Gottesknecht und Davidssohn 9783666531361, 9783525531365


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German Pages [160] Year 1953

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Gottesknecht und Davidssohn
 9783666531361, 9783525531365

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ERNST

LOHMEYER

Gottesknecht und Davidsohn

Zweite unveränderte Auflage

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1953

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments herausgegeben von D . R U D . BULTMANN

o. Prof. d. Theol. in Marburg a. d. Lahn Neue Folge, 43. Heft Der ganzen Reihe 61. Heft

Die erste Auflage erschien 1945 bei Binar Munksgaard, Hafniae Druck : Omnitypie-Gescllschaf t Nachf. Leopold Zechnall, Stuttgart

INHALT I

DIE BELEGE 1. 2. 3. 4. 5.

II

1

Die Bezeichnung Gottesknecht Matth. 12, 18—21 Act. 3 und 4 Didache 9. 10 I. Clem. 59, 2—4

2 8 15 26 35

DIE TRADITION

37

1. Gesichtspunkte 2. Die Kindheitsgeschichten des Matth 3. Die Überlieferung der Werke Jesu

III

• . .

46

4. Die Überlieferung der Worte Jesu

50

δ. Die Geschichte der Passion

57

DER DAVIDSOHN 1. Der Name 2. Die Belege 3. Die Folgerungen . . ·

IV

37 40

DIE BEDEUTUNG 1. 2. 3. 4. 5.

Die Anschauung vom Gottesknecht Gottesknecht und Messias Gottesknecht und Menschensohn Der Ursprung der Anschauung Die Geschichte der Anschauung

64 64 69 75 84 85 98 110 123 137

I.

DIE BELEGE. Unter den mancherlei Namen, durch welche die Urchristenheit ihren Herrn und Meister bezeichnet, begegnen auch die aus einer langen Tradition überkommenen Begriffe Gottesknecht und Davidsohn. Sie treten an Häufigkeit des Vorkommens und an Bedeutungen des Gehaltes vor den Namen Meister, Menschensohn, Christus, Herr weit zurück, aber gerade deshalb versprechen sie genauere Auskunft über sonst wenig hervortretende Seiten in der Jesusanschauung der Urgemeinde. Für beide Bezeichnungen gibt es auch, wenn man von gelegentlichen Bemerkungen in Kommentaren und Lehrbüchern oder von einzelnen Behandlungen, welche sie anlässlich anderer Fragen mehr streifen als untersuchen, absehen darf, nur wenige Vorarbeiten. Für die Bezeichnung Davidsohn ist aus den letzten Jahrzehnten keine besondere Untersuchung vorhanden, für die andere des Gottesknechtes noch immer die bekannte Akademie-Abhandlung H A R N A C K S grundlegend: Die Bezeichnung Jesu als Knecht Gottes und ihre Geschichte in der alten Kirche (Sitz. Ber. der Berliner Akadem. 1926, 212—238). Ihren Ergebnissen ist, in manchem abweichend, in vielem zustimmend, H. J. C A D B U R Y nachgegangen (in The Beginnings of Christianity, Part I, ed. by F O A K E S JACKSON and K I R S O P P L A K E , vol. V, p. 364—370). K. F. E U L E R hat "die Verkündigung vom leidenden Gottesknecht in der griechischen Bibel" untersucht (Beiträge zur Wissenschaft vom A. und N. T., 4. Folge, Bd. 14, 1934), JOACHIM J E R E M I A S anlässlich des Problems vom Lamm Gottes auch den Sprachgebrauch vom Gottesknecht behandelt, der in der Zeit von der Abfassung der Septuaginta bis zum II. nachchristlichen Jahrhundert zu beobachten ist (Amnòs toû theoû — país theoû, ZNW 34, 1935, 115 - 1 2 3 ) . Mit diesen ι

