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German Pages 40 [52] Year 1995
Ernst Reuter-Vorlesung im Wissenschaftskolleg zu Berlin 23. J U N I 1994
JEAN
FRANÇOIS-PONCET
Globale Herausforderungen — Europäische Antworten Défis globaux — Réponses européennes Mit einer Vorrede von Wolf Lepenies
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1995
@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutscht Bibliothek — CIP Einheitsanfnahme François-Poncet, J e a n : Globale Herausforderungen - europaische Antworten = Défis globaux - réponses européennes / Jean François-Poncet. Mit einer Vorr. von Wolf Lepenies. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Ernst Reuter-Vorlesung im Wissenschaftskolleg zu Berlin ; 1994) ISBN 3-11-014718-1 NE: GT
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WOLF
LEPENIES
VORREDE
Zur ersten Brnst Reuter-l 'orlesung heiße ich Sie herzlich willkommen! Mein Dank gilt Jean Franpois-Poncet und Edzard Reuter: Ihnen, Herr Reuter, der Sie dem Vorschlag, im Wissenschaftskolleg die Ernst Reuter-Vorlesungen zu veranstalten, zugestimmt haben; Ihnen, Herr FranpoisPoncet, der Sie diese Vorlesungen heute abend zu unserer großen Freude eröffnen. Faites tous vos vers ä Paris / Et rt'alle^ point en Allemagne — so hieß ein Ratschlag des von Potsdam und Friedrich enttäuschten Voltaire. Monsieur le Ministre, die meisten Ihrer Verse haben Sie in Paris gemacht, aber an den zweiten Teil des Ratschlags von Voltaire haben Sie — einer Familientradition folgend — sich nicht gehalten, und so freue ich mich, mit Ihnen heute abend einen Voltairianer im Wissenschaftskolleg begrüßen zu dürfen, der weiß, wann es gilt, einem Vorbild untreu zu werden. Ich begrüße Sie im Hause Ernst Reuters. Eingebettet in die Wissenschaftsstiftung, die seinen Namen trägt, wurde das Wissenschaftskolleg auf Beschluß des Parlaments und des Senats von Berlin zum Gedenken an den großen, den unvergessenen Bürgermeister unserer Stadt errichtet.
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Die Ernst Reuter-Vorlesungen, die wir heute mit Ihrem Vortrag eröffnen, erinnern an einen Politiker, der — wie selten ist dieser Fall in der deutschen Geschichte! — Charisma mit Augenmaß verband, sie erinnern an einen Staatsmann, der trotz seiner „schrecklichen Leidenschaft zur Politik" der Wissenschaft zeidebens verbunden blieb. Ernst Reuter, der im türkischen Exil zum Professor wurde und den so manche Genossen bei seiner Rückkehr nach Berlin als Intellektuellen beargwöhnten, wäre am liebsten, in politisch ruhigeren Zeiten, wohl Kurator seiner, der Freien Universität geworden. Denn im Widerspruch zu einer eingeschliffenen deutschen Kulturtradition waren Wissenschaft und Bildung für Ernst Reuter keine Trost- und Kompensationsworte: vielmehr gehörten Wissenschaft, Kultur und Politik für ihn zusammen und formten ein in unserem Land so seltenes Gut — den common sense. Bildung und Wissenschaft waren für Ernst Reuter nicht politikfern — sie machten vielmehr in besonderem Maße politikfähig. Friedrich Nietzsche gehörte nicht zu Fernst Reuters Lieblingsautoren; schon als Gymnasiast hat er sich von ihm distanziert. Aber Nietzsches unerhörten Ratschlag, gut deutsch zu sein, heiße vor allem, sich zu entdeutschen — diesen Ratschlag hat Ernst Reuter befolgt, der ein wahrer Patriot war und gerade deshalb zum Nationalisten nicht werden konnte. Nicht zuletzt darin liegt seine ungebrochene Aktualität für unser Land und für Europa. Hier in Berlin fühlen wir uns dem Exilanten und dem Europäer Ernst Reuter besonders verpflichtet. Dem Exilanten, in dessen Lebensweg sich unser schmerzerfülltes Jahrhundert spiegelt: das Wissenschaftskolleg hat seit seinem Bestehen — und Peter Wapnewski als Gründungsrek2
tor hat dieser Zielsetzung hohe Priorität gegeben - versucht, wissenschaftliche Traditionen neu zu knüpfen und Haltungen zu bestärken, die der von Deutschen erzwungene Hxodus deutscher, deutsch-jüdischer Gelehrter entscheidend geschwächt hatte. Dem Europäer F.rnst Reuter fühlen wir uns verpflichtet, der seine Freunde im Westen schon früh mahnte, daß Europa ohne Polen und Ungarn, ohne Prag und Bukarest nicht wirklich vereint sein kann. Die Gründung des Collegium Budapest, die Errichtung des New Europe College in Bukarest, der Versuch, in Warschau der Graduate School of Social Science eine langfristige Arbeitsperspektive zu geben — es sind wissenschaftspolitische Aktivitäten des Kollegs, die vielleicht auch einem Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter nicht mißfallen hätten. Unsere Versuche, von Berlin aus zur Stärkung der lokalen Wissenskulturen in Mittel- und Osteuropa beizutragen, waren dabei immer in einen europäischen Förderverbund eingebettet: und dabei hat - ich sage es in Ihrer Gegenwart, Monsieur le Ministre, besonders gerne — Frankreich stets eine entscheidende Rolle gespielt. Die Ernst Reuter-Vorlesungen veranstalten wir nicht, weil wir einen Ausgleich für unsere wissenschaftlichen Aktivitäten suchen. Wir werden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik und anderen Bereichen des öffentlichen Lebens nicht deshalb einladen, im Kolleg zu sprechen, weil wir uns einmal im Jahr Themen zuwenden wollen, die in unserer wissenschaftlichen Arbeit sonst keine Rolle spielen. In den lernst Reuter-Vorlesungen wird vielmehr zum Ausdruck kommen, daß das Wissenschaftskolleg ganz bewußt auch eine politische Funktion erfüllt: uns liegen die Probleme der polis am Herzen, die Probleme der Bürgerge3
sellschaft, von deren Lösung unser Gemeinwohl abhängt. Die Ernst Reuter-Vorlesungen sollen zeigen, was das Wissenschaftskolleg auch ist: ein Elfenbeinturm — also ein Bauwerk, von dem aus man weit sieht, wenn man sich nur zutraut, hoch hinauszuwollen. In diesem Elfenbeinturm sind Sie uns, Monsieur le Ministre, besonders willkommen. Durch niemanden besser als durch Sie könnten wir unsere Absicht verwirklichen, den Ernst Reuter-Vorlesungen einen Rahmen zu geben, in dem Wirtschaft und Wissenschaft, politisches Handeln und philosophische Reflexion wie selbstverständlich zusammengehören. Sie sind Politiker und Wissenschafder und ein Mann der Wirtschaft und des ökonomischen Sachverstandes dazu, und wenn man Ihnen etwas vorzuwerfen hätte, so das Gleiche wie einem von Ihnen geschätzten Autor: „Vous avez un grave défaut, Valéry, vous voulez tout comprendre." Liest man Ihre Publikationen — ich denke an Ihr frühes Buch über jenes Land, das wir Deutschen heute mit einer Mischung aus Nostalgie und Erleichterung „die alte Bundesrepublik" nennen, L'Allemagne Occidentale von 1970 oder verfolgt man die von Ihnen im Senat organisierte Debatte über die Konsequenzen des europäischen Binnenmarktes für die französische Wirtschaft — so ist man von Ihrer Fähigkeit zur großen Perspektive ebenso beeindruckt wie vom Fehlen dessen, was man im Französischen die ignorance des nuances nennt. Es ist bezeichnend, daß in Ihre Amtszeit als Außenminister der Französischen Republik die Einführung des Europäischen Währungssystems wie die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament fallen — jene Ereignisse 4
