Gläubiger geschönte Zukunftsprognosen zu ahnden.2
10.21
Für eine positive Fortführungsprognose ist subjektiv der Wille zur Fortführung des Unternehmens und objektiv eine Fortführungsmöglichkeit Voraussetzung.3 Der 1 In Anlehnung an Pape, NWB 2009, 55 (59). 2 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 30; Sikora, NWB 2009, 232 (233). 3 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, GmbHR 2006, 1334; KG v. 1.11.2005 – 7 U 49/05, GmbHR 2006, 374.
1000
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§ 10
Insolvenzgründe
Wille der Gesellschaft(er) zur Fortführung muss nachhaltig sein; er darf sich nicht nur auf die nächsten Monate beziehen. Zudem ist die objektive Überlebensfähigkeit des Unternehmens erforderlich.1 Diese ist durch eine vollständige Finanzplanung nachzuweisen.2 Die Grundlage dafür bildet ein aussagekräftiges und realisierbares Unternehmenskonzept, in welchem die unternehmerischen Ziele sowie die Strategien zur Erreichung dieser Ziele darzulegen sind. Sodann sind in einem zweiten Schritt auf der Grundlage einer aussagefähigen Unternehmensplanung die erwarteten Ein- und Auszahlungen einander gegenüberzustellen.3 Die Prognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. Die Prognose muss ergeben, dass das finanzielle Gleichgewicht im Prognosezeitraum wiedererlangt und gewahrt wird. Die Fortführungsprognose ist mit anderen Worten eine Prognose über die zukünftige (mittelfristige) Zahlungs(un)fähigkeit des Unternehmens.4 Als zeitliche Richtweite für die Prognose ist dabei mindestens auf einen Zeitraum abzustellen, der neben dem laufenden auch noch das nächste Geschäftsjahr umfasst.5 Fraglich ist, inwiefern und unter welchen Voraussetzungen bei der Fortführungsprognose geplante Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt werden können. Maßnahmen, die allein zur Disposition der Geschäftsführung stehen, können berücksichtigt werden, wenn sie konkret geplant sind und ihre Umsetzung realistisch ist. Falls für die Umsetzung jedoch die Mitwirkung oder Zustimmung Dritter oder anderer Organe erforderlich ist, muss grundsätzlich deren positive Entscheidung über die betreffende Maßnahme abgewartet werden. Eine Zufuhr von Eigenkapital durch die Gesellschafter kann bspw. erst berücksichtigt werden, wenn sie rechtsverbindlich fixiert ist. Das Gleiche gilt für Sanierungshilfen von Gläubigern, etwa in Form von Stundungen oder Forderungsverzichten.6
10.22
Wegen der überschuldungsausschließenden Wirkung der Fortführungsprognose und der daraus folgenden weit reichenden Konsequenzen für die Gläubiger sind bei der Erstellung der Prognose höchste Sorgfaltsanforderungen zu beachten. Die zugrunde gelegten Informationen müssen vollständig und methodisch fehlerfrei recherchiert sein. Zudem muss die Ergebnisherleitung plausibel und für sachverständige Dritte nachvollziehbar sein. Dementsprechend ist der Vorgang der Prognoseerstellung umfassend zu dokumentieren. Schließlich ist eine einmal erstellte Prognose laufend mit der tatsächlichen Entwicklung zu vergleichen und fortzuschreiben, um fortlaufend zu prüfen, ob das ursprüngliche Ergebnis noch vertret-
10.23
1 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, GmbHR 2006, 1334; BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, GmbHR 2011, 25 m. Komm. Blöse. 2 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, GmbHR 2006, 1334. Zur Erstellung einer Fortführungsprognose etwa Bork, ZIP 2000, 1709; Groß/Amen, DB 2005, 1861; Hirte/Knoof/Mock, ZInsO 2008, 1217; Sikora, NWB 2009, 232. 3 OLG Naumburg v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, GmbHR 2004, 361 (362); Borg, ZIP 2000, 1709; Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 44 ff. 4 Eine Ertrags- oder Rentabilitätsprognose ist nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. 5 Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733; Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 46b. 6 Sikora, NWB 2009, 232.
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§ 10
Insolvenz
bar ist. Die Pflicht zur Prüfung trifft jeden Geschäftsführer unabhängig von der Ressortaufteilung. Beruft sich ein Geschäftsführer in einem späteren zivil- oder strafrechtlichen Verfahren wegen Insolvenzverschleppung auf eine positive Fortführungsprognose, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.1 Er muss darlegen und beweisen, dass seinerzeit diese Prognose gerechtfertigt war. Auch wenn ihm dabei ein gewisser Beurteilungsspielraum zugestanden wird, ist zu Beweiszwecken eine ausführliche Dokumentation der Prognoseerstellung unverzichtbar. Verfügt der Geschäftsführer nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse für die Prüfung, hat er sich bei Anzeichen einer Krise unverzüglich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen. Dabei darf er sich nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen, sondern muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken.2 Hat die Geschäftsführung die Fortführungsprognose von einem unabhängigen und fachlich qualifizierten Sachverständigen erstellen lassen, stellt dies für sie eine Exkulpationsmöglichkeit dar.3 10.24
Bei positiver Fortführungsprognose kommt nach dem modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2 InsO bereits tatbestandsmäßig eine Überschuldung nicht in Betracht. Einer weitergehenden Prüfung, insbesondere der Aufstellung eines Überschuldungsstatus bedarf es dann nicht mehr. Fällt die Fortführungsprognose hingegen negativ aus, so ist weiter zu prüfen, ob das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten deckt. Zu diesem Zweck ist ein Überschuldungsstaus aufzustellen, in dem Vermögen und Verbindlichkeiten einander gegenüber gestellt werden. Wegen der negativen Fortführungsprognose kommen die Vermögensgegenstände dabei nur mit ihren Liquidationswerten zum Ansatz.4 b) Überschuldungsstatus
10.25
Die rechnerische Überschuldung ist durch Aufstellung eines Überschuldungsstatus5 zu prüfen. Der Überschuldungsstatus ist eine Vermögensaufstellung. Alleiniger Zweck ist es, das Schuldendeckungspotential zu ermitteln. Anzusetzen sind Liquidationswerte (Zerschlagungswerte); die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsgrundsätze kommen nicht zur Anwendung. Als Aktiva werden in den Überschuldungsstatus alle Vermögenswerte der GmbH & Co. KG eingestellt, die im Falle eines Insolvenzverfahrens als Massebestandteile verwertbar wären. Die stillen Reserven sind aufzudecken. Abwicklungs- und Verwertungskosten sind 1 BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, GmbHR 2011, 25 m. Komm. Blöse; BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, GmbHR 2006, 1334. 2 BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, GmbHR 2012, 746. 3 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 m. Komm. Schröder; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539. 4 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 43. 5 Eine in der Handelsbilanz ausgewiesene bilanzielle Überschuldung – erkennbar durch einen „Nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“ i.S. des § 268 Abs. 3 HGB – hat für die Frage, ob die Gesellschaft insolvenzrechtlich überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung, BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732.
1002
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
entweder von den zugehörigen Aktivpositionen in Abzug zu bringen oder durch entsprechende Rückstellungen auf der Passivseite zu berücksichtigen. Im Überschuldungsstatus sind die Einzelwerte jedes Vermögensgegenstands anzusetzen, etwas anderes gilt nur, wenn die Gesamtverwertung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.1 Da die Bewertung des Unternehmens als Ganzes jedoch erhebliche Unsicherheiten birgt, sollte von dieser Art der Bewertung nur in begründeten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Ansprüche, die erst mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstehen, wie bspw. Haftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung, können nicht aktiviert werden. Als Passiva zu erfassen sind alle Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG, die im Insolvenzfall aus der Masse zu befriedigen wären. Dazu zählen grundsätzlich auch solche Verbindlichkeiten, die nach § 39 Abs. 1 InsO nur nachrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Verbindlichkeiten sind mit ihrem Nennwert zu passivieren. Die Kosten eines etwaigen Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen.
10.26
Von der Überschuldung der Gesellschaft ist ihre Masselosigkeit zu unterscheiden. Masselos ist die Gesellschaft, wenn sie nicht über ausreichend Mittel verfügt, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Die Masselosigkeit entbindet die Geschäftsführung nicht von der Insolvenzantragspflicht, denn es ist allein Sache des Insolvenzgerichts zu prüfen, ob ausreichend Masse vorhanden ist.2 Zudem kann selbst bei Masselosigkeit ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, wenn von dritter Seite ein Kostenvorschuss geleistet wird (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO). Ist die Gesellschaft vermögenslos, so kommt eine Löschung nach § 394 FamFG in Betracht (s. dazu Rz. 9.21 ff.).
10.27
Im Rahmen dieser Darstellung kann nicht auf jeden einzelnen Aktiv- oder Passivposten des Überschuldungsstatus eingegangen werden. Insoweit kann insbesondere auf die Darstellung von K. Schmidt3 und Bitter4 verwiesen werden. Einige in der Praxis besonders wichtige Fälle sollen jedoch herausgegriffen und auch hier behandelt werden:
10.28
– Firmenwert Oftmals besitzt ein Unternehmen über seinen reinen Substanzwert hinaus einen Geschäfts- oder Firmenwert, der auf dem Zusammenwirken verschiedener immaterieller Faktoren wie Know-how, Qualität, werbewirksamer Name etc. beruht. Er stellt die Differenz zwischen den selbständig verwertbaren materiellen Vermögensgegenständen und dem Gesamtwert des Unternehmens dar.5 Für die Geschäftsführung stellt sich die Frage, ob sie den Geschäftswert im Überschuldungsstatus berücksichtigen darf.
1 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 158 HGB Anh. Rz. 26. 2 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 25. 3 K. Schmidt in K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5 121 ff. 4 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 45 ff. 5 Dazu Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 287 m.w.N.
Lüke
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1003
10.29
§ 10 10.30
Insolvenz
Bei negativer Fortführungsprognose scheidet der Ansatz eines Firmenwerts grundsätzlich aus, denn der Geschäftswert ist dann i.d.R. nicht selbständig verwertbar. Nur ausnahmsweise, wenn konkrete Umstände darauf hindeuten, dass bei einer Insolvenz das ganze oder ein Teil des Unternehmens veräußert und dabei ein höherer Kaufpreis erzielt werden könnte als die Summe der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich der Verbindlichkeiten, wird man zu einer Aktivierung des Geschäftswerts kommen.1 Vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes sollte die Praxis bei dem Ansatz eines etwaigen Firmenwertes äußerste Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen. Die Ermittlung des Firmenwerts ist mit erheblichen Bewertungsunsicherheiten verbunden. Bei einem zu optimistischen Ansatz könnte dem Geschäftsführer später Insolvenzverschleppung vorgeworfen werden. – Marken, Patente, Konzessionen
10.31
Sonstige immaterielle Vermögensgegenstände wie bspw. Marken, Patente und Konzessionen sind im Überschuldungsstatus zu aktivieren, wenn sie im Falle der Insolvenz selbständig verwertbar sind. – Forderungen und Freistellungsansprüche
10.32
Forderungen der GmbH & Co. KG aus Lieferungen und Leistungen sind mit ihrem realisierbaren Wert anzusetzen, d.h. es kommt darauf an, ob sie durchsetzbar und werthaltig sind; ggf. sind konkrete Ausfallrisiken oder eine gewöhnliche Ausfallquote zu berücksichtigen. Zu den Forderungen zählen auch offene Einlageforderungen und sonstige Forderungen gegen Gesellschafter. Freistellungsansprüche der GmbH & Co. KG gegenüber Dritten sind – soweit sie werthaltig sind – zu aktivieren. Nicht aktivierbar ist hingegen die unbeschränkte Haftung der KomplementärGmbH für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG, denn dabei handelt es sich nicht um einen Anspruch der KG gegen ihre persönlich haftende Gesellschafterin, sondern um das Recht der KG-Gläubiger aus §§ 128, 161 Abs. 2 HGB, wegen ihrer Forderungen gegen die KG auch deren Komplementärin in Anspruch zu nehmen. – Patronatserklärung
10.33
Es ist zunächst zwischen einer weichen und einer harten Patronatserklärung zu unterscheiden. Während die weiche Patronatserklärung eine bloße unverbindliche Absichtserklärung darstellt, die keine Zahlungspflicht begründet, statuiert eine harte Patronatserklärung eine rechtsverbindliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Erklärungsempfänger. Je nachdem, ob der Erklärungsempfänger die Gesellschaft selbst oder ein externer Dritter ist, wird zwischen einer internen und einer externen Patronatserklärung unterschieden. Die an einen Gläubiger der Gesellschaft gerichtete externe harte Patronatserklärung beseitigt weder die Zahlungsunfähigkeit noch führt sie zu einem Zahlungsanspruch der Gesellschaft, den diese im Überschuldungsstatus aktivieren könnte.2 Die externe Patronats1 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 48; Haas in Baumbach/Hueck, § 77 HGB Anh. Rz. 5; Mühlberger, GmbHR 1977, 146 (149 f.); Drukarczyk/Schüler in MünchKomm. InsO, 3. Aufl. 2013, § 19 InsO Rz. 110. 2 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, GmbHR 2011, 769 m. Komm. Blöse; Haußer/Heeg, ZIP 2010, 1427; Maier-Reimer/Etzbach, NJW 2011, 1110.
1004
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
erklärung ist ein bloßes Kreditsicherungsmittel, welches in der Insolvenz nur von dem Sicherungsnehmer und nicht vom Insolvenzverwalter zugunsten der Masse in Anspruch genommen werden kann.1 Allein die interne harte Patronatserklärung begründet einen eigenen Zahlungsanspruch der Gesellschaft. Sie muss die unbedingte Verpflichtung des Patrons enthalten. Der Anspruch aus der internen harten Patronatserklärung kann daher im Überschuldungsstatus entsprechend dem Umfang der von der Erklärung abgedeckten Verbindlichkeiten aktiviert werden. Die Aktivierbarkeit setzt allerdings voraus, dass der Anspruch durchsetzbar und vollwertig ist. Der BGH hat entschieden, dass eine interne harte Patronatserklärung mit einer Befristung oder Kündigungsmöglichkeit versehen werden kann.2 Auf diese Weise kann eine ansonsten bestehende Insolvenzantragspflicht bspw. für den Zeitraum ausgesetzt werden, der für die Prüfung von Sanierungsmöglichkeiten erforderlich ist. Der Anspruch der Gesellschaft aus der Patronatserklärung ist dann im Überschuldungsstatus nur für den Zeitraum ihrer Geltung aktivierbar. Im Falle einer an die Kündigung anschließenden Insolvenz kann die Kündigung auch nicht vom Insolvenzverwalter angefochten werden.3
10.34
Die interne harte Patronatserklärung ist abzugrenzen von einem in der Krise unkündbaren Finanzplankredit. Entscheidend ist, ob die Kapitalüberlassung darlehensgleich rückzahlbar ist oder nicht. Zur eindeutigen Abgrenzung gegenüber dem Finanzplankredit sollte die Erklärung darlehenstypische Rückzahlungs- und sonstige Regressansprüche des Patrons ausdrücklich ausschließen.4
10.35
Formulierungsbeispiel für eine interne harte Patronatserklärung:
10.36
„X verpflichtet sich gegenüber der Y GmbH & Co. KG, diese stets in solchem Umfang mit finanziellen Mitteln auszustatten, dass sie jederzeit ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten erfüllen kann. Für den Fall einer Zahlung aus dieser Patronatserklärung an die Y GmbH & Co. KG verzichtet X auf eine Rückzahlung sowie auf alle etwaigen Regressansprüche.“
Formulierungsbeispiel für eine interne harte Patronatserklärung mit Kündigungsrecht: „X verpflichtet sich gegenüber der Y GmbH & Co. KG, diese zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von allen fälligen Verbindlichkeiten freizustellen, soweit dies zur Abwendung der Insolvenzantragspflicht erforderlich ist. Für den Fall einer Zahlung aus dieser Patronatserklärung an die Y GmbH & Co. KG verzichtet X auf eine Rückzahlung sowie auf alle etwaigen Regressansprüche. X ist
1 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, GmbHR 2011, 769 m. Komm. Blöse = ZIP 2011, 1111; Wittig, WM 2003, 1981. 2 BGH v. 20.9.2010 – II ZR 296/08, GmbHR 2010, 1204 m. Komm. Ulrich/Rath. 3 BGH v. 20.9.2010 – II ZR 296/08, GmbHR 2010, 1204 m. Komm. Ulrich/Rath. 4 Raeschke-Kessler/Christopeit, NZG 2010, 1361.
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§ 10
Insolvenz
berechtigt, diese Patronatserklärung mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Monats zu kündigen.“ – Eigen-/Festkapital 10.37
Das Fest- bzw. Eigenkapital der GmbH & Co. KG einschließlich etwaiger Rücklagen bleibt im Überschuldungsstatus außer Ansatz. – Pensionsverpflichtungen
10.38
Es ist zwischen laufenden Pensionsverpflichtungen sowie verfallbaren und unverfallbaren Pensionsanwartschaften zu unterscheiden.1 Anwartschaften auf Pensionen begründen einen Anspruch auf Zahlung einer Pension, der unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Unverfallbar sind solche Anwartschaften nach § 1b Abs. 1 i.V.m. § 30f BetrAVG,2 wenn der Arbeitnehmer mindestens das relevante Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage für ihn mindestens fünf Jahre bestanden hat. Alle laufenden Pensionsverpflichtungen und alle unverfallbaren Pensionsanwartschaften sind im Überschuldungsstatus als Verbindlichkeiten mit ihrem versicherungsmathematischen Barwert auf der Passivseite einzustellen.3 Eine Pensionsanwartschaft, die noch nicht unverfallbar ist, muss nur dann nicht passiviert werden, wenn die GmbH & Co. KG noch die Möglichkeit hat, sie zu kündigen, bzw. der Eintritt der Bedingung nicht zu erwarten ist.
10.39
Vor allem ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der eine Pensionszusage erhalten hat, wird häufig zu einem Verzicht auf die Pensionszusage bereit sein, um die wirtschaftliche Notlage seines Unternehmens zu beseitigen. Da die Beschränkungen der §§ 3 und 4 BetrAVG für Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gelten, ist hier die Möglichkeit des Verzichts (mit und ohne Abfindung) eröffnet.4 Kommt es zu einer entsprechenden Einigung zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, dann ist die Pensionszusage eliminiert und braucht im Überschuldungsstatus nicht mehr passiviert zu werden. Dies gilt, wenn die Zusage von der GmbH & Co. KG selbst stammt. Dies gilt aber auch, wenn die Komplementär-GmbH die Zusage gemacht hat, denn dann schlägt sich ein Verzicht des Begünstigten dadurch im Überschuldungsstatus der KG nieder, dass durch den Verzicht der Freistellungsanspruch der GmbH gegenüber der KG nach § 110 HGB entfällt, der andernfalls zu passivieren wäre.
10.40
Die Einstandspflicht des Pensionssicherungsvereins nach §§ 7, 8 BetrAVG schlägt sich im Überschuldungsstatus nicht nieder, denn die Forderungen der Pensionsberechtigten gegen die GmbH & Co. KG gehen erst mit Eröffnung des Insolvenz1 Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 301 ff.; s. auch Mühlberger, GmbHR 1977, 146 (150). 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v. 19.12.1974, BGBl. I 1974, 3610. 3 Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 303, je m.w.N. 4 Zu beachten ist allerdings, dass der Verzicht beim Gesellschafter steuerlich zu einem fiktiven Zufluss in Höhe des Teilwerts des Pensionsanspruchs führt, der ggf. in voller Höhe steuerpflichtig ist. Es stellt sich dann regelmäßig die Frage, inwiefern der Anspruch in der Krise noch werthaltig ist. S. Förster, DStR 2006, 2149.
1006
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
verfahrens nach § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den Pensionssicherungsverein über.1 Besteht zur Absicherung der Pensionsverpflichtung eine Rückdeckungsversicherung, so können die geleisteten Sparanteile sowie eine etwaige Überschussbeteiligung im Überschuldungsstatus aktiviert werden. – Streitige Verbindlichkeiten Nach Auffassung des OLG Köln2 müssen streitige Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus nicht passiviert werden, wenn der Geschäftsführer mit guten Gründen annehmen kann, dass die Verbindlichkeit nicht besteht bzw. nicht durchsetzbar ist und ein etwaiger Rechtsstreit gewonnen wird.3 Nach vorzugswürdiger Ansicht sind streitige Verbindlichkeiten zu bewerten und mit dem Prozentsatz anzusetzen, der die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme wiedergibt.4
10.41
– Gesellschafterdarlehen Gesellschafterdarlehen und ihnen gleichstehende Verbindlichkeiten sind in der Insolvenz gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangig zu befriedigen. Der gesetzliche Nachrang der Verbindlichkeit allein genügt jedoch noch nicht, damit sie bei der Aufstellung eines Überschuldungsstatus unberücksichtigt bleiben darf.5 § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO stellt ausdrücklich klar, dass Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder Gesellschafterforderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, im Überschuldungsstatus nur dann unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart worden ist, dass der Gläubiger mit seiner Forderung im Insolvenzverfahren im Rang hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen zurücktritt und er damit nur noch gem. § 39 Abs. 2 InsO nach allen nachrangigen Forderungen zu befriedigen ist.6 Forderungen von Gesellschaftern sind somit im Überschuldungsstatus stets zu passivieren, es sei denn, es liegt eine Rangrücktrittserklärung des Gesellschafters vor.7 Das Erfordernis einer Rangrück1 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 34; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 302. 2 OLG Köln v. 1.9.1999 – 2 U 19/99, DStR 2000, 1662 m. Komm. Haas. 3 Dazu Uhlenbruck, ZInsO 2006, 338. 4 Schmidt/Roth, ZInsO 2006, 236. 5 Heute ganz h.M., s. bspw. BGH v. 1.3.2010 – II ZR 13/09, NZG 2010, 701. Bis zur gesetzlichen Klärung durch das MoMiG war die Frage äußerst streitig, s. die Darstellung des Streits bei K. Schmidt, GmbHR 1999, 9 und Paulus, ZGR 2002, 320. 6 Gem. der Ursprungsfassung des RegE zum MoMiG sollte bereits der gesetzlich angeordnete Nachrang zur Nichtberücksichtigung der Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus führen. Nach erheblicher Kritik daran hat schließlich der Rechtsausschuss dafür gesorgt, dass das Erfordernis einer Rangrücktrittserklärung gesetzlich festgeschrieben wird (vgl. BTDrucks. 16/9737 v. 24.6.2008, S. 58). 7 Der Rangrücktritt ist ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO: „vereinbart“). Dennoch wird in der Praxis oft von einer Rangrücktrittserklärung gesprochen. Hintergrund dürfte sein, dass es maßgeblich auf die Bereitschaft (= Erklärung) des Gläubigers ankommt, mit seiner Forderung zurückzustehen. Die Annahme dieses Vertragsangebots durch den Schuldner darf unterstellt werden; ihr Zugang dürfte nach § 151 BGB entbehrlich sein.
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1007
10.42
§ 10
Insolvenz
trittserklärung hat sowohl für den Gesellschafter als auch für den Geschäftsführer Warnfunktion und erleichtert die Entscheidung, welche Verbindlichkeiten bei der Überschuldungsprüfung zu berücksichtigen sind. Zudem soll der explizit vereinbarte Rangrücktritt die Hemmschwelle für eine Rückzahlung einer solchen Forderung erhöhen. 10.43
Der BGH hatte im Jahre 2001 noch einen sog. qualifizierten Rangrücktritt gefordert, um die Passivierungspflicht für Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus entfallen zu lassen.1 Dies ist nach der Gesetzesänderung durch das MoMiG nicht mehr erforderlich. Notwendig und ausreichend ist nunmehr gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Vereinbarung, wonach der Gesellschafter mit seiner Forderung im Rang hinter die gesetzlich subordinierten Forderungen (s. § 39 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 InsO) zurücktritt.2
10.44
Es ist umstritten, ob ein Rangrücktritt zur Vermeidung der Passivierung im Überschuldungsstatus neben dem auf das Insolvenzverfahren bezogenen Rücktritt in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO zusätzlich eine vorinsolvenzrechtliche Durchsetzungssperre erfordert. Hintergrund dieses Streits ist die Frage, auf welchen Zeitraum sich der Rangrücktritt beziehen muss. Nach der einen Auffassung genügt es, wenn entsprechend dem Wortlaut von § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO ein Nachrang „im Insolvenzverfahren“ vereinbart wird.3 Die Gegenauffassung kritisiert, dass der Überschuldungsstatus dann aber einen Zustand angeben würde, der erst mit Verfahrenseröffnung eintritt. Der Gesellschafter bliebe außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Durchsetzung seiner Forderung berechtigt, so dass der Überschuldungsstatus die Fähigkeit zur Schuldendeckung außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht zutreffend darstelle.4 Eine vermittelnde Ansicht kommt im Wege der Auslegung dazu, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung, die gemäß dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO („im Insolvenzverfahren“) formuliert wurde, auch eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre enthalte, weil der Gesellschafter mit dem Rangrücktritt die Absicht habe, die Insolvenzantragspflicht zu verhindern, und dieses Ziel nur dann erreicht werde, wenn die betreffende Forderung auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens subordiniert sei.5 Der BGH hat im Sinne der beiden letztgenannten Ansichten entschieden, dass ein Rangrücktritt, der nur im Insolvenzverfahren gelten soll, eine Überschuldung des Unternehmens nicht ab1 Grundlegend BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, GmbHR 2001, 190 m. Komm. Felleisen; ebenso OLG Düsseldorf v. 19.1.1995 – 6 U 272/93, GmbHR 1996, 616; Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 63 ff.; K. Schmidt, ZGR 1998, 660; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 127 (129); Vonnemann, GmbHR 1989, 145; Fleck, GmbHR 1989, 313. In diesem Sinne auch die Regierungsbegründung zur InsO, in der es heißt: „Auf der Passivseite des Überschuldungsstatus sind auch die nachrangigen Verbindlichkeiten […] zu berücksichtigen.“; RegE InsO, BTDrucks. 12/2443 v. 15.4.1992, S. 115. 2 So ausdrücklich die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/9737 v. 24.6.2008, S. 59; Haas, DStR 2009, 326 (327); Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844; s. auch das Formulierungsbeispiel unter Rz. 10.45. 3 Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005; Geiser, NZI 2013, 1056; Gerlein, BB 2011, 1539; Bauer, Die GmbH in der Krise, 4. Aufl. 2013, Rz. 220 geht von einem Redaktionsversehen aus. 4 Bitter, ZIP 2015, 345; Frystatzki, NZI 2013, 609; Funk, BB 2009, 867; Haas, DStR 2009, 326; Henkel/Wentzler, GmbHR 2013, 239. 5 Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844; K. Schmidt in FS Frotscher, 2013, S. 536 (544); K. Schmidt, DB 2015, 600.
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
wenden kann.1 Von der Passivierung im Überschuldungsstatus könne nur dann abgesehen werden, wenn sich der Regelungsbereich der Rangrücktrittsvereinbarung auf die Zeit vor und nach Insolvenzeröffnung erstreckt.2 Bei einer im engen Wortsinn unzureichenden Vereinbarung könne sich aber im Wege der Auslegung ergeben, dass ein umfassender Rangrücktritt, einschließlich vorinsolvenzlicher Durchsetzungssperre gewollt ist.3 Formulierungsbeispiel für einen Rangrücktritt mit vorinsolvenzlicher Durchsetzungssperre:
10.45
„Zur Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit und insolvenzrechtlicher Überschuldung tritt der Gläubiger in einem etwaigen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft mit seiner Forderung (Darlehen, Zinsen und Nebenforderungen) gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO im Rang hinter die in § 39 Abs. 1 InsO bezeichneten Forderungen zurück. In der Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens tritt der Gläubiger mit seiner Forderung gegenüber sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen von Gläubigern der Gesellschaft dergestalt im Rang zurück, dass Zahlungen auf die Forderung nur aus einem Jahresüberschuss, Bilanzgewinn, Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen4 verlangt werden kann. Zahlungen auf die Forderung des Gläubigers dürfen nicht erfolgen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder wenn die Zahlung auf die Forderung zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft führen würde.“ Der aus der Rangrücktrittserklärung resultierende Nachrang und die damit verbundene Nichtberücksichtigung im Überschuldungsstatus bleibt auch dann erhalten, wenn der Gesellschafter die Darlehensforderung zwischenzeitlich an einen Nichtgesellschafter abgetreten hat.5
10.46
Ein zeitlich begrenzter Verzicht des Gläubigers kann die Passivierungspflicht nicht beseitigen.6 Ist die Rangrücktrittsvereinbarung zeitlich befristet oder mit einer Wi-
10.47
1 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472. 2 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472; Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 66; Frystatzki, NZI 2013, 609; Mock in Uhlenbruck, § 19 InsO Rz. 157. 3 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472, hat in diesem Zusammenhang zudem klargestellt, dass ein bloßer pactum de non petendo zwar die Zahlungsunfähigkeit nicht aber die Passivierung im Überschuldungsstatus beseitigen kann. 4 Nach BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, GmbHR 2012, 406 (bestätigt durch BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, DStR 2015, 1551), darf eine Verbindlichkeit, die nur aus einem evtl. Liquidationsüberschuss oder aus künftigen Gewinnen bedient werden muss, in der Steuerbilanz nicht passiviert werden. Ein Rangrücktritt, der die Rückzahlungspflicht so stark einschränkt, führt dazu, dass die Verbindlichkeit nach § 5 Abs. 2a EStG auszubuchen ist (zur Frage, ob das Ausbuchen gewinnerhöhend oder als Einlage zu behandeln ist s. BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, DStR 2015, 1551). Um das Ziel einer Nicht-Passivierung des Darlehens im Überschuldungsstatus bei gleichzeitiger Passivierung in der Steuerbilanz zu erreichen, wird im Muster ausdrücklich klargestellt, dass die Verbindlichkeit auch aus sonstigem freien Vermögen bedient werden kann. 5 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149). 6 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472.
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§ 10
Insolvenz
derrufs- oder Kündigungsklausel versehen, führt dies lediglich zu einer Stundung der Forderung.1 Im Überschuldungsstatus sind jedoch auch solche Forderungen zu passivieren, die noch nicht fällig sind. Eine Befristung des Rangrücktritts lässt daher die Passivierungspflicht i.d.R. nicht entfallen.2 Das Gleiche gilt, wenn zugunsten des Gläubigers ein Widerrufs- oder Kündigungsrecht vereinbart wird.3 Die Passivierungspflicht wird nur dann verhindert, wenn die Befristung „… solange dies zur Vermeidung der Überschuldung erforderlich ist“ andauert bzw. das Kündigungsrecht erst dann auflebt. Bei einer derartigen Befristung ist allerdings sehr fraglich, ob der Rangrücktritt bei einer erneuten Überschuldung wieder auflebt. 10.48
Gestaltungshinweis: Schon wegen der Anforderungen, die an die exakte Formulierung der Rangrücktrittsvereinbarung zu stellen sind, sollte die Praxis – wenn auch für die Rechtswirksamkeit keine Schriftform erforderlich ist – darauf achten, dass der Rangrücktritt schriftlich vereinbart und exakt formuliert wird. Abzuraten ist daher insbesondere von stillschweigenden Rangrücktrittsvereinbarungen. Die Wahrung der Schriftform liegt im Interesse des Geschäftsführers, denn er könnte in erhebliche Beweisschwierigkeiten geraten, wenn die Vertragspartner später erklären, keine Rangrücktrittserklärung abgegeben zu haben. Der Geschäftsführer läuft dann Gefahr, sowohl Schadensersatzansprüchen wegen verspäteter Beantragung des Insolvenzverfahrens ausgesetzt zu sein als auch sich strafbar gemacht zu haben. Zu beachten ist ferner, dass formularmäßig verwendete Rangrücktrittsvereinbarungen wegen Verstoßes gegen AGB-Recht unwirksam sein können.4
10.49
Auch Darlehen, die Gesellschafter aufgrund eines Versprechens im Gesellschaftsvertrag neben der Einlage gewährt haben (sog. Finanzplankredit oder gesplittete Einlage), sind im Überschuldungsstatus als Verbindlichkeiten zu passivieren; etwas anderes gilt nur, wenn ein Rangrücktritt für sie vorliegt.5
10.50
Eine Besonderheit besteht, wenn die Gesellschaft für die im Rang zurückgetretene Forderung eine dingliche Sicherheit (etwa Sicherungsübereignung, Sicherungszession oder Grundschuld)6 bestellt hat. Der Rangrücktritt lässt das Sicherungsrecht unberührt.7 Soweit der Rangrücktritt also nicht auch auf das Sicherungsrecht erstreckt wird, muss die Verbindlichkeit trotz des Rangrücktritts im Überschuldungsstatus passiviert werden. Dies ist erforderlich, weil andernfalls auf der Aktivseite ein Vermögenswert gezeigt würde, der zur Schuldentilgung nicht vollständig zur Verfügung steht.8 Zur Vermeidung der Passivierungspflicht sollte ausdrücklich 1 Mock in Uhlenbruck, § 19 InsO Rz. 230. 2 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 67; Henkel/Wentzler, GmbHR 2013, 239; Mock in Uhlenbruck, § 19 InsO Rz. 230; Wittig, NZI 2001, 169. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem BGH-Urteil v. 20.9.2010 – II ZR 296/08, NZG 2010, 1267 in welchem entschieden wurde, dass eine Patronatserklärung mit ex-nunc-Wirkung gekündigt werden kann; s. dazu Frystatzki, NZI 2013, 609 (614). 3 Henkel/Wentzler, GmbHR 2013, 239; Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844. 4 S. dazu OLG Schleswig v. 5.2.2009 – 5 U 106/08, GmbHR 2009, 374; Bitter, ZIP 2015, 345. 5 BGH v. 1.3.2010 – II ZR 13/09, GmbHR 2010, 752 m. Anm. Bormann. 6 Bei akzessorischen Sicherheiten ist eine Ausweitung des Rangrücktritts auf die Sicherheit nicht erforderlich, weil der Rangrücktritt einredeweise gegen die Inanspruchnahme der Sicherheit geltend gemacht werden kann. 7 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472. 8 OLG Düsseldorf v. 10.11.2011 – I-6 U 275/10, GWR 2012, 61; Bloß/Zugelder, NZG 2011, 332; Henkel/Wentzler, GmbHR 2013, 239. Alternativ könnte die Aktivierung des Siche-
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Lüke
§ 10
Insolvenzgründe
vereinbart werden, dass der Rangrücktritt auch die Sicherheit umfasst, der Gläubiger diese also während der Dauer des Rangrücktritts nicht verwerten und in einem Insolvenzverfahren freigeben wird. Ein Rangrücktritt kann grundsätzlich nicht wieder aufgehoben werden. Die Rangrücktrittsvereinbarung ist als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) zu qualifizieren, weil er eine Begünstigung aller sonstigen Gläubiger des Unternehmens zum Ziel hat.1 Als Vertrag zugunsten Dritter kann er aber grundsätzlich nicht ohne die Zustimmung der begünstigten Gläubiger wieder aufgehoben werden. Die Rechtsposition der anderen Gläubiger ist jedoch dann nicht betroffen, wenn zur Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten genügend Vermögensmasse vorhanden ist; mithin ist die Aufhebung des Rangrücktritts ohne Mitwirkung der anderen Gläubiger möglich, wenn eine Insolvenzreife des Schuldnerunternehmens nicht gegeben oder wieder beseitigt ist.2
10.51
– Drittverbindlichkeiten mit vertraglichem Rangrücktritt Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, für die ein vertraglicher Rangrücktritt vereinbart ist, müssen nach h.M. im Überschuldungsstatus nicht berücksichtigt werden.3 Zwar regelt § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nur den Rangrücktritt für Forderungen von Gesellschaftern, es war aber bereits vor dem MoMiG anerkannt, dass auch eine Passivierung von Verbindlichkeiten gegenüber Nichtgesellschaftern im Überschuldungsstatus unterbleiben kann, wenn für sie eine vertragliche Rangrücktrittsvereinbarung getroffen wurde. Daran hat sich durch das MoMiG nichts geändert; für den Rangrücktritt des Drittgläubigers gilt § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO analog.4 Allerdings muss auch hier neben dem Nachrang i.S.v. § 39 Abs. 2 InsO eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vereinbart werden.
10.52
– Gesellschafterbesicherte Drittdarlehen Hatte ein Gesellschafter zugunsten der Gesellschaft eine Sicherheit bestellt und wurde er aus dieser Sicherheit in Anspruch genommen, so hat dies einen Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zur Folge. Dieser Regress-
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rungsguts unterbleiben und dafür auf die Passivierung der Verbindlichkeit wegen Rangrücktritts verzichtet werden. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472; Fleischer, DStR 1999, 1774; Wittig, NZI 2001, 169. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472; BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, GmbHR 2001, 190 m. Komm. Felleisen; Uhlenbruck in Uhlenbruck, § 19 InsO Rz. 66; Kahlert/ Gehrke, DStR 2007, 227; Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844; K. Schmidt in FS Frotscher, 2013, S. 536 (544); Mock, NZI 2014, 102. A.A. Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 69 sowie Bitter, ZIP 2015, 345: der Rangrücktritt eines Dritten kann die rechnerische Überschuldung nicht verhindern. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, GmbHR 2015, 472; Haas, DStR 2009, 326; Geiser, NZI 2013, 1056; Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227; Leithaus/Schaefer, NZI 2010, 844; Mock, NZI 2014, 102. Teilweise wird für Drittdarlehen ein qualifizierter Rangrücktritt gefordert, so bspw. von Weitnauer, GWR 2012, 193.
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10.53
§ 10
Insolvenz
anspruch ist im Überschuldungsstatus zu passivieren, es sei denn es wurde für ihn ein Rangrücktritt vereinbart.1 – Rückstellungen, Kosten der Abwicklung des Geschäftsbetriebs 10.54
Rückstellungen sind insoweit anzusetzen, als die Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Aufgrund der negativen Fortführungsprognose sind auch die Kosten für die Einstellung und Abwicklung des Geschäftsbetriebs einschließlich etwaiger Sozialplanansprüche zu passivieren.2 – Forderungsverzicht (mit Besserungsschein)
10.55
In Anbetracht der Überschuldung und der daraus resultierenden Insolvenzreife sind Gläubiger ggf. zu einem (teilweisen) Verzicht auf ihre gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen bereit. Rechtlich handelt es sich bei dem Forderungsverzicht um einen Erlassvertrag (§ 397 BGB). Mit Wirksamwerden des Erlassvertrages sind die betreffenden Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus nicht mehr auszuweisen. Wird der Verzicht an Bedingungen geknüpft, ist zu unterscheiden: Im Falle einer aufschiebenden Bedingung entfällt erst mit Bedingungseintritt die Passivierungspflicht; im Falle einer auflösenden Bedingung lebt die erloschene Verbindlichkeit mit Bedingungseintritt wieder auf (sog. Besserungsschein). Bis zum Eintritt des Besserungsfalls ist die erloschene Verbindlichkeit nicht zu passivieren.3 c) Überschuldung der Komplementär-GmbH
10.56
Zwar ist die Überschuldung der GmbH & Co. KG strikt von der Überschuldung der Komplementär-GmbH zu unterscheiden und gesondert festzustellen, dennoch bleibt eine Überschuldung der GmbH & Co. KG für ihre Komplementär-GmbH in aller Regel nicht ohne Wirkung. Die GmbH haftet gem. §§ 128, 161 Abs. 2 HGB für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG. Wird ihr gegenüber ein solcher Haftungsanspruch geltend gemacht, so hat sie, soweit sie den KG-Gläubiger daraufhin befriedigt, im Innenverhältnis zur KG einen Ausgleichsanspruch aus §§ 110 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB. Solange die GmbH & Co. KG in der Lage ist, diesen Ausgleichsanspruch zu bedienen, ist auch die Komplementär-GmbH nicht überschuldet. Zwar muss sie, falls sie mit einer Inanspruchnahme aus §§ 128, 161 Abs. 2 HGB rechnet, in ihrem Überschuldungsstatus eine entsprechende Rückstellung bilden, dieser steht aber auf der Aktivseite der werthaltige Ausgleichsanspruch gegen die KG gegenüber. Etwas anders gilt hingegen, wenn dieser Ausgleichsanspruch in der Krise der GmbH & Co. KG nicht mehr voll werthaltig ist. Er kann dann nur in werthaltiger Höhe aktiviert werden, was bei einer typischen
1 Dahl/Schmitz, NZG 2009, 569. 2 KG v. 1.11.2005 – 7 U 49/05, GmbHR 2006, 374; Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 53. 3 Zu beachten ist, dass der Verzicht bei der Gesellschaft zu einem i.d.R. steuerpflichtigen Ertrag führt, s. dazu bspw. Drews/Götze, DStR 2009, 945.
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§ 10
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Komplementär-GmbH, die nur mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital ausgestattet ist und über kein weiteres Vermögen verfügt, zwangsläufig zur Überschuldung führt. Die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH trifft dann nicht nur die Pflicht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG zu beantragen, sie haben gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO auch für die GmbH einen Insolvenzantrag zu stellen.
IV. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1. Antragsverpflichtete Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG, bei der nur eine GmbH und keine natürliche Person als Komplementär fungiert, muss gestellt werden, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet ist. Die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages für die GmbH & Co. KG trifft den oder die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in ihrer Funktion als organschaftliche Vertreter der zur Vertretung der GmbH & Co. KG berufenen Komplementärin. Die Insolvenzantragspflicht ist seit dem MoMiG in § 15a InsO angesiedelt, dessen Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich „die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter“ – also die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH – anspricht.1 Vor den Änderungen durch das MoMiG war die Insolvenzantragspflicht in den §§ 130a Abs. 1 Satz 2, 161 Abs. 2 und 177a HGB a.F. normiert.
10.57
Die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages besteht nicht, wenn bei der GmbH & Co. KG neben der GmbH noch eine natürliche Person als zusätzlicher Komplementär fungiert oder wenn Komplementär eine Personengesellschaft ist, an der zumindest eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist (§ 15a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 InsO). Auch in doppel- oder mehrstöckigen Konstruktionen ist die Antragspflicht also nur dann gegeben, wenn weder unmittelbar noch mittelbar eine natürliche Person die volle persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG trifft. Ist hingegen eine natürliche Person vorhanden, die neben der Komplementär-GmbH – unmittelbar oder mittelbar – als persönlich haftender Gesellschafter unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der GmbH & Co. KG haftet, dann entfällt die Insolvenzantragspflicht. Aus diesem Grunde nehmen GmbH & Co. KG bisweilen eine natürliche Person als zusätzlichen Komplementär in die Gesellschaft auf. Zweifelhaft ist diese Konstruktion allerdings, wenn die natürliche Person nur vorgeschoben die Komplementärrolle übernimmt und im Wesentlichen vermögenslos ist. Man wird dann von einer Umgehung ausgehen und die Geschäftsführer nicht von ihren Insolvenzantragspflichten entbinden können.2
10.58
Ein Geschäftsführer kann sich der bereits entstandenen Antragspflicht nicht durch Niederlegung seines Amtes entziehen.3 Die Antragspflicht wirkt vielmehr wegen
10.59
1 Ausführlich zu § 15a InsO Poertzgen, ZInsO 2007, 574. 2 Hirte in Uhlenbruck, § 15a InsO Rz. 9. 3 Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 130a HGB Rz. 11.
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§ 10
Insolvenz
Rechtsmissbräuchlichkeit der Amtsniederlegung auch darüber hinaus fort.1 In einer mehrköpfigen Geschäftsführung trifft die Antragspflicht jeden Geschäftsführer einzeln und unabhängig davon, ob Einzel- oder Gesamtvertretung besteht und welche Geschäftsverteilung im Innenverhältnis vorgenommen wurde.2 Um jedoch zum Schutze der Gesellschaft missbräuchlich gestellten Insolvenzanträgen einzelner Geschäftsführer vorzubeugen, hat das Insolvenzgericht einen Insolvenzantrag, der nicht von allen Geschäftsführern gemeinsam gestellt wird, nur zuzulassen, wenn der Insolvenzgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 2 und 3 InsO). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit können die Geschäftsführer nur in vertretungsberechtigter Anzahl beantragen (§ 18 Abs. 3 InsO). Insofern besteht ohnehin nur ein Antragsrecht, aber keine Antragspflicht. 10.60
Dass sich die GmbH & Co. KG ggf. bereits im Auflösungsstadium (in Liquidation) befindet, hindert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht, solange noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (§ 11 Abs. 3 InsO). Bei einer in Auflösung befindlichen GmbH & Co. KG trifft die Insolvenzantragspflicht die Liquidatoren. Nicht insolvenzfähig ist hingegen die erloschene Gesellschaft.
10.61
Durch das MoMiG wurden die Regelungen zur Insolvenzantragspflicht aus dem Gesellschaftsrecht in die InsO überführt. Das hat zur Folge, dass seitdem auch Auslandsgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz im Inland haben, in den Anwendungsbereich der Norm fallen.3 Damit unterliegt bspw. auch der director einer englischen Limited, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, der Antragspflicht nach § 15a InsO. Ist Komplementärin nicht eine GmbH, sondern eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft (Auslandsgesellschaft & Co. KG), so trifft die Insolvenzantragspflicht deren organschaftliche Vertreter.4
10.62
Gesetzlich nicht geregelt, aber von Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, ist die Erstreckung der Insolvenzantragspflicht auf den sog. faktischen Geschäftsführer.5 Nicht selten kommt es vor, dass Dritte tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig werden, ohne rechtlich die Organstellung eines Geschäftsführers zu bekleiden. Auch sie trifft die Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrags.6 Maßgeblich ist, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – und zwar durch eigenes nach außen hervortretendes Handeln – so maßgeblich in die Hand genommen hat, dass ihm auch die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung des Insol-
1 Die Rechtsmissbräuchlichkeit könnte allenfalls entfallen, wenn die Gesellschafter den Geschäftsführer angewiesen haben, trotz Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag zu stellen, s. Kleindiek in Heidelberger Kommentar InsO, § 15a InsO Rz. 38. 2 Deutler, GmbHR 1977, 36 (39); s. auch KG v. 13.5.1965 – 1 W 848/65, NJW 1965, 2157. 3 Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 148 f.; Vallender, ZGR 2006, 425; Wachter, BB 2006, 1463; Zimmer, NJW 2003, 3585. A.A. u.a. Berner/Klöhn, ZIP 2007, 106; Hirte, ZInsO 2010, 1986. 4 Servatius in Henssler/Strohn, GesR, IntGesR Rz. 178. 5 BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, GmbHR 1983, 43; BGH v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/82, GmbHR 1974, 7 (für die GmbH); BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, GmbHR 1988, 299 (für die GmbH & Co. KG); Strohn, DB 2011, 158. 6 Dementsprechend können sie zivil- wie strafrechtlich eine Insolvenzverschleppung begehen. Zum Strafrecht s. BGH v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14, 4 StR 324/14, GmbHR 2015, 191.
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§ 10
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
venzantrags zufällt.1 Dem BGH lag im Jahre 1988 ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, in dem der wegen Konkursverschleppung auf Schadensersatz in Anspruch genommene Beklagte weder Geschäftsführer noch Kommanditist der in Konkurs gefallenen GmbH & Co. KG, jedoch in der Gesellschaft ganz entscheidend tätig gewesen war.2 Er hatte den für das Unternehmen wichtigen Verkaufssektor völlig an sich gezogen, in eigener Verantwortung Personal eingestellt, Kreditverhandlungen geführt und zum Geschäftsjahresschluss die Bilanz unterzeichnet. Der BGH entschied, dass der Beklagte damit die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln so maßgeblich in die Hand genommen habe, dass ihm auch die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung des Konkursantrags zufallen müsse.3 Nicht erforderlich ist, dass die organschaftlichen Vertreter aus ihrer Position vollständig verdrängt werden. Ein Fall der faktischen Geschäftsführung ist auch die Strohmannsituation, in der der amtierende Geschäftsführer nach außen nur vorgeschoben ist. Weder verpflichtet noch berechtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen, sind die nicht geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH & Co. KG.4 Das sind alle Kommanditisten, die nicht gleichzeitig in der Komplementär-GmbH als Geschäftsführer oder als geschäftsführender Kommanditist tätig sind und die auch nicht die Kriterien eines faktischen Geschäftsführers erfüllen oder aus einem Drittverhältnis als Gläubiger der GmbH & Co. KG zu qualifizieren sind. Gleiches gilt für Prokuristen oder sonstige Bevollmächtigte sowie für Mitglieder von Aufsichts- oder Beiräten der GmbH & Co. KG.5
10.63
Zu beachten ist allerdings der durch das MoMiG eingeführte § 15a Abs. 3 InsO, der die Antragspflicht für den Fall der Führungslosigkeit einer GmbH auch den Gesellschaftern und bei Führungslosigkeit einer AG oder eG auch deren Aufsichtsratsmitgliedern auferlegt.6 Das Merkmal der Führungslosigkeit ist in § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO als Fehlen von Geschäftsführern legal definiert. Dies ist nach h.M. dann der Fall, wenn der Geschäftsführer rechtlich (Abberufung, Amtsniederlegung, Verlust der Amtsfähigkeit nach § 6 GmbHG) oder tatsächlich (Tod, Geschäftsunfähigkeit) nicht mehr existiert;7 nach zutreffender Auffassung genügt es aber auch, dass er unauffindbar abgetaucht, unerreichbar oder
10.64
1 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, GmbHR 1988, 299; OLG Köln v. 15.12.2011 – I-18 U 188/11, GmbHR 2012, 1358. 2 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, GmbHR 1988, 299; mit ähnlichem Sachverhalt auch OLG Dresden v. 4.2.1999 – 19 U 2255/98, NZG 1999, 438. 3 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, GmbHR 1988, 299; bestätigt in BGH v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, GmbHR 2008, 702; zur strafrechtlichen Verantwortung des faktischen Geschäftsführers vgl. BGH v. 3.7.1989 – StbSt R 14/88, GmbHR 1990, 173. 4 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 36; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 352 m.w.N. 5 Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 352 m.w.N. 6 Dazu Poertzgen, ZInsO 2007, 574 (576). 7 AG Hamburg v. 27.11.2008 – 67c IN 478/08, NZI 2009, 63; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, § 35 GmbHG, Rz. 105a; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 35 GmbHG Rz. 44; Schmal, NZI 2008, 6.
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§ 10
Insolvenz
handlungsunwillig ist.1 Dass die Gesellschaft durch einen faktischen Geschäftsführer geführt wird, hindert die Führungslosigkeit im rechtlichen Sinne nicht. Die Vorschrift gilt ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach nur für die GmbH, AG und eG, nicht hingegen für die GmbH & Co. KG. Auch für den Fall der Führungslosigkeit bleibt es somit dabei, dass die nicht geschäftsführenden Kommanditisten nicht antragsverpflichtet sind. Sollte allerdings bei der Komplementär-GmbH der Tatbestand der Führungslosigkeit gegeben sein, so trifft jeden GmbH-Gesellschafter die Antragspflicht aus § 15a Abs. 3 InsO. Die Antragspflicht erstreckt sich dann aber auch auf das Stellen des Insolvenzantrags für die GmbH & Co. KG.2 Voraussetzung für die Antragspflicht ist allerdings, dass die in § 15a Abs. 3 InsO genannte Person positive Kenntnis vom Insolvenzgrund und der Führungslosigkeit hat. Die Beweislast dafür trifft den GmbH-Gesellschafter; Kennenmüssen schadet nicht, jedoch soll das bewusste Verschließen gegenüber der Kenntniserlangung positiver Kenntnis gleichstehen.3 Stellen nicht alle Gesellschafter den Antrag, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen; zudem muss die Führungslosigkeit glaubhaft gemacht werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). 10.65
Die Antragspflicht endet nur mit der Antragstellung oder mit Beseitigung der Insolvenzreife.4 Die Insolvenzantragspflicht entfällt nicht dadurch, dass bereits ein Gläubiger einen Insolvenzantrag gestellt hat, sondern erst mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.5 Liegen die Antragsvoraussetzungen vor, so kann die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer nicht wirksam anweisen, den Insolvenzantrag nicht zu stellen. Die Antragspflicht besteht auch dann, wenn eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG mangels Masse voraussichtlich nicht in Betracht kommt.6
10.66
Hinsichtlich der Komplementär-GmbH besteht eine eigene Antragsverpflichtung (Trennungsprinzip). Da die Zahlungsunfähigkeit der GmbH & Co. KG häufig auch die Insolvenzreife der Komplementär-GmbH mit sich bringt (s. dazu Rz. 10.56), ist der Geschäftsführer der Komplementärin ggf. verpflichtet, einen Insolvenzantrag auch für die Komplementär-GmbH zu stellen. Bei Führungslosigkeit der GmbH trifft die Antragspflicht einen jeden ihrer Gesellschafter.
2. Antragsberechtigte 10.67
Keine Pflicht, aber ein Recht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG zu beantragen, haben die Gläubiger der Gesellschaft
1 Zutreffend Gehrlein, BB 2008, 846; Gundlach/Frenzel/Strandmann, NZG 2008, 647; Passarge, GmbHR 2010, 295; Passarge/Brete, ZInsO 2011, 1293; K. Schmidt in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1157. 2 Löser, ZInsO 2010, 799; Klöhn in MünchKomm. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15 InsO Rz. 62. 3 RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 v. 25.7.2007, S. 128. 4 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 33. 5 BGH v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, GmbHR 2009, 205 m. Komm. Schröder; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 130a HGB Rz. 24. 6 OLG Hamm v. 17.3.1993 – 15 W 67/93, GmbHR 1993, 593 (594).
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§ 10
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
(§§ 13 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 InsO).1 Jedem einzelnen, dessen Forderung im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen wäre, steht dieses Recht zu. Voraussetzung ist, dass die GmbH & Co. KG zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Um willkürlich oder missbräuchlich gestellten Insolvenzanträgen vorzubeugen, ist der Antrag nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und er seine Forderung und den Insolvenzgrund glaubhaft macht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die drohende Zahlungsunfähigkeit hingegen berechtigt nur die Geschäftsführer, nicht aber die Gläubiger der GmbH & Co. KG, einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 18 Abs. 1 InsO).
3. Antragsfrist Die zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verpflichteten haben den Antrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der GmbH & Co. KG zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO).
10.68
Fraglich ist, wann die gesetzliche Dreiwochenfrist beginnt und vor allem, ob dazu die positive Kenntnis des Geschäftsführers von der Insolvenzreife der GmbH & Co. KG erforderlich ist. Der klar formulierte Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO spricht für eine objektive Sicht, indem er an den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anknüpft.2 Demgegenüber wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass die positive Kenntnis vom Insolvenzgrund erforderlich sei.3 Die Frist würde danach erst beginnen, wenn der Geschäftsführer weiß, dass die GmbH & Co. KG zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Positive Kenntnis würde bedeuten, dass sich der Geschäftsführer darauf zurückziehen könnte, die erforderlichen Ausarbeitungen (Liquiditätsplan und Überschuldungsstatus) hätten ihm noch nicht vorgelegen. Das Gesetz geht jedoch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer aus; dieser hat sein Unternehmen so im Auge, dass er die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung jederzeit erkennen kann.4 Daraus folgt, dass es für den Beginn der Dreiwochenfrist weder auf eine positive Kenntnis noch auf den objektiven Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ankommt. Die Dreiwochenfrist beginnt u.E. vielmehr in dem Moment, in dem die Fakten und Merkmale einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit offen zu Tage treten.5 Erforderlich ist also ein Kennenmüssen im Sinne offensicht-
10.69
1 Dazu Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, S. 345 ff.; Vallender in K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5 179 ff. 2 Für die objektive Sicht bspw. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 12 Rz. 22; Habersack in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 130a HGB Rz. 19; Hirte in Uhlenbruck, § 15a InsO Rz. 14; Klöhn in MünchKomm. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15a InsO Rz. 119; K. Schmidt in Scholz, § 64 GmbHG Rz. 164. 3 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (110); OLG Koblenz v. 5.11.2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 446 (zur AG). 4 Vgl. die Änderung des § 64 GmbHG durch das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität v. 15.5.1986, BGBl. I 1986, 721. 5 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757; BGH v. 29.11.1999 – ZR II 273/98, BGHZ 143, 184 = GmbHR 2000, 182 m. Komm. Frings. Ebenso Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 51; Naraschweski in Bork/Hölzle, Hdb. InsolvenzR, 2014, Kap. 22 Rz. 38.
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Insolvenz
licher Erkennbarkeit, was am Maßstab des pflichtgemäß handelnden, ordentlichen Geschäftsführers zu prüfen ist.1 10.70
Die Dreiwochenfrist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Maximalfrist. Hat die Frist zu laufen begonnen, so folgt daraus nicht, dass der Geschäftsführer mit der Stellung des Insolvenzantrags so lange warten darf, bis die drei Wochen vorüber sind.2 Die Frist darf vielmehr nur insoweit ausgeschöpft werden, als während dieser Zeit Sanierungsbemühungen unternommen werden, die nicht völlig aussichtslos sind. Steht fest, dass die GmbH & Co. KG nicht zu retten sein wird, dann hat der Geschäftsführer den Insolvenzantrag auch vor Ablauf der Dreiwochenfrist unverzüglich zu stellen.3 Selbst Erfolg versprechende Sanierungsversuche führen, falls sie den Insolvenzgrund nicht rechtzeitig beseitigen, nicht zu einer Verlängerung der Dreiwochenfrist.
10.71
Praxishinweis: Häufig versuchen Geschäftsführer, durch Einleitung von Sanierungsmaßnahmen das Unternehmen zu retten. Überschreiten sie dabei die Dreiwochenfrist, ohne den Insolvenzantrag zu stellen, so ist ihr Verhalten selbst bei zunächst aussichtsreichen Sanierungsbemühungen unzulässig und führt sowohl zur Schadensersatzpflicht als auch zu den in § 15a Abs. 4 und 5 InsO normierten strafrechtlichen Sanktionen. Verletzt der Geschäftsführer seine Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags, so stellt dies zudem einen Grund zur fristlosen Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages dar.4
10.72
Ist die Pflicht zur Antragstellung einmal entstanden, so erlischt sie erst dann wieder, wenn der Insolvenzgrund beseitigt ist.5
V. Zahlungsverbot 10.73
Sobald die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder ihre Überschuldung eingetreten ist, dürfen die Geschäftsführer gem. §§ 130a Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB keine Zahlungen mehr für die Gesellschaft leisten. Das Zahlungsverbot gilt bereits ab Eintritt der Insolvenzreife und nicht erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist.6 Auch wenn die maximale Antragsfrist von drei Wochen noch nicht abgelaufen ist, hat der Geschäftsführer bereits die Pflicht, das Gesellschaftsvermögen zu sichern.
10.74
Adressaten des Zahlungsverbots sind Geschäftsführer, Liquidatoren und auch die faktischen Geschäftsführer. Ob § 130a Abs. 1 HGB auch für die Geschäftsführer 1 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 51. 2 OLG Naumburg v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, GmbHR 2004, 361 (363); K. Schmidt in Scholz, § 64 GmbHG Rz. 81 i.V.m. Rz. 163. 3 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (110); Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 123 m.w.N. 4 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 236/06, GmbHR 2008, 256 m. Komm. Brötzmann. 5 BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, GmbHR 2005, 1425 m. Komm. Wackerbarth; BGH v. 12.3. 2007 – II ZR 315/05, GmbHR 2007, 599. 6 BGH v. 18.3.1974 – II ZR 3/72, NJW 1974, 1088; BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, GmbHR 2009, 654 = ZIP 2009, 860; BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, GmbHR 2009, 654 = NJW 2009, 2454 zur AG.
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§ 10
Zahlungsverbot
ausländischer Komplementär-Gesellschaften gilt, ist streitig; entscheidend für die Beurteilung ist, ob man die Vorschrift dem Gesellschafts- oder Insolvenzrecht zuordnet.1 Nach der Systemänderung durch das MoMiG erscheint es vorzugswürdig, die Regelung auch auf die Geschäftsführung einer ausländischen Komplementärgesellschaft zu erstrecken.2 Das Zahlungsverbot soll sicherstellen, dass das noch vorhandene Gesellschaftsvermögen zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger erhalten bleibt und eine bevorzugte Befriedigung Einzelner unterbleibt.3 Seinem Sinn und Zweck nach erfasst das Verbot nicht nur Zahlungen in Geld, sondern alle Leistungen, die zur Schmälerung der Masse führen.4 Erfasst werden neben Zahlungen aus Kasse oder Bankguthaben insbesondere die Lieferung von Gütern, die Übertragung von Rechten und die Erbringung von Dienstleistungen, wenn dadurch das Gesellschaftsvermögen verringert wird. Dies ist nach Auffassung des BGH auch dann der Fall, wenn ein Kundenscheck auf einem debitorischen Bankkonto eingereicht wird.5 Zudem muss der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH & Co. KG aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür sorgen, dass Zahlungen an die Gesellschaft nicht auf einem debitorischen Bankkonto eingehen.6 Das Begründen neuer, das Gesellschaftsvermögen schmälernder Verbindlichkeiten wird von § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB nicht untersagt, weil der Normzweck allein die Schmälerung des Aktivvermögens durch Zahlungen oder sonstige Leistungen verhindern will.7 Dementsprechend stellen auch Zahlungen von einem debitorischen Konto keinen Verstoß dar, denn damit kommt es – sofern die Bank nicht noch über freie Sicherheiten verfügt – lediglich zu einem Gläubigertausch und nicht zur einer Schmälerung der verteilungsfähigen Masse.8 Der Normzweck der Vorschrift ist auch nicht betroffen, soweit als Gegenleistung für die Zahlung oder sonstige Leistung ein äquivalenter Vermögensgegenstand in das Gesellschaftsvermögen gelangt
1 KG v. 24.9.2009 – 8 U 250/08, GmbHR 2010, 99 m. Komm. Mock = ZIP 2009, 2156 zustimmend Bartehl, ZInsO 2011, 211 und die wohl h.M. gehen für die Parallelvorschrift § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. von einer insolvenzrechtlichen Norm aus und wenden sie daher auch auf den director einer Limited an, s. bspw. Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 21 m.w.N. Der BGH (Beschl. v. 2.12.2014 – II ZR 119/14, GmbHR 2015, 79 m. Komm. Römermann = NZG 2015, 101) hat die Frage, ob in diesem Fall deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung kommt, dem EuGH vorgelegt. 2 Ebenso Thiessen in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2015, § 177a HGB Rz. 15. 3 BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, GmbHR 2011, 642 m. Komm. Poertzgen; Strohn, NZG 2011, 1161. 4 BGH v. 13.3.2009 – II ZR 32/08, NZG 2009, 582; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539. 5 BGH v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, GmbHR 2000, 1149; BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, GmbHR 2000, 182 m. Komm. Frings; BGH v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, GmbHR 2000, 1149; BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, GmbHR 2000, 182. 6 BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, GmbHR 2007, 596, wo empfohlen wird, in einer solchen Situation bei einer anderen Bank ein Konto neu zu eröffnen, das nur auf Guthabenbasis geführt wird. Ebenso Strohn, NZG 2011, 1161. 7 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 64 GmbHG Rz. 10; Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 47. 8 BGH v. 21.1.2010 – II ZR 258/08, GmbHR 2010, 428; BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, GmbHR 2011, 367; Geißler, GmbHR 2011, 907.
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10.75
§ 10
Insolvenz
ist.1 Es genügt, wenn sich Ab- und Zufluss kompensieren; es ist nicht (mehr)2 erforderlich, dass der erlangte Vermögenszufluss bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch in der Masse vorhanden ist.3 Die Masseverkürzung ist ausgeglichen, sobald und soweit ein ausgleichender Wert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist; sollte der betreffende Vermögensgegenstand danach wieder ausgegeben werden, führt dies gegebenenfalls zu einem neuen Anspruch nach § 130a Abs. 1 HGB.4 10.76
Trotz des Zahlungsverbots ist eine Zahlung ausnahmsweise nicht zu beanstanden, wenn sie der Erhaltung vorhandener Werte im Interesse der Gläubiger dient und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ist (§§ 130a Abs. 1 Satz 2, 161 Abs. 2 HGB). Hierzu zählen bspw. Zahlungen für den laufenden Geschäftsbetrieb, wie Lohn- und Mietzahlungen sowie Zahlungen auf Wasser-, Strom- und Heizkostenrechnungen, denn ohne diese Zahlungen müsste der Betrieb im Zweifel sofort eingestellt werden, was jede Chance auf eine Sanierung, geordnete Abwicklung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte machen würde.5 Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausnahmetatbestands trifft den Geschäftsführer. Nach Ablauf der Dreiwochenfrist sind Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes grundsätzlich nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar. Allenfalls in besonderen Ausnahmefällen können Zahlungen noch privilegiert sein, wenn sie für das Insolvenzverfahren und die Sicherung der Masse sinnvoll sind.6
10.77
Vom BGH entschieden ist mittlerweile die Frage nach der Einhaltung des Zahlungsverbots bei solchen Zahlungsverpflichtungen, deren Verletzung nach anderen Gesetzen haftungs- oder gar strafrechtliche Konsequenzen für den Geschäftsführer nach sich ziehen, namentlich die nach § 266a StGB strafbewehrte Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer und die durch §§ 69, 34, 380 AO, § 26b UStG und § 41a EStG sanktionierten steuerlichen Abführungspflichten. Für den Geschäftsführer ergibt sich mit dem Eintritt des Insolvenzgrundes unweigerlich eine Pflichtenkollision, da er einerseits das Zahlungsverbot zu befolgen und andererseits Sozialabgaben und Steuern abzuführen hat. Nachdem die höchstrichterliche Rechtsprechung die Frage, welcher der kollidierenden Pflichten der Vorrang zu geben sei, zunächst uneinheitlich beantwortet hatte,7 hat der II. Zivilsenat des BGH mit seiner Entscheidung vom 14.5.2007 seine damalige Rechtsprechung 1 BGH v. 14.10.1985 – II ZR 276/84, GmbHR 1986, 113; Geißler, GmbHR 2011, 907; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 64 GmbHG Rz. 7. 2 In BGH v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, NZG 2003, 582 und BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, GmbHR 2011, 25 m. Komm. Blöse forderte der BGH noch, dass der für die Zahlung bzw. Leistung erlangte Gegenwert bei Insolvenzeröffnung noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden war. Daran hält der BGH seit BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, GmbHR 2015, 137 nicht mehr fest. 3 BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, GmbHR 2015, 137; dazu K. Schmidt, NZG 2015, 129. 4 BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, GmbHR 2015, 137. 5 BGH v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, GmbHR 2008, 142; K. Schmidt, NZG 2015, 129. 6 OLG Hamburg v. 25.6.2010 – 11 U 133/06, GmbHR 2011, 371; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 64 GmbHG Rz. 12; Poertzgen, ZInsO 2011, 305; Strohn, NZG 2011, 1161. A.A. Geißler, ZInsO 2013, 167. 7 II. Zivilsenat: Vorrang des Zahlungsverbots, vgl. BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, GmbHR 2005, 1126; 5. Strafsenat: Vorrang der Abführungspflicht, vgl. BGH v. 9.8.2005 – 5 StR 67/05, GmbHR 2005, 1419 m. Komm. Schröder/Faust.
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§ 10
Zahlungsverbot
aufgegeben und klargestellt, dass § 266a StGB und auch die steuerrechtlichen Vorschriften Vorrang vor dem Zahlungsverbot des § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB a.F. (nach MoMiG: § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB) genießen.1 Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung sei eine Zahlung, die zur Vermeidung der Strafbarkeit aus § 266a StGB oder der Haftung nach den steuerrechtlichen Vorschriften geleistet werde, mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Denn was strafrechtlich verboten sei, könne einem Geschäftsführer zivilrechtlich nicht als Pflicht auferlegt werden. Führe der Geschäftsführer trotz Insolvenzreife Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherung sowie Lohn- und Umsatzsteuer an das Finanzamt ab, so verletze er damit nicht das Zahlungsverbot. Die organschaftlichen Vertreter haben also auch bei Insolvenzreife der Gesellschaft die Pflicht, Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialabgaben sowie Lohn- und Umsatzsteuer abzuführen (Vorrang strafbewehrter Zahlungspflichten gegenüber der Masseerhaltungspflicht).2 Daraus folgt gleichzeitig, dass der Geschäftsführer einer Inanspruchnahme aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB oder § 69 AO die Massesicherungspflicht des § 130a Abs. 1 HGB nicht mehr zu seiner Entlastung entgegenhalten kann. Das Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung im Stadium der Insolvenzreife führt zu einem Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle gegen den Geschäftsführer aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB, wenn dieser an andere Gesellschaftsgläubiger trotz der Insolvenzreife Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren. In einem solchen Fall kann sich der Geschäftsführer nicht auf eine Pflichtenkollision berufen.3 Die Zahlung von Steuern und Arbeitnehmerbeiträgen hat Vorrang. Soweit noch liquide Mittel vorhanden sind, muss gezahlt werden. Reichen sie nicht aus, um Nettolohn und Steuer zu zahlen, muss gequotelt werden.4 Zu beachten ist, dass § 266a StGB nur das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung unter Strafe stellt. Die Vorschrift betrifft nicht die Arbeitgeberbeiträge. Dementsprechend sind Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsführers vereinbar, die Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen hingegen nicht. Aus diesem Grunde kann der Geschäftsführer auf Erstattung des Arbeitgeberanteils in Anspruch genommen werden.5
10.78
Durch das MoMiG wurde der Geltungsbereich des Zahlungsverbots erweitert.6 Nach § 130a Abs. 1 Satz 3 HGB sind Zahlungen an Gesellschafter auch insoweit untersagt, als sie zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Verboten sind auch entsprechende Zahlungen an einen Dritten, der einem Gesellschafter gleichsteht. Der Rechtsgrund für die Zahlung ist unerheblich. Durch diese Neuregelung wird das Zahlungsverbot zeitlich nach vorn verlagert.7 Damit soll dem Risiko vor-
10.79
1 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757. Die Entscheidung des BGH erging zu § 64 Abs. 2 GmbHG a.F., ist aber ohne weiteres auf § 130a Abs. 1 HGB n.F. zu übertragen. 2 BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, GmbHR 2011, 367 m. Komm. Poertzgen. 3 BGH v. 18.1.2010 – II ZA 4/09, GmbHR 2010, 364. 4 BFH v. 23.9.2008 – VII R 27/07, GmbHR 2009, 222. 5 Klargestellt durch BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, GmbHR 2009, 991 m. Komm. Bittmann. S. auch Strohn, NZG 2011, 1161. 6 Ausführlich dazu Greulich/Rau, NZG 2008, 284. 7 Streit/Bürk, DB 2008, 742 (749).
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§ 10
Insolvenz
gebeugt werden, dass Gesellschafter bei bevorstehender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft noch Vermögenswerte entziehen. Der Tatbestand greift nicht mehr ein, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig ist.1 10.80
Praxishinweis: Zahlreiche Geschäftsführer sind offenbar der Auffassung, ein Insolvenzantrag müsse erst gestellt werden, wenn keine Aussicht auf Sanierung mehr besteht. Das ist falsch! Ein Hinausschieben des Insolvenzantrags um maximal drei Wochen ist nur zulässig, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen laufen. Selbst in dieser Zeit greift schon das Zahlungsverbot! Es dürfen nur noch solche Zahlungen geleistet werden, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind. Die Gefahr, vom Insolvenzverwalter wegen verbotener Zahlungen nach § 130a Abs. 2 HGB in Anspruch genommen zu werden, sollte der Geschäftsführer sehr ernst nehmen. Das Zahlungsverbot ist für den Geschäftsführer einer in der Krise befindlichen GmbH & Co. KG die größte und wirtschaftlich bedeutendste Gefahr. Führt er das Unternehmen in der Hoffnung auf eine Sanierung fort, so kann er bis zur Beseitigung des Insolvenztatbestands nicht einfach alle Zahlungen und Leistungen einstellen, denn dann wird die Sanierung gewiss nicht gelingen. Er bezahlt dies, wenn die Sanierung nicht gelingt, häufig mit der eigenen Privatinsolvenz, denn die verbotswidrigen Zahlungen nach Insolvenzreife bewegen sich schnell im sechsstelligen Bereich.2
VI. Schadensersatz und Strafbarkeit 10.81
Damit die Insolvenzantragspflicht und das Zahlungsverbot eingehalten werden, sieht das Gesetz eine Reihe von Sanktionen vor.
1. Innenhaftung nach §§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2, 177a HGB – § 130a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 HGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO 10.82
Verstößt der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bei Insolvenzreife der GmbH & Co. KG gegen das Zahlungsverbot aus §§ 130a Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB, so haftet er auf Ersatz der masseschmälernden bzw. die Zahlungsunfähigkeit verursachenden Zahlungen. Anspruchsgrundlage ist §§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB. Haftungsadressat ist der Geschäftsführer bzw. der sonstige Antragsverpflichtete persönlich. Anspruchsvoraussetzung ist, dass die Zahlung oder Leistung, die zur Massenschmälerung geführt hat, durch den Geschäftsführer erfolgt, von ihm veranlasst oder ihm in sonstiger Weise zurechenbar ist.3 Dies ist bereits dann der Fall, wenn er sie hätte verhindern können.4 Eine Massenschmälerung, die der Betreffende nicht veranlasst hat, fällt nicht in den Schutzbereich des Zahlungsverbots. 1 BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, GmbHR 2013, 31 m. Komm. Wenzler zur GmbH. Eine Schutzlücke entsteht dadurch nicht, weil der Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit bereits nach § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB haftet. 2 In diesem Sinne u.a. Bauer, Die GmbH in der Krise, 4. Aufl. 2013, Kap. I Rz. 1479; K. Schmidt, ZIP 2005, 2177. 3 BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, GmbHR 2015, 137; BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, GmbHR 2009, 937. 4 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, GmbHR 2009, 937.
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§ 10
Schadensersatz und Strafbarkeit
Der Anspruch aus § 130a Abs. 2 HGB setzt zudem Verschulden des Geschäftsführers voraus. Es genügt bereits fahrlässiges Verhalten, denn die insolvenzrechtlichen Organpflichten und ihre Sanktionen beruhen gerade auf der Selbstprüfungspflicht der Geschäftsführung und haben den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zum Maßstab.1 Dieser hat bei sich ankündigender Krise die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets im Auge zu behalten; er muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.2 Die Erkennbarkeit der Insolvenzreife reicht daher für ein schuldhaftes Handeln bereits aus.3 Bedingt vorsätzlich handelt, wer es trotz Anzeichen einer Krise unterlässt, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus und einer taggenauen Liquiditätsplanung einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu verschaffen.4 Kann objektiv festgestellt werden, dass der Geschäftsführer seine Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags verletzt hat, so wird sein Verschulden vermutet.5 Es obliegt dem auf Schadensersatz nach §§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB in Anspruch genommenen Geschäftsführer, Tatsachen substantiiert darzutun und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat (§ 130a Abs. 2 Satz 2 HGB). Dies gilt insbesondere für die Notwendigkeit von Zahlungen, die nach Insolvenzreife geleistet wurden (§ 130a Abs. 1 Satz 2 HGB).6 Eine Weisung der Gesellschafter, trotz der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag zu stellen, entlastet den Geschäftsführer hingegen nicht.7 In einem mehrköpfigen Geschäftsführungsgremium kann sich kein Mitglied darauf berufen, dass er aufgrund der Ressortverteilung unzuständig für den Insolvenzantrag gewesen sei. Fehlt es dem Geschäftsführer an der notwendigen Fachkunde, muss er einen fachlich qualifizierten Dritten mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragen.8 Holt der Geschäftsführer bei fehlender eigener Sachkunde und unter Offenlegung sämtlicher Informationen den Rat eines Sachverständigen ein, so ist das auf diesen Rat hin erfolgende Unterlassen des Insolvenzantrags unverschuldet.9 Der Geschäftsführer ist dann nur noch für die sorgfältige Auswahl des Beraters, die Erteilung des richtigen Prüfungsauftrags und das Zurverfügungstellen aller notwendigen Informationen verantwortlich.10
10.83
Der Anspruch der KG wegen Insolvenzverschleppung (§ 130a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 HGB) ist auf Ersatz des Gesamtgläubigerschadens gerichtet. Es ist der Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass infolge der Unterlassung des rechtzeiti-
10.84
1 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539. 2 BGH v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, GmbHR 2012, 967, 1557; BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, GmbHR 2012, 746. 3 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, GmbHR 2000, 182 m. Komm. Frings. 4 OLG Oldenburg v. 24.4.2008 – 8 U 5/08, GmbHR 2008, 1101. 5 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482. 6 Dazu BGH v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, GmbHR 2008, 142 m. Komm. Lindemann; OLG Koblenz v. 9.2.2006 – 6 U 607/05, ZIP 2006, 952; OLG Schleswig v. 27.10.2005 – 5 U 82/05, GmbHR 2005, 1615. 7 BGH v. 18.3.1974 – II ZB 3/74, NJW 1974, 1088. 8 OLG Oldenburg v. 24.4.2008 – 8 U 5/08, GmbHR 2008, 1101. 9 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757 m. Komm. Schröder; BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, GmbHR 2012, 746. 10 BGH v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, GmbHR 2012, 746.
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§ 10
Insolvenz
gen Insolvenzantrags das zur Befriedigung der Gläubiger vorhandene Gesellschaftsvermögen infolge masseschmälernder Zahlungen oder durch Begründung von Neuverbindlichkeiten nach Insolvenzreife zur Befriedigung der Gläubiger nicht oder nicht mehr vollständig zur Verfügung steht.1 – § 130a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 HGB 10.85
Hat der Geschäftsführer oder sonstige Antragsverpflichtete gegen das Zahlungsverbot aus §§ 130a Abs. 1 Satz 1 oder 3, 161 Abs. 2, 177a HGB verstoßen, so haftet er der Gesellschaft nach dem Wortlaut der Vorschrift auf „Schadensersatz“. Nach h.M. handelt es sich bei dieser Formulierung um ein Redaktionsversehen.2 Entsprechend den Parallelvorschriften § 92 Abs. 2 AktG und § 64 Satz 1 GmbHG beinhaltet auch § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB einen Erstattungsanspruch eigener Art, der nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ersatz aller masseschmälernden Zahlungen gerichtet ist.3 Der Geschäftsführer oder sonstige Antragsverpflichtete hat der Gesellschaft alle Auszahlungen zu erstatten, die er entgegen dem Zahlungsverbot aus § 130a Abs. 1 und Abs. 3 HGB veranlasst hat. – Anspruchsberechtigung, Verjährung
10.86
Anspruchsberechtigt hinsichtlich der Ansprüche aus §§ 130a Abs. 2 1. und 2. Alt., 161 Abs. 2 HGB ist die GmbH & Co. KG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB („der Gesellschaft gegenüber“) sowie aus § 92 InsO, der diese Ansprüche als sog. Gesamtschaden der Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich dem Insolvenzverwalter zur Geltendmachung zuweist.4 Die geschädigten Gläubiger sind insoweit von der eigenständigen Geltendmachung ausgeschlossen.5 Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Zahlungen zur Insolvenzmasse gezogen werden sollen, um die Gläubiger dann insgesamt gleichmäßig befriedigen zu können.6 Nur wenn es mangels Masse nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG kommt, kann ein Anspruch der Gesellschaft aus § 130a Abs. 2 HGB von den einzelnen Gläubigern gepfändet werden.7 Mehrere Antragsverpflichtete haften für den eingetretenen Schaden als Gesamtschuldner i.S.v. § 830 BGB. Der Ausgleich untereinander richtet sich nach § 426 BGB; er erfolgt zu gleichen Teilen, es sei denn, die Verursachungsbeiträge sind unterschiedlich. 1 Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 130a HGB Rz. 28. 2 BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, GmbHR 2007, 596. 3 BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, GmbHR 2007, 596; Roth in Baumbach/Hopt, § 130a HGB Rz. 7 m.w.N. 4 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482; Bayer/Lieder, WM 2006, 1; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, § 64 GmbHG Rz. 40. 5 BGH v. 22.4.2004 – II ZR 128/03, BGHZ 159, 26; OLG Hamburg v. 31.7.2007 – 14 U 71/07, GmbHR 2008, 146; Pape, ZInsO 2005, 953. 6 Zur Geltendmachung eines unmittelbaren Schadensersatzanspruches eines Gläubigers gegen den Geschäftsführer aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 130a HGB sogleich unter Rz. 10.88 ff. 7 BGH v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, GmbHR 2000, 1149; Boujong, NZG 2003, 497.
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§ 10
Schadensersatz und Strafbarkeit
Aus Gründen des Gläubigerschutzes kann die Ersatzpflicht durch keine wie auch immer geartete Vereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH & Co. KG oder ihren Gesellschaftern ausgeschlossen werden (§§ 130a Abs. 2 Satz 3 und 4, 161 Abs. 2 HGB). Eine Ausnahme gilt gem. §§ 130a Abs. 2 Satz 5, 161 Abs. 2 HGB lediglich für die Fälle, dass der ersatzpflichtige Geschäftsführer zahlungsunfähig ist und er sich zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn seine Ersatzpflicht Gegenstand eines Insolvenzplans ist. Der Anspruch aus § 130a Abs. 2 HGB verjährt in fünf Jahren (§ 130a Abs. 2 Satz 6 HGB), beginnend mit der verbotenen Zahlung.1
10.87
2. Außenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO Bei schuldhafter Verletzung der Insolvenzantragspflicht haftet der Geschäftsführer zudem nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO. Die in § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO normierte Pflicht des Geschäftsführers, im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH & Co. KG unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, ist zugunsten der Gesellschaftsgläubiger drittschützend.2 Das Gleiche gilt für das Zahlungsverbot des § 130a Abs. 1 HGB.3 Die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten begründet unmittelbare Schadensersatzansprüche der geschädigten Gläubiger gegen den Geschäftsführer.4 Haftungsadressat ist der Geschäftsführer bzw. der sonstige Antragsverpflichtete persönlich. Anspruchsvoraussetzung ist eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer oder eine andere zur Antragstellung verpflichtete Person. Eine fahrlässige Pflichtverletzung ist ausreichend. Das Verschulden wird bei Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes vermutet.5 Der Inanspruchgenommene muss also darlegen und beweisen, dass er die Insolvenzreife nicht erkennen konnte.
10.88
Im Hinblick auf den ersatzfähigen Schaden ist zwischen Alt- und Neugläubigern zu unterscheiden.6 Altgläubiger sind solche Gläubiger der insolventen Gesellschaft, die ihre Ansprüche vor dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem der Geschäftsführer bei pflichtgemäßem Verhalten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hätte. Sie haben Anspruch auf Ersatz des sog. Quotenschadens. Dieser besteht in der Differenz zwischen dem Erlös, den die Gläubiger bei ordnungsgemäßem Verhalten des Geschäftsführers – also bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags – erzielt hätten, und dem Betrag, den sie aufgrund der durch die Insolvenzverschlep-
10.89
1 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, GmbHR 2009, 937. 2 BGH v. 14.5.2012 – II ZR 130/10, GmbHR 2012, 899 m. Komm. Wenzler; BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, NZG 2011, 624; Roth in Baumbach/Hopt, § 130a HGB Rz. 11; Poertzgen, GmbHR 2007, 1258. 3 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 130a HGB Rz. 16; Haas, DStR 2003, 423. 4 BGH v. 12.3.2007 – II ZR 315/05, GmbHR 2007, 599. 5 BGH v. 14.5.2012 – II ZR 130/10, GmbHR 2012, 899 m. Komm. Wenzler; BGH v. 24.1.2012 – II ZR 119/10, GmbHR 2012, 566 m. Komm. Schädlich. 6 Grundlegend BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539.
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§ 10
Insolvenz
pung eingetretenen Masseschmälerung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich erlangt haben.1 10.90
Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so werden die Quotenschäden sämtlicher Altgläubiger als Gesamtschaden analog § 92 InsO einheitlich und ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht.2 Nur im Fall der Masselosigkeit kann jeder Gläubiger – also auch jeder Altgläubiger – seinen Schaden unmittelbar gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen.
10.91
Neugläubiger, also diejenigen, die erst nach dem Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsführer bei pflichtgemäßem Verhalten die Eröffnung des Insolvenzverfahren beantragt hätte, ihre Forderungen gegen die Gesellschaft erworben haben, haben Anspruch auf Ersatz des Schadens, den sie durch die verspätete Stellung des Insolvenzantrags und die fortgesetzte Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr erlitten haben.3 Die Neugläubiger wären nämlich, wenn der Geschäftsführer seiner Pflicht zum rechtzeitigen Insolvenzantrag nachgekommen wäre, mit der Gesellschaft keine Geschäftsverbindung mehr eingegangen und hätten somit keinen Schaden erlitten. Zu ersetzen ist das negative Interesse, der sog. Vertrauensschaden, d.h. die Geschädigten sind so zu stellen, als wären sie nie in Geschäftsbeziehungen zu der Gesellschaft getreten.4
10.92
Ein- und derselbe Gläubiger kann im Hinblick auf verschiedene Forderungen sowohl Alt- als auch Neugläubiger der Gesellschaft sein.5 Eine ständige Geschäftsbeziehung hindert nicht, dass der Geschäftspartner Neugläubiger mit solchen Forderungen wird, die erst nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Der BGH hat dies für eine im Stadium der Insolvenzverschleppung erfolgte Erhöhung der Kreditlinie entschieden;6 auch wenn das Schuldverhältnis in der Vergangenheit begründet worden war, so lag der Abschluss des Erweiterungsvertrages im Stadium der Insolvenzreife und rechtfertigt insoweit die Einordnung als Neugläubiger.
10.93
Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, wie Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis zu behandeln sind, das vor Insolvenzreife begründet wurde, aus dem Einzelansprüche aber auch nach Insolvenzreife entstanden sind. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung behandelt die Gläubiger hinsichtlich der nach Insolvenzreife entstandenen Ansprüche als Neugläubiger.7 Nach Auffassung des OLG Hamburg kommt es hingegen maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1 BGH v. 28.4.1997 – II ZR 20/96, GmbHR 1997, 898; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 73. 2 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 79. 3 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539. 4 BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, GmbHR 2011, 642 m. Komm. Poertzgen; BGH v. 27.4. 2009 – II ZR 253/07, GmbHR 2009, 817 m. Komm. Blöse; Bayer/Lieder, WM 2006, 1; Strohn, NZG 2011, 1161. 5 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482. 6 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482. 7 LAG Köln v. 26.7.2006 – 8 Sa 1660/05, NZG 2007, 199; LAG Brandenburg v. 18.3.2005 – 5 Sa 723/04, ZInsO 2005, 1344. Anders nunmehr jedoch LAG Hessen v. 10.5.2010 – 16 Sa 1581/09, ZInsO 2010, 2136.
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§ 10
Schadensersatz und Strafbarkeit
an, denn nur dabei werde schützenswertes Vertrauen in Anspruch genommen; trotz der Leistungserbringung nach Insolvenzreife seien die Gläubiger aus derartigen Dauerschuldverhältnissen daher als Altgläubiger einzustufen.1 Höchstrichterlich geklärt ist die ehemals sehr umstrittene Frage, ob zu den Neugläubigern nur Gläubiger vertraglicher Ansprüche zählen, oder auch Gläubiger, deren Ansprüche nach Eintritt der Insolvenzreife kraft Gesetzes entstanden sind.2 In seinem Urteil vom 25.5.2005 hat der BGH dazu festgestellt, dass die Insolvenzantragspflicht nicht den Zweck habe, deliktische Gläubiger zu schützen, denn niemand lässt sich im Vertrauen auf die Solvenz seines Gegenübers von diesem deliktisch schädigen.3 Eine Erstreckung auf die gesetzliche Beitragspflicht zur Sozialversicherung hat der BGH unter Hinweis auf den Schutzzweck der Norm ebenso abgelehnt wie eine Einstandspflicht des Geschäftsführers gegenüber einem Arbeitnehmer, dem wegen der Insolvenz seines Arbeitgebers gesetzliche Ansprüche auf Entgeltfortzahlung gem. §§ 3, 4 EFZG entgangen sind.4 Dieser Grundsatz ist auf alle anderen kraft Gesetzes entstehenden Ansprüche zu übertragen. Zu den Neugläubigern zählen daher nur Gläubiger vertraglich begründeter Ansprüche.5
10.94
Neugläubiger können nach Auffassung des BGH ihren Schaden bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG unmittelbar gegenüber dem Geschäftsführer selbst geltend machen.6 Der Insolvenzverwalter ist für sämtliche verschleppungsbedingten Neugläubigerschäden nicht aktivlegitimiert.7 Der BGH erteilt damit Überlegungen, wonach der Insolvenzverwalter den Quotenschaden aller Gläubiger – also auch der Neugläubiger – als Gesamtschaden geltend machen soll und die Neugläubiger lediglich ihre weitergehenden Ansprüche selbst liquidieren,8 eine Absage. Der Quotenschaden der Altgläubiger ist hingegen nach § 92 InsO während des Insolvenzverfahrens als Gesamtgläubigerschaden von dem Insolvenzverwalter geltend zu machen.9 Außerhalb des Insolvenzverfahrens oder wenn ein solches mangels Masse nicht eröffnet wurde, sind die Altgläubiger selbst aktivlegitimiert.10
10.95
1 OLG Hamburg v. 31.7.2007 – 14 U 71/07, GmbHR 2008, 146 (in der Revisionsentscheidung des BGH v. 20.10.2008 – II ZR 211/07, GmbHR 2009, 315 als nicht entscheidungserheblich offengelassen). 2 Offengelassen noch von BGH v. 7.7.2003 – II ZR 241/02, GmbHR 2003, 1133 m. Komm. Lelley. 3 BGH v. 21.10.2014 – II ZR 113/13, GmbHR 2015, 244; BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, GmbHR 2005, 1425 m. Komm. Wackerbarth. Dazu ausführlich Bayer/Lieder, WM 2006, 1. Zuvor in diesem Sinne bereits OLG Thüringen v. 28.11.2001 – 4 U 234/01, GmbHR 2002, 112 sowie LG Bonn v. 17.4.1998 – 3 O 403/97, GmbHR 1998, 830. 4 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 241/02, GmbHR 2003, 1133 m. Komm. Lelley; BGH v. 20.10.2008 – II ZR 211/07, GmbHR 2009, 315. 5 Kritisch dazu Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHG Rz. 76. 6 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539 (545); zust. Henssler/Dedek in FS Uhlenbruck, 2000, S. 175 (190 ff.). 7 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, GmbHR 1998, 594. 8 So insbes. K. Schmidt, ZIP 2005, 2177; K. Schmidt, NZI 1998, 9 sowie K. Schmidt in MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 130a HGB Rz. 19. 9 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482. 10 Haas in Baumbach/Hueck, § 64 GmbHG Rz. 141.