2 Arbeiten ist wohl im Grossen und Ganzen die sprachliche Bedeutung des Ausdrucks país theoû geklärt, aber um so dringlicher fordern die damit gestellten geschichtlichen und sachlichen Fragen eine Antwort. H A R N A C K und manche andere waren der Ansicht, die Urchristenheit habe die Bezeichnung Jesu als des Gottesknechtes nach dem Bilde und der Prophetie des Deuterojesaja von dem Gottesknecht der Endzeit geprägt. Dieser weit verbreiteten Meinung hat indes C A D B U R Y widersprochen, und in der demütigen Selbstbezeichnung at.licher Propheten und Frommer, die vor Gott von sich als seinen Knechten sprechen, den Grund solcher Benennung gefunden. Es wird sich fragen, ob es sich hier um einen ausschliessenden Gegensatz handelt. Denn hat nicht schon Deuterojesaja, als er das prophetische Bild von dem Gottesknecht entwarf, den Namen darum gewählt, weil er in der Religion Israels — und nicht nur hier — von Seiten des Menschen das Verhältnis zu Gott klar und ehrfürchtig ausdrückte? Wie aber dem auch sei, die Frage der Herkunft hängt von der anderen ab, welche die geschichtliche und sachliche Bedeutung dieses Jesusnamens angeht: Welche christologische Anschauung steht hinter diesem "Gottesknecht", welche Deutung gibt sie der Gestalt und dem Werke Jesu, wie grenzt sie sich anderen Deutungen gegenüber ab, die in den hoheitlichen Namen Christus, Herr oder Menschensohn zum Ausdruck kommen, wer ist der Träger dieser Gottesknechtsanschauung? Alle diese Fragen rechtfertigen eine neue Untersuchung des Begriffes. Wir beginnen sie mit einem Überblick über das sprachliche Problem der Wendung pais theoû und mit einer genaueren Exegese der wenigen Belege aus dem ersten christlichen Jahrhundert, in denen Jesus diese Bezeichnung verliehen wird.

1. Das Wort país hat im Neuen Testament, wie man weiss, mancherlei Bedeutungen. An einigen Stellen bezeichnet es den Menschen in den frühen Jahren seines Lebens, einerlei welchen Geschlechtes (Mt 2, 16; 17, 18; 21, 15; Lk 2, 43; 9, 42; Act

3 20, 12). Seltener ist die Bedeutung "Sohn" (nur Joh 4, 51, vgl. Vers 46.53) oder "Tochter" (Lk 8, 51.54). Der Plural ist in der Form pedaja und mit dem Sinn von "Knaben, Jünglingen" auch als Fremdwort im Rabbinischen belegt. An den übrigen Stellen seines Vorkommens, sieht man zunächst von seiner religiösen Verwendung ab, trägt das Wort den Sinn von Knecht, Diener oder auch Beamter (Lk 7,7 12,45 15,26 Mt 14,2, auch 8,6.8.13). Nur die Evangelien des Matthund Joh und die Schriften des Luk gebrauchen das Wort; es begegnet im Ganzen 23 mal. Im klassischen Griechisch und in der Koine ist die Hauptbedeutung von país "Kind", sei es Sohn oder Tochter; daneben bedeutet es auch den Diener oder Sklaven, besonders in der Anrede pai, die etwa bei Aristophanes sehr oft sich findet, wie man im Deutschen einen Diener mit "Junge", im Englischen mit "boy" herbeirufen könnte. Es scheint, als handle es sich dabei um eine volkstümliche Verwendung des Wortes, die um so näher liegt, als in vielen Sprachen zwischen dem Knaben (Knappen) und dem Knecht lebhafte Beziehungen bestehen, und welche es zum Deckwort für das hebräische ( E B E D geeignet machte. Dazu haben es die Lxx neben doûlos, therápon, oikétes, hyperétes erwählt. Alle diese Wörter meinen, übereinstimmend mit dem hebräischen Grundwort, einen Menschen, dessen Tun und Leben einem anderen fremden Willen gehört und gehorcht. Vielleicht haben schon die Lxx die Art dieser Hörigkeit durch verschiedene Wortwahl differenziert : doûlos ist der Sklave, dessen völlige Abhängigkeit erzwungen und dessen Dienst dem Bewusstsein seines Trägers widerspricht, país dagegen der leibeigene Knecht, der in dem Hause seines Herrn ein selbstverständliches Recht und seine gleichsam natürliche Heimat hat, wie er denn oft als "Kind" seines angestammten Hauses gehalten worden ist. Freilich verblassen im religiösen Gebrauch der beiden Wörter diese verschiedenen Farben fast völlig. Die Kluft zwischen Mensch und Gott ist so unüberbrückbar gross, die Abhängigkeit des Menschen dennoch so völlig, dass die besondere Art seiner Gebundenheit sich in den gegebenen Wörtern kaum noch ausdrücken lässt. Um so fester steht, dass Volk

4 und Mensch an ihren Gott gebunden sind wie der Knecht an seinen Herrn. Daher heissen die Propheten insgesamt sowohl país als doûlos, und für Männer wie Abraham, Isaak, Jakob, Mose, David — um nur einige zu nennen — finden sich beide Bezeichnungen. Aber diesem Namen haftet nichts Sklavisches an, sondern "Knecht" sein bedeutet nichts anderes als von Gott erwählt sein, und mit Stolz und Ehrfurcht tragen seine Träger diesen Namen. An Stelle der verschiedenen Nuancen, welche ursprünglich diese griechischen Wörter trugen, sind leise andere Schattierungen spürbar. Mit dem Worte '•Ebed und seinen Derivaten ist auch der grosse Komplex kultischer Handlungen und Einrichtungen verknüpft; wie