also, in denen sich die ökonomischen Zielsetzungen wie die politischen Maximen widerspiegeln, von deren Verwirklichung es abhängen wird, ob die Europäer wirklich zueinanderfinden. Am meisten an Ihren politischen Äußerungen aber, Monsieur le Ministre, beeindruckt die Widerstandsfähigkeit gegenüber jenem Delirium, das 1989 allenthalben ausbrach und das man den Triumphalismus des Westens nennen könnte. Auch wenn dieser Triumphalismus im State Department sich unverhüllter äußerte als im Foreign Office oder am Quai d'Orsay — er hat die Einigung ganz Europas nicht leichter gemacht, sondern, im Gegenteil, mit der Hypothek der Überheblichkeit belastet. Sie sind diesem Triumphalismus nicht erlegen. Sie haben vielmehr die Warnung eines Autors befolgt, den man als einen Ihrer Vorgänger bezeichnen darf — auch wenn er im Kabinett von Odilon Barrot nur wenige Monate mehr zubrachte als Sie Jahre im Kabinett von Raymond Barre: „Nous étions victorieux; nos difficultés véritables allaient apparaître, je m'y attendais. J'ai, d'ailleurs, toujours eu pour maxime que c'est après un grand succès que se rencontrent, d'ordinaire, les chances les plus dangereuses de ruine: tant que le péril dure, on n'a contre soi que ses adversaires, et on en triomphe; mais, après la victoire, on commence à avoir affaire à soi-même, à sa mollesse, à son orgeuil, à l'imprudente sécurité que la victoire donne; on succombe." Es ist dafür noch viel zu früh - aber ich stelle mir vor, daß diese Reflexion Tocquevilles dereinst auch ein Motto Ihrer Souvenirs sein wird. 5
Herr Reuter, Herr Franpois-Poncet — Sie kennen sich, Sie sind miteinander befreundet, nichts mag Ihnen natürlicher und passender erscheinen, als daß ein Franpois-Poncet die Reuter-Vorlesungen eröffnet. Sind Sie aber wirklich sicher, daß Ihre Väter auch so gedacht hätten? Ich habe da meine Zweifel. Meine Herren, wo waren Sie Ende April 1951? Nicht zu Hause, wie ich vermute, sonst müßte Ihnen beiden die gereizte Stimmung Ihrer Väter zu diesem Zeitpunkt in Erinnerung geblieben und das Arrangement des heutigen Abends ein wenig prekär vorgekommen sein. Ernst Reuter und André Franpois-Poncet hatten sich geärgert — der eine über den anderen. Und das kam so: Ernst Reuter hatte schon früh Zweifel am Gelingen des Schumann-Plans geäußert; er bedauerte den, wie er es nannte, hinhaltenden Widerstand der Franzosen gegen eine aktive deutsche Ostpolitik, er beklagte sich über die Hemmnisse, die Frankreich anscheinend der Einbindung Berlins in den Westen Deutschlands entgegensetzte. Die im europäischen Interesse so dringend notwendige deutsch-französische Verständigung aber, dies war Ernst Reuters feste Überzeugung, konnte nur über Berlin führen. Ernst Reuter mußte sich daher herausgefordert fühlen, als André Franpois-Poncet, der frühere Botschafter in Berlin und jetzt der französische Hohe Kommissar, in einer Rede vor dem Württemberg-Badischen Landtag in Stuttgart das Loblied des deutschen Föderalismus mit der Kritik Berlins verband: „In Deutschland war das Leben seiner Einzelländer stets dessen Stärke und Besonderheit. Weder das politische noch das kulturelle Streben war auf Berlin konzentriert. Berlin ist eine Stadt, die ich kenne und liebe, 6
von der ich aber objektiv sagen darf, daß sie nicht den Inbegriff deutscher Art und deutschen Wesens darstellt." Ernst Reuter reagierte sofort: „Ist es wirklich notwendig, daß uns der Vertreter der französischen Regierung in Deutschland bescheinigt, Berlin repräsentiere nicht Deutschland, [und] das kulturelle und geistige Leben dieser Stadt sei eigentlich verschieden von den kulturellen Kräften, die innerhalb der Grenzen des alten Limes Romanus im Süden und Westen unseres Vaterlandes lebendig sind P], Wozu diese unnötig die Gefühle eines jeden Berliners verletzende Bemerkung [?]" In seinem Artikel im Telegraf vom 22.April 1951 benutzte Ernst Reuter noch schärfere Worte, doch will ich mich aller weiteren Zitate lieber enthalten, um den heutigen Abend in seinem Fortgang nicht zu gefährden. Der Artikel trug dem Gefreiten Ernst Reuter auch prompt einen Verweis des kommandierenden französischen Generals ein; ein ziviler Briefwechsel mit André Franpois-Poncet schloß sich an. Entscheidend ist, und daher braucht letztendlich doch keine Erinnerung an einen Familienstreit die Harmonie dieses Abends zu trüben: Ernst Reuter und André Franpois-Poncet fanden wieder zueinander, Ernst Reuter freilich bedauerte stets, daß er auf die Gestaltung der in seinen Augen für ganz Europa so zentralen deutschfranzösischen Beziehungen als Berliner Bürgermeister keinen größeren Einfluß nehmen konnte. Diese Episode erinnert daran, daß es nicht nur die Gefahr des Triumphalismus, sondern auch den Trug der falschen Selbstverständlichkeit gibt. Gerade weil Sie, Monsieur le Ministre, uns heute abend die Ehre geben, die erste Ernst Reuter-Vorlesung zu halten, ist es gut daran 7
zu erinnern, daß das enge, für Europa so wegweisende, freundschaftliche Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland unseren Vätern in ihrer Jugend noch wie ein Traum, und unseren Großvätern als fast undenkbar erschienen wäre. Herr Reuter, Herr Franfois-Poncet - Ihre Väter haben sich einmal aneinander geärgert. Wir freuen uns darüber, daß Ihre Väter sich versöhnten und daß Sie beide heute abend in freundschafdicher Verbundenheit bei uns sind. Ich darf Sie, Monsieur le Ministre, noch einmal herzlich willkommen heißen und Sie bitten, die erste Ernst ReuterVorlesung im Wissenschaftskolleg zu Berlin zu halten: „Globale Herausforderungen — Europäische Antworten".