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§ 10
Insolvenz
10.96
Ein Neugläubiger kann seinen Vertrauensschaden in voller Höhe gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen; der Anspruch ist nicht um die Insolvenzquote zu kürzen.1 Dem geschädigten Vertragspartner kann es nicht zugemutet werden, erst den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor er unter Abzug der an ihn ausgekehrten Quote den Geschäftsführer in Anspruch nehmen kann. Konsequenterweise ist er im Gegenzug entsprechend § 255 BGB verpflichtet, seine Insolvenzforderung an den Geschäftsführer abzutreten.2 Der Schadensersatzanspruch kann nach § 254 BGB durch ein Mitverschulden des Gläubigers gemindert sein, bspw. weil er das Risiko des Geschäfts hätte erkennen müssen.3
10.97
Der Anspruch auf Ersatz des Neugläubigerschadens gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO verjährt nach den für deliktische Ansprüche allgemein geltenden Vorschriften (§§ 195, 199 BGB) in drei Jahren beginnend ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verletzte Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat.4 Eine analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Sonderverjährungsvorschriften (§ 64 Satz 4 GmbHG, § 130a Abs. 2 Satz 6 HGB: Verjährung in fünf Jahren ab Entstehung des Anspruchs)5 lehnt der BGH für die vertraglichen Neugläubiger der Gesellschaft mangels einer planwidrigen Regelungslücke ab. Der BGH nimmt in seinem Urteil ausdrücklich nur zum Neugläubigerschaden Stellung. Damit bleibt offen, nach welchen Regeln der Anspruch der Altgläubiger auf Ersatz des Quotenschadens verjährt. Gute Argumente sprechen dafür, hier auf die gesellschaftsrechtliche Sonderverjährung von fünf Jahren ab Anspruchsentstehung abzustellen.6 Dabei ist zu beachten, dass diese Frist gem. § 200 BGB kenntnisunabhängig mit Entstehung des Anspruchs beginnt.
3. § 826 BGB 10.98
Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung kann schnell den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung der Unternehmensgläubiger verwirklichen. Unterlässt es der Geschäftsführer nach Ablauf der Dreiwochenfrist bewusst und gewollt, den Insolvenzantrag zu stellen, und nimmt er dabei die Schädigung der Gläubiger der Gesellschaft billigend in Kauf, so ist er diesen aus § 826 BGB zum Ersatz ihres Schadens verpflichtet.7 Fraglich ist, ob und inwiefern sich der Geschäftsführer damit verteidigen kann, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags entstanden wäre.8
1 So ausdrücklich BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, GmbHR 2007, 482; a.A. noch BGH v. 6.6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 = GmbHR 1994, 539. 2 BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, GmbHR 2011, 642 m. Komm. Poertzgen; BGH v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, GmbHR 2007, 936; Strohn, NZG 2011, 1161. 3 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103. 4 BGH v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, GmbHR 2011, 642 m. Komm. Poertzgen; OLG Saarbrücken v. 6.5.2008 – 4 U 484/07-165, GmbHR 2008, 1036. 5 Dafür bspw. Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 64 GmbHR Rz. 85; Hirte in Uhlenbruck, § 15a InsO Rz. 42 jeweils m.w.N. 6 In diesem Sinne insbes. Haas, NZG 2011, 691 und bereits NZG 2009, 976 jeweils m.w.N. 7 BGH v. 26.6.1989 – II ZR 289/88, GmbHR 1990, 69. 8 Dazu BGH v. 18.12.2007 – VI ZR 231/06, GmbHR 2008, 315.
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§ 10
Schadensersatz und Strafbarkeit
4. Strafbarkeit Unterlässt es der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH & Co. KG rechtzeitig den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen,1 so ist er nicht nur schadensersatz- und erstattungspflichtig, sondern hat sich auch strafrechtlich wegen der Verschleppung der Insolvenzantragstellung – kurz: Insolvenzverschleppung – zu verantworten. Das Gleiche gilt für den faktischen Geschäftsführer und alle sonstigen Antragsverpflichteten. Tatbestandsmäßig ist nicht nur das Unterlassen des Insolvenzantrags, sondern auch ein Insolvenzantrag der „nicht richtig“ oder „nicht rechtzeitig“ gestellt wird. Bei Vorsatz droht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 15a Abs. 4 InsO); bei Fahrlässigkeit reduziert sich das Strafmaß auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (§ 15a Abs. 5 InsO).2
10.99
Die in § 130a Abs. 2 Satz 2 HGB normierte Umkehr der Beweislast gilt nur für den zivilrechtlichen Ersatzanspruch, nicht hingegen für das Strafverfahren. In diesem Verfahren muss dem Beschuldigten schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden.3
10.100
Die strafrechtliche Verjährung beträgt bei vorsätzlicher Tat fünf Jahre und bei fahrlässiger Begehung drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nrn. 4 und 5 StGB). Die Frist beginnt nicht schon mit der Insolvenzreife oder dem Ablauf der Dreiwochenfrist, sondern mit dem Zeitpunkt, zu dem die Insolvenzantragspflicht wieder erlischt.4
10.101
I.d.R. stellt sich bei der GmbH & Co. KG die Frage nach einer strafbaren Insolvenzverschleppung nicht nur auf Ebene der KG, sondern auch für die KomplementärGmbH. Die Insolvenzreife der GmbH & Co. KG zieht häufig auch die Überschuldung der Komplementärin nach sich (s. dazu Rz. 10.56). In diesem Fall ist auch für die GmbH ein Insolvenzantrag zu stellen. Unterlässt der GmbH-Geschäftsführer dies und fällt ihm dabei fahrlässiges oder gar (bedingt) vorsätzliches Verhalten zur Last, so macht er sich gem. § 15a Abs. 4 oder 5 InsO strafbar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Unterlässt der Geschäftsführer pflichtwidrig den rechtzeitigen Insolvenzantrag sowohl für die GmbH & Co. KG als auch für deren Komplementärin, so sind zwei tatmehrheitliche Insolvenzverschleppungen gegeben.5
10.102
Neben der Insolvenzverschleppung ist in der Krise der GmbH & Co. KG auch immer die Gefahr der Verwirklichung einer Insolvenzstraftat i.S.v. §§ 283–283d StGB (Bankrott, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubiger- oder Schuldnerbegünstigung) gegeben.6 Steht bei Bestellung oder Annahme von Waren fest, dass die
10.103
1 Zur Antragsfrist s. Rz. 10.68 ff. 2 Die Strafvorschriften waren ursprünglich in § 130b HGB geregelt und sind durch das MoMiG in die Insolvenzordnung überführt worden. Durch die Verlagerung der Vorschrift in das Insolvenzrecht sind nunmehr auch Gesellschaften ausländischen Rechts mit Sitz im Inland von diesen Regelungen erfasst. 3 Deutler, GmbHR 1977, 36 (41). 4 BGH v. 4.4.1979 – 488/78, BGHSt 28, 380. 5 Maurer/Odörfer, GmbHR 2008, 351 (357); Tiedemann/Rönnau in Scholz, § 84 GmbHG Rz. 56. 6 Hierzu muss an dieser Stelle auf die einschlägige strafrechtliche Kommentierung verwiesen werden.
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§ 10
Insolvenz
GmbH & Co. KG die Rechnung dafür bei Fälligkeit nicht bezahlen kann, ist der Tatbestand des Eingehungsbetruges (§ 263 Abs. 1 StGB) verwirklicht.
VII. Insolvenzverfahren 10.104
Der Insolvenzantrag muss schriftlich gestellt werden (§ 13 Abs. 1 InsO). Insolvenzgericht ist grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk die GmbH & Co. KG im Zeitpunkt des Antrags ihren Sitz hat; zu beachten ist jedoch, dass die meisten Bundesländer die Zuständigkeit durch Rechtsverordnung bei bestimmten Amtsgerichten zusammengefasst haben.
1. Eröffnungsverfahren 10.105
Mit Eingang des Insolvenzantrags bei Gericht beginnt das sog. Eröffnungsverfahren. In diesem Verfahren prüft das Insolvenzgericht, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen.
10.106
Im Rahmen der Zulässigkeit prüft das Gericht u.a. seine Zuständigkeit. Sachlich zuständig ist nach § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht als Insolvenzgericht. Örtlich zuständig ist nach § 3 Abs. 1 InsO das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat; bei der GmbH & Co. KG also der Sitz der Gesellschaft.
10.107
Ist der Antrag zulässig, kann das Insolvenzgericht bereits vorläufige Maßnahmen treffen, die aus seiner Sicht erforderlich sind, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine Verschlechterung der Vermögenslage der Gesellschaft zu verhindern (§ 21 Abs. 1 und 2 InsO).
10.108
Als vorläufige Maßnahme kommt die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots in Betracht. Dadurch werden der GmbH & Co. KG rechtsgeschäftliche Verfügungen über die Gegenstände der Insolvenzmasse untersagt (§§ 24, 81 InsO). Damit das Unternehmen dennoch handlungsfähig bleibt, wird zudem ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht (§ 22 Abs. 1 InsO, sog. starker Insolvenzverwalter). Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass der schuldnerischen Gesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so werden seine Befugnisse und Pflichten im Einzelnen durch das Insolvenzgericht festgelegt (§ 22 Abs. 2 InsO, sog. schwacher Insolvenzverwalter). Dies kann insbesondere die Anordnung sein, dass Verfügungen nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters möglich sind oder dass bestimmte Rechtsgeschäfte nur durch den Insolvenzverwalter vorgenommen werden dürfen.
10.109
Um eine eventuelle Sanierung nicht durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Einzelgläubigern zu erschweren und um einen Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden, kann das Insolvenzgericht Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen das schuldnerische Unternehmen unterbinden (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). I.d.R. wird ein für alle Gläubiger geltendes Vollstreckungsverbot angeordnet.
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§ 10
Insolvenzverfahren
Liegt ein zulässiger Antrag vor, hat das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Verfahren von Bedeutung sind. I.d.R beauftragt es zunächst einen Sachverständigen mit der gutachterlichen Prüfung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestehen. Der Gutachter wird regelmäßig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
10.110
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume der schuldnerischen Gesellschaft zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Insbesondere kann er Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere nehmen. Um dem Insolvenzverwalter eine vollständige und zeitnahe Information über alle relevanten Vorgänge zu ermöglichen, kann das Gericht eine Postsperre verhängen (§ 99 InsO), so dass sämtlicher Postverkehr unmittelbar dem Insolvenzverwalter zuzustellen ist. Reichen die sonstigen Sicherungsmaßnahmen nicht aus, so kann das Gericht die Vorführung und Inhaftierung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH anordnen (§ 21 Abs. 3 InsO). Gemäß § 22a InsO kann das Insolvenzgericht schon im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen.
10.111
Das Eröffnungsverfahren endet mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Eröffnungsantrag. Ist der Antrag zulässig, wird mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG entweder eröffnet oder mangels Masse abgewiesen. Wenn die Insolvenzmasse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Verfahrenskosten zu decken (sog. Masselosigkeit), weist das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Etwas anderes gilt nur, wenn die Verfahrenskosten von einem Beteiligten vorgeschossen werden (§ 26 Abs. 1 InsO). Im Falle der Masselosigkeit findet die anschließende Liquidation der Gesellschaft nach den allgemeinen Liquidationsvorschriften statt (s. dazu Rz. 9.48 ff.); insbesondere bleiben die Gläubiger in diesem Fall berechtigt, im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf das Gesellschaftsvermögen zuzugreifen.
10.112
Sind alle Verfahrensvoraussetzungen gegeben und können alle Verfahrenskosten aus der Insolvenzmasse gedeckt werden, so erlässt das Gericht den Eröffnungsbeschluss und ernennt den Insolvenzverwalter (§ 27 InsO). Der Eröffnungsbeschluss ist öffentlich bekannt zu machen und in das Handelsregister der Gesellschaft einzutragen (§ 31 InsO).
10.113
2. Hauptverfahren (Regelinsolvenzverfahren) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG ist diese nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB aufgelöst.
10.114
Falls nicht schon im Eröffnungsverfahren durch die Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters geschehen, nimmt nunmehr der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse in Besitz und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf ihn über (§ 148 InsO). Die Berufung des Insolvenzverwalters schränkt die Befugnisse des Geschäftsführers weitestgehend ein, lässt seine organschaftliche Stellung hingegen unberührt. Der Geschäftsführer ist jedoch verpflichtet, den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 InsO). Zudem muss er dem Verwalter, dem Gläubigerausschuss und der Gläubiger-
10.115
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§ 10
Insolvenz
versammlung Auskunft erteilen (§ 101 Abs. 1 Satz 1 InsO). Diesen Pflichten kann der Geschäftsführer auch nicht durch Amtsniederlegung entgehen (§ 101 Abs. 1 Satz 2 InsO). Kommt der Geschäftsführer diesen Pflichten nicht nach, kann das Gericht ihn zwangsweise vorführen oder in Haft nehmen lassen (§ 98 InsO). Nimmt der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst noch Verfügungen über Gegenstände, die zur Insolvenzmasse zählen, vor, so sind diese unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Gutgläubiger Erwerb kommt nur bei Grundstücken und diesen gleichgestellten Rechten (z.B. Schiffe und Flugzeuge) in Betracht. 10.116
Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an die GmbH & Co. KG und nicht an die Insolvenzmasse (also an den Insolvenzverwalter) geleistet, so wird der Leistende nur dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn ihm zur Zeit der Leistung die Verfahrenseröffnung nicht benannt war. Verlangt der Insolvenzverwalter die nochmalige Leistung zur Insolvenzmasse, so muss grundsätzlich er beweisen, dass der Leistende Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte. Erfolgte die Leistung allerdings nach der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses (§ 30 InsO), so kehrt sich die Beweislast um und der Leistende muss seine Unkenntnis beweisen.
10.117
Bei Rechtsgeschäften, die bei Verfahrenseröffnung noch nicht oder nicht vollständig abgewickelt sind, hängt es von der Art des Rechtsgeschäfts ab, welche Rechtsfolgen eintreten. Bei noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen kann der Insolvenzverwalter wählen: Wählt er Erfüllung, dann muss er den Vertrag vollständig erfüllen und kann vom Vertragspartner ebenfalls Erfüllung verlangen (§ 103 Abs. 1 InsO); lehnt er die Erfüllung ab, dann muss er den Vertrag nicht mehr erfüllen, der Vertragspartner kann in diesem Fall einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nur als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden (§ 103 Abs. 2 InsO). Miet- und Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände und Räume1 werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt. Sie bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (§ 108 InsO); allerdings sehen die §§ 109, 110 InsO besondere Kündigungs- und Rücktrittsrechte vor. Auch Dienstverhältnisse können vom Insolvenzverwalter gekündigt werden (§ 113 InsO). Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen mit der Verfahrenseröffnung (§ 116 InsO). Sind Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung, hat er dazu die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht besteht, der Gläubigerversammlung einzuholen (§ 160 InsO).
10.118
Damit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht beeinträchtigt wird, erlöschen mit Verfahrenseröffnung alle von der GmbH & Co. KG erteilten Vollmachten (§ 117 InsO).
10.119
Insolvenzgläubiger sind diejenigen, denen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vermögensanspruch gegen den Schuldner zusteht (§ 38 InsO). Im Hinblick auf die Rechtsstellung der einzelnen Gläubiger im Insolvenzverfahren 1 Für Mietverträge über bewegliche Gegenstände gelten die vorstehend dargestellten Regelungen des § 103 InsO (Wahlrecht des Insolvenzverwalters).
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§ 10
Insolvenzverfahren
unterscheidet die Insolvenzordnung zwischen aus- und absonderungsberechtigten Gläubigern, Massegläubigern sowie gewöhnlichen und nachrangigen Insolvenzgläubigern. Bestimmte Vermögensgegenstände, die sich im Besitz des Schuldners befinden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, weil ein anderer an ihnen ein dingliches oder persönliches Recht hat, das ihn berechtigt, diesen Gegenstand auszusondern (herauszuverlangen). Der Aussonderungsanspruch richtet sich nicht nach dem Insolvenzrecht, sondern nach den allgemeinen Vorschriften (§ 47 InsO). Wichtigster Fall ist das Eigentum eines anderen an einer Sache, die der Schuldner in Besitz hat. Aussonderungsrechte haben damit insbesondere derjenige, der dem Schuldner eine Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat und, wenn eine Sicherungsübereignung vorliegt, der Sicherungsgeber in der Insolvenz des Sicherungsnehmers. Auch ein Gesellschafter, der der Gesellschaft Gegenstände zur Nutzung überlassen hat, kann grundsätzlich deren Aussonderung verlangen. Die vom BGH entwickelte Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung findet seit dem MoMiG nur noch auf Altfälle Anwendung. An ihre Stelle ist § 135 Abs. 3 InsO getreten. Danach kann der Aussonderungsanspruch für die Dauer von einem Jahr ab Verfahrenseröffnung nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Unternehmensfortführung von erheblicher Bedeutung ist. Allerdings hat der Insolvenzverwalter für die Dauer der Nutzung eine Vergütung zu bezahlen.
10.120
Absonderungsberechtigte Gläubiger haben ein Sicherungsrecht an einem zur Insolvenzmasse zählenden Gegenstand. Sie können den Gegenstand nicht herausverlangen, sondern sind aus dem aus seiner Verwertung resultierenden Erlös vorzugsweise zu befriedigen. Absonderungsrechte des Sicherungsnehmers ergeben sich in der Insolvenz des Sicherungsgebers insbesondere aus Grundschulden und Hypotheken, Pfandrechten, Sicherungseigentum und Sicherungsabtretung sowie aus verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt.
10.121
Weil niemand mit einem insolventen Unternehmen in geschäftliche Beziehung treten würde, wenn seine daraus resultierende Forderung nur mit der Insolvenzquote befriedigt wird, nennt das Gesetz in §§ 53 ff. InsO bestimmte Verbindlichkeiten, die vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind (sog. Masseschulden). Die Massegläubiger werden, sofern keine Masseunzulänglichkeit vorliegt, mit ihren Forderungen in vollem Umfang befriedigt.
10.122
Die Insolvenzgläubiger haben Anspruch auf quotale Befriedigung aus der Insolvenzmasse. § 39 InsO ordnet zudem an, dass bestimmte Insolvenzgläubiger und bestimmte Forderungen nur nachrangig nach den Forderungen der gewöhnlichen Insolvenzgläubiger befriedigt werden dürfen. Nachrangige Forderungen sind insbesondere die laufenden Zinsen auf Forderungen der Insolvenzgläubiger, die Kosten der Insolvenzgläubiger aus der Teilnahme am Insolvenzverfahren sowie Forderungen, für welche zwischen Schuldner und Gläubiger die nachrangige Befriedigung vereinbart wurde (sog. Rangrücktritt, s. dazu Rz. 10.42). Nachrangig sind gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO insbesondere Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
10.123
Im Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden
10.124
Lüke
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§ 10
Insolvenz
(§ 28 InsO). Die Anmeldung richtet sich nach §§ 174 ff. InsO. Wird die Forderung bestritten, hat der betreffende Gläubiger Klage auf Feststellung seiner Forderung zur Tabelle zu erheben. Die Eintragung der Forderung in die Tabelle wirkt für die festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 178 Abs. 3 InsO). 10.125
Auch Gesellschafter können als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teilnehmen. Mit Forderungen aus Drittbeziehungen nehmen sie wie „normale“ Gläubiger am Verfahren teil. Ansprüche aus Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die solchen Darlehen gleichstehen, werden im Insolvenzverfahren hingegen nur als nachrangige Forderungen berücksichtigt. Darlehensforderungen von Unternehmen, die mit einem Gesellschafter verbunden sind, sind Gesellschafterdarlehen gleichgestellt.1
10.126
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz zu nehmen und zu verwalten (§ 148 Abs. 1 InsO). Er hat ein Masse- und ein Gläubigerverzeichnis zu erstellen und beide sodann zu einer Vermögensübersicht zusammenzufügen (§§ 152 ff. InsO). Im Interesse einer möglichst weitgehenden Befriedigung der Gläubiger hat der Insolvenzverwalter alle Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Vermehrung der Insolvenzmasse führen. Dies sind insbesondere die Einziehung von Forderungen, die Geltendmachung der persönlichen Haftung der Gesellschafter, die Geltendmachung eines etwaigen Gesamtgläubigerschadens sowie die Anfechtung bestimmter Rechtshandlungen (sog. Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff. InsO). Durch das MoMiG sind als Ausgleich für die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts mit §§ 135 und 143 InsO neue Anfechtungstatbestände eingeführt worden. Nach § 135 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für eine nachrangige Forderung eines Gesellschafters i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (also insbesondere ein Gesellschafterdarlehen, unabhängig davon, ob mit oder ohne Rangrücktritt) eine Sicherheit gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder nach dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde. Das Gleiche gilt, falls einem Gesellschafter im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag auf eine nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung Befriedigung gewährt wurde. Auch im Rahmen des § 135 InsO gelten allerdings das Kleinbeteiligungs- und das Sanierungsprivileg. Anfechtbar ist zudem nach § 135 Abs. 2 InsO eine Rechtshandlung, mit welcher die Gesellschaft einem Dritten innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags oder nach dem Antrag auf eine gesellschafterbesicherte Forderung Befriedigung gewährt hat. Die Rechtsfolgen dieser Anfechtung treffen nach § 143 Abs. 3 InsO nicht den Dritten, sondern den betreffenden Gesellschafter, der dann verpflichtet ist, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Anfechtungsrechtlich sind Forderungen von Unternehmen, mit denen der Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden ist, den Gesellschafterdarlehen gleichgestellt. Anfechtbar sind nach § 135 Abs. 2 InsO auch Rechtshandlungen, mit denen die Gesellschaft Forderungen eines Dritten innerhalb des letzten Jahres befriedigt hat, wenn ein Gesellschafter diese Forderung besichert hatte. Die Anfechtung richtet sich dann nicht
1 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, NJW 2013, 2282; BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579.
1034
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Lüke
§ 10
Insolvenzplan
gegen die Zahlung an den Gläubiger, sondern gegen die Befreiung des Gesellschafters als Sicherungsgeber.1 Um einen Wettlauf der Gläubiger zu verhindern, weist § 171 Abs. 2 HGB die Geltendmachung einer etwaigen Kommanditistenhaftung (§ 171 Abs. 1 HGB) dem Insolvenzverwalter zu. Gleichzeitig kann der Kommanditist nicht mehr mit haftungsbefreiender Wirkung an Gläubiger der Gesellschaft leisten oder mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Gesellschaft aufrechnen.
10.127
Der sog. Berichtstermin ist eine Gläubigerversammlung, in der der Insolvenzverwalter die wirtschaftliche Lage des Unternehmens darstellt. Dabei nimmt er i.d.R. dazu Stellung, ob das Unternehmen als Ganzes oder in Teilen erhalten und saniert werden kann und ob sich die Aufstellung eines Insolvenzplans empfiehlt. Die Gläubiger entscheiden in diesem Termin sodann über das Schicksal des Unternehmens, indem sie die Art der Verwertung festlegen. In Betracht kommen insbesondere die Zerschlagung und Liquidation, die übertragende Sanierung durch Verkauf des Unternehmens oder die Sanierung durch Zuführung neuen Kapitals.
10.128
Hat ein Insolvenzgläubiger seine Forderung form- und fristgerecht angemeldet, so wird sie vom Insolvenzverwalter in die Insolvenztabelle eingetragen. Im Prüfungstermin werden alle angemeldeten Forderungen dem Grunde, der Höhe und ihrem Rang nach geprüft. Eine Forderung gilt als festgestellt, wenn weder vom Schuldner noch vom Verwalter noch von einem Gläubiger Widerspruch gegen sie erhoben wurde (§ 178 InsO). Ist sowohl über das Vermögen der GmbH & Co. KG als auch über das der Komplementär-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen in beiden Verfahren geltend machen (§ 43 InsO).
10.129
Wenn und soweit Barmittel vorhanden sind, finden Abschlagsverteilungen statt. Vor jeder Verteilung ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen und ein Verteilungsverzeichnis zu erstellen (§§ 187 ff. InsO). Zum Ende des Verfahrens erstellt der Verwalter ein Schlussverzeichnis und schlägt eine Schlussverteilung vor. Sodann findet eine abschließende Gläubigerversammlung – der sog. Schlusstermin – statt. Nach der Schlussverteilung wird das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben (§ 200 InsO).
10.130
Ist das Insolvenzverfahren aufgehoben und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt (Vollbeendigung), so erlischt die GmbH & Co. KG. Sie wird von Amts wegen nach § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG im Handelsregister gelöscht.
10.131
VIII. Insolvenzplan Im Berichtstermin kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 157 InsO). Der Insolvenzplan eröffnet die Möglichkeit, die Verwertung der Insolvenzmasse und die Haftung der Gesellschaft abweichend von den Bestimmungen des Insolvenzrechts zu regeln (§ 217 InsO). Ziel eines Insolvenzplans ist regelmäßig die Sanierung der Gesellschaft selbst oder die übertragende Sanierung des Unternehmens. Neben dem Insolvenz1 Salger in Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rz. 84.
Lüke
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10.132
§ 10
Insolvenz
verwalter ist auch die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG zur Vorlage eines Insolvenzplans berechtigt (§ 218 InsO). Die Vorlage kann bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. Über die Annahme des Insolvenzplans stimmt jede Gruppe der stimmberechtigten Beteiligten gesondert ab (§ 243 InsO). Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gläubigergruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmen und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt (§ 244 Abs. 1 InsO). Nach der Annahme bedarf der Insolvenzplan noch der Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§ 248 InsO). 10.133
Kommt ein Insolvenzplan (§§ 217 ff., 244 f. InsO) für die GmbH & Co. KG zustande, so ist sie nach dessen Durchführung gem. § 227 Abs. 1 InsO von ihren restlichen Verbindlichkeiten befreit. Diese Erlasswirkung gilt nach § 227 Abs. 2 InsO auch für die persönliche Haftung der Gesellschafter. Für die Komplementär-GmbH bedeutet dies, dass auch sie von der persönlichen Haftung gem. §§ 128, 161 Abs. 2 HGB befreit ist. Ob auch die Kommanditisten von ihrer Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB befreit sind, ist umstritten.1 Nach h.M. kommt die Haftungsbefreiung des § 227 Abs. 2 InsO nicht auch den Kommanditisten zugute, denn diese sind nicht persönlich haftende Gesellschafter.2 Nach anderer Ansicht befreit der Insolvenzplan den Kommanditisten, der seine Haft- und Pflichteinlage noch nicht geleistet oder zurückerhalten hat, zwar nicht von seiner Einlageschuld und er verändert auch nicht die im Handelsregister eingetragene Haftsumme der Kommanditisten, die Wirkungen des Vergleichs sollen jedoch auch für den Kommanditisten gelten, d.h. einzelne Gläubiger können ihn aus §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB nur in Höhe der sich aus dem Insolvenzplan ergebenden Quote in Anspruch nehmen.3
IX. Eigenverwaltung 10.134
Nach § 270 Abs. 1 InsO kann das Insolvenzgericht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung durch den Schuldner anordnen. Voraussetzung dafür ist ein entsprechender Antrag bzw. die Zustimmung des Schuldners und dass nach den Umständen weder eine Verfahrensverzögerung noch eine Gläubigerbenachteiligung zu erwarten ist. Auch die Gläubigerversammlung kann Eigenverwaltung beantragen (§ 271 InsO). Durch das ESUG4 wurden die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung so stark herabgesetzt, dass deren Anordnung fortan eher die Regel als die Ausnahme darstellen soll. Insbesondere ist eine Zustimmung der Gläubiger im Vorfeld der Eröffnung nicht mehr erforderlich.
10.135
Die Insolvenzmasse wird bei Eigenverwaltung nicht durch einen Insolvenzverwalter, sondern durch den Schuldner selbst verwaltet, der dabei unter der Aufsicht des 1 Vgl. dazu Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 180. 2 RG v. 31.1.1936 – II 209/35, RGZ 150, 163 (166); BGH v. 25.5.1970 – II ZR 183/68, NJW 1970, 1921 (zu § 109 VerglO); Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 177a HGB Anh. A Rz. 247; Schlitt, NZG 1998, 755 (761); Lüer/Streit in Uhlenbruck, § 227 InsO Rz. 10 jeweils m.w.N. 3 Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 180. 4 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, S. 2582.
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Lüke
§ 10
Eigenverwaltung
sog. Sachwalters steht. Wesentliche Aufgabe des Sachwalters ist es, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen (§ 274 Abs. 2 InsO). Ihn trifft eine Anzeigepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht und den Gläubigern, wenn er Umstände feststellt, die darauf schließen lassen, dass eine Fortsetzung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger mit sich bringt (§ 274 Abs. 3 InsO). Der Sachwalter hat neben seiner Prüfungs- und Überwachungsfunktion auch Einwirkungsmöglichkeiten. So soll nach § 275 InsO der Schuldner nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörende Verbindlichkeiten nur mit Zustimmung des Sachwalters und zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörende Verbindlichkeiten nicht gegen den Widerspruch des Sachwalters eingehen. Auf Verlangen ist der Schuldner verpflichtet, eingehende Gelder und Zahlungen nur über den Sachwalter abzuwickeln (§ 275 Abs. 2 InsO). Des Weiteren kann das Insolvenzgericht auf Antrag der Gläubigerversammlung anordnen, dass andere Rechtsgeschäfte des Schuldners zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Sachwalters bedürfen (§ 277 InsO). Die bei der Eigenverwaltung vom Schuldner selbst zu erstellenden Verzeichnisse und Übersichten sowie die Schlussrechnung sind vom Sachwalter zu prüfen (§§ 281, 283 InsO). Der Schuldner soll zudem seine Rechte bei der Erfüllung von Rechtsgeschäften und hinsichtlich der Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128 InsO) sowie bei der Verwertung von Sicherungsgut nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben (§§ 279, 282 InsO). Die Insolvenzanfechtung und die Geltendmachung einer Haftung für die Insolvenzmasse kann nur vom Sachwalter vorgenommen werden (§ 280 InsO).
10.136
Die Gesellschafterversammlung und etwaige gesellschaftsrechtliche Aufsichtsorgane können während der Eigenverwaltung keinen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen (§ 276a InsO).
10.137
Der Sachwalter kann von der Gläubigerversammlung mit der Ausarbeitung des Insolvenzplans beauftragt werden. Wird statt seiner der Schuldner damit beauftragt, so hat der Sachwalter beratend mitzuwirken (§ 284 Abs. 1 InsO). Ist der Insolvenzplan von den Gläubigern angenommen und vom Insolvenzgericht bestätigt, muss der Sachwalter die Erfüllung des Plans durch den Schuldner überwachen (§ 284 Abs. 2 InsO).
10.138
Gleichwohl dient das Insolvenzverfahren auch bei Eigenverwaltung nicht den Interessen des Schuldners, sondern der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung des Vermögens des Schuldners (§ 1 Satz 1 InsO). Folgerichtig enthalten die Vorschriften über die Eigenverwaltung einen deutlichen Vorrang der Gläubiger vor den Einflussmöglichkeiten des Schuldners oder des Insolvenzgerichts. Zwar kann eine Eigenverwaltung nicht gegen den Willen des Schuldners angeordnet werden, sondern nur auf dessen Antrag (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO); auf Antrag des Schuldners wird die Eigenverwaltung auch wieder aufgehoben, ohne dass eine Prüfung der sonstigen Anordnungsvoraussetzungen zu erfolgen hätte (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Allerdings kann der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung nicht gegen den Willen der Gläubiger erzwingen. Hat sich die Gläubigerversammlung gegen eine Eigenverwaltung ausgesprochen, muss das Insolvenzgericht diesem Antrag ohne Sachprüfung entsprechen (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO), ohne dass der Schuldner gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen kann.
10.139
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§ 10
Insolvenz
X. Schutzschirmverfahren 10.140
Das Schutzschirmverfahren gibt dem Schuldner die Möglichkeit, eine Sanierung vorzubereiten, bevor ihn die eigentlichen Einschränkungen eines Insolvenzverfahrens treffen. Es soll den Schuldner zur frühzeitigen Planung der Sanierung und Antragstellung bewegen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Schuldner ihren Insolvenzantrag in Befürchtung eines Kontrollverlusts häufig erst sehr spät stellen. Durch § 270b InsO sollte nun ein Anreiz zur frühzeitigen Antragstellung bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gesetzt werden. Wird ein Antrag in diesem Stadium gestellt, so bestimmt das Insolvenzgericht eine Frist von bis zu drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. Voraussetzung dafür ist, dass eine Sanierung des Schuldnerunternehmens nicht aussichtslos ist. In der vom Gericht zugestandenen Frist kann der Schuldner an einem Insolvenzplan arbeiten. Das Gericht muss auf Antrag des Schuldners Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn untersagen oder einstweilen einstellen, wenn nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Dadurch soll vermieden werden, dass für eine Fortsetzung elementare Gegenstände dem Betrieb entzogen werden. Dies verschafft dem Schuldner Zeit, um in Ruhe an seinem Sanierungskonzept zu arbeiten.
10.141
Zur Einleitung des Verfahrens müssen drei Anträge gestellt werden: – der Insolvenzantrag, – ein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung, – ein Antrag auf Zulassung des Schutzschirmverfahrens.
10.142
Dem Antrag auf Zulassung zum Schutzschirmverfahren muss eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation beigelegt werden, die bestätigt, dass keine Zahlungsunfähigkeit aber drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegt und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Strittig ist, ob es sich beim Bescheiniger um eine natürliche Person handeln muss, oder ob auch eine Berufsgesellschaft (WPG, StBG) als Bescheiniger fungieren darf. Der Bescheiniger muss nach § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO personenverschieden vom zu bestellenden vorläufigen Sachwalter sein.
10.143
Gegenstand kontroverser Diskussionen ist derzeit die Frage der Unabhängigkeit des Bescheinigers vom Unternehmen, für das die Bescheinigung erstellt wird: Dass ein Berater (Berufsträger) des Unternehmens als Bescheiniger fungieren kann, wäre aus Kosten- und Zeitgründen wünschenswert, allerdings hat das AG München entschieden, dass an die Unabhängigkeit des Bescheinigers ähnlich strenge Anforderungen zu stellen sind, wie an die Auswahl eines vorläufigen Insolvenzverwalters.
10.144
Die Sanierung darf nicht „offensichtlich aussichtslos“ sein. Eine Sanierung ist dann aussichtslos, wenn der gesetzliche Vertreter eines Unternehmens anhand eines von ihm vorgelegten Grobkonzeptes nicht plausibel erklären kann, wie die Sanierung finanziell und konzeptionell erreicht werden kann. Die Bescheinigung sollte sich an den Vorgaben des Sanierungsstandards IDW S 6 orientieren, denn die Qualität des Sanierungskonzepts ist elementare Voraussetzung.
10.145
Bei Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen setzt das Gericht eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans und bestellt einen vorläufigen Sachwalter. Die Frist kann 1038
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Lüke
§ 10
Fortsetzung der Gesellschaft
maximal drei Monate betragen und ist nicht verlängerbar. Der Schuldner kann einen Sachwalter vorschlagen. Von diesem Vorschlag kann das Gericht nur abweichen, wenn der Vorgeschlagene offensichtlich ungeeignet ist. Weil das Gelingen eines Schutzschirmverfahrens vom Willen der Gläubiger abhängt, sollte ein Schuldner darauf achten, dass seine Sachwalterauswahl bei den Gläubigern auf Zustimmung stößt. Andernfalls ist es möglich, dass ein vorläufiger Gläubigerausschuss gem. § 270b Abs. 4 Nr. 2 InsO die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens beantragt. Um die Unternehmensfortführung eines Schuldners zu erleichtern, kann das Gericht auf Antrag eines Schuldners anordnen, dass seine Handlungen Masseverbindlichkeiten begründen (§ 270b Abs. 3 InsO).
10.146
Gem. § 270b Abs. 4 InsO hebt das Gericht das Schutzschirmverfahren vorzeitig (vor Ablauf der maximal drei Monate) auf, wenn
10.147
– die Sanierung aussichtslos geworden ist, – ein vorläufiger Gläubigerausschuss einen entsprechenden Antrag stellt oder – ein absonderungsberechtigter Gläubiger/ein Insolvenzgläubiger dies bei Vorliegen bestimmter Umstände beantragt. Im eröffneten Verfahren können der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen und sie auch nicht ohne Zustimmung des Sachwalters austauschen (§ 276a InsO).
10.148
XI. Fortsetzung der Gesellschaft Ist das Insolvenzverfahren auf Antrag der Gesellschaft eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der KG vorsieht, aufgehoben worden, so können die Gesellschafter gem. §§ 144 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen und sie damit von einer Abwicklungsgesellschaft wieder in eine werbend tätige Gesellschaft rückumwandeln. Gleiches gilt, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt oder nach Vornahme der Schlussverteilung aufgehoben worden ist (§ 200 InsO).1 Voraussetzung für die Fortsetzung ist allerdings, dass die Insolvenzreife der KG beseitigt ist.
10.149
Grundsätzlich müssen alle Gesellschafter – mithin auch die Kommanditisten – einer Fortsetzung zustimmen. Der Gesellschaftsvertrag der KG kann aber auch Mehrheitsbeschlüsse zulassen; ggf. ist durch Auslegung zu ermitteln, ob auch die Fortsetzung davon erfasst ist.2 Naturgemäß ist die Fortsetzung der KG nur möglich, wenn sie einen Komplementär hat. Da über das Vermögen der KomplementärGmbH aber regelmäßig ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet sein wird, ist diese dadurch regelmäßig gem. §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB aus der KG ausgeschieden (s. dazu Rz. 10.2). Aus diesem Grunde muss zugleich mit der Fortsetzung der Gesellschaft der Eintritt einer anderen GmbH als Komplementärin beschlossen werden.
10.150
1 Schäfer in Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 144 HGB Rz. 3 m.w.N. 2 Dazu Bitter in Scholz, Vor § 64 GmbHG Rz. 182 f.
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§ 10 10.151
Insolvenz
Gem. §§ 144 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB ist die Fortsetzung der GmbH & Co. KG von allen Gesellschaftern, also auch den Kommanditisten, zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden.
B. Gesellschafterdarlehen, Gesellschaftersicherheiten, Nutzungsüberlassung in Krise und Insolvenz I. Einführung 10.152
Bis zum Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 waren für Gesellschafterdarlehen an die GmbH & Co. KG die durch Gesetz (§ 172a HGB a.F., §§ 32a, 32b GmbHG a.F.) und Rechtsprechung (analoge Anwendung des Auszahlungsverbots gem. §§ 30, 31 GmbHG) vorgegebenen Regelungen zur Behandlung sog. eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen zu beachten.1 Diese Regeln sind durch das MoMiG abgeschafft und durch ein in der Insolvenzordnung verortetes rechtsformneutrales Sonderrecht ersetzt worden. Die Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen wurde damit vollständig aufgegeben. Während das alte Eigenkapitalersatzrecht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage Gesellschafterdarlehen, die der Gesellschaft in der Krise gewährt oder belassen wurden, zum Kapitalschutz wie haftendes Eigenkapital behandelte, gelten für Gesellschafterdarlehen nunmehr insolvenzrechtliche Bestimmungen, nach denen die Forderungen der Gesellschafter in der Insolvenz nachrangig und eine Darlehensrückzahlung ggf. anfechtbar ist. Die Neuregelungen stellen insbesondere nicht mehr auf das Tatbestandmerkmal „Krise der Gesellschaft“ ab; weder für den Nachrang noch für die Anfechtbarkeit ist es erforderlich, dass das Gesellschafterdarlehen oder die vergleichbare Gesellschafterleistung oder die Besicherung zugunsten des Gesellschafters im Stadium der Krise der Gesellschaft gewährt oder belassen wurde. Zum zeitlichen Anwendungsbereich bestimmt Art. 103d EGInsO, dass das alte Eigenkapitalersatzrecht auf alle Fälle noch anzuwenden ist, bei denen das Insolvenzverfahren vor Inkrafttreten des MoMiG eröffnet wurde.2 Für alle Verfahren, die seit dem 1.11.2008 eröffnet wurden, gilt das neue Recht.
10.153
Nach der Neuregelung der Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG sind sämtliche Forderungen eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens und wirtschaftlich entsprechende Forderungen in der Insolvenz der Gesellschaft nachrangig gegenüber sämtlichen sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Ferner unterliegen Rechtshandlungen, die einem Gesellschafter Sicherung oder Befriedigung im Hinblick auf sein Gesellschafterdarlehen gewährt ha1 Ausführlich zum alten Eigenkapitalersatzrecht u.a. Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2010. 2 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, ZIP 2009, 615 (617) = GmbHR 2009, 427 m. Komm. Blöse. Vgl. zur Übergangsregelung und zur weiteren Anwendung der bisherigen Eigenkapitalersatzregeln auch Thüringer OLG v. 18.3.2009 – 6 U 761/07, DStR 2009, 651 sowie Altmeppen, NJW 2008, 3601; Altmeppen, ZIP 2011, 641; Hirte, WM 2008, 1429; Hirte/Knof/Mock, NZG 2009, 48.
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Lüke
§ 10
Gesellschafterdarlehen
ben, ggf. der Anfechtbarkeit (§ 135 InsO, §§ 6, 6a AnfG). Davon ausgenommen sind nur Darlehen sog. privilegierter Gesellschafter (Sanierungsprivileg und Kleinbeteiligungsprivileg, § 39 Abs. 4 und 5 InsO). Die Nutzungsüberlassung wurde durch das MoMiG von dem Konzept einer darlehensähnlichen Finanzierungsform im Eigenkapitalersatzrecht losgelöst und neu geregelt (s. dazu Rz. 10.197 ff.).
10.154
II. Gesellschafterdarlehen 1. Tatbestand Ein Gesellschafterdarlehen i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO liegt vor, wenn die GmbH & Co. KG Geld oder vertretbare Sachen aufgrund eines Darlehensvertrags von ihrem Gesellschafter empfangen hat oder wenn vereinbart wird, dass ein dem Gesellschafter aus anderem Grunde von der GmbH & Co. KG geschuldeter Betrag oder eine vertretbare Sache nunmehr als Darlehen geschuldet sein soll.
10.155
Der Darlehensgeber muss Gesellschafter der GmbH & Co. KG sein, wobei es grundsätzlich auf die formale Gesellschafterstellung, also auf die Inhaberschaft an einem Gesellschaftsanteil an der GmbH & Co. KG ankommt.1
10.156
Anders als unter Geltung des alten Eigenkapitalersatzrechts ist nach dem neuen Recht für die Verstrickung einer Forderung aus Gesellschafterdarlehen nicht das Gewähren oder Belassen des Darlehens zu einem bestimmten Zeitpunkt (Krise der Gesellschaft) maßgeblich, sondern einzig das Zusammentreffen von Gesellschafterstellung und Darlehensgewährung in einer Person.2
10.157
Das spätere Auseinanderfallen von Gesellschafterstellung und Forderung aus Gesellschafterdarlehen (z.B. durch Abtretung der Forderung an einen Nichtgesellschafter oder durch Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft) beseitigt die rechtliche Einordnung der Forderung als Gesellschafterdarlehen nicht.3 Die Infizierung gilt allerdings nicht zeitlich unbegrenzt, sondern nur innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dem gesellschaftsfremden Dritten, der die Forderung erworben hat, kann die Nachrangigkeit der abgetretenen Forderung nach § 404 BGB entgegengehalten werden, wenn die Abtretung innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag oder erst danach erfolgt ist;4 eine etwaige Rückzahlung des Darlehens in diesem Zeitraum ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.5 Nach Auffassung des BGH kann die Darlehensrückzahlung gegenüber dem Gesellschafter und dem Zessionar angefochten werden, die dann für die Rückgewähr als
10.158
1 Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Darlehen bestimmter Dritter, die ggf. einem Gesellschafter gleich gestellt werden, siehe Rz. 10.170 ff. 2 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, WM 2015, 1119. 3 Vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149); Gehrlein, Der Konzern 2007, 771 (787); BGH v. 5.12. 2007 – XII ZR 183/05, GmbHR 2008, 198 zu § 404 BGB. Differenzierend Herrmann, DZWIR 2009, 265. 4 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, GmbHR 1988, 301. 5 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, GmbHR 2013, 410.
Lüke
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§ 10
Insolvenz
Gesamtschuldner haften.1 Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.2 10.159
Eine „normale“ Darlehensforderung wird zu einem Gesellschafterdarlehen, wenn ein Gesellschafter diese Forderung erwirbt oder der Forderungsinhaber Gesellschafter wird.3
10.160
Das mit dem MoMiG geschaffene Sonderrecht für Gesellschafterdarlehen ist rechtsformneutral. Es gilt für alle Gesellschaften, bei denen weder unmittelbar noch mittelbar eine natürliche Person unbeschränkt haftet (s. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO), also auch für die typische GmbH & Co. KG.
2. Rechtsfolgen a) Darlehensrückzahlung 10.161
Neu gegenüber dem alten Eigenkapitalersatzrecht ist, dass die Gesellschaft – außerhalb eines Insolvenzverfahrens – jederzeit die Forderungen eines Gesellschafters aus einem Gesellschafterdarlehen bedienen darf. Die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens unterliegt insbesondere nicht mehr der Kapitalbindung der §§ 30, 31 GmbHG. Zu beachten ist allerdings, dass die Darlehensrückzahlung vom Insolvenzverwalter ggf. angefochten und der Zahlbetrag zurückgefordert werden kann. Zudem muss der Geschäftsführer ein etwaiges Zahlungsverbot nach §§ 130a Abs. 1 Satz 3, 177a HGB beachten. b) Insolvenzrechtlicher Nachrang
10.162
In der Insolvenz sind Gesellschafterdarlehen nachrangig gegenüber sämtlichen sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschafter einen Rangrücktritt erklärt hat oder nicht. Auf die nach dem alten Eigenkapitalersatzrecht entscheidende Frage, ob das Darlehen in der Krise gewährt oder belassen wurde, kommt es nicht mehr an.4 c) Anfechtbarkeit der Darlehensrückzahlung aa) Im Insolvenzverfahren
10.163
Kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG, so kann der Insolvenzverwalter Zahlungen (Zins und Tilgung) auf das Gesellschafterdarlehen, die innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor dem Antrag 1 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, GmbHR 2013, 410, dort Rz. 29 f., wo der BGH den Zessionar als eine Geheißperson des Gesellschafters ansieht; kritisch dazu Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898 und Pentz, GmbHR 2013, 393 (402 f.); zustimmend Gehrlein, NZI 2014, 481. Zu den Auswirkungen des Urteils auf die M&A-Praxis Schniepp/Hensel, DB 2015, 479. 2 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86; Altmeppen, NJW 2008, 3601. 3 Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (619). 4 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, WM 2015, 1119.
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Lüke
§ 10
Gesellschafterdarlehen
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Antragstellung erfolgt sind, anfechten und die Erstattung der Beträge an die Insolvenzmasse verlangen (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das Bargeschäfteprivileg des § 142 InsO, das die Anfechtbarkeit ggf. ausschließt, findet auf die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen keine Anwendung.1 Zudem unterliegen Rechtshandlungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder nach Antragstellung einem Gesellschafter Sicherung für ein Gesellschafterdarlehen gewährt haben, der Insolvenzanfechtung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Gestaltungshinweis: Bei Veräußerung einer Beteiligung an einer GmbH & Co. KG sollte sich der veräußernde Gesellschafter, der Darlehen entweder mitverkauft oder sie zuvor zurückerhalten hat, durch Garantien des Erwerbers für den Fall absichern, dass die GmbH & Co. KG innerhalb des Anfechtungszeitraums in die Insolvenz gerät.
10.164
Ist die Darlehensrückzahlung mehr als ein Jahr vor Antragstellung erfolgt, so kommt innerhalb des Zehnjahreszeitraums nur noch die sog. Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in Betracht. Das setzt allerdings voraus, dass der Schuldner die Rechtshandlung (also die Rückzahlung) mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und dies dem anderen Teil bekannt war.2
10.165
bb) Außerhalb der Insolvenz Außerhalb eines Insolvenzverfahrens können Gläubiger der Gesellschaft Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen (Zins und Tilgung) nach den Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes anfechten; dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird. Auch insofern gilt die Anfechtungsfrist von einem Jahr bzw. zehn Jahren (§§ 6, 6a AnfG). Der Lauf der Anfechtungsfrist knüpft dann für den Fristbeginn an die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels gegen die Gesellschaft an. Wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird, bevor der Gläubiger einen Schuldtitel erstritten hat, beginnt die Anfechtungsfrist in Angleichung an die Situation eines eröffneten Insolvenzverfahrens erst mit der Antragstellung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AnfG). Jedoch bleibt es bei dem Zeitpunkt der Erlangung des Titels, wenn das Insolvenzverfahren erst danach eröffnet wurde.3 Die Anfechtung ist innerhalb von drei Jahren ab Erwirkung des Titels geltend zu machen (§ 6 Abs. 2 AnfG).
10.166
cc) Rückgewährpflicht Wird eine Zahlung der Gesellschaft auf ein Gesellschafterdarlehen angefochten, ist der Gesellschafter in vollem Umfang zur Rückgewähr des erhaltenen Betrags an die Masse verpflichtet (§ 143 Abs. 1 InsO). Hat die Gesellschaft dem Gesellschafter für seine Forderung anfechtbar eine Sicherheit bestellt, kann sich die Gläubiger- bzw. Insolvenzanfechtung auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Sicherungsgut, 1 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464; OLG Celle v. 8.10.2012 – 13 U 95/12, ZIP 2012, 2114. 2 Ausführlich dazu Bangba-Szabo, ZIP 2013, 1058. 3 Vgl. BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 133.
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10.167
§ 10
Insolvenz
Duldung der Verwertung des Sicherungsguts, Unterlassung der Verwertung des Sicherungsguts oder auf Wertersatz für ein bereits verwertetes Sicherungsgut richten. d) Gerichtsstand 10.168
Für die auf §§ 135, 143 InsO gestützten Anfechtungsklagen gegen den Gesellschafter wegen Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens gilt der besondere Gerichtsstand des Sitzes der Gesellschaft (§ 22 ZPO). Für die Anfechtung nach §§ 6, 6a AnfG gilt der besondere Gerichtsstand des § 22 ZPO nicht, weil der anfechtende Einzelgläubiger weder als Gesellschafter noch für die Gesellschaft, sondern aus persönlichem Recht klagt. Zuständig ist hier i.d.R. das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO), Aufenthaltsort (§ 20 ZPO) oder Vermögen (§ 23 ZPO) hat.
3. Erweiterung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs 10.169
Der Grundtatbestand der insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit für Gesellschafterdarlehen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfährt zur Vermeidung von Umgehungen in persönlicher wie sachlicher Hinsicht eine Erweiterung, indem er sich auch auf alle „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ erstreckt. Nach der Gesetzesbegründung zum MoMiG soll mit dieser Formulierung der Anwendungsbereich des früheren § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG erhalten bleiben.1 Die zum bisherigen Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze zu der Frage, welche Rechtshandlungen und welche Personen davon erfasst sind, gelten somit auch für § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.2 Über die Verweisung auf diese Vorschrift gilt der erweiterte Anwendungsbereich zudem für die Regelungen in §§ 44a, 135 InsO und § 6 AnfG. a) Gleichstellung von Nichtgesellschaftern mit Gesellschaftern
10.170
Der Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gilt auch für Darlehen, die der Gesellschaft durch außenstehende Dritte gewährt werden und die wirtschaftlich der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter entsprechen (sog. „gleichgestellter Dritter“).3 Der Gesellschafter soll sich nicht dadurch dem insolvenzrechtlichen Nachrang und der Anfechtbarkeit entziehen können, dass er ihm nahestehende Dritte ein- oder zwischenschaltet. Erfasst wird sowohl die Konstellation, dass der darlehensgebende Dritte dem maßgeblichen Einfluss eines Gesellschafters unterliegt, als auch der Fall einer Darlehensgewährung durch einen Dritten, der mittelbar einen Gesellschafter beherrscht.4
10.171
Zu den gleichgestellten Dritten zählen insbesondere nahe Angehörige und Mittelspersonen eines Gesellschafters, wenn sie der Gesellschaft im eigenen Namen, aber 1 Vgl. Begr. RegE zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 130. 2 Vgl. Begr. RegE zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 130. So auch BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582; Gummert in Münch. Hdb. GesR, Bd. II, § 54 Rz. 50; Habersack, ZIP 2008, 2385. 3 Für eine restriktive Handhabung Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148). 4 Bauer, Die GmbH in der Krise, Rz. 1168.
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§ 10
Gesellschafterdarlehen
mit Mitteln oder auf Rechnung des Gesellschafters Kredit gewähren.1 Der BGH hat allerdings klargestellt, dass es für die Erstreckung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf eine dritte Person nicht ausreicht, dass es sich um eine dem Gesellschafter nahestehende Person i.S. des § 138 InsO handelt.2 Bei der Treuhand am Kommanditanteil oder am Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH gilt die Gleichstellung mit einem Gesellschafter auch für den Treugeber;3 der Treuhänder ist als Kommanditist der GmbH & Co. KG oder Gesellschafter der Komplementär-GmbH ohnehin unmittelbarer Adressat von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
10.172
Die Rechtsprechung hatte bereits zum Eigenkapitalersatzrecht die Regeln über Gesellschafterdarlehen auf Darlehen von verbundenen Unternehmen erstreckt. Dies betraf die Fälle, in denen der Gesellschafter zu mehr als 50 % an der finanzierenden Gesellschaft beteiligt war4 oder eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf sie hatte (z.B. durch Weisungsrecht oder personelle Verflechtung).5 Inzwischen hat der BGH klargestellt, dass es auch nach neuer Rechtslage vollständig bei den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrecht herausgearbeiteten Grundsätzen bleibt; § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst danach auch Darlehensforderungen von Unternehmen, die mit dem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind.6 Dies gilt sowohl für Darlehen von Unternehmen, die von einem Gesellschafter beherrscht werden (i.d.R. Schwestergesellschaft) als auch für solche von Unternehmen, die einen Gesellschafter beherrschen (i.d.R. Gesellschafter-Gesellschafter bei Darlehen der Mutter- an die Enkelgesellschaft). Regelmäßig ergibt sich der beherrschende Einfluss aus einer Mehrheitsbeteiligung; er kann sich aber auch auf andere Weise ergeben, bspw. durch statutarische Sonderrechte, Geschäftsführungsbefugnis, Beherrschungsvertrag oder Gesellschaftervereinbarung. Bei der Aktiengesellschaft ist der Vorstand regelmäßig nicht weisungsgebunden (Ausnahme Beherrschungsvertrag oder Eingliederung), daher liegen bei der Darlehensgewährung durch eine Schwester-AG oder von der Tochter-AG an die Enkelgesellschaft keine Darlehen i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor.7
10.173
Darlehen des atypisch stillen Gesellschafters sind denen eines Gesellschafters gleichgestellt, wenn dem stillen Gesellschafter Befugnisse eingeräumt sind, die es ihm ermöglichen, die Geschicke der Gesellschaft in gesellschafterähnlicher
10.174
1 Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. zu § 30 GmbHG Rz. 34 ff. 2 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575; dazu Gruschinske, GmbHR 2012, 551. 3 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (266 ff.); Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 30 GmbHG Rz. 38. 4 BGH v. 21.6.1999 – II ZR 70/98, GmbHR 1999, 916. Statt vieler Noack, GmbHR 1996, 153 m.w.N. 5 Vgl. BGH v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, GmbHR 2008, 759; LG Freiburg v. 25.4.2006 – 1 O 122/05, GmbHR 2006, 704; OLG Hamm v. 26.5.1997 – 8 U 115/96, GmbHR 1998, 834; BGH v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, GmbHR 1989, 19; BGH v. 16.12.1991 – II ZR 294/90, GmbHR 1992, 165; BGH v. 14.12.1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31 (35); BGH v. 11.7. 1994 – II ZR 146/92, GmbHR 1994, 612. 6 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, DStR 2011, 681; BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, DStR 2013, 925; BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579. 7 Geist, ZIP 2014, 1662 (1667 f.).
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§ 10
Insolvenz
Weise mitzubestimmen.1 Während dies für die typische stille Beteiligung gem. § 236 HGB zu verneinen ist, entspricht der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG mit seinen Ansprüchen und Rechten wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens, wenn seine Mitwirkungs-, Informations- und Kontrollrechte sowie seine Vermögens- und Gewinnbeteiligung im Wesentlichen denen eines Kommanditisten entsprechen.2 Ähnliche Grundsätze gelten für Nießbraucher und Unterbeteiligte3 und sollten auch auf Risikokapitalfinanzierungen bspw. in Form von partiarischen Darlehen oder Genussrechten erstreckt werden. Von entscheidender Bedeutung ist, ob dem Dritten wesentliche Rechte zustehen, die ihm Einfluss auf die Gewinnverwendung, Beteiligung an Ergebnis und Vermögen, gesellschafterähnliche Informationsrechte und Einfluss auf die Geschäftsführung gewähren.4 10.175
Bereits beim Eigenkapitalersatzrecht bestand in der Praxis die Unsicherheit, ob Kreditinstitute als gesellschafterähnliche Personen behandelt werden können.5 Diese Frage stellt sich in gleicher Weise nach der Systemänderung durch das MoMiG, wenn sich Banken zur Sicherung ihrer Darlehen umfassende Rechte einräumen lassen.6 Entscheidend ist auch hier, ob die Bank aufgrund der konkreten vertraglichen Ausgestaltung hinsichtlich ihrer Vermögensposition und Einflussmöglichkeiten eine einem Gesellschafter angenäherte Position erlangt. Lässt sich die Bank Gesellschaftsanteile verpfänden, so führt dies nicht zu einer gesellschafterähnlichen Stellung, wenn das Pfandrecht gemäß den gesetzlichen Regelungen der §§ 1205 ff. BGB ausgestaltet ist.7 Erst bei einer atypischen Ausgestaltung, bei der der Bank zusätzlich erhebliche Informations- und Einflussrechte sowie eine Beteiligung am Gewinn eingeräumt werden,8 fällt auch die Bank als Nichtgesellschafter in den persönlichen Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Das Gleiche gilt bei den sog. Covenants, denn diese beinhalten i.d.R. nur Informationsrechte und Zustimmungsvorbehalte bei außergewöhnlichen Maßnahmen. Erst wenn die Einflussnahme der Banken weit in das Tagesgeschäft und die Entscheidungsfreiheit der Geschäftsführung eingreift, wird die Grenze zu einer gesellschafterähnlichen Stellung überschritten. b) Wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen
10.176
In den Anwendungsbereich von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen neben Gesellschafterdarlehen auch sonstige Gesellschafterforderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.9 Auch hier kann auf die zum früheren Eigenkapitalersatzrecht 1 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, GmbHR 2012, 1181; BGH v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, GmbHR 1989, 152; Manz/Lammel, GmbHR 2009, 1121. 2 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, GmbHR 2012, 1181. 3 BGH v. 5.4.2011 – II ZR 173/10, GmbHR 2011, 870. 4 Vgl. BGH v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, ZIP 1989, 95 (97). 5 BGH v. 13.2.2006 – II ZR 62/04, GmbHR 2006, 531 mit Komm. Tillmann. 6 Ausführlich dazu Kampshoff, GmbHR 2010, 897. 7 Kampshoff, GmbHR 2010, 987; Gummert in Münch. Hdb. GesR, Bd. II, § 54 Rz. 50; Habersack, ZIP 2007, 2145. 8 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, GmbHR 1992, 656. 9 Im Eigenkapitalersatzrecht waren die wirtschaftlich entsprechenden Forderungen in §§ 32a Abs. 3 Satz 1, 32b Satz 4 GmbHG a.F. geregelt. Auf die hierzu geltenden Grundsätze kann
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§ 10
Gesellschafterdarlehen
entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.1 Von praktischer Bedeutung sind bspw. gestundete Forderungen (z.B. Mietforderungen, Forderungen aus Lieferung und Leistung, etc.), weil die Stundungs- oder Fälligkeitsabrede Darlehenscharakter hat. Es erscheint sachgerecht, für die Abgrenzung zwischen einem verkehrsüblichen Umsatzgeschäft und einem Kreditgeschäft die Grundsätze heranzuziehen, die in der Rechtsprechung zur Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung beim Bargeschäft nach § 142 InsO entwickelt wurden.2 Der Nachrang erstreckt sich auch auf rückständige Zinsen und sonstige Nebenforderungen,3 ohne dass es darauf ankommt, dass der Zinsanspruch als solcher gestundet ist. Duldet ein Gesellschafter – mit oder ohne Stundungsabrede – im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft fortlaufend eine deutliche Überschreitung der üblichen Zahlungsfristen (bspw. bei Miete oder Gehalt), so kann sich aus dem revolvierenden Stehenlassen der Forderung im wirtschaftlichen Sinne eine Kontokorrent-Kreditlinie ergeben;4 Rückzahlungen sind dann in Höhe des höchsten Darlehensstandes im Anfechtungszeitraum anfechtbar.5
10.177
Umstritten war, ob auch eine Nutzungsüberlassung als „wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung“ i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO qualifiziert werden kann. Unter Geltung des früheren Eigenkapitalersatzrechts konnte auch eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter eigenkapitalersetzend sein. Der BGH lehnt jedoch eine Übertragung dieser Grundsätze auf die neue Rechtslage ab, da die Nutzungsüberlassung in § 135 Abs. 3 InsO nunmehr eigenständig und abschließend geregelt und damit aus dem Anwendungsbereich der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herausgenommen worden sei.6
10.178
4. Privilegierte Gesellschafter a) Sanierungsprivileg Wie im bisherigen Eigenkapitalersatzrecht wird der sog. Sanierungsgesellschafter auch im neuen System privilegiert. Die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit gilt nicht für Darlehen solcher Gläubiger, die bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung der GmbH & Co. KG zum Zwecke der Sanierung einen Gesellschaftsanteil erwerben (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO). Das gilt für bestehende und neu gewährte Darlehen gleichermaßen. Das Privileg gilt für Gesellschafter, die vor dem Anteilserwerb nicht in den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fielen, also für Neugesellschafter und für solche, die bis dahin
1 2 3 4 5 6
im Wesentlichen zurückgegriffen werden, vgl. Begr. RegE zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, BRDrucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 130. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, GmbHR 2013, 410. OLG Schleswig v. 29.5.2013 – 9 U 15/13, ZIP 2013, 1485. BGH v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, GmbHR 2005, 232; BGH v. 2.7.2001 – II ZR 264/99, GmbHR 2001, 725; Habersack, ZIP 2007, 2145 (2153). BGH v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, GmbHR 1995, 35. BGH v 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann; OLG Schleswig v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, GmbHR 2012, 1130.
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§ 10
Insolvenz
unter das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO gefallen sind.1 Anders als im bisherigen Eigenkapitalersatzrecht erlangt der Gesellschafter das Sanierungsprivileg aber nicht bereits im Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft (Krise), sondern erst bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Bei Kreditunwürdigkeit geleistete Sanierungsdarlehen sind daher nicht privilegiert, wenn eine (spätere) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abgewendet werden kann. Die privilegierende Ausnahme von der insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit gilt „bis zur nachhaltigen Sanierung“ (§ 39 Abs. 4 InsO); danach ist die Darlehensforderung ein normales Gesellschafterdarlehen, das – falls der Darlehensinhaber noch Gesellschafter ist – nun der Nachrangigkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterfällt. b) Kleinbeteiligungsprivileg 10.180
Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem bisherigen Eigenkapitalersatzrecht ist auch im neuen System der nichtgeschäftsführende Kleingesellschafter privilegiert. Die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit gilt nach § 39 Abs. 5 InsO nicht für Darlehen eines Kommanditisten, der mit 10 % oder weniger an dem Gesellschaftskapital (Festkapital) der GmbH & Co. KG beteiligt und nicht geschäftsführend tätig ist. Für den mit maximal 10 % beteiligten Kommanditisten der GmbH & Co. KG bedeutet dies, dass er weder geschäftsführender Kommanditist noch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sein darf.2
10.181
Für die Anwendung des Kleinbeteiligungsprivilegs kommt es ausschließlich auf die Kapitalbeteiligungsquote an. Ohne Bedeutung ist, ob der Gesellschafter stimmrechtslose Anteile oder mit einem Gewinnvorzug versehene Anteile hält.3
10.182
§ 39 InsO stellt auf die darlehensempfangende Gesellschaft ab. Dementsprechend ist bei der nicht personenidentischen GmbH & Co. KG grundsätzlich auf die Beteiligung an der GmbH & Co. KG abzustellen. Ein Geschäftsanteil von über 10 % an dem Stammkapital der Komplementär-GmbH schadet danach als solcher nicht. Etwas anderes gilt aber, wenn der Gesellschafter der Komplementär-GmbH auch deren Geschäftsführer ist oder als sog. gleichgestellter Dritter gilt.4 Für den gleichgestellten Dritten ist gesondert festzustellen, ob die Beteiligungsgrenze des § 39 Abs. 5 InsO eingehalten ist.
10.183
Der Hinzuerwerb von weiteren Gesellschaftsanteilen durch einen privilegierten Gesellschafter über die Kleinbeteiligungsschwelle hinaus führt dazu, dass er ab dem Zeitpunkt des Überschreitens der Beteiligungsschwelle die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit aller seiner Gesellschafterforderungen gegen sich gelten lassen muss.5 Das Nachrangigkeitsrisiko der Forderung kann vermieden werden, 1 Gummert in Münch. Hdb. GesR, Bd. II, § 54 Rz. 56. 2 Fastrich in Baumbach/Hueck, Anh. § 30 GmbHG Rz. 32 f. 3 Vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149); Gehrlein, Der Konzern 2007, 771 (787); a.A. Freitag, WM 2007, 1681 (1682). 4 BR-Drucks. 354/07 v. 25.5.2007, S. 131. 5 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150); Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1292); Haas, ZInsO 2007, 617 (620); gegen die Verstrickung von Altdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wegen Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Darlehensgewährung: Freitag, WM 2007, 1681 (1683). Nach
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§ 10
Gesellschafterdarlehen
wenn der Gesellschafter seine Darlehensforderungen vor Hinzuerwerb weiterer Gesellschaftsanteile an einen außenstehenden Dritten überträgt.1 Die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch einen nicht privilegierten Gesellschafter, die zum Herabsinken seiner Beteiligung unter die Kleinbeteiligungsschwelle führt, beseitigt hingegen die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit seiner Darlehensforderungen nicht.2
5. Gesellschaftssicherheiten für Gesellschafterdarlehen Hat die Gesellschaft dem Gesellschafter oder einem dem Gesellschafter nahestehenden Dritten für die Gewährung bzw. Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine Sicherheit bestellt, so ist die Bestellung der Sicherheit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, wenn die Sicherheit innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder erst nach dem Antrag bestellt wurde.
10.184
Die unterschiedlichen Anfechtungsfristen in § 135 Abs. 1 InsO – Nr. 1 (zehn Jahre für das Anfechten von Sicherheiten) und Nr. 2 (ein Jahr für das Anfechten der Darlehensrückzahlung) – führen zu dem „absurden Ergebnis“,3 dass der ungesicherte Gesellschafter besser steht, als der gesicherte. Denn während die unmittelbare Rückzahlung des ungesicherten Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft nach einem Jahr nicht mehr anfechtbar ist, trägt der Gesellschafter, der eine von der Gesellschaft gestellte Sicherheit zur Tilgung seines Darlehens verwertet, zehn Jahre lang das Anfechtungsrisiko. Im Schrifttum vertritt die herrschende Meinung daher die Auffassung, dass sich der Gesellschafter außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtungsfest aus einer von der Gesellschaft gestellten Sicherheit befriedigen könne.4 Der BGH ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat entschieden, dass der Gesellschafter, der aus einer ihm von der Gesellschaft gestellten Sicherheit Befriedigung erlangt hat, binnen einer Frist von zehn Jahren vor Insolvenzantrag der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt.5 Im umgekehrten Fall hingegen, in dem ein Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor Antragstellung ein Gesellschafterdarlehen zurückerhalten hat, dieses Darlehen jedoch durch eine vor mehr als zehn Jahren bestellte Sicherheit abgesichert war, geht der BGH davon aus, dass auch die Darlehensrückzahlung wegen der unanfechtbaren Besicherung nicht mehr angefochten werden kann.6
10.185
1 2 3 4 5 6
altem Recht (Eigenkapitalersatzrecht) bedurfte es hierzu einer erneuten Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters in Form des Stehenlassens des Darlehens, vgl. Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, 2006, §§ 32a/b GmbHG Rz. 195. Vgl. Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1292). Vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150); vgl. für den Fortbestand der Verstrickung trotz Anteilsveräußerung nach altem Recht BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, GmbHR 1988, 301; BGH v. 26.6.2006 – II ZR 133/05, GmbHR 2007, 43. Gummert in Münch. Hdb. GesR, Bd. II, § 54 Rz. 54. Bitter, ZIP 2013, 1497; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 30 GmbHG Rz. 64; Hirte in Uhlenbruck, § 135 InsO Rz. 13; Spliedt, ZIP 2009, 149 jeweils m.w.N. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579. Kritisch dazu Bitter, ZIP 2013, 1583; zustimmend Bork, EWiR 2013, 521. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579.
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§ 10
Insolvenz
III. Gesellschafterbesicherte Drittdarlehen 10.186
Für gesellschafterbesicherte Drittdarlehen, d.h. Forderungen Dritter gegen die GmbH & Co. KG, für die ein Gesellschafter dem Forderungsgläubiger eine Sicherheit gewährt hat, gilt im Insolvenzfall die Besonderheit, dass der Dritte zunächst den Gesellschafter bzw. dessen Sicherheit in Anspruch nehmen muss und (anteilsmäßige) Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur soweit verlangen kann, als er mit der Inanspruchnahme der Sicherheit bzw. des Gesellschafters ausgefallen ist (§ 44a InsO1).
10.187
Hat die Gesellschaft die Forderung eines Dritten beglichen, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, so ist diese Zahlung mit einer Anfechtungsfrist von einem Jahr anfechtbar (§ 135 Abs. 2 InsO, § 6a AnfG), wobei der Insolvenzverwalter die Rückzahlung der Mittel nicht vom Drittkreditgeber, sondern nur vom sicherungsgebenden Gesellschafter verlangen kann (§§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO, §§ 6a, 11 Abs. 3 AnfG). Der Gesellschafter wird von der Erstattungspflicht frei, wenn er das Sicherungsgut der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
10.188
Tilgt der Gesellschafter selbst das Drittdarlehen, für das er eine Sicherheit bestellt hat, hat er daraus einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft (etwa im Falle einer Bürgschaft aus dem Übergang der Forderung kraft Gesetzes gem. § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Erstattungsanspruch unterliegt jedoch der insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit, da der Gesellschafter nicht anders gestellt werden kann, als hätte er unmittelbar ein Darlehen gewährt.2
10.189
Gesetzlich nicht geregelt (vor wie nach Inkrafttreten des MoMiG) ist der Fall der sog. Doppelbesicherung, also wenn die Forderung eines Gesellschaftsgläubigers durch die Gesellschaft und zudem durch deren Gesellschafter besichert ist. Rechtsprechung und herrschende Meinung3 haben unter dem Eigenkapitalersatzrecht dem Gläubiger das Wahlrecht gegeben, entweder gegen die Gesellschaft (d.h. aus der von der Gesellschaft gestellten Sicherheit) oder gegen den Gesellschafter (d.h. aus der Gesellschaftersicherheit) vorzugehen. Ging der Gläubiger nicht gegen den Gesellschafter, sondern aus der Gesellschaftssicherheit vor, dann hatte der Gesellschafter nach §§ 31, 32b GmbHG a.F. der Gesellschaft den Betrag zu erstatten, in dessen Höhe der Gesellschaftsgläubiger aus der Gesellschaftssicherheit befriedigt worden war. Die Gegenauffassung vertrat demgegenüber die analoge Anwendung des § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. bzw. von § 44a InsO, wonach der Gesellschaftsgläubiger zunächst die Gesellschaftersicherheit zu verwerten habe, bevor er aus der Gesellschaftssicherheit (in Höhe des Ausfalls) vorgehen könne.4 Der BGH folgt sowohl zum alten als auch zum neuen Recht der erstgenannten Auffassung; der Entzug des Wahlrechts stelle einen weitgehenden Eingriff in die Rechtsstellung des 1 Die Besicherung der Forderung eines Dritten durch einen Gesellschafter war im alten Eigenkapitalersatzrecht in § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. geregelt. 2 BGH v. 25.11.1985 – II ZR 93/85, GmbHR 1986, 226 (228). 3 BGH v. 19.11.1984 – II ZR 84/84, GmbHR 1985, 81; BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, GmbHR 1992, 166. 4 Altmeppen, ZIP 2011, 741; Lenger, NZI 2011, 253; N. Schmidt, ZInsO 2010, 70; Wälzholz, DStR 2007, 1914.
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§ 10
Finanzplankredit
Gläubigers dar, der nur aufgrund eindeutiger gesetzlicher Regelung und nicht aufgrund einer analogen Anwendung möglich sei.1 Eine eindeutige Regelung dieser Frage wurde aber auch durch das MoMiG nicht getroffen, so dass bei Doppelbesicherung auch weiterhin das Wahlrecht gilt, entweder aus der Gesellschafts- oder aus der Gesellschaftersicherheit vorzugehen. Geht der Gläubiger aus der von der Gesellschaft gestellten Sicherheit vor, so ergibt sich ein Regressanspruch der Gesellschaft gegen den auf diese Weise befreiten Gesellschafter. Als Rechtsgrundlagen werden §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO analog, § 426 BGB analog und § 812 BGB diskutiert.2 Der BGH hat entschieden, dass der Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Erstattung des Betrags an die Insolvenzmasse verpflichtet ist, den der Gläubiger aus der Verwertung der von der Gesellschaft gestellten Sicherheit erlangt hat.3
10.190
IV. Finanzplankredit Von einem Gesellschafterdarlehen zu unterscheiden ist der sog. Finanzplankredit. Finanzplankredite sind korporationsrechtlich begründete Kredite, bei denen die gesellschaftsrechtlichen Pflichten die bürgerlich-rechtlichen Darlehensvorschriften überlagern. Ein in der Praxis häufiger Fall ist die sog. „gesplittete Einlage“, bei der der Kommanditist aufgrund des Gesellschaftsvertrages verpflichtet ist, zusätzlich zu der Kommanditeinlage (Festeinlage) noch ein Darlehen an die Gesellschaft zu gewähren oder eine stille Einlage zu übernehmen.4 Die Rechtsfigur des Finanzplankredits wurde von der Rechtsprechung entwickelt.5 Sie basiert nicht auf der Dogmatik der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, sondern auf einer unter den Gesellschaftern selbst oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft getroffene Abrede.6 Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts hat daher keine wesentlichen Auswirkungen auf die Figur des Finanzplankredits.7
10.191
Ob ein Gesellschafterdarlehen ein Finanzplankredit ist, wird im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und Bedingungen der Darlehenszusage bestimmt. Entscheidend ist, dass der Gesellschafter den Kredit aus korporationsrechtlichen Gründen versprochen hat. Ergibt die Auslegung, dass das Darlehen der Gesellschaft nicht nur zur Finanzierung eines bestimmten Projekts oder der laufenden Geschäftstätigkeit, sondern dauerhaft auch in der Krise zur Verfügung stehen soll, ist von einem Finanzplankredit auszugehen.
10.192
Der wesentliche Unterschied zwischen Finanzplankredit und sonstigen Gesellschafterdarlehen liegt in der Zuführungspflicht. Anders als bei einem „normalen“
10.193
1 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, GmbHR 2012, 86 m. Komm. Blöse (zu § 44a InsO); BGH v. 19.11.1984 – II ZR 84/84, GmbHR 1985, 81 (zu §§ 32a/b GmbHG a.F.). 2 Siehe dazu Altmeppen, ZIP 2011, 741; Mikolajczak, ZIP 2011, 1285; Spliedt, ZIP 2009, 149. 3 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, GmbHR 2012, 86 m. Komm. Blöse. 4 Vgl. Wilken, ZIP 1996, 61; BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, GmbHR 1988, 301. 5 Vgl. BGH v. 28.11.1977 – II ZR 235/75, GmbHR 1978, 113; BGH v. 10.12.1984 – II ZR 28/84, GmbHR 1985, 192; BGH v. 17.12.1984 – II ZR 36/84, GmbHR 1985, 213; BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, GmbHR 1988, 301. 6 BGH v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, GmbHR 1999, 911. 7 Buschmann, NZG 2009, 91; Orlikowski-Wolf, GmbHR 2009, 908.
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1051
§ 10
Insolvenz
Gesellschafterdarlehen ist der Gesellschafter, der einen Finanzplankredit versprochen hat, auch nach Eintritt der Krise der Gesellschaft und sogar noch in der Insolvenz zur Erfüllung verpflichtet, soweit diese Leistung benötigt wird, um die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen.1 Die Kündigungsrechte aus §§ 490, 314 BGB sind ausdrücklich oder konkludent abbedungen, so dass der Kredit nach Eintritt der Krise nicht gekündigt werden kann, sondern an die Gesellschaft (oder den Insolvenzverwalter) ausgezahlt werden muss. Beispiel 10.194
Ein Kommanditist hat einer GmbH & Co. KG ein Darlehen i.H.v. insgesamt 200 000 Euro versprochen. In der Folgezeit hat er 150 000 Euro aufgrund des Darlehensversprechens an die GmbH & Co. KG ausgezahlt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG verlangt der Insolvenzverwalter von dem Kommanditisten Zahlung der noch nicht geleisteten 50 000 Euro. Der Anspruch des Kommanditisten auf Rückzahlung der 150 000 Euro ist den Insolvenzforderungen der übrigen Gesellschaftsgläubiger in voller Höhe nachgeordnet (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Ist das Darlehen kein Finanzplankredit, so ist der Kommanditist in der Krise der GmbH & Co. KG oder ihrer Insolvenz nicht verpflichtet, weitere 50 000 Euro an die GmbH & Co. KG zu leisten. Ist das Darlehen dagegen ein Finanzplankredit, so wird das Darlehensversprechen wie eine Einlagepflicht behandelt; der noch nicht geleistete Teilbetrag i.H.v. 50 000 Euro ist auch nach Eintritt der Krise oder der Insolvenz noch zu erfüllen.
10.195
Aufgehoben werden kann die einlageähnlich wirkende Darlehenszusage des Finanzplankredits – vorbehaltlich des Eingreifens der Vorschriften über die Insolvenzanfechtung – nur vor Eintritt der Krise und nur mit Wirkung ex nunc.2 Da der Begriff der Krise noch an das alte Eigenkapitalersatzrecht anknüpft, wird vorgeschlagen, nunmehr § 39 Abs. 4 InsO als Anknüpfungspunkt zu nehmen, so dass für Beginn und Ende der Finanzplanbindung das Tatbestandsmerkmal der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit entscheidend ist.3 Je nach dem Rechtsgrund der Darlehensgewährung setzt die Aufhebung einen den Gesellschaftsvertrag ändernden Beschluss oder eine entsprechende Änderung der schuldrechtlichen Nebenabrede voraus.4
10.196
Die exakte Abgrenzung zwischen Gesellschafterdarlehen und Finanzplankredit hat nach der Systemänderung durch das MoMiG neue Bedeutung erlangt. Während nach altem Eigenkapitalersatzrecht ohnehin in beiden Fällen eine Rückzahlungssperre galt, sind nun Gesellschafterdarlehen auch in der Krise rückzahlbar. Sofern es sich jedoch um ein Finanzplankredit handelt, ist die Kündigung bzw. Rückzahlung in der Krise ausgeschlossen.5
1 BGH v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, GmbHR 1999, 911; K. Schmidt, ZIP 1999, 1241 (1250); Habersack, ZIP 2007, 2145 (2152). 2 BGH v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, GmbHR 1999, 911; Habersack, ZHR 161 (1997), 457 (479); a.A. K. Schmidt, ZIP 1999, 1241 (1250): Aufhebung ist erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen, vgl. auch Altmeppen, NJW 1999, 2812 (2813). 3 Buschmann, NZG 2009, 91; Orlikowski-Wolf, GmbHR 2009, 908. 4 BGH v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263; K. Schmidt, ZIP 1999, 1241 (1250). 5 In diesem Sinne auch Orlikowski-Wolf, GmbHR 2009, 908.
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§ 10
Nutzungsüberlassung
V. Nutzungsüberlassung Um die sofortige Entziehung betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände, die der Gesellschafter der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hat (z.B. Vermietung des betriebsnotwendigen Grundstücks), nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit in der Regel das sofortige Ende aller Sanierungschancen zu verhindern, regelt § 135 Abs. 3 InsO die Rechtsfolgen der Insolvenz für Nutzungsüberlassungen durch Gesellschafter.
10.197
Durch das MoMiG wurde die Nutzungsüberlassung von dem Konzept einer darlehensähnlichen Finanzierungsform im Eigenkapitalersatzrecht losgelöst und auf insolvenzrechtlicher Basis neu geregelt. Damit sind seitdem auf Nutzungsüberlassungen weder die Regeln für Gesellschafterdarlehen (insolvenzrechtliche Nachrangigkeit, Anfechtung) noch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur (ehemals) eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung anwendbar.1 Infolge der Beseitigung des alten Eigenkapitalersatzrechts hat der Insolvenzverwalter gegen den Gesellschafter keinen Anspruch mehr auf unentgeltliche (Weiter-)Nutzung eines der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsguts.2 Allerdings kann der Gesellschafter nach der Neuregelung sein Aussonderungsrecht an einem der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Gegenstand für die Dauer von bis zu einem Jahr nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Gleichzeitig ist der Insolvenzverwalter aber zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Neben Sachen können auch Rechte oder sonstige immaterielle Gegenstände davon erfasst sein.3
10.198
Der BGH hat klargestellt, dass die Regelung des § 135 Abs. 3 InsO nach den für § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO geltenden Grundsätzen ggf. auch Nutzungsüberlassungen durch gesellschaftergleiche Dritte erfasst, also bspw. auch für Nutzungsüberlassungen durch verbundene Unternehmen gilt.4
10.199
Wann die „erhebliche Bedeutung“5 für die Fortführung des Unternehmens gegeben ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Sie ist jedenfalls gegeben, wenn die Rückgabe der Sache die Betriebsabläufe wesentlich stören würde. Sie dürfte aber auch dann gegeben sein, wenn eine Ersatzbeschaffung durch den Insolvenzverwalter mit höheren Kosten verbunden wäre. Fraglich ist auch, ob das Nutzungsrecht nur dem Insolvenzverwalter oder auch einem Betriebserwerber zusteht.6 Für die Gegenstände, die nicht von erheblicher Bedeutung sind, steht dem Gesellschafter als Eigentümer ein einredefreier Aussonderungsanspruch gegen die Masse zu.
10.200
1 2 3 4 5
K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732). BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann. Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737 v. 24.6.2008, S. 59. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann. Der Begriff der „erheblichen Bedeutung“ ist parallel zu dem Begriff in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO auszulegen (BT-Drucks. 16/9737 v. 24.6.2008, S. 59). A.A. Spliedt, ZIP 2009, 149–161: Allein die Wiederholung des Wortlauts bedeutet keinen identischen Anwendungsbereich. 6 Dazu Bitter, ZIP 2010, 1.
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§ 10
Insolvenz
10.201
Maßgeblich für die Bemessung des Entgelts für die Nutzungsüberlassung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht die vereinbarte Vergütung, sondern nur die von der Gesellschaft tatsächlich im letzten Jahr geleistete Vergütung. Abweichend von dem auf einem Redaktionsversehen beruhenden Wortlaut des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO ist dafür jedoch nicht der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, sondern entsprechend den allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen der Zeitpunkt der Antragstellung als Stichtag für die Berechnung der Jahresfrist maßgeblich.1
10.202
Bei Sanierungsnutzungsüberlassungen bzw. Kleinbeteiligten ohne Geschäftsführungsfunktion gilt die Beschränkung des Aussonderungsanspruchs des § 135 Abs. 3 InsO nicht (§ 135 Abs. 4 InsO i.V.m. § 39 Abs. 4 und 5 InsO).
10.203
Der Regelungsbereich des § 135 Abs. 3 InsO ist nicht betroffen, wenn das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen der insolventen Gesellschaft und dem Gesellschafter auch nach Verfahrenseröffnung fortbesteht; dauert bspw. ein Mietverhältnis gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO über die Verfahrenseröffnung hinaus fort, so gelten allein die vertraglichen Regelungen und der Vermieter kann vom Insolvenzverwalter die Miete in vertraglich vereinbarter Höhe als Masseverbindlichkeit verlangen.2 Nur wenn der Miet- oder Pachtvertrag durch das Insolvenzverfahren beendet wird, greift die Aussonderungssperre des § 135 Abs. 3 InsO und der Insolvenzverwalter hat den finanziellen Ausgleich zu leisten, denn § 135 Abs. 3 Inso normiert allein die Ausgleichspflicht für die vertragslose Zeitspanne.3
10.204
Seit der Systemänderung durch das MoMiG steht die Nutzungsüberlassung durch einen Gesellschafter der Darlehensgewährung nicht mehr gleich und ist mit ihr auch nicht vergleichbar. Das bedeutet, dass die Entrichtung des Nutzungsentgelts auch nicht mit der Darlehensrückzahlung gleichgesetzt werden kann; damit kommt eine Anfechtung der Zahlung von Nutzungsentgelten an einen Gesellschafter nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO grundsätzlich nicht in Betracht.4 Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Nutzungsentgelt gestundet oder stehengelassen wurde und dadurch zu einer darlehensgleichen Forderung geworden ist; dies soll jedenfalls dann nicht der Fall sein, wenn der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen eingehalten wird.5
10.205
Ungeklärt ist noch, ob eine Rückgabe des genutzten Gegenstands an den Gesellschafter im letzten Jahr vor Antragstellung anfechtbar ist.6 Einstweilen frei.
10.206–10.220
1 2 3 4
BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann. Fischer in FS Wellensiek, 2011, S. 443 (446). BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann; OLG Schleswig v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, GmbHR 2012, 1130 m. Komm. Blöse; OLG Hamm v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186. Dazu u.a. K. Schmidt, NJW 2015, 1057. 5 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, GmbHR 2015, 420 m. Komm. Bormann; BGH v. 10.7. 2014 – IX ZR 192/13, WM 2014, 1488; Bitter, ZIP 2010, 1. 6 S. dazu Gruschinske, GmbHR 2010, 179; Marotzke, ZInsO 2008, 1281.
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§ 10
Rechnungslegung
C. Steuerrecht und Rechnungslegung Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG hat gem. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB die Auflösung der Gesellschaft zur Folge (s. Rz. 10.1). Ihr Unternehmensgegenstand ändert sich von dem werbenden Unternehmen hin zur Abwicklung (auch Liquidation) der Gesellschaft. Nach dem Abschluss der Abwicklung folgt die Vollbeendigung der Gesellschaft, also deren Löschung aus dem Handelsregister.1 Es ist jedoch möglich, die sich noch in der Abwicklung befindliche Gesellschaft vor der endgültigen Vollbeendigung ex nunc fortzusetzen.2 Im Folgenden liegt der Fokus auf der steuerrechtlichen Behandlung der GmbH & Co. KG nach deren Auflösung aber noch vor der Vollbeendigung, also im Stadium der Abwicklung oder Liquidation. In dieser Phase ist die Gesellschaft steuerrechtlich weiterhin existent.
10.221
I. Gegenstand des Insolvenzverfahrens Bei einer GmbH & Co. KG ist zunächst zwischen der Insolvenz auf der Ebene der GmbH & Co. KG, also der Personengesellschaft, der Insolvenz auf der Ebene der Komplementär-Kapitalgesellschaft und der Insolvenz der Gesellschafter zu differenzieren. Die GmbH & Co. KG und ihre Komplementär-GmbH sind für Zwecke des Insolvenzrechts eigenständig zu behandeln. Sie durchlaufen getrennte Insolvenzverfahren (s. Rz. 10.1). Theoretisch könnte jeweils die eine Gesellschaft unabhängig von der anderen Gesellschaft insolvent werden. Tatsächlich gibt es jedoch typischerweise einen Zusammenhang zwischen der Insolvenz der GmbH & Co. KG und derjenigen der Komplementär-GmbH. Wenn die bilanzielle Überschuldung der KG festgestellt wird, ist auf der Ebene der Komplementärin ein zusätzlicher Passivposten in Höhe des Betrages auszuweisen, um den die Verbindlichkeiten der KG das Aktiv-Vermögen der KG übersteigen.3 In den meisten Fällen verfügt die Komplementär-GmbH über keine nennenswerten Vermögensgegenstände außer ihrem Stammkapital. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass die Insolvenz der GmbH & Co. KG auch die Insolvenz der Komplementärin nach sich zieht.
10.222
Zwischen der Insolvenz der GmbH & Co. KG und derjenigen der Gesellschafter besteht ein solch enger Zusammenhang nicht. Die Insolvenz der Gesellschaft führt nicht typischerweise zur Insolvenz der Gesellschafter. Allerdings ist es nicht selten, dass wegen umfangreicher wirtschaftlicher Verknüpfungen die Insolvenz der GmbH & Co. KG auch auf die Gesellschafter ausstrahlt.
10.223
II. Rechnungslegung Im Grundsatz hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Auswirkungen auf die Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten der GmbH & Co. KG (§ 155 1 Zu den Phasen: Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 2. 2 Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 29 ff.; s. auch Rz. 10.149 ff. 3 Mönning in Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 19 InsO Rz. 49 f., Stand: August 2014.
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10.224
§ 10
Insolvenz
Abs. 1 Satz 1 InsO). In personeller Hinsicht gehen die Pflichten jedoch gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die Liquidatoren über.1 Zu beachten ist jedoch, dass bei Personengesellschaften gem. §§ 154, 161 Abs. 2 HGB zunächst eine Schlussbilanz sowie eine Abwicklungseröffnungsbilanz und nach der Liquidation eine Abwicklungsschlussbilanz aufzustellen ist. Für die Zwecke der Bewertung der Vermögensgegenstände ist nicht von der Fortführung der Gesellschaft (going-concern) auszugehen.2 Daher sind die Liquidationswerte anzusetzen. Diese sind in vielen Fällen niedriger als bei einer Bewertung nach dem Prinzip des going-concern. So könnte bspw. ein erworbenes Patent in dem betreffenden Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des going-concern einen hohen beizulegenden Wert haben. Mangels aktueller Marktgängigkeit könnte das gleiche Patent jedoch nur einen zu vernachlässigenden Liquidationswert haben. Zum Ende des Wirtschaftsjahres hat die Gesellschaft gem. §§ 242 ff., 264 ff. HGB weiterhin einen Jahresabschluss aufzustellen und ggf. nach §§ 316 Abs. 1, 267 Abs. 2 und 3, 264a Abs. 1 HGB durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Insofern sieht die Insolvenzordnung keine Spezialvorschriften vor, so dass es bei den allgemeinen Bestimmungen des HGB verbleibt.
III. Einkommensteuer 10.225
Das Insolvenzverfahren führt nicht zu einer grundsätzlich neuen steuerrechtlichen Situation der GmbH & Co. KG. Die Gesellschafter erzielen weiterhin in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Satz 1 EStG. Dies gilt, unabhängig von § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG, obwohl die werbende Tätigkeit eingestellt ist und nur noch die Abwicklung betrieben wird.3 Es verbleibt bei den Grundsätzen des Transparenzprinzips.4 Der GmbH & Co. KG kommt also für Zwecke des Einkommensteuerrechts nicht vorübergehend eine eigene Steuerrechtssubjektivität zu. Mit Ausnahme von Fällen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO (s. hierzu Rz. 10.134) können die Gesellschafter zwar nicht mehr auf die Gesellschaftsaktivitäten einwirken. Dies obliegt dem Insolvenzverwalter. Die Gewinne und Verluste werden den Gesellschaftern jedoch weiterhin nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels zugerechnet. Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich verpflichtet, die Steuererklärungen abzugeben.5 Davon ausgenommen ist jedoch die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG.6
10.226
Im Zusammenhang mit einer insolventen GmbH & Co. KG stellen sich typischerweise weniger Fragen zur Behandlung positiver Einkünfte, sondern solche zum Umgang mit Verlusten. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze zum Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG sowie zum Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 2 EStG. Eine wei1 Winkeljohann/Henckel in Beck’scher Bilanzkomm., 9. Aufl. 2014, § 238 HGB Rz. 59. 2 Zu Einzelheiten vgl. IDW RS HFA 17. 3 BFH v. 27.4.1978 – IV R 187/74, BStBl. II 1979, 89; BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann. 4 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 163. 5 BFH v. 6.11.2012 – VII R 72/11, BStBl. II 2013, 141. 6 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194 = GmbHR 1995, 143.
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§ 10
Einkommensteuer
tere Einschränkung des Verlustabzugs ergibt sich für die Kommanditisten im Zusammenhang mit der Entstehung von negativen Kapitalkonten aus § 15a EStG. Soweit Gewinne anfallen, kann es sich um sog. Sanierungsgewinne handeln. Diese führen zwar weder auf der Ebene der Gesellschaft noch der Gesellschafter zu einem Liquiditätszufluss, sind jedoch den Gesellschaftern zuzurechnen und daher grundsätzlich auch von ihnen zu versteuern. Wenn beispielsweise ein Gläubiger im Rahmen eines Vergleichs auf einen Teil seiner Forderung gegenüber der GmbH & Co. KG verzichtet, führt dies zu einem steuerpflichtigen Ertrag. Derzeit ist nicht abschließend geklärt, wie solche Sanierungsgewinne zu behandeln sind.
10.227
Ursprünglich waren diese gem. § 3 Nr. 66 EStG a.F. steuerfrei. Nach der Streichung der Befreiungsnorm ist die Finanzverwaltung den Sanierungsgewinnen im Rahmen des sog. Sanierungserlasses mit Billigkeitsmaßnahmen (abweichende Festsetzung gem. § 163 AO, Stundung nach § 222 AO sowie Erlass gem. § 227 AO) begegnet.1 Da in der Rechtsprechung Unsicherheit darüber entstanden ist, ob diese Billigkeitsmaßnahmen zulässig sind2 und auch die Rechtsprechung des BFH insofern bisher nicht eindeutig gewesen ist, hat der X. Senat des BFH diese Frage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt.3 Auch nach dem vorgenannten Billigkeitserlass wären jedoch Steuerlasten im Zusammenhang mit Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters (Veräußerung eines Wirtschaftsguts) ohne Billigkeitsmaßnahmen von den Gesellschaftern zu tragen.
10.228
Ein weiteres steuerrechtliches Problem kann sich für die Gesellschafter ergeben, soweit sie die Tarifbegünstigung für nicht entnommene Gewinne gem. § 34a Abs. 1 EStG in der Vergangenheit genutzt haben. Denn die Insolvenz der Gesellschaft steht insofern einer Betriebsaufgabe gleich und führt somit nach § 34a Abs. 6 Nr. 1 EStG zur Nachversteuerung der thesaurierten Gewinne, ohne dass eine Entnahme und damit ein Liquiditätszufluss zugunsten der Gesellschafter stattfindet.4
10.229
Von dem Insolvenzverfahren ist nur das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG erfasst. Das Sonderbetriebsvermögen bleibt hiervon grundsätzlich unberührt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft das betreffende Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung zur Verfügung gestellt hat. Des Weiteren kann das Sonderbetriebsvermögen am Ende eines Insolvenzverfahrens in steuerrechtlicher Hinsicht eine Rolle spielen. Die Vollbeendigung der GmbH & Co. KG und die damit verbundene endgültige Einstellung der Tätigkeit der Gesellschaft kann eine Entnahmehandlung hinsichtlich des steuerverstrickten Sonderbetriebsvermögens darstellen. In diesem Fall wären eventuell vorhandene stille Reserven aufzudecken und zu versteuern.
10.230
1 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 sowie BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01, BStBl. I 2010, 18. 2 Krit. FG München v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06, EFG 2008, 615 = FR 2008, 1114 m. Komm. Kanzler. 3 BFH v. 25.3.2015 – X R 23/13, GmbHR 2015, 817, vorgehend: FG Sachs. v. 24.4.2013 – 1 K 759/12, EFG 2013, 1898. 4 Reiß in Kirchhof, § 34a EStG Rz. 78.
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§ 10
Insolvenz
IV. Gewerbesteuer 10.231
Auch für die Zwecke der Gewerbesteuer bleibt die GmbH & Co. KG nach der Insolvenzeröffnung weiterhin existent. Die bereits angesammelten Verlustvorträge bleiben weiterhin bestehen. Diese entsprechen jedoch aufgrund der Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG der Höhe nach meist nicht den einkommensteuerrechtlichen Verlusten. Soweit im Rahmen der Sanierung die (teilweise) Veräußerung von Gesellschaftsanteilen geplant wird, ist zu berücksichtigen, dass dies wegen teilweisen Wegfalls der Unternehmeridentität zum (anteiligen) Untergang der Verlustvorträge führt.1
10.232
Die vorstehend aus einkommensteuerrechtlicher Sicht besprochene Frage der Behandlung von Sanierungsgewinnen wirkt sich wegen § 7 Satz 1 GewStG auch auf die Gewerbesteuer aus. Problematisch ist insofern, dass für Billigkeitsmaßnahmen im Einkommensteuerrecht die Finanzämter, im Bereich der Gewerbesteuer jedoch die jeweiligen Gemeinden zuständig sind. Aus diesem Grund ist nicht gewährleistet, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt hinsichtlich Einkommensteuer und Gewerbesteuer einheitlich behandelt wird. Die Finanzämter könnten gem. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO befugt sein, auch im Bereich der Gewerbesteuer Billigkeitsmaßnahmen zu treffen, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind.2 Der für einkommensteuerrechtliche Zwecke ergangene Sanierungserlass erfüllt den vorgenannten Tatbestand jedoch nach Auffassung des BFH nicht.3 Es verbleibt bei der Aufspaltung der Zuständigkeit für die Billigkeitsmaßnahmen.
V. Umsatzsteuer 10.233
Die GmbH & Co. KG bleibt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Unternehmerin i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG.4 Es muss jedoch bestimmt werden, ob die Umsatzsteuerforderung des Finanzamts zu den Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO oder zu den Masseschulden zählt. Die Abgrenzung richtet sich nicht danach, wann die Umsatzsteuer aus steuerrechtlicher Sicht entsteht, sondern nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde.5 Ist also der Rechtsgrund der Umsatzsteuerforderung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden, handelt es sich um eine Insolvenzforderung. Ergibt sich die Forderung aus Handlungen des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, liegt eine Masseschuld vor. Zu den Insolvenzforderungen zählen des Weiteren die Vorsteuern auf 1 Vgl. R 10a. 3 GewStR 2009. 2 Vgl. Wiese/Lukas, DStR 2015, 1222 ff. 3 BFH v. 25.4.2012 – I R 24/11, BFHE 237, 403 = FR 2013, 43 m. Komm. Eilers/Bühring; Ratschow in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 184 AO Rz. 14 m.w.N. 4 Vgl. BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996; BFH v. 29.1.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682; 17.1 Abs. 11 bis 16 UStAE; Korn in Bunjes, UStG, 14. Aufl. 2015, § 17 UStG Rz. 68 ff. 5 BFH v. 17.12.1998 – VII R 47/98, BStBl. II 1999, 423; BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193.
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Leibohm
§ 10
Umsatzsteuer
Leistungen, die vor Insolvenzeröffnung bezogen wurden. Dabei ist der Zeitpunkt des Rechnungserhalts ebenso unmaßgeblich wie der Zeitpunkt der Verausgabung des Entgelts.1 Zu den Masseverbindlichkeiten zählen Vorsteuern auf Leistungen, die nach Insolvenzeröffnung (unmaßgeblich sind das Rechnungsdatum oder der Zeitpunkt der Verausgabung des Entgelts) und nicht für insolvenzfreie Umsätze bezogen wurden.2 Zur Differenzierung zwischen den Forderungsarten wird neben der alten Steuernummer (Insolvenz-Steuernummer) für die Masseschulden eine gesonderte Umsatzsteuernummer (Masse-Steuernummer) erteilt.3 Darüber hinaus erwachsen aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Reihe umsatzsteuerrechtlicher Einzelfragen, hinsichtlich derer mangels besonderen Bezugs zur Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG auf die Verlautbarungen der Finanzverwaltung4 verwiesen wird.
1 2 3 4
OFD Frankfurt/M v. 4.11.2009 – S 7340 A - 85 - St 11, Rz. 28, BeckVerw 241514. OFD Frankfurt/M v. 4.11.2009 – S 7340 A - 85 - St 11, Rz. 32, BeckVerw 241514. OFD Frankfurt/M v. 4.11.2009 – S 7340 A - 85 - St 11, Rz. 99 ff., BeckVerw 241514. Z.B. OFD Frankfurt/M v. 4.11.2009 – S 7340 A - 85 - St 11, Rz. 99 ff., BeckVerw 241514.
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§ 11 Umstrukturierungen A. Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG I. Zivilrechtliche Aspekte 1. Direkte Umwandlung in GmbH & Co. KG 11.1
Die zivilrechtlichen Folgen der Umwandlung einer GmbH bestimmen sich i.d.R. nach dem UmwG 1995. Von der in § 1 Abs. 1 UmwG unter dem Begriff „Umwandlung“ erfassten Verschmelzung, der Spaltung, der Vermögensübertragung und dem Formwechsel kommen für die Umwandlung in eine GmbH & Co. KG die Verschmelzung und der Formwechsel näher in Betracht. Soll die GmbH mit einem Teil des Vermögens bestehen bleiben, kann zudem eine (Ab-)Spaltung oder auch eine Ausgliederung erwogen werden. Zu beachten ist, dass der Anwendungsbereich des UmwG durch das zweite Gesetz zur Änderung des UmwG vom 19.4.20071 zwar erweitert und in den §§ 122a ff. UmwG nunmehr die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums gesetzlich geregelt worden ist;2 die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften und umgekehrt ist dagegen weiterhin ungeregelt.3 Neben der Verschmelzung oder dem Formwechsel nach den Vorschriften des UmwG sind weiterhin gesellschaftsrechtliche Umgestaltungen außerhalb des UmwG möglich, z.B. durch Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva einer GmbH auf eine GmbH & Co. KG im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Diese verstoßen insbesondere nicht gegen das Analogieverbot des § 1 Abs. 2 UmwG.4 In der Praxis werden Gestaltungen außerhalb des UmwG i.d.R. allerdings wegen der damit verbundenen steuerlichen Gewinnrealisierung nur selten gangbar sein.
11.2
Im Anwendungsbereich des UmwG ist insbesondere der Wegfall der früheren Umwandlungssperre nach § 1 Abs. 2 Satz 1 UmwG 1969 von Bedeutung. Danach war eine unmittelbare Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nicht möglich, wenn an der Personengesellschaft eine Kapitalgesellschaft beteiligt war. Der direkte Weg in die GmbH & Co. KG war damit verstellt. Es mussten Umwege beschritten werden, die zivil- und steuerrechtliche Gefahren in sich bargen. 1 UmwG v. 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. 2 Damit hat der Gesetzgeber die Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. L 310, 1 ff., umgesetzt und zugleich die Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH, insbes. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 „SEVIC Systems AG“, GmbHR 2006, 140, erfüllt. 3 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 1 UmwG Rz. 46; Neye/Timm, GmbHR 2007, 561 (562). Die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften innerhalb der Europäischen Union wird allerdings zum Teil unmittelbar auf Europarecht gestützt, vgl. Drinhausen in Semler/Stengel, Einleitung C Rz. 21 ff. 4 Decher/Hoger in Lutter, § 190 UmwG Rz. 12; Kallmeyer in Kallmeyer, § 1 UmwG Rz. 16 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 1 UmwG Rz. 66.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, eine derartige Einschränkung der Verschmelzung und des Formwechsels auf bzw. in Personengesellschaften in das UmwG 1995 zu übernehmen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 191 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), ist nunmehr der direkte Weg in die GmbH & Co. KG eröffnet,1 d.h., die früher durch die Praxis entwickelten Ausweichkonstruktionen sind nicht mehr erforderlich. Mit der Änderung des HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz2 stellt sich auch aufgrund des § 228 Abs. 1 UmwG nur noch ausnahmsweise ein Umwandlungshindernis, da nunmehr auch solche Gesellschaften, die kein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB betreiben oder die nur eigenes Vermögen verwalten, Personenhandelsgesellschaften sind, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist (§ 105 Abs. 2 HGB).3 Damit scheiden aus dem Kreis möglicher Personenhandelsgesellschaften nur noch die Gesellschaften mit einem freiberuflichen Unternehmensgegenstand aus – hierfür steht der Formwechsel in die Partnerschaftsgesellschaft offen – sowie die Gesellschaften mit einem völlig unbedeutenden und nicht über den alltäglichen Bereich hinausgehenden Betätigungsfeld. § 228 Abs. 2 HGB, wonach bisher die Möglichkeit vorgesehen war, „hilfsweise“ den Formwechsel in eine GbR zu beschließen, ist vor diesem Hintergrund ersatzlos gestrichen worden.4
11.3
Besondere Probleme ergeben sich bei einem Formwechsel – ggf. auch einer Verschmelzung5 –, wenn die GmbH i.S.v. § 19 Abs. 2 und 3 InsO überschuldet ist und der Geschäftsführer dementsprechend nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet ist, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (s. zu den Kriterien für eine Überschuldung ausführlich unter § 10 Rz. 10.16 ff.).
11.4
Ist die GmbH lediglich unter Zugrundelegung der Wertansätze in der Steuer- und/ oder Handelsbilanz überschuldet, nicht jedoch nach dem insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus, ist die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister nicht gefährdet. Ggf. sind der Anmeldung geeignete Unterlagen beizufügen, aus denen der Registerrichter feststellen kann, dass tatsächlich keine Überschuldung vorliegt und aus denen sich eine positive Fortführungsprognose ableiten lässt, die den Ansatz der Vermögensgegenstände mit Fortführungswerten rechtfertigt.
11.5
Ist dagegen die rechtliche Überschuldung zu bejahen, wird die Eintragung des Formwechsels von dem Registerrichter u.E. abgelehnt werden müssen.6 Denn
11.6
1 Decher/Hoger in Lutter, § 191 UmwG Rz. 4; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, § 191 UmwG Rz. 8. 2 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften v. 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. 3 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 228 UmwG Rz. 3; Göthel in Lutter, § 228 UmwG Rz. 3; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 228 UmwG Rz. 2. 4 Zweites Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. U.E. ist ein hilfsweiser Formwechsel weiterhin nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Gleicher Ansicht Ihrig in Semler/Stengel, § 228 UmwG Rz. 36. 5 Die Überschuldung des übertragenden Rechtsträger wird nicht als Verschmelzungshindernis gesehen, vgl. OLG Stuttgart v. 4.10.2005 – 8 W 426/05, GmbHR 2006, 380; Drygala in Lutter, § 3 UmwG Rz. 24; Maier-Reimer/Seulen in Semler/Stengel, § 120 UmwG Rz. 13; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwG Rz. 50. 6 Anders etwa: Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 228 UmwG Rz. 2. In der Praxis wird sich diese Frage – insbesondere in Grenzfällen – häufig deshalb nicht stellen, weil der Anmeldung des Formwechsels keine Bilanzen beizufügen sind.
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§ 11
Umstrukturierungen
ebenso wie für die Geschäftsführer einer GmbH die gesetzliche Pflicht zur Insolvenzantragstellung besteht, muss auch für die GmbH & Co. KG bei vorliegender Überschuldung Insolvenzantrag gestellt werden (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Gesellschaft wird dann mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Der Registerrichter wird aber nicht bereit sein, den rechtswidrigen Zustand durch Eintragung des Formwechsels aufrechtzuerhalten, insbesondere weil die eingetragene GmbH & Co. KG bei gesetzmäßigem Verhalten der Geschäftsführer unmittelbar nach deren Entstehen sogleich wieder aufgelöst werden müsste.
2. Umwandlung durch Formwechsel oder Verschmelzung 11.7
Für die praktische Durchführung der Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG nach dem UmwG stehen mehrere Wege zur Verfügung. Die Umwandlung kann durch Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG oder durch Verschmelzung nach §§ 2 ff. UmwG vollzogen werden. Dabei schließen sich Formwechsel und Verschmelzung gegenseitig aus. Zudem kann der Übergang des Vermögens auf eine GmbH & Co. KG auch mittels einer Auf- oder Abspaltung nach §§ 123 ff. UmwG erfolgen. Möglich wäre auch die Ausgliederung des Vermögens der GmbH auf eine GmbH & Co. KG. Hierdurch ändert sich aber nur die Vermögensstruktur der übertragenden GmbH, da diese Gesellschafterin der aufnehmenden Gesellschaft wird.1
11.8
Kennzeichnend für den Formwechsel ist, dass hieran lediglich ein Rechtsträger beteiligt ist, der unter Wahrung seiner Identität und ohne Vermögensübergang in einen Rechtsträger anderer Rechtsform umgewandelt wird. Der bestehende Rechtsträger wechselt lediglich sein Rechtskleid. Die Umwandlung einer GmbH in eine an ihre Stelle tretende KG ist somit nur durch Formwechsel möglich.
11.9
Dass der Formwechsel einer GmbH unmittelbar in eine GmbH & Co. KG nach dem Umwandlungsgesetz zulässig ist, entspricht allgemeiner Auffassung. Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, diese ist jedoch nicht erforderlich, da die GmbH & Co. KG nur eine besondere Erscheinungsform einer KG ist. Fraglich ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt die – typischerweise nicht an der formwechselnden GmbH beteiligte – zukünftige Komplementärin erstmals beteiligt werden muss. In der Literatur wurde zunächst überwiegend aus dem Grundsatz der Anteilsinhaberidentität geschlossen, dass die spätere Komplementär-GmbH noch vor dem Formwechsel Anteilsinhaberin der GmbH werden muss.2 Als ausreichend wurde es dabei angesehen, wenn die zukünftige Komplementär-GmbH zwar nach dem Beschluss über den Formwechsel, aber noch vor dessen Eintragung in das Handelsregister Gesellschafterin wird.3 Nach der nun h.M., die inzwischen – wenn auch in einem obiter dictum – vom BGH bestätigt wurde, reicht es dagegen aus, 1 Sofern Gegenstand der Ausgliederung ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil der übertragenden GmbH ist, handelt es sich steuerrechtlich um eine Einbringung nach § 24 UmwStG. 2 Bärwaldt/Schabacker, ZIP 1998, 1293 (1294 f.); Heckschen, DB 1998, 1385 (1397); Weber, GmbHR 1996, 263 (264). 3 BayObLG v. 4.11.1999 – 3Z BR 333/99, GmbHR 2000, 89.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
wenn die Komplementär-GmbH erst auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels ihren Beitritt zur Gesellschaft erklärt, also mit dem Formwechsel als Komplementärin in die GmbH & Co. KG eintritt, ohne zuvor eine GmbH-Beteiligung gehalten zu haben.1 Gestaltungshinweis: Insbesondere unter Hinweis auf die vorstehend zitierte BGHRechtsprechung sollte der Beitritt der Komplementär-GmbH im Zuge des Formwechsels inzwischen von der Mehrzahl der Registergerichte akzeptiert werden, so dass sich Umwegkonstruktionen weitestgehend erübrigen. Dennoch sollte dieser Weg vorher mit dem Registergericht abgestimmt werden. Ist eine solche Abstimmung – etwa aus Zeitgründen – nicht möglich, kann die zukünftige Komplementär-GmbH wie bisher vor dem Beschluss über den Formwechsel an der formwechselnden Gesellschaft beteiligt werden. Da die Komplementär-GmbH i.d.R. nicht am Gesellschaftskapital der GmbH & Co. KG beteiligt sein soll, bietet es sich hier an, dass einer der bisherigen Anteilsinhaber vor dem Formwechsel einen Zwerganteil treuhänderisch auf diese Gesellschaft überträgt. Bereits im Beschluss über den Formwechsel kann dem Treugeber der Zwerganteil als Kommanditbeteiligung wieder eingeräumt und die Beteiligung der Komplementär-GmbH am Vermögen mit null festgesetzt werden.2 Ein Rückgriffsanspruch der KomplementärGmbH aus § 670 BGB scheidet u.E. in diesem Fall aus, da das Treuhandverhältnis auf den übertragenen Geschäftsanteil beschränkt bleibt und vor dem Beginn der Haftung der GmbH als Komplementärin der GmbH & Co. KG endet.3
11.10
Im Gegensatz zu dem identitätswahrenden Formwechsel führt die Verschmelzung zu einer Vereinigung der Vermögen mehrerer Rechtsträger durch Gesamtrechtsnachfolge. Dementsprechend können nach § 2 UmwG entweder eine oder mehrere Gesellschaften auf eine schon bestehende Gesellschaft oder zwei oder mehrere Gesellschaften auf eine neue Gesellschaft verschmolzen werden. Besteht nur eine GmbH, die auf eine GmbH & Co. KG verschmolzen werden soll, und existiert noch keine Personengesellschaft, muss die aufnehmende Gesellschaft vor der Verschmelzung errichtet werden. Dazu reicht es nicht aus, dass die Personengesellschaft gegründet, also der Gesellschaftsvertrag geschlossen wurde, vielmehr muss die Gesellschaft als Personenhandelsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen sein, da diese bis dahin eine GbR bleibt und somit nicht zum Kreis der verschmelzungsfähigen Rechtsträger gehört. Die vorherige Aufnahme der Geschäfte
11.11
1 Decher/Hoger in Lutter, § 202 UmwG Rz. 12; Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 228 UmwG Rz. 6 ff.; Göthel in Lutter, § 228 UmwG Rz. 24 f.; Ihrig in Semler/Stengel, § 228 UmwG Rz. 23; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 226 UmwG Rz. 3 m.w.N.; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 29/03, AG 2005, 613 = GmbHR 2005, 1136; BGH v. 17.5.1999 – II ZR 293/98, NJW 1999, 2522 zu § 23 LwAnpG; vgl. dazu auch Baßler, GmbHR 2007, 1252; Simon/Leuering, NJW-Spezial 2005, 459. 2 Ihrig in Semler/Stengel, § 228 UmwG Rz. 25; Priester, DB 1997, 560 (561). 3 Anders Bauschatz, FR 2003, 1116 (1119); Carlé/Bauschatz, ZIP 2002, 2072 (2073 f.), die im Treuhandmodell das Risiko einer unbeschränkten Haftung des Treugebers sehen. Ggf. kann der Zwerganteil auch an die zukünftige Komplementär-GmbH veräußert und nach vollzogenem Formwechsel zurückerworben werden. Da Veräußerung und Rückerwerb jeweils zu Verkehrswerten zu erfolgen haben, kommt es hierbei in Bezug auf diesen Zwerganteil zur Gewinnrealisierung, wenn auch das wirtschaftliche Eigentum übergeht. Zu den grunderwerbsteuerlichen Implikationen s. Rz. 11.161 ff.
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§ 11
Umstrukturierungen
durch die neu gegründete Gesellschaft führt zwar auch ohne Handelsregistereintragung dazu, dass diese Gesellschaft Personenhandelsgesellschaft (oHG) ist, wird aber aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten nur in Ausnahmefällen gewollt sein.1 11.12
I.d.R. wird sich die Verschmelzung im Gegensatz zum Formwechsel als nachteilig erweisen: Verfügt die umzuwandelnde GmbH über inländisches Grundvermögen, führt die Verschmelzung anders als der identitätswahrende Formwechsel zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer (s. dazu Rz. 11.163 ff.). Nachteilig kann eine Verschmelzung auf die Muttergesellschaft zudem sein, wenn beim übernehmenden Rechtsträger ein handelsrechtlicher Übernahmeverlust entsteht und damit das handelsrechtliche Eigenkapital reduziert wird (s. dazu Rz. 11.47). Das ist der Fall, wenn die Anschaffungskosten des übernehmenden Rechtsträgers das Eigenkapital des übertragenden Rechtsträgers, d.h. der durch die Verschmelzung untergehenden GmbH, übersteigen und dies nicht durch eine Aufstockung der Buchwerte vermieden werden kann. Die Verschmelzung wird sich schließlich häufig als im Vergleich zum Formwechsel aufwändiger erweisen. Durch die höhere Anzahl notarieller Urkunden (Verschmelzungsvertrag und Zustimmungsbeschlüsse aller beteiligten Gesellschaften) entstehen höhere Notarkosten. Zu beachten ist ferner, dass die Verschmelzung – wiederum anders als der Formwechsel2 – arbeitsrechtlich ein Rechtsgeschäft i.S. des § 613a BGB darstellt, wenn mit der Verschmelzung ein Betrieb oder Betriebsteil übergeht.3 Da § 613a Abs. 1, 4 bis 6 BGB – wie § 324 UmwG klarstellt – nicht durch das Umwandlungsrecht verdrängt wird, sind in diesem Fall die Arbeitnehmer unabhängig von der Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat über die Verschmelzung zu unterrichten. Weitere nachteilige Folgen werden hieraus i.d.R. aber nicht entstehen: Da die GmbH mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister liquidationslos erlischt, steht den Arbeitnehmern – entgegen dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 BGB – insbesondere kein Widerspruchsrecht zu, so dass diese den Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht verhindern können, sondern auf eine Kündigung angewiesen sind.4
11.13
In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Haupthindernis einer Verschmelzung die damit verbundene Grunderwerbsteuerbelastung sein. Ist diese hinnehmbar, oder sind im Vermögen der Gesellschaft keine Grundstücke bzw. keine diesen für die Grunderwerbsteuer gleichgestellte Rechte enthalten, kann es sich trotz der vorgenannten weiteren Nachteile anbieten, statt des Formwechsels den Weg der Verschmelzung zu gehen. Ein solches Vorgehen kann sich z.B. deswegen anbieten, weil mit einer Verschmelzung – anders als beim Formwechsel – handelsbilanziell ein Ansatz der Vermögensgegenstände über den Buchwerten der GmbH und damit eine Verbesserung der Eigenkapitalquote erreicht werden kann (s. dazu Rz. 11.47). 1 Vgl. § 176 HGB. Nach dem OLG Frankfurt ist die Firmierung als GmbH & Co. KG jedoch ausreichend, um die Haftung des Kommanditisten gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter bereits vor Eintragung der KG nach § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuschließen, OLG Frankfurt v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326. 2 Joost in Lutter, § 324 UmwG Rz. 14. Zu den Folgen eines Formwechsels einer GmbH in eine GmbH & Co. KG auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers der GmbH vgl. BGH v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, DB 2007, 1072 = GmbHR 2007, 606. 3 Vgl. dazu Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, B Rz. 90 m.w.N. 4 BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, DB 2008, 1578; vgl. auch Willemsen in Kallmeyer, § 324 UmwG Rz. 44.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
3. Formwechsel a) Allgemeines Wesentliches Element eines Formwechsels ist der notariell zu beurkundende Umwandlungsbeschluss gem. § 193 UmwG. Der notwendige Mindestinhalt dieses Beschlusses bestimmt sich nach § 194 UmwG und den ergänzenden Vorschriften der §§ 226 ff. UmwG. Der erste Schritt zur Durchführung des Formwechsels ist jedoch der von dem Vertretungsorgan des formwechselnden Rechtsträgers nach § 192 UmwG zu erstattende schriftliche Bericht, in dem der Formwechsel und insbesondere die künftige Beteiligung der Gesellschafter an der aufnehmenden Personengesellschaft rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen sind.1 Der Umwandlungsbericht muss nach § 192 Abs. 1 Satz 3 UmwG bereits einen Entwurf des Umwandlungsbeschlusses enthalten (s. Rz. 11.18 ff.). Allerdings können die Gesellschafter der GmbH in notariell zu beurkundender Erklärung auf die Erstattung des Umwandlungsberichts verzichten (§ 192 Abs. 2 UmwG). Ein Umwandlungsbericht ist darüber hinaus auch ohne einen darauf gerichteten Verzicht nicht erforderlich, wenn an dem formwechselnden Rechtsträger nur ein Anteilsinhaber beteiligt ist (§ 192 Abs. 2 Satz 1 UmwG). Das ist u.E. auch dann gegeben, wenn die zukünftige Komplementär-GmbH erst im Zuge des Formwechsels hinzutritt und bisher an der formwechselnden Gesellschaft nur ein Anteilsinhaber beteiligt war, so dass auch in diesem Fall ein Umwandlungsbericht bereits nach § 192 Abs. 2 Satz 1 UmwG nicht erforderlich ist, ohne dass es entsprechender Verzichtserklärungen bedarf. Zwar ist für die Frage, ob an der formwechselnden Gesellschaft ein oder mehrere Gesellschafter beteiligt sind, auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels abzustellen,2 die Komplementär-GmbH wird aber nicht Gesellschafter der formwechselnden GmbH. Sie ist insoweit auch nicht schutzwürdig, da sie von den rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen des Formwechsels nicht betroffen ist. Die Praxis wird sich in diesen Fällen jedoch behelfen, indem die Gesellschafter der zukünftigen GmbH & Co. KG – einschließlich der Komplementär-GmbH – nach § 192 Abs. 2 Satz 2 UmwG vorsorglich auf den Umwandlungsbericht verzichten.
11.14
b) Umwandlungsbericht Der Umwandlungsbericht gem. § 192 Abs. 1 UmwG dient ausschließlich den Interessen der Anteilsinhaber.3 Andere Beteiligte – etwa Gläubiger der Gesellschaft oder das Registergericht – können nicht in den Schutzbereich einbezogen werden. Dies zeigt sich insbesondere auch daran, dass die Anteilsinhaber gem. § 192 Abs. 2 UmwG auf den Umwandlungsbericht verzichten können, also die alleinigen Dispositionsbefugten sind. Der Umwandlungsbericht soll den Gesellschaftern als 1 Nach § 230 Abs. 1 UmwG haben die Geschäftsführer einer formwechselnden GmbH allen Gesellschaftern spätestens zusammen mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung, die den Formwechsel beschließen soll, den Umwandlungsbericht zu übersenden. 2 Bärwaldt in Semler/Stengel, § 192 UmwG Rz. 32; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 192 UmwG Rz. 24 (Stand: Mai 2008). 3 Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 192 UmwG Rz. 2; i.E. ähnlich Stratz in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 192 UmwG Rz. 1.
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11.15
§ 11
Umstrukturierungen
Grundlage dienen, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Formwechsels beurteilen zu können. Nicht erforderlich ist es jedoch, dass der Anteilseigner aufgrund dieses Berichtes in die Lage versetzt wird, den Formwechsel in allen Einzelheiten auf seine inhaltliche Richtigkeit und rechtliche Korrektheit zu überprüfen; die Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle reicht aus.1 Um Klagen gegen den Umwandlungsbeschluss vorzubeugen, ist der Bericht mit äußerster Sorgfalt abzufassen und sollte in den Grenzen der §§ 192 Abs. 1 Satz 2, 8 Abs. 2 UmwG eher zu umfangreich als zu knapp gehalten werden. Hinsichtlich des Umfangs kann dabei auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die bisher zum Verschmelzungsbericht ergangen ist.2 Als wesentliche Eckpunkte sind in dem Bericht – soweit einschlägig – darzulegen bzw. zu erläutern: 11.16
(1) Die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe des Formwechsels, wobei alle wesentlichen Vor- und Nachteile des Formwechsels insbesondere aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu erläutern und mögliche Alternativgestaltungen anzugeben sind. Dabei ist auch auf die Einzelheiten des konkreten Beschlusses über den Formwechsel einzugehen. (2) Die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Formwechsels. Zu erläutern sind insbesondere die Auswirkungen des Formwechsels auf die Beteiligung des Gesellschafters und seine gesellschaftsrechtliche Stellung, z.B. Änderungen in der Übertragbarkeit der Beteiligung sowie der Rechte und Pflichten des Gesellschafters in der neuen Rechtsform. Jede qualitative und wertmäßige Veränderung der Anteile ist zu erläutern. Dazu gehören auch Angaben über die Steuern, die durch den Formwechsel ggf. ausgelöst werden, und über die zukünftige Besteuerung des Gesellschafters. (3) Das Barabfindungsgebot nach § 207 UmwG. Ist ein Barabfindungsgebot abzugeben, so ist im Umwandlungsbericht dessen Ermittlung zu erläutern. Das Gesellschaftsvermögen ist zu bewerten und die Bewertungsmethode mit genauer Schilderung der Wertverhältnisse des Gesellschaftsvermögens darzulegen. Grenze ist wiederum § 8 Abs. 2 UmwG. In diesem Zusammenhang ist auch auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung hinzuweisen.3 (4) Die Lage verbundener Unternehmen (§ 15 AktG). Ist die umzuwandelnde Gesellschaft ein verbundenes Unternehmen, sind Angaben über die Lage verbundener Unternehmen (§ 15 AktG) zu machen, insbesondere die Auswirkungen des Formwechsels auf Tochterunternehmen bedürfen detaillierter Angaben, soweit diese bei dem Formwechsel von Relevanz sind (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UmwG).
1 OLG Hamm v. 4.3.1999 – 8 W 11/99, ZIP 1999, 798 (801) = GmbHR 1999, 721; OLG Düsseldorf v. 15.3.1999 – 17 W 18/99, ZIP 1999, 793 (794) = GmbHR 1999, 721; OLG Frankfurt/M. v. 20.3.2012 – 5 AktG 4/11, AG 2012, 414 zu einem ungenügenden Verschmelzungsbericht; Decher/Hoger in Lutter, § 192 UmwG Rz. 9, 10; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 192 UmwG Rz. 33 (Stand: Mai 2008); Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 192 UmwG Rz. 8. 2 Bärwaldt in Semler/Stengel, § 192 UmwG Rz. 9 m.w.N. zur Rspr.; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 192 UmwG Rz. 7. 3 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 192 UmwG Rz. 49 (Stand: Mai 2008).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Eine Vermögensaufstellung ist nicht mehr Gegenstand des Umwandlungsberichts.1 In dieser Aufstellung waren die Vermögensgegenstände mit dem wirklichen Wert anzusetzen, der ihnen am Tag der Erstellung des Berichts beizulegen war. Dies war problematisch, weil der Umwandlungsbericht beim Handelsregister einzureichen ist. Die damit verbundene Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse konnte – je nach Situation – unerwünscht, wirtschaftlich nachteilig oder sogar existenzgefährdend sein. In der Praxis wurde daher weitestgehend auf den Umwandlungsbericht verzichtet.2
11.17
c) Umwandlungsbeschluss Der Umwandlungsbeschluss tritt bei dem Formwechsel an die Stelle des Verschmelzungsvertrages. Der Entwurf ist von der Geschäftsführung zu verfassen. Dessen Mindestinhalt ergibt sich aus § 194 Abs. 1 UmwG. Bei der Abfassung des Beschlusses empfiehlt es sich der Übersichtlichkeit halber, die Reihenfolge über den Mindestinhalt nach dieser Vorschrift einzuhalten. Es empfiehlt sich zudem, das Fehlen eines der in § 194 Abs. 1 Nr. 1–7 UmwG aufgezählten Punkte ausdrücklich zu erwähnen und Fehlanzeige zu erstatten, um einen möglichst reibungslosen Ablauf des Registerverfahrens zu ermöglichen.
11.18
Nach § 194 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist die Rechtsform des neuen Rechtsträgers und nach § 194 Abs. 1 Nr. 2 UmwG der Name oder die Firma des neuen Rechtsträgers anzugeben. Die Firmenwahl war früher ein Problem, da die GmbH & Co. KG grundsätzlich die Firma ihrer Komplementär-GmbH führen musste. Mit dem Handelsrechtsreformgesetz ist eine weitgehende Firmenliberalisierung vollzogen worden. Entsprechend wurde auch § 200 UmwG angepasst, der nunmehr im Wesentlichen die Beibehaltung der Firma durch den Rechtsträger neuer Rechtsform sichert. Gem. § 200 Abs. 1 Satz 2 ist jedoch der Rechtsformzusatz zu ändern. Aus dem Katalog des § 194 UmwG sind darüber hinaus hervorzuheben: die Bestimmung der Notwendigkeit von Zahl, Art und Umfang der Anteile oder der Mitgliedschaften der Anteilsinhaber aufgrund des Formwechsels (Nr. 4), die Notwendigkeit eines Abfindungsangebotes (Nr. 6) sowie der Hinweis auf die Folgen für die Arbeitnehmer (Nr. 7). Darüber hinaus sind nach § 234 UmwG beim Formwechsel in eine Kommanditgesellschaft die Bestimmung des Sitzes der Personengesellschaft und die Angabe der Kommanditisten sowie des Betrages der Einlage (= Haftsumme i.S.v. § 162 Abs. 1 Satz 1 HGB) eines jeden von ihnen erforderlich. Nach § 234 Nr. 3 UmwG muss in dem Umwandlungsbeschluss zudem der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft enthalten sein.
11.19
Gestaltungshinweis: Die Aufnahme des Gesellschaftsvertrages der zukünftigen Personengesellschaft in den Umwandlungsbeschluss wird wegen der damit verbundenen Offenlegung vielfach unerwünscht sein. In der Praxis kann es sich daher in Einzelfällen anbieten, den Gesellschaftsvertrag der mit dem Formwechsel ent-
11.20
1 § 192 UmwG i.d.F. des zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4. 2007, BGBl. I 2007, 542. 2 Zur Problematik nach altem Recht: Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 192 UmwG Rz. 53 (Stand: Mai 2008); Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 192 UmwG Rz. 18 ff.
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§ 11
Umstrukturierungen
stehenden Personengesellschaft zunächst möglichst einfach abzufassen. Nach Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister sind die Gesellschafter dann frei, diesen weiter zu spezifizieren und ihren Bedürfnissen anzupassen.1 11.21
Der Formwechsel greift wie jede Umwandlung tiefgreifend in die Struktur der Gesellschaft und deren Anteilsinhaber ein. Insbesondere können die Anteilsinhaber in eine für sie nachteilige Rechtsform gedrängt werden. Es bedarf daher wirksamer Schutzmechanismen. Andererseits ist Anteilsinhaberschutz in erster Linie Minderheitenschutz. Bedarf der Formwechsel der Zustimmung eines Betroffenen, verdient dieser nur Schutz, wenn er ungenügend informiert oder gar getäuscht wird. Ein darüber hinausgehender Schutz ist nur notwendig, wenn der Formwechsel nicht der Zustimmung des Betroffenen bedarf, weil §§ 233 ff. UmwG Mehrheitsentscheidungen zulassen (s. dazu Rz. 11.27). Als Ausgleich sehen §§ 207 ff. UmwG vor, dass jedem Anteilsinhaber, der gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt, eine angemessene Barabfindung für sein Ausscheiden angeboten werden muss. Das Abfindungsangebot muss bereits im Formwechselbeschluss enthalten sein.2 Es muss so konkret gefasst sein, dass es ohne weiteres angenommen werden kann; insbesondere muss die Barabfindung benannt sein. Die Angabe einer Formel zur Berechnung der Abfindung reicht nicht.3 Das Abfindungsangebot muss angemessen sein. Es ist der volle wirtschaftliche Wert (Verkehrswert) der Beteiligung abzufinden, ohne dass es auf abweichende Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag der formwechselnden Gesellschaft ankommt.4 Hierzu ist i.d.R. eine Unternehmensbewertung durchzuführen. Ein Börsenkurs, der bei der Bestimmung des Abfindungsangebotes zu beachten sein könnte,5 besteht bei der GmbH nicht. Kann von den Gesellschaftern kein – in notarieller Form zu erbringender – Verzicht erreicht werden, hat eine Prüfung des Abfindungsangebotes zu erfolgen (§§ 208, 30 Abs. 2 UmwG).6
11.22
Die Folgen des Formwechsels für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen müssen ebenfalls im Umwandlungsbeschluss niedergelegt werden (§ 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG). Anzugeben sind die Auswirkungen des Formwechsels auf die Rechtsstellung der Arbeitnehmer sowie ihrer Repräsentationsorgane. Da der Formwechsel identitätswahrend ist, ergeben
1 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 234 UmwG Rz. 9. Vor diesen Hintergrund wird in der Lit. die Auffassung vertreten, dass nicht der gesamte Gesellschaftsvertrag, sondern nur die zwingenden Inhalte dem Handelsregister vorzulegen sind, Ihrig in Semler/Stengel, § 234 UmwG Rz. 20. 2 Zur Kritik s. Vollrath in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 194 UmwG Rz. 45 (Stand: Oktober 2000). 3 Kalss in Semler/Stengel, § 207 UmwG Rz. 9; Decher/Hoger in Lutter, § 207 UmwG Rz. 15; Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 207 UmwG Rz. 28. 4 OLG Karlsruhe v. 26.9.2002 – 9 U 195/01, DB 2003, 31; Zeidler in Semler/Stengel, § 208 UmwG Rz. 4; Decher/Hoger in Lutter, § 208 UmwG Rz. 4. 5 Vgl. dazu BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (304 ff., 307) = AG 1999, 566 m. Komm. Vetter; BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 (284 ff.). 6 Über § 30 Abs. 2 UmwG gilt auch § 11 UmwG. Das Abfindungsangebot ist daher von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – u.U. auch von einem vereidigten Buchprüfer oder einer Buchprüfungsgesellschaft – zu prüfen.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
sich für die Arbeitnehmer direkt keine Folgen.1 Insbesondere werden keine Arbeitsverhältnisse übergeleitet, so dass § 613a Abs. 1 BGB keine Anwendung findet. Der bestehende Betriebsrat bleibt unverändert im Amt. Die Rechtsform des Betriebsinhabers ist betriebsverfassungsrechtlich ohne Bedeutung. Als mögliche Folge des Formwechsels für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bleibt nur ein Wechsel des mitbestimmungsrechtlichen Status. Da bei einer typischen GmbH & Co. KG, bei der die Komplementär-GmbH keinen wesentlichen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält und von den Kommanditisten beherrscht wird, die Arbeitnehmer der KG unter den Voraussetzungen der §§ 4 Abs. 1, 5 MitbestG für Zwecke dieses Gesetzes der Komplementärin zugerechnet werden, führt der Formwechsel von der GmbH in die GmbH & Co. KG i.d.R. nicht zu einem Mitbestimmungsverlust.2 Ein solcher Verlust des Mitbestimmungsrechts kann z.B. eintreten, wenn als einzige Komplementärin keine GmbH, sondern eine Komplementärin ausländischen Rechts der Kommanditgesellschaft beitritt. Eine weitere Ausnahme besteht, wenn die formwechselnde GmbH nicht mehr als 2000 Arbeitnehmer, aber mehr als 500 Arbeitnehmer hat. In diesem Fall unterliegt die GmbH dem Drittelbeteiligungsgesetz3 und hat einen Aufsichtsrat zu bilden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). Dieser fällt mit dem Formwechsel weg, da das DrittelbG keine den §§ 4 und 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 MitbestG entsprechende Regelung aufweist. Auch eine spezielle umwandlungsrechtliche Regelung besteht insoweit nicht. § 325 UmwG ist – auch nicht entsprechend4 – anwendbar. Der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses ist spätestens einen Monat vor dem Tag der Gesellschafterversammlung, die über den Formwechsel beschließen soll, dem Betriebsrat zuzuleiten (§ 194 Abs. 2 UmwG). Da § 194 Abs. 2 UmwG nur den Beschlussentwurf benennt, unterfällt auch nur dieser und nicht etwa auch der Umwandlungsbericht der Zuleitungsverpflichtung.5 Dass der Beschlussentwurf nur unselbständiger Bestandteil des Umwandlungsberichts ist (§ 192 Abs. 1 Satz 3 UmwG), ist hierfür unerheblich. Andererseits folgt hieraus, dass auch dann, wenn die Gesellschafter auf den Umwandlungsbericht verzichten, der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses in der Monatsfrist dem Betriebsrat zuzuleiten ist.6 Das Informationsrecht des Betriebsrats kann somit nicht unterlaufen werden. Hinzuweisen ist zudem auf die weiter gehenden Beteiligungspflichten nach §§ 111 ff. BetrVG. Diese greifen jedoch nur, wenn mit dem Formwechsel eine Veränderung 1 Das organschaftliche Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers einer GmbH wird durch deren Umwandlung in eine GmbH & Co. KG nicht in ein dem Kündigungsschutz unterliegendes Arbeitsverhältnis überführt, BGH v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, DB 2007, 1072 = GmbHR 2007, 606. 2 Zu den einzelnen Fallgestaltungen, in denen ein Mitbestimmungsverlust eintreten kann, vgl. Seibt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, F Rz. 69 ff. 3 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat v. 18.5.2004, BGBl. I 2004, 974. 4 Joost in Lutter, § 325 UmwG Rz. 13, 15; Simon in Semler/Stengel, § 325 UmwG Rz. 3; Willemsen in Kallmeyer, Vor § 322 UmwG Rz. 95; differenzierend für den Fall des missbräuchlichen Formwechsels vor einer Spaltung: Wißmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 325 UmwG Rz. 19 (Stand: März 2012). 5 Decher/Hoger in Lutter, § 194 UmwG Rz. 43; Willemsen in Kallmeyer, § 194 UmwG Rz. 60. 6 Willemsen in Kallmeyer, § 194 UmwG Rz. 61.
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§ 11
Umstrukturierungen
der Betriebsstruktur beabsichtigt ist. Die bloße Veränderung der Rechtsform löst auch im Fall der Umwandlung eines Unternehmens nach dem Umwandlungsgesetz keine Beteiligungsrechte aus.1 11.24
Die Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses an den Betriebsrat ist dem Registergericht gegenüber nachzuweisen und somit Voraussetzung für die Eintragung der Umwandlung (§ 199 UmwG). Wie der Nachweis zu erbringen ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Es empfiehlt sich, dem Registergericht eine Empfangsbestätigung des Vorsitzenden des Betriebsrats einzureichen.
11.25
Hat das formwechselnde Unternehmen keinen Betriebsrat, so besteht keine Verpflichtung, für Zwecke des Formwechsels einen Betriebsrat einzurichten.2 Das gilt auch dann, wenn die gesetzlichen Grenzen für die Einrichtung eines Betriebsrats überschritten sind, da aus den arbeitsrechtlichen Vorschriften lediglich ein Recht der Arbeitnehmer folgt, einen Betriebsrat bilden zu können. Das Nichtbestehen des Betriebsrats ist dem Handelsregister durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Hier reicht u.E. eine schlichte Fehlanzeige der Vertreter der formwechselnden Gesellschaft aus. Eine besondere Form des Nachweises, etwa eine eidesstattliche Versicherung, verlangt das Gesetz nicht.3 Eine Verpflichtung der formwechselnden Gesellschaft, die betroffenen Arbeitnehmer in diesem Fall direkt, etwa durch einen Aushang am „Schwarzen Brett“, zu informieren, besteht ebenfalls nicht.4 Geht die Zuleitungspflicht mangels eines Betriebsrats ins Leere, hat auch die Erläuterung der Folgen des Formwechsels für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen im Umwandlungsbeschluss keinen Sinn, so dass diese ersatzlos entfällt.5
11.26
Neben den Gesellschaftern und Arbeitnehmern sind von der Umwandlung als dritte Gruppe die Gläubiger der formwechselnden Gesellschaft betroffen. Zwar bleibt die Schuldnerin wegen der identitätswahrenden Wirkung des Formwechsels rechtlich bestehen, erhält jedoch eine andere Haftungsverfassung. Hier kann die – durch das Vermögen der Komplementärin begrenzte – Vollhaftung derselben u.U. den Wegfall der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht ausgleichen. Diese Auswirkungen sind im Formwechselbeschluss nicht darzulegen. Das UmwG weist den Gläubigern jedoch einen Anspruch auf Sicherheitsleistung zu, wenn sie glaubhaft machen können, dass durch den Formwechsel die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet ist (§§ 204, 22 UmwG). Das wird aber nur ganz ausnahmsweise der Fall sein. 1 Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, C Rz. 382. 2 Allg.M.: Decher/Hoger in Lutter, § 194 UmwG Rz. 40; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rz. 262 (Stand: April 2013). 3 So aber AG Duisburg v. 4.1.1996 – 23 HRB 4942/5935, GmbHR 1996, 372; Felix, KÖSDI 1995, 10232, (10235 Rz. 11 a.E.). Wie hier Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rz. 263 (Stand: April 2013); Willemsen in Kallmeyer, § 5 UmwG Rz. 79. 4 Decher/Hoger in Lutter, § 194 UmwG Rz. 40; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, § 194 UmwG Rz. 12 und 13; Willemsen in Kallmeyer, § 5 UmwG Rz. 79; a.A. Korn, KÖSDI 1995, 10273 (10276 Rz. 15); Pfaff, BB 2002, 1604 (1608). 5 Joost, ZIP 1995, 976 (985); wohl auch Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rz. 262 (Stand: April 2013); a.A. Müller, DB 1997, 713 (716); Willemsen in Kallmeyer, § 5 UmwG Rz. 79: Angaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG bleiben erforderlich, allerdings naturgemäß mit Ausnahme derjenigen, die sich auf die Vertretung der Arbeitnehmer beziehen.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
d) Beschlussfassung Die Anforderungen an den Beschluss der Gesellschafterversammlung über den Formwechsel in eine Kommanditgesellschaft sind in § 233 Abs. 2 UmwG geregelt. Danach bedarf der Umwandlungsbeschluss einer Mehrheit von zumindest drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 233 Abs. 2 Satz 1 UmwG). Evtl. weiter reichende Beschlusserfordernisse nach dem Gesellschaftsvertrag bleiben jedoch in Kraft. Es ist daher zunächst darauf zu achten, dass viele Gesellschaftsverträge für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung ein bestimmtes Beschlussquorum verlangen (z.B. müssen 75 % des Stammkapitals vertreten sein). Darüber hinaus kann der Gesellschaftsvertrag auch eine höhere Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse dieser Art vorschreiben.
11.27
Zu beachten ist zudem, dass nach § 233 Abs. 2 Satz 3 UmwG Gesellschafter, die die persönliche Haftung in der künftigen Personengesellschaft übernehmen sollen, dem Umwandlungsbeschluss zustimmen müssen. Diese Regelung entspricht § 233 Abs. 1 UmwG für den Formwechsel in eine oHG. Auch hier soll verhindert werden, dass ein Gesellschafter aufgrund einer Mehrheitsentscheidung gegen seinen Willen in die unbeschränkte persönliche Haftung gedrängt wird. Unabhängig von der jeweils geltenden Mehrheitsbestimmung nach Gesellschaftsvertrag oder Gesetz ist somit immer die Zustimmung der künftigen persönlich haftenden Gesellschafterin erforderlich. Sollte diese nicht vertreten sein, muss sie in notarieller Form dem Gesellschafterbeschluss zustimmen, um den Formwechsel vollziehen zu können. Selbst wenn man mit der oben dargestellten Auffassung davon ausgeht, dass die zukünftige Komplementär-GmbH erst im Zuge des Formwechsels beitritt, ist es somit zumindest erforderlich, dass diese Gesellschaft vor Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister ihre Zustimmung erklärt.
11.28
Für die Beschlussfassung sind die folgenden Formalien zu beachten: Die Geschäftsführer der GmbH berufen die Gesellschafterversammlung ein mit dem Tagesordnungspunkt „Formwechsel der Firma X-GmbH“. Hierbei sind – sofern die Gesellschafter hierauf nicht verzichten – Formen und Fristen, wie sie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind, zu beachten. Sollten hierzu keine Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag enthalten sein, so erfolgt die Einberufung mittels eingeschriebenen Briefes. Die Ladungsfrist beträgt mindestens eine Woche (§ 51 GmbHG). Spätestens mit der Einberufung haben die Geschäftsführer den Gesellschaftern den Umwandlungsbericht (§ 30 Abs. 1 UmwG) und das Abfindungsangebot (§ 231 UmwG) zu übersenden.
11.29
Die Durchführung und der Ablauf der Gesellschafterversammlung richten sich nach den bisherigen Gegebenheiten bei der GmbH mit der Besonderheit, dass der von allen Geschäftsführern zu unterzeichnende Umwandlungsbericht in der Versammlung auszulegen ist (§ 232 Abs. 1 UmwG). Jedoch können die Gesellschafter auch auf die Einhaltung dieser Formalie verzichten. Der Notar wird zweckmäßigerweise in die Niederschrift entweder die Auslage des Umwandlungsberichts aufnehmen oder aber einleitend feststellen, dass die erschienenen Gesellschafter auf die Auslage des Umwandlungsberichts verzichtet haben.
11.30
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§ 11
Umstrukturierungen
e) Anmeldung und Eintragung 11.31
Die Geschäftsführer der GmbH haben nach §§ 198, 235 Abs. 2 UmwG den Formwechsel zur Eintragung bei dem Register, in dem die GmbH eingetragen ist, anzumelden. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, so ist die Anmeldung durch eine vertretungsberechtigte Anzahl der Geschäftsführer ausreichend.1 Um jedoch keine praktischen Schwierigkeiten aufkommen zu lassen, kann nur empfohlen werden, dass alle Geschäftsführer die Anmeldung vornehmen.
11.32
Inhalt der Anmeldung ist der Formwechsel selbst, die Bestellung neuer Vertretungsorgane sowie die Versicherungen nach §§ 198 Abs. 3, 16 Abs. 2 UmwG. Insbesondere haben die Geschäftsführer zu erklären, dass eine Klage gegen den Umwandlungsbeschluss nicht anhängig ist.
11.33
Der Anmeldung sind nach § 199 UmwG beizufügen: – eine Ausfertigung der notariellen Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der formwechselnden Gesellschaft mit dem Beschluss über den Formwechsel, – nach dem Gesetz erforderliche Zustimmungen einzelner Gesellschafter, soweit nicht bereits in der Niederschrift enthalten, – der Umwandlungsbericht, – der Nachweis über die fristgerechte Zuleitung des Entwurfes des Umwandlungsbeschlusses an den Betriebsrat.
11.34
Haben die Gesellschafter auf den Umwandlungsbericht und/oder auf die Übersendung des Abfindungsangebotes verzichtet, treten an ihre Stelle die jeweiligen Verzichtserklärungen. Besteht kein Betriebsrat, ist Fehlanzeige zu erstatten. Eine gesetzliche Verpflichtung, die Übersendung des Abfindungsangebotes nachzuweisen, besteht nicht, doch empfiehlt sich dieses, um Rückfragen des Handelsregisters zu vermeiden. Insbesondere wenn die zukünftige KomplementärGmbH nicht auch in das Handelsregister der formwechselnden Gesellschaft eingetragen ist, bietet es sich aus gleichem Grund zudem an, der Anmeldung eine aktuelle beglaubigte Abschrift aus dem Handelsregister dieser Gesellschaft beizufügen.
11.35
Die Anmeldung hat elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 HGB). Die Anlagen sind ebenfalls in elektronischer Form beizufügen. Soweit es sich um notarielle Urkunden handelt, also die Niederschrift über den Formwechselbeschluss, die Zustimmungserklärungen einzelner Anteilseigner und etwaig abgegebener Verzichtserklärungen, ist die öffentlich beglaubigte Form erforderlich. Hinsichtlich der weiteren Unterlagen reicht die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung (§ 12 Abs. 2 HGB).
11.36
Mit der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister wird der Formwechsel wirksam. Die GmbH besteht nunmehr unter Wahrung ihrer Identität als GmbH & Co. KG fort (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Es kommt weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge noch bedarf es der Übertragung einzelner Vermögensgegenstände.
1 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 235 UmwG Rz. 5; Göthel in Lutter, § 235 UmwG Rz. 7.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Dem Prinzip der Identität entspricht die Kontinuität der Mitgliedschaft der Anteilsinhaber in der entstandenen GmbH & Co. KG (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG). Die bisherigen Gesellschafter sind nunmehr als Komplementäre oder Kommanditisten entsprechend dem Umwandlungsbeschluss an der GmbH & Co. KG beteiligt.1
11.37
4. Verschmelzung In der rechtlichen Konzeption unterscheidet sich die Verschmelzung von dem vorstehend dargestellten Formwechsel grundlegend. Ausgangspunkt einer Verschmelzung sind zwei bestehende Gesellschaften, von denen entweder die eine auf die andere verschmolzen wird (Verschmelzung durch Aufnahme gem. § 2 Nr. 1 UmwG) oder die beide auf eine neu entstehende Gesellschaft verschmolzen werden (Verschmelzung durch Neugründung gem. § 2 Nr. 2 UmwG). Entsprechend ist die Verschmelzung nicht identitätswahrend, sondern führt zu der Übertragung von Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, jedoch ohne Liquidation der übertragenden Gesellschaft.
11.38
An Stelle des Beschlusses über den Formwechsel tritt bei einer Verschmelzung der notariell zu beurkundende Verschmelzungsvertrag, der von den beteiligten Gesellschaften durch ihre Vertretungsorgane geschlossen wird (§§ 4, 6 UmwG). Der Mindestinhalt ergibt sich aus §§ 5, 29, 40 UmwG; er ist weitgehend mit dem Mindestinhalt des Beschlusses über den Formwechsel identisch, geht aber insoweit darüber hinaus, als dass zusätzlich die Vermögensübertragung einschließlich des Verschmelzungsstichtages, also des Zeitpunktes, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG), und die Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger (Umtauschverhältnis) zu regeln sind. Die Vertretungsorgane der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften haben über die Verschmelzung nach §§ 8 Abs. 1, 36 UmwG einen Verschmelzungsbericht zu erstatten, der Gegenstand einer Verschmelzungsprüfung ist (§§ 9 ff., 36 UmwG). Ein Verschmelzungsbericht ist nicht erforderlich, wenn alle Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger hierauf in notarieller Urkunde verzichten oder sich alle Anteile an dem übertragenden Rechtsträger in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden (§ 8 Abs. 3 UmwG). Der Vertrag oder sein Entwurf ist durch sachverständige Prüfer zu prüfen, soweit dies gesetzlich besonders angeordnet ist (§ 9 Abs. 1 UmwG i.V.m. §§ 44, 48, 60 Abs. 1, 100 UmwG), insbesondere wenn der Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentscheidung vorsieht und einer der Gesellschafter die Prüfung verlangt (§§ 44, 43 Abs. 2 UmwG). Auch hier ist ein Verzicht durch sämtliche Anteilsinhaber in notarieller Erklärung möglich (§ 9 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 UmwG).
11.39
Der Verschmelzungsvertrag wird wirksam, wenn die Anteilsinhaber/Gesellschafter der beteiligten Rechtsträger diesem in einer Gesellschafterversammlung durch notariell beurkundeten Beschluss zustimmen (§ 13 Abs. 1 UmwG). Eine Beschlussfassung im schriftlichen Abstimmungsverfahren ist nicht zulässig. Die
11.40
1 Vgl. zum Zeitpunkt des Beitritts der (zuvor nicht an der GmbH beteiligten) Komplementärgesellschaft bereits Rz. 11.9.
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§ 11
Umstrukturierungen
für die Beschlussfassung notwendige Mehrheit hängt von der Rechtsform und dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung der jeweiligen Gesellschaft ab. § 43 Abs. 1 UmwG sieht bei der Beteiligung einer Personengesellschaft die Zustimmung aller Gesellschafter vor; bei Kapitalgesellschaften reicht für den Beschluss i.d.R. eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§§ 50 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG). Die Bestimmungen über die Mehrheitserfordernisse sind jedoch eingeschränkt abdingbar. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann eine größere Mehrheit vorsehen; der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft kann von dem Einstimmigkeitserfordernis abweichen und eine Mehrheitsentscheidung von mindestens drei Vierteln der Stimmen zulassen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 UmwG).1 11.41
Die Vertretungsorgane der beteiligten Gesellschaften haben die Verschmelzung – elektronisch in öffentlich beglaubigter Form – zum jeweiligen Handelsregister anzumelden (§ 16 Abs. 1 UmwG). Mit der Eintragung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaften einschließlich der Verbindlichkeiten auf die übernehmende Gesellschaft über, erlöschen die übertragenden Gesellschaften, ohne dass es einer besonderen Löschung bedarf, und werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaften zu Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwG).
5. Handelsrechtliche Rechnungslegung 11.42
Im Gegensatz zum Formwechsel, der identitätswahrend ausgestaltet und der deshalb in der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht abzubilden ist,2 sind bei der vermögensübertragenden Verschmelzung handelsrechtliche Umwandlungsbilanzen aufzustellen. Es ist wie folgt zu unterscheiden:3
11.43
Die GmbH als übertragende Gesellschaft ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG verpflichtet, eine Schlussbilanz aufzustellen. Diese ist erforderlich, da die GmbH definitionsgemäß mit der Wirksamkeit der Verschmelzung erlischt (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Für die Schlussbilanz gelten wegen § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG die handelsrechtlichen Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend, so dass diese Bilanz einer Ertragsbilanz entspricht. Eine Vermögens- oder Kapitalnachweisbilanz ist nicht erforderlich. Die Schlussbilanz ist auf den Tag vor dem handelsrechtlichen Ver1 Besondere Anforderungen an eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung bestehen nicht. Der BGH hat den sog. Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem sich eine vom Einstimmigkeitsprinzip abweichende Regelung hinsichtlich gravierender Beschlussgegenstände unzweideutig aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben muss, aufgegeben, BGH v. 21.10. 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = GmbHR 2014, 1303; vgl. dazu etwa auch Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 43 UmwG Rz. 111 ff. (Stand: Mai 2015); H.-J. Priester, NZG 2015, 529; Heckschen/Bachmann, NZG 2015, 531 sowie Rz. 4.158 ff. Ausreichend ist damit eine Bestimmung, die eine Mehrheitsentscheidung allgemein für „Umwandlungen“ zulässt, ohne dass die Verschmelzung ausdrücklich genannt sein muss. 2 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen eines Formwechsels auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 41) (Stand 6.9.2012), IDW-Fn 2012, 539. 3 Vgl. ausführlich auch zur Frage der Rechnungslegung IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701; Rödder in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, Anh. 2.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
schmelzungsstichtag aufzustellen. Ist als Verschmelzungsstichtag also der 1.1. gewählt, so ist die Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft auf den 31.12. des vorhergehenden Jahres aufzustellen. Der Stichtag der Schlussbilanz kann nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG bis zu acht Monaten vor der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister liegen. Regelmäßig wird daher als Schlussbilanz die reguläre Jahresbilanz der GmbH verwandt werden. Die Anmeldung zum Handelsregister muss dann bis zum 31.8. des Folgejahres vorgenommen werden. Die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht der übertragenden Gesellschaft ist von der Wahl des Verschmelzungsstichtages nicht betroffen. Sie endet grundsätzlich erst mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister. Erst dann geht auch das Vermögen zivil- und handelsrechtlich über, es sei denn, dass der übernehmenden Gesellschaft schon vorher das wirtschaftliche Eigentum an den Vermögensgegenständen verschafft wird.1 Bis dahin handelt die übertragende Gesellschaft für Rechnung des Übernehmers.
11.44
Anders ist die Rechtslage für die übernehmende Gesellschaft. Besteht diese bereits, so wird durch das UmwG keine handelsrechtliche Verpflichtung begründet, eine mit der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft korrespondierende Übernahmebilanz aufzustellen. Die Übernahme der Vermögensgegenstände und Schulden ist als laufender Geschäftsvorfall zu behandeln.2 Lediglich bei der Verschmelzung zur Neugründung ist eine Eröffnungsbilanz erforderlich. Rechtsgrundlage ist hier § 242 HGB.
11.45
Erfolgt die Verschmelzung mit Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft, so werden die Anschaffungskosten des übernehmenden Rechtsträgers durch den Ausgabebetrag der dafür gewährten Anteile bestimmt. Damit kann i.E. jeder Betrag zwischen dem Nominalbetrag der Kapitalerhöhung und dem Zeitwert des übernommenen Vermögens angesetzt werden.3 Bei einer Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung ist wie folgt zu unterscheiden: Ist die übernehmende Gesellschaft an der übertragenen Gesellschaft beteiligt, liegt ein tauschähnlicher Vorgang vor und es besteht ein Wahlrecht, das übernommene Vermögen mit den Anschaffungskosten der untergehenden Anteile, deren Zeitwert oder einem ertragsneutralen Zwischenwert anzusetzen.4 Hält die übernehmende Gesellschaft keine Anteile an der übertragenden Gesellschaft (down-stream-merger oder side-stream-merger), ist von einer unentgeltlichen Gesellschafterleistung auszugehen. Die Anschaf-
11.46
1 Zu den Kriterien vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10. 2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 29. 2 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 32. 3 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 43. A.A. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwG Rz. 31: zwingender Ansatz mit dem Zeitwert. 4 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 45. A.A. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwG Rz. 50: zwingender Ansatz mit dem Zeitwert.
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§ 11
Umstrukturierungen
fungskosten bemessen sich dann nach dem vorsichtig geschätzten Zeitwert.1 Abweichend von den oben dargestellten allgemeinen Grundsätzen besteht nach § 24 UmwG für die übernehmende Gesellschaft aber auch das umwandlungsrechtliche Wahlrecht, als Anschaffungskosten der übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden die in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft angesetzten Werte zu übernehmen, d.h. die Buchwerte fortzuführen. 11.47
Die Fortführung der Buchwerte in der Handelsbilanz durch die übernehmende Gesellschaft kann unter mehreren Gesichtspunkten nicht gewünscht sein. War die GmbH & Co. KG vor der Verschmelzung an der GmbH beteiligt und liegen die Anschaffungskosten der GmbH-Anteile über der Summe der Buchwerte der übernommenen Vermögensgegenstände, so entsteht durch die Übernahme zu Buchwerten ein handelsrechtlicher Übernahmeverlust. Da dieser als laufender Verlust (außerordentlicher Aufwand) auszuweisen ist,2 wird dies gegenüber Dritten, insbesondere Banken und anderen Kreditgebern, zumindest Erklärungsbedarf auslösen. Schon aus diesem Grund sollte der Übernahmeverlust durch den Ansatz der übernommenen Vermögensgegenstände mit deren Zeitwert vermieden bzw. verringert werden (vgl. § 24 UmwG). Darüber hinaus wird es sich handelsrechtlich generell anbieten, im Rahmen einer Verschmelzung hohe Werte anzusetzen, um nach der Verschmelzung ein möglichst hohes handelsbilanzielles Eigenkapital auszuweisen und eine Verbesserung der Eigenkapitalquote zu erreichen.3
II. Steuerliche Aspekte 1. Das steuerliche Umwandlungskonzept, Anwendungsbereich a) Umwandlungskonzept 11.48
Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in/auf eine Personengesellschaft bewirkt steuerrechtlich einen Systemwechsel. Während das Körperschaftsteuersystem stille Reserven auf zwei Ebenen kennt, nämlich der Ebene der Kapitalgesellschaft und der Ebene der Anteilseigner, sind im Mitunternehmerkonzept stille Reserven nur auf einer Ebene vorhanden. Ziel des Umwandlungssteuerrechts ist es, den Wegfall einer Besteuerungsebene und den damit verbundenen Übergang von Wirtschaftsgütern von einem Steuersubjekt auf ein anderes Steuersubjekt zu regeln. Dies ist in den §§ 3 ff. UmwStG erfolgt.4 Die Regelung beruht in ihrer Kon1 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 47, 50. A.A. für den side-stream-merger: Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 2 Rz. 18: Es gelten die Tauschgrundsätze. 2 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 72. 3 Der Ansatz der Vermögensgegenstände mit ihrem Zeitwert begründet im Grundsatz nicht den Zwang, auch steuerlich die stillen Reserven aufzudecken (auch eine sog. phasenverschobene eingeschränkte Wertaufholung erfolgt nicht, s. Rz. 11.59). 4 Die Regelungen gelten auch für die Ermittlung des Gewerbeertrages, vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
zeption auf dem UmwStG 1995. Dort wurde die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in/auf eine Personengesellschaft erstmals ohne Aufdeckung stiller Reserven zugelassen (§§ 3 bis 10, 14 UmwStG 1995). Das UmwStG 1995 wurde mit dem StSenkG1 an das Halbeinkünfteverfahren angepasst2 und mit dem SEStEG3 europäisiert, zum Teil auch in der Konzeption geändert. Erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Umwandlungen hatte auch das UntStRG 2008.4 Hervorzuheben sind hier folgende Änderungen:
11.49
– Herabsetzung des steuerfreien Anteils der Einnahmen in § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG von 50 % auf 40 % (Teileinkünfteverfahren). – Einführung der sog. Abgeltungsteuer bzw. des besonderen Steuersatzes für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag, ggf. unter Berücksichtigung von Kirchensteuer (§§ 32d, 43 Abs. 5 EStG). – Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag, ggf. unter Berücksichtigung von Kirchensteuer (§ 43a Abs. 1 EStG). Die bislang letzten Änderungen des UmwStG erfolgten durch das AmtshilfeRLUmsetzungsgesetz vom 26.6.20135 für Umwandlungen und Einbringungen ab dem 7.6.2013, wodurch bestimmten Verlustnutzungsmodellen entgegengewirkt werden sollte,6 sowie durch das KroatienAnpG vom 25.7.2014.7 Weitere Änderungen – nur für die Einbringungstatbestände der §§ 20 ff., 24 UmwStG – sind im Steueränderungsgesetz 20158 enthalten. Für die zeitliche Anwendung der Änderungen aufgrund des UntStRG 2008 auf Umwandlungsvorgänge nach den §§ 3–9 UmwStG ist auf den Umwandlungsstichtag abzustellen. Fällt dieser in das Jahr 2009 oder in ein späteres Jahr, so greifen die Regelungen über das Teileinkünfteverfahren sowie der Abgeltungsteuer. Zudem ist der erhöhte Kapitalertragsteuersatz anzuwenden. Für steuerliche Umwandlungsstichtage, die vor dem 1.1.2009 liegen, findet dagegen wegen § 2 Abs. 1 UmwStG auch dann
1 Gesetz zu Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung v. 23.10. 2000, BGBl. I 2000, 1433. 2 In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber auch angeordnet, dass ein Umwandlungsverlust außer Ansatz bleibt, und damit den sog. Umwandlungsmodellen den Boden entzogen. Vgl. Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189 (1193); Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 789 (790). 3 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BStBl. I 2006, 2782. Diese Regelungen sind für Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister nach dem 12.12.2006 erfolgt ist. Für Einbringungen, deren Wirksamkeit keine Eintragung in ein öffentliches Register voraussetzt, ist das UmwStG n.F. erstmals anzuwenden, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Wirtschaftsgütern nach dem 12.12.2006 übergegangen ist (§ 27 Abs. 1 UmwStG). 4 UntStRG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 5 Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 6 Vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 2 UmwStG Rz. 130. 7 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 8 Vgl. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
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Umstrukturierungen
altes Recht Anwendung, wenn der Formwechsel oder die Verschmelzung zivilrechtlich im Jahr 2009 vollzogen wurde. Auf den steuerlichen Übertragungsstichtag ist auch für die Bestimmung des Kapitalertragsteuersatzes auf die von dem Anteilseigner zu versteuernden fiktiven Einnahmen i.S. des § 7 UmwStG abzustellen.1 Zwar entsteht diese Kapitalertragsteuer erst mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister; entscheidend für die Bestimmung des Kapitalertragsteuersatzes ist aber der Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen, also nach § 2 Abs. 1 UmwG der Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags.2 Die weiteren Beschränkungen der Verlustnutzung aufgrund des AmtshilfeRL-Umsetzungsgesetzes greifen erstmals für Umwandlungen, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister nach dem 6.6.2013 erfolgt ist (§ 27 Abs. 12 UmwStG). 11.51
In der Regelung der steuerlichen Folgen der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in/auf eine Personengesellschaft setzt das Umwandlungssteuergesetz auf drei Ebenen an: Der Ebene der übertragenen Kapitalgesellschaft, der Ebene deren Anteilseigner sowie der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft. Kern der Regelung ist, dass die in der Kapitalgesellschaft gebildeten stillen Reserven unter Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips auf die Personengesellschaft übertragen werden können. Die Rechtsfolgen auf Ebene der Kapitalgesellschaft werden dabei in § 3 UmwStG behandelt: Diese hat die Wirtschaftsgüter in ihrer Schlussbilanz grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 3 Abs. 1 UmwStG). Auf Antrag ist jedoch auch der Ansatz mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert zulässig, wenn die in § 3 Abs. 2 UmwStG genannten Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar ohne dass es hierbei auf den Ansatz in der Handelsbilanz ankommt (keine Maßgeblichkeit der Handelsbilanz). Die Personengesellschaft hat ihrerseits die Wirtschaftsgüter mit dem Wert zu übernehmen, mit dem diese in der Schlussbilanz der übertragenen Kapitalgesellschaft angesetzt wurden (Grundsatz der Buchwertverknüpfung). Soweit die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft enthalten waren oder als in dieses Betriebsvermögen eingelegt gelten, errechnet sich zwanglos ein Umwandlungsgewinn oder -verlust in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Wert, mit dem die Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der wegfallenden Anteile (vgl. § 4 Abs. 4 UmwStG). Die in der Kapitalgesellschaft gebildeten offenen Rücklagen sind von deren Anteilseignern dagegen mit der Umwandlung als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (§ 7 UmwStG), unabhängig davon, mit welcher Quote der jeweilige Anteilseigner an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und ob die Anteile Privat- oder Betriebsvermögen darstellen.
11.52
Diese Grundsätze gelten unabhängig von dem gewählten Umwandlungsweg, solange die Umwandlung nach den Regeln des UmwG erfolgt. Das Gesetz geht in §§ 3 ff. UmwStG als Grundfall von der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft aus. Nach § 9 UmwStG sind diese Regelungen aber auch entsprechend auf den Formwechsel anzuwenden. Einer besonderen Regelung bedarf hier nur die Bilanzierung. Da handelsrechtlich die Identität des formwechselnden Rechtsträgers erhalten bleibt und daher keine Umwandlungsbilanzen er1 Haisch, Ubg 2009, 96 (97 f.). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 7 UmwStG Rz. 14.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
forderlich sind, ordnet § 9 Satz 2 UmwStG für steuerliche Zwecke ausdrücklich an, dass die Kapitalgesellschaft eine Übertragungs- und die Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz aufzustellen haben. Der Verschmelzung gleichgestellt ist zudem die Aufspaltung und die Abspaltung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft (§ 16 UmwStG). Auch insoweit gelten die §§ 3–8 UmwStG entsprechend. Ein Buch- oder Zwischenwertansatz der Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft ist in diesen Fällen jedoch nur zulässig, wenn auf die übernehmende Personengesellschaft ein Teilbetrieb übertragen wird und im Fall der Abspaltung ein Teilbetrieb bei der übertragenden Kapitalgesellschaft verbleibt (§ 16 UmwStG i.V.m. § 15 Abs. 1 UmwStG). Gliedert die GmbH ihr Vermögen oder Teile davon auf eine GmbH & Co. KG aus, verändert sich hierdurch lediglich die Vermögensstruktur der übertragenden GmbH, da diese Gesellschafterin der aufnehmenden Gesellschaft wird. Sofern Gegenstand der Ausgliederung ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil der übertragenden GmbH ist, handelt es sich steuerrechtlich um eine Einbringung nach § 24 UmwStG. b) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes, insbesondere auch der §§ 3 ff. UmwStG, wurde durch das SEStEG wesentlich erweitert (europäisiert). Sein zweiter Teil (§§ 3 bis 10 UmwStG) ist auf Verschmelzungen, Aufspaltungen und Abspaltungen i.S. des deutschen Umwandlungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG) sowie für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft i.S. des § 190 Abs. 1 UmwG (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwStG) anzuwenden (sachlicher Anwendungsbereich). Den inländischen Umwandlungen sind vergleichbare ausländische Vorgänge gleichgestellt.1 Einbezogen sind zudem Umwandlungen i.S. des § 1 Abs. 2 UmwG, also Umwandlungen nach anderen Bundesoder Landesgesetzen, soweit sie den o.g. Umwandlungen entsprechen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwStG). Die Aufzählung des § 1 Abs. 1 UmwStG ist abschließend. Für dort nicht genannte Umstrukturierungsmaßnahmen ist der Anwendungsbereich der §§ 3 ff. UmwStG nicht eröffnet, es gilt weiter ein Analogieverbot.
11.53
Der persönliche Anwendungsbereich umfasst nach § 1 Abs. 2 UmwStG für den Formwechsel nur Gesellschaften i.S. des Art. 54 AEUV oder des Art. 34 EWR-Abkommens, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines EWR-Staates (Norwegen, Island, Liechtenstein) gegründet sind.2
11.54
1 Die Verschmelzung nach ausländischem Recht muss in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen der Verschmelzung i.S. des deutschen Rechts entsprechen; vgl. dazu BMF v. 11.11. 2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20 ff.; Hörtnagl in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 1 UmwStG Rz. 31 ff., 49 f.; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG Rz. 80 ff., 120 ff. In der Praxis kann die Einordnung in Einzelfällen schwierig sein. Vorgänge, die im Ausland im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzogen werden, dürften in der Regel aber nicht zu einer Anwendbarkeit des UmwStG führen. 2 Dazu gehören nach Art. 54 Abs. 2 AEUV auch die Gesellschaften des Handelsrechts. Art. 34 EWR-Abkommen ist insoweit deckungsgleich (Art. 34 Abs. 2 EWR-Abkommen). Für eine Vielzahl von Fällen hat die Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass eine Einordnung vorgenommen, ob eine ausländische Gesellschaft als Kapital- oder Personengesellschaft einzuordnen ist; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tabelle 1 und 2. Zur steuerlichen Einordnung ausländischer Rechtsformen vgl. BMF v. 26.9.
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Umstrukturierungen
Der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung müssen sich ebenfalls in einem dieser Staaten – nicht zwingend jedoch in demselben Staat1 – befinden. Handelt es sich um eine Verschmelzung, so müssen sowohl der übertragende als auch der oder die übernehmenden Rechtsträger diese Anforderungen erfüllen. Besondere Anforderungen an die Anteilseigner der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft und an die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft enthält das Gesetz dagegen nicht. 11.55
Vom Anwendungsbereich der §§ 3 f. UmwStG sind damit erfasst: – Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personengesellschaft; – Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im selben oder einem anderen EU-/EWR-Staat; – Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine EU/EWR-Personengesellschaft; – Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personengesellschaft; – Formwechsel einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine deutsche Personengesellschaft; – Formwechsel einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft in eine EU/EWR-Personengesellschaft. – In den Anwendungsbereich der §§ 3 ff. UmwStG fallen auch Umwandlungen in eine KG im Rahmen des sog. Treuhandmodells.2
11.56
Der Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes geht damit über die derzeitigen handelsrechtlichen Möglichkeiten hinaus (s. dazu Rz. 11.1). Umstrukturierungen unter Beteiligung von Rechtsträgern, die ihren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in Drittstaaten haben, sind aber weiterhin nicht in den Anwendungsbereich einbezogen.3
2. Steuerliche Behandlung der GmbH a) Bewertungswahlrecht (Übertragungsgewinn) aa) Grundsatz: Ansatz mit dem gemeinen Wert 11.57
Die übertragende GmbH hat in ihrer Schlussbilanz die übergehenden Wirtschaftsgüter nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG im Grundsatz mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Sie kann diese Wirtschaftsgüter aber auch nach § 3 Abs. 2 UmwStG un2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1558 Rz. 1.2 zur Einordung einer LLC vgl. auch noch BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.49; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 149 (Stand: Dezember 2011); Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG Rz. 171. 2 Vgl. OFD Niedersachsen v. 7.2.2014 – S 1978 - 97 - St 243, GmbHR 2014, 504; Suchanek/ Hesse, GmbHR 2014, 466. 3 Zur Kritik vgl. schon Werra/Teiche, DB 2006, 1455.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
ter den dort genannten Voraussetzungen mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert ausweisen. Damit sind durch das SEStEG in zwei Punkten im Vergleich zur bisherigen Rechtslage wesentliche Änderungen eingetreten. Zum einen ist das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Buchwertfortführung und Aufdeckung stiller Reserven umgekehrt worden. Zum anderen wird im Fall der Aufdeckung der stillen Reserven auf den gemeinen Wert und nicht länger auf den Teilwert abgestellt. Mit dem gemeinen Wert sind sämtliche Wirtschaftsgüter der GmbH anzusetzen, und zwar einschließlich nicht entgeltlich erworbener und immaterieller Wirtschaftsgüter.1 Die steuerlichen Ansatzverbote des § 5 Abs. 2 EStG gelten nach umstrittener Auffassung der Finanzverwaltung nicht.2 Eine Sonderregelung besteht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwStG jedoch für die Bewertung von Pensionsrückstellungen. Diese sind nicht mit dem gemeinen Wert, sondern mit dem gem. § 6a EStG zu ermittelnden Wert anzusetzen. Damit werden die durch die Pensionsverpflichtung gebildeten stillen Lasten mit der Umwandlung nicht unmittelbar aufgedeckt.3 Auch ein Geschäfts- und Firmenwert ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen,4 wobei jedoch zweifelhaft ist, ob diesem ein isoliert zu ermittelnder gemeiner Wert (Einzelveräußerungspreis) zugeordnet werden kann. Zumindest bleibt der Geschäftsund Firmenwert auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 UmwStG eine Residualgröße. Damit sind bei der Ermittlung seines gemeinen Wertes sämtliche in der GmbH bestehenden stillen Lasten zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht passivierungsfähig sind (z.B. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften).5
11.58
Da der Ansatz mit dem gemeinen Wert den gesetzlichen Regelfall darstellt und nicht mehr antragsgebunden ist, stellt sich die Frage, ob das umwandlungssteuerrechtliche Wahlrecht durch den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) eingeschränkt wird, nicht mehr. Der steuerliche Ansatz der Wirtschaftsgüter in der Übertragungsbilanz mit einem Wert unter dem gemeinen Wert (Buchwert oder Zwischenwert) ist damit unabhängig von dem Ansatz in der Handelsbilanz.6 Allerdings ist auch zum alten Recht die ursprünglich von der Finanzverwaltung vertretene andere Auffassung inzwischen überholt.7 Die
11.59
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.04; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 29. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.06; a.A. z.B. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 15 (Stand: Dezember 2011); Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 59. 3 Ggf. sind die insoweit nicht aufgedeckten stillen Reserven aber bei der Ermittlung des Firmenwertes zu berücksichtigen, vgl. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 15 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 132. 4 Vgl. Regierungsbegründung zu § 3 UmwStG, BT-Drucks. 16/2710 v. 25.9.2006. 5 A.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 131 (Ausweis einer ungewissen Verbindlichkeit). 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.10 (Buchwertansatz) bzw. Rz. 03.25 (Zwischenwertansatz). 7 BFH v. 5.6.2007 – I R 97/06, BFH/NV 2007, 2220 = GmbHR 2007, 1166 m. Komm. Roser, zur Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften; BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568 = GmbHR 2006, 324 m. Komm. Breuninger zur formwechselnden Umwandlung. Vgl.
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Umstrukturierungen
Entkoppelung der Ansätze in der Steuerbilanz von der Handelsbilanz gilt auch für die übernehmende Gesellschaft, und zwar sowohl für die Übernahmebilanz als auch für die Folgebilanzen.1 Der sog. phasenverschobenen Wertaufholung, wonach der aufnehmende Rechtsträger in der ersten Steuerbilanz nach Umwandlung zur Wertaufholung bis zu den fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten des übertragenen Rechtsträgers gezwungen sein sollte,2 ist spätestens durch das BilMoG3 die Grundlage entzogen worden.4 Aber auch für die Zeit vor dem BilMoG scheidet eine phasenverschobene Wertaufholung aus.5 bb) Wahlrecht: Ansatz mit Buchwerten 11.60
Die übertragende Kapitalgesellschaft kann die Wirtschaftsgüter in ihrer Schlussbilanz auch mit dem Buchwert oder einem höheren (Zwischen-)Wert, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert ansetzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Wird ein Zwischenwert gewählt, so sind die in den einzelnen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven und Lasten um einen einheitlichen Prozentsatz aufzulösen.6 Damit besteht ein eigenständiges steuerrechtliches Ansatz- und Bewertungswahlrecht (zur Eigenständigkeit des Wahlrechts vgl. bereits Rz. 11.59). Voraussetzung für den Ansatz mit Buch- bzw. Zwischenwerten ist ein entsprechender Antrag. Weitere Voraussetzungen sind: – Die Wirtschaftsgüter werden Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft, und es ist sichergestellt, dass sie später der Besteuerung mit Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen. – Das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft wird nicht ausgeschlossen oder beschränkt. – Eine Gegenleistung wird nicht gewährt oder besteht in Gesellschaftsrechten.
1 2 3 4 5
6
zur ursprünglichen Auffassung der Finanzverwaltung: BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Tz. 03.01 für die Verschmelzung und Tz. 14.02 sowie 14.03 für den Formwechsel = GmbHR 1998, 444. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.04; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 13. BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Tz. 03.02 = GmbHR 1998, 444. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 13; Behrens, BB 2009, 318 (320); Herzig/Briesemeister, DB 2009, 926 (930). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.04; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 13. Vgl. auch schon BFH v. 4.6.2008 – I R 84/07, BStBl. II 2009, 187. Die Finanzverwaltung hatte sich dem angeschlossen: BMF v. 11.2.2009 – IV C 6 - S 2170/0, BStBl. I 2009, 397. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.25. Prozentual aufzustocken ist auch ein Geschäfts- und Firmenwert: Vgl. Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 127; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 51 (Stand: April 2012); a.A.: Kutt/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 154 (Anwendung der modifizierten Stufentheorie).
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Die vorgenannten Voraussetzungen sind gesellschafterbezogen zu prüfen.1 Soweit sie erfüllt sind, ist das Wahlrecht jedoch für alle Wirtschaftsgüter einheitlich auszuüben.2 Der Antrag ist von der übernehmenden Personengesellschaft als Rechtsnachfolgerin für die – in diesem Zeitpunkt zivil- und steuerrechtlich bereits untergegangene – übertragende Kapitalgesellschaft3 bei dem für die Besteuerung dieser Gesellschaft zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), und zwar spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz. Keine Schlussbilanz in diesem Sinne ist allerdings eine reguläre Bilanz der übertragenden Gesellschaft, die möglicherweise im Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses bereits aufgestellt und dem Finanzamt eingereicht worden ist.4 Eine besondere Form für den Antrag sieht das Gesetz nicht vor. Nach allgemeiner Auffassung wird der Antrag mit Einreichung der Steuererklärung einschließlich der dazugehörenden Schlussbilanz ausgeübt.5 In der Praxis wird sich dennoch vielfach ein ausdrücklich formulierter Antrag anbieten, um klarzustellen, dass der Buchwertansatz und nicht etwa ein Ansatz von Zwischenwerten gewollt ist. Dies kann z.B. dann von Bedeutung sein, wenn sich aufgrund einer späteren steuerlichen Außenprüfung herausstellt, dass die Wirtschaftsgüter von der Kapitalgesellschaft mit einem zu hohen Wert angesetzt worden sind.
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Der Buch- bzw. Zwischenwertansatz ist nur zulässig, wenn die übertragenen Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Dies ist bei einer GmbH & Co. KG als aufnehmende Gesellschaft i.d.R. gewährleistet,6 selbst wenn der Unternehmensgegenstand der übertragenden GmbH lediglich vermögensverwaltender Natur ist. Aller-
11.62
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.11 soweit nicht für die Betriebsvermögenseigenschaft der übergehenden Wirtschaftsgüter auf die übernehmende Personengesellschaft abzustellen ist. Vgl. auch: Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 80. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.13; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 51 (Stand: April 2012). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.28; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 65; Krohn/Greulich, DStR 2008, 646. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.01; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 51 (Stand: Dezember 2011). D.h., dass ein Buch- bzw. Zwischenwertansatz auch dann noch möglich ist, wenn der umzuwandelnde Rechtsträger seine Bilanz (z.B. auf den 31.12.2013) mit der fristgerecht abgegebenen Steuererklärung zum 31.5.2014 eingereicht hat, und die Umwandlung erst danach (z.B. im August 2014) beschlossen wird. 5 Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 136; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 29 (Stand: Dezember 2011). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist in der Erklärung, dass die Steuerbilanz i.S. des §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG die steuerliche Schlussbilanz sein soll, ein konkludenter Antrag auf Ansatz der Buchwerte zu sehen: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.29. 6 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 10 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 77. Ausdrücklich zur i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten Personengesellschaft: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.15.
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§ 11
Umstrukturierungen
dings ist in diesem Fall zu beachten, dass die übernehmende GmbH & Co. KG im Zeitpunkt der Umwandlung, spätestens mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Wirtschaftsgütern, gewerblich geprägt i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sein muss, also die zukünftige Komplementär-GmbH mit Umwandlung alleinige unbeschränkt haftende Gesellschafterin wird und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung berufen werden. Der Übergang von einer vermögensverwaltenden GmbH auf eine vermögensverwaltende und auch nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft soll nach Auffassung der Finanzverwaltung für § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG auch dann nicht ausreichen, wenn die Anteile an der übernehmenden – nicht gewerblichen – Personengesellschaft in einem Betriebsvermögen gehalten werden (Zebra-Gesellschaft).1 Darüber hinaus müssen die Wirtschaftsgüter später der Besteuerung mit Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen. Hierbei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen ausländischer und inländischer Steuer.2 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG scheidet damit nur die Fälle von der Buch- bzw. Zwischenwertfortführung aus, in denen an der GmbH & Co. KG persönlich steuerbefreite Gesellschafter beteiligt sind. Im Wesentlichen handelt es sich um von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaften oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn das Vermögen nicht in den steuerpflichtigen Bereich übergeht. 11.63
Ein Ansatz mit Buch- oder Zwischenwerten ist darüber hinaus nur zulässig, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Dies kommt zunächst nur dann in Betracht, wenn vor der Umwandlung ein deutsches Besteuerungsrecht bestanden hat.3 Bestand ein solches Besteuerungsrecht, kann dessen Ausschluss bzw. dessen Beschränkung durch das innerstaatliche Recht oder durch ein DBA erfolgen.