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JEAN F R A N f OIS-PONCET
Globale Herausforderungen — Europäische Antworten
Ich danke Ihnen, lieber Herr Lepenies, für die freundliche Begrüßung und den Empfang, den Sie mir bereiten. Ich danke Ihnen sowie Edzard Reuter auch für die ehrenvolle Einladung, den Zyklus der Ernst Reuter-Vorlesungen im Wissenschaftskolleg zu eröffnen. Ich habe Ihre Einladung umso lieber angenommen, als mich mein eigener Lebensweg von den Sozialwissenschaften zur Politik und zur Wirtschaft geführt hat und ich dabei die Überzeugung gewonnen habe, daß der Dialog zwischen diesen Bereichen noch viel zu wenig entwickelt ist. Wenn sich dies so verhält, dann ohne Zweifel auch deshalb, weil dieser Dialog so schwierig ist: Die Spezialisten werden viel zu wenig konsultiert, die Praktiker des politischen Lebens hingegen zu viel, und was die Wissenschafder anbelangt, so schenkt man ihnen trotz ihrer Kompetenz meistens zu wenig Beachtung. Auch meine eigenen Überlegungen werden, wie Sie bemerken werden, unter diesem mangelnden Austausch zwischen den Bereichen leiden. Mit viel Humor haben Sie, Herr Lepenies, auf den Streit zwischen meinem Vater und Ernst Reuter angespielt. Gestatten Sie mir Ihnen zu sagen, daß ich den Namen dessen, 9
der der erste - und der erste bedeutende - Regierende Bürgermeister dieser Stadt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war, nicht ohne innere Bewegung nenne. Er war ein Staatsmann, der ein außerordentliches Beispiel für Entschlossenheit und Mut gab gegenüber der schrecklichen Gefahr, welche die Sowjets über diesen Teil der Stadt heraufbeschworen hatten. Mehr und besser als jeder andere symbolisierte Ernst Reuter, in- und außerhalb von Deutschland, den Kampf Berlins um die Freiheit. Der Blick, den die Europäer heute auf die politische Welt werfen, bleibt geprägt von den vereinfachenden Denkschablonen, an die sie der Kalte Krieg gewöhnt hat. Unbewußt stellen sie weiterhin den Westen dem Osten gegenüber und die Industrieländer der Dritten Welt. Die Auflösung der Sowjetunion zwingt sie zwar, diese überholten Schemata aufzugeben, doch nun sind sie versucht, den Ruinen von Sarajewo eine Lehre abzugewinnen, die sogar noch hinter 1913 zurückreicht. Doch wie lange wollen wir Europäer unsere Welt durch die Brillen von gestern oder gar von vorgestern betrachten? Ist es nicht Zeit, endlich die Veränderungen zur Kenntnis nehmen, welche unsere Welt so grundlegend transformiert haben? Drei Beobachtungen könnten uns dabei, wie mir scheint, als Leitfaden dienen: Erste Beobachtung: Europa, das das Zentrum der Welt war, findet sich seit dem Ende des Kalten Krieges an deren Peripherie. Noch 1913 nahm alles von Europa seinen Ausgang: die Kultur, die Wissenschaften und die Machtpolitik, Krieg und Frieden. Besetzt, geteilt und niedergeworfen, hörte es zwar 1945 auf, der Hauptakteur der Ge10
schichte zu sein. Doch blieb es während eines halben Jahrhunderts der Zankapfel der Weltpollrik und damit - paradox genug — sein Zentrum. Um es zu verteidigen oder zu kontrollieren, entstand die Konfrontation zwischen den beiden Weltmächten USA und Sowjetunion, fünf Jahrzehnte lang. Der Fall der Berliner Mauer hat dieser Konfrontation ein Ende bereitet. Zugleich hat er das Gravitationszentrum von Westen nach Osten, vom Atlantik zum Pazifik verschoben. Das neue Zentrum zeichnet sich irgendwo zwischen den USA, China und Japan ab, weit entfernt von Europa. Ist uns Europäern dieses schon hinreichend bewußt geworden? Zweite Beobachtung Das Ende der bipolaren Welt geht einher mit einem abrupten Anstieg von Komplexitäten aller Art. Wir lebten in einer künstlich vereinfachten, geradezu rudimentären Welt. Wir erwachen in einem Universum, dessen unzählige Variablen wir kaum beherrschen, geschweige denn zu einer neuen Einheit zusammenfügen können. Soviel Komplexität bringt uns durcheinander und erzeugt eine Verwirrung der Ideen und Werte, mit der wir nicht dauerhaft leben können. Dritte Beobachtung: Um hier klar zu sehen, muß man zwischen zwei Ebenen unterscheiden. Zum einen handelt es sich mehr und mehr um Probleme von globalem Ausmaß, wie — um nur einige zu nennen — die Kapital- und Handelsflüsse, die Ökologie und die Gesundheitsfürsorge (man denke nur an Aids) oder die Struktur von weltweit operierenden Großunternehmen und die Entwicklung anwendungsbezogener Technologien. Zum anderen handelt es sich um Vorgänge auf regionalem Niveau. Nachbarschaftsverhältrusse bleiben ein bestimmender Faktor. Und 11
in der Tat ist es der „nahe Fremde", um eine von den Russen in Umlauf gesetzte Formel zu verwenden, von dem noch lange die wichtigsten Herausforderungen ausgehen werden, mit denen sich Europa konfrontiert sehen wird. Welches sind diese Herausforderungen unserer näheren Umgebung und welche betreffen uns ganz unmittelbar? Welche Antworten hat Europa darauf? Ich will versuchen, auf diese beiden Fragen in aller Kürze zu antworten.
I. Vier Entwicklungen scheinen mir das Schicksal Europas besonders zu bestimmen: der Niedergang seiner ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit, die tiefen Ungewißheiten, welche Rußland an den ösdichen Grenzen Europas schafft, der wachsende Druck des Islam im Mittelmeerraum und schließlich die Interessenverlagerung der Vereinigten Staaten auf den nordamerikanischen Kontinent und auf Asien. 1. Vor einem Publikum, in dem Persönlichkeiten aus der Wirtschaft vertreten sind, kann ich mich im Hinblick auf die erste Herausforderung kurz fassen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß eine Rückkehr zu einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit nicht ohne zwei wesendiche Veränderungen zu erreichen ist: einerseits durch die Flexibilisierung der arbeitsrechdichen Rahmenbedingungen und die Senkung der Lohnnebenkosten, 12
andererseits durch verstärkte Anstrengungen zugunsten von Forschung und technologischer Innovation. Die notwendige Anpassung der rechtlichen und sozialpolitischen Bestimmungen sind Sache der einzelnen Staaten in Europa. So wollen es nun einmal die nationalen Partikularismen, die in diesem Bereich besonders hartnäkkig sind. So will es aber auch das Prinzip der Subsidiarität, dem die Europäische Union eine immer größere Beachtung schenken wird. Ganz anders ist es mit dem Bereich der Forschung und der technologischen Entwicklung bestellt. Die europäische Gemeinschaft hat hier eine wichtige Rolle zu übernehmen. Bislang wird in Europa pro Kopf der Bevölkerung ebensoviel Geld für diesen Bereich aufgewendet wie in den Vereinigten Staaten und in Japan. Doch sind die europäischen Investitionen nicht miteinander koordiniert, mit der Folge, daß wir gegenüber unseren beiden großen Konkurrenten Tag für Tag an Boden verlieren, wenn man nur einmal die Zahl der Anmeldung von Patenten nimmt. Die Zwölf haben durch den Vertrag von Maastricht ein solides rechtliches Fundament für eine gemeinsame Forschungspolitik geschaffen. Doch in Wirklichkeit bleibt die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und der Wirtschaft ein notorischer Schwachpunkt. Man muß sich fragen, ob sie überhaupt Erfolg haben kann, solange die Struktur unserer Industrieunternehmen weithin national ist, wie dies doch immer noch der Fall ist. 2. Die zweite Herausforderung geht von Rußland aus, das uns hier in Berlin so nahe ist. Die Lage ist paradox: Die UdSSR hat sich aufgelöst und das Einschüchterungspotential, das von ihrer politischen 13
und militärischen Macht ausging, ist verschwunden. Und dennoch sprechen wir heute selten von Rußland ohne eine tiefe Beunruhigung. Die Gefahren, die von ihm ausgehen, sind vielfältig und widersprüchlich. Ist die drohende Anarchie nicht ebenso gefahrlich wie der wiedererwachende Nationalismus, den vor allem die westlichen Nachbarn fürchten? Wir können von außen gewiß nur in geringem Maße Einfluß auf diese Entwicklungen nehmen. Die finanziellen, technologischen und industriellen Hilfen, die wir Rußland zu geben bereit sind, können aber eine ähnlich günstige Wirkung haben wie sie der Marshall-Plan für uns selber hatte. Doch Voraussetzung dafür bleibt, daß die Reformen endlich umgesetzt werden, von denen ein Wiedererstarken der Wirtschaft nun einmal abhängig ist. Und darüber kann nur Rußland selber entscheiden. Wir kommen nicht umhin, meine Damen und Herren, Rußland, das gegenwärtig eine tiefe Identitätskrise erlebt, deutlich wissen zu lassen, was wir von ihm erwarten und wie wir uns die Beziehungen zu ihm in der Zukunft vorstellen. Diese Beziehungen können nicht konstruktiv sein, solange sie allein von dem Gefühl der Furcht beherrscht sind. Die Europäische Union muß sich meiner Meinung nach daran gewöhnen, Rußland als einen erstrangigen Partner und strategischen Verbündeten zu betrachten, solange sein Verhalten diese Einschätzung rechtfertigt. Ich bin davon überzeugt, daß wir weder von seiner weiteren Schwächung noch von seinem Zerfall etwas zu gewinnen hätten. In unserem eigenen Interesse sollte Rußland eine starke Macht bleiben. Mit seinen drei Dimensionen, der orthodo-