11.64
Wird eine inländische Kapitalgesellschaft in bzw. auf eine inländische Personengesellschaft umgewandelt, kommt es in der Regel nur zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, wenn an der übernehmenden Personengesellschaft beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind. Hier sind folgende Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.16 sowie Rz. 8.03. A.A. Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 224 soweit die Wirtschaftsgüter nicht Privatvermögen werden; i.E. auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 139. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 35 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 79. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19. Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 100. Hat vor der Umwandlung an den Gewinnen der ausländischen Betriebsstätte kein deutsches Besteuerungsrecht bestanden, so können die Wirtschaftsgüter, die dieser Betriebsstätte zuzuordnen sind, in der Schlussbilanz der GmbH mit deren Buchwerten angesetzt werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass für die Ermittlung des Übernahmegewinns nach § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG insoweit der gemeine Wert anzusetzen ist (s. Rz. 11.102).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
– Die Personengesellschaft übernimmt eine ausländische Betriebsstätte der Kapitalgesellschaft für die im Verhältnis zum Betriebsstättenstaat entweder kein DBA anwendbar war oder für die Deutschland aufgrund eines anzuwendenden DBA (oder abweichender innerstaatlicher Regelungen) zur Besteuerung der Betriebsstättengewinne berechtigt geblieben ist (Anrechnungsbetriebsstätte). – Die Personengesellschaft übernimmt eine inländische Betriebsstätte der Kapitalgesellschaft. Übernimmt die Personengesellschaft eine ausländische Betriebsstätte der Kapitalgesellschaft und ist im Verhältnis zum Betriebsstättenstaat kein DBA in Kraft, so sind die Gewinne aus der ausländischen Betriebsstätte vor der Umwandlung von der Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer deutschen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zu versteuern. Mangels Beschränkung durch ein DBA steht das Besteuerungsrecht an diesen Gewinnen Deutschland zu (allenfalls kommt die Anrechnung einer ausländischen Körperschaftsteuer nach § 26 KStG in Betracht). Nach der Umwandlung in eine Personengesellschaft unterliegen die den beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zuzurechnenden Gewinne aus der ausländischen Betriebsstätte dagegen schon nicht mehr der beschränkten Steuerpflicht i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG dieser Gesellschafter, so dass das ursprünglich bestehende deutsche Besteuerungsrecht verloren geht.1 Damit ist insoweit ein Buch- oder Zwischenwertansatz im Rahmen der Umwandlung nicht möglich. Gleiches gilt, wenn im Verhältnis zum Betriebsstättenstaat zwar ein DBA besteht, Deutschland aber nach diesem DBA vor der Umwandlung zur Besteuerung der Betriebsstättengewinne in Person der Kapitalgesellschaft berechtigt war (etwa aufgrund eines Aktivitätsvorbehaltes oder einer innerstaatlichen Regelung, z.B. § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG).2
11.65
In Bezug auf ausländische Betriebsstätten besteht – auch soweit Steuerinländer beteiligt sind – zudem eine weitere Besonderheit: Sieht der ausländische Betriebsstättenstaat in der Umwandlung keinen Realisationsakt, entsteht keine ausländische Steuer, die anzurechnen wäre, so dass auf die Gesamtperiode bezogen eine echte Doppelbesteuerung eintreten kann. Für in der EU belegene Betriebsstätten sieht § 3 Abs. 3 UmwStG in einem solchen Fall daher die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Steuer vor.
11.66
Ein Verlust des deutschen Besteuerungsrechts ist bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft auch ausnahmsweise in Bezug auf deutsche Inlandsbetriebsstätten denkbar, wenn Wirtschaftsgüter nach der Umwandlung in der transparenten Struktur abkommensrechtlich nicht mehr der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen3 sind.
11.67
1 Vgl. zu diesen Konstellationen: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24. 2 Die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines solchen treaty-override hat der BFH in mehreren Verfahren dem BVerfG vorgelegt, etwa BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18 m.w.N. (Az. des BVerfG: 2 BvL 21/14). Vgl. auch Dremel in Schönfeld/Ditz, DBA, 2013, Art. 1 Rz. 148 ff. 3 Abkommensrechtlich kann dann ggf. der Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters das Besteuerungsrecht haben. Hier ist auf die „tatsächliche Zuordnung“ abzustellen. Eine tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte ist gegeben, wenn die Beteiligungen in einem funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstättentätigkeit stehen, vgl. BFH v. 19.12.2007
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§ 11
Umstrukturierungen
Beispiel 11.68
Alleinige Anteilseignerin einer deutschen GmbH ist eine österreichische GmbH & Co. KG. Am Vermögen dieser Gesellschaft sind ausschließlich Personen mit Wohnsitz in Österreich beteiligt. Die deutsche GmbH übt für ihre Gesellschafterin die Funktion einer Vertriebsgesellschaft aus. Im Betriebsvermögen der GmbH befinden sich zudem Beteiligungen an weiteren Vertriebskapitalgesellschaften mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im europäischen Ausland, die ihrerseits ausschließlich Produkte der österreichischen GmbH & Co. KG vertreiben. Die Struktur ist historisch gewachsen. Eine besondere Koordinierungsfunktion übt die deutsche GmbH nicht aus. Die deutsche GmbH soll nunmehr in eine GmbH & Co. KG formgewechselt werden. Dies hat zur Folge, dass die Beteiligungen mit steuerlicher Wirksamkeit des Formwechsels abkommensrechtlich möglicherweise nicht mehr einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind, sondern der österreichischen Betriebsstätte der Gesellschafter der österreichischen GmbH & Co. KG.1
11.69
Ob diese Sichtweise nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH2 noch aufrecht zu erhalten ist, ist zweifelhaft, da bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte die (spätere) Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne in Deutschland von der Besteuerung freizustellen sind. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung ist hier abzuwarten.3
11.70
Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kann sich in Ausnahmefällen auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern ergeben. Hierbei handelt es sich in der Regel um mittelbare Folgen der Verschmelzung, etwa wenn eine ausländische Betriebsstätte unterhalten wird, die erst mit der Verschmelzung auf eine bestehende Personengesellschaft durch die Zusammenfassung der Aktivitäten der beiden verschmolzenen Gesellschaften einen abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalt erfüllt oder nationale Vorschriften, die einen Wechsel zur Anrechnungsmethode anordnen,4 deshalb keine Anwendung mehr finden.
11.71
Wird eine inländische Kapitalgesellschaft grenzüberschreitend auf eine ausländische Personengesellschaft verschmolzen (zu den gesellschaftsrechtlichen Hindernissen s. Rz. 11.1), kann zusätzlich zu den vorstehend beschriebenen Fällen das deutsche Besteuerungsrecht auch dadurch verloren gehen, dass mit der Verschmelzung rein tatsächlich der deutsche Ort der Geschäftsleitung der übertragenden Kapitalgesellschaft aufgegeben wird, weil die Mitglieder der Unternehmens-
1 2 3 4
– I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 = GmbHR 2008, 447; BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, IStR 2001, 185; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/04, BStBl. II 1996, 563; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. I 1992, 937 = GmbHR 1993, 58 (jeweils zum DBA-Schweiz). Zur Auffassung der Finanzverwaltung vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. für den umgekehrten Fall BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 = GmbHR 2008, 447. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941 = GmbHR 2009, 48 m. Komm. Meilicke. Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671. Vgl. auch Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im internationalen Steuerrecht, 2013, Rz. 6.176, 6.71 ff. Z.B. § 20 Abs. 2 AStG; § 50d Abs. 9 EStG.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
führung ins Ausland wechseln. Nach der Verschmelzung werden in diesem Fall die Wirtschaftsgüter, die bis dahin der deutschen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte zugeordnet waren, Vermögen der ausländischen Betriebsstätte. Problematisch sind insbesondere Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften, Markenrechte, Patente etc. Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem das deutsche Besteuerungsrecht verloren geht, ist in diesen Fällen zu unterscheiden: Beruht der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts darauf, dass einzelne Wirtschaftsgüter zukünftig den im Ausland ansässigen Anteilseignern zugerechnet werden, weil eine funktionale Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte nach der Umwandlung nicht mehr besteht, tritt der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts in dem Zeitpunkt ein, in dem das Vermögen der übernehmenden Personengesellschaft bzw. deren Gesellschaftern zuzurechnen ist (§ 2 UmwStG). Der Verlust bzw. die Beschränkung des Besteuerungsrechts ist unmittelbare Folge der Verschmelzung. Ein Buch- oder Zwischenwertansatz ist nicht möglich. Etwas anderes gilt, wenn im Wege einer grenzüberschreitenden Verschmelzung die (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der ehemaligen deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland verlegt wird und deshalb das Besteuerungsrecht an einzelnen Wirtschaftsgütern verloren geht. Hier tritt der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts erst dann ein, wenn die Geschäftsleitung tatsächlich ins Ausland verlegt wird. Der Vorgang ist nach allgemeinen Entstrickungsregeln zu beurteilen.1
11.72
Wird eine ausländische Kapitalgesellschaft in bzw. auf eine in- oder ausländische Personengesellschaft umgewandelt, hat dies i.d.R. nicht den Verlust deutschen Besteuerungsrechts zur Folge. Ein deutsches Besteuerungsrecht an den Wirtschaftsgütern der Kapitalgesellschaft besteht vor der Umwandlung nur insoweit, wie diese Wirtschaftsgüter einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Dieses Besteuerungsrecht besteht nach der Umwandlung fort, unabhängig davon, ob die Gesellschafter der Personengesellschaft im Inland oder im Ausland steuerlich ansässig sind. Bei der Verschmelzung auf eine deutsche Personengesellschaft kann sich vielmehr das deutsche Besteuerungsrecht verstärken, wenn einzelne Wirtschaftsgüter zukünftig einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind (s. zum umgekehrten Fall zuvor Rz. 11.71).
11.73
Letzte Voraussetzung für einen Buchwertansatz der Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden GmbH ist, dass den Anteilseignern im Rahmen der Umwandlung keine Gegenleistung gewährt wird oder eine solche in Gesellschaftsrechten besteht. Hierbei wird auf die Abgrenzung zwischen steuerlichen Eigenkapitalkonten und Darlehenskonten abzustellen sein.2 Von einem Kapital-
11.74
1 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 40 (Stand: Dezember 2011). Auch hier sind die vom BFH in seiner Entscheidung v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941 = GmbHR 2009, 48 m. Komm. Meilicke aufgestellten Grundsätze sowie der Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung v. 20.5. 2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671, zu beachten. 2 Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 112; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 48 (Stand: Dezember 2011). Zu § 24 UmwStG vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07.
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§ 11
Umstrukturierungen
konto ist i.d.R. auszugehen, wenn auf diesem Verlustanteile des Gesellschafters verbucht werden und das Konto im Fall des Ausscheidens des Gesellschafters oder der Liquidation der Gesellschaft in die Ermittlung des Abfindungsguthabens des Gesellschafters eingeht.1 Die auf die Einnahmen i.S. des § 7 UmwStG abgeführte Kapitalertragsteuer stellt nach Verwaltungsauffassung keine Gegenleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG dar.2 11.75
Wie auch für die Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft gegen Bareinlage wird auch für die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in bzw. auf eine Personengesellschaft von der Finanzverwaltung die Frage gestellt, ob eine Entnahme unmittelbar nach der Umwandlung als Umgehungstatbestand zu werten und insoweit eine schädliche Gegenleistung anzunehmen ist.3 Dies ist zu verneinen. Während im Fall der Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft gegen Bareinlage die anschließende Entnahme des eingelegten Betrages wirtschaftlich dazu führt, dass die Altgesellschafter die Bareinlage des eintretenden Gesellschafters in ihr Privatvermögen verlagern und damit wirtschaftlich eine Anteilsveräußerung vollzogen wird, werden durch die Umwandlung einer Kapitalin eine Personengesellschaft die Wirtschaftsgüter und offenen Rücklagen unter Inkaufnahme einer Besteuerung in das transparente Mitunternehmerkonzept überführt. Insoweit fingiert das UmwStG eine Vollausschüttung der offenen Rücklagen. Für die Annahme eines Umgehungstatbestandes ist hier kein Raum, selbst wenn die – zuvor im Rahmen des § 7 UmwStG versteuerten – offenen Rücklagen im Anschluss an die Umwandlung entnommen werden. Mögliche Anwendungsfälle können sich damit allenfalls in sehr begrenzten Ausnahmefällen ergeben, wenn die Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird, an der (auch) dritte Gesellschafter beteiligt sind. b) Besteuerung eines Übertragungsgewinns
11.76
Entsteht durch die Umwandlung ein Übertragungsgewinn in der GmbH, so unterliegt dieser nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer. Dies bedeutet u.a., dass auf einen Gewinn aus dem Ansatz mit dem gemeinen Wert auch § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden ist, soweit der Gewinn auf Anteile an anderen Kapitalgesellschaften im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft entfällt.4 Für die auf den Übertragungsgewinn 1 Vgl. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713; BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93, BStBl. I 1997, 627 = GmbHR 1997, 718; BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/Marchand; BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629; BFH v. 15.5.2008 – IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812 = GmbHR 2008, 998 m. Komm. Bitz; BFH v. 26.6.2007 – IV R 29/06, BStBl. II 2008, 103 = GmbHR 2008, 162; Ley, KÖSDI 2014, 18891; Ley, KÖSDI 2014, 18843; Wälzholz, DStR 2011, 1815 (Teil 1) und 1861 (Teil 2). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.21. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.21 i.V.m. Rz. 24.11; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 48 (Stand: Dezember 2011). 4 BMF v. 28.4.2003 – IV AZ - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 293 = GmbHR 2003, 603, Rz. 23 zu §§ 11 und 15 UmwStG a.F. Dies kann im Rahmen des § 3 UmwStG nicht anders gewertet werden; vgl. Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 156; Möh-
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
entstehende Steuer ist in der Übertragungsbilanz eine Rückstellung zu passivieren. Da sich durch die Aufdeckung der stillen Reserven auf Ebene der Kapitalgesellschaft die offenen Rücklagen erhöhen und deshalb i.d.R. wegen § 7 UmwStG auch die steuerliche Belastung des Anteilseigners im Rahmen der Umwandlung steigt, wird die freiwillige Aufdeckung stiller Reserven in der Praxis die Ausnahme bilden. Auswirkungen auf den zu versteuernden Übernahmegewinn und damit eine über die Wirkungen von § 7 UmwStG hinausgehende weitere Steuerbelastung ergeben sich dagegen i.d.R. nicht. Zwar erhöht sich der (Buch-)Wert der übernommenen Wirtschaftsgüter, dies wird aber dadurch kompensiert, dass auch die bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses abzuziehenden Bezüge nach § 7 UmwStG steigen. Ein Ansatz mit dem gemeinen Wert kann allerdings sinnvoll sein, um körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge oder auch nicht aufgebrauchte laufende Verluste des Umwandlungsjahres zu nutzen, die ansonsten durch die Umwandlung verloren gingen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Bei der Entscheidung hierüber sind – soweit Verlustvorträge betroffen sind – jedoch die Regelungen über die Mindestbesteuerung1 nach § 10d Abs. 2 EStG, § 10a GewStG sowie § 2 Abs. 4 UmwStG zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge unterschiedlich hoch sein können.
11.77
c) Körperschaftsteuerminderung bzw. -erhöhung Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt des mit der Umwandlung in eine Personengesellschaft verbundenen Systemwechsels war bisher die Frage, wie mit einem in der GmbH vorhandenen Körperschaftsteuerguthaben aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens (§ 30 Abs. 1 Satz 3 KStG a.F. – sog. „EK 40“ – i.V.m. § 37 KStG n.F.) und mit Altrücklagen aus dem Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. – sog. „EK 02“ – i.V.m. § 38 KStG n.F. zu verfahren ist. Vor diesem Hintergrund konnte die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in/auf eine Personengesellschaft eine Körperschaftsteuerminderung oder -erhöhung auslösen.
11.78
Hinsichtlich eines Körperschaftsteuerguthabens haben sich bereits mit dem SEStEG die körperschaftsteuerlichen Grundlagen geändert (vgl. § 37 Abs. 4 bis 7 KStG).2 Das Körperschaftsteuerguthaben ist letztmalig spätestens auf den 31.12. 2006 festzustellen. Ausnahmsweise erfolgt die Feststellung auf einen früheren
11.79
lenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 57 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwG Rz. 151. 1 Die Frage, ob die Mindestbesteuerung bei Definitiveffekten verfassungsmäßig ist, hat der BFH nunmehr dem BVerfG vorgelegt: vgl. BFH v. 26.2.2014 – I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016 = GmbHR 2014, 1099 (Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14); vgl. schon: BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, BStBl. II 2011, 826. Zur Kritik an der Mindestbesteuerung bei Umwandlungen auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 150. Die Finanzverwaltung gewährt auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung, BMF v. 19.11.2011 – IV C 2 - 2741/10/100002, 2010/10126838, BStBl. I 2011, 974. Die Anwendung der Vorschriften über die Mindestbesteuerung ist in diesen Fällen auch deshalb zweifelhaft, weil die Verlustvorträge nicht auf die übernehmende Gesellschaft übergehen (s. Rz. 11.90). 2 Vgl. auch Förster/Felchner, DStR 2007, 280; Ortmann-Babel/Bolik, BB 2007, 73; Ott, INF 2007, 97.
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§ 11
Umstrukturierungen
Zeitpunkt, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft aufgrund einer Umwandlung, deren Anmeldung zur Eintragung in ein öffentliches Register nach dem 12.12.2006 erfolgt ist, auf einen anderen Rechtsträger übergegangen ist. In diesem Fall ist das Körperschaftsteuerguthaben letztmalig auf den vor dem 31.12.2006 liegenden steuerlichen Übertragungsstichtag zu ermitteln. Unabhängig von dem Zeitpunkt seiner letztmaligen Feststellung hat die Körperschaft, beginnend ab dem Veranlagungszeitraum 2008, einen Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen. Dieser Anspruch ist mit Ablauf des 31.12.2006 entstanden und geht auf die Personengesellschaft über.1 Eine Verzinsung erfolgt nicht, so dass der Auszahlungsanspruch in der Schlussbilanz mit seinem abgezinsten Barwert auszuweisen ist. 11.80
Für Umwandlungen, deren Eintragung in das Handelsregister nach dem 12.12.2006 angemeldet wurde, erfolgt korrespondierend keine Körperschaftsteuerminderung mehr (§ 10 UmwStG a.F.). In der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft ist vielmehr der Auszahlungsanspruch auszuweisen. Ein Ertrag aus dem Ausweis des Auszahlungsbetrages gehört nicht zu den Einkünften i.S. des Einkommensteuergesetzes (§ 37 Abs. 7 Satz 1 KStG), erhöht aber das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft und damit die Einkünfte der Anteilseigner nach § 7 UmwStG (s. dazu Rz. 11.92 ff.), ggf. auch einen Übernahmegewinn.
11.81
In Bezug auf die Altbestände des EK 02, die bisher im Rahmen der Umwandlung zu einer Körperschaftsteuererhöhung geführt haben, ist durch das SEStEG keine Änderung eingetreten. Erst mit dem JStG 2008 hat der Gesetzgeber angeordnet, dass der Endbetrag nach § 38 Abs. 1 KStG letztmalig auf den 31.12.2006 ermittelt und festgestellt wird.2 Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist beginnend ab 2008 in zehn gleichen Jahresbeträgen zu entrichten. Der Anspruch entsteht allerdings erst zum 1.1.2007. Damit ist für die Umwandlungsfälle zu unterscheiden: Liegt der Umwandlungsstichtag vor dem 1.1.2007, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Die Körperschaftsteuer wird umwandlungsbedingt um 3/ 7 der Leistungen erhöht, für die ein Teilbetrag der festgestellten Altrücklagen aus dem Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. (sog. „EK 02“) als verwendet gilt. Die Körperschaftsteuererhöhung ist jedoch begrenzt auf den Betrag, der sich bei Ausschüttung des gesamten nach § 38 Abs. 1 KStG festgestellten EK 02 ergeben würde. Da der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag seinerseits die Altrücklagen mindert, erhöht sich die Körperschaftsteuer höchstens i.H.v. 3/ 10 des Bestandes an EK 02.3 Erhebliche Altrücklagen können sich hierbei als Umwandlungshindernis erweisen. Liegt der Umwandlungsstichtag nach dem 31.12.2006, ist in der Schlussbilanz eine entsprechende Körperschaftsteuerverbindlichkeit auszuweisen. Zu einer Körperschaftsteuererhöhung kommt es nicht mehr. § 10 UmwStG ist dementsprechend aufgehoben worden.
1 S. unter Rz. 11.88 auch zu der Frage der steuerlichen Behandlung zukünftiger Aufzinsungsbeträge. 2 Vgl. z.B. Dötsch/Pung, DB 2007, 2669 (2675 ff.); Fuhrmann/Strahl, DStZ 2008, 125 (128 ff.). 3 BMF v. 16.12.2003 – IV A 2 - S 1978 - 16/03, BStBl. I 2003, 786 = GmbHR 2004, 200 Rz. 13.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
3. Steuerliche Behandlung der GmbH & Co. KG a) Grundsatz der Buchwertverknüpfung Die übernehmende GmbH & Co. KG hat die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden GmbH ausgewiesenen Werten zu übernehmen. Hat die GmbH in ihrer Schlussbilanz die Buchwerte fortgeführt, so bewirkt die Buchwertverknüpfung zunächst, dass die in diesen Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven auf die Personengesellschaft übertragen werden können und – soweit sie dann noch vorhanden sind – erst bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter, Veräußerung der Mitunternehmeranteile oder Aufgabe des Gewerbebetriebs der Personengesellschaft aufgedeckt und versteuert werden müssen.
11.82
b) Zuschreibung auf die Anteile an der übertragenden GmbH Im Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG befinden sich – je nach Sachverhaltskonstellation – auch die Anteile an der übertragenden GmbH (up-stream-Verschmelzung) bzw. diese gelten für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses als in die GmbH & Co. KG eingelegt (§ 5 UmwStG). Die Anteile, die sich im Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG befinden, hat die Personengesellschaft nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG mit dem Buchwert, dieser erhöht um steuerwirksame Abschreibungen in den Vorjahren sowie um Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, anzusetzen. Nicht steuerwirksame Abschreibungen führen dagegen nicht zu einer Zuschreibung gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG.
11.83
Sind in der Vergangenheit auf die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft sowohl Teilwertabschreibungen vorgenommen worden, die in voller Höhe steuerwirksam waren, als auch solche, für die § 8b Abs. 3 KStG bzw. § 3c Abs. 2 EStG Anwendung fand, und erreicht der mögliche Zuschreibungsbetrag nicht die Summe der insgesamt vorgenommenen Teilwertabschreibungen, vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass für § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG die steuerlich wirksamen Teilwertabschreibungen vorrangig hinzuzurechnen sind.1 Diese Auffassung wird zu Recht kritisiert.2 Letztlich wird diese Frage wegen des Anwendungsvorrangs von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG zumindest dann dahinstehen können, wenn der Umwandlungsstichtag dem regulären Bilanzstichtag entspricht, da inzwischen geklärt ist, dass zunächst die Wertaufholungen vorzunehmen sind, die im Zusammenhang mit den zuletzt vorgenommenen nicht steuerwirksamen Teilwertabschreibungen stehen.3 Praktische Bedeutung wird § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG daher vorwiegend in Bezug auf Abzugsbeträge nach § 6b EStG haben.
11.84
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.07. 2 Vgl. nur: Kutt/Cartens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, S. 163. 3 BFH v. 19.8.2009 – III R 79/07, BStBl. II 2010, 760; OFD Frankfurt/Main v. 25.8.2010 – S 2750a A - 8 - St 52, DStR 2011, 77; OFD Niedersachsen v. 9.8.2010 – S 2750a - 19 - St 242, DB 2010, 2533.
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§ 11 11.85
Umstrukturierungen
Der Aufstockungsgewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ist laufender Gewinn, nicht etwa Teil des Umwandlungsergebnisses. § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG ordnet hierfür ausdrücklich an, dass die in § 8b Abs. 2 Sätze 4 und 5 KStG sowie § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a) Satz 2 und 3 EStG enthaltenen Beschränkungen des Teileinkünfteverfahrens Anwendung finden. Das heißt, der Gewinn ist in voller Höhe steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG finden hierauf keine Anwendung. c) Eintritt in die Rechtsstellung der GmbH
11.86
Sowohl der nach handelsrechtlicher Konzeption identitätswahrende Formwechsel als auch der Vermögensübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung schließen es aus, steuerlich von einer Anschaffung der Wirtschaftsgüter durch die Personengesellschaft auszugehen. Dementsprechend ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht von einer Anschaffung i.S. des § 6b EStG und des § 7g EStG auszugehen.1 Die Position der Finanzverwaltung ist insoweit allerdings inkonsequent, weil sie im Übrigen – zu Unrecht2 – undifferenziert in jeder Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft (einschließlich des Formwechsels) eine Veräußerung bzw. Anschaffung des übertragenden Vermögens sieht.3
11.87
Der zivilrechtlichen Regelung folgend, bestimmt § 4 Abs. 2 UmwStG, dass die übernehmende Personengesellschaft in die Rechtsstellung der übertragenden GmbH eintritt. Die Vorschrift ist weit gefasst. So hat die GmbH & Co. KG z.B. auch das Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG zu beachten, wenn die GmbH Teilwertabschreibungen vorgenommen hat.4 Beim übernehmenden Rechtsträger werden daher Vorbesitzzeiten angerechnet und Behaltensfristen werden nicht unterbrochen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG).5 Ausdrücklich geregelt ist zudem, dass die GmbH & Co. KG die von der GmbH in Anspruch genommene Absetzung für Abnutzung (AfA) fortzuführen hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).
11.88
Hat die übertragende GmbH am Umwandlungsstichtag einen Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 4 bis 7 KStG (s. Rz. 11.79), so geht dieser Anspruch auf die Personengesellschaft über und ist von dieser mit seinem Barwert auszuweisen. Der Differenzbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag und dem Barwert führt in der Folgezeit zu einer Betriebsvermögensmehrung bei der Personengesellschaft. Da diese mit der Umwandlung in die 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.14. 2 Vgl. etwa BFH v. 12.7.2012 – IV R 39/09, BStBl. II 2012, 728 = GmbHR 2012, 1086 und BFH v. 5.5.1998 – I B 24/98, BStBl. II 2000, 430 = GmbHR 1998, 801: Privilegierte Liquidation. Die Rechtsprechung ist insoweit aber nicht einheitlich. Offen gelassen: BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407 = GmbHR 2008, 495. U.E. ist die Frage, ob eine Veräußerung/ Anschaffung vorliegt, vielmehr in Bezug auf jede anzuwendende Vorschrift, unterschieden nach der jeweiligen Umwandlungsform, unter Berücksichtigung des jeweiligen Regelungskontextes zu beantworten. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. 4 van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 50. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.15.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Rechtsstellung der GmbH eintritt, gehört der hieraus entstehenden Ertrag nicht zu den Einkünften i.S. des EStG (§ 37 Abs. 7 KStG).1 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt § 37 Abs. 7 KStG dagegen nur für Körperschaften, denen gegenüber der Anspruch nach § 37 Abs. 5 Satz 3 KStG festgesetzt wurde, sowie für einen Gesamtrechtsnachfolger, wenn dieser den Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes unterliegt. Nach Umwandlung auf eine Personengesellschaft soll danach § 37 Abs. 7 KStG nicht mehr anzuwenden sein, und zwar selbst insoweit, wie an der Personengesellschaft wiederum Körperschaften beteiligt sind.2 Werden in der Schlussbilanz der GmbH die Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert oder einem Zwischenwert angesetzt, so sind für die Vornahme von Abschreibungen die folgenden Grundsätze zu beachten (§ 4 Abs. 3 UmwStG):3
11.89
– Bei Gebäuden, die von der GmbH bisher typisiert nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG oder § 7 Abs. 5 EStG abgeschrieben worden sind, ist die bisherige AfA-Bemessungsgrundlage – erhöht um den Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert unmittelbar vor Aufstellung der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft und dem in der Schlussbilanz angesetzten Wert – zugrunde zu legen, wobei die nach diesen Vorschriften maßgeblichen AfA-Sätze fortgesetzt anzuwenden sind. – Bei anderen Wirtschaftsgütern (Abschreibung nach § 7 Abs. 1, 2 EStG) ist als Bemessungsgrundlage der Wert maßgebend, den die GmbH in ihrer Schlussbilanz angesetzt hat (z.B. gemeiner Wert). Die Restnutzungsdauer ist nach den Verhältnissen am steuerlichen Übertragungsstichtag neu zu schätzen. – Ein (derivativer) Geschäfts- und Firmenwert ist nach der bisherigen Bemessungsgrundlage ggf. vermehrt um einen Aufstockungsbetrag einheitlich mit 1/15 abzuschreiben. Nicht in die Rechtsstellung der übertragenden GmbH tritt die GmbH & Co. KG hinsichtlich bestehender Verlustvorträge – unabhängig von ihrer Art – ein (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).4 Das gilt auch für verrechenbare Verluste, verbleibende Verlustvorträge sowie vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichene negative Einkünfte. Damit können insbesondere die laufenden Verluste des Umwandlungsjahres nicht von der übernehmenden Gesellschaft genutzt werden. Die verrechenbaren Verluste, verbleibenden Verlustvorträge und nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte gehen somit mit der Umwandlung unter. Darüber hinaus gehen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG auch ein Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und ein EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG nicht auf die Personengesellschaft über (zu der wegen § 2 Abs. 4 UmwStG punktuell eingeschränkten Rückwirkung s. Rz. 11.149). 1 Förster/Felchner, DStR 2007, 280 (283); Förster/Felchner, DStR 2006, 1725 (1729); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (181); Ott, INF 2007, 97 (98). 2 BMF v. 14.1.2008 – IV B 7 - S 2861/07/0001 - DOK 2007/0580289 = GmbHR 2008, 223, BStBl. I 2008, 280; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 18 (Stand: Dezember 2011). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.10. 4 Das gilt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG auch für einen gewerbesteuerlichen Verlustvortrag.
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11.90
§ 11 11.91
Umstrukturierungen
Da zudem ein Übernahmeverlust nicht zu berücksichtigen ist (s. Rz. 11.114 ff.), führt die Regelung dazu, dass sich in einer Vielzahl von Fällen Verluste auf Ebene der Kapitalgesellschaft im Ergebnis überhaupt nicht steuerlich auswirken. Die Umwandlung in eine Personengesellschaft wird damit schlechter gestellt, als wenn die Gesellschaft liquidiert würde.1 Dies ist u.E. nur dann hinnehmbar, wenn in der Kapitalgesellschaft stille Reserven vorhanden sind, da die Verlustvorträge in diesem Fall – zumindest im Rahmen der Mindestbesteuerung nach § 10d EStG bzw. § 10a GewStG – durch eine Aufstockung der Wirtschaftsgüter genutzt werden können (zu den Folgen s. Rz. 11.77). Greifen diese Maßnahmen ins Leere, so muss ein sachgerechtes Ergebnis mit der Rechtsprechung des BFH ggf. über Billigkeitsmaßnahmen erreicht werden (s. Rz. 11.116).
4. Besteuerung der Anteilseigner a) Besteuerung offener Rücklagen 11.92
§ 7 UmwStG sieht vor, dass die in der Kapitalgesellschaft gebildeten offenen Rücklagen den Anteilseignern als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind, und zwar in dem Verhältnis, in dem die Anteilseigner am Nennkapital der GmbH beteiligt sind. Dies gilt unabhängig von der Beteiligungsquote der Anteilseigner und unabhängig davon, ob für die jeweiligen Anteilseigner ein Übernahmeergebnis nach § 4 UmwStG zu ermitteln ist. Die offenen Rücklagen definiert § 7 Satz 1 UmwStG als das in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos i.S.v. § 27 KStG. Das Einlagekonto ist wegen § 29 Abs. 1 KStG um das Nennkapital der GmbH zu erhöhen, so dass insoweit keine Einkünfte anzunehmen sind. Sind die untergehenden Anteile Teil eines Betriebsvermögens, so liegen wegen § 20 Abs. 8 EStG insoweit gewerbliche Einkünfte vor.
11.93
Für Anteile, die im Privatvermögen gehalten werden, stellt sich bei einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG die Frage, ob die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG auch für die steuerliche Bestimmung der Einkunftsart in Bezug auf die offenen Rücklagen gilt. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 UmwStG spricht gegen eine solche Sichtweise, da die Anteile nur für die Ermittlung des Übernahmegewinns als eingelegt gelten.2 Andererseits geht § 18 UmwStG offensichtlich davon aus, dass die Bezüge gem. § 7 UmwStG, die auf die nach § 5 Abs. 2 UmwStG als eingelegt geltenden Anteile entfallen, Teil des Gewerbeertrages der übernehmenden Personengesellschaft sind. Ansonsten hätte es der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht bedurft, nach der die Bezüge nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG sind daher Teil der betrieblichen Einkünfte (§§ 13, 15, 18 1 Soweit an der Kapitalgesellschaft natürliche Personen beteiligt sind, ist gem. § 3c Abs. 2 EStG ein Liquidationsverlust i.d.R. nur zu 60 % zu berücksichtigen, vgl. BFH v. 6.5.2014 – IX R 19/13, DStR 2014, 1428 = GmbHR 2014, 948. Ausnahmsweise ist ein Verlust in voller Höhe steuerwirksam, wenn dem Anteilseiger überhaupt keine Einnahmen zugeflossen sind. 2 So schon: Behrendt/Arjes, DB 2007, 824; im Rahmen der Anwendung von § 18 UmwStG auch: Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, NWB Sonderheft 1/2007, 18; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1076).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
EStG) des vormals i.S.v. § 17 EStG beteiligten Anteilseigners, die dieser als Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft erzielt.1 Darüber hinaus spricht auch ein praktisches Bedürfnis dafür, die Bezüge nach § 7 UmwStG in die Gewinnfeststellung bei der übernehmenden Gesellschaft einzubeziehen, da das Übernahmeergebnis und die Bezüge nach § 7 UmwStG eng miteinander verzahnt sind. Ist ein ausländischer Anteilseigner an der Kapitalgesellschaft beteiligt, so unterliegen die ihm zuzurechnenden Einkünfte i.S.v. § 7 UmwStG der deutschen beschränkten Steuerpflicht. Unterhält der ausländische Anteilseigner in Deutschland eine Betriebsstätte, der die Anteile zuzuordnen sind, und sind die Anteile somit deutsches Betriebsvermögen, so sind die Bezüge als Einkünfte nach §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG zu erfassen.2 Gleiches gilt auch für die Anteile i.S. des § 17 EStG eines ausländischen Anteilseigners, die nach § 5 Abs. 2 UmwStG für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses in das Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft eingelegt gelten.3 § 5 UmwStG unterscheidet für die Beurteilung nach innerstaatlichem Recht nicht zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen. Nur wenn die Anteile nicht an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses teilnehmen, weil die Anteile weder Betriebsvermögen noch Anteile i.S.v. § 17 EStG sind, liegen in Höhe der offenen Rücklagen Einkünfte aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) EStG vor. Streng von der Beurteilung der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach innerstaatlichem Recht ist die Frage zu unterscheiden, ob Deutschland im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Anteilsinhabers das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht hat. I.d.R. wird dieses Besteuerungsrecht auf ein Quellensteuerrecht reduziert sein. Ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht besteht nur, wenn die Anteile tatsächlich einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind (vgl. Art. 10 OECD-Musterabkommen),4 mit dem Ansässigkeitsstaat kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht bzw. ein solches nicht anwendbar ist (z.B. wegen Art. 4 Abs. 6 DBA-Deutschland/Schweiz) oder ein anzuwendendes DBA das Besteuerungsrecht ausnahmsweise in vollem Umfang Deutschland zuweist. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07, 07.07. So auch Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 7 UmwStG Rz. 20, 32; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 5 UmwStG Rz. 23; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 7 UmwStG Rz. 22 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 7 UmwStG Rz. 17. 2 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 5 (Stand: Dezember 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 5 (Stand: Dezember 2011). 4 Zur Anwendung von Art. 10 OECD-MA: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.23. Eine tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Beteiligungen in einem funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstättentätigkeit stehen, vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 = GmbHR 2008, 447; BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, IStR 2001, 185; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/04, BStBl. II 1996, 563; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. I 1992, 937 = GmbHR 1993, 58 (jeweils zum DBA-Schweiz). Zur Auffassung der Finanzverwaltung vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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11.94
§ 11
Umstrukturierungen
11.95
Die nach § 7 UmwStG zu ermittelnden Bezüge gelten als vom Anteilseigner mit Ablauf des Übertragungsstichtages bezogen (§ 2 Abs. 1 und 2 UmwStG).1 Ist der Anteilseigner eine natürliche Person, sind die Bezüge nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuern; sie sind jedoch gem. § 3 Abs. 40 Satz 1 Buchst. d) EStG in Höhe von 40 % steuerfrei. Das gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Bezüge aus den Anteilen, die unter § 5 Abs. 2 UmwStG fallen. Nur die Bezüge aus den Anteilen, die nicht an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses teilnehmen, unterfallen der sog. Abgeltungsteuer (vgl. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 43 Abs. 5 EStG).2 Werden die Anteile an der umgewandelten GmbH von einer Kapitalgesellschaft gehalten, greift die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG. 5 % der Bezüge gelten dann als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG). Voraussetzung für die Befreiung ist für Umwandlungen, bei denen die Anmeldung zum Handelsregister nach dem 28.2.2013 erfolgt ist, dass kein Streubesitz vorliegt, die Beteiligung der Kapitalgesellschaft an der GmbH also zumindest 10 % des Stammkapitals betragen hat (§ 8b Abs. 4 KStG, § 27 Abs. 11 UmwStG).
11.96
Die Einkünfte unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Aktuell beträgt die Kapitalertragsteuer 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Besteht im Verhältnis zum Wohnsitzstaat ein DBA, welches den Quellensteuerabzug begrenzt, so ist dies im Rahmen des § 50d EStG zu berücksichtigen. Die Quellensteuerbefreiung aufgrund der Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie in § 43b EStG findet aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG keine Anwendung.3 Ob dieser Ausschluss europarechtskonform ist, ist allerdings zweifelhaft.4 Die Kapitalertragsteuer entsteht mit Eintragung der Umwandlung in das öffentliche Register.5 Demgegenüber ist der Zeitpunkt des steuerlichen Zuflusses der Kapitalerträge (= Entstehenszeitpunkt für die Kapitalertragsteuer) der steuerliche Übertragungsstichtag.6 Problematisch ist insoweit, dass die Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 EStG mit dem Zufluss anzumelden und abzuführen ist. Eine rechtzeitige Anmeldung ist bei rückwirkenden Umwandlungen damit technisch unmöglich. Das gilt selbst dann, wenn auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung, d.h. auf die Eintragung in das Handelsregister, abgestellt würde, weil auch dieser Zeitpunkt nicht genau vorhergesehen werden kann. Insoweit wäre eine klarstellende Äußerung der Finanzverwaltung geboten. Damit sollte eine einmonatige Frist nach Eintragung der Umwandlung verbunden werden, innerhalb derer die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen ist.7 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 7 UmwStG Rz. 14. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 7 UmwG Rz. 21; Haisch, Ubg 2009, 96 (97). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.09; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 7 UmwStG Rz. 19 (Stand: Dezember 2011). 4 Vgl. Schnitter in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 7 UmwStG Rz. 26a (Stand: Oktober 2012); Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (650). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07. 7 Vgl. Cordes/Dremel/Carstens, FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 221; IDW, Schreiben zum Umwandlungssteuererlass-Entwurf v. 22.6.2011, FN-IDW 2011, 502 zu Rz. 07.08. Für
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Die Kapitalertragsteuer hat für in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner nach § 50 Abs. 2 EStG abgeltende Wirkung, soweit keine inländischen Betriebsstätteneinkünfte anzunehmen sind, insbesondere auch kein Fall des § 5 Abs. 2 UmwStG vorliegt. Insoweit kann die einbehaltene Kapitalertragsteuer auch nicht zur Anrechnung gebracht werden. Greift dagegen die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG und unterfallen die Bezüge somit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG, so scheidet eine Abgeltung aus (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG; § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Insoweit ist es konsequent, diese Einkünfte auch dann in die Veranlagung einzubeziehen, wenn Deutschland ein nur eingeschränktes (Quellen-)Besteuerungsrecht hat. In diesem Fall hat die Kapitalertragsteuer keine abgeltende Wirkung und ist auf die festzusetzende Steuer anzurechnen (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).1 Insbesondere bei Beteiligung einer EU-Kapitalgesellschaft sollten vorsorglich dennoch vor der Umwandlung entweder die offenen Rücklagen ausgeschüttet werden oder es sollte sichergestellt sein, dass die Anteile tatsächlich einer deutschen Betriebsstätte zugeordnet sind.
11.97
Die Bezüge nach § 7 UmwStG unterliegen im Betriebsvermögen grundsätzlich der Gewerbesteuer (vgl. § 18 Abs. 1 UmwStG). Die Vorschriften über Hinzurechnungen und Kürzungen des Gewerbeertrages sind anzuwenden.2 Nicht in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind jedoch die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG aus den Anteilen, die im Privatvermögen gehalten werden. Soweit diese Anteile nicht die Grenze des § 17 EStG überschreiten, ergibt sich dies bereits daraus, dass für diese Anteile kein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist.3 Gelten die im Privatvermögen gehaltenen Anteile für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 5 Abs. 2 UmwStG als in ein Betriebsvermögen eingelegt, sind die hieraus erzielten Bezüge i.S. des § 7 UmwStG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung aus dem Gewerbeertrag auszuscheiden.4
11.98
Beispiel Am Nennkapital der deutschen Blitz-GmbH sind die A-NV zu 50 %, die B-GmbH mit 40 %, die C-GmbH mit 9,1 % und D mit 0,9 % beteiligt. Die A-NV hat ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden. Die B-GmbH und die C-GmbH haben ihren Sitz und Ort
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3
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eine Billigkeitslösung: Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 7 UmwStG Rz. 26. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 7 UmwStG Rz. 24 (Stand: Dezember 2011); Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 7 UmwStG Rz. 29; wohl auch: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27. In den Fällen, in denen sich die Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag in einem anderen Betriebsvermögen befinden, stellt sich die Frage, ob für die Ermittlung der Behaltensfristen auf die Zugehörigkeit zum bisherigen Betriebsvermögen abgestellt werden kann. Das ist u.E. zu bejahen; vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 18 UmwStG Rz. 17 (Stand: November 2011); Trossen in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 18 UmwStG Rz. 24. Die Anteilseigner erzielen in diesem Fall lediglich Einkünfte aus Kapitalvermögen und keine gewerblichen Einkünfte, vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 18 UmwStG Rz. 16 (Stand: November 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 18 UmwStG Rz. 18. § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG; vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 18 UmwStG Rz. 17 (Stand: November 2011).
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§ 11
Umstrukturierungen
der Geschäftsleitung in Deutschland. D ist eine natürliche Person und wohnt in Deutschland. Der steuerliche Übertragungsstichtag ist der 31.12.2014. Die steuerliche Schlussbilanz/Übertragungsbilanz der Blitz-GmbH sieht wie folgt aus: Aktiva
720 000 Euro Stammkapital Gewinnrücklagen Verbindlichkeiten
100 000 Euro 520 000 Euro 100 000 Euro
720 000 Euro
720 000 Euro
Der A-NV sind 260 000 Euro als Bezüge aus Kapitalvermögen1 zuzurechnen (50 % der um das steuerliche Einlagekonto gekürzten offenen Rücklagen). Wenn die A-NV in Deutschland keine Betriebsstätte unterhält, der die Anteile an der Blitz-GmbH zuzurechnen sind, hat Deutschland ausschließlich ein Quellensteuerrecht i.H.v. 10 % (Art. 13 Abs. 4 DBA-NL).2 Die Kapitalertragsteuer beträgt damit 26 000 Euro. Aufgrund der Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG sind die Bezüge in die Veranlagung der A-NV einzubeziehen und können zur Anrechnung gebracht werden. Der B-GmbH sind Bezüge nach § 8 Abs. 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 208 000 Euro zuzurechnen. Die Bezüge sind nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei. 5 % dieser Bezüge, also 10 400 Euro, stellen nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dar (§ 8b Abs. 5 KStG) und unterliegen der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die Kapitalertragsteuer von 52 000 Euro zzgl. Solidaritätszuschlag ist nach § 31 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen. Für die C-GmbH sind die Bezüge von 47 320 Euro in voller Höhe unter Anrechnung der auf sie entfallenden Kapitalertragsteuer steuerpflichtig, da die C-GmbH nicht mit mindestens 10 % an der Blitz GmbH beteiligt war. D fließen als Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG die auf ihn entfallenden Gewinnrücklagen von 4 680 Euro (0,9 % von 520 000 Euro) zu, die der Abgeltungsteuer unterliegen.
b) Übernahmegewinn aa) Anteile befinden sich im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft 11.100
Nach dem gesetzlichen Regelfall, dem die Konzeption der §§ 3 ff. UmwStG zugrunde liegt, befinden sich die Anteile an der GmbH im Betriebsvermögen der übernehmenden GmbH & Co. KG. Es wird also eine Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen.
11.101
In diesem Fall steht der Betriebsvermögensmehrung durch die Übernahme der Wirtschaftsgüter der GmbH eine Betriebsvermögensminderung in der Höhe entgegen, in der die Anteile an dieser Gesellschaft – mit dem nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG korrigierten Wert – untergehen. Entsprechend bezeichnet § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Gesellschaft3 abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang4 als Übernahmegewinn bzw. als Übernahmeverlust. Da die übernommenen Wirtschaftsgüter für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses grundsätzlich mit dem Wert anzusetzen sind, mit dem sie in der Schlussbilanz der GmbH ausgewie1 Zur Einordnung der Bezüge nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) bzw. Nr. 5 Buchst. a) EStG vgl. Rz. 11.94. 2 Es wurde davon ausgegangen, dass die Freistellung nach § 43b Abs. 1 EStG keine Anwendung findet. Nach Art. 10 des noch nicht in Kraft getretenen DBA-Niederlande 2012 ist die Quellensteuer auf 5 % reduziert. 3 Einschließlich des Ansatzes in einer bestehenden Ergänzungsbilanz. 4 Dies betrifft nur die von der Personengesellschaft zu tragenden Kosten.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
sen waren, entscheidet der Ansatz durch die GmbH über die Realisierung der stillen Reserven sowohl der Wirtschaftsgüter auf Ebene der GmbH als auch der GmbH-Anteile auf Ebene der Personengesellschaft und deren Gesellschafter. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG vor. Danach sind die Wirtschaftsgüter, an denen vor der Umwandlung kein deutsches Besteuerungsrecht bestand (sog. „neutrales Vermögen“), für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies betrifft insbesondere Wirtschaftsgüter, die einer ausländischen Betriebsstätte der übertragenden Körperschaft zuzuordnen sind, deren Gewinn in Deutschland aufgrund eines mit dem Betriebsstättenstaat geschlossenen DBA freizustellen ist. Hintergrund hierfür ist, dass der Wert dieser Wirtschaftsgüter in Deutschland bis zur Umwandlung über die GmbH-Anteile – mittelbar – steuerverhaftet ist. Da die Anteile mit der Umwandlung wegfallen, besteht mit der Umwandlung letztmalig für den deutschen Fiskus die Möglichkeit einer Besteuerung.1
11.102
Der so ermittelte Übernahmegewinn ist nach § 4 Abs. 5 UmwStG ggf. um einen vorhandenen Sperrbetrag nach § 50c EStG zu erhöhen. Ein solcher kommt in Betracht, wenn die Anteile an der umzuwandelnden GmbH innerhalb der letzten zehn Jahre2 vor der Umwandlung von einem nach damaligem Recht nicht zur Anrechnung der Körperschaftsteuer berechtigten Steuerausländer3 oder von einem nicht wesentlich privat beteiligten Steuerinländer erworben wurden.4 § 50c EStG ist zwar durch das StSenkG aufgehoben worden, bleibt aber innerhalb der 10-jährigen Sperrfrist anwendbar, wenn die Anteile vor dem 1.1.2002 erworben wurden und der Sperrbetrag damit vor diesem Zeitpunkt bereits entstanden ist.5 Die Regelung ist damit spätestens mit Ablauf des Jahres 2011 ausgelaufen.
11.103
Da die offenen Rücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft den Anteilseignern nach § 7 UmwStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind
11.104
1 Die Regelung dürfte i.E. nicht europarechtswidrig sein: van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 96; Klingebiel, Der Konzern 2006, 606; wohl auch Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz. 74.1 a.E. (Stand: September 2008). A.A. Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1123); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077 f.); Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1459); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (178). 2 Die zehnjährige Sperrfrist des § 50c Abs. 1 EStG ist u.E. auch im Rahmen des § 4 UmwStG zu beachten. Vgl. auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 4 UmwStG Rz. 97 ff.; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 89 (Stand: Dezember 2011). 3 § 50c EStG a.F. verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht: vgl. BFH v. 3.2.2010 – I R 21/06, BStBl. II 2010, 692 = GmbHR 2008, 603 m. Komm. Roser. Die Finanzverwaltung wendet § 50c Abs. 11 auch auf Erwerbe vor 1997 an (BMF v. 13.7.1998 – IV B 7 - S 2189 - 12/98, BStBl. I 1998, 912 unter II.1. = GmbHR 1998, 857). 4 Der Sperrbetrag kann auch nicht durch die Einbringung der sperrbetragsbehafteten Anteile in eine Kapitalgesellschaft und anschließende Umwandlung der vorgenannten Gesellschaften in Personengesellschaften (Doppelumwandlungsmodell) vermieden werden, vgl. BFH v. 12.11.2008 – I R 77/07, BStBl. II 2009, 831 = GmbHR 2009, 441. Vgl. auch BFH v. 2.7.2014 – I R 57/12, BFH/NV 2015, 11 = GmbHR 2015, 42. 5 § 52 Abs. 59 EStG; vorausgesetzt, das Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft entspricht dem Kalenderjahr. Vgl. Kempermann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50c EStG Rz. 2 (Stand: Mai 2008).
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§ 11
Umstrukturierungen
und als solche der Besteuerung unterliegen, sind diese bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses abzuziehen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG). 11.105
Das Übernahmeergebnis berechnet sich somit wie folgt:1 Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs. 1 UmwStG zu übernehmen sind + stille Reserven des neutralen Vermögens ./. Kosten für den Vermögensübergang ./. (korrigierter) Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft = Übernahmegewinn/-verlust i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG + Sperrbetrag nach § 50c EStG a.F. ./. Bezüge nach § 7 UmwStG = Übernahmegewinn/-verlust i.S. des § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG bb) Anteile befinden sich nicht im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft
11.106
Entsteht die übernehmende Personengesellschaft – wie beim Formwechsel – erst mit der Umwandlung oder befinden sich die Anteile an der übertragenden GmbH aus anderen Gründen nicht im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft (z.B. Verschmelzung auf eine Schwester-Personengesellschaft), so sind die Wirtschaftsgüter von der GmbH & Co. KG zwar auch nach § 4 Abs. 1 UmwStG mit dem Wert zu übernehmen, mit dem sie in der steuerlichen Schlussbilanz der GmbH ausgewiesen waren, die entsprechende Betriebsvermögensminderung durch das Schwinden der Anteile bliebe aber ohne eine ergänzende gesetzliche Regelung aus und würde sich somit bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nicht auswirken.
11.107
Hier lassen sich verschiedene Fallgruppen unterscheiden: Die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft können von der übernehmenden Gesellschaft wegen der Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG nach dem Umwandlungsstichtag und vor dem Umwandlungsbeschluss erworben worden sein. Es kann sich um Anteile handeln, die eine private Beteiligung i.S.v. § 17 EStG darstellen, sich in einem anderen Betriebsvermögen befinden, einbringungsgeboren nach § 21 UmwStG a.F.2 oder sonstige Anteile sind.
11.108
Hat die übernehmende Gesellschaft die Anteile an der übertragenden Gesellschaft nach dem Umwandlungsstichtag erworben, so wird der Übernahmegewinn ermit1 Vgl. auch: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27. Die Ermittlung des Umwandlungsergebnisses erfolgt für jeden Anteilseigner/Gesellschafter getrennt, so dass ggf. nur die anteiligen Werte einzubeziehen sind. 2 Nach dem in §§ 20 ff. UmwStG vollzogenen Konzeptionswechsel wird im neuen Recht auf die Entstehung einbringungsgeborener Anteile verzichtet. Die nach altem Recht entstandenen einbringungsgeborenen Anteile bestehen als solche jedoch fort. Für diese ordnet § 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG an, dass § 5 Abs. 4 UmwStG a.F. weiter anzuwenden ist. Bestehen also einbringungsgeborene Anteile nach altem Recht, so sind diese in die Ermittlung des Umwandlungsergebnisses weiterhin einzubeziehen.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
telt, als seien die Anteile zu diesem Stichtag angeschafft worden (§ 5 Abs. 1 UmwStG). Das gilt auch für die Anteile der nach § 29 UmwG abgefundenen Anteilseigner. Der unentgeltliche Erwerb ist der Anschaffung gleichgestellt.1 Anteile, die im Privatvermögen gehalten werden und eine Beteiligung i.S.v. § 17 EStG darstellen, sowie einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 UmwStG a.F.2 gelten für die Ermittlung des Umwandlungsergebnisses als zum steuerlichen Übertragungsstichtag mit den Anschaffungskosten eingelegt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Eine Differenzierung zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern sieht das Gesetz nicht vor, so dass ein Übernahmeergebnis grundsätzlich auch für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zu ermitteln ist. Nach innerstaatlichem Recht ist der Gewinn im Rahmen der beschränkten Einkommenbzw. Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschafter zu erfassen, wobei umstritten ist, ob sich die Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG oder aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e) EStG ergibt.3 Unerheblich für die Anwendung des § 5 Abs. 2 UmwStG ist darüber hinaus, ob Deutschland an dem Umwandlungsgewinn auch abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht hat.4 Allerdings stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob Deutschland den ermittelten Umwandlungsgewinn der Besteuerung unterwerfen darf. Dies dürfte zu verneinen sein, wenn mit dem Sitzstaat des Anteilseigners ein DBA entsprechend dem OECD-Musterabkommen besteht. Zwar ist im Rahmen des Art. 13 OECD-Musterabkommen nach der Rechtsprechung des BFH – anders als bei der Bestimmung des Besteuerungsrechts im Zusammenhang mit Dividendeneinkünften – ggf. keine funktionale Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte erforderlich;5 die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG reicht dennoch zur Begründung von Betriebsstätteneinkünften i.S. des Abkommensrechts nicht aus.6
1 Zur insoweit geänderten Verwaltungsauffassung: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.09. Vgl. dazu auch Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 196 f. 2 § 27 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG i.V.m. § 5 Abs. 4 UmwStG a.F.; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.12. 3 Vgl. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 5 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwStG Rz. 145; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz. 554, 564 (Stand: September 2008). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.07; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 5 UmwStG Rz. 26 (Stand: Dezember 2011); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 5 m.w.N. (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, § 5 UmwStG Rz. 28. Die wohl h.M. geht hier davon aus, dass die Anteile auch in diesem Fall zu Anschaffungskosten als eingelegt gelten, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwStG Rz. 29. 5 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BFH/NV 2008, 1250 = GmbHR 2008, 780 zum DBA-Schweiz. Einschränkend Gosch, BFH-PR 2008, 328 (329). 6 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwG Rz. 145; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz. 565 (Stand: September 2008). Zu den Kriterien aus Sicht der Finanzverwaltung vgl.: BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1.
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§ 11
Umstrukturierungen
11.110
Für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses gelten auch diejenigen Anteile i.S. des § 17 EStG als in die Personengesellschaft eingelegt, für die im Rahmen des § 17 EStG ein Verlust nicht zu berücksichtigen wäre. Für diese bleibt aber ein Übernahmeverlust außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 6 UmwStG; s. auch Rz. 11.117).
11.111
Soweit Anteile an der Kapitalgesellschaft zu einem anderen in- oder ausländischen Betriebsvermögen eines Gesellschafters der Personengesellschaft gehören,1 ist der Gewinn so zu ermitteln, als seien die Anteile an diesem Stichtag nicht mit den Anschaffungskosten, sondern mit dem um steuerwirksame Abschreibungen aus den Vorjahren, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge erhöhten Buchwert (§ 5 Abs. 3 UmwStG) in das Betriebsvermögen eingelegt worden.2 Insoweit besteht eine Parallele zu den bereits im Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehaltenen Anteilen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Auch für die Anwendung des § 5 Abs. 3 UmwStG ist – wie auch bei § 5 Abs. 2 UmwStG – unerheblich, ob hinsichtlich der Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht.3 Es ist höchstens der gemeine Wert anzusetzen. Die Buchwertverknüpfung ist auch dann zu beachten, wenn der Anteilseigner die Anteile innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Übertragungsstichtag in ein Betriebsvermögen eingelegt hat und die Anschaffungskosten unter den Buchwerten liegen.
11.112
Hinsichtlich der sonstigen Anteile, in erster Linie also der Anteile, die im Privatvermögen gehalten werden und weder Anteile i.S.v. § 17 EStG noch solche i.S.v. § 21 UmwStG a.F. sind, erfolgt die Besteuerung im Rahmen der Umwandlung ausschließlich gem. § 7 UmwStG. Entsprechend bleibt der Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der übernehmenden Gesellschaft außer Ansatz, soweit er auf diese Anteile entfällt.4 cc) Besteuerung des Übernahmegewinns
11.113
Ist der Übernahmegewinn einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen, so ist hierauf § 8b KStG anzuwenden (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG). Der Übernahmegewinn ist damit steuerfrei, wobei jedoch 5 % als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gelten und der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen. Soweit der Übernahme1 Ausreichend ist, dass die Anteile Sonderbetriebsvermögen darstellen. Zum Teil wird vertreten, dass die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft spätestens mit dem Umwandlungsbeschluss Sonderbetriebsvermögen II bei der aufnehmenden Personengesellschaft werden, wenn der Anteilseigner auch Mitunternehmer dieser Personengesellschaft ist, vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 5 UmwStG Rz. 31. Dies erscheint als zu weitgehend. Darüber hinaus muss die Betriebsvermögenseigenschaft zum Übertragungsstichtag bestehen. Erfolgt die Umwandlung rückwirkend, hat die Begründung der Sonderbetriebsvermögenseigenschaft durch den Umwandlungsbeschluss keine steuerliche Bedeutung mehr. 2 Werden die Anteile aus einem ausländischen Betriebsvermögen eingelegt, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG. Hier ist ggf. zu überlegen, die Anteile vor der Umwandlung in ein deutsches Betriebsvermögen zu überführen. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 05.09; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 5 UmwStG Rz. 40 (Stand: Dezember 2011); Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 5 m.w.N. (Stand: Dezember 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.25.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
gewinn auf eine natürliche Person entfällt, sind gem. § 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG die Regelungen des § 3 Nr. 40 Satz 1 und 2 sowie § 3c EStG anzuwenden (sog. Teileinkünfteverfahren). c) Übernahmeverlust Übersteigt der Buchwert der GmbH-Anteile in der Bilanz der GmbH & Co. KG das in der Schlussbilanz der GmbH ausgewiesene steuerbilanzielle Eigenkapital, so ergibt sich ein Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG). Der Übernahmeverlust erhöht sich zudem um die Bezüge, die nach § 7 UmwStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entstehung ist wie folgt zu differenzieren: Sind die Anteilseigner der GmbH die Gründungsgesellschafter oder haben deren Rechtsnachfolger die Anteile unentgeltlich erworben, so kann der Übernahmeverlust nur durch Verluste der GmbH entstehen, die nicht durch laufende Gewinne ausgeglichen wurden (Gründungsfall). Darüber hinaus entsteht ein Übernahmeverlust, wenn die Geschäftsanteile von neu eintretenden Gesellschaftern erworben wurden und bei der Ermittlung des Kaufpreises stille Reserven in den Wirtschaftsgütern der Kapitalgesellschaft Berücksichtigung gefunden haben (Erwerbsfall).
11.114
Ein Übernahmeverlust bleibt nach § 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG außer Ansatz, soweit dieser auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als Mitunternehmerin der übernehmenden Personengesellschaft entfällt, und zwar auch soweit die Bezüge wegen § 8b Abs. 5 KStG zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben führen.1 Nach dem Gesetzeswortlaut gilt das auch für Anteile, die unter die Streubesitzregelung des § 8b Abs. 4 KStG fallen (Beteiligung von unter 10 %), obwohl eventuelle Bezüge nach § 7 UmwStG hier nicht steuerbefreit sind.2 Ein Übernahmeverlust ist bei einer Kapitalgesellschaft daher steuerrechtlich nur wirksam, wenn die Anteile an der übertragenden Gesellschaft unter § 8b Abs. 7 oder Abs. 8 Satz 1 KStG fallen. Hier ist ein Übernahmeverlust bis zur Höhe der Bezüge gem. § 7 UmwStG zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 UmwStG). Werden die Anteile von natürlichen Personen gehalten, ist ein Übernahmeverlust i.E. bis zu höchstens 60 % der zugerechneten Bezüge nach § 7 UmwStG zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 6 Satz 4 Halbs. 1 UmwStG). Darüber hinaus bleibt der Übernahmeverlust auch hier außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG).
11.115
Im Ergebnis sind damit Umwandlungsverluste nur steuerwirksam, soweit hierdurch steuerpflichtige Bezüge nach § 7 UmwStG ausgeglichen werden. Eine darüber hinausgehende Verlustberücksichtigung ist ausgeschlossen. Die „übersteigenden“ Anschaffungskosten der GmbH-Anteile können auch nicht in einer Ergänzungsbilanz des Gesellschafters bei der übernehmenden Personengesellschaft
11.116
1 Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz. 629.8 (Stand: Oktober 2009); kritisch dazu Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1526). 2 Dies beruht i.E. darauf, dass aus einer Beteiligung von unter 10 % zwar Ausschüttungen in vollem Umfang steuerpflichtig sind, Veräußerungsgewinne und -verluste aber weiter unter § 8b Abs. 2 und 3 KStG fallen. Vgl. auch Bohnhardt in Haritz/Menner, § 4 UmwStG Rz. 293.
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§ 11
Umstrukturierungen
fortgeführt werden.1 Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung allerdings dann, wenn hierdurch einem erwerbsbezogenen Aufwand ohne sachliche Rechtfertigungsgründe endgültig der Abzug versagt bliebe. In diesen Fällen kommt zumindest eine sachliche Billigkeitsmaßnahme in Betracht.2 Mit dieser Einschränkung erscheint die derzeitige Regelung verfassungsrechtlich zulässig zu sein, zumal durch einen entsprechenden Ansatz der Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft ein Übernahmeverlust – wenn auch ggf. um den Preis der Versteuerung eines Übertragungsgewinns – möglicherweise vermieden werden kann. 11.117
Ein Veräußerungsverlust bleibt außer Ansatz, soweit ein Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG nicht zu berücksichtigen wäre oder die Anteile innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag gekauft wurden (§ 4 Abs. 6 Satz 5 UmwStG). Mit dem Abzugsverbot soll verhindert werden, das der Anteilseigner i.E. die offenen Rücklagen erwirbt und durch die Umwandlung steuerfrei vereinnahmt.3 d) Gewerbesteuer
11.118
Weder ein Übernahmegewinn noch ein Übernahmeverlust sind nach § 18 Abs. 2 UmwStG für Zwecke der Gewerbesteuer zu erfassen. Ein Übernahmegewinn unterliegt daher auch dann nicht der Gewerbesteuer, wenn die Anteile an der umzuwandelnden GmbH – wie im gesetzlichen Grundfall – von einer Personengesellschaft gehalten werden. Zu beachten ist aber, dass die Bezüge nach § 7 UmwStG im Grundsatz den Gewerbeertrag erhöhen, soweit für den Anteilseigner ein Umwandlungsergebnis ermittelt wird und die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG nicht erfüllt sind.4 Eine Ausnahme begründet § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG: Gelten die Anteile für die Ermittlung des Übernahmegewinns nach § 5 Abs. 2 UmwStG als in die übernehmende Personengesellschaft eingelegt, so ist ein Gewinn nach § 7 UmwStG für die Gewerbesteuer nicht zu erfassen.
11.119
Durch die Umwandlung wird eine fünfjährige Sperrfrist ausgelöst innerhalb der – unabhängig von den Voraussetzungen des § 7 Satz 2 GewStG – ein Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes der GmbH & Co. KG oder der Gesellschaftsanteile an dieser Gesellschaft der Gewerbesteuer unterliegt (§ 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG). Hiervon ist der gesamte Gewinn umfasst, auch soweit die stillen Reserven erst nach der Umwandlung entstanden sind.5 Auszuscheiden sind nach der Rechtsprechung nur diejenigen stillen Reserven, die in den Buchwertansätzen solchen Betriebsvermögens ruhen, welches bereits vor der Umwand1 BFH v. 12.7.2012 – IV R 39/09, BStBl. II 2012, 728 = GmbHR 2012, 1086 für einen Anteilseigner, für den kein Umwandlungsgewinn oder -verlust zu ermitteln war. 2 BFH v. 24.6.2014 – VIII R 35/10, DStR 2014, 1716 = GmbHR 2014, 1048. 3 Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz. 629.18 (Stand: März 2009). 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 18.04. 5 BFH v. 26.6.2007 – IV R 58/06, BStBl. II 2008, 73 = GmbHR 2007, 1060; BFH v. 20.11.2006 – VIII R 47/05, BStBl. II 2008, 69 = GmbHR 2007, 272; BFH v. 11.12.2001 – VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 = GmbHR 2002, 382 m. Komm. Roser.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
lung im Betrieb des aufnehmenden Rechtsträgers (also der GmbH & Co. KG) vorhanden war.1 Die Finanzverwaltung hat sich dem für Altfälle angeschlossen.2 Für Umwandlungen, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das maßgebende öffentliche Register nach dem 31.12.2007 erfolgt ist, hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich angeordnet, dass auch diese stillen Reserven der Gewerbesteuer unterliegen.3 Die Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG ist für die Fälle des § 18 Abs. 3 UmwStG ausdrücklich ausgeschlossen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UmwStG).
11.120
e) Übernahmefolgegewinn aa) Entstehung Haben sowohl die übertragende GmbH als auch die übernehmende GmbH & Co. KG bereits vor der Umwandlung bestanden (Verschmelzung durch Aufnahme), können die Gesellschaften untereinander Rechtsbeziehungen begründet haben, die durch die Verschmelzung betroffen werden. Wenn Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Gesellschaften bestanden haben, so erlöschen diese mit der Vereinigung in einer Person (sog. Konfusion). Ebenso kann der Grund für eine Rückstellung entfallen. Die entsprechenden Bilanzposten gehen zwar auf die GmbH & Co. KG über, erlöschen dann aber bzw. sind aufzulösen. Zu einem Gewinn kommt es hierbei, wenn entweder diese korrespondierenden Posten in der Bilanz der GmbH und der GmbH & Co. KG unterschiedliche Wertansätze aufweisen oder wie im Fall einer Rückstellung nur eine der Gesellschaften bilanzielle Folgen gezogen hat. Diesen Gewinn nennt man Übernahmefolgegewinn (§ 6 UmwStG).4 Nichtanwendbar ist § 6 UmwStG bei dem Übergang auf eine Personengesellschaft ohne Betriebsvermögen.5 Das ist konsequent, da es bei einem Rechtsträger ohne Betriebsvermögen nicht zu einer erfolgswirksamen Abwertung von Forderungen gegen den übernehmenden Rechtsträger gekommen sein kann.6
11.121
Ein unterschiedlicher Wertansatz von Forderungen und Verbindlichkeiten kann z.B. vorliegen, wenn auf die Forderung zulässigerweise eine Teilwertabschreibung vorgenommen wurde.
11.122
1 BFH v. 20.11.2006 – VIII R 47/05, BStBl. II 2008, 69 = GmbHR 2007, 272; BFH v. 16.11.2005 – X R 6/04, BStBl. II 2008, 62 = GmbHR 2006, 220. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01, Rz. 18.09; OFD Münster Kurzinformation Gewerbesteuer Nr. 001/2008 v. 18.3.2008, GmbHR 2008, 448. 3 § 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG i.d.F. des JStG 2008. Zur möglichen Verfassungswidrigkeit vgl. Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221. 4 Zu Strategien zur Vermeidung eines Übernahmefolgegewinns vgl. Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 6 UmwStG Rz. 96 zur Pensionsrückstellung (Stand: November 2008) bzw. Rz. 123 ff. zu Forderungen (Stand: November 2008). Allerdings wird im Regelfall lediglich die Verlagerung des Gewinns auf die Kapitalgesellschaft bzw. die Gesellschafter erreicht, was steuerlich günstiger oder auch ungünstiger als ein Übernahmefolgegewinn sein kann. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01. 6 Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 209; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 6 UmwStG Rz. 1.
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§ 11
Umstrukturierungen
Beispiel 11.123
Die GmbH hat gegen die übernehmende Personengesellschaft eine Darlehensforderung über 100 000 Euro. Auf die Forderung hat sie eine steuerlich wirksame Teilwertabschreibung von 10 000 Euro vorgenommen, so dass diese in der steuerlichen Übertragungsbilanz mit 90 000 Euro aktiviert ist, während sie in der Bilanz der Personengesellschaft als Verbindlichkeit mit dem Nennwert von 100 000 Euro passiviert ist. Durch die Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit kommt es somit zu einem Übernahmefolgegewinn i.H.v. 10 000 Euro.
11.124
Hat die GmbH zugunsten eines ihrer Anteilseigner eine Pensionszusage erteilt und dementsprechend eine Pensionsrückstellung gebildet, so ist diese Rückstellung nach nunmehr geänderter Verwaltungsauffassung mit dem Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG und nicht mehr mit dem Barwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG anzusetzen.1 Ein Übernahmefolgegewinn scheidet damit insoweit i.d.R. aus. bb) Steuerliche Behandlung
11.125
Der Übernahmefolgegewinn entsteht steuerlich bei der übernehmenden GmbH & Co. KG eine juristische Sekunde nach Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags,2 somit noch in dem Jahr, in das der Übertragungsstichtag fällt. Die Gesellschaft darf in dieser Höhe aber eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Zumindest nach Inkrafttreten des BilMoG setzt die steuerliche Rücklage nicht mehr voraus, dass auch in der Handelsbilanz eine entsprechende Rücklage gebildet wird.3 Die Personengesellschaft ist steuerrechtlich nicht gezwungen, die Rücklage zu bilden. Sie kann ganz darauf verzichten oder aber auch nur für einen Teil des Übernahmefolgegewinns die Rücklage bilden. Ist eine Rücklage gebildet worden, so ist diese in den auf ihre Bildung folgenden drei Wirtschaftsjahren mit mindestens je 1/ 3 gewinnerhöhend aufzulösen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Die Auflösung der Rücklage führt zu einem laufenden steuerpflichtigen Gewinn, der dem vollen Tarif der Einkommen- und Gewerbesteuer unterliegt. Zudem ist eine Sperrfrist zu beachten: Die Begünstigung entfällt rückwirkend, wenn die Personengesellschaft den Betrieb innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in eine Kapitalgesellschaft einbringt oder ohne triftigen Grund veräußert oder aufgibt (§ 6 Abs. 3 UmwStG).
11.126
Ein evtl. entstehender Übernahmefolgeverlust mindert den laufenden Gewinn bzw. erhöht den laufenden Verlust der Personengesellschaft. Die Verlustabzugsbeschränkung des § 4 Abs. 6 UmwStG betrifft nur den Übernahmeverlust. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.02. Kritisch etwa: Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 6 UmwStG Rz. 18 und 34 (Stand: Dezember 2011). 2 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 6 UmwStG Rz. 22 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 6 UmwStG Rz. 27; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01 Satz 1: mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.03; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 6 UmwStG Rz. 24 (Stand: Dezember 2011).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Die vorstehenden Grundsätze gelten nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UmwStG entsprechend, wenn sich der Gewinn eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft dadurch erhöht, dass eine Forderung oder Verbindlichkeit der übertragenden GmbH auf die Personengesellschaft übergeht oder dass infolge des Vermögensübergangs eine Rückstellung aufzulösen ist. Voraussetzung ist aber eine Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister (§ 6 Abs. 2 UmwStG). Diese Regelung geht davon aus, dass ein Übernahmefolgegewinn auch dann entstehen kann, wenn ein Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers in Folge der Umwandlung einen Anspruch gegen den oder eine Verbindlichkeit gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger erhält1 (etwa weil dieser eine Forderung gegen die übertragende GmbH hatte, die auf die GmbH & Co. KG übergegangen ist). Dass in diesen Fällen ein Übernahmefolgegewinn entsteht, dürfte in dieser Allgemeinheit nicht richtig sein. Im Gegensatz zu einer Forderung bzw. Verbindlichkeit zwischen übernehmendem und übertragendem Rechtsträger kommt es im Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und der übernehmenden Personengesellschaft zivilrechtlich nicht zur Konfusion.2 Eine (nur) steuerrechtliche Konfusion3 wäre anzunehmen, wenn für diese Forderung bzw. Verbindlichkeit das sog. Korrespondenzprinzip Anwendung finden würde. Hiernach sind etwa Teilwertabschreibungen auf Darlehen des Gesellschafters gegen seine Personengesellschaft im Sonderbetriebsvermögen steuerlich nicht anzuerkennen.4 Das Korrespondenzprinzip geht aber nicht so weit, dass außerhalb des Sonderbetriebsvermögens entstandene Wertminderungen rückgängig zu machen sind. Wird eine Forderung des Gesellschafters gegen die übertragende GmbH mit der Umwandlung dieser zu Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden GmbH, so ist diese auch dann mit den Anschaffungskosten auszuweisen, wenn diese unter dem Teilwert liegen.5 Entsprechendes gilt, wenn der Gesellschafter auf die Forderung im Betriebsvermögen Teilwertabschreibungen vorgenommen hat und die Voraussetzungen für einen Ansatz mit dem geminderten Teilwert noch vorliegen.
11.127
f) Umwandlungskosten Jeder der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger hat seine Umwandlungskosten selbst zu tragen. Die Zuordnung von umwandlungsbedingten Kosten zum übertragenden oder zum übernehmenden Rechtsträger richtet sich ausschließlich nach dem objektiven Veranlassungsprinzip; ein Zuordnungswahlrecht besteht nicht.6 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.01 Satz 2. 2 Cordes/Dremel/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 207 f. 3 Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 6 UmwStG Rz. 30 (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 6 UmwStG Rz. 15 ff. (Konfusion aus steuerlicher Sicht). 4 BFH v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. II 1998, 180 = GmbHR 1998, 50; BFH v. 5.5.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871 = GmbHR 2003, 1294 m. Komm. Hoffmann; BFH v. 9.12.2009 – IV B 129/08, BFH/NV 2010, 640. 5 Anerkannt ist dies etwa bei dem Erwerb einer Forderung gegen die Gesellschaft von einem Dritten zu einem Kaufpreis unter dem Nennwert: Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 543; Herbst/Stegemann, DStR 2013, 176. 6 BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698 = GmbHR 1998, 953. Vgl. auch Stimpel, GmbHR 2012, 199.
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§ 11
Umstrukturierungen
Die Finanzverwaltung1 unterscheidet insoweit zwischen objektbezogenen (insbesondere der durch die Umwandlung ausgelösten Grunderwerbsteuer) und anderen Kosten. Nicht objektbezogene Kosten des übernehmenden Rechtsträger stellen unabhängig davon, wann sie entstanden sind, Kosten des Vermögensübergangs i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG dar. Gleiches gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich der Kosten des übertragenden Rechtsträgers, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag entstanden sind. Dies widerspricht allerdings den oben dargestellten Grundsätzen der Kostenzuordnung nach dem objektiven Veranlassungsprinzip. Richtig ist es daher, die durch den übertragenden Rechtsträger verursachten Umwandlungskosten unabhängig von deren Entstehenszeitpunkt diesem zuzuordnen und für die Kosten, die nach dem Umwandlungsstichtag entstehen, eine Rückstellung in der Schlussbilanz dieses Rechtsträgers zu passivieren.2 Da es für die Einordnung ausschließlich auf die Veranlassung der entsprechenden Kosten ankommt, können als Kosten des Vermögensübergangs auch Aufwendungen anzusehen sein, die erst nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung, ggf. auch in späteren Veranlagungszeiträumen, entstehen. Dabei reicht aber nicht jeder Zusammenhang aus. Die Kosten müssen sich vielmehr als unmittelbare Folge der Umwandlung selbst darstellen, d.h. gerade auf der Umwandlung beruhen. 11.129
Beim übertragenden Rechtsträger zu berücksichtigende Kosten sind sonach nur solche, die mit dessen Gesellschaftsform in Zusammenhang stehen, insbesondere die Kosten3 – des Verschmelzungsvertrages bzw. des Entwurfs und dessen Beurkundung jeweils zur Hälfte; – des Verschmelzungs- bzw. des Umwandlungsberichts; – der Verschmelzungsprüfung; – des Verschmelzungs- bzw. Umwandlungsbeschlusses; – der Anmeldung und Eintragung des Beschlusses; – der Löschung; – der Gesellschafterversammlung, in der dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt wird; – für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit den vorgenannten Positionen.
11.130
In die Veranlassungssphäre der übernehmenden Gesellschaft fallen dagegen neben den hälftigen Kosten für den Entwurf und die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages insbesondere die Notar- und Beurkundungskosten, die die Eintragung der übernehmenden Gesellschaft betreffen.
11.131
Die durch einen Formwechsel entstehenden Kosten sind handelsrechtlich der formwechselnden Gesellschaft zuzuordnen, da diese lediglich „ihr Rechtskleid wechselt“. Eine Zuordnung dieser Kosten zum übertragenden bzw. übernehmenden Rechtsträger ist nur für steuerliche Zwecke erforderlich und möglich. Es gelten 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34. 2 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwStG Rz. 45. 3 Ausführlich dazu schon Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 3 UmwStG Rz. 175 ff. (Stand: Juni 1999) sowie Stimpel, GmbHR 2012, 199; vgl. auch BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698 (699) = GmbHR 1998, 953.
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Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
die gleichen Grundsätze wie bei der Verschmelzung,1 d.h., die Zuordnung der Kosten erfolgt nach dem objektiven Veranlassungsprinzip. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist der Beschluss über den Formwechsel nach § 193 UmwG. Da der Formwechsel – anders als die Verschmelzung – einaktig konzipiert ist, tritt der Beschluss in seiner Funktion wenigstens zum Teil an die Stelle des Verschmelzungsvertrages und enthält somit auch Elemente, die die neue Rechtsform betreffen. U.E. sind die Kosten für den Beschluss über den Formwechsel daher für steuerliche Zwecke hälftig aufzuteilen. Soweit die Kosten der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind, mindern sie den laufenden Gewinn dieser Gesellschaft.2 Da die Umwandlungskosten der übertragenden Gesellschaft über eine Rückstellung in der Übertragungsbilanz zu erfassen sind, mindern sie darüber hinaus das Übernahmeergebnis. Die Umwandlungskosten, die der übernehmenden Personengesellschaft zuzuordnen sind, sind dagegen in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses einzubeziehen und mindern einen Übernahmegewinn bzw. erhöhen einen Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG). Die steuerlichen Folgen richten sich jeweils danach, ob ein Übernahmegewinn oder -verlust entsteht und ob dieser einer natürlichen Person oder einer Kapitalgesellschaft zugerechnet wird. Ist für einen Gesellschafter kein Übernahmeergebnis zu ermitteln, so gehen diese Aufwendungen im Privatvermögen wegen § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ins Leere.3
11.132
Die Frage der ertragsteuerlichen Behandlung der mit der Umwandlung entstehenden Grunderwerbsteuer hat nur noch Bedeutung für die Verschmelzung oder die Spaltung, nachdem die Finanzverwaltung dem BFH folgend den Formwechsel nicht mehr als grunderwerbsteuerbar ansieht.4 Entsteht Grunderwerbsteuer, so gehört diese nach Verwaltungsauffassung im Grundsatz zu den Anschaffungsnebenkosten und ist entsprechend zu aktivieren.5 Wird durch die Umwandlung eine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst, so liegen insoweit keine nachträglichen Anschaffungskosten vor.6 Nach Auf-
11.133
1 Orth, GmbHR 1998, 511 (520). 2 Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 3 UmwStG Rz. 157; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz. 67 (Stand: Dezember 2011). Zum alten Recht: BMF v. 16.12.2003 – IV A 2 - S 1978 - 16/03, BStBl. I 2003, 786 Tz. 03.13 = GmbHR 2004, 200. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.35: Ein Gesellschafter, der nicht der Übernahmegewinnbesteuerung, sondern nur der Besteuerung des Dividendenanteils gem. § 7 UmwStG unterliegt, kann seine Übernahmekosten steuerlich nicht geltend machen. A.A. Schnitter in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 4 UmwStG Rz. 172 (Stand: August 2012); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, § 4 UmwStG Rz. 44. 4 Z.B. FinMin Baden-Württemberg v. 19.12.1997 – S 4520/2, DStR 1998, 82 = GmbHR 1997, 235 unter Hinweis auf BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661 = GmbHR 1997, 136. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34 unter Hinweis auf BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S1978-b/0, BStBl. I 2010, 70. Vgl. auch Schmitz, NWB 2014, 2466. 6 BFH v. 20.4.2011 – I R 20/10, BStBl. II 2011, 761; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34; OFD NRW v. 21.4.2015 – S 2174-St 141 (01/2009), S 2174 - 1001 - St 141, FR 2015, 476.
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§ 11
Umstrukturierungen
fassung der Finanzverwaltung handelt es sich um Kosten des Vermögensübergangs.1
5. Rückwirkung a) Allgemeines 11.134
Zivilrechtlich treten die Folgen der Umwandlung erst mit Eintragung derselben in das Handelsregister ein. Erfolgt ein Formwechsel, so bewirkt (erst) dessen Eintragung in das Handelsregister, dass der formwechselnde Rechtsträger seine neue Rechtsform erhält (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Im Fall der Verschmelzung geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in diesem Zeitpunkt auf die GmbH & Co. KG über. Der davon abweichende Verschmelzungsstichtag nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG bestimmt lediglich den Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten. Auf den Stichtag, der vor dem Verschmelzungsstichtag liegt, ist die handelsrechtliche Schlussbilanz i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG aufzustellen. Da diese wiederum nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung liegenden Zeitpunkt aufgestellt werden kann, sind die Beteiligten auch in der Wahl des handelsrechtlichen Verschmelzungsstichtages auf diesen Zeitraum beschränkt.
11.135
Abweichend von dem Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs stellt das Steuerrecht für die Verschmelzung in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auf den Stichtag der Bilanz ab, die dem Vermögensübergang zu Grunde liegt. Dieser steuerliche Übertragungsstichtag ist der Tag, der dem handelsrechtlichen Verschmelzungsstichtag vorausgeht2 und deckt sich also mit dem Stichtag, auf den die handelsrechtliche Schlussbilanz aufzustellen ist. Eines Antrages bedarf es hierzu nicht, so dass der steuerliche Rückwirkungszeitraum im Fall der Verschmelzung mit der Wahl des Verschmelzungsstichtags nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG bestimmt wird. Ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht besteht insoweit nicht. Alle ab diesem Stichtag anfallenden ertragsteuerlich relevanten Vorgänge, die sich bei der bis zur Handelsregistereintragung bestehenden übertragenden Gesellschaft ereignen, gelten steuerlich als bereits bei der GmbH & Co. KG eingetreten, selbst wenn diese zu diesem Stichtag noch nicht existierte.3 Ist die Übernehmerin eine Personengesellschaft (hier: die GmbH & Co. KG), so gilt § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG (auch) für das Einkommen und das Vermögen der Gesellschafter (vgl. § 2 Abs. 2 UmwStG).
11.136
§ 2 Abs. 1 UmwStG enthält wie § 20 Abs. 4 und 5 UmwStG sowie § 24 Abs. 4 UmwStG eine Fiktion und stellt damit eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass Sachverhalte nicht mit steuerlicher Wirkung rückwirkend gestaltet werden können. Fingiert wird zunächst für die in § 2 Abs. 1 UmwStG genannten Steuern der Vermögensübergang mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages. § 2 1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.34; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 4 UmwStG Rz. 47 (Stand: Dezember 2011); Stimpel, GmbHR 2012, 199. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.02. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.11.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Abs. 2 UmwStG weitet diese Fiktion auf die Gesellschafter der Personengesellschaft aus. Die übernehmende Gesellschaft wird Steuersubjekt bzw. Gewinnermittlungssubjekt unabhängig davon, ob sie z.B. bei der Verschmelzung zur Neugründung bereits zivilrechtlich bestanden hat.1 Der Fiktion folgt eine Umqualifizierung der wesentlichen Rechtsbeziehungen der Gesellschaft und der Gesellschafter. Schließlich ist die Fiktion auch für die Bestimmung des Zeitpunktes der Besteuerung des Umwandlungsgewinns sowie der Einkünfte i.S.v. § 7 UmwStG zu beachten. Eine entsprechende Regelung sieht das Steuerrecht auch für den Formwechsel vor. Wegen der Identität des Rechtsträgers gibt es zwar insoweit weder einen Umwandlungsstichtag noch eine handelsrechtliche Schlussbilanz. § 9 Satz 2 UmwStG ordnet daher an, dass die übertragende Kapitalgesellschaft für steuerliche Zwecke eine Übertragungsbilanz und die übernehmende Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz aufzustellen hat. Grundsätzlich sind diese Bilanzen auf den Zeitpunkt aufzustellen, in dem der Formwechsel wirksam wird. Auf Antrag können diese Bilanzen aber auch auf einen Stichtag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in das Handelsregister liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag). Es handelt sich um ein ausschließlich steuerrechtliches Antrags- bzw. Wahlrecht. Einer besonderen Regelung im Beschluss über den Formwechsel bedarf es nicht.
11.137
Eine Ausnahme von der Rückbeziehung und der damit verbundenen Umqualifizierung wird für die Gesellschafter gemacht, die vor der Umwandlung oder im Zuge derselben ausscheiden. Veräußert ein Gesellschafter im Rückwirkungszeitraum, d.h. vor der Eintragung der Verschmelzung oder des Formwechsels in das Handelsregister, Geschäftsanteile an der GmbH, so nimmt er an der Rückwirkung nicht teil. Diese Anteilseigner veräußern somit auch steuerrechtlich noch GmbH-Anteile; der Veräußerungsgewinn ist nach Teileinkünftegrundsätzen zu versteuern.2 Gleiches gilt für diejenigen Anteilseigner, die anlässlich der Umwandlung gegen Barabfindung gem. §§ 29, 207 UmwG ausscheiden. Zwar kann das Angebot auf Barabfindung erst nach der Eintragung der Verschmelzung bzw. des Formwechsels angenommen werden (§§ 31, 209 UmwG), so dass die annehmenden Gesellschafter zivilrechtlich erst aus der Personengesellschaft ausscheiden. Die Finanzverwaltung behandelt diese Anteilseigner dennoch so, als seien sie aus dem übertragenden Rechtsträger, also noch aus der GmbH, ausgeschieden.3
11.138
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.11. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.18 und 02.20 ff. Erfolgt die Übertragung aufschiebend bedingt auf die Eintragung der Umwandlung (insbesondere des Formwechsels) in das Handelsregister, so verkauft der Gesellschafter grds. einen Mitunternehmeranteil. Ausnahmsweise kann trotzdem ein Ausscheiden im Rückwirkungszeitraum vorliegen, wenn die Verträge so gestaltet sind, dass das wirtschaftliche Eigentum noch vor der Handelsregistereintragung übergeht, vgl. BFH v. 6.5.2008 – IV B 151/07, BFH/NV 2008, 1452. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.19. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Alt. 2 UmwStG, wonach die vom übernehmenden Rechtsträger im Rahmen der Barabfindung erworbenen Anteile bereits als am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft gelten. Vgl. Dietrich/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 154.
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§ 11 11.139
Umstrukturierungen
Eine weitere Ausnahme von der Rückwirkung enthält § 2 Abs. 3 UmwStG. Danach kann eine Umwandlung steuerrechtlich nicht zurückbezogen werden, wenn die Einkünfte aufgrund abweichender Regelungen in einem anderen Staat dort der Besteuerung entzogen werden. § 2 Abs. 3 UmwStG gilt für den Formwechsel entsprechend (§ 9 Abs. 3 Halbs. 2 UmwStG). Durch diese Regelungen sollen unterschiedliche Einkünftezurechnungen im Rückwirkungszeitraum verhindert werden, die zu sog. „weißen Einkünften“ führen. Bei rein nationalen Umwandlungen findet die Regelung damit keine Anwendung. Einschränkungen bestehen zudem für die rückwirkende Verlustnutzung, und zwar sowohl bei rein nationalen Umwandlungen als auch bei solchen mit Auslandsbezug (s. § 2 Abs. 4 UmwStG sowie nachfolgend Rz. 11.149). b) Gewinnausschüttungen
11.140
Gewinnausschüttungen, die im Rückwirkungszeitraum erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag beschlossen wurden oder ohne Ausschüttungsbeschluss nach dem Übertragungsstichtag abgeflossen sind (verdeckte Gewinnausschüttungen), sind als Entnahmen bei der übernehmenden Personengesellschaft zu behandeln, wenn die Anteile unter die Rückwirkungsfiktion fallen, der Anteilseigner also nicht vor Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Sie dürfen in der steuerlichen Übertragungsbilanz der GmbH nicht passiviert werden und mindern somit auch nicht den Übernahmegewinn bzw. die Bezüge i.S.v. § 7 UmwStG. Entsprechend ist der Zufluss im Rückwirkungszeitraum für den Gesellschafter steuerneutral.1
11.141
Ist die Ausschüttung nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag abgeflossen, wurde der Ausschüttungsbeschluss aber davor gefasst, wird die Ausschüttung dagegen trotz der Umwandlung weiter nach Körperschaftsteuergrundsätzen behandelt. Die GmbH hat in ihrer Schlussbilanz eine Ausschüttungsverbindlichkeit auszuweisen.2 Auf Anteilseignerebene gilt die Ausschüttung hinsichtlich der Anteile, für die die Rückwirkungsfiktion greift, als am steuerlichen Übertragungsstichtag zugeflossen. Ist für den Anteilseigner ein Übernahmegewinn zu ermitteln, so stellen die Gewinnausschüttungen Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG dar. Erfolgt keine Ermittlung des Übernahmeergebnisses, so liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Nimmt der Anteilseigner nicht an der Rückwirkung teil, gelten für den Zufluss der Gewinnausschüttung die allgemeinen Grundsätze.3
11.142
Vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag vollständig bewirkte Gewinnausschüttungen (einschließlich Vorabgewinnausschüttungen und verdeckter Gewinnausschüttungen) werden durch die Rückwirkung der Umwandlung nicht betroffen. Sie haben das Betriebsvermögen der übertragenden GmbH bereits verlassen und somit das übergehende Vermögen bereits gemindert. Korrekturen in der 1 Vgl. auch für die Gesellschafter, die nicht an der Rückwirkung teilnehmen: BMF v. 11.11. 2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.32. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.27. 3 Vgl. Zur Behandlung der Gewinnausschüttungen beim Anteilseigner: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.28.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
Schlussbilanz bedarf es daher nicht.1 Ebenso wenig erfolgt eine Umqualifizierung der Gewinnausschüttung auf Ebene des Anteilseigners. Stellen die Anteile bei diesem Privatvermögen dar, so hat der Anteilseigner die zugeflossene Gewinnausschüttung nach § 20 Abs. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu versteuern;2 bei Anteilen im Betriebsvermögen liegen gewerbliche oder freiberufliche, möglicherweise auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor (§ 20 Abs. 8 EStG i.V.m. §§ 15, 18, 13 EStG). c) Geschäftsführervergütungen Werden an einen Gesellschafter-Geschäftsführer von der noch bestehenden GmbH Zahlungen für Zeiträume nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag geleistet, handelt es sich hierbei um Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn der Geschäftsführer Mitunternehmer der übernehmenden GmbH & Co. KG wird.3 Da bis zur zivilrechtlichen Wirksamkeit der Umwandlung die Rechtsbeziehungen aber weiterhin zur GmbH bestehen, bleibt diese grundsätzlich bis dahin zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet. In der Praxis wird hierauf jedoch ab dem Zeitpunkt, ab dem die Umwandlung beschlossen ist, verzichtet werden können, wenn keine Eintragungshindernisse bekannt sind.4
11.143
Werden Zahlungen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag für Zeiträume vorgenommen, die vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag liegen, sind die Zahlungen als Betriebsausgabe der GmbH und als Einkünfte des Gesellschafters aus der betreffenden Einkunftsart (i.d.R. aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG) zu behandeln. Der Anspruch des Gesellschafters auf die Vergütung gilt als zum steuerlichen Übertragungsstichtag befriedigt. In die Übertragungsbilanz der GmbH ist eine Verbindlichkeit aufzunehmen. Die spätere Zahlung löst keine steuerlichen Folgen bei der GmbH oder der GmbH & Co. KG mehr aus.