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xen, der islamischen und der asiatischen, kann es für uns Westeuropäer ein wichtiger Stützpunkt sein. Ohne die aktive Mithilfe Rußlands werden wir keine Eintracht auf dem Balkan herstellen können. Und ohne seine Unterstützung werden wir auch kein Gleichgewicht in unseren Beziehungen zur islamischen und zur asiatischen Welt finden. Von dem französischen Schriftsteller Paul Valéry stammt die Äußerung, Europa sei nur ein „petit cap de l'Asie", cine kleine Landzunge Asiens. Ein nicht sehr verlockendes Schicksal, dem wir nur dann entgehen, wenn wir uns auf einen soliden und kooperationsbereiten russischen Partner stützen können. Natürlich sind wir davon noch weit entfernt. Wir sollten aber gerade deshalb die Entscheidungen gründlich bedenken, vor denen wir stehen. So erscheint es mir zum Beispiel wünschenswert, daß wir Rußland als Vollmitglied in den Club der Sieben aufnehmen und gleichberechtigte Beziehungen zu ihm herstellen. Dafür sollten allerdings drei Bedingungen erhoben werden: Rußland muß ohne Wenn und Aber seine mehr oder weniger verhüllten Ansprüche auf die Länder des alten Imperiums aufgeben. Es muß auf jede Gewaltanwendung gegenüber den anderen Staaten der GUS verzichten und bereit sein, sich auf diesem wie auf anderen Gebieten der Charta der Vereinten Nationen zu unterwerfen. Schließlich darf zwischen Europa und den Vereinigten Staaten keine Rollenaufteilung entstehen, derart, daß die Europäer die vielfältigen materiellen Hilfen leisten, Washington sich aber vorbehält, den politischen Dialog zu führen - auch wenn diese Rollenaufteilung in Zeiten des Kalten Krieges für die USA wie für die Sowjetunion bequem und nützlich sein mochte. 15
3. Meine Damen und Herren, in Berlin gibt es eine starke türkische Bevölkerungsgruppe — ein Anlaß, den Blick nach Süden auf die islamische Welt zu lenken, von der Europas Zukunft nicht unwesentlich abhängt. Die islamische Welt ist der Schauplatz eines mit aller Härte geführten Kampfes um die Vorherrschaft zwischen den dort etablierten Regimen, deren Ideologie der arabische Nationalismus ist, und den islamistischen Protestbewegungen, deren Einfluß immer größer wird. Dieser Kräftevergleich findet zwar im Inneren der islamischen Welt statt, doch wird sein Ausgang schwerwiegende Folgen für Europa haben. Der arabische Nationalismus war eine Widerstandsideologie gegen die Beherrschung durch äußere Mächte. Er hat sich in der arabischen Welt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts etabliert. In seinem Zeichen wurde der K a m p f gegen die Fremdherrschaft durch die Türken, dann gegen die englischen und französischen Protektorate geführt; schließlich, nach 1947, gegen den Staat Israel. Der Kreuz zug gegen den .Zionismus' hat sich im Laufe der Jahre allerdings in eine Legitimationsideologie der herrschenden Eliten verwandelt. Er mußte dazu herhalten, die Unterdrückung jeder demokratischen Bestrebung zu rechtfertigen, das wirtschaftliche und soziale Scheitern der herrschenden Regimes zu verdecken und die dort allgegenwärtige Korruption zu kaschieren. Indem sie diese Mißbräuche öffendich denunzierten, haben die islamischen Bewegungen in fast allen arabischen Ländern die Beachtung gefunden, deren sie sich heute erfreuen. Sie werfen den bestehenden Regimes nicht nur und nicht vor allem ihre Machdosigkeit gegenüber Israel und 16
den USA vor, sie stellen sie vielmehr grundsätzlich in Frage. Sie vergleichen sie mit den Regimes der vorislamischen, also der barbarischen Ära. Sie predigen deren Zerstörung und den Aufbau einer Staatsform, die auf dem Koran und dessen Gesetzeswerk beruht. Bis in die Mitte der achtziger Jahre gab es vergebliche Versuche einer Re-Islamisierung von oben, die Ermordung von Präsident Sadat von Ägypten war das spektakulärste Beispiel dafür. Seither richten sich die islamischen Bewegungen an die breiten Schichten der Bevölkerung und führen eine Kampagne von wahrhaft furchterregender Wirkung. U m die Moscheen herum organisieren sie Gemeinschaften der .wahren Muslime', richten Schulen, soziale Dienste und ¿slamischc Märkte' ein, deren Preise sie kontrollieren. Für sie geht es darum, in der Praxis vorwegzunehmen, was in einer islamischen Staatsform einmal soziale Solidarität, Ethik und gemeinsame Zukunftserwartung sein könnte. Ihre Lehre gewinnt heute überall an Terrain. Diese Bewegungen einerseits und das Verschwinden des sowjetischen Verbündeten andererseits haben die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) - eine laizistische Bewegung — und die arabischen Regimes, die sie unterstützen, gezwungen, ihre Strategie zu verändern und nunmehr den Frieden mit Israel zu suchen. Sie versprechen sich davon eine neue ökonomische Dynamik und eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Besonders die Mittelschichten, die sich ihnen mehr und mehr entzogen haben, sollen davon profitieren und zu neuer Loyalität veranlaßt werden. 17
Europa hat sich in diese Auseinandersetzungen nicht einzumischen. Sie können ihm allerdings auch nicht gleichgültig sein. Es beginge einen schweren Fehler, wenn es die politischen, demographischen und ideologischen Auswirkungen unterschätzte, die entstünden, wenn der Fundamentalismus auf der anderen Seite des Mittelmeers den Sieg davontrüge. Europa muß sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, damit der Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn zustandekommt. Es muß auch der Türkei beistehen und den moderaten Regimes in Jordanien, Ägypten, Tunesien und Marokko. Viel schwieriger ist es dagegen, eine befriedigende politische Haltung gegenüber Algerien zu finden, das von einem Bürgerkrieg zerrissen wird. Für mich steht jedenfalls fest, daß wir nicht dieselben Fehler wiederholen dürfen, die der Westen bei der Auseinandersetzung zwischen dem Ayatollah Khomeini und dem Schah von Persien vor fünfzehn Jahren beging. 4. Unter den neuen Gegebenheiten, mit denen Europa rechnen muß, findet sich eine, deren Bedeutung uns durch die Ereignisse in Ex-Jugoslawien vor Augen geführt worden ist, ich meine die wachsende Entfernung der Vereinigten Staaten von Europa. Gewiß ist eine verstärkte Beschäftigung mit sich selber noch kein Rückzug. Während seines jüngsten Besuchs an der Küste der Normandie und in Paris hat Präsident Clinton die Versicherung abgegeben, daß sein Land in Europa präsent bleiben wird. Aber verkörpert sich nicht gerade in diesem Präsidenten der Wille der Amerikaner, sich künftig stärker mit den inneren Problemen ihres Landes zu beschäftigen? Andererseits ist es Bill Clinton gewesen, der 18
während des Gipfeltreffens in Seatde E n d e letzten Jahres die Rolle hervorhob, die die U S A künftig im pazifischen Raum und in Asien zu spielen gedenken. Wir sind Zeugen — und dessen sollten wir uns bewußt sein — einer Neuorientierung der amerikanischen Interessenfelder. D i e Rückwendung der U S A ist um so tiefgreifender, als sie mit einer sich seit langem anbahnenden Verschiebung des Gravitationszentrums der amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen von O s t nach West, das heißt nach Asien einhergeht. Wir dürfen nicht länger davon ausgehen, daß die U S A das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel setzen, um in europäische Auseinandersetzungen einzugreifen, die nicht länger ihre vitalen Interessen berühren. Europa muß sich daran gewöhnen: Der amerikanische Schutzschirm, der auf bequeme Weise unsere Sicherheit garantierte, ist zu einem guten Teil weggefallen. E r schützt E u r o p a nur noch gegen Gefahren von der Art der nuklearen Erpressung, die glücklicherweise unwahrscheinlich geworden sind. N a c h fünfzig Jahren des liberalsten Protektorats, das die Welt erlebt hat, schlägt die Stunde, in der die Europäer ihr Geschick in die eigenen Hände nehmen müssen.
II. Sind wir bereit, dieses zu tun und die Herausforderungen der postkommunistischen Ära anzunehmen? Viele unter uns waren davon nach dem Fall des Eisernen Vorhangs überzeugt. In Freiheit und vereinigt, schien
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es, daß Europa von neuem sein Gewicht auf der weltpolitischen Bühne zur Geltung bringen könnte. Die Ernüchterung blieb nicht aus. Seit 1989 hat Europa kaum eine Gelegenheit versäumt, seine inneren Spaltungen und seine Machdosigkeit aller Welt vor Augen zu führen: gegenüber Jugoslawien, wo es seinen guten Ruf inzwischen verloren hat; gegenüber der dramatischen Arbeitslosigkeit, die wir entstehen ließen, ohne zu handeln; gegenüber den Gefahren, die von Tschernobyl und ähnlichen Reaktoren auf ganz Europa ausstrahlen. Nur mit Vorbehalten und Verzögerungen hat Europa auf die Erwartungen der neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa geantwortet, deren Enttäuschung inzwischen nicht mehr zu überhören ist. Doch das schwerwiegendste Problem ist ohne Zweifel die Renaissance des Nationalismus, nicht nur in Ost- sondern mehr und mehr auch in Westeuropa. Mit der bemerkenswerten Ausnahme von Deutschland gibt Europa Demagogen von allen Seiten ein wachsendes Gehör, anstatt zu begreifen, daß die Risiken des Post-Kommunismus entscheidende Fortschritt zu einer politischen Union notwendig machen. Wie die Wahlen zum Europäischen Parlament gezeigt haben, sind die europäischen Staaten, darunter vor allem auch Frankreich, für Bewegungen empfänglich, die anti-europäisch sind, die im Namen der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität geführt werden, also im Namen eines .anderen Europa', eines Europa der Nationen, das in Wahrheit nur das Europa von gestern ist, von dem jeder eigendich wissen müßte, wohin es unseren Kontinent geführt hat. 20
Die Zwölf haben die Chancen verspielt, welche ihnen der Vertrag von Maastricht geboten hat. Gewiß verdient dieser Vertrag nicht die Flut von Kritiken, mit denen er überschüttet wurde. Gegenüber den vorangehenden europäischen Verträgen sieht er gewiß eine Reihe von Verlagerungen von Entscheidungskompetenzen vor, doch sind diese eher bescheiden. Im Gegensatz zu dem, was man allgemein behauptet, verstärkt er keineswegs die Entscheidungsbefugnisse der .Brüsseler Bürokratie'. Er schränkt vielmehr das politische Gewicht der Kommission ein. Und wie man noch bald genug bemerken wird, sind auch die Entscheidungsbefugnisse des Parlaments in Straßburg erweitert worden. Der Vertrag von Maastricht hat das Verdienst, in einem zentralen Bereich, dem der Geldpolitik, einen strategischen Vorstoß zu unternehmen. Die Konvergenzkriterien, die erfüllt sein müssen, sind streng gefaßt. Doch zeugen sie von Vernunft und Verantwortungsbewußtsein. Wenn die gemeinsame Währung tatsächlich zustande kommt, wird sie der Union einen entscheidenden neuen Auftrieb geben. Dagegen beschränkt sich der Vertrag im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik darauf, die bereits eingespielten Verfahren der .politischen Kooperation' zu bekräftigen. Doch die Grenzen von deren Wirksamkeit haben wir kennengelernt. Schließlich gibt es ein wirkliches Versäumnis im Vertrag von Maastricht, ja einen Fehler, der den Zwölf unterlaufen ist: Er gibt keine Antwort auf das Schlüsselproblem der Union, von dessen Lösung ihre Zukunft abhängt, das ihrer Institutionen. Die Dringlichkeit dieses Problems liegt of21
fen zutage. Seit dem Fall der Berliner Mauer gibt es zwei Entwicklungen, deren Bedeutung unübersehbar ist: Einerseits kann die Gemeinschaft nicht umhin, sich gegenüber den neuen mittel- und osteuropäischen Demokratien zu öffnen. Ein Vorgang, der wohl einige Zeit benötigen wird, der aber ganz unvermeidlich ist. Andererseits beschwört eine Erweiterung der Gemeinschaft unweigerlich die Gefahr der politischen Lähmung herauf. Es ist deshalb notwendig, die Institutionen der Union und deren Funktionsweisen zu reformieren, um sie in die Lage zu versetzen, neue Mitglieder aufzunehmen, ohne die eigene Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit zu verlieren. Eine solche Reform in der Erwartung einer F^rweiterung und ohne das Risiko einer politische Schwächung — das kommt zwar der Quadratur des Kreises gleich, aber es wäre die Aufgabe der Zwölf gewesen, dieses Problem anzugehen. Doch haben sie sich leider damit begnügt, die notwendigen Entscheidungen auf einen neuen Gipfel zu verschieben, der nach dem Willen des Vertrags von Maastricht im Jahre 1996 stattfinden soll. Doch was heißt es, die Institutionen der Gemeinschaft weiterzuentwickeln? Seien wir pragmatisch, und gehen wir den üblichen Polemiken aus dem Wege, die dadurch entstanden sind, daß man abstrakte Modelle einer Föderation oder einer Konföderation gegeneinander abgewogen hat. Die Gemeinschaft ist nun einmal eine Konstruktion sut generis, und dieses seit dem ersten Tag ihres Bestehens. Eine wünschenswerte Weiterentwicklung sollte in vier Bereichen erfolgen. Wir müssen aus der Kommission ein politisch verantwortliches Organ machen, indem wir die Zahl der Kommissare verringern, die Autorität des Präsi22
denten der Kommission verstärken und ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem Europäischen Parlament wie gegenüber dem Rat der Regierungschefs und Staatsoberhäupter institutionell stärker absichern. Weiterhin geht es darum, den Zwang zur Einstimmigkeit im Ministerrat aufzugeben und ihn bei weitreichenden Problemen zu ersetzen durch die Erfordernis zu einer doppelten Mehrheitsentscheidung der Regierungen und der Bevölkerungen. Wir müssen dem Parlament schließlich ein Mitbestimmungsrecht über die Gesamtheit der Direktiven der Gemeinschaft geben. Und endlich müssen wir uns über die Hierarchie der Normen verständigen, die uns bei der Umsetzung des Prinzips der Subsidiarität leiten sollen. Ich habe diese Forderungen pragmatisch genannt. In Wirklichkeit sind sie revolutionär. Die Aussicht, daß sie beim Gipfeltreffen 1996 durchgesetzt werden, erscheint mir deshalb gering. Sie stoßen auf einen dreifachen Widerstand. Erstens auf den prinzipiellen Widerstand der Briten. Zweitens auf den der nationalistischen Strömungen, die überall — und leider auch in Frankreich — erwacht sind und die den Reformeifer der Regierungen dämpfen. Auf den Widerstand drittens der kleineren Staaten, die nicht bereit sind, auf die Privilegien zu verzichten, welche ihnen die Römischen Verträge eingeräumt haben — Privilegien, die das Funktionieren einer Gemeinschaft von sechs Staaten nicht wesentlich behindert haben, die aber zu immer absurderen Situationen führen, seit die Gemeinschaft sich erweitert hat. Ein Europa der 24 ist absehbar, in dem Deutschland nur alle 12 Jahre die Präsidentschaft im Rate zufiele. Und diese Absurdität wäre nur eine unter vielen anderen! 23
Möglicherweise gibt es einen qualitativen Sprung im Jahre 1996. Ich selber würde mich davor hüten, einem voreiligen Pessimismus zu huldigen. Doch erlaube ich mir, eine Uberzeugung vor Ihnen zu vertreten: Falls es sich als unmöglich herausstellt, das erweitere Europa mit starken und demokratischen Institutionen auszustatten, ist es Sache von Deutschland und Frankreich, daraus die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Es wäre an ihnen, sich zusammenzutun und im Herzen der erweiterten Staatengemeinschaft einen harten Kern zu bilden, zusammen mit den Regierungen jener Mitgliedsstaaten, die bereit sind mitzugehen, um Europa einen neuen Antrieb zu geben, ohne den Europa nicht vorankommt. Ich plädiere nicht dafür, zwei unterschiedliche Staatengruppen innerhalb der Gemeinschaft zu bilden, wohl aber plädiere ich dafür sich einzugestehen, daß die Mitgliedsstaaten in unterschiedlicher Geschwindigkeit sich dem gemeinsamen Ziel, der politischen Union nähern. Warum sollen diejenigen, die entschieden sind, nicht vorangehen und den Zögernden die Richtung weisen? Meine Damen und Herren! Es gibt die Meinung, wonach das europäische Einigungswerk, wie es Adenauer, de Gasperi, Spaak und Jean Monnet sich vorgestellt haben, seine .raison d'être' verloren habe, seitdem das sowjetische Imperium zerfallen ist. Ich teile diese Auffassung nicht. Ich denke ganz im Gegenteil, daß die europäische Union heute noch von viel größerer Bedeutung ist als damals. Eben dieses wollte ich Ihnen an diesem Abend, hier in Berlin, mit auf den Weg geben. Eine Überzeugung, die, in einem Satz zusammengefaßt, lauten könnte: Das Europa von morgen wird neben den USA, Japan und China seine
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Stimme in den großen Weltgeschäften nur dann zu Gehör bringen; und es wird seine eigenen Interessen und die Werte, die ihm eigen sind, angesichts der großen Herausforderungen, die sich am Horizont abzeichnen, nur dann verteidigen können, wenn es sich nicht damit begnügt, nur eine geographische Einheit zu bilden oder eine Zone des freien Handels, sondern wenn es — in des Wortes ganzer Bedeutung - zu einer eigenen Macht wird.