11.144
d) Pensionsrückstellungen Pensionsrückstellungen zugunsten von Gesellschafter-Geschäftsführern sind bei der GmbH zulasten des steuerlichen Gewinns dem Grunde nach zulässig. Würde die GmbH bei Erreichen des vereinbarten Pensionsalters noch bestehen, so würden die Pensionszahlungen beim Gesellschafter-Geschäftsführer zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG gehören.
11.145
Zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Personengesellschaft kann dagegen keine Pensionsrückstellung mit steuerlicher Wirkung gebildet werden. Ein Ansatz in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft ist zwar möglich. In Höhe der gebildeten Rückstellung ist jedoch in der Sonderbilanz des oder der Mitunternehmer gewinnerhöhend ein korrespondierender Aktivposten auszuweisen (s. dazu Rz. 6.138). Insoweit bestehen nach der Umwandlung der GmbH in die GmbH & Co. KG zwei Steuerregime: Eine bereits vor dem Umwandlungsstichtag
11.146
1 2 3 4
BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.25. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.26. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.36. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 2 UmwStG Rz. 96.
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§ 11
Umstrukturierungen
von der GmbH gebildete Pensionsrückstellung braucht von der GmbH & Co. KG weder aufgelöst zu werden,1 noch ist ein korrespondierender Anspruch in der Sonderbilanz des Gesellschafter-Geschäftsführers auszuweisen.2 Die Neubildung oder Erhöhung folgt dagegen den Grundsätzen des Mitunternehmerkonzeptes. Für die steuerliche Behandlung des Gesellschafters sind daher seine Bezüge im Versorgungsfall in Einkünfte nach § 19 EStG und solche nach § 15 EStG, jeweils i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG aufzuteilen.3 11.147
Nach nunmehr geänderter Auffassung der Finanzverwaltung ist die Pensionsrückstellung von der übernehmenden Personengesellschaft weiterhin mit dem Teilwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG und nicht mit dem Barwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG anzusetzen.4 Insoweit wird die zivilrechtliche Weiterführung des Dienstverhältnisses auch steuerlich anerkannt. Ein Übernahmefolgegewinn scheidet damit insoweit i.d.R. aus (s. Rz. 11.124). e) Laufende Geschäfte
11.148
Da die GmbH noch bis zur Eintragung der Verschmelzung zivilrechtlich existent ist, können im Falle der Verschmelzung zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Löschung der GmbH Liefergeschäfte oder sonstige Rechtsgeschäfte zwischen der GmbH und der Personengesellschaft vorgenommen werden. Hierbei handelt es sich im Rückwirkungszeitraum ertragsteuerlich um innerbetriebliche Vorgänge, die das steuerliche Einkommen nicht berühren. Bei einem Formwechsel sind solche Rechtsgeschäfte zwischen formwechselnder GmbH und der GmbH & Co. KG dagegen nicht denkbar, da die Personengesellschaft erst nach Übertragung des Formwechsels in das Handelsregister entsteht. f) Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum
11.149
Um zu verhindern, dass Verluste, die nach § 8c KStG untergegangen sind, durch eine rückwirkende Umwandlung genutzt werden können, sieht § 2 Abs. 4 UmwStG hierzu umfangreiche Beschränkungen vor. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift umfasst zudem den Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG sowie den EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG. Im Grundfall versagt § 2 Abs. 4 UmwStG den Ausgleich und die Verrechnung eines Verlustes des übertragenden Rechtsträgers mit einem Umwandlungsgewinn oder einem laufenden Gewinn des übernehmenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum; allerdings nur, soweit die Verluste oder negativen Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers nach § 8c KStG ohne Berücksichtigung der Rückwirkung untergegangen wären (§ 2 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UmwStG). Hauptanwendungsbereich dürfte der Erwerb der Beteiligung an der übernehmenden Kapitalgesellschaft im Rückwirkungszeitraum durch die übernehmende Gesellschaft oder deren Gesellschafter sein. Mit dem 1 2 3 4
BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.05. FG Nürnberg v. 26.6.2002 – V 229/98, GmbHR 2002, 1255 (rkr.). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.06. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 06.02. Kritisch etwa: Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 6 UmwStG Rz. 18 und 34 (Stand: Dezember 2011).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
AmtshilfeRL-Umsetzungsgesetz1 wurde dieser Regelungsgedanke in § 2 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 UmwStG auf die Verluste und negativen Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers – also etwa die Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft – ausgeweitet.2 g) Aufsichtsratsvergütungen Aufsichtsratsvergütungen für die Zeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem Erlöschen der GmbH sind bei der GmbH & Co. KG als Betriebsausgaben abzugsfähig, da die Beschränkungen des § 10 Nr. 4 KStG für diese nicht gelten.3 Werden Aufsichtsratsvergütungen an Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft gezahlt, so stellen die Zahlungen Sonderbetriebseinnahmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG des betreffenden Gesellschafters dar.
11.150
6. Beispiel für einen Formwechsel a) Sachverhalt Die Meier GmbH ist durch Bargründung im Jahre 1968 entstanden und verfügt über ein Stammkapital von 1 Mio. Euro. Sie stellt Bauelemente für alle Arten von Gebäuden her. Ihre Belegschaft umfasst 50 Arbeitnehmer. Sie hat einen dreiköpfigen Betriebsrat. An ihrem Stammkapital sind Herr Meier mit 60 %, Herr Müller mit 39,5 % und Frau Schulte mit 0,5 % beteiligt. Herr Meier ist Gründungsgesellschafter. Seine Anschaffungskosten betragen 600 000 Euro. Herr Müller hat seinen Anteil von dem ausscheidenden Herrn Hansen zum 31.12.2006 für einen Kaufpreis von 4 700 000 Euro erworben. Gleichfalls zum 31.12.2006 hat Frau Schulte im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes von Herrn Meier ihren Geschäftsanteil für einen Kaufpreis von 60 000 Euro erworben. Zu ihren Gunsten ist eine Pensionsrückstellung von 50 000 Euro gebildet worden. Der erdiente Anwartschaftsbarwert beträgt 15 000 Euro. Die Kaufpreise entsprachen jeweils dem Verkehrswert zum 31.12.2006. Die Gesellschafter halten ihre Anteile im Privatvermögen. Die Gesellschaft unterhält eine österreichische Betriebsstätte, auf die stille Reserven von 500 000 Euro entfallen (neutrales Vermögen). Zum 31.12.2015 soll die Gesellschaft nunmehr in die Meier GmbH & Co. KG formgewechselt werden. Als zukünftige Komplementärin dient die Meier-Verwaltungs GmbH, von deren Stammkapital (30 000 Euro) Herr Meier 18 000 Euro, Herr Müller 11 850 Euro und Frau Schulte 150 Euro übernehmen. Die Gesamtkosten des Formwechsels wurden auf 52 000 Euro veranschlagt. Die Kosten sind jeweils zur Hälfte der GmbH und der GmbH & Co. KG zuzurechnen. 1 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 2 Das gilt für Umwandlungen, bei denen die Anmeldung zum Handelsregister nach dem 26.6. 2013 erfolgt ist (§ 27 Abs. 12 UmwStG). Zu Einzelheiten vgl. etwa: van Lishaut in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, § 2 UmwStG Rz. 130 sowie FinMin Brandenburg v. 28.5.2014 – 35 - S 1978 - 1/09, DB 2014, 2135. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.37.
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11.151
§ 11
Umstrukturierungen
Bilanz der Meier GmbH 11.152
Die GmbH hat zum 31.12.2015 folgende Steuerbilanz aufgestellt. Bei den Klammerwerten handelt es sich um die gemeinen Werte: Aktiva
T Euro
Geschäftswert
Passiva
0
T Euro
[400] Eigenkapital
Grund und Boden
1 000
[1 800] – Gez. Kapital
1 000
Gebäude
1 200
[2 100] – Gewinnrücklage
2 750
Techn. Anlagen und Maschinen
2 300
[2 760]
– Gewinnvortrag
180
Fuhrpark
800
[920] Sonderposten mit Rücklagenanteil [§ 6b EStG]
Betr.-/Gesch.-Ausstattung
300
[360] Pens.-Rückst. für Ges.-Geschäftsführer
50
[50]
[120] Steuerrückstellung
60
[60]
GWG
0
Finanzanlagen
1 600
[1 600]
Umlaufvermögen
1 760
[1 900] Sonst. Rückstellungen Darlehen Müller
Rechnungsabgrenzungsposten
160
[160] Verbindl. aus Lief. und Leist. Sonst. Verbindl. Rechnungsabgrenzungsposten
9 120
200
540
[540]
1 550
[1 550]
900
[900]
1 800
[1 800]
90
[90]
9 120
Das zu versteuernde Einkommen der Meier GmbH für 2015 beträgt 200 000 Euro. Es wurde eine Gewerbesteuerrückstellung von 28 350 Euro und eine Körperschaftsteuerrückstellung von 31 650 Euro gebildet. In den sonstigen Rückstellungen sind bereits die anteiligen Kosten des Formwechsels berücksichtigt. b) Lösung Steuerliche Behandlung der Meier GmbH 11.153
Die Meier GmbH kann in ihrer steuerlichen Übertragungsbilanz die Buchwerte zugrunde legen, da das Vermögen in das Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG übergeht (§ 3 UmwStG). Ein Übertragungsgewinn entsteht nicht. Damit entspricht die steuerliche Übertragungsbilanz der Schlussbilanz zum 31.12.2015. Besteuerung der offenen Rücklagen
11.154
Für sämtliche Gesellschafter sind Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 7 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG Meier (in T Euro) Anteiliges Eigenkapital lt. Steuerbilanz ./. Bestand des steuerlichen Einlagenkontos nach fiktiver Kapitalherabsetzung gem. 29 Abs. 1 KStG Zuzurechnende Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG
Müller (in T Euro)
Schulte (in T Euro)
2 358,0
1 552,4
19,6
600,0
395,0
5,0
1 758,0
1 157,4
14,6
Auf die Bezüge nach § 7 UmwStG hat die Gesellschaft Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag einzubehalten und abzuführen. Die Herren Meier und Müller haben die ihnen nach § 7 UmwStG zuzurechnenden Bezüge im Veranlagungszeitraum 2015 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG) zu versteuern. Die Bezüge sind zu 40 % steuerfrei (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b) EStG). Die Vorschriften über die Abgeltungsteuer (§§ 32d, 43 Abs. 5 EStG) gelten wegen §§ 20 Abs. 8, 32d Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, weil die Anteile mit der Umwandlung als in die übernehmende Personengesellschaft eingelegt gelten. Die Bezüge sind als gewerbliche Einkünfte im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung bei der Meier GmbH & Co. KG zu erfassen, sie unterliegen jedoch nicht der Gewerbesteuer (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Die Bezüge von Frau Schulte, unterfallen der sog. Abgeltungsteuer (vgl. §§ 32d Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 5 EStG), da die von ihr gehaltenen Anteile nicht an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses teilnehmen. Ermittlung des Übernahmeergebnisses Die Meier GmbH & Co. KG hat in ihrer steuerlichen Eröffnungsbilanz die in der Übertragungsbilanz der GmbH zum 31.12.2015 ausgewiesenen Buchwerte zu übernehmen. Da die Anteile der Gesellschafter Meier und Müller für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses als in die Meier GmbH & Co. KG eingelegt gelten (§ 5 Abs. 2 UmwStG), ist für diese ein Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG wie folgt zu ermitteln: Meier (in T Euro) Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs. 1 UmwStG zu übernehmen sind1 + anteilige stille Reserven des neutralen Vermögens ./. anteilige Kosten für den Vermögensübergang ./. Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft = Übernahmegewinn/-verlust i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG + Sperrbetrag nach § 50c EStG ./. Bezüge nach § 7 UmwStG = Übernahmegewinn/-verlust i.S.d. § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG
Müller (in T Euro)
2 358,0
1 552,4
300,0
197,5
15,6
10,3
600,0
4 700,0
2 042,4
./. 2 960,4
–
–
1 758,0
1 157,4
284,4
./. 4 117,8
1 Anteilige Aktiva lt. Übertragungsbilanz der GmbH abzüglich der anteiligen Schuldposten.
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11.155
§ 11
Umstrukturierungen
11.156
Für den Gesellschafter Meier ergibt sich unter Berücksichtigung der – das Übernahmeergebnis vermindernden – Bezüge nach § 7 UmwStG ein Übernahmegewinn i.H.v. T Euro 284,4. Dies entspricht den anteiligen stillen Reserven des neutralen Vermögens abzüglich der anteiligen Kosten für den Vermögensübergang. Der Gewinn ist zu 40 % steuerfrei (§ 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG). Er unterliegt nicht der Gewerbesteuer (§ 18 Abs. 2 UmwStG). Der Übernahmeverlust des Gesellschafters Müller ist zu 60 %, höchstens bis zu 60 % der Bezüge i.S. des § 7 UmwStG, also in Höhe von T Euro 694,4, zu berücksichtigen, so dass die als ausgeschüttet geltenden offenen Rücklagen bei ihm i.E. nicht besteuert werden. Der darüber hinausgehende Übernahmeverlust bleibt außer Ansatz (§ 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG). Insoweit kann sich im Fall des späteren Verkaufs der Anteile oder des Ausscheidens des Gesellschafters die Frage einer Billigkeitsmaßnahme stellen (s. Rz. 11.116). Für gewerbesteuerliche Zwecke ist der auf Herrn Müller entfallende Übernahmeverlust ebenfalls nicht zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Für Frau Schulte ist ein Übernahmeergebnis nicht zu ermitteln.
11.157
Die Meier GmbH & Co. KG hat aufgrund der in § 4 Abs. 1 UmwStG angeordneten Buchwertverknüpfung und unter Berücksichtigung der Festlegungen im Formwechselbeschluss folgende Eröffnungsbilanz (Steuerbilanz) zum 31.12.2015 aufzustellen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Kommanditeinlagen (Kapitalkonto I) den Stammeinlagen entsprechen und das übersteigende Eigenkapital den variablen Kapitalkonten (Kapitalkonto II) zugewiesen wird. Denkbar ist auch eine gesamthänderisch gebundene Rücklage. Bilanz der Meier GmbH & Co. KG zum 31.12.2015 Aktiva
T Euro Passiva
Geschäftswert Grund und Boden Gebäude Techn. Anlagen und Maschinen
0 1 000 1 200 2 300
Fuhrpark Betr.-/Gesch.-Ausstattung GWG Finanzanlagen Umlaufvermögen
800 300 0 1 600 1 760
Rechnungsabgrenzungsposten
160
9 120
11.158
Kommanditeinlagen (KapKto I) – A. Meier – C. Müller – D. Schulte Bewegl. Kapital (KapKto II) – A. Meier – C. Müller – D. Schulte Steuerfreie Rücklage [§ 6b EStG] Pens.-Rückst. für Ges.-Geschäftsführer Steuerrückstellung Sonst. Rückstellung Darlehen Müller Verbindl. aus Lief. und Leist. Sonst. Verbindl. Rechnungsabgrenzungsposten
T Euro 600 395 5 1 758 1 157 15 200 50 60 540 1 550 900 1 800 90 9 120
Die Notar- und Gerichtskosten, die auf die GmbH & Co. KG entfallen, sind nicht mehr in der laufenden steuerlichen Gewinnermittlung der Gesellschaft zu berück1118
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§ 11
Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG
sichtigen, da diese als Umwandlungskosten bereits Teil des Übernahmeergebnisses sind. Die GmbH & Co. KG hat außerdem folgende Sonder-Eröffnungsbilanzen aufzustellen, in denen für die Gesellschafter die Beteiligungen an der Komplementär GmbH, für Herrn Müller zusätzlich sein Darlehensanspruch gegen die Meier GmbH & Co. KG auszuweisen sind. Die Geschäftsanteile sowie die Darlehensforderung werden mit der Umwandlung steuerneutral aus dem Privatvermögen in das Sonderbetriebsvermögen überführt. Sonder-Eröffnungsbilanz Meier zum 31.12.2015 Aktiva
Euro Passiva
Euro
Bet. an Kompl.-GmbH
18 000 Sonderkapital
18 000
Summe
18 000 Summe
18 000
Sonder-Eröffnungsbilanz Müller zum 31.12.2015 Aktiva Bet. an Kompl.-GmbH
Euro Passiva 11 850 Sonderkapital
Darlehensforderung gegen GmbH & Co. KG
1 550 000
Summe
1 561 850 Summe
Euro 1 561 850
1 561 850
Sonder-Eröffnungsbilanz Schulte zum 31.12.2015 Aktiva
Euro Passiva
Euro
Bet. an Kompl.-GmbH
150 Sonderkapital
150
Summe
150 Summe
150
Ein Umwandlungsfolgegewinn aufgrund der für Frau Schulte bestehenden Pensionszusage entsteht nach geänderter Auffassung der Finanzverwaltung nicht mehr. Frau Schulte hat in ihrer Sonderbilanz keinen Unterschiedsbetrag zwischen dem bereits erdienten Anwartschaftsbarwert und der von der Meier GmbH & Co. KG in der Eröffnungsbilanz angesetzten Pensionsrückstellung zu erfassen.
11.159
7. Verkehrsteuern a) Umsatzsteuer Der mit der Verschmelzung verbundene Vermögensübergang stellt umsatzsteuerlich eine Geschäftsveräußerung im Ganzen dar (§ 1 Abs. 1a UStG) und ist als solche nicht steuerbar.1 Die übernehmende Gesellschaft tritt auch für umsatzsteuerliche Zwecke, insbesondere für die Anwendung von § 15a UStG, in die Rechtsstellung der GmbH ein. Beim Formwechsel i.S.v. §§ 190 ff. UmwG ist dagegen bereits 1 Robisch in Bunjes, UStG, 14. Aufl. 2015, § 1 UStG Rz. 74; Husmann in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 286 (Stand: September 1998); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 10 Rz. 11; OFD Düsseldorf v. 19.7.1999 – S 7304 A - St 1412, UR 1999, 426.
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§ 11
Umstrukturierungen
kein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch gegeben, da eine Vermögensübertragung nicht erfolgt, vielmehr die Identität (Nämlichkeit) des Rechtsträgers gewahrt bleibt und sich nur die Rechtsform ändert.1 Dem steht nicht entgegen, dass das UmwStG eine Vermögensübertragung in §§ 3 ff. UmwStG fingiert. Die gesetzliche Fiktion gilt nur für ertragsteuerliche und nicht für umsatzsteuerliche Zwecke. Damit liegt auch keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. b) Grunderwerbsteuer 11.161
Nachdem die Finanzverwaltung zunächst den Formwechsel als grunderwerbsteuerbar erkannt hatte, ist es im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH nunmehr gesichert, dass aufgrund der identitätswahrenden Ausgestaltung des Formwechsels ein Grunderwerbsteuertatbestand nicht erfüllt ist.2 Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen.3 Uneingeschränkt gilt das allerdings nur für den quotenerhaltenden Formwechsel. Kommt es mit dem Formwechsel dagegen zu einer Änderung der Beteiligungsquoten, sind auch hier Konstellationen denkbar, in denen Grunderwerbsteuer, etwa nach § 1 Abs. 3a GrEStG, ausgelöst werden kann.4
11.162
Zu beachten ist aber, dass nach dem Formwechsel für Grundstücksübertragungen von der GmbH & Co. KG auf die Gesellschafter oder eine Schwesterpersonengesellschaft eine fünfjährige Sperrfrist zu beachten ist, innerhalb derer eine grunderwerbsteuerneutrale Übertragung von im Zeitpunkt des Formwechsels im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücken nicht möglich ist. Für Zwecke des § 6 Abs. 4 GrEStG ist auf die dingliche Mitberechtigung des Gesellschafters abzustellen, die für grunderwerbsteuerliche Zwecke erst mit Wirksamkeit des Formwechsels, also mit Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister, gegeben ist.5 Diese Sperrfrist ist auch für die wirtschaftliche Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG zu beachten, so dass der damit fingierte Grundstücksübergang in dieser Frist nicht nach § 6 Abs. 2 bzw. 3 GrEStG (anteilig) grunderwerbsteuerfrei ist. Zudem sind die Gesellschafter erst nach Ablauf dieser Frist „Altgesellschafter“ i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG.
11.163
Die Verschmelzung löst dagegen dem Grunde nach Grunderwerbsteuer aus, sofern sich im Vermögen der übertragenden Gesellschaft Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte (§ 2 GrEStG) befinden. Die entstehende Grunderwerbsteuer ist sofort abzugsfähige Betriebsausgabe der GmbH & Co. KG und führt nicht zu Anschaffungskosten des übernommenen Grundvermögens (s. Rz. 11.133). Als Bemessungsgrundlage war in § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG zu ermittelnde Grundbesitzwert vorgesehen. Nachdem das BVerfG entschieden hat, dass diese Re1 Robisch in Bunjes, UStG, 14. Aufl. 2015, § 1 UStG Rz. 71; Husmann in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 298 (Stand: September 1998); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 10 Rz. 47; OFD Düsseldorf v. 19.7.1999 – S-7304 A - St 1412, UR 1999, 426. 2 BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661 = GmbHR 1997, 136; Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG Rz. 544 ff. 3 FinMin Baden-Württemberg v. 19.12.1997 – S 4520/2, GmbHR 1997, 471. 4 Das kann in einer zweigliedrigen formwechselnden Gesellschaft der Fall sein, wenn die zukünftige Komplementär-GmbH zu mehr als 5 % beteiligt war und mit dem Formwechsel auf eine Beteiligung am Vermögen von 5 % oder weniger herabsinkt. 5 BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587 = GmbHR 2001, 636.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
gelung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war,1 hat der Gesetzgeber dem nunmehr durch das Steueränderungsgesetz 2015 Rechnung getragen. Rückwirkend für Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden, ist danach als Bemessungsgrundlage der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG vorgesehen.2 Einstweilen frei.
11.164–11.180
B. Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH I. Überblick Während die Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG wegen der Verknüpfung der §§ 3 ff. UmwStG mit den Regelungen des UmwG bzw. vergleichbaren Vorgängen des ausländischen Rechts in der Praxis entweder als Formwechsel oder im Wege der Verschmelzung erfolgt, ist die Ertragsteuerneutralität der Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH nicht von der Anwendung des UmwG abhängig. Hierdurch ist die Zahl der in der Praxis gangbaren Wege einer Umwandlung erheblich größer.
11.181
Das UmwG bietet für den Übergang einer GmbH in eine GmbH & Co. KG insbesondere den Formwechsel der GmbH & Co. KG in eine GmbH und die Verschmelzung der GmbH & Co. KG auf eine bereits bestehende GmbH an. Möglich ist aber auch die Aufspaltung der Kapitalgesellschaft bzw. die Abspaltung von Vermögen auf die GmbH & Co. KG (§§ 123 ff. UmwG). Die Ausgliederung als zivilrechtlicher Unterfall der Spaltung eröffnet ebenfalls den Weg in die GmbH. Da die Anteile an der aufnehmenden GmbH hierbei in der übertragenden Personengesellschaft entstehen, führt dieser Weg allerdings in eine doppelstöckige Struktur. Als Umwandlungsmöglichkeiten außerhalb des UmwG kommen in Betracht: die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG auf die aufnehmende GmbH entweder unentgeltlich (einfaches Anwachsungsmodell) oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten3 mit dem anschließenden Übergang des Vermögens auf die GmbH („erweitertes Anwachsungsmodell“)4 sowie die Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva der GmbH & Co. KG auf eine GmbH ebenfalls gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Übernehmende Gesellschaft in den Anwachsungsmodellen kann auch eine Gesellschaft ausländischen Rechts sein.5 Als Mischform kann bei einer zweigliedrigen GmbH & Co. KG die Komplementärin auf den Kommanditisten oder umgekehrt der Kom-
11.182
1 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11, DStR 2015, 1678. 2 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Vgl. zur Rückwirkung der Gesetzesänderung: Joisten, Ubg 2015, 463. 3 D.h. im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung oder Barkapitalerhöhung mit der Verpflichtung, die Anteile als Aufgeld in die Kapitalgesellschaft einzubringen, s. dazu Rz. 11.202. 4 Vgl. Orth, DStR 1999, 1011 und 1053. 5 BGH v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, GmbHR 2012, 216 zur Anwachsung auf eine niederländische Komplementär–BV.
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Umstrukturierungen
manditist auf die Komplementärin nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes verschmolzen werden, wenn die Beteiligten verschmelzungsfähige Rechtsträger sind.1 Mit der Verschmelzung geht die GmbH & Co. KG unter und deren Vermögen auf den übernehmenden Rechtsträger über. 11.183
In der Mehrzahl der Fälle ist das erweiterte Anwachsungsmodell einfacher zu handhaben und kostengünstiger als der Weg über das UmwG, so dass sich in der Praxis diese Vorgehensweise weitestgehend durchgesetzt hat. Hinzu kommt, dass im Anwachsungsmodell der Vermögensübergang zeitlich punktgenau gesteuert werden kann, weil die Wirksamkeit nicht von einer Handelsregistereintragung abhängt. Als wichtige Ausnahme hiervon ist die Umwandlung einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG zu beachten, da die Belastung der Umwandlung mit Grunderwerbsteuer nur durch einen Formwechsel vermieden werden kann.2 Der mit dem Formwechsel verbundene Mehraufwand einerseits und die hierdurch eingesparte Grunderwerbsteuer andererseits sind gegeneinander abzuwägen. Handelsrechtlich ist zudem zu beachten, dass die in der GmbH & Co. KG ausgewiesenen Buchwerte bei einem Formwechsel zwingend fortzuführen sind, während sowohl bei der Verschmelzung als auch beim erweiterten Anwachsungsmodell handelsbilanziell eine Aufstockung bis auf die Zeitwerte erreicht werden kann. Diese Umwandlungswege können daher im Vergleich zu einem Formwechsel im Hinblick auf den Eigenkapitalausweis dieser Gesellschaft vorteilhaft sein. In Einzelfällen kann der Ausweis der Zeitwerte jedoch auch nachteilig sein. So wird z.B. wegen der damit erhöhten Abschreibungen der handelsrechtliche Jahresüberschuss ggf. mittel- bis langfristig reduziert.3
11.184
Steuerrechtlich werden sämtliche der vorgenannten Umwandlungsmöglichkeiten – wegen § 25 UmwStG einschließlich des Formwechsels – als Einbringungen i.S. des § 20 UmwStG behandelt. Sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, wird also insbesondere ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, so kann die übernehmende Kapitalgesellschaft auch nach den Änderungen, die das UmwStG durch das SEStEG erfahren hat, die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter so fortführen, wie sie der Einbringende im Zeitpunkt der Sacheinlage nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen hatte (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Geändert wurde jedoch das Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen Buchwertfortführung und Aufdeckung stiller Reserven. Der Grundsatz ist nunmehr der Ansatz mit dem gemeinen Wert; die Buchwertfortführung setzt – neben materiellen Voraussetzungen – einen Antrag voraus. Für den Einbringenden stellt sich wie bisher der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft die Wirtschaftsgüter ansetzt, als Veräußerungspreis dar, so dass die Einbringung grundsätzlich ertragsteuerneutral möglich ist. Mit dem SEStEG ist zudem das Konzept der einbringungsgeborenen Anteile (§ 21 UmwStG a.F.) aufgegeben worden. Einem Missbrauch wird nunmehr dadurch begegnet, dass die Einbringung rückwirkend 1 Vgl. z.B. Kowallik/Merklein/Scheipers, DStR 2008, 173 (175 f.); Schmid/Dietel, DStR 2008, 529. 2 Grunderwerbsteuer kann möglicherweise auch bei einem Formwechsel entstehen, falls dieser nicht verhältniswahrend ausgestaltet ist. S. dazu nachfolgend unter Rz. 11.294. 3 Vgl. Schmitt, DStR 2004, 936.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
zum gemeinen Wert erfolgt, wenn die erhaltenen Anteile innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Die erhaltenen Anteile sind unabhängig von der Beteiligungsquote des Anteilseigner nach § 17 EStG steuerverhaftet (vgl. § 17 Abs. 6 EStG).
II. Erweitertes Anwachsungsmodell 1. Zivilrecht Sämtliche Anwachsungsmodelle basieren darauf, dass mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer Personengesellschaft die Personengesellschaft erlischt und das Vermögen dieser Gesellschaft auf den zuletzt verbleibenden Gesellschafter übergeht. Der Vermögensübergang wird z.T. als Anwachsung entsprechend § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnet.1 Überzeugender ist es jedoch, die Rechtsänderung als Gesamtrechtsnachfolge zu verstehen, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 738 BGB bedarf.2 Dessen ungeachtet wird hier mit der überwiegenden Literatur für diese Umwandlungsvariante der Begriff des (erweiterten) Anwachsungsmodells verwendet. In jedem Fall vollzieht sich der Vermögensübergang – ohne Liquidation der Personengesellschaft – von Gesetzes wegen. Eine Übertragung der Vermögensgegenstände, Schulden und Vertragsverhältnisse ist nicht erforderlich. Es bedarf weder der Einhaltung der sachenrechtlichen Vorschriften, insbesondere über die Übertragung von Grundstücken, noch ist die Zustimmung der Gläubiger oder Vertragspartner zum Übergang der Schuldverhältnisse erforderlich. Allerdings kann es sinnvoll sein, Banken und andere wichtige Geschäftspartner bereits im Vorfeld von den beabsichtigten Maßnahmen zu informieren.
11.185
In der Grundform des einfachen Anwachsungsmodells scheiden alle Gesellschafter bis auf die Komplementär-GmbH aus der GmbH & Co. KG ohne Abfindung aus, so dass das Vermögen der GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH übergeht. Wirtschaftlich ist dieser Weg nur sinnvoll, wenn die aus der GmbH & Co. KG ausscheidenden Gesellschafter an der verbleibenden GmbH in dem Verhältnis beteiligt sind, wie es ihrer Beteiligung an der GmbH & Co. KG entspricht, da es nur dann durch den Vermögensübergang auf die GmbH zu keiner Vermögensverschiebung zwischen den Kommanditisten kommt. Allerdings führt das entschädigungslose Ausscheiden der Kommanditisten nach der h.M. ertragsteuerlich zu einer gewinnrealisierenden verdeckten Einlage in die GmbH (s. dazu Rz. 11.194), so dass von dem einfachen Anwachsungsmodell i.d.R. abzuraten sein wird.
11.186
Um die mit dem einfachen Anwachsungsmodell verbundene steuerliche Gewinnrealisierung zu vermeiden, können sämtliche Kommanditisten ihre Kommandit-
11.187
1 BGH v. 19.5.1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, 307 (315); vgl. auch BGH v. 16.12.1999 – VII ZR 53/97, NZG 2000, 474 = GmbHR 2000, 181; BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 (362); BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96. Auch der BGH v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, NJW 2008, 2992, spricht von der Anwachsung auf den letzten Gesellschafter. 2 K. Schmidt in MünchKomm. HGB, § 131 HGB Rz. 105; Roth in Baumbach/Hopt, § 131 HGB Rz. 35; vgl. auch BGH v. 13.7.1967 – II ZR 268/64, BGHZ 48, 203 (206); BGH v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, 296 (300); BGH v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, DB 2004, 1258 (1259) = GmbHR 2004, 952.
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Umstrukturierungen
anteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Komplementär-GmbH einbringen (erweitertes Anwachsungsmodell). Erforderlich ist hierfür entweder eine Sachkapitalerhöhung bei der aufnehmenden GmbH oder eine Barkapitalerhöhung mit der Verpflichtung, die Anteile als Aufgeld in die Kapitalgesellschaft einzubringen (s. dazu Rz. 11.202). Mit der Einbringung vereinigen sich sämtliche Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG in der GmbH. Die GmbH & Co. KG erlischt ohne Liquidation und das Vermögen der GmbH & Co. KG geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die GmbH über. 11.188
Aufnehmende Gesellschaft muss jedoch nicht zwingend die KomplementärGmbH sein, auch wenn sich dieses in der Mehrzahl der Fälle anbieten wird. Alternativ können auch alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG ihre Gesellschaftsbeteiligungen in eine beliebige andere GmbH einbringen. Dabei ist unerheblich, ob die aufnehmende GmbH bereits an der GmbH & Co. KG, z.B. als Kommanditistin, beteiligt ist. Zu beachten ist, dass die bisherige Komplementär-GmbH ihre Beteiligung an der GmbH & Co. KG ebenfalls einbringen und damit an der neuen GmbH beteiligt werden muss, wenn sie am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Andernfalls kann sie aus der Kommanditgesellschaft schlicht ausscheiden.
11.189
Die (Sach-)Kapitalerhöhung bei der übernehmenden GmbH folgt den allgemeinen Vorschriften des GmbHG. Wesentliches Element ist damit ein notariell beurkundeter Kapitalerhöhungsbeschluss. Dieser beinhaltet die Erhöhung des Stammkapitals der GmbH. Darüber hinaus sind in diesem Beschluss die von dem Gesellschafter zu erbringende Sacheinlage, also die eingebrachten Kommanditanteile, sowie der Nennbetrag des neuen Geschäftsanteils zu bezeichnen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Die einbringenden Gesellschafter haben in notariell beurkundeter oder beglaubigter Form die Übernahme des neuen Geschäftsanteils zu erklären (§§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Die Kapitalerhöhung ist zum Handelsregister anzumelden und wird mit Eintragung wirksam. Ein Sacherhöhungsbericht ist nicht erforderlich.1 Dem Handelsregister sind aber Unterlagen beizubringen, aus denen sich ergibt, dass der Wert der eingebrachten Gesellschaftsanteile den Nennbetrag des Geschäftsanteils deckt. I.d.R. wird hierzu die Überlassung einer Bilanz ausreichen; ggf. sollte eine sog. Werthaltigkeitsbescheinigung eines Wirtschaftsprüfers beigefügt werden.
11.190
Ein Mindestbetrag, um den das Stammkapital der aufnehmenden GmbH erhöht werden muss, ist zur Sicherung der Steuerneutralität im Grundsatz nicht erforderlich (s. aber zu möglichen Sperrfristverletzungen Rz. 11.258). Gesellschaftsrechtlich ist der Betrag jedes Geschäftsanteils nur insoweit beschränkt, als dieser auf volle Euro lauten muss (§ 55 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 und 3 GmbHG). Insbesondere muss der neue Geschäftsanteil nicht mehr durch 50 teilbar sein. Möglich ist es auch, dass ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile übernimmt (§ 55 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 2 GmbHG).
11.191
Die Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG gehen nicht mit dem Beschluss über die Kapitalerhöhung von Gesetzes wegen auf die GmbH über, sondern es bedarf eines gesonderten Übertragungsaktes. Dieser ist grundsätzlich formfrei, und zwar auch dann, wenn zum Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG Grund1 H.M.: Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 56 GmbHG Rz. 7.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
stücke gehören.1 Da in der Anmeldung der Kapitalerhöhung zu versichern ist, dass die Einlagen auf den neuen Geschäftsanteil bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistung sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 57 Abs. 2 GmbHG), bietet es sich an, die Übertragung der Gesellschaftsanteile mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der Übernahmeerklärung zu verbinden. Dies führt zum sofortigen Untergang der GmbH & Co. KG, der selbst dann nicht mehr umkehrbar ist, wenn die Kapitalerhöhung – aus welchen Gründen auch immer – scheitert. Auch die Arbeitsverhältnisse gehen auf die GmbH über. Ein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB besteht für die Arbeitnehmer nicht.2 Auch wenn mit dem (erweiterten) Anwachsungsmodell vergleichbare wirtschaftliche Ergebnisse wie mit einem Formwechsel oder einer Verschmelzung erzielt werden können, widerspricht diese Vorgehensweise nicht dem in § 1 Abs. 2 UmwG angeordneten numerus clausus der Umwandlungsmöglichkeiten, da diese Vorschrift sich nur auf Vorgänge innerhalb des UmwG bezieht.3 Ob andererseits die im UmwG enthaltenen (Minderheiten-)Schutzvorschriften auf Umwandlungen außerhalb des UmwG anzuwenden sind, ist umstritten.4 In der Praxis stellt sich diese Frage bei der Durchführung des Anwachsungsmodells aber nicht, weil der Vermögensübergang nur unter der Mitwirkung aller Gesellschafter erreicht werden kann.
11.192
Die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH und die Auflösung der GmbH & Co. KG sind zum Handelsregister anzumelden. Für die GmbH & Co. KG ist für steuerliche Zwecke auf den steuerlichen (Übertragungs-)Stichtag der Abtretung der Gesellschaftsanteile eine Schlussbilanz aufzustellen.5 Handelsrechtlich ist eine Schlussbilanz dagegen nicht erforderlich, zumindest entfällt eine derartige Verpflichtung zur Aufstellung mit der Wirksamkeit der Anwachsung und dem damit verbundenen Erlöschen der GmbH & Co. KG.6 Von der übernehmenden GmbH ist der Zugang der Vermögensgegenstände als laufender Geschäftsvorfall zu erfassen. Hierbei besteht handelsrechtlich ein Wahlrecht, die Vermögensgegenstände mit deren Zeitwert anzuset-
11.193
1 Zur Frage der Formbedürftigkeit der Übertragung von Kommanditanteilen s. Rz. 8.26. Sollen die Anteile nicht auf die Komplementär-GmbH übertragen werden, ist zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag zwingend die Mitübertragung der Anteile an der KomplementärGmbH vorsieht. Die Übertragung dieser Anteile kann unabhängig von den Regelungen im Gesellschaftsvertrag u.U. auch für die Sicherung der Steuerneutralität erforderlich sein, wenn diese als wesentliche Betriebsgrundlage des Mitunternehmeranteils anzusehen sind (s. zu Einzelheiten Rz. 11.210 ff.). 2 BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, BB 2008, 497 = MDR 2008, 1045. 3 Begr. RegE zu § 1 UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 80; Kallmeyer in Kallmeyer, § 1 UmwG Rz. 16 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 1 UmwG Rz. 66. 4 Bejahend: LG Karlsruhe v. 6.11.1997 – O 43/97 KfH I, DB 1998, 120 (121); Kallmeyer in Kallmeyer, § 1 UmwG Rz. 20; Drygala in Lutter, § 1 UmwG Rz. 60; a.A.: LG Hamburg v. 21.1. 1997 – 402 O 122/96, DB 1997, 516 (517). Vgl. auch: Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwG Rz. 397 ff. (Stand: April 2015); Semler in Semler/Stengel, § 1 UmwG Rz. 68. 5 Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden. Vgl. zu § 8b Satz 2 Nr. 1 EStDV a.F.: BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 (270). 6 Förschle/Deubert in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S Rz. 16.
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Umstrukturierungen
zen oder die Buchwerte fortzuführen.1 War die übernehmende GmbH vor dem Austritt der übrigen Gesellschafter am Vermögen der GmbH & Co. KG nicht beteiligt, so ergibt sich dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 24 UmwG. Soweit die GmbH bereits zuvor am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt war, kann auf Tauschgrundsätze zurückgegriffen werden. Die handelsbilanziellen Wirkungen treten jeweils mit der Übertragung der Anteile bzw. dem Austritt des vorletzten Gesellschafters ein. Eine handelsbilanzielle Rückbeziehung der Anwachsung ist nicht möglich.2 Eine Übernahmebilanz ist weder handels- noch steuerrechtlich zwingend, kann aber die praktische Handhabung erleichtern. Die Übernahmebilanz stellt dann eine Zwischenbilanz dar.
2. Steuerrechtliche Aspekte a) Überblick – Einfaches und erweitertes Anwachsungsmodell 11.194
Scheiden die übrigen Gesellschafter aus der GmbH & Co. KG ohne Abfindung zugunsten der verbleibenden Komplementär-GmbH aus (einfache Anwachsung), so wird dies – soweit die ausscheidenden Gesellschafter am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt waren – als verdeckte Einlage in die übernehmende GmbH angesehen, zumindest wenn diese auch an der Komplementär-GmbH beteiligt sind. Für die ausscheidenden Gesellschafter ist hierin eine gewinnrealisierende Aufgabe und ggf. auch eine Veräußerung des Mitunternehmeranteils zu sehen.3 Die damit verbundene Gewinnrealisierung tritt hinsichtlich des gesamten Mitunternehmeranteils ein. Davon sind auch die in den zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens gebildeten stillen Reserven – i.d.R. einschließlich der stillen Reserven in den Anteilen an der aufnehmenden Komplementär-GmbH – umfasst, es sei denn, diese Wirtschaftsgüter bleiben anderweitig betrieblich verhaftet. Auch bei dem einfachen Anwachsungsmodell kommt es dagegen nicht zu einer Gewinnrealisierung, soweit der Vermögensübergang auf einen bereits am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligten Gesellschafter (z.B. den alleine am Vermögen beteiligten Kommanditisten) erfolgt.4 Eine nicht am Vermögen beteiligte Komplementär-GmbH kann daher ohne weiteres aus der GmbH & Co. KG ausscheiden, und zwar auch dann, wenn die einzige Kommanditistin eine Kapitalgesellschaft ist. Dies entspricht – mit unterschiedlicher Begründung – der h.M. U.E.
1 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 93; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 2 Rz. 25c. 2 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 42) (Stand: 29.10.2012), IDW-Fn 2012, 701 Rz. 95. 3 H 40 „Anwachsung“ KStH 2008; SfF Bremen v. 25.10.2002 – S 2241 - 5788 - 110, FR 2003, 48; OFD Berlin v. 19.7.2002 – St 122 - S 2241 - 2/02, GmbHR 2002, 1091 m. Ergänzung v. 11.11.2002, GmbHR 2002, 1264; FG BW v. 19.4.2011 – 11 K 4386/08, EFG 2011, 1933 (rkr.). Nach Auffassung des FG Münster soll die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf eine Kapitalgesellschaft nach § 7 Abs. 1 EStDV (jetzt: § 6 Abs. 3 EStG) zu Buchwerten möglich sein, FG Münster v. 26.10.2005 – 1 K 2184/02 F (rkr.), EFG 2006, 807. 4 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 196.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
stellt das gesetzlich angeordnete Erlöschen des Kommanditanteils mit dem Übergang des Betriebsvermögen auf den verbleibenden Gesellschafter bereits keinen Gewinnrealisierungstatbestand, insbesondere keine Aufgabe des Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 3 EStG, dar.1 Eine entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG ist somit nicht erforderlich.2 Die mit der verdeckten Einlage des Kommanditanteils in die aufnehmende GmbH verbundene Gewinnrealisierung kann mit dem erweiterten Anwachsungsmodell vermieden werden, bei dem die Kommanditisten ihre Kommanditanteile zur Sachkapitalerhöhung oder als Agio im Rahmen einer Barkapitalerhöhung auf die Komplementärin übertragen. Hierin ist steuerlich die Einbringung eines Mitunternehmeranteils zu sehen, die unter den Voraussetzungen des § 20 UmwStG auf Antrag steuerneutral zu Buchwerten vollzogen werden kann. Auch im erweiterten Anwachsungsmodell werden jedoch keine neuen Gesellschaftsanteile ausgegeben, soweit die übernehmende GmbH bereits vor der Übertragung sämtlicher Kommanditanteile am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt war. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, wie bei dem schlichten Ausscheiden eines nicht am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligten Gesellschafters (einfache Anwachsung). D.h., für die am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligte übernehmende GmbH tritt in Höhe ihrer Beteiligung schon nach allgemeinen Grundsätzen mit der Anwachsung keine Gewinnrealisierung ein.
11.195
b) Anwendungsbereich von § 20 UmwStG Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG wird durch § 1 Abs. 3 UmwStG bestimmt. Die Vorschriften über die Einbringung gelten danach – soweit hier von Belang – nur – für die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung von Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG); – die Ausgliederung von Vermögensteilen (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 UmwStG); – den Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG); – die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG). Während die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UmwStG genannten Umwandlungen nur dann in den Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG fallen, wenn diese nach deutschem Umwandlungsgesetz vollzogen werden oder als vergleichbare ausländische Vorgänge einzuordnen sind, ist die Einbringung von Betriebsvermögen 1 Vgl. BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 (271). Dies entspricht i.E. auch der Auffassung der Finanzverwaltung: SfF Bremen v. 25.10.2002 – S 2241 - 5788 - 110, FR 2003, 48; OFD Berlin v. 19.7.2002 – St 122 - S 2241 - 2/02, GmbHR 2002, 1091 m. Ergänzung v. 11.11.2002, GmbHR 2002, 1264; Brandenberg, DStZ 2002, 511 (514). 2 A.A. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 77 (Stand: November 2011); Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565 (567); Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1636); Watermeyer, GmbH-StB 2003, 96 (97), die unter Hinweis auf BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 in diesen Fällen § 6 Abs. 3 EStG entsprechend anwenden.
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§ 11
Umstrukturierungen
durch Einzelrechtsnachfolge von jeder Bindung an das Umwandlungsgesetz gelöst. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist damit auch für die erweiterte Anwachsung eröffnet. 11.197
Der Auffassung, dass das erweiterte Anwachsungsmodell nicht in den Anwendungsbereich des UmwStG falle, weil weder eine Umwandlung nach dem UmwG (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UmwStG), noch die Übertragung des einzubringenden Vermögens im Wege der Einzelrechtsnachfolge vorliegt,1 ist nicht zu folgen.2 Bereits zivilrechtlich sind die Übertragung der Kommanditanteile und das Ausscheiden der übrigen Gesellschafter von dem damit einhergehenden Erlöschen des Gesellschaftsanteils und dem Übergang des Gesellschaftsvermögens auf die verbleibende Komplementär-GmbH zu unterscheiden. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile vollzieht sich im Wege der Einzelrechtsnachfolge (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG), auch wenn der übernehmende Gesellschafter letztlich nicht in die Gesellschafterstellung der Einbringenden eintritt, weil die GmbH & Co. KG mit der Übertragung untergeht. Erst der Übergang der Vermögensgegenstände von der untergehenden Personengesellschaft auf die übernehmende GmbH erfolgt als Reflex aus der Übertragung der Kommanditanteile durch Gesamtrechtsnachfolge. Steuerrechtlich sind diese mit der Einbringung verbundenen Vorgänge als bloßer dinglicher Vollzug des dem Ausscheiden der übrigen Gesellschafter zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts anzusehen und stellen selbst keine Realisationsakte, insbesondere nicht die Aufgabe eines Betriebes oder Mitunternehmeranteils, dar.3
11.198
Die Vorschriften über die Einbringung (§§ 20 ff. UmwStG) sind darüber hinaus nur anwendbar, wenn der übernehmende Rechtsträger, hier also die Kapitalgesellschaft, eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines EWR-Staates (Norwegen, Island, Liechtenstein) gegründete Gesellschaft i.S. des Art. 54 AEUV oder des Art. 34 EWR-Abkommen4 ist und sich deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in einem der vorgenannten Staaten befinden (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG; persönlicher Anwendungsbereich).
1 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 6, 160 (Stand: April 2012); kritisch auch Orth, der eine klarstellende Änderung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG fordert, Orth, DStR 2009, 192 (194). 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.44 sowie Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG Rz. 231a; Herlinghaus in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 39c; Mutscher in Frotscher/Maas, KStG/ GewStG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 159 ff. (Stand: März 2012); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 195. Für eine derartige Sichtweise spricht auch, dass der Gesetzgeber nicht zu erkennen gegeben hat, die anerkannte steuerneutrale Umwandlung durch Anwachsung aus dem Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes herausnehmen zu wollen. 3 BFH v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269 (271); vgl. auch OFD Berlin v. 19.7.2002 – St 122 - S 2241 - 2/02, GmbHR 2002, 1091 mit Ergänzung v. 11.11.2002, GmbHR 2002, 1264; Brandenberg, DStZ 2002, 511 (514 f.). 4 Dazu gehören nach Art. 54 Abs. 2 AEUV auch die Gesellschaften des Handelsrechts. Art. 34 EWR-Abkommen ist insoweit deckungsgleich (Art. 34 Abs. 2 EWR-Abkommen).
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
Einbringender muss grundsätzlich entweder eine Gesellschaft im vorgenannten Sinne oder eine natürliche Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der EU oder dem EWR sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) bzw. bb) UmwStG). Neben dem Hauptfall der Einbringung durch eine in- oder ausländische Kapitalgesellschaft oder natürliche Person unterfallen Einbringungen auch dann dem persönlichen Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG, wenn Einbringender ein rechtsfähiger Verein oder eine rechtsfähige Stiftung ist.1 Ist Einbringender eine natürlichen Person, so muss sich auch deren abkommensrechtliche Ansässigkeit in der EU oder dem EWR befinden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Eine Besonderheit besteht, wenn es sich bei dem umwandelnden, einbringenden bzw. übertragenden Rechtsträger um eine Personengesellschaft handelt. In diesem Fall ist für die Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereiches nicht auf den Rechtsträger (d.h. der Personengesellschaft) selbst, sondern auf dessen Gesellschafter abzustellen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) UmwStG).
11.199
Ausnahmsweise ist der persönliche Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG auch für andere als die vorgenannten einbringenden Rechtsträger eröffnet, wenn Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der aufgrund der Umwandlung erhaltenen Anteile erhält. Dies ist der Fall, wenn ein Veräußerungsgewinn der deutschen beschränkten Steuerpflicht unterliegt, also die Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft bestehen (§ 49 Abs. 1 Buchst. e) EStG) oder in einer deutschen Betriebsstätte gehalten werden. Hinzu muss kommen, dass Deutschland auch international das Besteuerungsrecht zusteht, weil mit dem Staat, in dem der Einbringende steuerlich ansässig ist, entweder kein DBA abgeschlossen wurde, der Einbringende sich nicht auf ein bestehendes Abkommen berufen kann (vgl. etwa Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz) oder das entsprechende Abkommen Deutschland das Besteuerungsrecht zuweist. Die Frage des deutschen Besteuerungsrechts ist insbesondere dann nicht immer leicht zu beantworten, wenn das Besteuerungsrecht darauf begründet werden muss, dass die Anteile abkommensrechtlich einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind (s. Rz. 11.67).
11.200
c) Gewährung neuer Anteile Als wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der §§ 20 ff. UmwStG muss der Einbringende neue Anteile an der Kapitalgesellschaft als übernehmendem Rechtsträger erhalten. Dies ist insbesondere bei dem einfachen Anwachsungsmodell nicht gegeben, da hier keine formelle Kapitalerhöhung bei der übernehmenden GmbH stattfindet.2
11.201
Im Rahmen des erweiterten Anwachsungsmodells übertragen die Gesellschafter, in der Regel also die Kommanditisten, ihre Kommanditanteile auf die übernehmende GmbH, i.d.R. die Komplementärin, gegen die Gewährung von neuen Gesell-
11.202
1 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 6d; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 12 (Stand: April 2012). Im Fall eines rechtsfähigen Vereins oder einer rechtsfähigen Stiftung muss diese(r) einen Erwerbszweck erfüllen. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. E 20.10.
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Umstrukturierungen
schaftsrechten. Das kann als Sachkapitalerhöhung oder -gründung erfolgen. Von der Gewährung von Gesellschaftsrechten ist aber auch dann auszugehen, wenn eine Barkapitalerhöhung oder -gründung vorliegt und der Gesellschafter zusätzlich zu der Bareinlage gleichzeitig eine Verpflichtung übernimmt, einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil (hier die Kommanditbeteiligung) in die Kapitalgesellschaft einzubringen.1 Mit welchem Nennwert die neuen Anteile ausgestaltet sein müssen, ist nicht vorgeschrieben. Zulässig ist es daher, die nach Gesellschaftsrecht kleinstmögliche Kapitalerhöhung vorzunehmen.2 Zu beachten ist aber, dass dann, wenn durch die Einbringung unter dem Buchwert stille Reserven auf andere (also die bestehenden Anteile) verlagert werden, diese Anteile nach § 22 Abs. 7 UmwStG mitverstrickt werden können.3 Besondere Anforderungen an die Höhe des neuen Anteils bestehen in Einzelfällen auch dann, wenn die eingebrachten Mitunternehmeranteile zuvor erbschaftsteuerlich präferenziert geschenkt oder vererbt wurden (s. Rz. 11.258). Der Unterschiedsbetrag wird handelsrechtlich als Agio geschuldet und in die Kapitalrücklage eingestellt (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Steuerrechtlich wird insoweit das steuerliche Einlagekonto (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KStG) dotiert. Dennoch ist von einem einheitlichen entgeltlichen Vorgang auszugehen, insbesondere liegt hinsichtlich des Agios keine verdeckte Einlage vor.4 11.203
In vielen Fällen wird es sich allerdings anbieten, als Nennbetrag der ausgegebenen Geschäftsanteile zumindest den Betrag des übergehenden steuerlichen Eigenkapitals zu wählen. Hintergrund ist, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG der Gewinn aus der Einbringung u.a. dann als sog. Einbringungsgewinn I zu versteuern ist, wenn innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG ausgeschüttet oder zurückgezahlt werden (s. Rz. 11.234 ff.). Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG sieht hierbei keine Begrenzung vor, so dass grundsätzlich eine Einlagenrückgewähr von 1 Euro ausreicht, um die Gewinnrealisierung auszulösen. Dass dies nicht sachgerecht ist, liegt auf der Hand. Auch die Finanzverwaltung nimmt daher an, dass der Ersatzrealisierungstatbestand erst dann und soweit erfüllt ist, wie die Einlagenrückgewähr den Buchwert des sperrfristbehafteten Anteils überschreitet.5
11.204
In der Praxis kann es sich dennoch anbieten, eine Dotierung des steuerlichen Einlagekontos durch die Einbringung zu vermeiden, um zu verhindern, dass die Steuerneutralität der Einbringung – partiell – verloren geht, weil ggf. unabsichtlich, z.B. durch die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, eine Rückzahlung aus dem Einlagekonto anzunehmen ist. Dabei ist dann aber auch zu berücksichtigen, dass sich das steuerliche Kapitalkonto des Einbringenden bei der GmbH & Co. KG durch Feststellungen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung rückwirkend erhöhen kann, so dass der gewählte Nennbetrag des ausgegebenen Geschäftsanteils ggf. mit einem „Sicherheits1 BFH v. 7.4.2010 – I R 55/09, BStBl. II 2010, 1094 = GmbHR 2010, 1104; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.44 und Rz. E 20.09. 2 BFH v. 24.4.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253 = GmbHR 2007, 943; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 133. 3 Nicht ganz eindeutig, vgl. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 22 UmwStG Rz. 214. 4 BFH v. 24.7.2007 – I R 35/05, BStBl. II 2008, 253 = GmbHR 2007, 943. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.24.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
zuschlag“ zu versehen ist. Zu einer Gewinnrealisierung im Rahmen der Einbringung kommt es hierdurch nicht, da steuerlich weiterhin die Buchwerte angesetzt werden können. Die erhöhte Stammkapitalziffer ist steuerlich durch einen negativen Ausgleichsposten auszugleichen. Erhält der Einbringende neben den Geschäftsanteilen noch eine weitere Gegenleistung (z.B. Geld, Begründung einer Forderung, andere Wirtschaftsgüter), so bleibt nach noch geltender Rechtslage der Ansatz zu Buch- oder Zwischenwerten zulässig, ohne dass es auf die Höhe der Gegenleistung ankommt. Die Kapitalgesellschaft hat das übernommene Vermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der erbrachten weiteren Gegenleistung anzusetzen. Die Grenze für die weitere Gegenleistung wird durch den gemeinen Wert des übergehenden Vermögens gezogen. Erreicht dieser nicht den gemeinen Wert der weiteren Gegenleistung, liegt insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor.1 Die gewährte Gegenleistung ist mit ihrem gemeinen Wert bei der Bemessung der Anschaffungskosten abzuziehen (§ 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Damit kann der Einbringende eine weitere Gegenleistung von der übernehmenden Gesellschaft erhalten, ohne dass es zur Aufdeckung stiller Reserven kommt, wenn der Wert der Gegenleistung den Buchwert des übertragenen Vermögens nicht übersteigt. Das ist auch richtig, weil der Einbringende mit gleichem Ergebnis in dieser Höhe auch noch aus der Personengesellschaft Entnahmen hätte vornehmen können. Ein Hauptanwendungsbereich solcher weiterer Gegenleistungen ist der Ausgleich in den Fällen, in denen die Gesellschafter unterschiedlich werthaltige Mitunternehmeranteile in die GmbH einbringen, etwa weil ein Gesellschafter wesentliche Betriebsgrundlagen aus seinem Sonderbetriebsvermögen mit seinem Kommanditanteil zusammen in die GmbH einbringt und eine Veränderung der Beteiligungsquoten oder ein Aufgeld der anderen Gesellschafter nicht gewollt ist.2 Eine weitere Gegenleistung kommt auch in Betracht, wenn die Gesellschafter die Mitunternehmeranteile zu unterschiedlichen Buchwerten in die Kapitalgesellschaft einbringen, z.B. weil einzelne Gesellschafter den Anteil nicht zum Buchwert einbringen können oder wollen oder weil unterschiedlich hohe Ergänzungsbilanzen bestehen.3 Die Höhe der für die Buchwertfortführung des § 20 UmwStG zulässigen weiteren Gegenleistung wird durch das Steueränderungsgesetz 2015 allerdings auf 25 % des Buchwerts des eingebrachten Vermögens oder 500 000 Euro, höchstens den Buchwert des eingebrachten Vermögens, begrenzt,4 und zwar rückwirkend für Einbrin-
1 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 219 (Stand: September 2012); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 353; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. R 590 (Stand: August 2007). 2 Ein Ausgleich kann auch erfolgen, indem in den Gesellschaftsvertrag der übernehmenden GmbH betragsmäßig beschränkte inkongruenten Gewinnausschüttungen ermöglicht werden, vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 168 (Stand: April 2012). Das kann sich etwa anbieten, wenn eine weitere Gegenleistung z.B. aus erbschaftsteuerlichen Erwägungen heraus nicht gewollt ist (s. dazu Rz. 11.258). 3 Vgl. zu einem möglichen Ausgleich unterschiedlich hoher Ergänzungsbilanzen unter den Gesellschaftern: Sommer in FS Spiegelberger 2009, 452. 4 Vgl. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
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§ 11
Umstrukturierungen
gungen, bei denen der Umwandlungsbeschluss nach dem 31.12.2014 erfolgt bzw. der Einbringungsvertrag nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde.1 11.206
Die Übernahme einer von der Personengesellschaft eingegangenen Verpflichtung aus einer Pensionszusage stellt keine weitere Gegenleistung dar, da diese Teil des Sacheinlagegegenstandes ist.2 Die Pensionsverpflichtung ist von der übernehmenden Kapitalgesellschaft nach § 6a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG zu bewerten. Die aus Sicht des Zusageempfängers (Mitunternehmer) in seinem Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft bestehende Forderung gilt mit der Umwandlung in die Kapitalgesellschaft auf Antrag nicht als entnommen, sondern bleibt dessen Restbetriebsvermögen.3 d) Einbringungsgegenstand
11.207
Einbringungsgegenstand im erweiterten Anwachsungsmodell ist der jeweilige Mitunternehmeranteil des Gesellschafters. Dazu gehört auch das Sonderbetriebsvermögen, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen dieses Mitunternehmeranteils handelt.4 Als sog. Sonderbetriebsvermögen I kommen insbesondere Grundstücke, Maschinen und Rechte in Betracht, die der GmbH & Co. KG überlassen werden. Auf welcher Rechtsgrundlage die Überlassung erfolgt, ist für die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob die Nutzungsüberlassung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.5
11.208
Der Zwang, die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen des § 20 UmwStG in die GmbH einzubringen, führt dazu, dass die Beteiligungsquote des Gesellschafters, der über Sonderbetriebsvermögen verfügt, also z.B. bisher ein Grundstück seiner Gesellschaft vermietet hat, entweder steigt oder diesem Gesellschafter – soweit zukünftig noch zulässig (s. Rz. 11.205) – eine neben den Gesellschaftsrechten eine (weitere) Gegenleistung gewährt werden muss. Im ersten Fall können die übrigen Gesellschafter die Verwässerung ihrer Beteiligung durch eine zusätzliche Sach- oder Geldeinlage vermeiden.
11.209
Ob eine wesentliche Betriebsgrundlage vorliegt, ist im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG nach funktionalen Gesichtspunkten zu beurteilen.6 Funktional
1 § 27 Abs. 14 UmwStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.29; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 184; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 222 (Stand: April 2012); a.A. noch BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1998 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.42 ff. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.28. 4 Allg.M.: vgl. nur BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = GmbHR 2010, 317 m. Komm. Suchanek; BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (343 f.) = GmbHR 1996, 549; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 Satz 4; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 110; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 Rz. 124 (Stand: April 2012); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 148 ff. 5 Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 514 m.w.N. 6 BMF v. 16.8.2000 – IV C 2 - S 1909 - 23/00, BStBl. I 2000, 1253 unter Hinweis auf BFH v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104 = GmbHR 1998, 202.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
wesentlich in diesem Sinne sind die Wirtschaftsgüter, die für den Betrieb der Gesellschaft ein besonderes Gewicht besitzen. Hierbei kommen insbesondere Grundstücke in Betracht. Zur Frage, ob diese wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, kann auf die Verwaltungsauffassung zur sachlichen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verwiesen werden.1 Funktional wesentlich können z.B. auch ein Maschinenpark, ein Patent oder ein anderes für den Betrieb wichtiges Recht sein. Forderungen werden dagegen nur in Ausnahmefällen für den Betrieb einer Personengesellschaft oder den Mitunternehmeranteil funktional wesentlich sein, etwa wenn die Forderung für den einzubringenden Betrieb eine strategische Bedeutung hat.2 Hat der Mitunternehmer die Gesellschaft im Rahmen seiner Finanzierungsfreiheit nicht mit Eigenkapital ausgestattet, sondern der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, so stellt die im Sonderbetriebsvermögen auszuweisende Forderung keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Das gilt u.E. selbst dann, wenn mit dem Abzug des Darlehens die Fortführung des Betriebes nicht mehr gesichert wäre oder der Betriebsverlauf grundlegend unterbrochen würde.3 Schon im Grundsatz umstritten ist, ob auch die Wirtschaftsgüter des sog. Sonderbetriebsvermögens II eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebes einer Personengesellschaft sein können.4 Fragen treten hier insbesondere auf, wenn die Einbringenden Anteile an Kapitalgesellschaften halten. Diese stellen Sonderbetriebsvermögen dar, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft entsprechend der Definition des Sonderbetriebsvermögens II unmittelbar der Begründung oder Stärkung der Beteiligung an der Personengesellschaft dient.5 Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden: Die Beteiligung an der Mitunternehmerschaft wird zum einen gestärkt, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft – der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters unmittelbar selbst dient oder 1 Vgl. dazu BMF v. 18.9.2001 – IV A 6 S 2240 - 50/01, BStBl. I 2001, 634. 2 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 63 (Stand: August 2013) sowie Rz. 135 (Stand: April 2012). 3 A.A. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 135 (Stand: April 2012). In diesen Fallgestaltungen wird sich allerdings die Frage stellen, ob ohne Einbringung der Forderung ein positiver Vermögenswert auf die GmbH übergeht. Darüber hinaus ist zu erwägen, die Forderungen auf die Kapitalgesellschaft zu übertragen und im Rahmen des zukünftig ggf. verschärften § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG eine weitere Gegenleistung vorzusehen (s. Rz. 11.205). 4 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens II im Grundsatz wesentliches Betriebsvermögen sein können. Vgl. zu den Anteilen an der Komplementär-GmbH etwa: OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227. Die Rechtsprechung des BFH insoweit nicht ganz einheitlich: Grds. bejahend: BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 = GmbHR 2010, 317 m. Komm. Suchanek. Ablehnend: BFH v. 16.2.1996 – I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (344) = GmbHR 1996, 549. Zum Diskussionsstand in der Literatur vgl.: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 135 ff. (Stand: April 2012); Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 110. 5 BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383 (385) = GmbHR 1998, 604; BFH v. 13.10. 1998 – VIII R 46/95, BStBl. II 1999, 357 (358) = GmbHR 1999, 300.
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§ 11
Umstrukturierungen
– für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich von Vorteil ist und der Gesellschafter sie aus diesem Grund hält.1 11.211
Zum Sonderbetriebsvermögen II gehören damit zum einen die Geschäftsanteile, die ein Kommanditist der GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH hält, wenn diese über ihre Geschäftsführung und Haftungsübernahme bei der Kommanditgesellschaft hinaus keine anderweitige eigene Tätigkeit oder nur eine solche von untergeordneter Bedeutung ausübt, da in diesem Fall die Beteiligung vorrangig dazu dient, Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG zu nehmen.2 Das setzt aber voraus, dass der Gesellschafter über die GmbH Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG nehmen kann. Die Minderheitsbeteiligung eines Kommanditisten von unter 10 % an der Komplementär-GmbH ist daher i.d.R. nicht als notwendiges Sonderbetriebsvermögen einzuordnen.3 Gleiches gilt für die Beteiligung eines Mitunternehmers an einer Kommanditisten-GmbH.4 Darüber hinaus sind dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen Anteile an einer Kapitalgesellschaft zuzuordnen, wenn zwischen dem Unternehmen der Personengesellschaft und dem der Kapitalgesellschaft eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht und die Kapitalgesellschaft nicht noch anderweitig tätig ist.5 Hierunter fallen u.a. Produktions- und Vertriebsgesellschaften,6 Besitzgesellschaften, die ausschließlich dazu dienen, der Personengesellschaft ihr Anlagevermögen zu überlassen7 und Betriebskapitalgesellschaften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.8
11.212
Von der Frage, ob eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Sonderbetriebsvermögen darstellt, ist zu unterscheiden, ob es sich hierbei um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Diese Frage ist Gegenstand verschiedener OFD-Verfügungen.9 Danach soll davon auszugehen sein, dass die „Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der KG“ eine funktionale Bedeutung der Beteiligung für die Mitunternehmerstellung beinhalte, die durch die Haftungsüber1 St. Rspr.; z.B. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025 (1026) = GmbHR 2008, 780; BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383 (385) = GmbHR 1998, 604. 2 BFH v. 15.10.1998 – IV R 18/98, BStBl. II 1999, 286 (288) = GmbHR 1999, 193; BFH v. 26.2. 1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 = GmbHR 1993, 58. Zu den Fällen, in denen ausnahmsweise Sonderbetriebsvermögen trotz erheblicher eigener Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft vorliegen kann, vgl. BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652 (655) = GmbHR 1998, 93. 3 BFH v. 16.4.2015 – IV R 1/12, DStR 2015, 1362 = GmbHR 2015, 827. 4 BFH v. 23.1.2001 – VIII R 12/99, BStBl. II 2001, 825 = GmbHR 2001, 444. 5 H 4.2 Abs. 2 EStH 2014; OFD München v. 2.4.2001 – S 2134 - 4/6 - St 41, DStR 2001, 1032; OFD Frankfurt/M. v. 22.11.2000 – S 2134 A - 14 - St II 21, GmbHR 2001, 163; OFD Frankfurt/M. v. 17.8.1998 – S 2134 A - 14 - St II 21, DStR 1998, 1793. Eine Beherrschung der Kapitalgesellschaft ist nicht in jedem Fall erforderlich: vgl. BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 383 (386) = GmbHR 1998, 604. 6 BFH v. 6.7.1989 – IV R 62/86, BStBl. II 1989, 890 = GmbHR 1990, 48; BFH v. 29.10.1986 – II R 226/82, BStBl. II 1987, 99; BFH v. 7.12.1984 – III R 35/79, BStBl. II 1985, 236 = GmbHR 1985, 276. 7 BFH v. 14.8.1975 – IV R 30/71, BStBl. II 1976, 88. 8 BFH v. 4.7.2007 – X R 49/06, BStBl. II 2007, 772 = GmbHR 2007, 1112. 9 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646; OFD Frankfurt/M. v. 13.2. 2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227. Inzwischen überholt: OFD Münster v. 6.11.2008 – S 2242 - 21 - St 12 - 33, GmbHR 2009, 108.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
nahme durch die Komplementär-GmbH noch verstärkt werde. Die Beteiligung sei nur dann keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn die hierdurch bewirkte Stärkung der Gesellschafterstellung von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung ist.1 Hervorzuheben ist, dass nach nunmehr geänderter Auffassung der Finanzverwaltung die Beteiligung an der Komplementär-GmbH nicht immer schon dann eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, wenn diese am Vermögen der KG beteiligt ist.2 Im Wesentlichen ist daher wie folgt zu differenzieren:3
11.213
– Ist der Kommanditist selbst nicht mehrheitlich an der KG beteiligt (Kommanditanteil von 50 % oder darunter), so ergibt sich nach Verwaltungsauffassung die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung aus der damit verbunden Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung. Diese begründet aber nur dann eine funktionale Wesentlichkeit, wenn der Kommanditist die Mehrheit an der Komplementär-GmbH besitzt und hierüber in der Lage ist, seinen geschäftlichen Betätigungswillen in der GmbH & Co. KG über die GmbH durchzusetzen. Im „klassischen Fall“ der quotengleichen Beteiligung an der KG und der Komplementär GmbH stellen die Anteile an der Komplementärin also keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. – Ist der Kommanditist mehrheitlich an der KG beteiligt, jedoch nicht alleiniger Kommanditist (Kommanditanteil von über 50 %, aber unter 100 %), so wird die Stellung des Gesellschafters bei der GmbH & Co. KG durch seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH nicht wesentlich gestärkt, so dass die Anteile an der Komplementärin keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen. – Ist der Kommanditist alleinig am Vermögen der KG beteiligt (Kommanditanteil von 100 %), so sollen die Anteile an der Komplementär-GmbH in der Regel eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellen. Begründet wird dies damit, dass die Komplementär-GmbH aus Sicht des Kommanditisten benötigt wird, um überhaupt eine Personengesellschaft und damit eine Kommanditistenstellung mit der entsprechenden Haftungsbegrenzung zu begründen und zu erhalten (s. aber sogleich unter Rz. 11.214). Besonderheiten gelten im Fall des Formwechsels einer KG in eine GmbH. Hier wird die bisherige Komplementärstellung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig gegenstandslos, so dass die Übertragung der Anteile an der Komplementärin wirtschaftlich ohne Sinn wäre. Es kann nach Auffassung des BFH in diesem Fall daher nicht davon ausgegangen werden, dass der vormalige Kommanditist mit der Betei1 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter I.; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 5. Nach Auffassung der OFD NRW soll jedes Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens unter funktionalen Gesichtspunkten im Regelfall nur dann keine wesentliche Betriebsgrundlage sein, wenn es wirtschaftlich für den Betrieb bzw. für die Mitunternehmerstellung keine oder nur geringe Bedeutung hat. 2 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646; OFD Frankfurt/M. v. 13.2. 2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227. Die Finanzverwaltung hat sich hier der Auffassung des FG Münster v. 14.8.2013 – 2 K 4721/10 G, F, EFG 2014, 81 angeschlossen. 3 Vgl. zum Nachfolgenden jeweils: OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227.
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§ 11
Umstrukturierungen
ligung an der Komplementär-GmbH etwas für den übertragenden Mitunternehmeranteil wesentliches zurückbehalten hat.1 Diese Erwägungen sind u.E. sowohl auf die Verschmelzung der GmbH & Co. KG auf eine GmbH als auch auf die Fälle des erweiterten Anwachsungsmodells übertragbar, weil auch in diesen Konstellationen die Anteile an der Komplementär-GmbH mit der Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft unmittelbar ihre Funktion verlieren und somit kein besonderes Gewicht für die Betriebsführung oder die Beteiligung des vormaligen Kommanditisten besitzen. Weitere Besonderheiten gelten, wenn die Komplementär-GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung unterhält. Hat dieser keine oder nur geringe Bezüge zum Geschäftsbetrieb der KG, so ist davon auszugehen, dass aus Sicht des Gesellschafters die Beteiligungen an der GmbH und der KG gleichrangig nebeneinander stehen. Die Anteile an der Komplementärin sind daher schon kein notwendiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der KG und damit auch nicht als wesentliche Betriebsgrundlage einzuordnen.2 Anders ist dies, wenn die Geschäftsbetriebe der GmbH und der KG miteinander verflochten sind. In diesem Fall sind die Anteile an der GmbH immer wesentliche Betriebsgrundlage des Mitunternehmeranteils.3 Ist die GmbH Komplementärin mehrerer Kommanditgesellschaften, so sind deren Anteile Sonderbetriebsvermögen bei der KG, bei der die GmbH zuerst in die Komplementärstellung eingetreten ist. Für diese Gesellschaft ist die Frage der funktionalen Wesentlichkeit nach den oben dargestellten Grundsätzen zu prüfen.4 Das soll allerdings dann nicht gelten, wenn die GmbH zu einer anderen KG, bei der sie später als Komplementärin eingetreten ist, Geschäftsbeziehungen von nicht geringer Bedeutung unterhält. In diesem Fall sollen die Anteile Sonderbetriebsvermögen bei dieser Gesellschaft sein.5 11.215
Hält der Mitunternehmer Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die wiederum nicht an der KG beteiligt ist, so stellen die Anteile i.d.R. kein Sonderbetriebsvermögen dar und können damit auch keine wesentliche Betriebsgrundlage sein. Das ist dann ausnahmsweise anders, wenn die Gesellschafterstellung des Kommanditisten durch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gestärkt wird, weil er darauf hinwirkt, dass diese Gesellschaft der GmbH & Co. KG erhebliche wirtschaftliche Vorteile verschafft. Das kann dann der Fall sein, wenn zwischen der GmbH und der KG eine enge wirtschaftliche Verflechtung derart besteht, dass eine Gesellschaft
1 BFH v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 = GmbHR 2010, 600. Dem folgend: OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter II.4.; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 12. 2 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter III.1.; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 14. 3 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter III.2.; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 15. Dies kann ggf. anders sein, wenn die Komplementärin von dem Kommanditisten nicht – auch nicht zusammen mit anderen Mitunternehmern der KG – beherrscht wird. Diese Konstellation dürfte aber eher theoretisch sein. 4 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter IV.1; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 16. 5 OFD NRW v. 17.6.2014 – S 2242 - 2014/0003 - St, DB 2014, 1646 unter IV. 2; OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 17 f.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen erfüllt,1 z.B. ein Vertriebsoder Produktionsunternehmen verpachtet. Insoweit kann nichts anderes gelten, als wenn der Gesellschafter der GmbH & Co. KG diese Vorteile unmittelbar verschaffen würde. Auch in dieser Konstellation ist aber mitentscheidend, ob und in welchem Umfang die GmbH noch andere Tätigkeiten ausübt. Sind diese von einigem Gewicht, kann dies dazu führen, dass in der vorzunehmenden Gesamtabwägung trotz der wirtschaftlichen Verflechtung zur KG die Beteiligungen aus Sicht des Gesellschafters gleichrangig nebeneinander stehen.2 Schließlich muss der Gesellschafter durch seine Beteiligung auch tatsächlich in der Lage sein, der Personengesellschaft die Vorteile zu verschaffen. I.d.R. setzt das voraus, dass der Gesellschafter die GmbH – ggf. zusammen mit anderen Mitunternehmern der KG – beherrscht.3 Für den typischen Fall der erweiterten Anwachsung auf die Komplementär-GmbH ist die Frage, ob die Anteile an der Komplementär-GmbH als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind, aber häufig nicht erheblich, weil die Finanzverwaltung eine Einbringung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht fordert, wenn der Einbringende sich damit einverstanden erklärt, dass die zurückbehaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft künftig in vollem Umfang als Anteile zu behandeln sind, die durch eine Sacheinlage erworben wurden.4 Hiermit soll vermieden werden, dass zur Wahrung der Ertragsteuerneutralität von der aufnehmenden GmbH eigene Anteile erworben werden müssen.
11.216
Die vorgenannte Regelung greift allerdings nicht, wenn die Anwachsung auf eine andere Kapitalgesellschaft, die bisher nicht an der Kommanditgesellschaft beteiligt war, erfolgen soll, da durch die Einbringung der Anteile an der KomplementärGmbH dann keine eigenen Anteile geschaffen werden. In diesen Fällen sollten die Geschäftsanteile an der Komplementärin entweder auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übertragen werden oder wegen der Rechtsunsicherheit und der unterschiedlichen Handhabung in der Praxis die Steuerneutralität durch eine verbindliche Auskunft abgesichert werden.
11.217
Auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage vorliegt, abzustellen ist, ist streitig. Die Finanzverwaltung will auf den Einbringungsstichtag abstellen.5 Fragen stellen sich hier zudem, wenn vor der Einbringung funktional wesentliche Wirtschaftsgüter in ein anderes Be-
11.218
1 OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 23 unter Hinweis auf BFH v. 31.1.1991 – IV R 2/90, BStBl. II 1991, 786 = GmbHR 1992, 772. 2 A.A. OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 23: „In diesem Fall kommt es für die Annahme der Sonderbetriebsvermögenseigenschaft der Anteile an der KapGes. nicht mehr auf die zusätzliche Frage an, in welchem Umfang die KapGes. noch anderweitig geschäftlich tätig ist.“ 3 OFD Frankfurt/M. v. 13.2.2014 – S 2134 A 14 - St 213, DB 2014, 1227 Rz. 24 ff. unter Hinweis auf BFH v. 16.9.1994 – III R 45/92, BStBl. II 1995, 75 = GmbHR 1995, 59; BFH v. 27.9. 1994 – III R 61/93, BFH/NV 1995, 678; BFH v. 3.3.1998 – VIII R 66/96, BStBl. II 1998, 962 = GmbHR 1998, 604. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.08. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 unter Verweis auf Rz. 15.03. Zur a.A. vgl. nur Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 42. Zu den Betriebs- bzw. Teilbetriebsvoraussetzungen kritisch auch Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 25 (Stand: April 2012) bzw. Rz. 113 (Stand: Dezember 2013).
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§ 11
Umstrukturierungen
triebsvermögen überführt werden: Besteht ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einbringung und der Überführung von Wirtschaftsgütern in ein anderes Betriebsvermögen, so ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Steuerneutralität der Einbringung zu versagen.1 Sind dagegen umgekehrt vor der Einbringung der Kommanditanteile einzelne Wirtschaftsgüter steuerneutral in das Gesamthandsvermögen übertragen worden, z.B. aus einem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG oder einzelne Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG, greift mit der Einbringung der Kommanditanteile die Körperschaftsklausel des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG; ggf. liegt auch eine schädliche Veräußerung nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG vor.2 Die Übertragung der Wirtschaftsgüter auf die GmbH & Co. KG erfolgt dann rückwirkend mit dem Teilwert. Handelt es sich bei diesen Wirtschaftsgütern nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen, so kann dieses Ergebnis ggf. durch eine weitere Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG in ein anderes Betriebsvermögen vermieden werden.3 Sind in die GmbH & Co. KG wesentliche Betriebsgrundlagen ertragsteuerneutral eingebracht worden und sind diese zwingend auf die GmbH zu überführen, so ist die partielle Gewinnrealisierung dagegen nur zu vermeiden, wenn die Umwandlung nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG erfolgt. 11.219
Erforderlich, aber auch ausreichend, ist, dass der übernehmenden Kapitalgesellschaft das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 AO an dem Einbringungsgegenstand verschafft wird.4 Der Auffassung, dass nach Inkrafttreten des SEStEG die Verschaffung des zivilrechtlichen Volleigentums erforderlich sei,5 ist nicht zu folgen. Insbesondere ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG kein Grundsatz, dass lediglich Vorgänge durch das UmwStG begünstigt sein sollen, die einen zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel bewirken. Zwar knüpft diese Vorschrift grundsätzlich an das Zivilrecht an. Für die Frage, ob eine wirksame Übertragung in Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgt ist, ist aber – insbesondere aufgrund des Regelungszwecks des § 20 UmwStG – auf die steuerlichen Besonderheiten und damit auf die steuerrechtliche Terminologie abzustellen. Umgekehrt wäre es nicht ausrei1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07 Satz 2 unter Hinweis auf die Gesamtplanrechtsprechung des BFH (BFH v. 11.12.2001 – VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 = GmbHR 2002, 382 m. Komm. Roser und BFH v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726 = GmbHR 2010, 776); Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 65 (Stand: August 2013); kritisch z.B. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 42b ff.; Behrens/Schmitt, FR 2002, 549 (556 f.). Auch die neuere Rspr. scheint hier eher kritisch zu sein, vgl. BFH v. 28.5.2015 – IV R 26/12, BFH/NV 2015, 1308 = GmbHR 2015, 1061, zu § 16 EStG und BFH v. 9.12.2015 – IV R 29/14, BFH/NV 2015, 415 = GmbHR 2015, 283, zu § 6 Abs. 3 EStG. 2 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 33 und 34. 3 § 6 Abs. 5 EStG greift auch dann, wenn die Überführung im Rückwirkungszeitraum erfolgt, das Vermögen aber bereits der GmbH zuzurechnen ist. Vgl. Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1445 f. (Stand: Januar 2012). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.43 a.E.; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 39b; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 21. Offen gelassen: BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467 = GmbHR 2010, 933. 5 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 7 (Stand: April 2012); Patt, Der Konzern 2006, 730 (735).
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
chend, wenn zwar das zivilrechtliche Eigentum auf die GmbH übertragen würde, der Einbringende aber wirtschaftlicher Eigentümer bliebe. e) Behandlung bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft Die übernehmende Kapitalgesellschaft hat die übernommenen Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit deren gemeinen Wert1 anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Die Gesellschaft hat aber nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG das Wahlrecht, die Wirtschaftsgüter auch mit deren Buchwert2 oder einem Zwischenwert anzusetzen. Voraussetzung hierfür ist zunächst ein Antrag. Darüber hinaus ist Voraussetzung für einen Ansatz unter dem gemeinen Wert, dass
11.220
– die Besteuerung bei der übernehmenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer sichergestellt ist, – die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögen die Aktivposten nicht übersteigen (ohne Berücksichtigung des Eigenkapitals) und – das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich eines Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Wird dem Einbringenden neben den Gesellschaftsrechten noch eine weitere Gegenleistung gewährt, so hat die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem Wert der zusätzlich gewährten Wirtschaftsgüter anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). Eine Sonderregelung hinsichtlich des Wertansatzes durch die übernehmende Kapitalgesellschaft findet sich in § 50i Abs. 2 EStG. Sind die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, ist bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen an einer i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG gewerblich geprägten oder gewerblich infizierten Personengesellschaft zwingend der gemeine Wert anzusetzen. Gleiches gilt bei der Einbringung der Anteile einer Besitz-Personengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (s. Rz. 11.226).
11.221
Das Wahlrecht, die übernommen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen, steht damit anders als bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft der übernehmenden Gesellschaft zu, und zwar gesondert für jeden eingebrachten Mitunternehmeranteil. Entscheidend ist auch bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteils also der Antrag durch die GmbH und nicht etwa der Ansatz bei der Personengesellschaft.3 Unerheblich
11.222
1 Zur Frage, ob ein negativer Geschäftswert in die Ermittlung des gemeinen Wertes einzubeziehen ist vgl. FG Münster v. 31.1.2014 – 9 K 135/07 K, F, EFG 2014, 1544 (nrkr. Az. des BFH: I R 33/14). 2 Das ist jeweils der steuerliche Buchwert einschließlich der positiven und negativen Korrekturen in Ergänzungsbilanzen des Einbringenden, vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 195 (Stand: April 2015). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.22. Vgl. auch BayLfSt v. 11.11.2014 – S 1978d 2.1-17/1 St 32, GmbHR 2014, 1342. Die Grundsätze des BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804 = GmbHR 2003, 1220 m. Komm. Haritz/Herrmann, nach dem bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft das Wahlrecht in der Steuerbilanz der Personengesellschaft ausgeübt wird,
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Umstrukturierungen
sind auch etwaige Vereinbarungen im Einbringungsvertrag. Verstößt die GmbH hiergegen, kann dies allenfalls Schadensersatzansprüche des Einbringenden auslösen. Es handelt sich um ein ausschließlich steuerrechtliches Wahlrecht: Eine Bindung an die Handelsbilanz ist nicht mehr gegeben (keine Maßgeblichkeit der Handelsbilanz).1 11.223
Der – formlose2 – Antrag ist nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft zu stellen. Schlussbilanz ist die reguläre Bilanz, in der das übernommene Vermögen erstmalig anzusetzen ist.3 Eine Antragstellung zusammen mit der Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz reicht aus.4 Soll die Einbringung mit steuerlicher Rückwirkung erfolgen, was unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 UmwStG für einen Zeitraum von 8 Monaten möglich ist, kann die Situation eintreten, dass die steuerliche Schlussbilanz bereits ohne einen entsprechenden Antrag dem Finanzamt eingereicht wurde, weil bei Einreichung der Schlussbilanz noch nicht die Entscheidung getroffen war, die Einbringung zu vollziehen. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist in diesen Fällen eine Einbringung zu Buchwerten zumindest mit Rückwirkung nicht möglich.5 Vor diesem Hintergrund ist generell die Empfehlung auszusprechen, die Steuererklärung von Kapitalgesellschaften nicht vor dem 31.8. eines jeden Jahres dem Finanzamt einzureichen, um die Möglichkeit einer steuerneutralen Einbringung auf den 31.12. des Vorjahres
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stehen dem nicht entgegen, da die Personengesellschaft in den hier behandelten Fällen mit der Einbringung untergeht. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im Umwandlungssteuerlass war auch nach altem Recht die steuerliche Buchwertfortführung nicht von einem entsprechenden Ansatz in der Handelsbilanz abhängig. Vgl. BFH v. 28.5.2008 – I R 98/06, DStR 2008, 1779 = GmbHR 2008, 1105. BayLfSt. v. 11.11.2014 – S 1978d2.1-17/10 St32, GmbHR 2014, 1342; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 150; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 316; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 211 (Stand: April 2015). Auch wenn die konkludente Antragstellung ausreicht, sollte aus Dokumentationszwecken der Antrag schriftlich gestellt werden. BayLfSt v. 11.11.2014 – S 1978d2.1-17/10 St32, GmbHR 2014, 1342 m. Komm. Ergenzinger. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 154a; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 211a (Stand: April 2015); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 314. Zur Ausübung des Wahlrechtes nach § 20 UmwStG 1977 vgl. FG Köln v. 11.12.2008 – 15 K 4963/01 EFG 2009, 448 (rkr.). Allenfalls aus Vorsichtsgründen kann überlegt werden, den entsprechenden Antrag zeitlich klar abgegrenzt vor Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz zu stellen. Vgl. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. R 423 (Stand: August 2007); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 315; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 211a (Stand: April 2015). Anders als in den §§ 3 bis 16 UmwStG ist die Schlussbilanz i.S. des § 20 UmwStG keine eigenständige, von der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG zu unterscheidende Bilanz, vgl. BayLfSt v. 11.11.2014 – S 1978d2.1-17/10 St32, GmbHR 2014, 1342 m. Komm. Ergenzinger, wobei das BayLfSt in der vorgenannten Verfügung davon ausgeht, dass eine eingereichte Bilanz bei rückwirkender Einbringung korrigiert werden kann.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
offen zu halten. Letztlich geht ein solches Verständnis aber über das eigentliche Regelungsziel hinaus und ist dahingehend einzuschränken, dass auf die Abgabe der Schlussbilanz abzustellen ist, in der die Gesellschaft die zu übernehmenden Wirtschaftsgüter erstmalig ausweist.1 Die Einbringung hat zwingend zum gemeinen Wert zu erfolgen, wenn das eingebrachte Vermögen bei der übernehmenden Gesellschaft nicht der Körperschaftsteuer unterliegt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG). Das ist der Fall, wenn diese Gesellschaft (persönlich) steuerbefreit ist und durch die Einbringung auch nicht steuerpflichtig wird. Darüber hinaus dürfen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG die Passivposten des eingebrachten Vermögens nicht höher sein als die Aktivposten. Werden wie im erweiterten Anwachsungsmodell Mitunternehmeranteile eingebracht, so ist auf das jeweilige steuerliche Kapitalkonto des Einbringenden unter Berücksichtigung etwaiger Ergänzungs- und – wenn das entsprechende Vermögen mit übertragen wird – Sonderbilanzen abzustellen.2 Entscheidend ist das Kapitalkonto im Zeitpunkt der tatsächlichen Einbringung, also der Handelsregistereintragung der Umwandlung bzw. der zivilrechtlichen Übertragung der Mitunternehmeranteile oder der früheren Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums. Wird die Einbringung mit steuerlicher Rückwirkung vollzogen, ist daher eine Aufstockung auch dann vorzunehmen, wenn im Rückwirkungszeitraum Entnahmen erfolgen und das Betriebsvermögen unter Berücksichtigung dieser Entnahmen sonst negativ werden würde.3
11.224
Erhält der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen auch weitere Wirtschaftsgüter als Gegenleistung, so hat die Kapitalgesellschaft die übernommenen Wirtschaftsgüter zumindest mit dem gemeinen Wert der dem Einbringenden zusätzlich gewährten Wirtschaftsgüter anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). Andere Wirtschaftsgüter sind u.a. auch Barabfindungen und Darlehensforderungen, die zugunsten des Einbringenden begründet werden.4 Im Ergebnis kann dem Einbringenden somit nach noch geltender Rechtslage sein steuerliches Kapitalkonto bei der GmbH & Co. KG steuerneutral vergütet werden, ohne dass es zu einer Besteuerung kommt. Der gemeine Wert der Zusatzleistungen mindert nach § 20 Abs. 4 Satz 2 UmwStG lediglich die Anschaffungskosten der erhaltenen neuen Geschäftsanteile. Die Höhe der für die Buchwertfortführung des § 20 UmwStG zulässigen weiteren Gegenleistung wird durch das Steueränderungsgesetz 20155 allerdings auf 25 % des Buchwerts des eingebrachten Vermögens oder 500 000 Euro, höchstens den Buchwert des eingebrachten Vermögens, begrenzt (s. Rz. 11.205).