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JEAN FRANÇOIS-PONCET
Défis globaux réponses européennes
Je vous remercie, Cher Monsieur Lepenies, de votre beaucoup trop bienveillante introduction et de votre si aimable accueil. Je vous remercie aussi, ainsi que Monsieur Edzard Reuter, du grand honneur que vous me faites en m'invitant à inaugurer le cycle de conférences Ernst Reuter du Wissenschaftskolleg. J'ai été d'autant plus sensible à votre invitation que mon itinéraire personnel, qui m'a conduit des sciences sociales à la politique et à la vie des affaires, m'a convaincu que le dialogue entre les disciplines est, aujourd'hui, beaucoup trop peu développé. S'il en est ainsi, c'est sans doute parce que le dialogue est difficile: les spécialistes sont trop peu consultés, les praticiens de la vie politique beaucoup trop, quant au savants, le plus souvent, on les ignore, en dépit de leurs compétences. Mes propres observations souffriront — comme vous allez le constater — de la pauvreté de ces échanges. Vous avez, M. Lepenies, rappelé, avec humour, un différend qui opposa jadis mon père à Ernst Reuter. Permettezmoi, néanmoins, de vous dire que ce n'est pas sans émotion, aujourd'hui, que je prononce le nom de celui qui fut 27
le premier et le si grand bourgmestre de Berlin après la fin de la guerre. Un homme d'Etat qui donna un extraordinaire exemple de détermination et de courage face à la terrible menace que l'URSS fit peser sur sa ville. Plus et mieux qu'aucun autre il symbolisa, en et hors d'Allemagne, le combat de Berlin pour la liberté. La vision du monde que les Européens portent en eux reste marquée par les schémas simplificateurs auxquels la guerre froide les avait habitués. Ils continuent inconsciemment d'opposer l'Ouest et l'Est, les pays développés au tiers-monde. Et, dans la mesure où l'effondrement de l'empire soviétique les oblige à abandonner ces catégories dépassées, les voici tentés d'emprunter aux ruines de Sarajevo des analyses qui remontent à 1913. Autant dire qu'il est temps pour les européens d'aujourd'hui de cesser de regarder le monde à travers les lunettes d'hier ou d'avant-hier et de prendre en compte les mutations qui ont si profondément transformé l'univers qui les entoure. Trois constatations doivent, me semble-t-il, leur servir de fil conducteur. Première constatation: l'Europe, qui était le centre du monde, n'est plus située, depuis la fin de la guerre froide, qu'à sa périphérie. En 1913, tout émanait d'elle: la culture, la science et la puissance. La paix et la guerre. En 1945, occupée, divisée, anéantie, elle avait cessé d'exister en tant qu'acteur de l'histoire. Mais elle en resta, pendant un demi siècle le principal enjeu et donc, paradoxalement, le coeur. C'est pour la défendre ou la contrôler que les Etats-Unis et l'URSS se sont affrontés pendant cinq décennies. La chute du mur de Berlin, en mettant un terme à cet affron28
tement, a, du même coup, fait basculer le centre de gravité de la planète d'ouest en est, de l'Adantique vers le Pacifique. Il se situe, désormais, quelque part entre les EtatsUnis, la Chine et le Japon, très loin de l'Europe. Il est temps, pour elle d'en prendre conscience. Deuxième constatation: la fin du monde bipolaire s'est traduite par un saut brutal dans la complexité. Nous vivions dans un monde artificiellement simplifié, presque rudimentaire. Nous nous réveillons dans un univers dont nous avons un mal immense à maîtriser, et plus encore à synthétiser, les innombrables variables. Tant de complexité déroute; elle engendre un désordre des idées, une confusion des valeurs, qu'il est essentiel de dissiper. Troisième constatation: pour tenter d'y voir clair, il faut distinguer entre deux séries de données. Les unes, de plus en plus nombreuses, sont planétaires. Il en est ainsi, notamment, des flux financiers et monétaires, de pans entiers de l'écologie et de la santé publique (qu'on songe au Sida), ou de la structure des grandes entreprises et de la genèse des technologies qu'elles utilisent. Les autres demeurent régionales. La proximité reste, en effet, un déterminant essentiel. C'est de 1'»étranger proche», pour reprendre l'expression mise à la mode par les Russes, qu'émaneront encore longtemps les principaux défis auxquels l'Europe se trouvera confrontée. Quels sont ces défis de notre environnement rapproché, ceux qui nous concernent le plus directement? Comment l'Europe peut-elle les relever? Ce sont les deux questions auxquelles je voudrais tenter de répondre brièvement. 29
I. Quatre défis me paraissent concerner plus particulièrement l'Europe: le déclin préoccupant de sa compétitivité économique, les graves incertitudes que le destin de la Russie suscite à ses frontières orientales, la pression croissante que l'Islam exerce sur ses frontières méridionales, le recentrage des Etats-Unis sur le continent nord-américain et sur l'Asie. 1. Je ne m'étendrai pas, devant des personnalités aussi qualifiées que vous, sur le premier de ces défis. Nous savons tous que le retour à la compétitivité comporte pour notre continent au moins deux points de passage obligés: d'une part, un assouplissement de sa législation du travail et un allégement des charges sociales qui pèsent sur les salaires, et, d'autre part, un effort renouvelé de recherche scientifique et d'innovation technologique. L'aménagement de nos législations et de nos charges sociales, reste l'affaire des Etats. Les particularismes nationaux, particulièrement vivaces dans ce domaine, et le principe de subsidiarité, qui est appelé à jouer un rôle croissant dans la gestion de la Communauté, le veulent ainsi. Il en va tout autrement de la recherche et de l'innovation. L'Europe a, dans ce domaine, un rôle essentiel à jouer. Elle dépense autant et souvent plus par tête d'habitant que les Etats-Unis et le Japon. Mais elle le fait en ordre dispersé, de sorte que son retard par rapport à ses deux grands concurrents - mesuré, entre autre, au nombre des brevets déposés — s'accroît de jour en jour. Les Douze ont mis en place des politiques communes de recherche, auxquelles le Traité de Maastricht donne un fon30
dement juridique solide. Mais, dans la réalité des choses, la coopération entre les Etats et les entreprises demeure notoirement insuffisante. On peut, d'ailleurs, se demander si elle prendra l'extension requise aussi longtemps que la structure de nos entreprises demeurera aussi largement nationale qu'elle l'est encore aujourd'hui. 2. Le deuxième défi nous vient de la Russie, si proche de nous ici, à Berlin. Nous vivons un paradoxe. L'URSS s'est effondrée et le terrible danger politique et militaire qu'elle représentait s'est évanoui. Cependant, quand nous parlons de la Russie, c'est encore, le plus souvent, pour nous inquiéter des menaces qu'elle fait peser sur l'Europe. Des menaces qui sont, il est vrai, multiples et même contradictoires. L'anarchie qui guette la Russie n'est-elle pas aussi dangereuse que le nationalisme renaissant qui s'y développe et que ses voisins immédiats redoutent par dessus tout? Pouvons-nous, de l'extérieur, influer sur son évolution? Dans une faible mesure sans doute. L'aide financière, technologique et industrielle que nous sommes prêts à lui apporter pourrait avoir les mêmes heureux effets pour la Russie que le Plan Marshall eut jadis pour nous. Mais il n'en sera ainsi que si les réformes dont dépend le redressement de son économie sont, enfin, mises en oeuvre. Or seule la Russie peut en décider. Encore faut-il, Mesdames et Messieurs, que dans la crise d'identité qu'elle traverse, la Russie sache, et par conséquent que nous disions clairement, ce que nous attendons de nos relations futures avec elle. Des relations qui n'ont 31