11.225
1 I.E. auch Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 347. 2 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 164; Hötzel/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 344. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.19 a.E.; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 223 (Stand: April 2012) und Rz. 325 (Stand: April 2012). A.A. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 239c. 4 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 134. 5 Vgl. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
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Umstrukturierungen
11.226
Eine durchaus relevante Einschränkung des Bewertungswahlrechts nach § 20 Abs. 2 UmwStG ist in § 50i Abs. 2 EStG enthalten. Der mit dem AmtshilfeRLUmsetzungsgesetz eingefügte § 50i EStG soll in seinem Abs. 1 – insbesondere in Wegzugsfällen – das deutsche Besteuerungsrecht sichern, wenn vor dem 29.6. 2013 Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ohne Aufdeckung stiller Reserven in eine Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG (gewerblich infizierte oder geprägte Personengesellschaft) übertragen oder überführt wurden. Dem steht es gleich, wenn Wirtschaftsgüter in eine Besitzpersonengesellschaft oder ein Einzelunternehmen einer Betriebsaufspaltung überführt oder übertragen wurden (§ 50i Abs. 1 Satz 4 EStG). In allen diesen Fällen hat die Finanzverwaltung früher die Auffassung vertreten, dass mit einem Wegzug des Gesellschafters das deutsche Besteuerungsrecht an den Wirtschaftsgütern der Personengesellschaft erhalten geblieben ist und dementsprechend keine Entstrickungsbesteuerung vorgenommen. Nachdem die Verwaltung sich der gegenteiligen Auffassung des BFH angeschlossen hat, soll § 50i EStG nunmehr die damit verbundenen Steuerausfälle verhindern. Ergänzt wurde diese Regelung mit dem KroatienAnpG1 durch einen neuen Absatz 2. Danach ist u.A. bei der Einbringung von Sachgesamtheiten (i.E. auch von Mitunternehmeranteilen) in Kapitalgesellschaften (§ 20 UmwStG) zwingend der gemeine Wert anzusetzen, wenn diese Wirtschaftsgüter im Sinne des Absatzes 1 enthalten. Aufgrund des sehr weiten Wortlautes kann sich diese Vorschrift in einer Vielzahl von Fällen als Umwandlungshindernis erweisen.2 Insoweit sollte sich die Finanzverwaltung hier zu einer restriktiven Auslegung entschließen.
11.227
Setzt die übernehmende GmbH die Wirtschaftsgüter mit deren Buchwerten oder mit einem Zwischenwert an, so tritt sie in die steuerliche Rechtsstellung der GmbH & Co. KG ein, insbesondere hat sie die Absetzungen für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzuführen. Kommt es für steuerliche Zwecke auf die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen an, so ist der Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut der GmbH & Co. KG zuzurechnen war, anzurechnen (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 3 Halbs. 1, 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG).
11.228
Ein verbleibender Verlustvortrag gem. § 10d EStG geht mit der h.M. dennoch nicht auf die GmbH über, da dieser an die Person des Einbringenden gebunden ist.3 Gleiches gilt für einen nach § 15a EStG nur verrechenbaren Verlust.4 Da dieser auch von dem Einbringenden mangels Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zukünftig nicht mehr genutzt werden kann und somit unterzugehen droht, kann es 1 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 2 Zu den Einzelheiten vgl. etwa Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG Rz. 140 ff. (Stand: Oktober 2014); Patt in EStB 2014, 377; Rödder/Kuhr/Heimig, Ubg 2014, 477; Rödder, DB 2015, 1422. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.02; Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 23 UmwStG Rz. 37; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 23 UmwStG Rz. 564 (Stand: Mai 2008); Mitsch, INF 2007, 225 (229). 4 Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 23 UmwStG Rz. 38; Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 23 UmwStG Rz. 579 (Stand: Mai 2011). Zur Anwachsung auf eine am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligte Kapitalgesellschaft vgl. Rautenstrauch/ Adrian, DStR 2006, 359; Thill, FR 2006, 407 (409 ff.).
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
sich anbieten, die Wirtschaftsgüter in der GmbH mit dem gemeinen Wert oder einem Zwischenwert anzusetzen. Auf diese Weise kann in der GmbH Abschreibungspotential geschaffen werden, während der Einbringungsgewinn durch den verrechenbaren Verlustanteil neutralisiert wird. Zudem erhöhen sich die Anschaffungskosten der aus der Einbringung erhaltenden Anteile. Nach § 20 Abs. 9 UmwStG gehen zudem ein Zinsvortrag und ein EBITDA-Vortrag des eingebrachten Betriebs nicht über. Gesetzlich ausgeschlossen ist zudem für die Gewerbesteuer der Übergang eines Verlustvortrages nach § 10a GewStG (§ 23 Abs. 5 UmwStG). Dieser Ausschluss gilt allerdings nicht, soweit die übernehmende Kapitalgesellschaft vor der Einbringung der Mitunternehmeranteile am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt war. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze.1 Auch bei der Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH durch die Übertragung sämtlicher Kommanditanteile auf die GmbH kann ein Übernahmefolgegewinn durch die unterschiedliche bilanzielle Erfassung auf der Seite der übernehmenden GmbH und der übertragenden GmbH & Co. KG entstehen.2 § 23 Abs. 6 UmwStG verweist hier auf § 6 Abs. 1 und 3 UmwStG. Wie bei der Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG kann in Höhe des Übernahmefolgegewinns eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die in den ihrer Bildung folgenden drei Wirtschaftsjahren mit mindestens je einem Drittel aufzulösen ist (s. Rz. 11.121).
11.229
f) Besteuerung des Einbringenden Unabhängig davon, ob die übernehmende GmbH die Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder einem darüber liegenden Wert ansetzt, stellt jede Übertragung von Kommanditanteilen auf eine GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus Sicht des Einbringenden einen Veräußerungstatbestand (i.S. eines tauschähnlichen Vorgangs) dar, der im Grundsatz nach § 16 Abs. 1 EStG zu versteuern ist (zu weiteren Folgewirkungen s. Rz. 11.253 ff.).
11.230
Der hieraus erzielte Gewinn ist allerdings von dem Ansatz der übernommenen Wirtschaftsgüter durch die übernehmende GmbH abhängig, weil nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG dieser Wert für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile gilt (doppelte Buchwertverknüpfung). Setzt die GmbH die Wirtschaftsgüter also mit den Buchwerten des Einbringenden an, so erzielt dieser keinen Veräußerungsgewinn, allenfalls ist ihm durch die Berücksichtigung von Veräußerungskosten (s. dazu Rz. 11.245) ein Veräußerungsverlust zuzurechnen. Übernimmt die Kapitalgesellschaft das Vermögen mit dem gemeinen Wert, so sind auf den Einbringungsgewinn – soweit er auf eine natürliche Person entfällt und nicht lediglich Teile von Mitunternehmeranteilen eingebracht werden – §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG anwendbar. § 34 EStG ist auf einen Einbringungsgewinn sowie einen Gewinn aus der Entnahme ggf. funktional unwesentlicher Wirtschaftsgüter nur anwendbar, wenn die Einbringung einheitlich zum
11.231
1 R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 4 GewStR 2009; BFH v. 14.12.1989 – IV R 117/88, BStBl. II 1990, 436. 2 Zur Entstehung eines Übernahmefolgegewinns s. unter Rz. 11.121 ff.
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§ 11
Umstrukturierungen
gemeinen Wert erfolgt.1 Wird für einen Teil des Veräußerungsgewinns § 6b EStG angewendet, scheidet die Begünstigung nach § 34 EStG aus. Die Tarifvergünstigungen des § 34 EStG sind zudem nicht zu gewähren, soweit sich im eingebrachten Betriebsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften befinden und auf den anteiligen Veräußerungsgewinn § 3 Nr. 40 EStG zur Anwendung kommt (§ 20 Abs. 4 Satz 1 bzw. Satz 2 UmwStG). Der Einbringungsgewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer, soweit der Einbringende eine natürliche Person ist und Gegenstand der Einbringung der gesamte Mitunternehmeranteil ist (§ 7 Satz 2 GewStG). 11.232
Die in § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG enthaltene Verknüpfung des Ansatzes der übernommenen Wirtschaftsgüter durch die Kapitalgesellschaft mit der Bemessung der Anschaffungskosten des Einbringenden ist durchbrochen, wenn im Einbringungsgegenstand Vermögen enthalten ist, für das vor der Einbringung kein deutsches Besteuerungsrecht bestand und ein solches auch nicht begründet wird (neutrales Vermögen). Insbesondere handelt es sich hierbei um Wirtschaftsgüter, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, auf die die Freistellungsmethode Anwendung findet. Insoweit gilt für den Einbringenden unabhängig von dem Ansatz durch die aufnehmende Gesellschaft der gemeine Wert des Betriebsvermögens als Anschaffungskosten der Anteile (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Der Veräußerungsgewinn des Einbringenden erhöht sich hierdurch nicht. I.E. wird durch diese Regelung verhindert, dass die in diesem Vermögen gebildeten stillen Reserven durch die Einbringung in Deutschland steuerverhaftet werden.
11.233
Erhält der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen weitere Wirtschaftsgüter als weitere Gegenleistung, so sind die Anschaffungskosten in Höhe des gemeinen Wertes dieser Gegenleistung zu kürzen (§ 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Im Ergebnis kann dem Einbringenden somit nach noch geltender Rechtslage sein steuerliches Kapitalkonto bei der GmbH & Co. KG steuerneutral vergütet werden, ohne dass es zu einer Besteuerung kommt. Der gemeine Wert der Zusatzleistungen mindert nach § 20 Abs. 4 Satz 2 UmwStG lediglich die Anschaffungskosten der erhaltenen neuen Geschäftsanteile. Die Höhe der für die Buchwertfortführung des § 20 UmwStG zulässigen weiteren Gegenleistung wird allerdings durch das Steueränderungsgesetz 20152 auf 25 % des Buchwerts des eingebrachten Vermögens oder 500 000 Euro, höchstens den Buchwert des eingebrachten Vermögens, begrenzt (s. Rz. 11.205).
11.234
Mit den SEStEG wurde das System der einbringungsgeborenen Anteile (§ 21 UmwStG a.F.) weitgehend aufgegeben. Seither sind die Besteuerungsfolgen für den Anteilseigner in Bezug auf die im Rahmen einer Einbringung unter dem gemeinen Wert erhaltenen Anteile in § 22 UmwStG sowie – für Anteile, die eine Beteiligung von weniger als 1 % vermitteln – in § 17 Abs. 6 Nr. 1 EStG geregelt. Anders als nach altem Recht sieht das Gesetz bei einer Veräußerung der aus der Einbringung erhaltenen Anteile keine Sonderregelung für die Besteuerung des aus dieser Veräußerung erzielten Gewinns vor, sondern knüpft an die ursprüngliche Einbringung an. Die Veräußerung der Anteile führt vielmehr nach aktueller Rechtslage
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.27. 2 Vgl. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
rückwirkend zu einem Gewinn aus der Einbringung, den der Einbringende im Jahr der Einbringung nach § 16 EStG zu versteuern hat (Einbringungsgewinn I). Schädlich sind dabei nur Veräußerungen – und der Veräußerung gleichgestellte Vorgänge (s. dazu Rz. 11.241) – innerhalb einer Frist von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt. Die Veräußerung der Anteile gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Ergänzend ist insoweit § 17 Abs. 6 Nr. 1 EStG heranzuziehen. Danach gelten auch Anteile an einer Kapitalgesellschaft als Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn zwar die dort genannte Beteiligungsquote nicht erfüllt ist, die Anteile aber aufgrund eines Einbringungsvorgangs i.S. des UmwStG unter dem gemeinen Wert erworben wurden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind als schädliche Veräußerung auch Umwandlungen und Einbringungen, z.B. die Verschmelzung, Auf- und Abspaltung sowie der Formwechsel anzusehen, und zwar dem Grunde nach auch soweit diese steuerlich zu Buchwerten erfolgen.1 Eine Ausnahme soll aufgrund eines Rückschlusses aus § 22 Abs. 1 Nr. 2 und 4 UmwStG nur bestehen, wenn die erhaltenen Anteile nach § 20 Abs. 1 UmwStG oder nach § 21 UmwStG zum Buchwert in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden.2 Für einen eng gefassten Kreis weiterer Umwandlungsvorgänge soll – nach Auffassung der Finanzverwaltung – aus Billigkeitsgründen von einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung abgesehen werden können.3 Diese undifferenzierte Sichtweise der Finanzverwaltung ist abzulehnen. Vielmehr ist für jede einzelne Umwandlungsart zu entscheiden, ob eine schädliche Veräußerung i.S. des § 22 UmwStG vorliegt oder nicht.4 Zumindest für den Formwechsel (hier der übernehmenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft) kann schon im Grundsatz nicht von einer Veräußerung ausgegangen werden.5
11.235
Zur Ermittlung des Einbringungsgewinns I sind von dem gemeinen Wert des eingebrachten Betriebsvermögens die Kosten des Vermögensübergangs und der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen angesetzt hat, abzuziehen; der Einbringungsgewinn I ist jeweils um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr zu kürzen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG).
11.236
Den Einbringungsgewinn I hat der Einbringende als Gewinn des Jahres der Einbringung nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuern. § 16 Abs. 4 und § 34 EStG finden hierauf keine Anwendung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 UmwStG). Gleichzeitig erhöhen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile in Höhe des als Einbringungsgewinn I zu versteuernden Betrages.
11.237
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.07 sowie Rz. 22.23. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.23. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.23. 4 Ausführlich: Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 22 UmwStG Rz. 53 ff. 5 Vgl. i.E.: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rz. 33a (Stand: Dezember 2011); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 22 UmwStG Rz. 40 und 41; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 22 UmwStG Rz. 61a; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 22 UmwStG Rz. 143 (Stand: Februar 2008); a.A. Bilitewski in Haritz/Menner, § 22 UmwStG Rz. 50.
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Umstrukturierungen
Beispiel 11.238
A ist alleiniger Kommanditist der A GmbH & Co. KG und am Vermögen der Gesellschaft zu 100 % beteiligt. Sein Kapitalkonto dotiert mit 100 000 Euro. Der gemeine Wert des Kommanditanteils beträgt (ohne den Anteil an der Komplementär-GmbH) 800 000 Euro. A hält darüber den einzigen Geschäftsanteil an der Komplementärin (A-GmbH) im Nennbetrag von 25 000 Euro. Seine Anschaffungskosten entsprechen dem Nennbetrag. Zum 31.12.2012 bringt A seinen Kommanditanteil gegen Gewährung eines weiteren Gesellschaftsanteils von 100 000 Euro in die A-GmbH ein, die die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter mit deren Buchwert (saldiert 100 000 Euro) ansetzt.1 Drei Jahre nach dem Einbringungsstichtag veräußert A seine Geschäftsanteile am 1.1.2016 für 1 000 000 Euro. A hatte in 2008 ursprünglich keinen Einbringungsgewinn zu versteuern. Seine Anschaffungskosten für die Anteile an der A-GmbH betrugen unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten des vor der Einbringung bestehenden Geschäftsanteils 125 000 Euro. Mit der Veräußerung der Geschäftsanteile hat A für 2012 einen Einbringungsgewinn von 400 000 Euro nach § 16 EStG zu versteuern (700 000 Euro gekürzt um 3/ 7). Darüber hinaus erzielt er im Jahr 2016 einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH von 475 000 Euro (1 000 000 Euro abzüglich 125 000 Euro ursprüngliche Anschaffungskosten und 400 000 Euro erhöhte Anschaffungskosten). Der in 2016 erzielte Gewinn ist im Veranlagungszeitraum der Veräußerung nach den dann geltenden allgemeinen gesetzlichen Regelungen (d.h. nach Teileinkünftegrundsätzen) zu versteuern.
11.239
Korrespondierend kann die übernehmende Kapitalgesellschaft den Einbringungsgewinn I als Erhöhungsbetrag auf die übernommenen Wirtschaftsgüter ansetzen, und zwar ohne dass der Erhöhungsbetrag eine Auswirkung auf den Gewinn der Gesellschaft hat (§ 23 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Die Erhöhung ist im Jahr der Veräußerung vorzunehmen. Eine Rückwirkung ist nicht vorgesehen. Der Erhöhungsbetrag kann nur angesetzt werden, wenn der Einbringende die auf den Einbringungsgewinn entfallende Steuer entrichtet hat und dies durch eine Bescheinigung des für den Einbringenden zuständigen Finanzamtes nachgewiesen ist. Weitere Voraussetzung für die Erhöhung ist nach § 23 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, dass das eingebrachte Betriebsvermögen noch zum Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft gehört. Ist das eingebrachte Betriebsvermögen aus diesem Betriebsvermögen ausgeschieden, ist zu unterscheiden. Erfolgte der Abgang aus dem Betriebsvermögen zum gemeinen Wert, führt der Erhöhungsbetrag zu sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben.2 In allen anderen Fällen geht der Erhöhungsbetrag unter, z.B. wenn die Wirtschaftsgüter von der übernehmenden Gesellschaft zu einem Wert unter dem gemeinen Wert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG oder 24 UmwStG auf eine Tochterpersonengesellschaft oder nach § 20 UmwStG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine Kapitalgesellschaft übertragen wurden.3 Die Re1 Es wird davon ausgegangen, dass die Einbringung der Anteile an der Komplementär-GmbH nicht erforderlich ist, s. Rz. 11.210 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09 Satz 3. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09 Satz 6. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 23 UmwStG Rz. 135 (Stand: November 2011). A.A., wenn der übernehmende Rechtsträger der zweiten Umstrukturierung in die Rechtsstellung des übernehmenden Rechtsträgers der Einbringung eintritt: Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 23 UmwStG Rz. 122; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 54. Vor dem Hintergrund der Auffassung der Finanzverwaltung kann es sich anbieten, Ketteneinbringungen von „unten nach oben“ vor-
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
gelung ist nur vor dem Hintergrund erklärlich, dass aus Vereinfachungsgründen Änderungen in weiteren Bilanzen vermieden werden sollen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift geht der Erhöhungsbetrag auch verloren, wenn die übernommenen Wirtschaftsgüter verbraucht oder untergegangen sind. Insoweit ist jedoch eine einschränkende Auslegung erforderlich, da kein Grund ersichtlich ist, den Erhöhungsbetrag in diesem Fall zu versagen. Insbesondere greift der vorgenannte Vereinfachungsgedanke hier nicht.1 Die Anwendung des § 23 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist antragsabhängig. Der Antrag ist weder formbedürftig noch innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen. Zu beachten sind nur die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften. Da aus steuerlicher Sicht keine Gründe erkennbar sind, einen solchen Antrag nicht zu stellen, wird die Ausübung durch die übernehmende Gesellschaft in der Regel davon abhängig sein, wie aufwändig die praktische Durchführung der Erhöhung ist.
11.240
Der schädlichen Veräußerung der aus der Einbringung erhaltenen Anteile steht nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 6 UmwStG gleich:
11.241
– Die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft; – die entgeltliche Übertragung der Anteile außerhalb einer Veräußerung, es sei denn, die Übertragung erfolgt nach § 20 Abs. 1 oder § 21 Abs. 1 UmwStG oder vergleichbaren ausländischen Vorgängen zu Buchwerten; – die Auflösung und Abwicklung der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Dem stehen eine Kapitalherabsetzung bei dieser Gesellschaft und die Ausschüttung oder Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto bei dieser Gesellschaft gleich; – die Einbringung der Anteile zu Buchwerten in eine andere Kapitalgesellschaft, wenn die übernehmende Gesellschaft die erhaltenen Anteile mittelbar oder unmittelbar veräußert oder zu einem Wert über dem Buchwert wiederum in eine andere Kapitalgesellschaft einbringt; – die Einbringung der Anteile zu Buchwerten in eine andere Kapitalgesellschaft, wenn die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft von dem Einbringenden anschließend mittelbar oder unmittelbar veräußert oder zu einem Wert über dem Buchwert wiederum in eine andere Kapitalgesellschaft eingebracht werden; – der Einbringende oder die übernehmende Gesellschaft erfüllen die Voraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr. Hervorzuheben ist der Ersatztatbestand der Ausschüttung oder Rückzahlung aus dem Einlagekonto § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG, weil dieser z.B. durch verdeckte Gewinnausschüttungen auch unbewusst ausgelöst werden kann. Hier stellt sich die Frage nach der Reichweite der damit verbundenen Ersatzrealisation. Richtigerweise ist eine der Veräußerung gleichstehende Ersatzrealisation erst anzunehmen, wenn und insoweit wie die Entnahme aus dem Einlagekonto den Beteiligungsbuchwert übersteigt.2 zunehmen (jeweils qualifizierte Beteiligungen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG vorausgesetzt). 1 So auch: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.09 Satz 3; vgl. auch Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 23 UmwStG Rz. 123. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.24.
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11.242
§ 11
Umstrukturierungen
11.243
Der Einbringende hat nach § 22 Abs. 3 Satz 1 UmwStG in den sieben Jahren, die dem Einbringungszeitpunkt folgen, spätestens bis zum 31.5. den Nachweis zu erbringen, wem die aus der Einbringung erhaltenen Anteile mit Ablauf des Tages, der dem Einbringungszeitpunkt entspricht, zuzurechnen sind. Wird der Nachweis innerhalb dieser Nachweisfrist nicht erbracht, gelten die Anteile als zu Beginn des jeweiligen jährlichen Überwachungszeitraum als veräußert (§ 22 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Der Nachweis ist gegenüber dem für den Einbringenden zuständigen Finanzamt,1 erstmalig bis zu dem 31.5. zu erbringen, der ein Jahr nach dem Einbringungsstichtag liegt.2 Im Fall der Einbringung eines Kommanditanteils soll der Nachweis dem für den Gesellschafter nach § 19 bzw. 20 AO zuständigen Wohnsitzfinanzamt (und nicht – was u.E. richtig wäre – dem ggf. abweichenden Feststellungsfinanzamt) zu erbringen sein.3 Die Nachweisfrist kann nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht verlängert werden. Erfolgt der Nachweis verspätet, sind die Angaben allerdings noch zu berücksichtigen, wenn eine Änderung der betroffenen Bescheide verfahrensrechtlich möglich ist, längstens also bis zum Abschluss eines Klageverfahrens.4
11.244
Bestehen noch einbringungsgeborene Anteile nach altem Recht, so ist hierauf § 21 UmwStG a.F. weiter anzuwenden (§ 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG). Gleiches gilt für Anteile, die aufgrund einer Umwandlung ausgegeben werden, die dem neuen Recht unterfällt, wenn im eingebrachten Betriebsvermögen einbringungsgeborene Anteile enthalten sind. In diesem Fall werden die neu ausgegebenen Anteile ebenfalls als einbringungsgeborene Anteile behandelt und unterfallen insoweit noch dem alten Regime, so dass im Veräußerungsfall der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten und den Anschaffungskosten gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG als Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG der Besteuerung unterliegt. § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG ist auf den Gewinn grundsätzlich anzuwenden, jedoch eine Sperrfrist von sieben Jahren zu beachten (§ 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F.). Für die neu ausgegebenen Anteile muss also eine Aufteilung in solche erfolgen, die nach § 21 UmwStG a.F. einbringungsgeboren sind, und solche, die ausschließlich dem neuen Recht unterliegen. Einen Aufteilungsmaßstab schreibt das Gesetz nicht vor. Die Aufteilung kann sinnvollerweise aber nur im Verhältnis der stillen Reserven der eingebrachten einbringungsgeborenen Anteile und des übrigen eingebrachten Betriebsvermögens erfolgen.5 Hält der Einbringende vor der Einbringung bereits Anteile an der übernehmenden Gesellschaft, wie beim erweiterten Anwachsungsmodell in eine bestehende Kapitalgesellschaft der Regelfall, stellt sich die weitere Frage, ob die bestehenden Anteile teilweise zu einbringungsgeborenen Anteilen werden, soweit auf diese stille Reser1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.29. Zu weiteren Einzelheiten: BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.28 ff. sowie OFD Frankfurt/M. v. 22.7.2014 – S 1978c A-51-St 510, DStR 2014, 2509. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.31: Der Nachweis ist erstmals zu erbringen, wenn das erste auf den Einbringungszeitpunkt folgende Zeitjahr bereits vor dem 31.5. abgelaufen ist. 3 OFD Frankfurt/M. v. 22.7.2014 – S 1978c A-51-St 510, DStR 2014, 2509. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.33. 5 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 199; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 147 (Stand: April 2012).
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
ven übergehen. Dies dürfte unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH zum alten Recht zu bejahen sein.1 g) Einbringungskosten Die Zurechnung der im Zusammenhang mit der Einbringung anfallenden Kosten richtet sich nach dem objektiven Veranlassungsprinzip (s. dazu Rz. 11.128).2 Als Einbringungskosten, die dem Einbringenden zuzuordnen sind, kommen insbesondere in Betracht:
11.245
– Beratungskosten im Vorfeld der Einbringung, die im Zusammenhang mit der steuerlichen und rechtlichen Situation des Einbringenden anfallen; – Kosten des Einbringungsvertrages und der Durchführung der Einbringung, soweit diese Kosten den übertragenden Rechtsträger betreffen. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Aufstellung einer Einbringungsbilanz. Diese Kosten mindern den Einbringungsgewinn bzw. erhöhen den Einbringungsverlust.3 Die der übernehmenden GmbH zuzurechnenden Kosten der Einbringung stellen im Grundsatz sofort abziehbare Betriebsausgaben dieser Gesellschaft dar.4 Hierunter fallen insbesondere die Kosten der Kapitalerhöhung einschließlich einer Gründungsprüfung und eines Sachgründungsberichts. Objektbezogene Kosten, die erst in der Person der übernehmenden GmbH entstehen, führen dagegen zu Anschaffungskosten, die als solche zu aktivieren sind. Dazu gehört insbesondere eine Grunderwerbsteuer, die durch den Einbringungsvorgang ausgelöst wird.5 Übernimmt der Einbringende die der übernehmenden GmbH zuzurechnenden Kosten, so erhöhen diese seine Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.6
1 BFH v. 8.4.1992 – I R 160/90, BStBl. II 1992, 763 (764) = GmbHR 1992, 696. 2 Vgl. auch Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 204 ff.; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 252 f. (Stand: April 2015). 3 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 202. A.A. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. R 509 (Stand: August 2007): Die Kosten, die dem Einbringenden belastet werden, dürfen nicht vom letzten laufenden Gewinn abgesetzt werden, wenn das Betriebsvermögen von der übernehmenden Gesellschaft zum Buchwert angesetzt wird. Der buchmäßige Verlust ist außerbilanzmäßig auszugleichen. Die Kosten stellen zusätzliche Anschaffungskosten der gewährten Anteile dar. 4 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 234 (Stand: August 2014); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 404. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 23.01; BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. I 2004, 686 (687) = GmbHR 2004, 58 für die Verschmelzung; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 204; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 404. A.A. Fatouros, DStR 2003, 772; Orth, GmbHR 1998, 511 (519 f.). Zur Grunderwerbsteuer bei einer Anteilsvereinigung vgl. BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 = GmbHR 2011, 832 m. Komm. Adolf. 6 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 189; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 298 (Stand: April 2012).
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11.246
§ 11
Umstrukturierungen
h) Rückwirkung 11.247
Während zivilrechtlich das Eigentum der Wirtschaftsgüter der GmbH & Co. KG erst mit der Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile auf die GmbH und der damit einhergehenden Auflösung der GmbH & Co. KG übergeht, kann für steuerliche Zwecke die Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages und zudem höchstens acht Monate vor dem Zeitpunkt liegt, an dem das eingebrachte Betriebsvermögen auf die Kapitalgesellschaft übergeht (§ 20 Abs. 5 und 6 UmwStG). Erforderlich ist ein Antrag durch die übernehmende GmbH, der von dieser formfrei gestellt werden kann. I.d.R. wird der Antrag (konkludent) mit der Bilanz oder Steuererklärung für das Jahr, in dem die Einbringung steuerlich wirksam wird, verbunden werden.
11.248
Wird der Antrag gestellt, so sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden GmbH so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages (Einbringungszeitpunkt) auf die übernehmende GmbH übergegangen wäre. Damit wird insbesondere der Zeitpunkt bestimmt, zu dem – das übernommene Vermögen der Kapitalgesellschaft zu bewerten ist (sowohl zur Ermittlung der Buch- als auch der gemeinen Werte); – der Einbringende einen Veräußerungsgewinn verwirklicht; – dem Einbringenden die für die Einbringung gewährten Anteile zuzurechnen sind.
11.249
Mit dem Einbringungszeitpunkt wird für steuerliche Zwecke zudem ein Vermögensübergang auf die GmbH fingiert. Dies gilt auch für den Übergang der Wirtschaftsgüter von der Personengesellschaft auf die GmbH im erweiterten Anwachsungsmodell1 sowie für den Fall, dass an der GmbH & Co. KG ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind und diese miteinander oder auf eine dritte Kapitalgesellschaft verschmolzen werden.2 Die im Rückwirkungszeitraum verwirklichten Geschäftsvorfälle sind der GmbH zuzurechnen und unterliegen der Körperschaftsteuer.3 Die Rückwirkung ist allerdings beschränkt auf Steuern vom Einkommen und Vermögen. Sie gilt insbesondere nicht für Zwecke der Umsatzsteuer und der Grunderwerbsteuer. Sie gilt darüber hinaus auch nicht für Zwecke der Erbschaftsteuer.4
11.250
Gesetzlich ausgenommen von der Rückwirkungsfiktion sind Entnahmen und Einlagen der Gesellschafter im Rückwirkungszeitraum, die nach allgemeinen Regeln des Körperschaftsteuerrechts zu verdeckten Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bzw. zu verdeckten Einlagen führen würden. Diese vermindern bzw. erhöhen vielmehr mit ihrem Buchwert die Anschaffungskosten der für die 1 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 235a; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 238; Hagemann/Jakob/Ropohl/Viehbrock, NWB Sonderheft 1/2007, S. 36. 2 Schmid/Dietl, DStR 2008, 529 (530). 3 Zur rückwirkenden Begründung einer ertragssteuerlichen Organschaft nach Einbringung vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. Org. 13 ff. 4 BFH v. 4.7.1984 – II R 73/81, BStBl. II 1984, 772 (773); R E 11 ErbStR 2011.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
Einbringung erhaltenen Anteile (§ 20 Abs. 5 Satz 2 und 3 UmwStG).1 Ebenso ist nach § 20 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 2 Abs. 3 UmwStG die Rückwirkung in den Fällen ausgeschlossen, in denen Einkünfte aufgrund abweichender Regelungen in einem anderen Staat der Besteuerung entzogen würden; auch gelten die Verlustabzugsbeschränkungen des § 2 Abs. 4 UmwStG entsprechend (s. Rz. 11.149). Die Rückwirkung führt darüber hinaus nicht dazu, dass Verträge zwischen Anteilseigner und GmbH als bereits zum Einbringungszeitpunkt abgeschlossen gelten.2 Die in diesem Zeitpunkt bestehenden oder später begründeten Vertragsverhältnisse sind vielmehr im Rückwirkungszeitraum nach körperschaftsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen. Da § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG keine Anwendung mehr findet, sind Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Anteilseigner auch steuerlich anzuerkennen. Halten die Vergütungen dem Fremdvergleich nicht stand, ist zu unterscheiden: In Höhe des angemessenen Teils liegen Betriebsausgaben der GmbH vor. Die nicht angemessenen Vergütungsteile stellen dagegen Entnahmen des Gesellschafters dar, für die § 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG gelten.3 Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist hierin nicht zu sehen.
11.251
Nicht unter die Rückwirkung fallen im Rückwirkungszeitraum ausgeschiedene Mitunternehmer.4 Dies hat zur Folge, dass dem ausgeschiedenen Gesellschafter der im Rückwirkungszeitraum bis zu seinem Ausscheiden verwirklichte Gewinnanteil weiter zuzurechnen und bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu erfassen ist. Hier ist ggf. noch eine Gewinnfeststellung für die ansonsten steuerlich nicht mehr existente GmbH & Co. KG durchzuführen. Scheidet der Gesellschafter entgeltlich aus der GmbH & Co. KG aus, so erzielt er einen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Veräußerungspreis, ggf. gemindert um die Veräußerungskosten, und seinem Kapitalkonto im Veräußerungszeitpunkt. Praktische Probleme bereitet dagegen die Behandlung des Zwischengesellschafters und der übernehmenden GmbH. Da § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG an die Rückwirkung keine weiteren Anforderungen stellen, kann der Acht-Monats-Zeitraum auch dann ausgenutzt werden, wenn zwischenzeitlich ein Gesellschafter ausgeschieden bzw. ein neuer Gesellschafter eingetreten ist.5 Um die von dem Zwischenerwerber aufgewendeten Anschaffungskosten berücksichtigen zu können, sind als Buchwerte des Zwischenerwerbers zum Übertragungsstichtag die Buchwerte bei Anteilserwerb, und zwar einschließlich der Ansätze in der Ergänzungsbilanz, anzusetzen.
11.252
i) Folgewirkungen der Einbringung Neben einem der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegenden Einbringungsgewinn können – auch bei einer Buchwertfortführung durch die übernehmende 1 Zur Frage der steuerlichen Behandlung, wenn der Buchwert der Entnahmen die Buchwerte der übergehenden Wirtschaftsgüter übersteigt, s. Rz. 11.224. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.16. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.16. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.16. 5 Gleicher Ansicht Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 328 (Stand: April 2012); Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. R 329 (Stand: April 2007).
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11.253
§ 11
Umstrukturierungen
Kapitalgesellschaft – weitere steuerliche Folgen für den Einbringenden ausgelöst werden. Zu nennen sind insbesondere Auswirkungen auf folgende Vorgänge:1 11.254
11.255
11.256
11.257
– Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG: Die Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft führt – zeitlich unbegrenzt – nach § 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG zu einer Nachversteuerung. Schädlich ist nur die Einbringung des gesamten Mitunternehmeranteils,2 und zwar unabhängig davon, ob die Einbringung zum gemeinen Wert, zu Buchwerten oder zu Zwischenwerten erfolgt.3 Die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag beträgt 25 %. Gem. § 34a Abs. 6 Satz 2 EStG ist auf Antrag eine zinslose Stundung für höchstens 10 Jahre auszusprechen, wenn die alsbaldige Einziehung des Nachversteuerungsbetrages mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. – Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG: Mit der Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gilt das auf die Personengesellschaft übertragene Wirtschaftsgut als (anteilig) veräußert. Erfolgt die Einbringung innerhalb von drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem diese Übertragung erfolgt ist, ist – vorbehaltlich der Bildung einer Ergänzungsbilanz für die ursprüngliche Übertragung4 – rückwirkend der Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG).5 Darüber hinaus wird durch die Einbringung der Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet oder erhöht. Dies stellt eine Verletzung der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG dar, so dass im Fall der Einbringung innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsgutes für die ursprüngliche Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen ist.6 – Realteilung mit Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG: Nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG ist nach einer Realteilung mit Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, wenn der übertragene Grund und Boden, die Gebäude oder wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb von drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung veräußert oder entnommen werden. Diese Sperrfrist wird durch die Einbringung des Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft verletzt, und zwar auch dann, wenn diese Einbringung nach § 20 UmwStG zu Buchwerten erfolgt.7 – Grundstücksübertragung nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG bzw. nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG: Geht ein Grundstück von mehreren Gesamthändern oder einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Grunderwerbsteuer 1 Eine detaillierte Übersicht findet sich bei: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 242 (Stand: Dezember 2013). 2 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 S 2290a/07/10001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 43. 3 Wacker in Schmidt, § 34a EStG Rz. 77. 4 Gleiches gilt auch ohne Bildung einer Ergänzungsbilanz, wenn ein Wirtschaftsgut durch den an einer KG zu 100 % beteiligten Gesellschafter unentgeltlich in das Gesamthandsvermögen derselben KG übertragen wurde, vgl. BFH v. 26.6.2014 – IV R 31/12, BFH/NV 2014, 1930 = GmbHR 2014, 1322. 5 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 33. 6 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 34. 7 BMF v. 28.2.2006 – IV B 2 - S 2242-6/06, BStBl. I 2006, 228 unter VIII.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen grundstücksübertragenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand seinem Bruchteil am Grundstück entspricht bzw. der vormalige Alleineigentümer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Entsprechendes gilt, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand übertragen wird, soweit zwischen diesen Gesellschaften Beteiligungsidentität besteht (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Mit der Einbringung in die Kapitalgesellschaft vermindert sich der Anteil des Veräußerers und Gesellschafters an der erwerbenden Gesellschaft. Erfolgt dies innerhalb von 5 Jahren nach der Grundstücksübertragung, so kann die ursprüngliche Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 3 GrEStG bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verloren gehen1 (s. wegen der Besonderheiten bei der erweiterten Anwachsung auch Rz. 11.262). – Nach §§ 13a, b ErbStG präferenzierte Übertragung von Betriebsvermögen: Die Einbringung des erbschaft- und schenkungsteuerlich präferenziert übertragenen Vermögens in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG stellt im Grundsatz keinen Verstoß gegen die Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 EStG dar,2 und zwar unabhängig davon, ob die Einbringung zum Buchwert, zum gemeinen Wert oder zum Zwischenwert erfolgt.3 Eine schädliche Veräußerung liegt aber vor, soweit dem Erwerber eine sonstige Gegenleistung, z.B. in Form einer Ausgleichszahlung, gewährt wird.4 Darüber hinaus ist in der Einbringung nach Auffassung der Finanzverwaltung eine schädliche Übertragung zu sehen, soweit der Wert der erhaltenen Anteile geringer als der gemeine Wert des eingebrachten Vermögens ist, und zwar auch dann, wenn hinsichtlich der Gesellschafter an beiden Gesellschaften Personenidentität besteht.5 Daher ist bei der Einbringung in eine bestehende GmbH der Betrag der Nennkapitalerhöhung so zu bemessen, dass der gemeine Wert der neuen Anteile mindestens dem Wert des eingebrachten Vermögens entspricht. Dies kann i.E. dazu führen, dass etwa bei einer Einbringung in die bestehende Komplementär-GmbH erhebliche Nennkapitalerhöhungen erforderlich sein können.6 Zu beachten sind darüber hinaus auch die Auswirkungen der Einbringung auf den Lohnsummentest nach einer präferenzierten Schenkung oder einem solchen Erbfall.7 1 OFD Rheinland v. 31.8.2012 – S 4514-1000-St 235, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4, juris unter 1.1 (Formwechsel der erwerbenden Gesamthand) bzw. 1.2. (Formwechsel des einbringenden Gesellschafters); vgl. auch BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268 = GmbHR 2014, 156 m. Komm. Klass; BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358 = GmbHR 2003, 485. 2 R E 13a.6 ErbStR 2011. 3 Hannes/Stalleiken, DB 2014, 260; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 251 (Stand: April 2014). 4 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen v. 3.5.2012 – 33/34 - S 3812a - 026 - 16 815/12 u.a., DStR 2012, 1033; kritisch: Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz. 251 (Stand: April 2014). 5 Oberste Finanzbehörden der Länder v. 20.11.2013 – 3 S 38.2a/42 u.a., BStBl. I 2013, 1508 Tz. 1.2. Vgl. auch Rödder/Dietrich, Ubg 2014, 90. 6 In der praktischen Handhabung wird sich bei der Umwandlung auf die KomplementärGmbH das Erfordernis ergeben, in die aufnehmende Gesellschaft vorher Vermögen einzulegen, um die Nennkapital-Wert-Relation anzupassen. 7 Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder v. 21.11.2013 – 3 - S 381.2a/24 u.a., BStBl. I 2013, 1510.
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11.258
§ 11
Umstrukturierungen
j) Verkehrsteuern aa) Umsatzsteuer 11.259
Die Umwandlung der GmbH & Co. KG in eine GmbH mittels des erweiterten Anwachsungsmodells führt nicht zu einer Umsatzsteuerbelastung. Aus Sicht der GmbH ist die Ausgabe der neuen Geschäftsanteile mangels wirtschaftlicher Tätigkeit i.S. der 6. EG-RL bereits keine steuerbare Leistung.1 Die Übertragung der Kommanditanteile auf die GmbH durch die Kommanditisten ist – soweit diese überhaupt im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit der Kommanditisten erfolgt2 – nach § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG steuerfrei. Der mit der Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile verbundene Übergang des Vermögens auf die GmbH erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und stellt damit ebenfalls keine steuerbare Leistung dar.3
11.260
Ein Leistungsaustausch kann aber vorliegen, soweit mit der Einbringung der Anteile auch etwaig vorhandenes Sonderbetriebsvermögen (möglicherweise an die KG vermietete wesentliche Betriebsgrundlagen) übertragen werden. Hier wird der Einbringende bislang in der Regel unternehmerisch tätig geworden sein. In diesem Fall wird im Anwachsungsmodell – von Ausnahmefällen abgesehen – auch keine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG anzunehmen sein, da die Personengesellschaft mit der Einbringung untergeht und die bis dahin an die GmbH & Co. KG vermieteten Wirtschaftsgüter von der übernehmenden GmbH ohne Fortführung des Vermietungsunternehmens zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken genutzt werden.4 bb) Grunderwerbsteuer
11.261
Die Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile in die aufnehmende GmbH und der damit verbundene Übergang des gesamten Vermögens der GmbH & Co. KG auf die GmbH ist – soweit zum Vermögen der GmbH & Co. KG inländische Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte (§ 2 GrEStG) gehören – nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Eine (zusätzliche) Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG findet nicht statt, da die Anteile an der GmbH & Co. KG mit der Übertragung auf die GmbH untergehen, also niemals in einer
1 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-442/01 „KapHag Renditefonds“, DB 2003, 1611; BFH v. 1.7.2004 – V R 32/00, BFH/NV 2004, 1355 zur Ausgabe von Gesellschaftsanteilen einer deutschen Personengesellschaft. 2 Die schlichte Beteiligung an einer Personengesellschaft ist keine unternehmerische Tätigkeit, vgl. A 2.3 Abs. 2 UStAE. Eine Umsatzsteuerbarkeit kommt damit im Wesentlichen nur bei einer Führungs- oder Funktionsholding in Betracht (A 2.3 Abs. 3 UStAE). 3 BFH v. 12.3.1964 – V 249/61 U, BStBl. III 64, 290; Husemann in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 265 (Stand: August 2003); Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 1 UStG Rz. 93 (Stand: April 2014); Knoll in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 11 Rz. 104, 185 (Stand: Juni 2007). 4 Vgl. A 1.5 Abs. 2 Satz 3 UStAE, BFH v. 24.9.2009 – V R 6/08, BStBl. II 2010, 315. Das kann anders sein, wenn die Personengesellschaft nach der Einbringung weiter bestehen bleibt und das bisherige Sonderbetriebsvermögen des Einbringenden nunmehr von der übernehmenden Kapitalgesellschaft an die Personengesellschaft vermietet wird.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
Hand vereinigt werden oder auch nur vereinigt werden können.1 Aus diesem Grund scheidet auch eine Grunderwerbsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus.2 War die aufnehmende GmbH vor der Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt, ist der Grundstücksübergang insoweit nach § 6 Abs. 2 GrEStG steuerfrei.3 Dies gilt nicht, wenn die GmbH ihren Anteil innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang erworben hat (§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Als Bemessungsgrundlage war in § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG zu ermittelnde Grundbesitzwert vorgesehen. Nachdem das BVerfG entschieden hat, dass diese Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war,4 hat der Gesetzgeber dem nunmehr durch das Steueränderungsgesetz 2015 Rechnung getragen. Rückwirkend für Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden, ist danach als Bemessungsgrundlage der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG vorgesehen.5 Neben der Grunderwerbsteuer, die durch die Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG in eine GmbH ausgelöst wird, stellt sich die Frage nach weiteren grunderwerbsteuerlichen Folgewirkungen. Wurde in einem Zeitraum von fünf Jahren vor der Einbringung der Kommanditanteile durch einen oder mehrere Kommanditisten ein Grundstück nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG (teilweise) steuerbefreit auf die GmbH & Co. KG übertragen, so wäre mit dem Ausscheiden des Gesellschafters insoweit der Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG erfüllt. Dies hätte zur Folge, dass rückwirkend die ursprüngliche Übertragung des Grundstücks auf die GmbH & Co. KG grunderwerbsteuerpflichtig würde. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass durch die Übertragung sämtlicher Kommanditanteile auf die Komplementär-GmbH bereits der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst wird und somit eine Missbrauchsgefahr, wie sie § 5 Abs. 3 GrEStG voraussetzt, nicht gegeben ist. § 5 Abs. 3 GrEStG ist daher einschränkend auszulegen und findet in den hier zu behandelnden Fällen keine Anwendung.6 Entsprechendes gilt, wenn im Fünf-Jahres-Zeitraum vor der Einbringung Grundstücke von einer Schwester-Personengesellschaft auf die umzuwandelnde GmbH & Co. KG übertragen wurden (§ 6 Abs. 3 und 4 GrEStG). Durch die Umwandlung wird also nur einmal Grunderwerbsteuer ausgelöst.
11.262
III. Einbringung des Betriebes im Wege der Einzelrechtsnachfolge Ein möglicher Weg in die GmbH ist es auch, den Betrieb der GmbH & Co. KG (also die Vermögensgegenstände und Schulden, die den Betrieb ausmachen) im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine zu diesem Zweck zu gründende oder bereits beste1 BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344 (345) = GmbHR 2003, 488; BFH v. 13.9. 1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903 (905); BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 (361); Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG Rz. 559, 561; Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 51. 2 Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 24. 3 Hofmann, § 6 GrEStG Rz. 8; Viskorf in Boruttau, § 6 GrEStG Rz. 12 a.E. 4 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11, DStR 2015, 1678. 5 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Vgl. zur Rückwirkung der Gesetzesänderung: Joisten, Ubg 2015, 463. 6 Hofmann, § 5 GrEStG Rz. 23; Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 107.
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§ 11
Umstrukturierungen
hende GmbH zu übertragen. Auch dies hat wiederum, um die Steuerneutralität zu gewährleisten, im Rahmen einer Sachgründung (§ 5 Abs. 4 GmbHG) oder Sachkapitalerhöhung (§§ 55 ff. GmbHG) bei der aufnehmenden GmbH zu erfolgen.1 Ausreichend ist es auch, wenn im Rahmen einer Bargründung oder Barkapitalerhöhung die Übertragung des Betriebes oder der Mitunternehmeranteile versprochen wird (s. Rz. 11.202). 11.264
Für die Sachgründung bzw. Sachkapitalerhöhung gelten die allgemeinen Vorschriften des GmbHG.2 Zu beachten ist, dass die einzelnen Vermögensgegenstände nach den jeweils maßgebenden sachenrechtlichen Vorschriften auf die GmbH übertragen werden müssen (§§ 398 ff., 873 i.V.m. 925, 929 ff. BGB). Insbesondere ist bei Grundstücken die Auflassung und Eintragung in das Grundbuch erforderlich. Der Grundsatz der Bestimmtheit ist zu beachten. Hierbei ist – insbesondere wenn eine Vielzahl von Vermögensgegenständen zu übertragen ist – ein Verweis auf Bestandsverzeichnisse (Inventare), Inventurunterlagen und sonstige Unterlagen, aus denen sich das Mengengerüst ergibt, notwendig, aber auch ausreichend.3 Sollen Schulden und Vertragsverhältnisse übergehen, so bedarf dies der Genehmigung des Schuldners (§ 415 BGB) bzw. der Zustimmung des Vertragspartners. Eine Besonderheit besteht für Arbeitsverhältnisse. Diese gehen nach § 613a Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen auf die übernehmende GmbH über, die Arbeitnehmer können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses allerdings widersprechen (§ 613a Abs. 6 BGB). In der Praxis ist dies selten ein Problem, da die GmbH & Co. KG nach der Übertragung ihres Betriebes auf die GmbH i.d.R. aufgelöst wird.
11.265
Übernehmer der neuen Geschäftsanteile können sowohl die GmbH & Co. KG selbst sein als auch deren Gesellschafter. Im ersten Fall wird die GmbH & Co. KG Anteilseignerin der GmbH. Es entsteht eine doppelstöckige Struktur. Soll diese aufgelöst werden, müssen die GmbH-Anteile in einem zweiten Schritt entweder aus dem Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG entnommen werden oder die GmbH & Co. KG ist aufzulösen und die Anteile sind auszukehren. Übernehmen dagegen die Gesellschafter der GmbH & Co. KG die neuen Geschäftsanteile an der übernehmenden GmbH unmittelbar, bleibt zivilrechtlich nur der Weg, dass die GmbH & Co. KG die Sacheinlagen für Rechnung der Gesellschafter auf die GmbH überträgt. Anschließend kann die dann vermögenslose GmbH & Co. KG liquidiert werden.
11.266
Steuerrechtlich ist auch die Einzelübertragung aller Wirtschaftsgüter und Schulden des Betriebes einer Personengesellschaft auf eine GmbH als Unterfall des § 20 UmwStG anzusehen, wenn diese gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Für die Frage, wer in diesen Fällen Einbringender ist, ist danach zu differenzieren, ob die Personengesellschaft (steuerlich) infolge der Einbringung fortbesteht, also die Anteile erhält (dann ist die Personengesellschaft Einbringender), oder aufgelöst wird (dann sind die vormaligen Mitunternehmer der Personengesellschaft 1 Wegen der Notwendigkeit, die Vermögensgegenstände der GmbH & Co. KG einzeln auf die GmbH zu übertragen, erweist sich dieser Weg allerdings i.d.R. als im Vergleich zum erweiterten Anwachsungsmodell und auch im Vergleich zu den Umwandlungen nach dem UmwG als aufwändiger, so dass die Einbringung des Betriebes im Wege der Einzelrechtsnachfolge in der Praxis nur selten anzufinden ist. 2 S. zur Sachkapitalerhöhung unter Rz. 11.189. 3 Zu Einzelheiten vgl. Mueller-Thuns in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 4 Rz. 4 ff.
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
die Einbringenden).1 Der Auflösung der Personengesellschaft steht es gleich, wenn diese mit der Einbringung zivilrechtlich fortbesteht, aber nur noch vermögensverwaltend tägig wird und weder gewerblich geprägt noch infiziert ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG).2 In diesem Fall sind die Anteile an der Kapitalgesellschaft steuerrechtlich den Gesellschaftern der Personengesellschaft zuzuordnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Unabhängig von der Person des Einbringenden ist das jeweilige Einbringungsobjekt zu bestimmen. So kann auch dann, wenn Einbringende die Gesellschafter der Personengesellschaft sind, Gegenstand der Einbringung der Betrieb der Personengesellschaft sein.3 I.d.R. werden sich hieran aber keine Rechtsfolgen knüpfen, insbesondere muss auch bei der Einbringung des Betriebs wesentliches Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter mit in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden.4 Sind die durch die Sachkapitalerhöhung erlangten Anteile nach Einbringung des Betriebes der GmbH & Co. KG steuerrechtlich dem Betriebsvermögen der – ggf. gewerblich geprägten – GmbH & Co. KG zuzurechnen (Ausgliederung des Geschäftsbetriebs auf die GmbH),5 hat sich auch bisher die Frage gestellt, ob eine spätere Entnahme dieser Anteile oder Auflösung der GmbH & Co. KG unter Auskehrung der Anteile an die Gesellschafter zur Aufdeckung der stillen Reserven nach Entnahmebzw. Betriebsaufgabegesichtspunkten führt. Der BFH hat dies zur alten Rechtslage verneint, da die Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven durch § 21 UmwStG a.F. gesichert sei und der steuerliche Zugriff auf einen infolge der Entnahme entstehenden Gewinn dem dort verankerten Besteuerungsmechanismus widerspräche.6 Nach neuer Rechtslage stellt sich – noch vorrangig vor der Erfassung eines Entnahmegewinns – die Frage, ob in der Entnahme eine schädliche Verwendung i.S. des § 22 Abs. 1 UmwStG zu sehen ist. Dies ist – sofern die „Entnahme“ nicht gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt – zu verneinen, da in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 6 UmwStG die Entnahme ins Privatvermögen nicht ausdrücklich erwähnt ist. Dagegen dürfte es zumindest nach neuem Recht zur Realisierung eines Entnahmegewinns nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG kommen, da die aus der Einbringung erhaltenen Anteile nicht mehr einem Sonderregime (nach altem Recht: § 21 UmwStG a.F.) unterliegen.7 1 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rz. 181 und 182 m.w.N. Wohl auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.03. Aufgegeben hat die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung, dass als Einbringende stets die einzelnen Mitunternehmer anzusehen sind. So noch: BMF v. 25.3. 1998 – IV B 7 - S 1998 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Tz. 20.05. 2 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 169a (Stand: April 2012). 3 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 39 (Stand: April 2012). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06. 5 BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1998 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.05 a.E. 6 BFH v. 12.10.2011 – I R 33/10, BStBl. II 2012, 455 = GmbHR 2012, 230. A.A.: BMF v. 25.3. 1998 – IV B 7 - S 1998 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 21.12. 7 Gl.A.: Nitzschke in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 22 UmwStG 2006 Rz. 35 (Stand: Juni 2013). A.A. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. R 69 (Fn. 2) (Stand: April 2007), wonach die zu den einbringungsgeborenen Anteilen vertretene Ansicht für die Anteile i.S. des § 22 Abs. 1 UmwStG entsprechend gilt.
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§ 11
Umstrukturierungen
IV. Umwandlungen nach dem UmwG 1. Zivilrecht a) Formwechsel 11.268
Nach §§ 190 ff., 214 ff. UmwG ist es zulässig, eine GmbH & Co. KG in eine GmbH formzuwechseln.1 Hinsichtlich der Anforderungen und des Ablaufs des Formwechsels einer GmbH & Co. KG in eine GmbH kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zur Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG verwiesen werden (s. dazu Rz. 11.14 ff.). Wesentliches Element ist auch hier der Umwandlungsbeschluss gem. § 193 UmwG. Dieser bedarf grundsätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter; der Gesellschaftsvertrag kann eine Mehrheitsentscheidung von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen vorsehen (§ 217 Abs. 1 UmwG).2
11.269
Sind – was dem Regelfall entspricht – nicht alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG zur Geschäftsführung berufen, so hat die Geschäftsführung den Umwandlungsbeschluss durch einen Umwandlungsbericht vorzubereiten (§§ 192, 215 UmwG). Das gilt auch dann, wenn die nicht zur Geschäftsführung befugten Kommanditisten Gesellschafter der Komplementär-GmbH, nicht aber deren Geschäftsführer sind.3 Zur Sicherung ihrer Mitwirkungsrechte sind diese Gesellschafter gem. § 216 UmwG unter Übersendung der Textform des Beschlusses über den Formwechsel, des Umwandlungsberichts und eines Abfindungsangebotes (§ 207 UmwG) über den Formwechsel zu unterrichten. Die Unterrichtung hat spätestens zusammen mit der Einberufung der über den Formwechsel beschlussfassenden Gesellschafterversammlung zu erfolgen. Eine gesetzliche Regelung über die Einberufungsfrist fehlt. Ist im Gesellschaftsvertrag keine Frist vorgesehen, so sind die Gesellschafter so rechtzeitig zu unterrichten, dass alle Gesellschafter an der Versammlung teilnehmen können und „Überrumpelungen“ vermieden werden.4 In 1 Der Formwechsel in eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist nicht möglich, da selbst dann, wenn der Formwechsel als Unterfall der Gründung anzusehen wäre, diesem zumindest das in § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG enthaltene Verbot der Sachgründung einer solchen Gesellschaft entgegensteht, Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 191 Rz. 8; Decher/Hoger in Lutter, § 191 UmwG Rz. 5; Bormann, GmbHR 2007, 897 (899); Heinemann, NZG 2008, 820 (821); Meister, NZG 2008, 767 (768); Tettinger, Der Konzern 2008, 75 (77); vgl. auch BFH v. 11.4.2011 – II ZB 9/10, GmbHR 2011, 701 (Unzulässigkeit der Neugründung einer UG durch Abspaltung). 2 Besondere Anforderungen an eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung bestehen nicht. Der BGH hat den sog. Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem sich eine vom Einstimmigkeitsprinzip abweichende Regelung hinsichtlich gravierender Beschlussgegenstände unzweideutig aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben muss, aufgegeben, BGH v. 21.10. 2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = GmbHR 2014, 1303, vgl. dazu etwa auch Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 43 UmwG Rz. 111 ff. (Stand: Mai 2015); H.-J. Priester, NZG 2015, 529; Heckschen/Bachmann, NZG 2015, 531. Ausreichend ist damit eine Bestimmung, die eine Mehrheitsentscheidung allgemein für „Umwandlungen“ zulässt, ohne dass die Verschmelzung ausdrücklich genannt sein muss. S. hierzu auch Rz. 4.158 ff. 3 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 215 UmwG Rz. 3; Joost in Lutter, § 215 UmwG Rz. 4; Schlitt in Semler/Stengel, § 215 UmwG Rz. 10. 4 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 216 UmwG Rz. 9.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
der Praxis wird man sich hierbei an der Monatsfrist des § 123 Abs. 1 AktG orientieren können.1 Auf die Erstattung des Umwandlungsberichts können die Gesellschafter gem. § 192 Abs. 3 UmwG in notarieller Urkunde verzichten, wobei ein Verzicht der nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter ausreichend ist.2 Im Zweifel erstreckt sich ein solcher Verzicht auch auf den Entwurf des Umwandlungsbeschlusses. Dieser bleibt jedoch erforderlich, wenn die formwechselnde Gesellschaft über einen Betriebsrat verfügt, da ansonsten das Informationsrecht der Arbeitnehmervertreter durch Erklärungen der Gesellschafter eingeschränkt werden könnte (s. dazu Rz. 11.23). Gleichfalls können die Gesellschafter, wiederum in notarieller Urkunde, auf das Abfindungsangebot verzichten.3
11.270
Wie auch bei einem Formwechsel in die GmbH & Co. KG (vgl. § 234 Nr. 3 UmwG) muss bei einem Formwechsel in die GmbH der Beschluss über den Formwechsel den Gesellschaftsvertrag der GmbH enthalten (§ 218 Abs. 1 UmwG). Nach § 194 Abs. 1 Nr. 4 UmwG müssen im Umwandlungsbeschluss zudem Zahl, Art und Umfang der Anteile, welche die Anteilsinhaber durch den Formwechsel erlangen sollen, bestimmt werden. In der Festsetzung des Stammkapitals der Gesellschaft und der Nennbeträge der Geschäftsanteile sind die Gesellschafter frei und insbesondere nicht durch die Höhe ihrer bisherigen (Haft-)Einlagen gebunden.4 Die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile muss jedoch dem Stammkapital entsprechen und damit einen Mindestbetrag von 25 000 Euro erreichen (§ 5 Abs. 1 und 3 GmbHG), wobei hinsichtlich des Nennbetrages eines jeden Geschäftsanteils eine Beschränkung nur dahingehend besteht, dass dieser auf volle Euro lauten muss (§ 5 Abs. 1 und 2 GmbHG). Auch bei einer zersplitterten Gesellschafterstruktur wird es daher nur in Ausnahmefällen erforderlich sein, zur Abbildung der Beteiligungsverhältnisse das Stammkapital der Gesellschaft im Vergleich zu den bisherigen Kapitalkonten erheblich zu erhöhen.
11.271
Die Obergrenze des festgesetzten Stammkapitals bildet nach § 220 Abs. 1 UmwG das nach Abzug der Schulden verbleibende Vermögen (Reinvermögen) der formwechselnden Gesellschaft. Ob hierbei Buchwerte oder Zeitwerte zugrunde zu legen sind, ist im Gesetz nicht geregelt. Da aber bei der Sachgründung einer GmbH das Aktivvermögen mit Zeitwerten anzusetzen ist und weder unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung noch unter einem anderen Gesichtspunkt ein Bedürfnis besteht, davon abweichend bei einem Formwechsel als Prüfungsmaßstab die Buchwerte heranzuziehen, ist mit der h.M. im Rahmen des § 220 Abs. 1
11.272
1 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 216 UmwG Rz. 3. Z.T. wird zumindest bei personalistisch verfassten Gesellschaften die Einhaltung einer Frist von einer Woche als i.d.R. ausreichend angesehen, Schlitt in Semler/Stengel, § 216 UmwG Rz. 14. Dies dürfte insbesondere bei komplexen Umstrukturierungen häufig zu kurz sein. 2 Schlitt in Semler/Stengel, § 215 UmwG Rz. 17; Joost in Lutter, § 215 UmwG Rz. 11; Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 215 UmwG Rz. 7 (Stand: Dezember 2013); a.A. Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 192 UmwG Rz. 575, wonach auch die geschäftsführenden Gesellschafter den Verzicht erklären müssen. 3 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 216 UmwG Rz. 12. 4 Förschle/Hoffmann in Beck’scher BilanzKomm., § 272 HGB Rz. 357; Förschle/Hoffmann in Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, L Rz. 46; Joost in Lutter, § 220 UmwG Rz. 7; Schlitt in Semler/Stengel, § 218 UmwG Rz. 15.
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Umstrukturierungen
UmwG auf die Zeitwerte abzustellen.1 Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Anmeldung des Formwechsels zum Handelsregister.2 Deckt zwar das Vermögen der in die GmbH formgewechselten Gesellschaft unter Zugrundelegung von Zeitwerten das ausgewiesene Stammkapital, reicht aber das bilanzielle Eigenkapital auf der Basis der Buchwerte nicht aus, dieses Stammkapital bilanziell darzustellen, ist der Differenzbetrag als gesonderter Abzugsposten innerhalb des bilanziellen Eigenkapitals auszuweisen und in der Folgezeit wie ein Verlustvortrag zu tilgen.3 Eine Aufstockung der Buchwerte der übernommenen Vermögensgegenstände ist bei einem Formwechsel ausgeschlossen. 11.273
Neben dem Umwandlungsbericht haben die Gesellschafter einen Sachgründungsbericht nach § 5 Abs. 4 GmbHG i.V.m. § 197 Satz 1 UmwG zu erstatten. Der Inhalt entspricht weitgehend dem eines allgemeinen Sachgründungsberichts. Erforderlich sind Angaben zu den wesentlichen Umständen, aus denen sich ergibt, dass das bilanzielle Eigenkapital der formwechselnden Personengesellschaft das festgesetzte Stammkapital abdeckt, sowie zu den Jahresergebnissen der letzten beiden Geschäftsjahre (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG). Nach § 220 Abs. 2 UmwG sind darüber hinaus der bisherige Geschäftsverlauf und die Lage der formwechselnden Gesellschaft darzulegen. Eine Gründungsprüfung durch einen gerichtlich bestellten Prüfer findet nicht statt.4 Der Wert der Sacheinlagen ist jedoch durch geeignete Unterlagen nachzuweisen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG). Hier wird i.d.R. eine Bilanz auf den letzten Abschlussstichtag ausreichen; ggf. ist ein verkürztes Wertgutachten eines Wirtschaftsprüfers (Werthaltigkeitsbescheinigung) beizubringen.
11.274
Der weitgehenden Gleichsetzung des Formwechsels mit der Sachgründung einer GmbH folgend, stellt § 219 Satz 1 UmwG die Gesellschafter der formwechselnden Gesellschaft Gründern gleich, soweit diese dem Formwechsel zugestimmt haben. Dies kann weitreichende Folgen haben, da die Gründer verpflichtet sind, den Sachgründungsbericht zu erstatten, und für falsche Angaben haften (§ 9a GmbHG). Zudem trifft (nach h.M.: nur)5 die Gründer die Differenzhaftung gem. § 219 Satz 1 UmwG i.V.m. § 9 GmbHG und ggf. auch die Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbH, wenn das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft im Zeitpunkt der Anmeldung des Formwechsels in das Handelsregister nicht das Stammkapital ab1 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen eines Formwechsels auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 41) (Stand: 6.9.2012), IDW-Fn 2012, 539 Rz. 16. 2 Joost in Lutter, § 220 UmwG Rz. 14; Schlitt in Semler/Stengel, § 220 UmwG Rz. 15. 3 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen eines Formwechsels auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFS 41) (Stand: 6.9.2012), IDW-Fn 2012, 539 Rz. 9. Für einen Ausweis des Differenzbetrages auf der Aktivseite: Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 220 UmwG Rz. 11. 4 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 220 UmwG Rz. 18; Schlitt in Semler/Stengel, § 220 UmwG Rz. 31. 5 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 219 UmwG Rz. 4; Joost in Lutter, § 219 UmwG Rz. 3; Schlitt in Semler/Stengel, § 219 UmwG Rz. 13; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 197 UmwG Rz. 61 ff. (Stand: Mai 2013); a.A. Decher/Hoger in Lutter, § 197 UmwG Rz. 38, Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 219 UmwG Rz. 22 ff. (Stand: Dezember 2013). Nach Joost sollte § 219 Satz 1 UmwG einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auf Kommanditisten keine Anwendung findet, Joost in Lutter, § 219 UmwG Rz. 4.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
deckt.1 Dass die Gründer eindeutig bestimmbar sind, sichert § 217 Abs. 2 UmwG. Hiernach sind im Fall einer Mehrheitsentscheidung die Gesellschafter, die für den Formwechsel gestimmt haben, in der notariellen Niederschrift über den Umwandlungsbeschluss namentlich aufzuführen. Eine bereits aus dem umgekehrten Fall des Formwechsels in eine GmbH & Co. KG bekannte Frage stellt sich in Bezug auf die Komplementär-GmbH, da die Gesellschafter der Personengesellschaft wegen des Grundsatzes der Anteilsinhaberidentität auch Anteilsinhaber der GmbH werden müssen, die Komplementär-GmbH idealtypisch aber nicht am Gesellschaftsanteil und Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist und somit auch keine Stammeinlage übernehmen kann. Auch hier sollte es in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH möglich sein, die Komplementär-GmbH mit dem Formwechsel aus der Gesellschaft ausscheiden zu lassen, so dass die bisherigen Gestaltungen nicht mehr erforderlich sind.2 Fehlt die Zeit, ein solches Vorgehen mit dem Handelsregister abzustimmen, kann es sich anbieten, zunächst treuhänderisch einen Kommanditanteil (Kapitalkonto I) auf die Komplementär-GmbH zu übertragen und mit dem Formwechsel das Treuhandverhältnis aufzulösen (zu den grunderwerbsteuerlichen Folgen s. Rz. 11.294). Ggf. kann vor dem Hintergrund der Diskussion über eine mit der treuhänderischen Übertragung verbundene Haftung des Treugebers dieser Kapitalanteil auch entgeltlich (gewinnrealisierend) übertragen und anschließend zurückübertragen werden. Da die Komplementär-GmbH bereits aus ihrer Komplementärstellung für Verbindlichkeiten der KG mit ihrem Vermögen unbegrenzt haftet und eine Haftung als Anteilsinhaberin der GmbH ausscheidet, wird – anders als ggf. bei dem Formwechsel in die GmbH & Co. KG – durch die treuhänderische Übertragung die Haftung der GmbH allerdings nicht vergrößert, so dass u.E. hier nicht die Gefahr einer unbegrenzten Haftung des treugebenden Kommanditisten besteht.3
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Der Formwechsel ist von den zukünftigen Geschäftsführern der GmbH (§ 222 Abs. 1 UmwG) elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, in dem die Personengesellschaft eingetragen ist (§ 198 Abs. 1 UmwG). Der Anmeldung sind gem. § 199 UmwG beizufügen:
11.276
– eine Ausfertigung der notariellen Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der formwechselnden Gesellschaft mit dem Beschluss über den Formwechsel einschließlich des Gesellschaftsvertrages der GmbH; – nach dem Gesetz erforderliche Zustimmungen einzelner Gesellschafter, soweit diese nicht bereits in der Niederschrift enthalten sind; 1 Dirksen/Blasche in Kallmeyer, § 219 UmwG Rz. 10. 2 Dies hat der BGH im umgekehrten Fall des Beitrittes der Komplementär-GmbH im Rahmen des Formwechsels in eine GmbH & Co. KG – wenn auch als obiter dictum – klargestellt: BGH v. 9.5.2005 – II ZR 29/03, AG 2005, 613. Im o.g. Sinne: Decher/Hoger in Lutter, § 202 UmwG Rz. 12; Kübler in Semler/Stengel, § 202 UmwG Rz. 21: Baßler, GmbHR 2007, 1252 (1254); Heckschen, DB 2008, 2122 (2123); Priester, JbFfStR 2007/2008, 305. A.A. Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 191 UmwG Rz. 10; Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 194 UmwG Rz. 23. 3 Die Haftungsrisiken des Treuhandmodells werden in der Literatur daher vornehmlich im Rahmen der Umwandlung einer GmbH in eine GmbH & Co. KG diskutiert: Carlé/Bauschatz, ZIP 2002, 2072; s. auch unter Rz. 11.10.
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§ 11
Umstrukturierungen
– der Umwandlungsbericht bzw. die Erklärungen über den Verzicht auf seine Erstattung; – der Nachweis über die fristgerechte Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses an den Betriebsrat. 11.277
Darüber hinaus sind erforderlich – eine Gesellschafterliste (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG); – der Beschluss über die Bestellung der Geschäftsführer, soweit ein solcher nicht bereits in dem Umwandlungsbeschluss enthalten ist; – der von den Gründern unterzeichnete Sachgründungsbericht; – Nachweise, dass das nach Abzug der Schulden verbleibende Vermögen der GmbH den Nennbetrag des Stammkapitals deckt.
11.278
Der Formwechsel wird mit Eintragung in das Handelsregister wirksam. Die GmbH & Co. KG besteht dann unter Wahrung ihrer Identität als GmbH fort (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Mit der Wirksamkeit des Formwechsels endet eine persönliche Haftung der Gesellschafter der Personengesellschaft für Neuschulden. Für alle bis zum Formwechsel begründeten Verbindlichkeiten besteht die Haftung im bisherigen Umfang unverändert weiter, ist jedoch zeitlich begrenzt auf Ansprüche, die innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Eintragung des Formwechsels fällig und gerichtlich gegen den Gesellschafter geltend gemacht werden (§ 224 Abs. 1 und 2 UmwG). b) Verschmelzung
11.279
Alternativ zum Formwechsel kann eine GmbH & Co. KG nach dem UmwG auf eine bereits bestehende GmbH verschmolzen werden (§ 2 Nr. 1 UmwG). Aufnehmende Gesellschaft kann auch die Komplementär-GmbH sein. Sind an der GmbH & Co. KG nur verschmelzungsfähige Rechtsträger beteiligt (etwa nur Kapitalgesellschaften), so ist es auch möglich, diese aufeinander zu verschmelzen. Die GmbH & Co. KG geht dann mit der Verschmelzung unter; ihr Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über („Anwachsung“).
11.280
Hinsichtlich des äußeren Ablaufs und der Formalien, einschließlich der Aufstellung von Umwandlungsbilanzen, kann weitestgehend auf die Ausführungen zur Verschmelzung einer GmbH auf eine GmbH & Co. KG verwiesen werden (s. dazu Rz. 11.38 ff.). Auch hier ist Kernelement der notariell zu beurkundende Verschmelzungsvertrag. Der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG gem. § 43 Abs. 1 UmwG bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter, jedoch kann der Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentscheidung von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen vorsehen (§ 43 Abs. 2 UmwG). Auf der Seite der GmbH reicht gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 UmwG grundsätzlich eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen aus; der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann aber eine größere Mehrheit bestimmen (§ 50 Abs. 1 Satz 2 UmwG). Die Verschmelzung ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und wird mit Eintragung in dasselbe wirksam.
11.281
Als Ausgleich für die untergehenden Anteile an der GmbH & Co. KG erhalten deren Gesellschafter Geschäftsanteile an der GmbH. Diese müssen i.d.R. durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden, es sei denn, die übernehmende GmbH verfügt über 1162
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
eigene Anteile, die den Gesellschaftern als Gegenleistung gewährt werden können (§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwG). Möglich ist nach § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG auch ein Verzicht auf die Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.1 Der Verzicht ist in notarieller Urkunde zu erklären. Bei der Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft wird ein solcher Verzicht – wie auch die Gewährung bestehender eigener Anteile – jedoch aus steuerlichen Gründen häufig nicht möglich sein, weil § 20 UmwStG die Buchwertfortführung von der Gewährung neuer Anteile abhängig macht. Erfolgt die Verschmelzung gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile, darf sie gem. § 53 UmwG erst eingetragen werden, wenn zuvor die Kapitalerhöhung im Register eingetragen ist. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 UmwG) die als Gegenleistung gewährten Anteile auch tatsächlich bestehen. In der praktischen Handhabung sollte daher der Kapitalerhöhungsbeschluss bereits in der Versammlung gefasst werden, in der auch über die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag beschlossen wird.
11.282
Die Kapitalerhöhung folgt im Wesentlichen den Regelungen des GmbHG. Erforderlich sind jedoch nach § 55 Abs. 1 UmwG weder eine Übernahmeerklärung (§ 55 Abs. 1 GmbHG) noch die Versicherung, dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer befindet.
11.283
2. Steuerrechtliche Aspekte a) Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG Die Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine GmbH unterfällt ohne weiteres als Einbringung der Regelung des § 20 UmwStG.2 Entsprechendes gilt für den Formwechsel einer Personengesellschaft in eine GmbH.3 Da dieser handelsrechtlich identitätswahrend ausgestaltet ist, bedarf es hierzu jedoch einer besonderen gesetzlichen Regelung, die den Anwendungsbereich des § 20 UmwStG eröffnet. Eine derartige Regelung ergibt sich aus § 25 UmwStG. Gleichzeitig wird hier auch die übertragende GmbH & Co. KG verpflichtet, für steuerliche Zwecke – anders als nach Handelsrecht – auf den Übertragungsstichtag eine steuerliche Übertragungsbilanz aufzustellen (§ 25 Satz 2 UmwStG).
11.284
Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur erweiterten Anwachsung verwiesen werden (s. dazu Rz. 11.196 ff.). Sind die Voraussetzungen des § 20 UmwStG erfüllt, so lässt sich eine Ertragsteuerbelastung anlässlich der Umwandlung dadurch vermeiden, dass die GmbH die Wirtschaftsgüter mit den Werten übernimmt, wie sie die GmbH & Co. KG nach allgemeinen steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften anzusetzen hat. Dieser Wert gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis i.S.v. § 16 Abs. 2 EStG. Das Institut der einbringungsgeborenen Anteile nach
11.285
1 Zur Kritik hieran vgl. Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 54 UmwG Rz. 12 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.43 erster Spiegelstrich. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.43 dritter Spiegelstrich.
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§ 11
Umstrukturierungen
§ 21 UmwStG a.F. ist aufgegeben worden. Werden die erhaltenen Anteile innerhalb der Siebenjahresfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG veräußert, so erfolgt die ursprüngliche Einbringung rückwirkend zum gemeinen Wert (Einbringungsgewinn I) und ist in diesem Wirtschaftsjahr vom Einbringenden nach § 16 EStG zu versteuern. Der Einbringungsgewinn I wird allerdings für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr um ein Siebtel vermindert. Korrespondierend erhöhen sich die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG). Sonderregelungen für die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile bestehen darüber hinaus nicht. § 17 Abs. 6 Nr. 1 EStG ordnet jedoch an, dass Anteile, die aufgrund einer Einbringung erworben wurden, auch dann unter § 17 EStG fallen, wenn der Gesellschafter zu weniger als 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die Einbringung aber zu einem Wert erfolgt, der unter dem gemeinen Wert der übergehenden Wirtschaftsgüter lag. 11.286
Einbringende sowohl im Rahmen eines Formwechsels als auch einer Verschmelzung sind die Mitunternehmer der GmbH & Co. KG, nicht etwa die Personengesellschaft selbst. Da die GmbH & Co. KG mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG erlischt, können ihr die gewährten Gesellschaftsrechte nicht – auch nicht für eine juristische Sekunde – zugerechnet werden, zumal auch § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ausdrücklich bestimmt, dass die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft werden (s. i.Ü. Rz. 11.266).
11.287
Neue Gesellschaftsanteile werden im Rahmen der Verschmelzung und des Formwechsels i.d.R. gewährt (s. dazu Rz. 11.271, 11.281). Lediglich dann, wenn die GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH oder auf eine KommanditistenGmbH verschmolzen wird, ist dieses gesellschaftsrechtlich insoweit nicht möglich, als die aufnehmende Gesellschaft am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Für diese Gesellschafterin kann die Ertragsteuerneutralität der Verschmelzung daher nicht auf die Regelungen des UmwStG gestützt werden. Der Übergang des Vermögens der Personengesellschaft auf die an ihr beteiligte GmbH im Rahmen der Verschmelzung ist insoweit mit der der erweiterten Anwachsung zu vergleichen; d.h., der Vermögensübergang wäre auch insoweit – zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG – steuerneutral.1 In Bezug auf die am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligten weiteren Gesellschafter ist die Verschmelzung steuerlich als Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu sehen und unterfällt § 20 UmwStG.
11.288
Sind an der GmbH & Co. KG ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt und werden diese untereinander oder auf eine andere Kapitalgesellschaft verschmolzen, so unterliegt dieser Vorgang dem Grunde nach nicht § 20 UmwStG, sondern den §§ 11 bis 13 UmwStG (Verschmelzung von Kapitalgesellschaften). Folge der Verschmelzung ist die Vereinigung aller Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft in einer Hand, so dass die Personengesellschaft untergeht und ihr Vermögen der aufnehmenden Kapitalgesellschaft (GmbH) anwächst. Dieser Anwachsungs1 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 132h; Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 177 (Stand: Dezember 2013).
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Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
vorgang stellt lediglich einen Reflex der Verschmelzung der Gesellschafter dar und ist wiederum – per se, ggf. auch in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG – steuerneutral. Das gilt u.E. auch insoweit, wie die übertragende Gesellschaft am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist. Die steuerliche Rückwirkung der Verschmelzung erfasst auch die Anwachsung.1 b) Einbringungsgegenstand Auch bei der Verschmelzung einer GmbH & Co. KG auf eine GmbH ist Gegenstand der Einbringung der Betrieb der Mitunternehmerschaft und nicht die Mitunternehmeranteile. Dennoch ist zu Sicherung der Ertragsteuerneutralität auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter mit in die GmbH einzubringen, soweit dieses eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt (s. Rz. 11.266). Die Einbringung des Sonderbetriebsvermögens ist zur Sicherung der Steuerneutralität auch erforderlich, wenn die Umwandlung als Formwechsel erfolgt.2 Da das Sonderbetriebsvermögen zivilrechtlich den Gesellschaftern zuzurechnen ist und damit von den umwandlungsrechtlichen Regelungen nicht erfasst wird, muss in beiden Fällen die Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzogen werden, wobei zwischen der Verschmelzung bzw. dem Formwechsel einerseits und der Übertragung der Wirtschaftsgüter des Sondervermögens andererseits ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang herzustellen ist. Hierzu kann die Vereinbarung über die Übertragung von Sonderbetriebsvermögen z.B. in den Umwandlungsbeschluss aufgenommen werden.3 Wann ein zeitlicher Zusammenhang vorliegt, ist nicht abschließend geklärt. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens (gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) noch auf die Personengesellschaft, und zwar im achtmonatigen Rückwirkungszeitraum übertragen werden müssen.4 U.E. ist die Einbringung des Sonderbetriebsvermögens nach den Grundsätzen der Gesamtplanrechtsprechung zu beurteilen,5 so dass die Übertragung, wenn diese im Umwandlungsbeschluss be1 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 177 (Stand: Dezember 2013); Schmid/Dietel, DStR 2008, 529; BFH v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492 Rz. 18 = GmbHR 2010, 886. 2 § 25 UmwStG ist als Rechtsgrundverweisung anzusehen: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 25 UmwStG Rz. 17 (Stand: November 2011); Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 25 UmwStG Rz. 2, 51 ff.; Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 25 UmwStG Rz. 4 (Stand: Juni 2008); a.A. Boorberg/Boorberg, DB 2007, 1777. 3 Für die Übertragung ist allerdings keine besondere Form erforderlich. A.A. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 25 UmwStG Rz. 20: Form des § 6 UmwG (notarielle Urkunde). 4 Zum Formwechsel vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 25 UmwStG Rz. 24 (Stand: November 2011); Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 25 UmwStG Rz. 6.7 (Stand: Juni 2008); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 25 UmwG Rz. 20; Bilitewski in Haritz/Menner, § 25 UmwStG Rz. 31. Zur Verschmelzung: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG Rz. 167 (Stand: April 2015). 5 Dass sich die Gesamtplanrechtsprechung auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann, ist inzwischen anerkannt, vgl. Brandenberg, NWB Fach 3, 15317 (15327); BFH v. 22.11.2013 – III B 35/12, BFH/NV 2014, 531.
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§ 11
Umstrukturierungen
reits angelegt ist, auch außerhalb des vorstehend genannten Zeitraumes auf die übernehmende Kapitalgesellschaft erfolgen kann.1 Liegt der sachliche und zeitliche Zusammenhang vor, ist der Vorgang insgesamt als einheitliche Einbringung nach § 20 UmwStG zu werten, wobei die Einbringung zum Teil im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und zum Teil durch Einzelrechtsnachfolge erfolgt. Die Übertragung des Sonderbetriebsvermögens stellt dann keinen Fall des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG dar.2 Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, bereits im Umwandlungsbeschluss bzw. im Verschmelzungsvertrag vorzusehen, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens – auch soweit diese unerkannt sein sollten – auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übertragen werden sollen. 11.290
Hinsichtlich des Umfangs des einzubringenden Sonderbetriebsvermögens kann auf die Ausführungen zur erweiterten Anwachsung verwiesen werden (s. dazu Rz. 11.207 ff.). Insbesondere werden im Sonderbetriebsvermögen auszuweisende Grundstücke und Rechte (Lizenzen, Patente etc.) als wesentliche Betriebsgrundlagen der GmbH & Co. KG auf die GmbH zu übertragen sein. Die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH sind dagegen nicht zwingend in den Einbringungsvorgang einzubeziehen. Bei einem Formwechsel der GmbH & Co. KG sind diese Anteile bereits dem Grunde nach nicht als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen (s. Rz. 11.214). Das dürfte auch bei der Verschmelzung der GmbH & Co. KG auf eine Kapitalgesellschaft nicht anders zu beurteilen sein, weil auch dann die KG nicht weiter existiert und die Komplementärin für den Mitunternehmer ihre wirtschaftliche Bedeutung verliert. Für den Fall der Verschmelzung auf die Komplementär-GmbH ist diese Frage aber häufig nicht erheblich, weil die Finanzverwaltung eine Einbringung der Anteile nicht fordert, wenn der Einbringende sich damit einverstanden erklärt, dass die zurückbehaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft künftig in vollem Umfang als Anteile zu behandeln sind, die durch eine Sacheinlage erworben wurden.3 Hiermit soll vermieden werden, dass zur Wahrung der Ertragsteuerneutralität von der aufnehmenden GmbH eigene Anteile erworben werden müssen (s. Rz. 11.216). c) Bewertungswahlrecht
11.291
Wie bei Übertragung sämtlicher Kommanditanteile auf die Komplementär-GmbH im Rahmen der erweiterten Anwachsung hat die aufnehmende GmbH auch bei der Umwandlung durch Verschmelzung und bei einem Formwechsel die übernommenen Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit deren gemeinen Wert zu übernehmen. Auf Antrag ist ein Ansatz mit den Buchwerten oder einem höheren Wert, maximal den gemeinen Werten, zulässig. Eine Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz besteht hier nicht mehr. Zu §§ 25, 20 Abs. 2 UmwStG hatte die Finanzverwaltung ursprünglich die Auffassung vertreten, dass die aufnehmende GmbH auch steuerlich an die Buchwerte der GmbH & Co. KG gebunden sei, da der Formwechsel handelsrechtlich identitätswahrend sei und daher handelsrechtlich nur zu 1 I.E. auch Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 25 UmwStG Rz. 51. 2 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 25 UmwG Rz. 20; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 25 UmwStG Rz. 24 (Stand: November 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.08.
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§ 11
Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH
Buchwerten möglich sei.1 Auch zur alten Rechtslage hat die Finanzverwaltung diese Auffassung jedoch aufgegeben.2 d) Verkehrsteuern aa) Umsatzsteuer Der mit der Verschmelzung verbundene Vermögensübergang stellt für die übertragende Gesellschaft umsatzsteuerlich eine Geschäftsveräußerung im Ganzen dar (§ 1 Abs. 1a UStG) und ist als solcher nicht steuerbar.3 Die übernehmende Gesellschaft tritt für umsatzsteuerliche Zwecke, insbesondere für die Anwendung des § 15a UStG, in die Rechtsstellung der GmbH ein. Die Gewährung von Anteilen durch diese Gesellschaft ist nicht steuerbar4 Beim Formwechsel bleibt die Identität (Nämlichkeit) des Unternehmers dagegen erhalten, so dass ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch nicht gegeben ist, ohne dass es auf § 1 Abs. 1a UStG ankommt.5 Dem steht nicht entgegen, dass das UmwStG in § 25 UmwStG eine Vermögensübertragung fingiert. Diese Fiktion gilt nur für ertragsteuerliche, nicht aber für umsatzsteuerliche Zwecke.
11.292
bb) Grunderwerbsteuer Der mit der Verschmelzung verbundene Vermögensübergang auf die GmbH löst – soweit die GmbH nicht bereits zumindest fünf Jahre vor der Verschmelzung am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt war (§ 6 Abs. 1 GrEStG) – Grunderwerbsteuer aus (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG). Als Bemessungsgrundlage war in § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG zu ermittelnde Grundbesitzwert vorgesehen. Nachdem das BVerfG entschieden hat, dass diese Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war,6 hat der Gesetzgeber dem nunmehr durch das Steueränderungsgesetz 2015 Rechnung getragen. Rückwirkend für Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden, ist danach als Bemessungsgrundlage der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG vorgesehen.7
1 BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1998 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 Rz. 20.30. 2 BMF v. 4.7.2006 – IV B 2 - S 1909 - 12/06, BStBl. I 2006, 445, im Anschluss an BFH v. 19.10. 2005 – I R 38/04, BStBl. I 2006, 568 = GmbHR 2006, 324. 3 OFD Düsseldorf v. 19.7.1999 – S - 7304 A - St 1412, UR 1999, 426; Husmann in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 286 (Stand: September 1998) und Rz. 1121 (Stand: August 2006); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Anh. 10 Rz. 11. 4 EuGH v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03 „Kretztechnik AG/FA Linz“, DStR 2005, 965; Knoll in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 11 Rz. 108 (Stand: Juni 2007); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 10 Rz. 14 ff. 5 OFD Düsseldorf v. 19.7.1999 – S - 7304 A - St 1412, UR 1999, 426; Husmann in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 297 (Stand: September 1998); Knoll in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 11 Rz. 105 (Stand: Juni 2007); Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anh. 10 Rz. 47. 6 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11, DStR 2015, 1678. 7 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Vgl. zur Rückwirkung der Gesetzesänderung: Joisten, Ubg 2015, 463.
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11.293
§ 11 11.294
Umstrukturierungen
Dagegen ist die Umwandlung im Wege eines Formwechsels nicht grunderwerbsteuerbar, da handelsrechtlich kein Vermögensübergang stattfindet und das Grunderwerbsteuerrecht an die zivilrechtlichen Vorgaben anknüpft.1 Zu widersprechen ist hier dem FG Münster, das einen Formwechsel unter gleichzeitigem Austritt der Komplementärin als grunderwerbsteuerbar angesehen hat.2 Schädlich wäre es aber, wenn nach dem Formwechsel einer grundbesitzenden zweigliedrigen GmbH & Co. KG die ehemalige Komplementärin zunächst am Vermögen der aufnehmenden GmbH mit mehr als 5 % beteiligt würde und anschließend die Beteiligung auf den zweiten Gesellschafter überträgt (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG). Zu beachten ist weiter, dass sich mit dem Formwechsel einer GmbH & Co. KG in eine GmbH der Anteil der vormaligen Gesellschafter der GmbH & Co. KG und nunmehrigen Anteilseigner der GmbH am Vermögen der GmbH & Co. KG vermindert. Haben die Gesellschafter oder eine beteiligungsidentische Personengesellschaft im Zeitraum von fünf Jahren vor dem Formwechsel Grundstücke auf die formwechselnde Gesellschaft übertragen, so wird die ursprünglich nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 3 GrEStG – ggf. z.T. – steuerfreie Übertragung rückwirkend nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig (s. Rz. 11.257). Einstweilen frei.
11.295–11.300
C. Übertragung (Überführung) von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG I. Überblick 11.301
In der Praxis besteht häufig das Bedürfnis, einzelne Wirtschaftsgüter3 entweder auf ein anderes Rechtssubjekt zu übertragen (z.B. von einem Gesellschafter auf die Personengesellschaft, an der er beteiligt ist) oder in eine andere steuerliche Sphäre zu überführen (z.B. aus dem Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft oder eines Einzelunternehmens in das Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft). 1 BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587 (588) = GmbHR 2001, 636; FinMin BadenWürttemberg v. 19.12.1997 – S 4520/2, DStR 1998, 82, i.d.F. v. 31.1.2000 – 3 - S 4520/2, DStR 2000, 284. 2 FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034, aufgehoben aus anderen Gründen durch BFH v. 9.4.2008 – II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435. Für eine Grunderwerbsteuerbarkeit in diesen Fällen auch: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 25 UmwStG Rz. 60 (Stand: April 2013). Vgl. dazu und zu weiteren Konstellationen, in denen ein Formwechsel möglicherweise Grunderwerbsteuer auslösen kann: Behrens/ Schmitt, UVR 2008, 16; Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53; Hofmann, UVR 2007, 222; Mack, UVR 2009, 254; Meining, GmbHR 2011, 916. 3 In der Praxis werden darüber hinaus auch Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile von einer GmbH & Co. KG auf andere Rechtssubjekte und umgekehrt von diesen auf eine GmbH & Co. KG übertragen. Soweit diese Themen nicht bereits in § 3 (Gründung), § 8 (Gesellschafterwechsel und Nachfolge) oder § 11 (Umstrukturierung) Abschnitt A und B behandelt wurden, wird auf die Ausführungen in der umwandlungs(-steuer-)rechtlichen Lit. verwiesen.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
Bei einer derartigen Übertragung bzw. Überführung handelt es sich grundsätzlich um einen Tauschvorgang (soweit eine Gegenleistung gewährt wird).1 Tauschvorgänge sind bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG zum gemeinen Wert und damit gewinnrealisierend vorzunehmen. Soweit der jeweilige Steuerpflichtige im laufenden Wirtschaftsjahr einen Verlust erwirtschaftet oder über Verlustvorträge verfügt, kann die Realisierung eines steuerpflichtigen Gewinns sogar gewünscht sein. Regelmäßig wird der Übertragende jedoch bestrebt sein, eine Besteuerung zu vermeiden. Unter bestimmten – nachfolgend im Einzelnen darzustellenden – Voraussetzungen eröffnet das Gesetz in § 6 Abs. 5 EStG die Möglichkeit, diese Übertragung bzw. Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens steuerneutral durchzuführen.2 In den von § 6 Abs. 5 EStG erfassten Fällen sind die Buchwerte der übertragenden Wirtschaftsgüter zwingend fortzuführen; ein Wahlrecht, einen Zwischen- oder den Teilwert anzusetzen, besteht nicht (faktisch gibt es dieses Wahlrecht sehr wohl, da man eine über die Gewährung von Gesellschaftsrechten hinausgehende andere Gegenleistung vereinbaren könnte). Ausnahmen von der Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG enthalten die Vorschriften in § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG, die folglich zur Gewinnrealisierung führen.