aucune chance d'être construcrives si nous les plaçons sous le seul signe des craintes qu'elle nous inspire. L'Europe occidentale doit, me semble-t-il, s'habituer à considérer la Russie comme un partenaire de premier rang, et même, à condition que son comportement le permette, comme un allié stratégique. Je suis convaincu que nous n'aurions rien à gagner à son démantèlement, ni même à son affaiblissement. Notre intérêt est que la Russie reste une grande puissance, dont la triple dimension, orthodoxe, islamique et asiatique peut devenir, pour l'Europe occidentale, un point d'appui essentiel. Nous ne ramènerons pas la concorde dans les Balkans sans son concours actif. Nous n'établirons de relations équilibrées ni avec l'Islam, ni avec l'Asie, sans son apport. Le philosophe français Paul Valéry disait de l'Europe qu'elle n'est qu'un «petit cap de l'Asie». Un destin peu enviable auquel elle n'échappera que si elle peut s'appuyer sur un partenaire russe solide et prêt à coopérer. 11 est vrai que nous en sommes fort éloignés. Raison de plus pour ne pas nous tromper dans les choix qui nous incombent. Il me paraît souhaitable, par exemple, d'admettre rapidement la Russie au sommet des Sept comme membre à part entière et d'établir avec elle des relations de partenaires égaux. Trois conditions, cependant, doivent être clairement posées: elle doit abandonner, sans ambiguïté, les prétentions plus ou moins voilées qu'elle formule sur les pays de son ancien empire; elle doit renoncer à l'usage de la force dans ses relations avec les autres Etats de la CEI et accepter de se soumettre, dans ce domaine comme dans d'autres, aux règles posées par la Charte des Nations Unies; enfin, il ne faut pas que s'instaure entre 32
l'Europe et les Etats-Unis une répartition des rôles faisant peser sur nous la charge de l'aide et réservant à Washington la conduite du dialogue politique, répartition dont les deux partenaires de la guerre froide ne s'accommodent que trop bien. 3. Mesdames et Messieurs, la présence à Berlin d'une importante communauté turque nous invite à regarder aussi vers le sud, vers le m o n d e musulman qui pèsera lourd sur le destin de l'Europe. L'Islam est le théâtre d'une âpre lutte pour l'hégémonie entre les régimes établis, dont l'idéologie est l'arabisme, et les mouvements de contestation islamique dont l'influence ne cesse de grandir. L'épreuve de force est intérieure à l'Islam, mais son dénouement sera gros de conséquence pour l'Europe. L'arabisme est une idéologie de résistance à la domination étrangère. Elle s'est développée dans le m o n d e arabe depuis le milieu du 19ème siècle et l'a conduit d'abord à s'opposer à l'occupation turque, ensuite aux protectorats anglais et français et, après 1947, à l'Etat d'Israël. Mais la croisade contre le sionisme s'est, au fil des années, peu à peu transformée en une idéologie de légitimation des élites au pouvoir. Elle a servi à justifier le refus de toute expression démocratique, à occulter les échecs économiques et sociaux des régimes en place, à couvrir leur corruption. C'est en dénonçant ces abus que les mouvements islamiques ont conquis dans presque tous les pays arabes l'audience dont ils jouissent aujourd'hui. Ils ne reprochent pas seulement, ni m ê m e principalement, aux régimes établis leur impuissance face à Israël et aux Etats-Unis. Ils mettent en cause leur nature même. Ils les assimilent aux régimes 33
de l'ère pré-islamique, c'est a dire à la barbarie. Us prêchent leur destruction et leur remplacement par des Etats fondés sur le Coran et sur les lois qui en découlent. Après avoir tenté, en vain, au milieu des années 1 9 8 0 une ré-islamisation « par le haut », dont l'assassinat du Président Sadate fut l'exemple le plus spectaculaire, ils se sont retournés vers la base, en direction de laquelle ils conduisent une action dont l'efficacité s'avère redoutable. Ils organisent,
autour
des
mosquées,
des communautés
de
« v r a i s » musulmans, dotées d'écoles, de services sociaux, de « marchés islamiques » où les prix sont contrôlés. Il s'agit pour eux de préfigurer ce que seraient la solidarité sociale, l'éthique, la vie future, dans l'Etat islamique dont ils préparent l'avènement. I^eur prédication gagne partout du terrain. La menace qu'ils représentent, jointe à la disparition de l'allié soviétique, ont convaincu l ' O L P — mouvement laïque — et les régimes arabes qui le soutiennent de changer de stratégie et de rechercher, désormais, la paix avec Israël. Ils en attendent la mise en route d'une dynamique é c o n o mique et une amélioration des conditions de vie qui, espèrent-ils, ramèneront vers eux les classes moyennes qui leur ont, peu à peu, échappé. L ' E u r o p e n'a pas à s'ingérer dans ces affrontements. Mais elle ne peut pas non plus s'en désintéresser. Elle aurait tort, en effet, de sous-estimer la pression politique, démographique et idéologique qui s'exercerait à ses frontières si le fondamentalisme l'emportait sur l'autre rive de la Méditerranée. L ' E u r o p e doit peser de tout s o n poids pour que la paix entre Israël et le m o n d e arabe réussisse. Elle doit apporter
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son soutien à la Turquie, ainsi qu'aux régimes arabes modérés de Jordanie, d'Egypte, de Tunisie et du Maroc. 11 est plus difficile, en revanche, de définir une ligne de conduite satisfaisante face à la guerre civile qui déchire l'Algérie. Ce qui est clair, du moins pour moi, c'est que nous ne devons pas renouveler les erreurs commises par l'occident lors de l'affrontement qui o p p o s a , il v a une quinzaine d'années, l'Ayatollah k.homeni au régime du Shah. 4. Parmi les données nouvelles que l'Europe doit prendre en compte, il en est une dernière dont les événements de Yougoslavie nous ont fait mesurer l'importance, je veux parler de la distanciation des Etats-Unis par rapport à l'Europe. 11 est vrai que repli ne veut pas dire retrait. IJZ Président Clinton nous a, lors de sa récente visite aux plages de Normandie et à Paris, donné l'assurance que son pays resterait présent en Europe. Mais n'est-il pas lui-même le symbole, en m ê m e temps que l'artisan, de la priorité que les Etats-Unis entendent, désormais, accorder à leurs problèmes d o m e s u q u e s ? N'est-ce pas lui, aussi, qui exaltait lors du s o m m e t de Seatde, à la fin de l'année dernière, le rôle que l'Amérique entend jouer dans le Pacifique et en Asie? N o u s assistons, mieux vaut en prendre conscience, à un recentrage d'autant plus profond des priorités américaines qu'il coïncide avec le déplacement, en cours depuis longtemps, du centre de gravité de l'économie américaine de l'est vers l'ouest. N'attendons pas des Etats-Unis qu'ils risquent la vie de leurs soldats dans des affrontements en E u r o p e qui ne mettent plus en cause, désormais, leurs intérêts vitaux. 35
L'Europe doit s'y faire: le parapluie américain, qui garantissait à bon compte sa sécurité, s'est, pour l'essentiel, replié. Il ne la protégera plus que contre des périls majeurs, notamment nucléaires, qui ont, heureusement, peu de chances de se concrétiser. Après cinq décennies du protectorat le plus libéral que le monde ait jamais connu, l'heure a sonné pour les européens de prendre eux-mêmes leur destin en main.