11.302
Die Regelung des § 6 Abs. 5 EStG knüpft an den bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Mitunternehmererlass3 und die diesem zugrunde liegende Rechtsprechung des BFH4 an. Danach konnten Wirtschaftsgüter steuerneutral auf eine Personengesellschaft und damit auch auf eine GmbH & Co. KG übertragen werden, auch wenn dies zum (teilweisen) Überspringen stiller Reserven auf die übrigen Mitunternehmer führte. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/20025 wurde die Regelung gesetzlich verankert, indem § 6 Abs. 5 EStG eingefügt und damit der Mitunternehmererlass außer Kraft gesetzt wurde (wobei nur die Sätze 1 und 2 dieser Fassung des § 6 Abs. 5 EStG der heute geltenden Fassung entsprechen). Diese Vorschriften galten erstmals für Übertragungen im Veranlagungszeitraum 1999. Die aktuellen Regelungen der Sätze 3 bis 6 des § 6 Abs. 5 EStG wurden erst durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz6 eingefügt;7 sie gelten gem. § 52 Abs. 16a EStG für Übertragungsvorgänge ab dem Veranlagungszeitraum 2001.
11.303
Bei der Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern stellt sich häufig die Frage, in welchen Fällen es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die derart begünstigt
11.304
1 Soweit keine Gegenleistung gewährt wird, spricht man nicht von Tausch, sondern von einer verdeckten Einlage. 2 § 6 Abs. 6 EStG nimmt in Satz 4 die Regelung des § 6 Abs. 5 EStG ausdrücklich vom Ansatz zum gemeinen Wert aus. 3 BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8. 4 Vgl. z.B. BFH v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748. 5 Steuerentlastungsgesetz v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402 = BStBl. I 1999, 304. 6 Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 = BStBl. I 2002, 35. 7 Eine Vorgängerregelung der heutigen Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 bis 5 EStG wurde bereits mit dem Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433 = BStBl. I 2000, 1428, aufgenommen. Da diese Regelung erst für die Übertragung von Wirtschaftsgütern ab dem Veranlagungszeitraum 2001 gelten sollte, galt sie in keinem Veranlagungszeitraum, da sie durch die zwischenzeitliche Änderung der Regelung im Rahmen des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes überholt wurde.
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§ 11
Umstrukturierungen
übertragen werden können. Unstrittig zählen dazu die bilanzierten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, z.B. Grundstücke und Gebäude sowie entgeltlich erworbene Patente und Lizenzen. Da für den Begriff des Wirtschaftsguts in § 6 Abs. 5 EStG die allgemeine Wirtschaftsguts-Definition des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG anzuwenden ist, fallen darunter auch immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mangels eines entgeltlichen Erwerbs gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht aktiviert werden dürfen.1 Bislang nicht eindeutig geklärt ist dagegen, wie es sich mit firmenwertähnlichen Wirtschaftsgütern wie z.B. profitablen langfristigen Vertragsverhältnissen, Kundenstämmen, Belieferungsrechten, Geschäftschancen usw. verhält. Eine derartige Übertragung ist u.E. jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um von der Rechtsprechung des BFH anerkannte Wirtschaftsgüter handelt (wie z.B. der sog. Auftragsbestand).2 Da die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG u.E. jedwede steuerneutrale Übertragung und Überführung von stillen Reserven ermöglichen soll, ist es u.E. zulässig, auch derartige Vermögenspositionen nach § 6 Abs. 5 EStG zu übertragen oder zu überführen, die bislang nicht bzw. jedenfalls nicht eindeutig als Wirtschaftsgut angesehen wurden (wie z.B. nicht selbständig bewertbare Geschäftschancen3). 11.305
In der Praxis stellt sich überdies die Frage, wie die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG anzuwenden ist, wenn eine Sachgesamtheit, also insbesondere betriebliche Einheiten übertragen werden, die nicht als Betrieb oder Teilbetrieb i.S.v. § 24 UmwStG qualifiziert werden. Gehen in diesem Zusammenhang Mitarbeiter auf die Personengesellschaft über (insbesondere, wenn es sich um einen Betrieb oder Betriebsteil gem. § 613a BGB handelt), trifft man auf zwei unterschiedliche Konstellationen: (1) arbeiten die Mitarbeiter produktiv und erfolgreich zusammen, dann bildet zwar nicht jeder einzelner Mitarbeiter (oder sein Anstellungsverhältnis) ein Wirtschaftsgut, es hat sich aber ein gesamthaftes Wirtschaftsgut „Geschäfts- und Firmenwert“ gebildet, das unter Beachtung von § 6 Abs. 5 EStG insofern zum Buchwert – also im Regelfall ohne Bilanzausweis, da es hierzu i.d.R. keinen bilanzierten Aktivposten gibt – zu übertragen ist; (2) ist das durchschnittliche Gehaltsgefüge dagegen über dem aktuellen Marktniveau, dann wird ggf. ein negativer Geschäftsund Firmenwert übertragen, der ebenfalls zum Buchwert – also im Regelfall zu Null – zu übertragen wäre. Etwas anderen ergibt sich in diesem Zusammenhang, wenn den Mitarbeitern Pensionszusagen eingeräumt wurden, die aufgrund des Betriebsübergangs gem. § 613a BGB von Gesetzes wegen auf die Personengesellschaft übergehen. Die aufgrund der Pensionszusage bereits entstandenen Ansprüche stellen für den Betrieb Schulden dar (für die in der Regel Pensionsverbindlichkeiten bzw. -rückstellungen gebildet wurden). Da diese Schulden nun auf die Personengesellschaft übergehen, ergibt sich hieraus grds. ein teilentgeltliches Geschäft, so dass die stillen Reserven und stillen Lasten anteilig gewinn- bzw. verlustrealisierend aufzudecken wären (wobei im Verlustfall die Regelung der §§ 4f und 5 Abs. 7 EStG zu beachten sind).
1 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 4; ebenfalls bejahend bei der Übertragung eines Verwertungsrechts für ein selbst entwickeltes neues Medikament Hruschka, StuB 2006, 584 (588) Rz. 2.4. 2 Vgl. BFH v. 15.12.1993 – X R 102/92, BFH/NV 1994, 543. 3 Vgl. BFH v. 7.11.1985 – IV R 7/83, BStBl. II 1986, 176.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
Praxishinweis: Wird ein bislang nicht bilanziertes Wirtschaftsgut nicht zivilrechtlich übertragen (z.B. aus dem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft), sondern nur z.B. vom Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen überführt, dann sollte das Wirtschaftsgut zu Dokumentationszwecken mit einem Merkposten ausgewiesen werden (ein Euro). Bei Vorgängen, denen zivilrechtlich wirksame Verträge zu Grunde liegen (wie z.B. bei Übertragungen aus dem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft), ist der Ansatz eines Merkpostens nicht erforderlich, da sich die (unentgeltliche) Übertragung problemlos nachweisen lässt. Eine Übertragung von bislang nicht bilanzierten immateriellen Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist dagegen steuerneutral nur möglich, wenn der Mitunternehmer eine entsprechende negative Ergänzungsbilanz bildet.
11.306
Übertragungen und Überführungen nach § 6 Abs. 5 EStG können gegenwärtig oder nur in die Zukunft gerichtet, nicht jedoch rückwirkend vorgenommen werden. Anders als z.B. die Vorschriften für die Übertragung von Teilbetrieben nach §§ 20 und 24 UmwStG, die eine achtmonatige steuerliche Rückwirkung zulassen, ist eine derartige Rückwirkung in § 6 Abs. 5 EStG nicht vorgesehen. Steuerlich maßgeblicher Zeitpunkt der Übertragung ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.1
11.307
Nachfolgend werden die Konstellationen dargestellt, die von der heute geltenden Fassung des § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG erfasst werden. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen Wirtschaftsgüter aus dem Betriebs-, Sonderbetriebs- oder Gesamthandsvermögen in ein (anderes) Betriebs-, Sonderbetriebs- oder Gesamthandsvermögen übertragen bzw. überführt werden. Begrifflich ist zu unterscheiden zwischen Vorgängen, bei denen ein Rechtsträgerwechsel, d.h. zivilrechtlich ein Eigentümerwechsel stattfindet („Übertragungen“), und solchen, bei denen ein Rechtsträgerwechsel unterbleibt („Überführungen“). Die in § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG geregelten Ausnahmen werden im Anschluss erläutert. Keine Regelung enthält § 6 Abs. 5 EStG für die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen dem Gesamthandsvermögen und dem Privatvermögen. Bei einer Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft in das Privatvermögen des Mitunternehmers handelt es sich um eine Entnahme, sofern keine Gegenleistung vereinbart ist (die Entnahme ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen).2 Umgekehrt handelt es sich bei der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft um eine Einlage (s. im Einzelnen Rz. 3.274 ff.).
11.308
1 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 11. 2 OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 3, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1; zur Behandlung der Einbringung zum Privatvermögen gehörender Wirtschaftsgüter in das betriebliche Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft vgl. BMF v. 11.7. 2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713.
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§ 11
Umstrukturierungen
II. Erfasste Übertragungs- und Überführungsvorgänge 1. Übertragungen und Überführungen aus dem Betriebsvermögen a) Überführungen aus dem Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen 11.309
Überführt ein Gesellschafter (z.B. eine Kapitalgesellschaft oder ein Einzelunternehmer) einer GmbH & Co. KG (steuerlich: Mitunternehmerschaft) Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen (der Kapitalgesellschaft oder des Einzelunternehmens) in das Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG, ist dieser Vorgang zum Buchwert und damit steuerneutral vorzunehmen (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG).
11.310
Da zivilrechtlich das Wirtschaftsgut nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird (der Gesellschafter bleibt zivilrechtlich Eigentümer), ist die Buchwertverknüpfung nicht an weitere Voraussetzungen (wie z.B. Unentgeltlichkeit, Gewährung von Gesellschaftsrechten) geknüpft. Es handelt sich vielmehr um eine steuerliche Zuordnungsentscheidung, wobei für die Möglichkeit zur veränderten Zuordnung i.d.R. entscheidend ist, dass das Wirtschaftsgut tatsächlich dem Betrieb der Mitunternehmerschaft dient. Das Wirtschaftsgut des Steuerpflichtigen wird nunmehr steuerlich als Sonderbetriebsvermögen mit dem Mitunternehmeranteil des Steuerpflichtigen verknüpft. Dies hat insbesondere Auswirkungen bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und bei seiner Einbringung in eine Kapital- oder Personengesellschaft (§ 20 bzw. § 24 UmwStG). Zudem ist es nunmehr verfahrensrechtlich der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der Mitunternehmerschaft zuzuordnen. Das Wirtschaftsgut kann sowohl in das Sonderbetriebsvermögen I (SBV I) als auch in das Sonderbetriebsvermögen II (SBV II) überführt werden. In der Praxis werden Wirtschaftsgüter aber fast ausschließlich in das SBV I überführt, da es sich regelmäßig um solche Wirtschaftsgüter handeln wird, die unmittelbar – insbesondere durch entgeltliche oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung – dem Betrieb der Mitunternehmerschaft dienen (so beim SBV I, s. Rz. 6.108 ff.) und nicht die Beteiligung des Mitunternehmers bei der Mitunternehmerschaft stärken (so beim SBV II, s. Rz. 6.108 ff.).
11.311
Die steuerliche Zuordnungsentscheidung ist u.E. grundsätzlich erst im Rahmen der Aufstellung der (Steuer-)Bilanzen zu treffen. Das Wirtschaftsgut ist dann nicht mehr in der (Steuer-)Bilanz des Gesellschafters (z.B. Kapitalgesellschaft oder Einzelunternehmer), sondern in der Sonderbilanz bei der GmbH & Co. KG auszuweisen. Soweit das Wirtschaftsgut jedoch der Mitunternehmerschaft tatsächlich zur Nutzung zu überlassen ist, damit es überhaupt die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen erlangen kann, kann das Wirtschaftsgut nicht vor der Überlassung als Sonderbetriebsvermögen bilanziert werden. Soll das Wirtschaftsgut unterjährig überführt werden, ist der subjektive Wille hierzu zeitnah zu dokumentieren.1 Besonderes Gewicht kommt auch dem Zeitpunkt des tatsächlichen Umbuchungsvorgangs zu. Schwierigkeiten können insofern entstehen, als die Sonderbilanz technisch von der GmbH & Co. KG geführt wird.2 Der Gesellschafter hat daher nicht den direkten Zugriff auf die Buchungsvorgänge im Sonderbetriebsvermögen. 1 Vgl. BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1990, 401 = FR 1991, 11. 2 Vgl. BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1990, 401 = FR 1991, 11.
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Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
b) Übertragungen aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen Überträgt ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG, ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG). Bei dem Betriebsvermögen kann es sich sowohl um das Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft als auch eines Einzelunternehmens handeln. Zivilrechtlich kann der Übertragung ein Kauf, Tausch oder eine Schenkung zugrunde liegen. Es kommt also tatsächlich zu einem Rechtsträgerwechsel. Ein Fall des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG liegt demnach auch dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut von einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft (aus deren Gesamthandsvermögen) in das Gesamthandsvermögen einer Tochterpersonengesellschaft übertragen wird.1
11.312
Ein Wirtschaftsgut wird unentgeltlich übertragen, wenn weder Gesellschaftsrechte gewährt werden noch ein sonstiges Entgelt vereinbart wird (sog. verdeckte Einlage). Die Übertragung eines Wirtschaftsguts gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist demnach nicht unentgeltlich, sondern tauschähnlich. Eine unentgeltliche Übertragung wird in der Praxis vor allem dann vorgenommen, wenn Familienangehörige Mitgesellschafter sind und die stillen Reserven damit auf Familienangehörige überspringen. Handelt es sich bei dem Übertragenden um eine Kapitalgesellschaft und sind die anderen Mitunternehmer Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, liegt in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eine verdeckte Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter vor.2 Soll ein Wirtschaftsgut unentgeltlich auf die GmbH & Co. KG übertragen werden, ist in der Handelsbilanz entweder ein Betrag in Höhe des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsguts in die Rücklage (§ 264c Abs. 2 Satz 1 HGB) einzustellen oder ein entsprechender Ertrag zu erfassen.3 Steuerlich ist dieser Betrag z.B. auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto zu passivieren.4 Die bilanzielle Behandlung auf der Passivseite der Bilanz ist daher (mit-)ausschlaggebend dafür, ob die Übertragung unentgeltlich erfolgte. Die zwingende Rechtsfolge der unentgeltlichen Übertragung ist, dass das übertragene Wirtschaftsgut mit dem Buchwert zu aktivieren ist.
11.313
Gesellschaftsrechte werden gewährt, wenn dem übertragenden Gesellschafter ein Betrag auf seinem Kapitalkonto gutgeschrieben wird, das für seine Beteiligung am Gesellschaftskapital (Festkapital) maßgebend und damit grundsätzlich auch für sein Stimmrecht, für seine Beteiligung am Gewinn und Verlust oder zumindest für seine Beteiligung an Liquidationsgewinn (= an den stillen Reserven)5 entschei-
11.314
1 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 9. 2 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I, 2011, 1279 Rz. 32. 3 OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 5.2, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1. 4 Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 695; nach Auffassung von Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 382 führt eine Verbuchung auf einem gesamthänderischen Rücklagenkonto nicht zu einer unentgeltlichen Übertragung, sondern es handelt sich um eine in Gesellschaftsrechten bestehende Gegenleistung, die jedoch ebenfalls begünstigt ist. 5 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 16 mit Verweis auf BFH v. 16.10.2008 – IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272 = GmbHR 2009, 274 m. Komm. Müller/Marchand und BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 382; Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 6 EStG Rz. J 01-26.
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§ 11
Umstrukturierungen
dend ist. Dies ist i.d.R. das Festkapitalkonto (nachfolgend: Kapitalkonto I). Schädlich ist es demgegenüber, wenn die Buchung auf einem Konto vorgenommen wird, das jederzeit fällige Forderungen des Gesellschafters und Verbindlichkeiten gegenüber ihm ausweist,1 und damit das Fremdkapital erhöht wird. Dann handelt es sich um eine Gegenleistung, die nicht in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht. Sie führt daher zur Gewinnrealisierung. Um ein solches Konto handelt es sich regelmäßig beim Gesellschafter-Verrechnungskonto bzw. beim Kapitalkonto II (vorausgesetzt, dass hierauf keine Verlustbuchungen erfolgen).2 Werden auf dem Kapitalkonto II dagegen auch Verluste erfasst, spricht das dafür, dass es sich hierbei um ein (variables) Gesellschafterkonto mit Eigenkapitalcharakter handelt, so dass eine Gutschriftsbuchung auf diesem Konto eine Gewährung von Gesellschaftsrechten darstellt.3 Bei der Höhe der Gutschrift auf dem Kapitalkonto I besteht ein Wahlrecht. Das Kapitalkonto I kann entweder in Höhe des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsguts, in Höhe eines Zwischen- oder des Teilwerts erhöht werden. Wenn dem Kapitalkonto I des übertragenden Gesellschafters ein Betrag in Höhe des Zwischen- oder des Teilwerts des übertragenen Wirtschaftsguts gutgeschrieben wird, ist in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven für ihn eine negative Ergänzungsbilanz zu bilden. Auch auf diesem Wege wird dem gesetzlichen Zwang zur Buchwertfortführung Rechnung getragen. Beispiel 1 11.315
A und sein studierender Sohn S sind als Kommanditisten an der Z-GmbH & Co. KG jeweils zu 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt. A ist Eigentümer eines unbebauten Lagergrundstücks, das er dem Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens zugeordnet hat und dort mit den ursprünglichen Anschaffungskosten von 100 000 Euro bilanziert. Zum 1.2.2015 überträgt A das Grundstück, das zu diesem Stichtag einen Teilwert von 150 000 Euro hat, in das Gesamthandsvermögen der Z-GmbH & Co. KG. Überträgt A das Grundstück unentgeltlich, aktiviert die Z-GmbH & Co. KG das Grundstück mit dem Buchwert von 100 000 Euro. Auf der Passivseite ist ein Betrag in dieser Höhe in die Rücklage (steuerlich: gesamthänderisch gebundene Rücklage) einzustellen. Die stillen Reserven des Grundstücks i.H.v. 50 000 Euro springen zu 50 % auf S über. Entscheidet sich A jedoch, das Grundstück nicht unentgeltlich, sondern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu übertragen, können die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG auf zwei Arten erfüllt werden. Entweder erhält A eine Gutschrift auf seinem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) bei der Z-GmbH & Co. KG i.H.v. 100 000 Euro; dann würden jedoch die stillen Reserven i.H.v. 50 000 Euro zu 50 % auf S überspringen. Oder A erhält eine Gutschrift auf seinem Kapitalkonto I bei der Z-GmbH & Co. KG i.H.v. 150 000 Euro und erstellt gleichzeitig eine negative Ergänzungsbilanz, in der er einen Minderwert i.H.v. 50 000 Euro ausweist. Im letztgenannten Fall würden auch zivilrechtlich keine stillen Reserven auf S überspringen.
Beispiel 1a 11.316
Die Z-AG ist alleinige Kommanditistin der Z-GmbH & Co. KG (die Komplementär-GmbH ist vermögensmäßig nicht an der Z-GmbH & Co. KG beteiligt). Die Z-AG ist Eigentümerin eines unbebauten Lagergrundstücks, das sie in ihrer (Steuer-)Bilanz mit dem Buchwert von 100 000 Euro bilanziert. Zum 1.2.2015 überträgt die Z-AG das Grundstück, das zu diesem Stichtag einen Teilwert von 150 000 Euro hat, in das Gesamthandsvermögen der Z-GmbH & Co. KG. Überträgt die Z-AG das Grundstück unentgeltlich, aktiviert die Z-GmbH & Co. KG das Grundstück mit dem Buchwert von 100 000 Euro. Auf der Passivseite ist ein Betrag 1 Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 6 EStG Rz. J 01-26. 2 Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1453b. 3 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713.
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Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
in dieser Höhe in die Rücklage einzustellen. Entscheidet sich die Z-AG jedoch, das Grundstück nicht unentgeltlich, sondern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu übertragen, können die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG auf zwei Arten erfüllt werden. Entweder erhält die Z-AG erhält eine Gutschrift auf ihrem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) bei der Z-GmbH & Co. KG i.H.v. 100 000 Euro oder die Z-AG erhält eine Gutschrift auf ihrem Kapitalkonto I bei der Z-GmbH & Co. KG i.H.v. 150 000 Euro und erstellt gleichzeitig eine negative Ergänzungsbilanz, in der sie einen Minderwert i.H.v. 50 000 Euro ausweist.
Zulässig ist es auch, das Kapitalkonto I und das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto anteilig zu erhöhen und damit die Unentgeltlichkeit und die begünstigte Entgeltlichkeit zu kombinieren. Dies kann insbesondere dann gewünscht sein, wenn das Kapitalkonto I nur bis zu einer bestimmten Höhe erhöht werden soll. Sollen die Kapitalkonten sämtlicher Gesellschafter gleichmäßig erhöht werden, könnte man auch daran denken, dass ein Gesellschafter das Wirtschaftsgut auf die GmbH & Co. KG überträgt und die Mitgesellschafter als finanziellen Ausgleich Barmittel einbringen.
11.317
Die Übertragung zum Buchwert aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen ist aber nur zulässig, soweit nicht die Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG eingreifen (s. im Einzelnen Rz. 11.341 ff.). In voller Höhe steuerneutral sind jedenfalls die unentgeltlich (oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) vorgenommenen Übertragungen eines Wirtschaftsguts entweder durch eine natürliche Person aus ihrem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG, wenn vermögensmäßig ausschließlich natürliche Personen und nicht die Komplementär-GmbH (oder eine andere Kapitalgesellschaft) an der GmbH & Co. KG beteiligt sind, oder durch eine GmbH aus ihrem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG, wenn die GmbH zu 100 % vermögensmäßig an der GmbH & Co. KG beteiligt ist.1 In dem zuletzt genannten Fall greift auch § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nicht ein, weil die GmbH bereits an dem Wirtschaftsgut beteiligt ist (s. im Einzelnen Rz. 11.349 ff.).
11.318
Teilentgeltliche Übertragungen sind dagegen nach Auffassung der Finanzverwaltung in eine voll entgeltliche und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen (sog. Trennungstheorie). Der Umfang der Entgeltlichkeit bestimmt sich nach dem Verhältnis des Kaufpreises zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts.2 Dabei kommt es hinsichtlich des entgeltlichen Übertragungsteils stets zu einer anteiligen Realisierung der stillen Reserven in Höhe des Unterschieds zwischen Teilentgelt und anteiligem Buchwert.3 Umstritten ist, ob es sich auch dann um eine teilentgeltliche – und damit teilweise gewinnrealisierende – Übertragung handelt, wenn zwar ein Entgelt vereinbart wird, dies jedoch nicht den Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts übersteigt. Teilweise wird vertreten, dass man aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, wonach der Buchwert anzusetzen ist, „soweit“ die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrech-
11.319
1 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 29. 2 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15; offen ist allerdings, ob die Finanzverwaltung diese Art der Berechnung auch im Lichte der Änderung von §§ 20, 24 UmwStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 aufrecht erhält, vgl. Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15.
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§ 11
Umstrukturierungen
ten erfolgt, schließen kann, dass eine Gewinnrealisierung erst dann eintritt, wenn die Gegenleistung den Buchwert übersteigt.1 Aus der aktuellen BFH-Rechtsprechung kann man ableiten, dass der BFH wohl zu dieser These tendiert. Immerhin hat der BFH dies sehr eindeutig in zwei durchaus vergleichbaren Fällen (Übertragung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG im Urteil vom 19.9.20122 und Einbringung eines Teilbetriebs in einer Personengesellschaft gem. § 24 UmwStG im Urteil vom 18.9.20133) so entschieden, auch wenn hierzu bislang kein Urteil für die Konstellation der Übertragung vom Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen vorliegt. Insofern ist zu erwarten, dass der BFH bei nächster Gelegenheit auch in einem Mischentgeltfall (bei dem die Gegenleistung den Buchwert des eingebrachten Vermögens nicht übersteigt) von einer Buchwertfortführung ausgeht. Noch offen ist, ob sich die Finanzverwaltung damit insgesamt von der Trennungstheorie verabschieden wird oder gar eine gegenteilige gesetzliche Änderung anstoßen wird. Zu der Konstellation der Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen hat die Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben vom 12.9. 20134 zum Ausdruck gebracht, dass man noch ein weiteres beim BFH anhängiges Revisionsverfahren5 abwarte und bis dahin an der Trennungstheorie festhalte; unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 12.9.2013 eingelegte Einsprüche ruhen allerdings immerhin gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes bis zur endgültigen Klärung der Problematik. Insofern wird man bei Fällen der Übertragung vom Betriebs- ins Gesamthandsvermögen erst recht die Auffassung der Finanzverwaltung beachten müssen, die bereits bei jeder noch so geringen Gegenleistung eine (Teil-)Entgeltlichkeit annimmt und in Höhe des Verhältnisses der Gegenleistung zum Verkehrswert die stillen Reserven aufdeckt. Denn anders als in Einbringungsfällen (also z.B. einer Ausgliederung eines Teilbetriebs auf eine Kapitalgesellschaft), bei denen nach § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG eine sonstige Gegenleistung (neben den Geschäftsanteilen) bis zur Höhe des Buchwertes des eingebrachten Betriebsvermögens steuerneutral eingeräumt werden kann, hat der Gesetzgeber eine derartige Formulierung in den § 6 Abs. 5 EStG nicht aufgenommen. 11.320
Um eine teilentgeltliche Übertragung handelt es sich bspw., wenn der Erwerber nicht nur das Wirtschaftsgut, sondern gleichzeitig eine Verbindlichkeit (z.B. eine Darlehensschuld, die mit einer auf dem übertragenden Grundstück lastenden Hypothek oder Grundschuld gesichert ist6 oder Pensionsverbindlichkeiten bzw. -rückstellungen, die aufgrund eines Betriebsübergangs gem. § 613a BGB übergehen) übernimmt (sog. Schuldübernahme) oder dem Übertragenden im Gegenzug eine Darlehensforderung einräumt; eine gewinnneutrale Übertragung ist dann – jeden-
1 Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 6 EStG Rz. J 01-25; so im Ergebnis auch Fischer in Kirchhof, § 6 EStG Rz. 189. 2 BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, BFH/NV 2012, 1880 = GmbHR 2012, 1193. 3 BFH v. 18.9.2013 – X R 42/10, BFH/NV 2013, 2006 = GmbHR 2013, 1325. 4 BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2013, 1164. 5 Beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 28/12 anhängiges Verfahren; der BFH hat das BMF mit Beschluss v. 19.3.2014 aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und verschiedene Fragen zu beantworten (GmbHR 2014, 876 m. Komm. Keller/Sundheimer). 6 Brandenberg, DStZ 2002, 551 (556 f.).
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
falls nach Auffassung der Finanzverwaltung – insoweit nicht möglich.1 Da die Übernahme der Verbindlichkeit als gesondertes Entgelt anzusehen ist, ist die Übertragung des Wirtschaftsguts in diesem Fall in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.2 Wird hingegen ein mit einem dinglichen Sicherungsrecht belastetes Wirtschaftsgut (z.B. ein Grundstück) übertragen, ohne dass zugleich auch die (Darlehens-)Schuld übertragen wird, kann die Übertragung u.E. steuerneutral erfolgen, da es sich u.E. nicht um eine (teil-)entgeltliche Übertragung handelt. Beispiel 2 (Abwandlung von Beispiel 1 und 1a, Rz. 11.315) A (bzw. die Z-AG) erhält als Gegenleistung für das übertragene Lagergrundstück von der Z-GmbH & Co. KG eine Darlehensforderung in Höhe des bisherigen Buchwerts (100 000 Euro) eingeräumt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung handelt es sich um einen teilentgeltlichen Vorgang, der in eine voll entgeltliche und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen ist. Da der Teilwert des Grundstücks 150 000 Euro beträgt, sind die stillen Reserven von 50 000 Euro nach dem Verhältnis von Gegenleistung zu Verkehrswert, also zu 2/ 3, aufzudecken. Die Z-GmbH & Co. KG müsste das Grundstück mit 133 333 Euro aktivieren; sie müsste neben der Darlehensverbindlichkeit von 100 000 Euro einen Betrag von 33 333 Euro in die gesamthänderisch gebundene Rücklage einstellen. A (bzw. die Z-AG) erzielt einen steuerpflichtigen Gewinn i.H.v. 33 333 Euro.
11.321
Beispiel 2a (Abwandlung von Beispiel 1 und 1a, Rz. 11.15, 11.16)3 A (bzw. die Z-AG) hatte das Lagergrundstück ursprünglich fremdfinanziert. Zum Übertragungszeitpunkt betrug die im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens (bzw. die in der (Steuer-)Bilanz der Z-AG) passivierte Darlehensverbindlichkeit 100 000 Euro. Die Darlehensverbindlichkeit wird zusammen mit dem Lagergrundstück auf die Z-GmbH & Co. KG übertragen. Auch hier handelt es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung um eine teilentgeltliche Grundstücksübertragung. Die Schuldübernahme ist das Entgelt. Nach der Trennungstheorie ist die Grundstücksübertragung in einen Veräußerungsvorgang (2/3) und eine unentgeltliche Übertragung (1/3) aufzuteilen. Die Z-GmbH & Co. KG müsste das Grundstück mit 133 333 Euro aktivieren; sie müsste neben der übernommenen Darlehensverbindlichkeit von 100 000 Euro einen Betrag von 33 333 Euro in die gesamthänderisch gebundene Rücklage einstellen. A (bzw. die Z-AG) erzielt einen steuerpflichtigen Gewinn i.H.v. 33 333 Euro.
11.322
Die Steuerneutralität der Übertragung ist darüber hinaus dann gefährdet, wenn dem Vorhaben ein schädlicher Gesamtplan zu Grunde liegt. Die Finanzverwaltung sieht allerdings in der folgenden Leasinggestaltung, die als sog. Einbringungsmodell bezeichnet wird, keine missbräuchliche Gestaltung.4 Eine GmbH überträgt ihren Immobilienbesitz auf eine KG, an der sie zu 100 % als Kommanditistin beteiligt ist, gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und damit steuerneutral zum Buchwert gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG. Die KG verleast die Immobilien an die GmbH, wobei die KG zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Immobilien bleibt. Die aus den abgeschlossenen Leasingverträgen resultierenden Ansprüche auf Leistung der Leasingraten veräußert (forfaitiert) die KG an ein Kreditinstitut. Der daraus von der KG vereinnahmte Forfaitierungserlös in Höhe des Verkehrswertes der Grundstücke wird durch die GmbH bereits innerhalb einer Woche nach
11.323
1 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15. 2 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 15. 3 Vgl. hierzu das ähnliche Beispiel der OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 5.1, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1. 4 OFD Hannover v. 26.4.2007 – S 2170 - 109 - StO 222/221, DStR 2007, 1165.
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§ 11
Umstrukturierungen
Übertragung des Immobilienvermögens von der GmbH auf die KG wieder entnommen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist hierin keine Veräußerung des Immobilienbesitzes unter Aufdeckung der stillen Reserven anzunehmen. Nach Abstimmung auf Bund-/Länderebene können bei dieser Fallgestaltung die Immobilien zu Buchwerten gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG auf die KG übertragen werden.
2. Übertragungen und Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen a) Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Betriebsvermögen 11.324
Überführt ein Gesellschafter (z.B. eine Kapitalgesellschaft oder ein Einzelunternehmer) einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen bei dieser GmbH & Co. KG in das Betriebsvermögen (der Kapitalgesellschaft bzw. seines Einzelunternehmens), ist dies steuerneutral (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Das Wirtschaftsgut kann sowohl aus dem SBV I als auch aus dem SBV II in das Betriebsvermögen überführt werden. Zu einem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel kommt es nicht. Es handelt sich um eine steuerliche Zuordnungsentscheidung, wobei ggf. die Überlassung des Wirtschaftsguts an die Mitunternehmerschaft beendet werden muss. Das Wirtschaftsgut ist dann nicht mehr in der Sonderbilanz der GmbH & Co. KG, sondern in der Bilanz der Kapitalgesellschaft bzw. des Einzelunternehmens auszuweisen. Die steuerliche Zuordnungsentscheidung ist u.E. grundsätzlich erst im Rahmen der Aufstellung der (Steuer-)Bilanzen zu treffen. Das Wirtschaftsgut ist dann nicht mehr in der in der Sonderbilanz bei der GmbH & Co. KG, sondern in der (Steuer-)Bilanz des Gesellschafters (z.B. Kapitalgesellschaft oder Einzelunternehmer) auszuweisen. b) Übertragungen und Überführungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen
11.325
Überführt ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen bei dieser GmbH & Co. KG in das Sonderbetriebsvermögen dieses Gesellschafters bei einer anderen Mitunternehmerschaft (an der er daneben beteiligt ist), ist der Vorgang steuerneutral (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Hierbei handelt es sich wiederum nur um eine steuerliche Zuordnungsentscheidung, wobei das Wirtschaftsgut i.d.R. tatsächlich dem Betrieb der anderen Mitunternehmerschaft dienen muss. Ein zivilrechtlicher Akt zur Übertragung des Wirtschaftsguts findet nicht statt. Die steuerliche Zuordnungsentscheidung ist u.E. grundsätzlich erst im Rahmen der Aufstellung der (Steuer-)Bilanzen zu treffen. Das Wirtschaftsgut ist dann nicht mehr in der Sonderbilanz bei der GmbH & Co. KG I, sondern in der Sonderbilanz bei der GmbH & Co. KG II auszuweisen. Zu beachten ist jedoch, dass es sich um zwei unterschiedliche Sonderbetriebsvermögen handelt und der Gesellschafter daher auf beide GmbH & Co. KG einwirken muss, dass diese die Umbuchung zum gewünschten Zeitpunkt vornehmen.
11.326
Überträgt ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus seinem Sonderbetriebsvermögen bei dieser GmbH & Co. KG auf das Sonderbetriebsvermögen eines anderen Gesellschafters bei dieser GmbH & Co. KG, ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG). Vom Anwendungsbereich der Regelung sind daher überwiegend Schenkungen erfasst. 1178
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Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
Die stillen Reserven gehen dann auf den anderen Gesellschafter über. Es findet insofern zivilrechtlich ein Rechtsträgerwechsel statt, da das Eigentum von dem einen Gesellschafter auf einen Mitgesellschafter übergeht. Der Übertragungszeitpunkt ist daher im Schenkungs- und Übertragungsvertrag festzulegen. Eine Ergänzungsbilanz kann in dieser Konstellation nicht aufgestellt werden, da der übertragende Gesellschafter eine solche nur bei der Mitunternehmerschaft, nicht jedoch bei einem anderen Mitunternehmer aufstellen kann. Zulässig ist es, dass der andere Gesellschafter erst im Zeitpunkt der Übertragung Mitunternehmer der GmbH & Co. KG wird (wobei er hierzu z.B. einen Mitunternehmeranteil erwerben muss).1 Eine weitere Konstellation, in der § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG anzuwenden ist, liegt dann vor, wenn eine doppelstöckige Personengesellschaft vorliegt, die Obergesellschaft ein ihr gehörendes Grundstück an die Untergesellschaft überlässt (dort ist es dann Sonderbetriebsvermögen) und das Grundstück unentgeltlich von der Obergesellschaft auf ihren Kommanditisten übertragen wird.2 In diesem Fall wird das Grundstück steuerlich vom Sonderbetriebsvermögen der Obergesellschaft (bei der Untergesellschaft) in das Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten (bei der Untergesellschaft) übertragen. Auch hier kommt es zu einer zwingenden Buchwertfortführung. Die Übertragung ist auch dann (bzw. nur dann) zum Buchwert zulässig, wenn hierbei ein ursprünglich im Rahmen des Grundstückserwerbs aufgenommenes Darlehen in der Obergesellschaft verbleibt (und überdies wird das Darlehen zu einer betrieblichen Schuld im Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten bei der Untergesellschaft).3 Sind an der Obergesellschaft noch andere Gesellschafter beteiligt, die wirtschaftlich die Darlehensschuld und die darauf entfallenden Zinsen weiterhin zu tragen haben, dann wird der auf diese Gesellschafter entfallende Darlehensteil zu einer privaten Schuld, so dass die Zinsen insoweit nicht mehr als Betriebsaufgaben berücksichtigt werden können.4 Die Übertragung zum Buchwert ist aber nur zulässig, soweit nicht die Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG eingreifen (s. im Einzelnen unter Rz. 11.341 ff.). c) Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen Überträgt ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus seinem Sonderbetriebsvermögen bei dieser GmbH & Co. KG in das Gesamthandsvermögen dieser GmbH & Co. KG, ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG). Insofern gelten die Ausführungen zur Übertragung aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen entsprechend (s. hierzu Rz. 11.312 ff.). Eine wichtige Abweichung gilt für diese Konstellation im Falle des sog. Mischentgelts, wenn also neben den Gesellschaftsrechten noch andere Gegenleistungen gewährt werden (z.B. Einräumung einer Forderung oder Übernahme einer Verbindlichkeit). Der BFH hat hierzu mit Urteil vom 19.9.20125 entschieden, dass eine gewinnrealisierende Aufdeckung stiller Reserven nicht in Betracht kommt, soweit die 1 Vgl. BFH v. 6.12.2000 – VIII R 21/00, FR 2001, 295 = GmbHR 2001, 265; Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 6 EStG Rz. J 01-31. 2 Vgl. OFD Frankfurt a. M v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570. 3 OFD Frankfurt a. M v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570. 4 OFD Frankfurt a. M v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570. 5 BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, BFH/NV 2012, 1880 = GmbHR 2012, 1193.
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§ 11
Umstrukturierungen
sonstige Gegenleistung den Buchwert nicht übersteigt. Begründet hat der BFH seine Überlegung damit, dass hier keine Verschiebung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Betriebsvermögen stattgefunden hat (insbesondere handelt es sich nicht um eine Herauslösung aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters), da das Sonderbetriebsvermögen und das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft bereits Teil des identischen Betriebsvermögens der Personengesellschaft sind. Es komme insoweit nicht zu einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters (und nur eine solche Entnahme würde zur Realisierung der stillen Reserven führen). Die Finanzverwaltung hat im BMF-Schreiben vom 12.9.20131 zum Ausdruck gebracht, dass sie noch ein weiteres beim BFH anhängiges Revisionsverfahren2 abwarte und bis dahin an der Trennungstheorie festhalte; unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 12.9.2013 eingelegte Einsprüche ruhen allerdings gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes bis zur endgültigen Klärung der Problematik. Die Übertragung zum Buchwert ist aber nur zulässig, soweit nicht die Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG eingreifen (s. dazu Rz. 11.341 ff.). 11.328
Überträgt ein Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus seinem Sonderbetriebsvermögen bei dieser GmbH & Co. KG in das Gesamthandsvermögen einer anderen GmbH & Co. KG (an der er daneben beteiligt ist), ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG)3. Zivilrechtliche Vertragspartner dieser Übertragung sind der Gesellschafter und die Schwester-Personengesellschaft; es kommt zu einem Rechtsträgerwechsel. Steuerlich wird das Wirtschaftsgut aus dem Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG I herausgelöst und in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG II übertragen.4 In der Praxis handelt es sich wohl ausschließlich um Wirtschaftsgüter des gewillkürten Sonderbetriebsvermögens. Soweit es sich um Wirtschaftsgüter des notwendigen Sonderbetriebsvermögens der GmbH & Co. KG handelt, müsste die GmbH & Co. KG II das Wirtschaftsgut mittels eines Vertrages weiterhin der GmbH & Co. KG I zur Nutzung überlassen. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Übertragung aus dem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen entsprechend, insbesondere zur Frage, wann es sich um eine unentgeltliche oder um eine entgeltliche (gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgte) Übertragung handelt (s. dazu Rz. 11.312).
3. Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen a) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen 11.329
Überträgt eine GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen eines Gesellschafters (hierbei kann es sich z.B. um Kapi1 BMF v. 12.9.2013 – IV C 6 - S 2241/10/10002, BStBl. I 2013, 1164. 2 Beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 28/12 anhängiges Verfahren. Der BFH hat das BMF mit Beschluss v. 19.3.2014 aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und verschiedene Fragen zu beantworten (GmbHR 2014, 876 m. Komm. Keller/Sundheimer). 3 Vgl. auch die neuere Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von § 6 Abs. 5 EStG und § 6 Abs. 3 EStG, im Einzelnen s. dazu Rz. 8.118 ff. 4 Nachdem das Wirtschaftsgut ins Gesamthandsvermögen übertragen wurde, kann es nicht mehr zum Sonderbetriebsvermögen gehören.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
talgesellschaften, Personengesellschaften oder Einzelunternehmer handeln), ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG). Soll das Wirtschaftsgut von der GmbH & Co. KG auf einen Mitunternehmer unentgeltlich übertragen werden, ist das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto zu vermindern.1 Gesellschaftsrechte werden dann gemindert, wenn das Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) des Gesellschafters betragsmäßig verringert wird. Zulässig ist es auch, das Kapitalkonto I und das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto anteilig zu vermindern und damit die Unentgeltlichkeit und die begünstigte Entgeltlichkeit zu kombinieren. Dies kann insbesondere dann gewünscht sein, wenn das Kapitalkonto I nur bis zu einer bestimmten Höhe reduziert werden soll. Umgekehrt kann aber auch der Wunsch bestehen, dass das Kapitalkonto I nicht nur in Höhe des Buchwerts des übertragenen Wirtschaftsguts, sondern in Höhe des Teilwerts verringert werden soll, da dieser Betrag aus Sicht der Mitgesellschafter ein marktgerechtes Entgelt für das übertragene Wirtschaftsgut darstellen würde. Da in diesem Fall nur Gesellschaftsrechte gemindert werden und kein sonstiges Entgelt gezahlt wird, ist auch hier zwingend bei dem übernehmenden Gesellschafter der Buchwert fortzuführen. Dennoch werden u.E. in einem ersten Schritt die stillen Reserven des zu übertragenden Wirtschaftsguts aufgelöst und korrespondierend auf der Passivseite die Kapitalkonten der Mitunternehmer erhöht.2 Der Vorgang ist der Realteilung vergleichbar, bei der die sog. Kapitalanpassungsmethode angewendet wird (s. Rz. 9.270 ff.). Da der übernehmende Gesellschafter die Buchwerte fortführen muss, gehen steuerlich die stillen Reserven auf ihn über. Die stillen Reserven werden insofern zwischen den Mitunternehmern verschoben. Eine Verlagerung der stillen Reserven zwischen den Mitunternehmern hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG allerdings ausdrücklich zugelassen.
11.330
Beispiel 3 (Abwandlung von Fall 1, Rz. 11.315) Das bei der Z-GmbH & Co. KG mit dem Buchwert von 100 000 Euro bilanzierte Grundstück (Teilwert 150 000 Euro) wird auf S gegen Minderung seiner Gesellschaftsrechte übertragen. Die Z-GmbH & Co. KG verfügt neben dem Grundstück nur über ein Bankguthaben von 300 000 Euro. Auf der Passivseite werden ausschließlich die Festkapitalkonten (Kapitalkonten I) für A und S von jeweils 200 000 Euro ausgewiesen. Der Verkehrswert der Anteile von A und S beträgt demnach jeweils 225 000 Euro. Würde man das Kapitalkonto I von S nur in Höhe des Buchwerts des Grundstücks (100 000 Euro) verringern (neuer Stand seines Kapitalkontos I: 100 000 Euro), hätte S das Grundstück mit einem Teilwert von 150 000 Euro erhalten und wäre zusätzlich noch zu 1/ 3, also i.H.v. 100 000 Euro, an dem Bankguthaben von 300 000 Euro beteiligt. Die Übertragung hätte also dazu geführt, dass S nunmehr über Wirtschaftsgüter im Verkehrswert von 250 000 Euro und A über Wirtschaftsgüter im Verkehrswert von 200 000 Euro verfügt. Diese Vermögensverschiebung lässt sich vermeiden, indem das Kapitalkonto I in Höhe des Teilwerts des Grundstücks (150 000 Euro) verringert wird. Dafür wären in der Gesamthandsbilanz der Z-GmbH & Co. KG (fiktiv) die stillen Reserven i.H.v. 50 000 Euro aufzulösen und jeweils zu 50 % den Kapitalkonten I von A und S gutzuschreiben.3 Bei S wird anschließend das Kapitalkonto I, das nun 225 000 Euro beträgt, um 150 000 Euro verringert. Für S verbleibt ein Kapitalkonto I i.H.v. 75 000 Euro; da das Kapital1 Herrmann in Frotscher, EStG, § 6 EStG Rz. 519. 2 Vgl. Rödder, DB 1992, 953, zu der vergleichbaren Problematik nach dem Mitunternehmererlass. 3 Vgl. Rödder, DB 1992, 953.
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§ 11
Umstrukturierungen
konto I von A 225 000 Euro beträgt, ist S noch zu 25 %, also i.H.v. 75 000 Euro, an dem Bankguthaben von 300 000 Euro beteiligt. Diese Übertragung hätte also dazu geführt, dass S und A weiterhin jeweils über Wirtschaftsgüter im Verkehrswert von 225 000 Euro verfügen. Da S steuerlich in seinem Betriebsvermögen den Buchwert des Grundstücks fortführen muss, bleiben die stillen Reserven steuerverhaftet. Bei einer Weiterveräußerung des Grundstücks werden die stillen Reserven jedoch ausschließlich bei S versteuert (vorbehaltlich der Regelung nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG).
11.332
Unabhängig von der Frage, in welcher Höhe die Gesellschaftsrechte zu mindern sind, könnte man darüber nachdenken, ob die Buchwertübertragung auch auf eine andere Art erreicht werden kann. Der aufnehmende Gesellschafter könnte das Wirtschaftsgut in seiner Steuerbilanz (z.B. der Kapitalgesellschaft oder seines Einzelunternehmens) z.B. mit dem Teilwert ansetzen, und zugleich wird für die übertragende GmbH & Co. KG in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven eine negative Ergänzungsbilanz gebildet. Nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG kann jedoch nur der übertragende Gesellschafter eine Ergänzungsbilanz erstellen, nicht jedoch eine übertragende Gesellschaft. Überdies wird eine Ergänzungsbilanz zu einer Bilanz eines Einzelunternehmers nicht für zulässig erachtet, da nach bisherigem Verständnis Ergänzungsbilanzen ausschließlich eine Korrektur der Gesamthandsbilanz darstellen.1 Allerdings gibt es Vorschläge in der Literatur, die interpersonelle Verlagerung stiller Reserven durch andere buchtechnische Vorgehensweisen zu vermeiden.2 U.E. ist der Wortlaut des Gesetzes hier jedoch eindeutig. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber eine neue Form von Ergänzungsbilanzen schaffen wollte. Insofern kann der aufnehmende Gesellschafter dem Zwang zum Buchwertansatz nur dadurch Rechnung tragen, dass er tatsächlich den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts fortführt.
11.333
Die Übertragung zum Buchwert aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen ist aber nur zulässig, soweit nicht die Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG eingreifen (s. dazu Rz. 11.341 ff.). Hier gibt es jedoch eine Fülle ungeklärter Fragen, insbesondere in welchen Fällen es zu einer schädlichen Weiterveräußerung des Wirtschaftsguts kommt. So wie bei der Übertragung auf eine Personengesellschaft neben der Veräußerung des Wirtschaftsguts auch die Übertragung des Gesellschaftsanteils eine schädliche Übertragung i.S.v. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG darstellt, ist es umgekehrt denkbar, dass neben der (Weiter-)Übertragung des Wirtschaftsguts auch die Übertragung des Anteils an der Personengesellschaft, aus der das Wirtschaftsgut übertragen wurde, einen schädlichen Vorgang gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG darstellt. In voller Höhe steuerneutral ist jedenfalls die unentgeltliche (oder gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgte) Übertragung eines Wirtschaftsguts durch eine GmbH & Co. KG auf eine GmbH, wenn die GmbH zu 100 % vermögensmäßig an der GmbH & Co. KG beteiligt ist.3
11.334
Soweit es sich bei dem Vermögen des Gesellschafters um ein gewerbesteuerlich begünstigtes Betriebsvermögen handelt (z.B. um einen land- und forstwirtschaftli1 Dazu Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637). 2 Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1460a ff.; Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 381c. 3 BMF v. 7.2.2002 – IV A 6 - S 2241 - 94/01, DStR 2002, 1220 Rz. 1 = GmbHR 2002, 455; OFD Frankfurt/M. v. 3.5.2004 – S-2170 A-109-St II 2.01, DStR 2004, 1086.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
chen Betrieb oder um Vermögen, das selbständiger Arbeit dient), kann die Übertragung auf das Betriebsvermögen zu einer effektiven Gewerbesteuerbegünstigung führen, wenn das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Sperrfrist veräußert wird. Hätte die GmbH & Co. KG das Wirtschaftsgut veräußert, wäre der Veräußerungsgewinn grundsätzlich auch gewerbesteuerpflichtig. Mit Hilfe der Buchwertübertragung können daher dem gewerbesteuerverhafteten Betriebsvermögen stille Reserven entzogen werden.1 b) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen Überträgt eine GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters bei dieser GmbH & Co. KG, ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG). Insofern gelten die Ausführungen zur Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen entsprechend (vgl. dazu Rz. 11.329 ff.). Zu einer solchen Konstellation kommt es z.B., wenn eine GmbH & Co. KG ein Grundstück auf ihren Kommanditisten gegen Minderung von Gesellschaftsrechten überträgt, und dieser das Grundstück weiterhin der GmbH & Co. KG zur Nutzung überlässt.2 Die Übertragung ist auch dann (bzw. nur dann) zum Buchwert zulässig, wenn hierbei ein ursprünglich im Rahmen des Grundstückserwerbs aufgenommenes Darlehen in der GmbH & Co. KG verbleibt (und überdies bleibt auch das Darlehen eine betriebliche Schuld).3 Die Übertragung zum Buchwert ist aber nur zulässig, soweit nicht die Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG eingreifen (s. dazu Rz. 11.341 ff.).
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Überträgt eine GmbH & Co. KG I Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters bei einer anderen Mitunternehmerschaft (an der er daneben beteiligt ist = GmbH & Co. KG II), ist der Vorgang steuerneutral, wenn er unentgeltlich oder gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG). Zivilrechtliche Vertragspartner dieser Übertragung sind die GmbH & Co. KG I und der Gesellschafter. Steuerlich gehört das Wirtschaftsgut nun nicht mehr zum Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG I, sondern es wird Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG II und insofern mit dem Mitunternehmeranteil an der GmbH & Co. KG II verbunden. In der Praxis dürfte es sich wohl überwiegend um solche Wirtschaftsgüter (z.B. Immobilien) handeln, die bereits bislang von der GmbH & Co. KG I mittels eines (Miet-)Vertrages an die GmbH & Co. KG II zur Nutzung überlassen wurden bzw. ihr nunmehr überlassen werden (und durch den Übertragungsakt zu notwendigem Sonderbetriebsvermögen I bei der GmbH & Co. KG II werden). Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen entsprechend, insbesondere zu der Frage, wann es sich um eine unentgeltliche oder um eine entgeltliche (gegen Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgte) Übertragung handelt (s. dazu Rz. 11.329 ff.).
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1 Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 6 EStG Rz. J 01-24. 2 OFD Frankfurt a.M. v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570. 3 OFD Frankfurt a.M. v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570.
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§ 11
Umstrukturierungen
c) Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen auf eine Schwester-Personengesellschaft 11.337
Überträgt eine GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Schwester-Personengesellschaft, ist die steuerliche Behandlung umstritten. Eine solche direkte Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwester-Personengesellschaften ist vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 EStG nicht erfasst. Da der Gesetzgeber diesen Fall vor Augen hatte und ihn dennoch nicht in das Gesetz mit aufnahm, ist anzunehmen, dass er eine solche Direktübertragung nicht begünstigen wollte. Auch wenn dies – jedenfalls bei personen- und beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften – nicht nachvollziehbar ist, muss man für die Praxis zur Kenntnis nehmen, dass eine Direktübertragung nach derzeitiger Gesetzeslage und nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht steuerneutral möglich ist.1
11.338
Allerdings ist der 4. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 15.4.20102 zu der Auffassung gelangt, dass eine solche Übertragung zwischen personen- und beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften zulässig ist. Er hat schlicht § 6 Abs. 5 EStG verfassungskonform ausgelegt und auf Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwester-Personengesellschaften erstreckt (indem er auf diesen Vorgang § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG entsprechend anwendet). Der 4. Senat begründet dies u.a. damit, dass bei transparenter Betrachtung das Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Gesellschafters überführt werde. Der 1. Senat des BFH hatte dies in seinem Urteil vom 25.11.20093 zunächst noch anders gesehen, hat sich in seinem Beschluss vom 10.4.2013 aber den Überlegungen des 4. Senats nunmehr insoweit angeschlossen, dass er die Nichtberücksichtigung der Übertragung auf eine Schwester-Personengesellschaft in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG als einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ansieht und die Entscheidung darüber dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.4 In der Literatur wird diese Rechtsprechung überwiegend sehr begrüßt,5 nur finanzamtsnahe Vertreter lehnen diese Rechtsprechung weiterhin ab.6 Es bleibt daher zunächst abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht hierzu entscheiden wird.
11.339
Sollte eine steuerneutrale Direkt-Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Schwester-Personengesellschaften auch künftig nicht zulässig sein, stellt sich die Frage, ob die Übertragung eines Wirtschaftsguts in das Gesamthandsvermögen einer Schwester-Personengesellschaft über einen Umweg in zwei Schritten zulässig ist. Man könnte das Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen der 1 So BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 18; Brandenberg, DStZ 2002, 552 (555); a.A. Groh, DB 2002, 1904 und Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 461, die auch die direkte Übertragung auf eine Schwester-Personengesellschaft unter Beibehaltung der Buchwerte für zulässig halten. 2 BFH v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 = GmbHR 2010, 724 m. Komm. Suchanek. 3 BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 407. 4 BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BFH/NV 2013, 1834 = GmbHR 2013, 1210. 5 Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 388 ff. 6 Mitschke, FR 2013, 1077.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
GmbH & Co. KG I in einem ersten Schritt entweder in das Betriebsvermögen eines Gesellschafters, in sein Sonderbetriebsvermögen bei dieser Mitunternehmerschaft oder in sein Sonderbetriebsvermögen bei der Schwester-Personengesellschaft übertragen. In einem zweiten Schritt könnte das Wirtschaftsgut von dort in das Gesamthandsvermögen der Schwester-Personengesellschaft übertragen werden. Zivilrechtlich kommt es zweimal zum Wechsel des Rechtsträgers. Entscheidend für die Anerkennung dieser Umweggestaltung sind u.E. die wirtschaftlichen Gründe für die Übertragung auf die Schwester-Personengesellschaft. Sind die Schwestergesellschaften jeweils operativ tätig und dient die Übertragung z.B. dazu, das Wirtschaftsgut der sachnäheren Gesellschaft zuzuordnen, sind u.E. beide Übertragungen zum Buchwert vorzunehmen, selbst wenn dies aufgrund eines zeitlich und sachlich zusammenhängenden Vorgangs geschieht. Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO, der hier von der Finanzverwaltung1 und verschiedentlich auch in der Literatur2 angenommen wird, ist u.E. nicht gegeben. Dies muss u.E. auch dann gelten, wenn an der Schwester-Personengesellschaft die Beteiligungsverhältnisse verschieden sind und ggf. auch dritte Personen beteiligt sind. Selbst wenn an der Schwester-Personengesellschaft Kapitalgesellschaften beteiligt sind, ist der Vorgang nicht insgesamt, sondern nur nach Maßgabe von § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG schädlich. An einen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO könnte man u.E. allenfalls dann denken, wenn die Übertragung ausschließlich der Weiterveräußerung an einen Dritten dient und bei der Schwestergesellschaft besondere steuerliche Vorteile erstrebt werden (z.B. weil diese nicht gewerbesteuerpflichtig ist oder sie über gewerbesteuerliche Verlustvorträge verfügt oder eine nach §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 3 EStG begünstigte Veräußerung der Anteile an dieser „Objekt“-Gesellschaft beabsichtigt ist).3 Da aber die Unsicherheit besteht, dass die Finanzverwaltung die Umwegübertragung als schädlich ansieht (jedenfalls solange der zweite Schritt innerhalb der Frist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfolgt), sollte u.E. vor einer solchen Transaktion eine verbindliche Auskunft eingeholt werden. Von einem schädlichen Gesamtplan kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn zwischen den einzelnen Schritten ein ausreichender zeitlicher Abstand liegt. Die Finanzverwaltung4 geht regelmäßig davon aus, dass bei einem Abstand von mindestens 36 Monaten keine Anhaltspunkte für einen Gesamtplan mehr gegeben sind. Beträgt der Zeitraum mindestens 24 und weniger als 36 Monate, spricht eine im Einzelfall widerlegbare Vermutung dafür, dass kein Gesamtplan vorliegt. Liegt der Zeitraum bei weniger als 24 Monaten, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung i.d.R. von einem schädlichen Gesamtplan auszugehen. Soweit es sich bei den zu übertragenden Wirtschaftsgütern um Grund und Boden, Aufwuchs, Gebäude oder um Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, könnte 1 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 19; OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 4.2, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1, mit Verweis auf die Gesamtplanrechtsprechung des BFH, insbesondere auf das Urteil v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 = GmbHR 2001, 35. 2 Vgl. Strahl, FR 2004, 929 (932), der ebenfalls auf die Gesamtplanrechtsprechung des BFH verweist. 3 So auch van Lishaut, DB 2001, 1519 (1520). 4 OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 5.3, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1.
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§ 11
Umstrukturierungen
man auch daran denken, die Gewinnrealisierung grundsätzlich zu akzeptieren und die Steuerbelastung durch einen Abzug der aufgedeckten stillen Reserven nach § 6b EStG zu vermeiden.1 Auch auf diesem Weg könnte der Buchwert bei der Schwester-Personengesellschaft fortgeführt werden, da der Abzug nach § 6b EStG gesellschafter- und nicht gesellschaftsbezogen auszulegen ist.2 Die Finanzverwaltung3 erkennt dies jedenfalls dann an, wenn der Übertragungsvorgang (voll) entgeltlich ist und die Gesellschafter beider Personengesellschaften identisch sind bzw. die Personengesellschaft, die das Wirtschaftsgut verkaufte, an der erwerbenden Personengesellschaft beteiligt ist.4 Da das von der GmbH & Co. KG I übertragene Wirtschaftsgut mit dem von der GmbH & Co. KG II angeschafften Wirtschaftsgut, auf das die stillen Reserven übertragen werden, in diesem Fall identisch ist, handelt es sich wirtschaftlich um eine Veräußerung an sich selbst. Sind die Gesellschafter der beiden Schwester-Personengesellschaften nur personen-, aber nicht beteiligungsidentisch, ist die Übertragung jedenfalls dann noch steuerneutral möglich, wenn die auf den jeweiligen Mitunternehmer entfallenden anteiligen Anschaffungskosten auf der Ebene der erwerbenden Personengesellschaft nicht größer sind, als sein anteiliger Veräußerungsgewinn auf der Ebene der veräußernden Mitunternehmerschaft.5 Zu beachten ist, dass die begünstigende Vorschrift des § 6b EStG nur dann angewendet werden darf, wenn eine vollentgeltliche Übertragung erfolgt; eine solche liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung hingegen nur dann vor, wenn die erwerbende Schwester-Personengesellschaft mit dem Kaufpreis auch wirtschaftlich belastet ist.6 Nicht ausreichend soll es danach sein, wenn nur die Kapitalkonten verändert werden, also das Kapitalkonto der übertragenden Personengesellschaft gemindert und das Kapitalkonto der übernehmenden Personengesellschaft entsprechend erhöht wird.
III. Ausnahmen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG 1. Allgemeines 11.341
Für die nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgüter sieht das Gesetz darüber hinaus in § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG noch weitere Anforderungen vor, die eingehalten werden müssen, damit die steuerneutrale Übertragung nicht (rückwirkend) gefährdet wird. Wird das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist veräußert bzw. zu entnommen oder wird eine Kapitalgesellschaft daran – unmittelbar oder mittelbar – beteiligt, ist das übertragene Wirtschaftsguts (rückwirkend) mit dem Teilwert anzusetzen mit der Folge, dass ein Gewinn realisiert wird. 1 Vorausgesetzt, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 6b EStG erfüllt sind, z.B. dass die zu übertragenden Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens 6 Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben müssen (vgl. § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). 2 Vgl. Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 683. 3 BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 20. 4 OFD Karlsruhe v. 20.6.2006 – S 2241/27 - St 111 Rz. 4.3, ESt-Kartei BW § 6 EStG, Fach 5 Nr. 4.1. 5 Vgl. Niehus, FR 2005, 278 (283). 6 Vgl. OFD Frankfurt a.M. v. 11.10.2013 – S 2241 A - 117 - St 213, DStR 2013, 2570.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
2. Veräußerung und Entnahme des Wirtschaftsguts innerhalb der Sperrfrist Nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung des Wirtschaftsguts der Teilwert anzusetzen, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren (nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für das Übertragungsjahr) veräußert oder entnommen wird. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass zur Vorbereitung einer nachfolgenden Veräußerung stille Reserven auf andere Steuersubjekte, die einen niedrigeren Grenzsteuersatz haben, verlagert werden.1 Mit dieser Regelung wird unwiderlegbar vermutet, dass die Übertragung nicht der Umstrukturierung, sondern der Vorbereitung der Veräußerung oder Entnahme diente. Im abgebenden (ursprünglichen) Betriebsvermögen entsteht folglich ein Veräußerungsgewinn, dem im aufnehmenden Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG höhere Anschaffungskosten gegenüberstehen; damit sind im Falle einer Veräußerung oder Entnahme nur die während der Besitzzeit der GmbH & Co. KG gebildeten stillen Reserven von deren Gesellschaftern zu versteuern. Handelt es sich bei dem von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfassten Wirtschaftsgut um einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft (z.B. um eine Aktie oder einen GmbH-Geschäftsanteil), ist der Veräußerungsgewinn im abgebenden Betriebsvermögen nach § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG bzw. § 8b Abs. 2 und 3 KStG begünstigt. Nicht eindeutig geklärt ist hingegen, ob auch die Veräußerung des Kommanditanteils zu einer entsprechenden Sperrfristverletzung führt. Vom Wortlaut von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG ist diese Übertragung zwar nicht unmittelbar erfasst, jedoch ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Finanzverwaltung auch die Übertragung des Kommanditanteils als schädliche Veräußerung ansieht.
11.342
Hiervon gibt es wiederum eine Ausnahme. Wurden die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet, entfällt die Sperrfrist. In der Gesamthandsbilanz der GmbH & Co. KG wird also das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert angesetzt. Für den übertragenden Gesellschafter wird eine negative steuerliche Ergänzungsbilanz aufgestellt, so dass die Aufdeckung stiller Reserven neutralisiert und eine Besteuerung im Zeitpunkt der ursprünglichen Übertragung vermieden wird. In diesem Fall wird zwar die damalige Übertragung nicht rückwirkend besteuert, aber dafür unterliegt der aktuelle Übertragungs- bzw. Entnahmevorgang der vollen Besteuerung bei dem damaligen Einbringenden; es kommt also zu einer Verlagerung der Besteuerungsperioden (was sich insbesondere bei unterschiedlichen Steuersätzen auswirkt) und bzgl. der Gewerbesteuer auch zu einer Verlagerung der Besteuerung vom Mitunternehmer auf die Personengesellschaft (was sich insbesondere bei einem geringeren Gewerbesteuer-Hebesatz oder einem gewerbesteuerlichen Verlustvortrag der Personengesellschaft vorteilhaft auswirken kann). Nach Auffassung der Finanzverwaltung2 nützt die Erstellung einer negativen Ergänzungsbilanz allerdings nichts, wenn der Übertragende vermögensmäßig zu 100 % an der aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt ist. In diesem Fall soll es im Falle des Verkaufs bzw. der Entnahme innerhalb der dreijährigen Sperrfrist trotz Erstellung einer negativen Ergänzungsbilanz zum rückwirkenden Teilwertansatz nach § 6
11.343
1 BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, S. 32 f. 2 R 6.15 EStR 2012; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 26.
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Umstrukturierungen
Abs. 5 Satz 4 EStG kommen (soweit es sich bei dem zu übertragenden Wirtschaftsgut z.B. um Grundstücke handelt, bietet sich wiederum eine gewinnrealisierende Übertragung bei gleichzeitigem Abzug der aufgedeckten stillen Reserven nach § 6b EStG an1). Dem ist wiederum der BFH in seinem Urteil vom 31.7.20132 entschieden entgegengetreten. Der BFH ist der Auffassung, dass die Veräußerung des Wirtschaftsguts innerhalb der 3-Jahres-Frist in keinem Fall eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsvorgangs herbeiführen könne, da es auf die Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz nicht ankomme. Der BFH begründet dies damit, dass die Regelungen des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG die Buchwertfortführung nicht mit allgemeiner Wirkung an das Merkmal der nachhaltigen Unternehmensumstrukturierung binden und somit auch nicht jede zeitnahe Aufdeckung stiller Reserven (Veräußerung, Entnahme) sanktionieren, sondern lediglich Vorsorge dagegen treffen wollen, dass innerhalb der Sperrfrist die Gewinne (Verluste) aus der Veräußerung oder Entnahme der übertragenen Wirtschaftsgüter den Mitgesellschaftern unter Verletzung des Subjektsteuerprinzips zugeordnet werden. Werde dieser Gesetzeszweck jedoch nicht berührt, weil der Einbringende sowohl im Zeitpunkt der Übertragung des Wirtschaftsguts auf die Personengesellschaft als auch zum Zeitpunkt einer späteren Gewinnrealisierung alleine am Vermögen und Gewinn der Personengesellschaft beteiligt ist, und damit die individuelle Zuordnung der stillen Reserven durchgängig gewahrt bleibt, so wäre es in jeder Hinsicht sinnwidrig, die rückwirkende Durchbrechung der Buchwertfortführung allein auf die buchungstechnische Darstellung des Vermögenstransfers nach der so genannten Bruttomethode zu stützen. Es ist insofern zu hoffen, dass die Finanzverwaltung ihre in R 6.15 EStR 2012 geäußerte Auffassung überdenkt. 11.344
Man könnte ferner darüber nachdenken, dass sich auch im Fall der Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG – wie bei der Übertragung in das Gesamthandsvermögen – ein Überspringen stiller Reserven durch Aufstellung einer Ergänzungsbilanz vermeiden lässt. Wie bereits bei den Ausführungen zur Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen dargestellt (s. Rz. 11.329 ff.), ist u.E. eine solche Ergänzungsbilanz in umgekehrter Richtung unzulässig. Insofern müsste danach jede Weiterveräußerung oder Entnahme durch den aufnehmenden Gesellschafter innerhalb der Sperrfrist zu einer rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsvorgangs bei der GmbH & Co. KG führen. Überträgt man hingegen die BFH-Entscheidung vom 31.7.2013,3 wonach es bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine Personengesellschaft in der zuvor geschilderten Konstellation nicht auf die Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz ankomme, auf die umgekehrte Konstellation, erscheint es folgerichtig, dass es auch hier – bei Beteiligung nur eines Gesellschafters – nicht zu einer rückwirkenden Besteuerung kommen darf, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb der 3-jährigen Sperrfrist veräußert oder entnommen wird. 1 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 26 allerdings unter der Voraussetzung, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 6b EStG erfüllt sind, z.B. dass das Grundstück zum Übertragungszeitpunkt mindestens 6 Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben müssen (vgl. § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). 2 BFH v. 31.7.2013 – I R 44/12, BFH/NV 2013, 1855 = GmbHR 2013, 1218. 3 BFH v. 31.7.2013 – I R 44/12, BFH/NV 2013, 1855 = GmbHR 2013, 1218.
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Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
Um eine in diesem Sinne schädliche Veräußerung handelt es sich, wenn das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut entgeltlich übertragen wird. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt auch eine „fiktive“ Veräußerung i.S.v. § 12 Abs. 1 KStG eine schädliche Veräußerung dar.1 Bei der Entnahme wird das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt auch eine „fiktive“ Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine schädliche Veräußerung dar.2 Verfahrensmäßig handelt es sich bei der Veräußerung oder Entnahme um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.3
11.345
Da es für den Beginn der Sperrfrist auf die Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum ankommt, in dem die Übertragung erfolgt ist, ist die Steuererklärung des Aufnehmenden, also insbesondere die einheitliche und gesonderte Feststellung der aufnehmenden GmbH & Co. KG, irrelevant. Der Übertragende hat daher ein Interesse daran, die entsprechende Steuererklärung schnellstmöglich abzugeben, so dass die Sperrfrist früh zu laufen beginnen kann. Damit der Übertragende nicht davon überrascht wird, dass der Aufnehmende das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist veräußert, empfiehlt es sich, vertraglich zu vereinbaren, dass eine Veräußerung oder Entnahme innerhalb der Sperrfrist nur mit Zustimmung des Übertragenden zulässig ist.
11.346
Da das Gesetz lediglich die Veräußerung und Entnahme als schädlich ansieht, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung jedenfalls auch dann keine Sperrfristverletzung vor, wenn das übertragene Wirtschaftsgut (1) wiederum zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG weiterübertragen wird, (2) im Rahmen einer Realteilung der Personengesellschaft übertragen wird oder (3) aufgrund höherer Gewalt (Zerstörung, Untergang, etc.) aus dem Betriebsvermögen ausscheidet.4 Bei einer Weiterübertragung des Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG wird die 3-jährige Sperrfrist neu ausgelöst und tritt an die Stelle der bisherigen Sperrfrist.5 Eine Sperrfristverletzung darf u.E. auch dann nicht vorliegen, wenn das Wirtschaftsgut Teil eines Betriebs oder Teilbetriebs i.S.v. §§ 16, 20 oder 24 UmwStG wird und es dergestalt im Rahmen einer Abspaltung oder Einbringung zum Buchwert weiterübertragen wird oder es zu einer Verschmelzung zum Buchwert der GmbH & Co. KG auf eine andere Personengesellschaft kommt. Schädlich wäre es hingegen u.E., wenn diese Umwandlungsmaßnahmen zum gemeinen Wert oder zu einem Zwischenwert vorgenommen würden. Die Finanzverwaltung sieht hingegen in jeder dieser Umwandlungsmaßnahmen, auch wenn diese zum Buchwert vorgenommen wird, eine schädliche Sperrfristverletzung.6 Auch eine das übertragene Wirtschaftsgut mitumfassende entgeltliche Betriebsveräußerung verletzt die Sperrfrist, selbst wenn diese gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG begünstigt wäre.
11.347
1 2 3 4 5 6
Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 23. Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 23. Vgl. BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, S. 33; Fischer in Kirchhof, § 6 EStG Rz. 220. Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 23. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 23. Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 33.
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Umstrukturierungen
Beispiel 4 (Fortsetzung von Beispiel 1 und 1a, Rz. 11.15, 11.16) 11.348
Die Z-GmbH & Co. KG veräußert das Lagergrundstück zum 1.3.2017 zu einem Kaufpreis von 160 000 Euro an einen fremden Dritten. Da die Sperrfrist noch nicht abgelaufen ist, ist grundsätzlich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks der Teilwert (150 000 Euro) anzusetzen. Hatte A (bzw. die Z-AG) als Gegenleistung für das übertragene Grundstück eine Gutschrift auf dem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) i.H.v. 100 000 Euro erhalten, müsste er (sie) nun rückwirkend im Veranlagungszeitraum 2015 einen Gewinn i.H.v. 50 000 Euro versteuern. Bei der Z-GmbH & Co. KG verbliebe ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.H.v. 10 000 Euro; davon entfällt im Beispiel 1 ein Betrag i.H.v. 5 000 Euro auf S. Ohne die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG wäre im Beispiel 1 die Hälfte des Gewinns i.H.v. 60 000 Euro bei dem (immer noch) studierenden Sohn S zu versteuern gewesen; da er über kein sonstiges zu versteuerndes Einkommen verfügt, hätte sich sein niedriger Steuersatz günstig ausgewirkt. Hätte die Z-GmbH & Co. KG dem A (bzw. der Z-AG) als Gegenleistung jedoch einen Betrag i.H.v. 150 000 Euro auf dem Festkapitalkonto (Kapitalkonto I) gutgeschrieben (und hätte A – bzw. die Z-AG – in einer negativen Ergänzungsbilanz einen Minderwert von 50 000 Euro ausgewiesen), müsste A im Beispiel 1 im Veranlagungszeitraum 2017 einen Gewinn i.H.v. 55 000 Euro (50 000 Euro aus der insoweit aufzulösenden negativen Ergänzungsbilanz zzgl. 5 000 Euro aus der Z-GmbH & Co. KG) und S einen Gewinn von 5 000 Euro versteuern (im Beispiel 1a müsste die Z-AG im Veranlagungszeitraum 2017 einen Gewinn i.H.v. 60 000 Euro – 50 000 Euro aus der insoweit aufzulösenden negativen Ergänzungsbilanz zzgl. 10 000 Euro aus der Z-GmbH & Co. KG – versteuern). Der rückwirkende Teilwertansatz wäre entbehrlich, da es nicht zu einer Verlagerung von stillen Reserven gekommen wäre.
3. Sofortiger schädlicher Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut 11.349
Nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG ist ebenfalls der Teilwert anzusetzen, soweit der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Mit dieser Regelung soll insbesondere verhindert werden, dass stille Reserven auf Kapitalgesellschaften überspringen. Dem liegt die Befürchtung zugrunde, dass einzelne Wirtschaftsgüter zum Buchwert in eine GmbH & Co. KG, an der eine GmbH vermögensmäßig beteiligt ist, übertragen werden und anschließend Geschäftsanteile an der GmbH (auf die nun stille Reserven übergesprungen sind) unter Ausnutzung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 EStG, § 8b Abs. 2 und 3 KStG) veräußert werden.1 Anwendungsfälle des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG sind danach insbesondere Übertragungen durch einen Mitunternehmer auf eine GmbH & Co. KG, an deren Gesamthandsvermögen eine Kapitalgesellschaft als Komplementärin oder Kommanditistin beteiligt ist, und Übertragungen aus dem Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG auf eine Kapitalgesellschaft, die selbst als Gesellschafterin beteiligt ist (aber zu weniger als 100 %). Erfasst ist auch der Fall, dass ein Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer übertragen wird und der übernehmende Mitunternehmer eine Kapitalgesellschaft ist.2 Handelt es sich bei dem von § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG erfassten Wirtschaftsgut um einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft (z.B. um eine Aktie oder einen GmbH-Ge1 Vgl. BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, S. 33. 2 Vgl. Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 392a.
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§ 11
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
schäftsanteil), ist zwar der Teilwert anzusetzen, der entstehende Gewinn ist jedoch nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 EStG bzw. § 8b Abs. 2 und 3 KStG) begünstigt. Eine Körperschaft begründet einen Anteil an dem Wirtschaftsgut, wenn sie erstmals vermögensmäßig daran beteiligt wird. Das geschieht im Regelfall dadurch, dass ein Mitunternehmer (z.B. eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft) ein Wirtschaftsgut auf eine GmbH & Co. KG, an der eine (andere) Kapitalgesellschaft als Kommanditist oder als Komplementär vermögensmäßig beteiligt ist, überträgt. Die Körperschaft begründet ihren Anteil unmittelbar, wenn diese zum Zeitpunkt der Übertragung des Wirtschaftsguts direkt an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Eine (ebenfalls) schädliche mittelbare Anteilsbegründung liegt z.B. vor, wenn der unmittelbare Gesellschafter eine Personengesellschaft ist, an der jedoch Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Auch die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen einer Körperschaft in das Sonderbetriebsvermögen einer anderen Körperschaft bei derselben Mitunternehmerschaft führt zu einer vollumfänglichen Anteilsbegründung einer (anderen) Körperschaft und ist ein nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG schädlicher Vorgang.1 Eine Körperschaft erhöht ihren Anteil an dem Wirtschaftsgut (das auf die GmbH & Co. KG übertragen wird), wenn sie bereits vor der Übertragung einen Anteil an dem Wirtschaftsgut gehabt hat. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn zwei Mitunternehmer (Kapitalgesellschaften) zu je 50 % Miteigentümer eines Wirtschaftsguts (z.B. einer Immobilie) sind und einer der Mitunternehmer seinen Miteigentumsanteil auf die GmbH & Co. KG, an der beide vermögensmäßig zu je 50 % beteiligt sind, überträgt. Der andere Mitunternehmer erhöht damit seinen Anteil an dem Wirtschaftsgut von 50 % auf 75 %. Zu einer Erhöhung würde es auch kommen, wenn zwei Mitunternehmer (Kapitalgesellschaften) vermögensmäßig zu je 50 % an einer GmbH & Co. KG beteiligt sind und der übertragende Mitunternehmer sowie die GmbH & Co. KG selbst zu je 50 % Miteigentümer eines Wirtschaftsguts (z.B. einer Immobilie) sind; überträgt der Mitunternehmer seinen Miteigentumsanteil auf die GmbH & Co. KG, wird die GmbH & Co. KG zu 100 % Eigentümerin des Wirtschaftsguts und erhöht sich der Anteil des anderen Mitunternehmers an dem Wirtschaftsgut von 25 % auf 50 %. Verringert sich hingegen der Anteil einer Kapitalgesellschaft an dem Wirtschaftsgut (z.B. weil die neben der Kapitalgesellschaft an der GmbH & Co. KG beteiligte natürliche Person das Wirtschaftsgut gegen Minderung von Gesellschaftsrechten entnimmt), dann findet § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG keine Anwendung.2
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Zu beachten ist jedoch, dass bei einer schädlichen Beteiligung einer Kapitalgesellschaft der Teilwert nur insoweit aufgedeckt wird, wie die stillen Reserven auf die Kapitalgesellschaft überspringen. Sind eine natürliche Person und eine Kapitalgesellschaft zu jeweils 50 % vermögensmäßig an einer GmbH & Co. KG beteiligt und bringt die natürliche Person ein Wirtschaftsgut z.B. unentgeltlich in die GmbH & Co. KG ein, ist der Teilwert zu 50 % anzusetzen, da die stillen Reserven zur Hälfte auf die Kapitalgesellschaft übergesprungen sind.3 Das Gleiche gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung, wenn zwei Kapitalgesellschaften zu je 50 % vermögens-
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1 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 31. 2 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 30. 3 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 28.
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§ 11
Umstrukturierungen
mäßig an der GmbH & Co. KG beteiligt sind und eine von ihnen ein Wirtschaftsgut z.B. unentgeltlich in die GmbH & Co. KG einbringt.1 Diese Auffassung ist u.E. unzutreffend, da es hier unzweifelhaft nicht zu der vom Gesetzgeber befürchteten Situation kommen kann, dass natürliche Personen Kapitalgesellschaften zwischenschalten, um die Anteile an diesen Kapitalgesellschaften unter Nutzung des Teileinkünfteverfahrens veräußern zu können.2 11.352
Das Gleiche gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung, wenn die GmbH & Co. KG das Wirtschaftsgut unentgeltlich auf eine der beiden – jeweils zu 50 % beteiligten – Kapitalgesellschaften überträgt. Auch hier sind die stillen Reserven nur i.H.v. 50 % aufzudecken.3
11.353
Zu einer 50%igen Aufdeckung der stillen Reserven kommt es nach Auffassung der Finanzverwaltung4 auch dann, wenn die beiden Kapitalgesellschaften zu demselben Konzernkreis gehören. Für die Finanzverwaltung ist es hierbei unerheblich, dass sich aus Sicht des gesamten Konzerns keine stillen Reserven verschoben haben, da sie schlicht auf die unterschiedlichen juristischen Personen abstellt.
11.354
Die Regelung von § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG greift allerdings nicht ein, wenn eine Kapitalgesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG überträgt, bei der die Kapitalgesellschaft alleinige Kommanditistin ist5 (unerheblich ist, ob die Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder durch Gesamtrechtsnachfolge, z.B. durch Ausgliederung gem. §§ 123 ff. UmwG, erfolgt). Da vor der Übertragung das Wirtschaftsgut im Alleineigentum der Kapitalgesellschaft stand und sie auch danach noch mittelbar zu 100 % an ihm beteiligt ist, ist weder ein Anteil an dem Wirtschaftsgut erstmals begründet worden noch hat sich ein bestehender Anteil erhöht. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass die GmbH & Co. KG ein Wirtschaftsgut z.B. unentgeltlich auf eine GmbH überträgt, die zu 100 % am Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Auch hier kann der Buchwert fortgeführt werden, da sich bloß der gesamthänderisch gebundene Miteigentumsanteil in Alleineigentum umwandelt.6
11.355
Ebenfalls unschädlich ist der Fall, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG in das Gesamthandsvermögen einer TochterGmbH & Co. KG übertragen wird, an der die übertragende GmbH & Co. KG zu 100 % vermögensmäßig beteiligt ist.7
11.356
Umstritten ist, ob die Regelung nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG auch dann eingreift, wenn die stillen Reserven dem Einbringenden über Ergänzungsbilanzen zugeordnet wurden. Vom Wortlaut her ist die Möglichkeit zur Bildung von Ergänzungsbilanzen – anders als bei der Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG – nicht erfasst. 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 31. So auch Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637). Vgl. OFD Koblenz v. 16.7.2003 - S-2170 A, DStZ 2003, 740. OFD Frankfurt a. M v. 3.5.2004 - S-2170 A-109-St II 2.01, DStR 2004, 1086. Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I, 2011 1279 Rz. 29 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 29. Vgl. BMF v. 7.2.2002 – IV A 6 - S 2241 - 94/01, DStR 2002, 1220 Rz. 2 = GmbHR 2002, 455; OFD Frankfurt a. M v. 3.5.2004 – S-2170 A-109-St II 2.01, DStR 2004, 1086.
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Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG
Bedenkt man aber, dass auf einen Mitgesellschafter keine stillen Reserven überspringen, wenn in der Gesamthandsbilanz der Teilwert angesetzt und für Zwecke der steuerlichen Buchwertfortführung eine negative Ergänzungsbilanz gebildet wird, könnte man zu dem Ergebnis gelangen, dass § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG in einer solchen Konstellation keine Anwendung finden dürfte.1 Da der BFH in seinem Urteil vom 31.7.20132 das in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG gesetzlich angeordnete Erfordernis der Bildung einer Ergänzungsbilanz für entbehrlich hält, ist anzunehmen, dass er die Regelung von § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nicht anwenden würde, wenn es wegen der Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz nicht zum Überspringen stiller Reserven auf eine Kapitalgesellschaft gekommen wäre. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ändert die Erstellung einer Ergänzungsbilanz hingegen nichts an den Rechtsfolgen des § 6 Abs. 5 Satz 5.3
4. Späterer schädlicher Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut Nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen, soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund (als durch die Übertragung selbst) unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. Handelt es sich bei dem von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG erfassten Wirtschaftsgut um einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft (z.B. um eine Aktie oder einen GmbH-Geschäftsanteil), ist zwar der Teilwert anzusetzen, der entstehende Gewinn ist jedoch nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 EStG bzw. § 8b Abs. 2 und 3 KStG) begünstigt.
11.357
Die schädliche Beteiligung einer Körperschaft an dem Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG muss aus einem anderen Grund als aus einer Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, also aus einem späteren Vorgang, resultieren. Wurde ein Wirtschaftsgut zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eingebracht, wird ein Anteil einer Kapitalgesellschaft an dem Wirtschaftsgut insbesondere dann nachträglich begründet oder erhöht, wenn ein Mitunternehmeranteil an der GmbH & Co. KG an eine Kapitalgesellschaft verkauft wird, eine Kapitalgesellschaft in die GmbH & Co. KG vermögensmäßig eintritt oder ihren Anteil erhöht, die GmbH & Co. KG in eine GmbH formgewechselt wird (oder eine erweiterte Anwachsung oder eine Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft stattfindet) oder eine Personengesellschaft, die als Kommanditistin an der GmbH & Co. KG beteiligt ist, in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt wird.4 Aber auch wenn das Wirtschaftsgut zu einem Betrieb oder Teilbetrieb der Personengesellschaft gehört und dieser
11.358
1 So Reiß in Kirchhof, § 15 EStG Rz. 392b; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz. 1474g; a.A. Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 724. 2 BFH v. 31.7.2013 – I R 44/12, BFH/NV 2013, 1855 = GmbHR 2013, 1218. 3 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 28. 4 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 34; Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 726 m.w.N.
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Umstrukturierungen
(Teil-)Betrieb innerhalb der Sperrfrist nach § 20 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird, kommt es zu einer schädlichen Beteiligung einer Kapitalgesellschaft, und zwar nach Auffassung der Finanzverwaltung selbst dann, wenn diese Einbringung zum Buchwert erfolgt;1 innerhalb der ersten 3 Jahre würde dieser Vorgang auch schon nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG schädlich sein. 11.359
Eine Körperschaft begründet einen Anteil an dem Wirtschaftsgut, wenn sie mit ihrem Beitritt erstmals vermögensmäßig daran beteiligt wird. Dies dürfte der Regelfall sein, wenn ein Wirtschaftsgut auf eine GmbH & Co. KG übertragen wird und eine Körperschaft später hinzutritt, z.B. in dem sie einen Anteil an der GmbH & Co. KG von einem Mitgesellschafter erwirbt. Eine Körperschaft erhöht ihren Anteil an dem Wirtschaftsgut (das auf die GmbH & Co. KG übertragen wurde), wenn sie bereits vor ihrem Beitritt zur GmbH & Co. KG einen Anteil an dem Wirtschaftsgut gehabt hat. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Körperschaft (bloß) zu einem Bruchteil an dem Wirtschaftsgut beteiligt war. Der Anteil einer Körperschaft wird auch dann erhöht, wenn diese schon an der GmbH & Co. KG, auf die das Wirtschaftsgut übertragen wurde, beteiligt war (zu weniger als 100 %) und nun ihren Anteil an der GmbH & Co. KG erhöht. Die Körperschaft begründet ihren Anteil unmittelbar, wenn sie sich direkt an der GmbH & Co. KG beteiligt. Eine (ebenfalls) schädliche mittelbare Anteilsbegründung liegt z.B. vor, wenn unmittelbarer Gesellschafter eine Personengesellschaft wird, an der jedoch Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Ein Fall der schädlichen mittelbaren Anteilsbegründung liegt wohl auch dann vor, wenn eine GmbH & Co. KG, an der ausschließlich Kapitalgesellschaften vermögensmäßig zu je 50 % beteiligt sind, ein Wirtschaftsgut auf eine Tochter-GmbH & Co. KG (= doppelstöckige Personengesellschaft) nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG überträgt, und innerhalb der 7-Jahres-Frist eine der Kapitalgesellschaften ihren Anteil an der oberen GmbH & Co. KG auf die andere Kapitalgesellschaft überträgt. Für die erwerbende Kapitalgesellschaft bedeutet dies, dass sie rückwirkend mit einer Steuerzahlung belastet wird, obwohl bei ihr keine Veräußerung stattgefunden hat. Bei Joint-Venture-Konstellationen, in denen mehrere Kapitalgesellschaften eine GmbH & Co. KG gegründet haben, ist also Vorsicht geboten, wenn diese GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter steuerneutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG auf eine Tochter-Personengesellschaft überträgt.
11.360
Entscheidend ist, dass die Begründung und Erhöhung des Anteils der Körperschaft innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts erfolgt. Die Sperrfrist von sieben Jahren nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG beginnt anders als die Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Wirtschaftsgut auf die GmbH & Co. KG.
11.361
Soweit beabsichtigt ist, nach der Übertragung des Wirtschaftsguts auf die GmbH & Co. KG diese in eine GmbH formzuwechseln und anschließend die GmbH-Anteile zu veräußern, ist nicht nur die 7-Jahres-Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG zu beachten. Die Anteile an der durch den Formwechsel entstandenen GmbH sind gem. §§ 25, 22 Abs. 1 UmwStG in den sieben auf den Einbringungszeitpunkt folgenden Jahren steuerverstrickt (allerdings vermindert sich die Steuerbelastung um jeweils ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr). 1 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 Rz. 34.
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§ 11
Überblick
Für Zwecke des steuerbegünstigten Verkaufs von GmbH-Anteilen bietet sich die Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine GmbH & Co. KG mit anschließendem Formwechsel (oder anschließender erweiterter Anwachsung) daher nicht an. Unschädlich ist es, wenn eine GmbH auf eine GmbH & Co. KG, an der sie zu 100 % vermögensmäßig beteiligt ist, ein Wirtschaftsgut unentgeltlich (oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) übertragen hat, und innerhalb der folgenden sieben Jahre die Geschäftsanteile an der GmbH zum Verkehrswert an eine andere Kapitalgesellschaft veräußert werden.1 Dies führt nicht zu einer rückwirkenden Aufdeckung stiller Reserven. Auch wenn die erwerbende Kapitalgesellschaft nunmehr mittelbar an dem übertragenen Wirtschaftsgut beteiligt ist, ist dies kein Fall von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG. Entscheidend ist, dass die GmbH als juristische Person für die Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG eine Abschirmwirkung entfaltet. Die erwerbende Kapitalgesellschaft ist somit nicht als (verdeckte) Mitunternehmerin anzusehen.2
11.362
Umstritten ist, ob die Regelung nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG auch dann eingreift, wenn die stillen Reserven dem Einbringenden über Ergänzungsbilanzen zugeordnet wurden. Hier gelten die Ausführungen zu dieser Frage bei § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG entsprechend (s. hierzu Rz. 11.356).
11.363
Einstweilen frei.
11.364–11.380
D. Weitere Umstrukturierungen I. Überblick Neben den vorstehend dargestellten Umstrukturierungsvorgängen, die einen steuerlichen Systemwechsel herbeiführen, besteht ein erheblicher praktischer Anwendungsbereich für solche Umstrukturierungen, die innerhalb des Systems der Personengesellschaftsbesteuerung verbleiben. Insbesondere sind hier zu nennen:
11.381
1. Rechtsformwechsel einer Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG. 2. Verschmelzung von Personengesellschaften untereinander. 3. Spaltung von Personengesellschaften auf bzw. in andere Personengesellschaften. Die mit der Spaltung einer Personengesellschaft teilweise wirtschaftlich vergleichbare Realteilung wurde bereits unter Rz. 9.270 ff. behandelt. Umstrukturierungsmaßnahmen, die auf der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern beruhen, sind unter Rz. 11.301 ff. dargestellt.