II. Sont-ils prêts à le faire et à relever les défis de l'aprèscommunisme? Nombreux étaient, après la chute du rideau de fer, ceux qui en étaient persuadés. Libre et rassemblée, l'Europe allait pouvoir, de nouveau, peser de toute son influence sur la scène du monde. Il fallut, hélas, très vite déchanter. L'Europe n'a cessé, depuis 1989, d'étaler ses divisions et son impuissance: en Yougoslavie où elle s'est déconsidérée, face au drame du chômage qu'elle a laissé se développer sans réagir, face aux dangers que la centrale de Chernobyl et les autres installations du même type font peser sur le continent. Elle a répondu avec hésitation et retard aux attentes des nouvelles démocraties d'Europe centrale et orientale, qui expriment leur déception avec une véhémence croissante. Mais le plus grave pour l'avenir est, sans doute, la renaissance des nationalismes, non seulement à l'est mais aussi, de plus en plus, à l'ouest. Au lieu de comprendre que les risques de l'après-communisme appelaient un progrès 36
décisif vers l'union, l'Europe, à l'exception remarquable de l'Allemagne, a prêté une oreille complaisante aux démagogues de tous bords. Elle a été sensible, notamment en France, — les élections européennes viennent de le montrer — , aux campagnes conduites contre l'union au n o m de l'indépendance et de la souveraineté nationale, au nom d'une « autre E u r o p e », celle des nations, qui n'est en réalité que l'Europe d'hier, dont chacun sait où elle a conduit notre continent. Les D o u z e ont laissé passer l'occasion que le Traité de Maastricht leur offrait. Certes, le Traité ne mérite pas l'avalanche de critiques dont on l'a accablé. Les transferts de compétences qu'il ajoute à ceux des précédents traités européens sont modestes. Il n'accroît pas, contrairement à ce qu'on a affirmé, l'autorité de la « bureaucratie bruxelloise »; il réduit, au contraire, le rôle de la Commission. Q u a n t au Parlement de Strasbourg, ses pouvoirs ont été sensiblement accrus, c o m m e on ne tardera pas à s'en appercevoir. Le Traité, d'autre part, réalise une avancée stratégique dans un domaine essentiel: celui de la monnaie. Les critères de convergence qui devront être satisfaits sont rigoureux. Mais ils ont été judicieusement choisis et si la monnaie unique voit le jour, elle donnera à l'Union une impulsion décisive. D a n s le domaine de la politique étrangère et de la sécurité, en revanche, le Traité s'est contenté de codifier les procédures anciennes de la « coopération politique », dont on connaît les limites. Mais la véritable carence du Traité de Maastricht, — la faute c o m m i s e par les D o u z e — a été de n'apporter aucune réponse au problème clé dont dépend l'avenir de
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l'Union: celui de ses institutions. Un problème dont il n'était pas difficile, pourtant, de percevoir l'urgence. Deux évidences, en effet, se sont imposées dès la c h u e du mur de Berlin: d'une part, la Communauté allait être amenée à s'ouvrir aux nouvelles démocraties de l'est; le processus prendrait plus ou moins de temps mais il était iiéluctable; d'autre part, l'élargissement portait en lui — il ¿tait facile de le voir — un grave danger de paralysie pour li Communauté. D ' o ù la nécessité de réformer les insttutions et leurs règles de fonctionnement pour les mettre en mesure d'accueillir de nouveaux membres tout en cor.servant la capacité de décider et d'agir. Réformer afin d'tlargir sans risquer de diluer: telle était l'équation que les Douze se devaient de résoudre. 11 se contentèrent, hélas, de la renvoyer à une nouvelle conférence intergouvemementale dont le Traité de Maastricht a fixé l'échéance à 1996. Dans quel sens faudrait-il faire évoluer les institutions de la Communauté? Essayons d'être pragmatiques. Evitons, autant que possible, les polémiques que suscitent immanquablement les références à des modèles, qu'ils soient fédéral ou confédéral, d'autant que la Communauté est, depuis le premier jour, une construction « sui generis ». L'évolution à venir devrait s'effectuer dans quatre directions. Il faut faire de la Commission un organe politiquement responsable, en réduisant le nombre des Commissaires, en accroissant l'autorité du Président sur la Commission et en organisant la responsabilité de celle-ci tant devant le Parlement que devant le Conseil des Chefs d'Etat et de Gouvernements. Il s'agit, ensuite, d'éliminer les votes à l'unanimité au sein du Conseil des Ministres et de les remplacer, pour les problèmes les plus importants, 38
par l'exigence d'une double majorité des Etats et des populations. Il s'agit aussi, naturellement, de donner au Parlement un pouvoir de co-décision sur l'ensemble des directives communautaires. Il faut, enfin, établir une hiérarchie des normes permettant la mise en oeuvre effective du principe de subsidiarité. J'ai qualifié ces changements de pragmatiques. En réalité ils sont révolutionnaires. C'est pourquoi leur chance d'être adoptés en 1996 me paraît faible. Ils se heurteront à une triple opposition. Celle de la Grande Bretagne, pour des raisons de principe. Celle des courants nationalistes qui se sont réveillés ailleurs, y compris en France, et qui tempéreront l'ardeur réformatrice des gouvernements. Celle, enfin, des petits Etats qui ne sont pas disposés à renoncer aux privilèges que le Traité de Rome leur avait accordés; des privilèges qui n'empêchaient pas la Communauté de fonctionner à Six, mais qui débouchent sur des situations de plus en plus absurdes à mesure que la communauté s'élargit. Dans l'Europe à Vingt-quatre, qu'il n'est pas difficile d'apercevoir à l'horizon, la Présidence de la Communauté ne reviendrait à l'Allemagne que tous les 12 ans! Et il ne s'agit là que d'un exemple parmi bien d'autres! Il est possible qu'un sursaut se produise en 1996 et je me garderai de céder prématurément au pessimisme. Permettez-moi seulement d'exprimer la conviction suivante: s'il s'avérait impossible de doter l'Europe élargie d'institutions fortes et démocratiques, il appartiendrait à l'Allemagne et à la France d'en tirer les conséquences. Il leur reviendrait de se concerter et de construire, au coeur de ce vaste ensemble, avec les gouvernements prêts à les 39
suivre, un cercle restreint de pays, « un noyau d u r » , capable de donner à l'Europe l'impulsion dont elle ne saurait se passer. Il ne s'agirait pas de constituer deux groupes séparés de pays, mais seulement d'admettre que les Etats membres peuvent progresser à des vitesses différentes vers leur objectif commun, l'Union, d'admettre que les plus déterminés peuvent précéder et montrer la voie aux plus timides. Mesdames et Messieurs, certains pensent que l'effondrement de l'empire soviétique a privé la construction européenne, telle qu'Adenauer, de Gasperi, Spaak et Jean Monnet l'avait imaginée, de sa raison d'être. Je ne partage pas leur avis. Il me semble, au contraire, que l'union de l'Europe s'impose avec plus de force, encore, aujourd'hui qu'hier. Telle est la conviction profonde que je tenais à exprimer devant vous, ici à Berlin. Une conviction que je résumerai de la façon suivante: l'Europe de demain ne fera entendre sa voix dans les affaires du monde, à côté des Etats-Unis, du Japon et de la Chine, elle ne défendra ses intérêts et ses valeurs face aux grands défis qui se profilent à l'horizon, que si elle ne se contente pas d'être un simple espace, une zone de libre échange, mais devient, dans tout le sens du mot, une puissance.
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