11.382
Schließlich sind auch Umstrukturierungen denkbar, die vorrangig die Gesellschafterebene zu betreffen scheinen. Gerade in familiengeführten mittelständischen Unternehmen wird häufig die nachfolgende Generation zunächst nicht unmittelbar als Gesellschafter (Kommanditist) aufgenommen, sondern zunächst eine Un-
11.383
1 OFD Frankfurt a.M. v. 3.5.2004 – S-2170 A-109-St II 2.01, DStR 2004, 1086. 2 OFD Frankfurt a.M. v. 3.5.2004 – S-2170 A-109-St II 2.01, DStR 2004, 1086.
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Umstrukturierungen
terbeteiligung am Kommanditanteil des Vaters bzw. der Mutter begründet. Hintergrund ist, dass zwar bereits ein Vermögensübergang erfolgen soll, die Kinder aber – insbesondere dann, wenn verschiedene Familienstämme bestehen – noch nicht in der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft auftreten sollen. Möglich ist auch, dass die GmbH & Co. KG an ihrem Geschäftsbetrieb einen atypisch stillen Gesellschafter beteiligt hat. In beiden Fällen kann später das Bedürfnis bestehen, die Unterbeteiligung am Kommanditanteil bzw. die stille Beteiligung in eine direkte Kommanditbeteiligung umzuwandeln.
II. Rechtsformwechsel einer Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG 11.384
Die Umwandlung einer – gewerblich tätigen oder infizierten – Personengesellschaft (insbesondere einer GbR) in eine GmbH & Co. KG kann zunächst zivilrechtlich motiviert sein, z.B. um für die Zukunft die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter auszuschließen. Darüber hinaus kann sich eine solche Umwandlung anbieten, wenn eine Betriebsaufspaltung1 besteht und wegen des Wegfalls der sachlichen oder personellen Verflechtung die steuerliche Betriebsaufgabe und damit die vollständige Realisierung und Besteuerung der stillen Reserven droht.2 Beispiel
11.385
A ist zu 60 %, B ist zu 40 % an der AB GmbH beteiligt. Die AB GmbH betreibt ihr Gewerbe auf einem Grundstück, das im Eigentum der AB GbR steht, an der A wiederum zu 60 % und B zu 40 % beteiligt sind. Da das Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage bei der AB GmbH anzusehen ist, liegen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vor. Verkauft A seinen Anteil an der AB GmbH an C und behält er seinen Anteil an der GbR zurück, so endet die personelle Verflechtung. Ist nicht sichergestellt, dass die Voraussetzungen der Betriebsverpachtung3 oder einer Betriebsunterbrechung4 vorliegen, sollte die GbR vor der Übertragung der Anteile gewerblich geprägt i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG werden, um eine Betriebsaufgabe bei der GbR zu verhindern.
11.386
Die Umwandlung einer GbR in die GmbH & Co. KG kann zunächst erfolgen, indem die zukünftige Komplementär-GmbH in die GbR aufgenommen wird und die bisherigen Gesellschafter in die Stellung von Kommanditisten zurücktreten.5 Die 1 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 800 ff. 2 Eine Gewinnrealisierung scheidet aber z.B. dann aus, wenn die Voraussetzungen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung wegfallen und die Wirtschaftsgüter der Besitzgesellschaft Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebsgesellschaft werden, vgl. etwa BFH v. 30.8.2007 – IV R 50/05, BStBl. II 2008, 129. Zu den Folgen der Besteuerungskonkurrenz zwischen Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen vgl. BFH v. 22.9.2011 – IV R 33/08, BStBl. II 2012, 10. 3 BFH v. 6.11.2008 – IV R 51/07, BStBl. II 2009, 303; BFH v. 11.10.2007 – X R 39/04, BStBl. II 2008, 220 = GmbHR 2008, 271 Komm. Bitz. 4 BFH v. 14.3.2006 – VIII R 80/03, BStBl. II 2006, 591 = GmbHR 2006, 778. 5 Zur Haftung der Kommanditisten vor Eintragung vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.2007 – 13 U 195/06, GmbHR 2007, 1326. Vgl. auch BFH v. 18.5.2011 – II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063 = GmbHR 2011, 1286.
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§ 11
Rechtsformwechsel einer Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG
Umwandlung der GbR in die Kommanditgesellschaft erfolgt dann zivilrechtlich – außerhalb des UmwG – als Formwechsel identitätswahrend kraft Gesetzes.1 Zu beachten ist dabei, dass zumindest für erbschaftsteuerliche Zwecke die gewerbliche Prägung erst mit der Eintragung der KG in das Handelsregister eintreten soll.2 Insbesondere bei Grundstücksgesellschaften ist zudem zu beachten, dass von dem Formwechsel nur das Gesamthandsvermögen der GbR erfasst ist.3 Besteht also eine Vermietungs-GbR und sind deren Gesellschafter Bruchteilseigentümer des Vermietungsobjektes (Grundstück), so wird die mit dem Formwechsel entstehende Vermietungs-GmbH & Co. KG nicht automatisch Eigentümerin des Grundstücks; dieses steht vielmehr weiterhin im Bruchteilseigentum der Gesellschafter und wird lediglich der Vermietungs-GmbH & Co. KG überlassen. Steuerlich wird das Grundstück i.d.R. Sonderbetriebsvermögen.4 Steuerrechtlich ist der Rechtsformwechsel einer gewerblichen GbR (Mitunternehmerschaft) in eine Kommanditgesellschaft ein „Nullum“ und führt nicht zu einer Gewinnrealisierung.5 Der Formwechsel fällt insbesondere nicht unter § 24 UmwStG, und zwar auch dann nicht, wenn gleichzeitig eine Komplementärgesellschaft ohne Beteiligung am Vermögen aufgenommen wird.6 Da die Unternehmeridentität erhalten bleibt, gehen gewerbesteuerliche Verlustvorträge nicht unter.7 Ist die GbR vermögensverwaltend tätig, so kommt es durch die Umwandlung in eine i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte GmbH & Co. KG zur Einlage der im Gesamthandsvermögen der GbR enthaltenen Wirtschaftsgüter. Die Bewertung dieser Wirtschaftsgüter richtet sich dementsprechend nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 5 EStG (Teilwertansatz).8 Für Zwecke der Umsatz- und Grunderwerbsteuer ist der Rechtsformwechsel in die GmbH & Co. KG mangels eines Rechtsträgerwechsels nicht tatbestandsmäßig, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft vermögensverwaltend oder gewerblich tätig ist.
1 KG Berlin v. 1.10.2008 – 1 W 203 und 220/07 u.a., MDR 2009, 219; Schleswig-Holsteinisches OLG v. 15.9.2005 – 9 W 167/05, OLGR Schleswig 2005, 702; BayObLG v. 7.5.2002 – 3Z BR 55/02, DB 2002, 1649. Folge ist z.B., dass das Grundbuch lediglich richtig zu stellen ist. Vgl. zur zivilrechtlichen Ausgestaltung auch Geck, KÖSDI 2008, 16016 (16019); Gassmann, DB 2004, 2066; Limmer, DStR 2000, 1230; Simon, DStR 2000, 578. Zum Fall der Umwandlung einer KG in eine GbR auch OLG Nürnberg v. 19.3.2012 – 10 W 1639/11, MDR 2012, 639. 2 BFH v. 18.5.2011 – II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063 = GmbHR 2011, 1286; BFH v. 4.2.2009 – II R 41/07, BStBl. II 2009, 600 = GmbHR 2009, 839. 3 Zur Grundbuchfähigkeit der GbR vgl. BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, MDR 2009, 274. 4 BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 = GmbHR 2005, 1512. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Einf. Rz. 45; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 57; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 416. Vgl. auch BFH v. 17.12.2008 – IV R 65/07, BStBl. II 2009, 371 = GmbHR 2009, 382; BFH v. 21.3.1994 – VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856; BFH v. 28.11.1989 – VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561; BFH v. 16.3.1983 – IV R 36/79, BStBl. II 1983, 459. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47; BFH v. 20.9. 2007 – IV R 70/05, BStBl. II 2008, 265 = GmbHR 2008, 165. 7 R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 3 GewStR 2009. 8 BFH v. 11.4.2013 – IV R 11/10, BFH/NV 2013, 1569 = GmbHR 2013, 1005. Vgl. auch BMF v. 18.6.2000 – IV C 2-S 2241-56/00, BStBl. I 2000, 1198.
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§ 11
Umstrukturierungen
11.388
Alternativ kann eine GbR auch in eine GmbH & Co. KG umgewandelt werden, indem sämtliche Gesellschafter der GbR ihre Gesellschaftsanteile in eine bereits bestehende GmbH & Co. KG einbringen und dadurch Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft werden oder ihre bestehende Mitunternehmerstellung verstärkt wird (s. Rz. 11.396). Steuerrechtlich ist dieser Vorgang als Einbringung nach § 24 UmwStG einzuordnen (s. dazu Rz. 11.390 ff.) und kann damit grundsätzlich zu Buchwerten erfolgen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Ein Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und ein EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG gehen jedoch – anders als beim Formwechsel1 – nicht über (§ 24 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 9 UmwStG). Ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag bleibt u.E. erhalten. Der Sachverhalt ist insoweit mit der Verschmelzung zweier Personengesellschaften vergleichbar.2 Eine doppelstöckige Struktur, die zum Untergang der Verlustvorträge führen würde,3 entsteht bei einer entsprechenden Gestaltung nicht, auch nicht für eine Übergangszeit.4
11.389
Ist die GbR Eigentümerin von Grundstücken oder Inhaberin gleichgestellter Rechte, so ist die Übertragung sämtlicher Anteile bereits wegen der im Vergleich zum schlichten Formwechsel höheren Grundbuchgebühren nachteilig. Darüber hinaus ist der mit der Anwachsung des Vermögens verbundene Übergang des zivilrechtlichen Eigentums nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbar (s. Rz. 11.404). Die Grunderwerbsteuer wird zwar nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben soweit die Gesellschafter der GbR am Vermögen der aufnehmenden GmbH & Co. KG beteiligt sind. Zu beachten ist aber, dass dies nicht gilt, soweit bei der übertragenden Gesellschaft in den letzten fünf Jahren vor der Umstrukturierung ein Gesamthänder seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat (§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Darüber hinaus wird bei der übernehmenden Gesellschaft eine fünfjährige Sperrfrist ausgelöst, innerhalb derer die Gesellschaftsanteile nicht übertragen werden können, ohne dass hierdurch Grunderwerbsteuer ausgelöst wird (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).5
1 Vgl. Hierstetter, DB 2009, 79 (83). 2 Zur Verschmelzung zweier Personengesellschaften: R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 5 Satz 2 GewStR 2009. 3 BFH v. 26.7.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179 (181) = GmbHR 1996, 790; Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Rz. 75 (Stand: Oktober 2013). Das soll nach Auffassung des BFH auch dann gelten, wenn die doppelstöckige Struktur lediglich für eine „juristische Sekunde“ besteht, vgl. BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 176. 4 BFH v. 27.1.1994 – IV R 137/91, BStBl. II 1994, 477 = GmbHR 1994, 418. Vgl. auch BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344 (345) = GmbHR 2003, 488; BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903 (905); BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 (361) jeweils zur Grunderwerbsteuer. 5 § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kommt allerdings etwa dann nicht zur Anwendung, wenn die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung auf einer Schenkung i.S. des § 3 Nr. 2 GrEStG beruht. Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.1, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4. Gleiches gilt, wegen § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG für die Übertragung von Anteilen an der Personengesellschaft auf Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie: FG Münster v. 10.12.2008 – 8 K 4556/05 GrE, EFG 2009, 1049, rkr.; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.2, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4.
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§ 11
Verschmelzung von Personengesellschaften
III. Verschmelzung von Personengesellschaften 1. Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile in eine bestehende GmbH & Co. KG Die Zusammenführung der Vermögen zweier Personengesellschaften – also das wirtschaftliche Ergebnis einer Verschmelzung – kann zunächst erreicht werden, indem sämtliche Gesellschafter ihre Gesellschaftsanteile an der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übertragen (s. Rz. 11.388). Die Komplementär-GmbH kann ihren Anteil ebenfalls auf die aufnehmende Gesellschaft übertragen oder – wenn sie nicht am Vermögen der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist und keine gewerbesteuerlichen Verlustvorträge bestehen1 – aus der Gesellschaft ohne weiteres ausscheiden.2 Ggf. ist sie als weitere Komplementärin bei der übernehmenden Gesellschaft aufzunehmen. Sind an der übernehmenden und der übertragenden Gesellschaft unterschiedliche Personen beteiligt, kann es sinnvoll, je nach Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft auch zwingend sein, dass gleichzeitig mit der Zusammenführung der Personengesellschaften die Beteiligungsverhältnisse bei der jeweiligen Komplementärin angepasst werden. Dies kann etwa mittels einer quotenverschiebenden (Bar-)Kapitalerhöhung bei der Komplementärin erfolgen.
11.390
Mit der Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile auf die aufnehmende Gesellschaft bzw. dem gleichzeitigen Austritt der übrigen Gesellschafter geht die übertragende GmbH & Co. KG unter. Das Vermögen dieser Gesellschaft geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende GmbH & Co. KG über.
11.391
Ertragsteuerlich fällt dieser Vorgang in den sachlichen Anwendungsbereich des § 24 UmwStG. Tatsächlich sind hier zumindest zwei Einbringungsvorgänge nach § 24 UmwStG zu unterscheiden: Auf der Hand liegt die Einbringung durch die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, da diese schon zivilrechtlich ihre Gesellschaftsanteile (Mitunternehmeranteile) auf die übernehmende Gesellschaft gegen Gewährung von Mitunternehmerrechten übertragen. Wie auch bei der erweiterten Anwachsung zur Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine GmbH (s. dazu Rz. 11.197), wird allerdings auch im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG die Auffassung vertreten, die mit der Übertragung (Einbringung) aller Anteile an einer Personengesellschaft verbundene Anwachsung sei aufgrund des abschließenden Charakters des § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG nicht mehr von dem UmwStG erfasst.3 Dem ist nicht zu folgen, da die Gesellschaftsanteile in diesen Fallkonstellationen im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen werden und der damit verbundene Untergang der übertragenden Gesellschaft und die Übertragung des Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge lediglich Reflexe dieser Übertra-
11.392
1 Ist bei der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden sollen, ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag vorhanden, ist zu beachten, dass dieser nach Auffassung des BFH untergeht, wenn – auch nur für eine „juristische Sekunde“ – eine doppelstöckige Struktur entsteht: BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 176. 2 Vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten Centrale-Gutachtendienst, GmbHR 2004, 1525. 3 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 14 (Stand: November 2011), der in der abweichenden Verwaltungsauffassung eine – gerechtfertigte – Billigkeitsregelung sieht.
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§ 11
Umstrukturierungen
gung sind. Der Anwendungsbereich des UmwStG ist damit für diese Einbringungsvorgänge eröffnet.1 Eine möglicherweise nicht ganz so offensichtliche Einbringung nach § 24 UmwStG liegt darüber hinaus aber auch für die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft vor.2 Diese Gesellschafter bringen steuerlich ihre Mitunternehmeranteile an der „Altgesellschaft“ in eine neue – vergrößerte – Personengesellschaft ein. Dass auch insoweit eine steuerliche Einbringung vorliegt, wird deutlich, wenn man sich die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters in eine bestehende Personengesellschaft gegen Geldeinlage oder Einlage anderer Wirtschaftsgüter vor Augen führt. Auch hier liegt eine Einbringung der „Altgesellschafter“ i.S. des § 24 UmwStG vor.3 Das bedeutet, dass auch für diese Gesellschafter die Voraussetzungen des § 24 UmwStG erfüllt werden müssen (insbesondere auch entsprechende Anträge auf Buchwertfortführung zu stellen sind). 11.393
Der persönliche Anwendungsbereich des § 24 UmwStG ist denkbar weit: An die Person des Einbringenden stellt das UmwStG insoweit keine Anforderungen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).
11.394
Nach § 24 UmwStG kann die aufnehmende GmbH & Co. KG das eingebrachte Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, auf Antrag auch mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert ansetzen, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil Gegenstand der Einbringung ist und der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft wird (§ 24 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 UmwStG). Zu beachten ist, dass ein Ansatz unter dem gemeinen Wert nur zulässig ist, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen ist (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Bei der Zusammenführung zweier Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) wird das deutsche Besteuerungsrecht i.d.R. nicht beeinträchtig werden; dies kann aber ausnahmsweise dann anders sein, wenn etwa an der aufnehmenden Gesellschaft Personen mit steuerlicher Ansässigkeit im (DBA-)Ausland beteiligt sind und die abkommensrechtliche (i.S. einer funktionalen) Zuordnung der übergehenden Wirtschaftsgüter zu einer deutschen Betriebsstätte nicht gewährleistet ist.4 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47. Das entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur: Vgl. nur Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 56; Graw in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, § 1 UmwStG Rz. 231a; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 9. 2 In diesem Sinne auch: Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 25 (Stand: November 2011). 3 Vgl. zu dieser Fallkonstellation: BFH v. 25.4.2006 – VIII R 52/04, BStBl. II 2006, 847; BFH v. 18.3.1999 – IV R 26/98, BStBl. II 1999, 604; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47 unter aa) dritter Spiegelstrich; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 19. 4 Eine tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Beteiligungen in einem funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstättentätigkeit stehen, vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 = GmbHR 2008, 447; BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, IStR 2001, 185; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/04, BStBl. II 1996, 563; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. I 1992, 937 = GmbHR 1993, 58 (jeweils zum DBASchweiz). Zur Auffassung der Finanzverwaltung vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.4.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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§ 11
Verschmelzung von Personengesellschaften
Einbringende sind einmal die Gesellschafter, die ihre Kommanditanteile (Mitunternehmeranteile) an der übertragenden Gesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die übernehmende Gesellschaft übertragen, aber auch die Altgesellschafter der übernehmenden Gesellschaft. Dass nicht die Personengesellschaften die Einbringenden sind, folgt schon daraus, dass die neuen Anteile nicht diesen, sondern deren Gesellschaftern gewährt werden. Zudem erlöschen auch die übertragende GmbH & Co. KG mit der gleichzeitigen Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile und wohl auch (i.S. einer steuerlichen Fiktion) die übernehmende Gesellschaft.1 Einbringungsgegenstand ist jeweils der Mitunternehmeranteil.2 Dieser ist mit sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen auch des Sonderbetriebsvermögens in das steuerliche Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft zu überführen.3 Anders als bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft müssen im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG die Wirtschaftsgüter – entgegen der Auffassung von Patt4 – aber nicht in das Gesamthandsvermögen der aufnehmenden (Personen-)Gesellschaft eingebracht werden, um die Steuerneutralität der Einbringung zu gewährleisten. Es reicht für die Buchwertfortführung vielmehr aus, wenn die Wirtschaftsgüter Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei dieser Gesellschaft werden.5 Allerdings muss zumindest ein Teil des Vermögens auf die Personengesellschaft zur Erhöhung des Kapitalkontos des Einbringenden übertragen werden. Unschädlich ist es dabei u.E. auch, wenn mit der Einbringung zunächst (ggf. für eine „juristische Sekunde“6) eine doppelstöckige Struktur entsteht und etwaig vorhandenes Sonderbetriebsvermögen I (z.B. ein der übertragenden Gesellschaft überlassenes Grundstück) i.S. eines Durchgangserwerbes zunächst Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der „Untergesellschaft“ als deren Sonder-Mitunternehmer bleibt.7 1 Insoweit gelten die Ausführungen zur Bestimmung des Einbringenden bei Einbringung in eine Kapitalgesellschaft entsprechend, s. dazu Rz. 11.266. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.47 mit dem Verweis auf Rz. 20.03. 2 Hier besteht ein gewisser Widerspruch zur Situation bei der Verschmelzung zweier Personengesellschaften, bei der von der Einbringung der jeweiligen Betriebe der Personengesellschaft ausgegangen wird (s. Rz. 11.408). Praktisch dürfte diese Unterscheidung aber i.d.R. keine Bedeutung haben. Insbesondere werden auch bei der Verschmelzung zweier Personengesellschaften wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter mit auf die übernehmende Gesellschafter übertragen werden, zumindest dort in das Sonderbetriebsvermögen gelangen müssen. 3 Zur Bestimmung der wesentlichen Betriebsgrundlagen s. Rz. 11.207 ff. auch zu der Frage der Behandlung der Anteile an der Komplementär GmbH. Die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums reicht aus, BFH v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409. 4 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 15 (Stand: November 2011). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.04. Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 58 ff.; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 34. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen z.B. dadurch erreicht wird, dass die Wirtschaftsgüter der übernehmenden Gesellschaft überlassen werden. Hinsichtlich der Komplementärin der übertragenden Gesellschaft kann überlegt werden, ob diese als (weitere) Komplementärin der übernehmenden Gesellschaft aufgenommen wird. 6 Vgl. zu den Fällen, in denen übergangsweise eine doppelstöckige Struktur entstehen kann: BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 176 sowie Rz. 11.88. 7 Vgl. R 15.8 Abs. 2 EStR 2012.
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§ 11
Umstrukturierungen
11.396
Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft werden, um das Bewertungswahlrecht des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu eröffnen. Die Mitunternehmerstellung muss als Gegenleistung für die Einbringung des Mitunternehmeranteils gewährt werden. Ist der Einbringende bereits Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft, so reicht es nach allgemeiner Auffassung allerdings aus, wenn seine bestehende Mitunternehmerstellung verstärkt wird.1 Wird mit der Einbringung das Kapitalkonto des Einbringenden erhöht, so ist es für die Buchwertfortführung unschädlich, wenn ein übersteigender Betrag einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird; ausreichend ist zudem die ausschließliche Gutschrift auf einem variablen Kapitalkonto (etwa auf einem „klassisch“ ausgestalteten Kapitalkonto II).2
11.397
Erhält der Einbringende neben der Mitunternehmerstellung oder der Verstärkung derselben noch weitere Gegenleistungen, etwa eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft (Einbringung gegen Mischentgelt), so steht dies der Buchwertfortführung bislang nicht entgegen.3 Die weitere Gegenleistung ist allerdings als Entgelt anzusehen, so dass die Einbringung insoweit als im Grundsatz gewinnrealisierende Veräußerung anzusehen ist. Auch hier ist aber nach Auffassung des BFH die sog. Einheitstheorie anzuwenden. Ein Veräußerungsgewinn entsteht daher nur dann, wenn die Summe aus dem Nominalbetrag der Gutschrift auf dem Kapitalkonto des Einbringenden bei der übernehmenden Gesellschaft und dem Wert der weiteren Gegenleistung (zzgl. entstandener Veräußerungskosten) den steuerlichen Buchwert des eingebrachten Vermögens übersteigt.4 Die Höhe der für die Buchwertfortführung des § 24 UmwStG zulässigen weiteren Gegenleistung wird durch das Steueränderungsgesetz 2015 allerdings auf 25 % des Buchwerts des eingebrachten Vermögens oder 500 000 Euro, höchstens den Buchwert des eingebrachten Vermögens, begrenzt,5 und zwar rückwirkend für Einbringungen, bei denen der
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07 (auch zur sog. Ein-Mann-GmbH & Co. KG); BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 = GmbHR 2009, 48; BFH v. 25.4.2006 – VIII R 52/04, BStBl. II 2006, 847 = GmbHR 2006, 991 m.w.N. zur Rspr.; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 61. Zur Abgrenzung der Kapitalkonten vgl. BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, GmbHR 2008, 548. Die Finanzverwaltung verweist in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07 insoweit auf die BMF-Schreiben v. 11.7.2011 (BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713) sowie v. 30.5.1997 (BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 S 2241a-51/93 II, BStBl. I 1997, 627). Vgl. etwa auch: Ley, KÖSDI 2014, 18891; Ley, KÖSDI 2014, 18843; Wälzholz, DStR 2011, 1815 (Teil 1) und 1861 (Teil 2) sowie Carlé/Bauschatz, FR 2002, 1153; Crezelius, DB 2004, 397; Frystatzki, EStB 2006, 342; Ley, DStR 2003, 957; Rödel, INF 2007, 456; Röhrig/Doege, DStR 2006, 489; Rodewald, GmbHR 1998, 521; Rogall, DB 2007, 1215. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07. 4 BFH v. 18.9.2013 – X R 42/10, BFH/NV 2013, 2006 = GmbHR 2013, 1325 gegen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07 (nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Vorgang nach dem Verhältnis der jeweiligen Teilleistungen aufzuteilen). 5 Vgl. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Zu den sich hieraus ergebenden Folgen: Rogall/Dreßler, DB 2015, 1981.
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§ 11
Verschmelzung von Personengesellschaften
Umwandlungsbeschluss nach dem 31.12.2014 erfolgt bzw. der Einbringungsvertrag nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde.1 Eine (teilweise) Gewinnrealisierung tritt dagegen ein, wenn der Einbringende von den Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft eine Zuzahlung in sein Privatvermögen erhält (Veräußerung eines Teil-Mitunternehmeranteils).2 Dementsprechend will die Finanzverwaltung auch abweichend von den vorstehend ausgeführten allgemeinen Grundsätzen § 24 UmwStG nicht anwenden, wenn sich der Vorgang bei wirtschaftlicher Betrachtung als Veräußerung gegen ein nicht in Gesellschaftsrechten bestehendes Entgelt darstellt, etwa bei einer der Einbringung folgenden Realteilung der Personengesellschaft (wobei der Einbringende im Wesentlichen liquide Mittel erhält)3 oder – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – dann, wenn ein Gesellschafter eine Barzuzahlung in die Gesellschaft leistet, die unmittelbar im Anschluss (von allen Gesellschaftern anteilig) entnommen wird.4
11.398
Ein nicht zu unterschätzendes Umstrukturierungshindernis kann sich zudem aus § 50i Abs. 2 EStG ergeben. Danach sind im Rahmen von Umwandlungen und Einbringungen i.S. des § 1 UmwStG bestimmte Sachgesamtheiten (gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaften gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG; Besitzgesellschaften einer Betriebsaufspaltung), auf die ihrerseits Wirtschaftsgüter zu einem Wert unter dem Buchwert übertragen wurden, stets von der aufnehmenden Gesellschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Aufgrund des sehr weiten Wortlautes kann sich diese Vorschrift in einer Vielzahl von Fällen als Umwandlungshindernis erweisen.5 Insoweit sollte sich die Finanzverwaltung hier zu einer restriktiven Auslegung entschließen (s. zum Hintergrund des § 50i EStG auch Rz. 11.226).
11.399
Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG).6 Setzt die übernehmende Gesellschaft die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert an, kann daher eine Sofortaufdeckung der stillen Reserven vermieden werden.7 Dass die Einbringung in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen für den Einbringenden eine Veräußerung i.S.v. § 16 Abs. 1 EStG darstellt, setzt der Gesetzgeber dabei voraus. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG ist jedoch nur zu gewähren, wenn das Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert angesetzt wird und nicht lediglich ein
11.400
1 2 3 4 5
§ 27 Abs. 14 UmwStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.08. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.07 a.E. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.11. Zu den Einzelheiten vgl. etwa Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50i EStG Rz. 140 ff. (Stand: Oktober 2014); Patt, EStB 2014, 377; Rödder/Kuhr/Heimig, Ubg 2014, 477; Rödder, DB 2015, 1422. 6 Zu Folgewirkungen für den Einbringenden vgl. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 221 ff. (Stand: November 2011). 7 Bringt ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb in eine Personengesellschaft ein und ermitteln sowohl der Einbringende als auch die Personengesellschaft den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG und wird der Buchwertansatz gewählt, so ist ein Übergang zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nicht erforderlich, OFD Niedersachsen v. 30.6.2015 – S 1978d-10-St 243, DB 2015, 1756.
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§ 11
Umstrukturierungen
Teil-Mitunternehmeranteil eingebracht wird (§ 24 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG). (Nur) in diesen Fällen ist grundsätzlich auch die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 und 3 EStG anzuwenden, soweit im eingebrachten Betriebsvermögen keine Anteile an Kapitalgesellschaften vorhanden sind, die unter das Teileinkünfteverfahren fallen (§ 24 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 UmwStG). Der Veräußerungsgewinn unterliegt – soweit er auf eine natürliche Person entfällt und nicht lediglich ein Teil-Mitunternehmeranteil1 eingebracht wird – zudem grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer (vgl. § 7 Satz 2 GewStG). Zu beachten ist aber, dass § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG als für entsprechend anwendbar erklärt. Danach gilt der erzielte Veräußerungsgewinn – auch für die Gewerbesteuer2 – als laufender Gewinn, soweit der Einbringende an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt ist. Wie der Anteil des laufenden Gewinns zu ermitteln ist, wenn mehrere Mitunternehmer einer Personengesellschaft ihre Mitunternehmeranteile in eine andere Mitunternehmerschaft einbringen, ist umstritten. Die Finanzverwaltung stellt hierbei nicht auf den einzelnen Gesellschafter, sondern auf die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit ab:3 Beispiel4 11.401
An einer OHG sind vier Gesellschafter zu je 1/4 beteiligt. Es soll gegen Bareinlage in das Betriebsvermögen ein fünfter Gesellschafter so aufgenommen werden, dass alle Gesellschafter anschließend zu je 1/ 5 beteiligt sind. Wirtschaftlich gesehen gibt jeder der Altgesellschafter 1/ 5 an den neuen Gesellschafter ab: er veräußert also zu 4/5 „an sich selbst“. Ein bei Ansatz mit dem gemeinen Wert entstehender Gewinn ist nach der Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG daher zu 4/5 nicht begünstigt.
11.402
Die übernehmende Gesellschaft tritt – sofern sie die übernommenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert ansetzt – in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein (§ 24 Abs. 4 Halbs. 1 UmwStG i.V.m. §§ 23 Abs. 1, 4 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 3 Halbs. 1 UmwStG). Verlustvorträge der Gesellschafter nach § 10d EStG werden hierdurch nicht berührt. Besteht ein verrechenbarer Verlust nach § 15a Abs. 2 EStG, so geht dieser u.E. auch für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nicht unter. Insbesondere bleibt die wirtschaftliche Identität des Kommanditanteils erhalten.5 Ein Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und ein 1 Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 95; Patt in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 155 (Stand: Dezember 2013). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.17 unter Hinweis auf BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/01, BStBl. II 2004, 734 = GmbHR 2004, 1096; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 94; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 256, a.A. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 153 (Stand: Dezember 2013). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.16. Zum Streitstand vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 248. 4 Nach BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 24.16. 5 Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 142 (Stand: Dezember 2011); Heuermann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15a EStG Rz. 126 (Stand: November 2014); Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 238; Rödder/Schumacher, DB 1998, 99 (102); a.A. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. B 489 (Stand: Juni 2009); v. Beckerath in Kirchhof, § 15a EStG Rz. 24.
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§ 11
Verschmelzung von Personengesellschaften
EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG gehen allerdings verloren (§ 24 Abs. 6 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 9 UmwStG). Da § 24 Abs. 4 UmwStG nicht auf § 23 Abs. 5 UmwStG verweist, gelten für einen bestehenden gewerbesteuerlichen Verlustvortrag i.S.v. § 10a GewStG die allgemeinen Regelungen. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Verlustvortrag an die Person der Gesellschafter der Personengesellschaft geknüpft ist. Soweit die Einbringenden Mitunternehmer der übernehmenden Gesellschaft werden, bleibt der Verlustvortrag somit erhalten; insbesondere entsteht bei der gleichzeitigen Einbringung aller Gesellschaftsanteile auch nicht kurzzeitig eine doppelstöckige Personengesellschaft (s. zuvor Rz. 11.388). Die Einbringung kann steuerrechtlich nur mit sofortiger Wirkung oder mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Eine rückwirkende Einbringung im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist nicht möglich, da § 24 Abs. 4 UmwStG nur für Einbringungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Regelungen in § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG für entsprechend anwendbar erklärt.
11.403
Erfolgt die Einbringung in die Personengesellschaft zu Buchwerten oder zu Zwischenwerten, ist für die folgenden sieben Jahre die Sperrfrist nach § 24 Abs. 5 UmwStG zu beachten, innerhalb der Veräußerungen und Veräußerungen gleichgestellte Vorgänge rückwirkend zu einem Einbringungsgewinn führen. Allerdings löst nicht jede Einbringung nach § 24 UmwStG eine solche Sperrfrist aus. Voraussetzung ist vielmehr, dass im eingebrachten Betriebsvermögen Anteile an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse enthalten waren und ein Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile zwar bei einem Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei ist, nicht aber beim Einbringenden. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung als Teil eines Betriebes oder auch eines Mitunternehmeranteils von einer natürlichen Person in eine Personengesellschaft, an der ihrerseits eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, eingebracht und nach der Einbringung z.T. (in Höhe der Vermögensbeteiligung der beteiligten Kapitalgesellschaft) gem. § 8b Abs. 2, 6 KStG steuerfrei veräußert wird. § 24 Abs. 5 UmwStG sieht somit nur Veräußerungen und gleichgelagerte Vorgänge als sperrfristrelevant an, soweit der Gewinn aus der Veräußerung auf einen Mitunternehmer entfällt, für den § 8b Abs. 2 KStG Anwendung findet, also eine Körperschaft an der Personengesellschaft beteiligt ist.1 Die Einbringung der Mitunternehmeranteile ist grunderwerbsteuerbar, soweit die Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, Eigentümerin von Grundstücken oder diesen gleichgestellten Rechten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).2 Die Grunderwerbsteuer wird zwar nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben, soweit die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft am Vermögen der aufnehmenden GmbH & Co. KG beteiligt sind. Dies gilt aber nur, soweit bei der übertragenden Gesellschaft in den letzten fünf Jahren vor der Umstrukturierung kein 1 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 281; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 129 letzter Spiegelstrich; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 235 ff. (Stand: August 2014). 2 Vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344 (345) = GmbHR 2003, 488; BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903 (905); BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 (361). Eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgt nicht.
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11.404
§ 11
Umstrukturierungen
rechtsgeschäftlicher Gesellschafterwechsel erfolgt ist (§ 6 Abs. 4 GrEStG). Darüber hinaus beginnt mit der Umstrukturierung bei der übernehmenden Gesellschaft eine fünfjährige Sperrfrist, innerhalb derer die Gesellschaftsanteile nicht übertragen werden können, ohne dass hierdurch Grunderwerbsteuer ausgelöst wird (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).1 Ist die übernehmende Gesellschaft Eigentümerin von grunderwerbsteuerrelevantem Vermögen, so kann durch die Verschmelzung ebenfalls Grunderwerbsteuer ausgelöst werden, wenn im Rahmen der Verschmelzung zumindest 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a GrEStG, möglicherweise auch nach § 1 Abs. 3a GrEStG). Grunderwerbsteuer kann zudem entstehen, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre vor der (wirtschaftlichen) Verschmelzung Grundstücke nach § 5 Abs. 2 und 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 GrEStG grunderwerbsteuerfrei auf die übertragende oder die übernehmende Personengesellschaft übertragen wurden, und sich durch die Zusammenführung der Vermögensmassen die Beteiligungsverhältnisse zu Lasten der ursprünglichen Grundstückseigentümer verschieben (Sperrfristverletzung nach § 5 Abs. 3 GrEStG bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).2 11.405
Gestaltungshinweis: Die bereits in Rz. 11.392 angesprochene und von einigen Autoren kritisch gesehene Frage des sachlichen Anwendungsbereichs des § 24 UmwStG im Fall der gleichzeitigen Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile in eine andere Personengesellschaft kann vermieden werden, indem zunächst nur die Kommanditanteile (ggf. zusammen mit den Anteilen an der Komplementär-GmbH) auf die aufnehmende Gesellschaft übertragen werden und die Komplementär-GmbH erst in einem zweiten Schritt aus der übertragenden Gesellschaft ausscheidet. Der erste Schritt, also die Übertragung der Kommanditanteile, unterliegt dem sachlichen Anwendungsbereich des § 24 UmwStG, während die nachfolgende Anwachsung nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist. Allerdings entsteht auf diesem Weg zivilrechtlich kurzzeitig eine doppelstöckige Personengesellschaft, so dass z.B. gewerbesteuerliche Verlustvorträge verloren gehen.3 Ist die übertragende 1 § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kommt nicht zur Anwendung, wenn die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung auf einer Schenkung i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG beruht. Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.1, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4. Gleiches gilt wegen § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG für die Übertragung von Anteilen an der Personengesellschaft auf Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie: FG Münster v. 10.12.2008 – 8 K 4556/05 GrE, EFG 2009, 1049, rkr.; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.2, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4, juris. 2 § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kommt nicht zur Anwendung, wenn die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung auf einer Schenkung i.S. des § 3 Nr. 2 GrEStG beruht. Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 = GmbHR 2010, 52; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.1, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4. Gleiches gilt wegen § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG für die Übertragung von Anteilen an der Personengesellschaft auf Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie: FG Münster v. 10.12.2008 – 8 K 4556/05 GrE, EFG 2009, 1049, rkr.; OFD NRW v. 20.10.2014 – S 4514 - 2014/0008 St 255 Rz. 2.2, GrESt-Kartei NW § 5 GrEStG Karte 4. 3 BFH v. 26.7.1996 – VIII R 41/95, BStBl. II 1997, 179 (181) = GmbHR 1996, 790; Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Rz. 75 (Stand: Oktober 2013). Das soll nach Auffassung des BFH auch dann gelten, wenn die doppelstöckige Struktur lediglich für eine „juristische Sekunde“ besteht, vgl. BFH v. 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. II 2013, 176.
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§ 11
Verschmelzung von Personengesellschaften
Gesellschaft Eigentümerin von Grundbesitz, stellt sich zudem die Frage der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung: Der erste Schritt ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 2a GrEStG, möglicherweise auch nach § 1 Abs. 3a GrEStG, aber nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei, soweit die Gesellschafter der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft identisch sind. Die Vorbesitzzeit des § 6 Abs. 4 GrEStG und die Behaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sind allerdings zu beachten. Die nachfolgende Anwachsung ist wiederum grunderwerbsteuerbar, diesmal nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Auch insoweit wird die Grunderwerbsteuer nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben, wobei für die fünfjährige Vorbesitzzeit nach § 6 Abs. 4 GrEStG auf die oberste Gesellschafterebene abzustellen ist.1 Die Anwachsung verletzt daher u.E. auch nicht die durch die vorhergehende Übertragung der Gesellschaftsanteile ausgelöste Sperrfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG.2
2. Verschmelzung nach den Regeln des UmwG Alternativ zu der vorstehend dargestellten (wirtschaftlichen) Verschmelzung durch Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile in die aufnehmende Gesellschaft kann eine bestehende GmbH & Co. KG zivilrechtlich auch nach den Regeln des UmwG auf eine andere bestehende GmbH & Co. KG verschmolzen werden (Verschmelzung zur Aufnahme). Möglich ist auch die Verschmelzung zweier GmbH & Co. KGs auf eine mit der Verschmelzung neu entstehende Gesellschaft (Verschmelzung zur Neugründung). Beide Verschmelzungsarten sind in §§ 2, 39 ff. UmwG geregelt. Es gelten insoweit die allgemeinen Regelungen. Hervorzuheben ist, dass im Verschmelzungsvertrag für jeden Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers zu bestimmen ist, ob ihm in der übernehmenden oder der neuen Personenhandelsgesellschaft die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Kommanditisten gewährt wird (§ 40 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Soll ein bisheriger Kommanditist persönlich haften, bedarf dies seiner Zustimmung (§ 40 Abs. 1 Satz 2 UmwG).
11.406
Die Komplementär-GmbH der übertragenden Personengesellschaft nimmt an der Verschmelzung nach allgemeinen Grundsätzen teil. Hält sie an der übertragenden Personengesellschaft keinen Kapitalanteil, ist ihr auch an der übernehmenden Personengesellschaft kein Kapitalanteil zu gewähren.3 Ggf. entsteht eine Kommanditgesellschaft mit zwei Komplementärinnen. Um dies zu vermeiden, kann überlegt werden, eine der Komplementärinnen mit der Verschmelzung oder unmittelbar nach der Verschmelzung ausscheiden zu lassen. Diese Frage wird sich auch danach
11.407
1 Zur Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG in doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BFH/NV 2015, 615 = GmbHR 2015, 502; BFH v. 27.4. 2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649 = GmbHR 2005, 1509; Hofmann, § 6 GrEStG Rz. 20; Viskorf in Boruttau, § 6 GrEStG Rz. 40; Fuhrmann/Demuth, UVR 2006, 26; Stoschek/ Mies, DStR 2006, 221. 2 I.E. auch Pahlke, § 6 GrEStG Rz. 58 (teleologische Reduktion). 3 LG Saarbrücken v. 17.3.1998 – 7 T 19/96 IV, DNotI-Report 1999, 163; Tillmann, GmbHR 2003, 740 (753). Möglicherweise kann sie als Gesellschafter ohne Kapitalbeteiligung aufgenommen werden, vgl. Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rz. 24.3 (Stand: April 2013).
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§ 11
Umstrukturierungen
beantworten, ob ausgeschlossen werden kann, dass die Anteile an der Komplementärin steuerlich als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind (Rz. 11.207 ff.). 11.408
Steuerrechtlich stellt die Verschmelzung zweier GmbH & Co. KGs einen Anwendungsfall des § 24 UmwStG dar (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG), so dass auf die obigen Ausführungen zur Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile in eine bestehende GmbH & Co. KG verwiesen werden kann. Auch bei der Verschmelzung zur Aufnahme liegen zwei Einbringungsvorgänge vor, und zwar sowohl für die übertragende als auch für die übernehmende Personengesellschaft (s. Rz. 11.392). Gegenstand der Einbringung soll hier aber der Betrieb der Personengesellschaft und nicht der Mitunternehmeranteil des Gesellschafters sein.1 Die jeweils aufnehmende GmbH & Co. KG kann dann das eingebrachte Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert, auf Antrag auch mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert ansetzen, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil Gegenstand der Einbringung ist und der Einbringende Mitunternehmer der aufnehmenden Gesellschaft wird. Der Wert, mit dem die aufnehmende Gesellschaft die Wirtschaftsgüter ansetzt, gilt für den Mitunternehmer der übertragenden Gesellschaft als Veräußerungspreis. Auch wenn nach Auffassung der Finanzverwaltung bei einer Verschmelzung nach den Regelungen des UmwG der jeweilige Betrieb der Personengesellschaft Einbringungsgegenstand ist,2 dürfte zumindest vorsorglich auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt, in den Einbringungsvorgang einzubeziehen sein; dabei ist aber ausreichend, dass die Wirtschaftsgüter Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden Gesellschaft werden (s. Rz. 11.395). Wird eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen angestrebt, so muss die Übertragung parallel zur Verschmelzung durch Einzelrechtsnachfolge erfolgen, da das Sonderbetriebsvermögen zivilrechtlich nicht von der Verschmelzung erfasst ist. Die Verpflichtung zur Übertragung dieses Vermögens sollte schon im Verschmelzungsvertrag angelegt werden. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu entscheiden, wie mit den Anteilen an der Komplementär-GmbH zu verfahren ist. Wird die Komplementär-GmbH der übertragenden Gesellschaft Komplementärin der aufnehmenden Gesellschaft, so werden deren Anteile automatisch Sonderbetriebsvermögen II des einbringenden Gesellschafters. Dies ist für die Anwendung des § 24 UmwStG ausreichend (s. Rz. 11.395).3 Scheidet die Komplementär-GmbH dagegen mit der Verschmelzung aus, so werden ihre Anteile nicht Sonderbetriebsvermögen II. Hier stellt sich die Frage, ob eine wesentliche Betriebsgrundlage des Mitunternehmeranteils vorliegt (s. dazu oben Rz. 11.207 ff.). Dies dürfte häufig zu verneinen sein, sollte aber vor der Umwandlung ggf. mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden. Gleiches gilt, wenn die Komplementär-GmbH unmittelbar nach der Verschmelzung ausscheiden soll.
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.05 i.V.m. Rz. 24.03. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.05 i.V.m. Rz. 24.03. 3 A.A. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 15 (Stand: November 2011).
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§ 11
Spaltung von Personengesellschaften
Hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Folgen kann auf die Ausführungen zur Einbringung sämtlicher Gesellschaftsanteile in eine bestehende GmbH & Co. KG unter Rz. 11.404 verwiesen werden.
11.409
IV. Spaltung von Personengesellschaften 1. Handelsrechtliche Spaltungsarten An einer Spaltung können gem. § 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwG Personenhandelsgesellschaften sowohl als übertragende als auch als aufnehmende Rechtsträger beteiligt sein. Die Spaltung kann sich als Aufspaltung gem. § 123 Abs. 1 UmwG oder als Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG vollziehen. Zivilrechtlich möglich ist auch die Ausgliederung des Vermögens nach § 123 Abs. 3 UmwG.
11.410
Bei der Aufspaltung einer Personenhandelsgesellschaft wird ihr gesamtes Vermögen unter Auflösung ohne Abwicklung durch gleichzeitige Übertragung der Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf mindestens zwei andere bestehende oder dadurch neu gegründete Rechtsträger übertragen. Im Gegenzug erhalten die Gesellschafter der aufgespaltenen Gesellschaft Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern. Bei der Abspaltung wird ein Teil des Vermögens einer Personengesellschaft separiert, indem dieser Teil als Gesamtheit auf einen bestehenden oder dadurch neu gegründeten Rechtsträger, wiederum gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, übergeht. Während die Aufspaltung also zum Untergang bzw. zur Vollbeendigung des übertragenden Rechtsträgers führt, bleibt dieser im Fall der Abspaltung bestehen. Die Ausgliederung unterscheidet sich von den beiden vorherigen Spaltungsarten dadurch, dass hier die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft der übertragenden Gesellschaft gewährt werden. Es entsteht also eine doppelstöckige Struktur.
11.411
2. Steuerrechtliche Einordnung Wie sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG ergibt, sind sowohl die Aufspaltung als auch die Abspaltung als Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG einzuordnen. Entsprechendes gilt auch für die Ausgliederung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 UmwStG). Die Vorschriften sind lediglich klarstellend. Auch bis zur Novellierung des UmwStG durch das sog. SEStEG vom 12.12.20061 ging die Finanzverwaltung davon aus, dass die Auf- sowie Abspaltung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften dem § 24 UmwStG unterfiel.2
11.412
Mit der ausdrückliche Aufnahme der Spaltungen in den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG durch § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG ist auch klargestellt, dass die Spaltung sowohl in der Form der Auf- als auch der Abspaltung steuerrechtlich als einheitlicher Übertragungsvorgang einzuordnen ist, der insgesamt dem Regelungs-
11.413
1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 2 BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98/IV B 2 - S 1909 - 33/98, BStBl. I 1989, 268, geändert durch BMF v. 21.8.2001 – IV A 6 - S 1909 - 11/01, BStBl. I 2001, 543 Rz. 24.19.
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§ 11
Umstrukturierungen
bereich des § 24 UmwStG unterfällt.1 Insbesondere kann die Spaltung damit nicht in die Übertragung des Vermögens der Personengesellschaft auf deren Gesellschafter (§ 16 Abs. 3 EStG bzw. § 6 Abs. 5 EStG) einerseits und den nachfolgenden Einbringungsvorgang nach § 24 UmwStG andererseits aufgeteilt werden.2 Eine solche Sichtweise kommt allenfalls in Betracht, wenn die Spaltungswirkungen außerhalb der §§ 123 ff. UmwG durch entsprechende Vorgänge im Wege der Einzelrechtsnachfolge nachvollzogen werden, also die übertragende Gesellschaft unter Auskehrung des Vermögens an die Gesellschafter aufgelöst wird und diese das erhaltene Vermögen in die übernehmenden Gesellschaften einbringen.3 Im Übrigen bleibt für die Anwendung der Realteilungsgrundsätze (§ 16 Abs. 3 EStG) Raum, wenn die Voraussetzungen des § 24 UmwStG nicht erfüllt sind, insbesondere keine Teilbetriebe übertragen werden.4 11.414
Wesentliche Voraussetzung für die Buchwertfortführung nach § 24 UmwStG ist, dass mit der Spaltung qualifiziertes Vermögen übertragen wird, also Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile. Unschädlich ist hierbei, dass die Gesellschaftsanteile an den aufnehmenden Gesellschaften an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden, da diese als Einbringende, jedenfalls aber in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als „mittelbar Einbringende“ anzusehen sind.5 Da in Fällen des § 24 UmwStG der Mitunternehmeranteil als betriebliche Einheit übertragen wird, führt die anteilige Übernahme von betrieblichen Verbindlichkeiten des Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögens nicht zur (Teil-)Entgeltlichkeit.6
11.415
Dem schließt sich die Frage nach der Behandlung einer nichtverhältniswahrenden Auf- oder Abspaltung an. Das sind Spaltungen, bei denen die Gesellschafter an der übernehmenden Gesellschaft im Vergleich zu ihrer Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft mit einer höheren oder niedrigeren Quote beteiligt werden. Wie § 128 UmwG zeigt, sind solche Spaltungen umwandlungsrechtlich zulässig. Dies geht so weit, dass einzelne Gesellschafter an der übernehmenden Gesellschaft überhaupt nicht beteiligt zu werden brauchen (sog. Spaltung „zu null“).7 Steuerrechtlich fällt die nichtverhältniswahrende Spaltung in den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG und ist zu Buchwerten möglich. Dazu ist zunächst zu beachten, dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG auf die verschiedenen Spaltungsarten nach dem UmwG verweist, und zwar ohne die nichtverhältniswahrende Spaltung (einschließlich der Spaltung „zu null“) hiervon auszunehmen. Sieht man zudem rich1 Vgl. Motzka in Semler/Stengel, UmwG, Anh. UmwStG Rz. 569d. 2 So aber: Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, Rz. M 17 ff. Vgl. zur Abspaltung als Anwendungsfall des § 24 UmwStG: FG Münster v. 25.10.2012 – 3 K 4089/10 F, EFG 2013, 338 Rev. eingelegt (Az. des BFH IV R 47/12), wobei dort die Voraussetzungen des § 24 UmwStG im Übrigen nicht vollumfänglich vorlagen. 3 Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 213 (Stand: Juni 2012). 4 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 52; Pupeter in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 10 Rz. 1879 (Stand: Juli 2014). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.03 i.V.m. Rz. 24.03; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 31 (Stand: November 2011). 6 Forst/Frings, EStB 2003, 442 (444). 7 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 128 UmwG Rz. 12.
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§ 11
Spaltung von Personengesellschaften
tigerweise (nur) diejenigen Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft als Einbringende im Rahmen der Spaltung an, die Mitunternehmer der übernehmenden Gesellschaft werden bzw. deren Mitunternehmerstellung bei dieser Gesellschaft verstärkt wird, so ergibt sich auch ohne weiteres die – zum Teil für die nichtverhältniswahrende Spaltung bestrittene1 – Verknüpfung einer Leistung (eingebrachtes Betriebsvermögen) mit einer Gegenleistung (Einräumung einer Mitunternehmerstellung).2 Damit ist auch der Fall der Spaltung „zu null“ vom Anwendungsbereich des § 24 UmwStG erfasst.3 Wie bei der Verschmelzung zweier Personengesellschaften auch, bleibt ein Verlustvortrag der Gesellschafter der Personengesellschaft nach § 10d EStG durch die Spaltung unberührt. Gleiches gilt für verrechenbare Verluste der übertragenden Personengesellschaft i.S.v. § 15a Abs. 2 EStG, und zwar sowohl im Fall der Abspaltung als auch bei der Aufspaltung. Die Grundsätze für die Verschmelzung gelten hier entsprechend. Damit sollte der Gesellschafter der übertragenden Personengesellschaft die aus seiner Beteiligung entstandenen verrechenbaren Verluste auch (anteilig) mit Gewinnen der übernehmenden Personengesellschaften verrechnen können.4 Ein Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und ein EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG gehen bei der Aufspaltung jedoch unter (§ 24 Abs. 6 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 9 UmwStG).5 Gewerbesteuerliche Verlustvorträge der Personengesellschaft nach § 10a GewStG bleiben – die fortbestehende Unternehmensidentität vorausgesetzt – erhalten, soweit an der übernehmenden Personengesellschaft die gleichen Mitunternehmer beteiligt sind wie an der gespaltenen bzw. der übertragenden Personengesellschaft.6
11.416
Gehen mit der Spaltung Grundstücke auf die neue Personengesellschaft über, so ist der Vorgang grunderwerbsteuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Die Steuer wird nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG aber nicht erhoben, soweit Gesellschafteridentität besteht. Auch hier sind die Vorbesitzzeit des § 6 Abs. 4 GrEStG sowie die Behaltensfristen des § 5 Abs. 3 GrEStG und des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten.
11.417
1 Haritz/Wagner, DStR 1997, 181 (184). 2 I.E. auch: Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rz. 50; Rogall, DStR 2005, 992 (997). 3 Vgl. auch Gesetzesbegründung zu § 20 UmwStG 1995, BT-Drucks. 121/6885 v. 24.2.1994, S. 25. 4 Vgl. aber auch Wacker in Schmidt, § 15a EStG Rz. 239 zur Realteilung; Differenzierend nach Abspaltung und Aufspaltung: Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15a EStG Rz. 142, 143 (Stand: Dezember 2011). Bei der Abspaltung soll danach eine Einlagenminderung i.S.v. § 15a Abs. 3 EStG vorliegen, die eine Gewinnzurechnung auslösen kann. 5 Bei der Abspaltung dürfte der Zinsvortrag anteilig nach dem Verhältnis des gemeinen Wertes des übergehenden Teilvermögens untergehen, vgl. Hoffmann, GmbHR 2008, 113 (118). 6 Auch hier sind u.E. die zur Einbringung geltenden Grundsätze anzuwenden. Zur ähnlich gelagerten Realteilung vgl. H 10a.2 GewStH 2009 (Unternehmensidentität) sowie R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 7 GewStR 2009 (Unternehmeridentität). Vgl. auch Franz/Wegener, Ubg 2008, 608 (614 ff.). Auf mehrstöckige Personengesellschaftsstrukturen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften ist § 8c KStG entsprechend anzuwenden (§ 10a Satz 10 GewStG).
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§ 11
Umstrukturierungen
V. Umwandlung einer atypischen Unterbeteiligung in eine Hauptbeteiligung 11.418
Hat ein Kommanditist der GmbH & Co. KG einem anderen an seinem Kommanditanteil eine atypische Unterbeteiligung eingeräumt, so kann diese Unterbeteiligung zivilrechtlich in eine unmittelbare Kommanditbeteiligung umgewandelt werden. Zu diesem Zweck überträgt der Hauptbeteiligte einen Teil seiner Kommanditbeteiligung unter Auflösung der Unterbeteiligung auf den bisher atypisch Unterbeteiligten.1
11.419
Ertragsteuerlich ist die Umwandlung nach wohl allgemeiner Auffassung in der Literatur steuerneutral, wobei zur Begründung der Steuerneutralität unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Zum Teil wird hierin ein ertragsteuerlich irrelevanter Formwechsel einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft gesehen.2 Diese Auffassung wird i.E. durch die Rechtsprechung des BFH gedeckt, nach der der bloße Wechsel der Rechtsform einer durchgängig bestehenden Mitunternehmerschaft nicht zu einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe führt.3 Nach anderer Ansicht soll eine solche Umwandlung dagegen ertragsteuerlich als Einbringung der Anteile des Unterbeteiligten in die Hauptbeteiligungsgesellschaft zu qualifizieren sein mit der Folge, dass insoweit § 24 UmwStG Anwendung findet.4 Schließlich wird in der Auflösung der Unterbeteiligung ein Fall des § 6 Abs. 3 EStG5 oder eine Realteilung nach § 16 Abs. 3 EStG6 gesehen.
11.420
Im Ergebnis ist die Auffassung, nach der ein ertragsteuerneutraler Formwechsel vorliegt, vorzugswürdig. Zwar kann hiergegen eingewendet werden, dass bei einer atypischen Unterbeteiligung steuerlich eine doppelstöckige Personengesellschaft mit der Unterbeteiligungsgesellschaft als Obergesellschaft besteht7 und der Unterbeteiligte nicht selbst Mitunternehmer der Hauptgesellschaft, sondern wegen § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ggf. nur Sonder-Mitunternehmer8 ist. Ob die Unterbeteiligung uneingeschränkt mit einer doppelstöckigen Personengesellschaft gleichzusetzen ist, muss aber bezweifelt werden. Insbesondere die verfahrensrechtliche Regelung des § 179 Abs. 2 Satz 3 AO, nach der für die Unterbeteiligungsgesell1 Vgl. zu ausgewählten Problemkreisen bei atypischen Unterbeteiligungen: Maetz, DStR 2015, 1844. 2 Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 24 UmwStG Rz. 9 (Fn. 5); Patt in Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 24 UmwStG Rz. 73 (Stand: August 2014); Patt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 331 (Stand: März 2013) und Rz. 336 (Stand: März 2013); Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz. 76 (Stand: Juni 2012); i.E. auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 422. 3 BFH v. 28.11.1989 – VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561 zur Umwandlung einer GbR in eine atypisch stille Gesellschaft. 4 Schindhelm/Pickardt-Poremba/Hilling, DStR 2003, 1469 (1472 f.). 5 Centrale-Gutachtendienst, GmbHR 2004, 1149. 6 Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 545 (Stand: Februar 2013); Böwing-Schmalenbrock, FR 2012, 121; Stollenwerk/Scherff, GmbH-StB 2005, 45 (50). 7 BFH v. 2.10.1997– IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137. 8 Vgl. z.B. BFH v. 7.12.2000 – III R 35/98, BStBl. II 2001, 316 (319) = GmbHR 2001, 358; BFH v. 6.9.2000 – IV R 69/99, BStBl. II 2001, 731 (733) = GmbHR 2001, 77; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz. 255.
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§ 11
Umwandlung einer atypisch stillen Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung
schaft eine besondere gesonderte Feststellung vorgenommen werden kann, aber nicht vorgenommen werden muss,1 zeigt, dass insoweit für die Unterbeteiligungsgesellschaft Besonderheiten gelten. Wollte man dagegen dem Charakter als doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur Rechnung tragen, so besteht zunächst die Möglichkeit, dass sowohl der Hauptbeteiligte als auch der Unterbeteiligte ihre Beteiligungen an der Unterbeteiligungsgesellschaft nach § 24 UmwStG in die Kommanditgesellschaft gegen Gewährung einer Mitunternehmerstellung einbringen. Die Einbringung ist zu Buchwerten möglich. Mit der Einbringung geht die Innengesellschaft unter. Alternativ können die Beteiligten die Unterbeteiligungsgesellschaft auflösen. Dann muss die Umwandlung der atypischen Unterbeteiligung in eine Hauptbeteiligung als Auflösung der Unterbeteiligungsgesellschaft nach den Grundsätzen der steuerlichen Realteilung verstanden werden.2 Die Umwandlung der atypisch stillen Unterbeteiligung in eine Hauptbeteiligung hat auf bestehende Verlustvorträge des Hauptbeteiligten und des Unterbeteiligten keinen Einfluss. Gleiches gilt hinsichtlich des verrechenbaren Verlustes i.S.v. § 15a Abs. 2 EStG. Hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge stellt sich die Frage, ob Unternehmeridentität besteht, weil bei doppelstöckigen Personengesellschaften Träger des Verlustvortrages die Obergesellschaft ist. Insoweit kann u.E. aber nichts anderes gelten als im umgekehrten Fall der Anwachsung der Tochterpersonengesellschaft auf die Mutterpersonengesellschaft (s. dazu Rz. 11.426).3
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Für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist zu beachten, dass der atypisch Unterbeteiligte nicht dinglich am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist.4 Die Umwandlung der Unterbeteiligung in eine Hauptbeteiligung führt – wenn die Grenzen überschritten sind – daher zu einem Anteilseignerwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Hauptgesellschaft. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG findet insoweit keine Anwendung. Darüber hinaus kann durch die Umwandlung auch eine bestehende Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verletzt werden.
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VI. Umwandlung einer atypisch stillen Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung Gesellschaftsrechtlich wird die Umwandlung einer atypisch stillen Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung i.d.R. in der Weise erfolgen, dass der am Geschäftsbetrieb der GmbH & Co. KG atypisch Beteiligte seine Einlage gegen Gewährung einer Kommanditbeteiligung in die Kommanditgesellschaft einbringt. Zivilrechtlich gelten hier die gleichen Grundsätze, die auch bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Personengesellschaft gelten.5 1 § 179 Abs. 2 Satz 3 AO. Die Aufnahme des Unterbeteiligten in die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung bei der Hauptgesellschaft stellt in der Praxis wohl den Normalfall dar. 2 Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Rz. 545 (Stand: Februar 2013); Böwing-Schmalenbrock, FR 2012, 121; Stollenwerk/Scherff, GmbH-StB 2005, 45 (50). 3 Vgl. aber: BFH v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492 = GmbHR 2010, 886. 4 Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG Rz. 178 ff.; Viskorf in Boruttau, § 5 GrEStG Rz. 21. 5 Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, § 18 Rz. 18.53.
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§ 11
Umstrukturierungen
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Steuerrechtlich wird die Umwandlung einer atypisch stillen Gesellschaft in eine Kommanditgesellschaft und umgekehrt als ertragsteuerneutrale formwechselnde Umwandlung angesehen.1 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Bei der atypisch stillen Gesellschaft an dem Handelsgewerbe der GmbH & Co. KG liegt allerdings steuerrechtlich eine doppelstöckige Personengesellschaft mit der atypisch stillen Gesellschaft als Untergesellschaft und der GmbH & Co. KG als Obergesellschaft vor.2 Eine einkommensteuerlich unbeachtliche formwechselnde Umwandlung ist daher genau betrachtet also nur anzunehmen, wenn die atypisch stille Gesellschaft selbst in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wird, deren Gesellschafter die bestehende GmbH & Co. KG sowie der bisher atypisch still Beteiligte sind und damit (steuerrechtlich) eine doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur erhalten bleibt. Ist dies nicht gewollt, sondern soll der am Handelsgewerbe der GmbH & Co. KG atypisch still Beteiligte Kommanditist der bestehenden GmbH & Co. KG werden, ist u.E. der Vorgang steuerlich als Einbringung eines Mitunternehmeranteils (des Anteils als atypisch stiller Gesellschafter) in eine Mitunternehmerschaft zu werten. Dieser Fall unterfällt dem Anwendungsbereich des § 24 UmwStG. Durch die Einbringung geht die steuerrechtlich anzunehmende doppelstöckige Struktur ohne zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel unter.
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Verlustvorträge der beteiligten Gesellschafter sind durch diese Umwandlung nicht betroffen. Gleiches gilt für verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 2 EStG der Kommanditisten der aufnehmenden Personengesellschaft. Das gilt auch für verrechenbare Verluste i.S.v. § 15a Abs. 2 EStG des bisher atypisch stillen Gesellschafters. Insoweit gilt nichts anderes, als bei der Einbringung einer Kommanditbeteiligung (s. zuvor Rz. 11.402).
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Gewerbesteuerliche Verlustvorträge sind u.E. durch die Umwandlung ebenfalls nicht betroffen. Auch bei einer atypisch stillen Gesellschaft sind – wie bei einer Gesamthandsgemeinschaft – Träger des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags nach § 10a GewStG die Mitunternehmer und damit die Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft.3 In Bezug auf den stillen Gesellschafter tritt insoweit durch die Umwandlung seiner Beteiligung keine Änderung ein. Gleiches gilt auch für die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge, die auf die GmbH & Co. KG entfallen. Geht die atypisch stille Gesellschaft unter, weil der still Beteiligte Kommanditist der GmbH & Co. KG wird, so ist die Situation insoweit mit der Anwachsung einer Tochterpersonengesellschaft auf die Mutterpersonengesellschaft vergleichbar. Hier sind aber nach Verwaltungsauffassung die Grundsätze der Anwachsung nach R 10a Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Satz 6 GewStR 2009 anzuwenden, so dass ein Verlustvortrag
1 BFH v. 28.11.1989 – VIII R 40/84, BStBl. II 1983, 459; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz. 422; Centrale-Gutachtendienst, GmbHR 2003, 834. 2 BFH v. 24.4.2014 – IV R 34/10, DStR 2014, 1384 = GmbHR 2014, 890; BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137 (138) unter Hinweis auf BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328 = GmbHR 1997, 563; Rätke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rz. 620 (Stand: März 2013); Schumacher, DStR 1998, 840 (841). 3 Daran ändert sich nichts dadurch, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG Steuerschuldner der Gewerbesteuer der Unternehmer ist, vgl. dazu BFH v. 22.1.2009 – IV R 90/05, BFH/NV 2009, 843 = GmbHR 2009, 496.
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§ 11
Umwandlung einer atypisch stillen Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung
der Tochterpersonengesellschaft insoweit abgezogen werden kann, als dieser auf die Mutterpersonengesellschaft entfällt.1 Grunderwerbsteuerlich wird die atypisch stille Gesellschaft negiert, so dass durch die Aufnahme des bisher atypisch stillen Gesellschafters als Kommanditist ein Anteilseignerwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Kommanditgesellschaft anzunehmen ist. Dieser löst, wenn die Grenzen dieser Vorschrift überschritten sind, Grunderwerbsteuer aus. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist nicht anzuwenden, soweit der atypisch still Beteiligte Gesellschafter der Personengesellschaft wird. Darüber hinaus kann auch hier durch die Umwandlung eine bestehende Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verletzt werden.
1 OFD Münster, Kurzinformation GewSt Nr. 002/2008, GmbHR 2008, 728. Vgl. auch: Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Rz. 61 (Stand: Oktober 2013). Ob dies den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Behandlung gewerbesteuerlicher Verlustvorträge bei doppelstöckigen Personengesellschaften entspricht, ist allerdings nicht ganz zweifelsfrei, vgl. etwa BFH v. 3.2.2010 – IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492 = GmbHR 2010, 886.
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Anhang A. Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH Gesellschaftsvertrag der … Verwaltungs-GmbH §1 Firma, Sitz, Geschäftsjahr (1) Die Gesellschaft führt die Firma: „… Verwaltungs-GmbH“. (2) Sitz der Gesellschaft ist Düsseldorf. (3) Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. §2 Gegenstand des Unternehmens (1) Gegenstand des Unternehmens ist die Geschäftsführung und Vertretung der … GmbH & Co. KG mit Sitz in Düsseldorf (im Folgenden „Hauptgesellschaft“ genannt) als deren persönlich haftende Gesellschafterin. Gegenstand der Hauptgesellschaft ist die Produktion und der Vertrieb von Eisen- und Stahlerzeugnissen. (2) Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Rechtshandlungen befugt, die unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Unternehmens stehen. Sie ist ferner berechtigt, sich an anderen Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie zu beteiligen und Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten. §3 Stammkapital, Geschäftsanteile (1) Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25 000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro). (2) Herr … und Frau … übernehmen jeweils einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 12 500 Euro (in Worten: zwölftausendfünfhundert Euro). Die Geschäftsanteile sind bei Abschluss dieses Gesellschaftsvertrages vollständig in bar zu erbringen. §4 Gleichheit der Beteiligungsquoten (1) Solange die Gesellschaft die persönliche Haftung und Geschäftsführung der Hauptgesellschaft übernimmt, muss der Anteil jedes Gesellschafters am Stammkapital seiner jeweiligen Beteiligungsquote am Gesellschaftskapital (Festkapital) der Hauptgesellschaft entsprechen. Für die Gleichheit der Beteiligungsquoten bleiben geringfügige Unterschiede außer Betracht, soweit sie dadurch bedingt sind, dass der Nennbetrag eines Geschäftsanteils durch 1 teilbar sein muss. Ferner bleiben eingezogene Geschäftsanteile und eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft für die Gleichheit der Beteiligungsquoten außer Betracht. (2) Die jeweiligen Gesellschafter und ihre Rechtsnachfolger sind gegenüber der Gesellschaft und gegenüber jedem einzelnen Gesellschafter verpflichtet, allen Maßnahmen zuzustimmen und alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um diese Gleichheit der Beteiligungsquoten zu erhalten oder wiederherzustellen, wobei Maßstab die jeweilige Beteiligung an der Hauptgesellschaft ist. Jeder Gesellschafter der Hauptgesellschaft kann die Einhaltung dieser Bestimmung verlangen und insoweit unmittelbare Rechte gegen den Verpflichteten geltend machen.
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Anhang A
Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH
(3) Solange keine Gleichheit der Beteiligungsquoten besteht, ruhen die Verwaltungsrechte und insbesondere das Stimmrecht eines Gesellschafters in dem Umfang, wie seine Beteiligungsquote am Stammkapital seine Beteiligungsquote an der Hauptgesellschaft übersteigt. (4) Kommt in den Fällen, in denen zur Herstellung der gleichen Beteiligungsquote ein Geschäftsanteil ganz oder teilweise übertragen oder erworben werden muss, eine Einigung über die Gegenleistung nicht zustande, so gilt § 14 dieses Gesellschaftsvertrages über die Abfindung entsprechend. §5 Geschäftsführung und Vertretung (1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Solange Herr … Geschäftsführer der Gesellschaft ist, ist eine Abberufung nur aus wichtigem Grunde zulässig. (2) Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft alleine. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern oder einem Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Die Gesellschafterversammlung kann einem oder mehreren Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis erteilen. Solange Herr … Geschäftsführer der Gesellschaft ist, hat er Einzelvertretungsbefugnis. Der Widerruf der Einzelvertretungsbefugnis ist nur aus wichtigem Grunde zulässig. (3) Jedem Geschäftsführer kann generell oder im Einzelfall Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. Für Geschäfte zwischen der Hauptgesellschaft und dieser Gesellschaft sind sie in jedem Fall von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Solange Herr … Geschäftsführer der Gesellschaft ist, ist er generell von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit; ein Widerruf von dieser Befreiung ist nur aus wichtigem Grunde zulässig. (4) Bei der Führung der Geschäfte der Hauptgesellschaft haben die Geschäftsführer das Gesetz, den jeweiligen Gesellschaftsvertrag der Hauptgesellschaft und dieser Gesellschaft sowie die Weisungen der Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaft zu beachten. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, führen sie die Geschäfte der Gesellschaft gemeinschaftlich. Beschlüsse der Geschäftsführung werden mit der Mehrheit aller Stimmen gefasst. Jeder Geschäftsführer hat eine Stimme. Die Gesellschafterversammlung kann mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung erlassen, in der Abweichendes geregelt ist. (5) Geschäfte und Maßnahmen der Gesellschaft, die nicht der Vertretung und Geschäftsführung der Hauptgesellschaft zuzuordnen sind, bedürfen eines vorherigen zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Das Gleiche gilt für Geschäfte und Maßnahmen, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft liegen. Zu Erklärungen, die den Gesellschaftsvertrag der Hauptgesellschaft betreffen, bedürfen die Geschäftsführer eines vorherigen zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung. §6 Gesellschafterversammlung (1) In jedem Geschäftsjahr soll innerhalb der ersten acht Monate die ordentliche Gesellschafterversammlung stattfinden. Sie beschließt in jedem Fall über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Verwendung des Jahresergebnisses, die Entlastung der Geschäftsführer und – sofern der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist oder freiwillig geprüft wird – die Wahl des Abschlussprüfers. Im Übrigen finden Gesellschafterversammlungen nach Bedarf statt. Einer Gesellschafterversammlung bedarf es nicht, wenn alle Gesellschafter mit einer Abstimmung außerhalb der Gesellschafterversammlung (§ 7 Absatz 1 dieses Gesellschaftsvertrages) einverstanden sind. (2) Die Geschäftsführer haben die Gesellschafterversammlung in den im Gesetz und im Gesellschaftsvertrag bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn das Interesse der Gesellschaft dies erfordert. Jeder Geschäftsführer kann eine Gesellschafterversammlung ein-
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berufen. Darüber hinaus sind die Geschäftsführer zur Einberufung und zur Ankündigung von Gegenständen zur Beschlussfassung verpflichtet, wenn Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens 10 % des Stammkapitals der Gesellschaft entsprechen, dies schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen. Wird dem Verlangen nicht binnen zwei Wochen entsprochen, so können die in Satz 3 bezeichneten Gesellschafter unter Mitteilung des Sachverhalts die Einberufung und Ankündigung selbst bewirken. Jeder Gesellschafter kann die Anwesenheit der Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung verlangen. (3) Die Gesellschafterversammlung ist durch eingeschriebenen Brief oder Telefax einzuberufen. Die Einberufung muss den Zeitpunkt, den Ort und die Tagesordnung angeben. Zwischen der Absendung der Einberufung und dem Tag der Gesellschafterversammlung muss eine Frist von mindestens zwei Wochen liegen. Bei der Berechnung der Einladungsfrist werden der Tag der Absendung der Einberufung und der Tag der Gesellschafterversammlung nicht mitgerechnet. Ist der Aufenthalt eines Gesellschafters unbekannt oder kann er aus anderen Gründen zur Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung nicht geladen oder zu Beschlüssen außerhalb einer solchen nicht aufgefordert werden, so ruht sein Stimmrecht bis zur Beseitigung dieses Zustandes, es sei denn, dass ein Vertreter vorhanden und der Gesellschaft bekannt ist. (4) Die Gesellschafterversammlung findet am Sitz der Gesellschaft statt. (5) Eine Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn die anwesenden und vertretenen Gesellschafter 75 % aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen [alternativ: des Stammkapitals] auf sich vereinigen. Ist eine ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung beschlussunfähig, so ist innerhalb von zwei Wochen eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung unter Einhaltung der in Absatz 3 genannten Form- und Fristvorschriften einzuberufen. Diese ist ohne Rücksicht auf die Zahl der Stimmen der anwesenden und vertretenen Gesellschafter beschlussfähig, falls hierauf in der Einberufung hingewiesen wird. (6) Wenn die für die Einberufung und Ankündigung geltenden gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Vorschriften nicht eingehalten worden sind, können Beschlüsse nur dann gefasst werden, wenn die von dem Mangel betroffenen Gesellschafter anwesend oder vertreten sind und der Beschlussfassung nicht widersprechen. (7) Jeder Gesellschafter kann sich in der Gesellschafterversammlung durch einen anderen Gesellschafter, den Testamentsvollstrecker, der seinen Geschäftsanteil verwaltet, oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Angehörigen der rechtsberatenden, wirtschaftsprüfenden oder steuerberatenden Berufe vertreten lassen oder zur Gesellschafterversammlung in dessen Beistand erscheinen. Die Vollmacht muss schriftlich erteilt sein und verbleibt bei der Gesellschaft. Die Ablehnung der Teilnahme des Beistandes durch Beschluss der anderen Gesellschafter ist nur zulässig, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Die Regelung gilt für Beschlüsse außerhalb der Gesellschafterversammlung entsprechend. (8) Den Vorsitz in der Gesellschafterversammlung führt ein Gesellschafter. Der Vorsitzende wird zu Beginn einer Gesellschafterversammlung gewählt. Bis zur Wahl wird die Gesellschafterversammlung von dem ältesten anwesenden Gesellschafter geleitet. (9) Über die Gesellschafterversammlung ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Vorsitzende zu unterzeichnen hat. Jedem Gesellschafter ist unverzüglich eine Abschrift der Niederschrift zu übersenden. Die Niederschrift hat mindestens den Zeitpunkt, den Ort, die Tagesordnung, die anwesenden und vertretenen Gesellschafter, etwaige Verzichte auf die Einhaltung von Form- und Fristvorschriften, alle Anträge und alle Beschlüsse einschließlich der jeweiligen Abstimmungsergebnisse zu enthalten. (10) Beschlüsse außerhalb der Gesellschafterversammlung hat die Geschäftsführung in einer besonderen Niederschrift unter Angabe der Anträge, der Stimmabgaben der Gesellschafter
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und des Abstimmungsergebnisses festzuhalten. Abschriften der Niederschrift sind den Gesellschaftern unverzüglich zu übersenden. §7 Gesellschafterbeschlüsse (1) Die Gesellschafter treffen ihre Entscheidungen in den Angelegenheiten der Gesellschaft durch Beschlussfassung. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Gesellschafterversammlungen gefasst. Außerhalb von Gesellschafterversammlungen können sie – soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt – durch schriftliche oder fernmündliche Abstimmung oder durch Abstimmung per Telefax gefasst werden. (2) Gesellschafterbeschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder dieser Gesellschaftsvertrag zwingend eine größere Mehrheit vorsehen. Stimmenthaltungen werden dabei nicht mitgezählt. Die Gesellschafter sind auch in eigenen Angelegenheiten stimmberechtigt, es sei denn, dass ihre Entlastung, ihre Befreiung von einer Verbindlichkeit, die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder die Erledigung eines Rechtsstreits der Gesellschaft mit ihnen Gegenstand der Beschlussfassung ist oder dieser Gesellschaftsvertrag ausdrücklich anordnet, dass dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zusteht oder nur die übrigen Gesellschafter das Stimmrecht ausüben dürfen. In diesen Fällen darf der betroffene Gesellschafter das Stimmrecht aus seinem Geschäftsanteil auch nicht durch andere Gesellschafter ausüben lassen und das Stimmrecht auch nicht für andere Gesellschafter ausüben. (3) Je 100 Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. Das Stimmrecht aus einem Geschäftsanteil kann nur einheitlich ausgeübt werden. (4) Gesellschafterbeschlüsse können nur binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat nach Empfang der Abschrift der Niederschrift durch Klage angefochten werden. Nach Ablauf der Frist gilt ein etwaiger Mangel des Gesellschafterbeschlusses als geheilt. §8 Jahresabschluss (1) Die Geschäftsführer haben innerhalb der gesetzlichen Fristen den Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang) und ggf. den Lagebericht für das vorangegangene Geschäftsjahr aufzustellen. Der Jahresabschluss hat den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung zu entsprechen, soweit nicht zwingende handelsrechtliche Bestimmungen oder dieser Gesellschaftsvertrag etwas anderes regeln. (2) Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluss, ggf. den Lagebericht und – sofern der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist oder freiwillig geprüft wird – den Prüfungsbericht sowie den Vorschlag der Geschäftsführer für die Verwendung des Jahresergebnisses sämtlichen Gesellschaftern mindestens zwei Wochen vor der jährlichen ordentlichen Gesellschafterversammlung, die den Jahresabschluss feststellt (§ 6 Absatz 1 dieses Gesellschaftsvertrages), in Kopie zu übersenden. §9 Rechtsgeschäftliche Verfügungen über Geschäftsanteile und Ansprüche gegen die Gesellschaft (1) Jede entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen oder Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen zu fassen. [alternativ: Der betroffene Gesellschafter hat hierbei kein Stimmrecht.] [alternativ: Verweigert die Gesellschafterversammlung die Zustimmung ohne wichtigen Grund, kann der betroffene Gesellschafter verlangen, dass die anderen Gesellschafter seinen Geschäftsanteil oder Teil seines
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Geschäftsanteils im Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital erwerben. Kommt eine Einigung über den Kaufpreis nicht zustande, erhält der veräußerungswillige Gesellschafter den Betrag, der ihm als Abfindung gem. § 14 dieses Gesellschaftsvertrages zustehen würde.] (2) Verfügungen über Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen oder über Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft zugunsten der gem. § 11 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesellschaftsvertrages nachfolgeberechtigten Personen bedürfen keines vorherigen zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung. In einem solchen Falle ist die Teilung eines Geschäftsanteils auch ohne Zustimmung der Gesellschaft zulässig. (3) Die Übertragung von Geschäftsanteilen oder Teilen von Geschäftsanteilen ist in sämtlichen Fällen nur zulässig, a) wenn der übertragende Gesellschafter gleichzeitig seinen Gesellschaftsanteil oder Teil seines Gesellschaftsanteils an der Hauptgesellschaft an denselben Erwerber und in dem gleichen Verhältnis überträgt oder b) soweit die Übertragung dazu dient, die Gleichheit der Beteiligungsquoten gem. § 4 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesellschaftsvertrages zu erhalten oder wiederherzustellen. (4) Die Verpfändung von Geschäftsanteilen oder Teilen von Geschäftsanteilen ist in sämtlichen Fällen nur zulässig, wenn sie der Finanzierung des Erwerbs von Geschäftsanteilen an dieser Gesellschaft dient. Die Einräumung einer Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil ist nur zugunsten der in Absatz 2 genannten Personen zulässig. § 10 Vorkaufsrecht (1) Veräußert einer der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil oder einen Teil eines Geschäftsanteils, steht den anderen Gesellschaftern ein Vorkaufsrecht im Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital zu. Für das Vorkaufsrecht gelten die Vorschriften der §§ 463 ff. BGB entsprechend. Das Vorkaufsrecht ist innerhalb eines Monats nach dem Zugang der Mitteilung durch den veräußerungswilligen Gesellschafter an die anderen Gesellschafter über den rechtswirksamen Abschluss und den Inhalt des Kaufvertrages auszuüben; die notarielle Beurkundung der Abtretung des Geschäftsanteils oder Teils des Geschäftsanteils ist ebenfalls innerhalb eines Monats vorzunehmen. Ein unteilbarer Spitzenbetrag fällt dem Gesellschafter mit der geringsten Beteiligung am Stammkapital zu. Jeder Gesellschafter kann von seinem Vorkaufsrecht nur insgesamt oder überhaupt nicht Gebrauch machen. (2) Macht ein Gesellschafter von seinem Vorkaufsrecht nicht oder nicht fristgerecht Gebrauch, geht das Vorkaufsrecht auf vorkaufswillige Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten am Stammkapital über. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend; an die Stelle des Zugangs der Mitteilung über den rechtswirksamen Abschluss und den Inhalt des Kaufvertrages tritt die Mitteilung, dass ein Gesellschafter sein Vorkaufsrecht nicht oder nicht fristgerecht ausgeübt hat. (3) Das Vorkaufsrecht gem. Absatz 1 und 2 kann nur zusammen mit dem Vorkaufsrecht hinsichtlich des Gesellschaftsanteils des betreffenden Gesellschafters an der Hauptgesellschaft ausgeübt werden. § 11 Vererbung von Geschäftsanteilen (1) Nachfolgeberechtigt sind nur Gesellschafter, leibliche Abkömmlinge oder der Ehegatte des verstorbenen Gesellschafters. Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen ganz oder teilweise auf eine Person über, die nicht nachfolgeberechtigt nach Satz 1 ist, haben die anderen Gesellschafter die Rechte nach § 12 Absatz 2 und 3 dieses Gesellschaftsvertrages. Ein Geschäftsanteil kann zum Zwecke der Erbauseinandersetzung auch ohne Zustimmung der Gesellschaft geteilt werden, soweit der Erwerber zu den nachfolgeberechtigten Personen gehört.
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(2) Sind mehrere nachfolgeberechtigte Personen vorhanden, so müssen sie sich bis zur Teilung eines Geschäftsanteils durch einen von ihnen oder einen anderen Gesellschafter als Bevollmächtigten vertreten lassen. Bis zur schriftlichen Benennung des Bevollmächtigten ruht das Stimmrecht aus den Geschäftsanteilen, die auf die nachfolgeberechtigten Erben übergegangen sind. (3) Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung hinsichtlich der Geschäftsanteile ist zulässig. Während der Dauer der Testamentsvollstreckung übt der nachfolgeberechtigte Erbe sein Stimmrecht grundsätzlich selbst aus. Jeder Gesellschafter darf als Erblasser jedoch anordnen, dass der Testamentsvollstrecker das Stimmrecht aus dem (den) Geschäftsanteil(en) während der Dauer der Testamentsvollstreckung ausübt. (4) Die vorstehenden Regelungen geltend entsprechend für Vermächtnisnehmer. § 12 Einziehung von Geschäftsanteilen (Amortisation) (1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen ist zulässig. (2) Die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist nur zulässig, wenn a) in seiner Person ein wichtiger Grund i.S. des §§ 133, 140 HGB eintritt; b) der Gesellschafter durch Kündigung seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt; c) über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird; d) die Einzelzwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil eines Gesellschafters oder eines seiner sonstigen Gesellschafterrechte oder seine Ansprüche gegen die Gesellschaft betrieben wird, und zwar mit Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Zustellung des Pfändungsund/oder Überweisungsbeschlusses, falls die Zwangsvollstreckung nicht innerhalb dieses Zeitraumes aufgehoben worden ist; e) eine Person von Todes wegen Gesellschafter wird, die nicht zu den nachfolgeberechtigten Personen nach § 11 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesellschaftsvertrages gehört; f) ein Fall des § 15 Absatz 2 dieses Gesellschaftsvertrages gegeben ist; g) ein Rechtsnachfolger nicht in demselben Umfang gleichzeitig Gesellschafter der Hauptgesellschaft wird, sobald dies zur Herstellung von gleichen Beteiligungsquoten in beiden Gesellschaften erforderlich ist; h) der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil an der Hauptgesellschaft ganz oder teilweise abtritt, ohne gleichzeitig seinen Geschäftsanteil an dieser Gesellschaft in demselben Verhältnis an denselben Erwerber abzutreten; i) der Gesellschafter nicht mehr Gesellschafter der Hauptgesellschaft ist; j) die Beteiligungsquote eines Gesellschafters am Gesellschaftskapital (Festkapital der Hauptgesellschaft) niedriger oder höher ist als seine Beteiligungsquote am Stammkapital dieser Gesellschaft, soweit dies zur Herstellung von gleichen Beteiligungsquoten in beiden Gesellschaften erforderlich ist. Die Einziehung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Der Beschluss ist mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen zu fassen. Dem betroffenen Gesellschafter steht hierbei kein Stimmrecht zu. Die Gesellschaft wird unter Beibehaltung der bisherigen Firma mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. (3) Statt der Einziehung kann die Gesellschafterversammlung in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen beschließen, dass der betroffene Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder teilweise an die Gesellschaft, einen oder mehrere Gesellschafter oder einen oder mehrere von der Gesellschaft benannte(n) Dritte(n) abzutreten hat. Dem betroffenen Gesellschafter steht hierbei kein Stimmrecht zu. Der betroffene Gesellschafter bevollmächtigt bereits jetzt für diesen Fall die Geschäftsführer jeweils einzeln unwi-
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Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH
Anhang A
derruflich, die Abtretung vorzunehmen. Die Gesellschafter sind verpflichtet, die gem. § 9 Absatz 1 dieses Gesellschaftsvertrages erforderliche Zustimmung zur Abtretung zu erteilen. Die Kosten der notariellen Beurkundung trägt der Erwerber. (4) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten zu, so ist die Einziehung gem. Absatz 2 oder die Verpflichtung zu Abtretung gem. Absatz 3 auch zulässig, wenn deren Voraussetzungen nur in der Person eines Mitberechtigten vorliegen. (5) Die Geschäftsführung hat die Einziehung gem. Absatz 2 oder die Verpflichtung zur Abtretung gem. Absatz 3 gegenüber dem betroffenen Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief zu erklären. Dem betroffenen Gesellschafter steht – soweit rechtlich zulässig – ab dem Zugang der Erklärung über die Einziehung oder die Verpflichtung zur Abtretung kein Stimmrecht mehr aus seinem Geschäftsanteil zu. (6) Die Gesellschafterversammlung kann den Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils nach Absatz 2 oder die Verpflichtung zur Abtretung nach Absatz 3 nur fassen a) im Falle des Absatzes 2 Buchst. a) innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, ab dem der wichtige Grund einem anderen Gesellschafter bekannt geworden ist; b) im Falle des Absatzes 2 Buchst. b) innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Kündigungsschreibens bei der Gesellschaft; c) in den Fällen des Absatzes 2 Buchst. c) bis j) innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, ab dem der zur Einziehung berechtigende Tatbestand einem anderen Gesellschafter bekannt geworden ist. (7) Der betroffene Gesellschafter hat Anspruch auf eine Abfindung. Ihre Höhe richtet sich nach § 14 dieses Gesellschaftsvertrages. § 13 Kündigung (Austritt) (1) Die Gesellschaft ist für unbestimmte Zeit eingegangen. (2) Jeder Gesellschafter hat das Recht, unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Geschäftsjahres, erstmals jedoch zum 31. Dezember 2015, durch Kündigung seinen Austritt aus der Gesellschaft zu erklären. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (3) Die Kündigung bedarf der Form des eingeschriebenen Briefes. Sie ist gegenüber den Geschäftsführern zu erklären, die die anderen Gesellschafter unverzüglich zu unterrichten haben. Für die Rechtzeitigkeit der Kündigung ist der Eingang bei der Gesellschaft maßgebend. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn der betreffende Gesellschafter die Hauptgesellschaft zu demselben Stichtag ebenfalls gekündigt hat. (4) Im Falle der Kündigung haben die anderen Gesellschafter die Rechte nach § 12 Absatz 2 und 3 dieses Gesellschaftsvertrages. (5) Dem betroffenen Gesellschafter steht ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Kündigungsschreibens bei der Gesellschaft – soweit rechtlich zulässig – kein Stimmrecht mehr aus seinem Geschäftsanteil zu. (6) Der kündigende Gesellschafter hat Anspruch auf eine Abfindung. Ihre Höhe richtet sich nach § 14 dieses Gesellschaftsvertrages. Das gilt nicht, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Austritts des kündigenden Gesellschafters aus zwingenden gesetzlichen Gründen in Liquidation tritt, oder wenn die übrigen Gesellschafter vor diesem Zeitpunkt beschließen oder der allein verbleibende Gesellschafter vor diesem Zeitpunkt erklärt, dass die Gesellschaft aufgelöst sein soll. In diesen Fällen erhält der kündigende Gesellschafter statt der Abfindung nach § 14 dieses Gesellschaftsvertrages dasjenige, was er erhalten hätte, wenn er an der Liquidation teilgenommen hätte, es sei denn, dieser Betrag ist höher als die Abfindung.
Mueller-Thuns
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Anhang A
Muster-Vertrag für eine Komplementär-GmbH § 14 Abfindung
(1) Scheidet ein Gesellschafter – gleichgültig aus welchem Rechtsgrund – aus der Gesellschaft aus oder ist er verpflichtet, seinen Geschäftsanteil abzutreten, hat er Anspruch auf eine Abfindung. Schuldner der Abfindung ist die Gesellschaft und im Falle der Verpflichtung zur Abtretung der Erwerber des Geschäftsanteils. Die Gesellschaft haftet in letzterem Falle als Gesamtschuldner. (2) Kommt eine Einigung über die Höhe der Abfindung binnen sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens oder der Verpflichtung zur Abtretung nicht zustande, ergibt sich die Abfindung aus dem Nennbetrag des betreffenden Geschäftsanteils – soweit er eingezahlt ist – zuzüglich des auf ihn entfallenden Anteils des Gesellschafters an den Gewinn- und Kapitalrücklagen, am Gewinnvortrag und Jahresüberschuss sowie abzüglich des anteiligen Verlustvortrags und Jahresfehlbetrags (anteiliges Eigenkapital). Scheidet der Gesellschafter zum Ende eines Geschäftsjahres aus, ist das anteilige Eigenkapital zum Ende des Geschäftsjahres maßgebend. Scheidet der Gesellschafter im Laufe eines Geschäftsjahres aus, ist das anteilige Eigenkapital zum Ende des vorherigen Geschäftsjahres maßgebend. (3) Bei Meinungsverschiedenheiten über di