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German Pages 208 [210] Year 2020
Geschichte Franz Steiner Verlag
Geschichte zum Aufkleben Historische Ereignisse im Spiegel deutscher Briefmarken Herausgegeben von Achim Thomas Hack und Klaus Ries
Geschichte zum Aufkleben Historische Ereignisse im Spiegel deutscher Briefmarken Herausgegeben von Achim Thomas Hack und Klaus Ries
Franz Steiner Verlag
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Inhaltsverzeichnis Achim Thomas Hack / Klaus Ries Zur Bedeutung von Briefmarken für die Historie Eine Einführung
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Achim Thomas Hack Timbrologie Eine historische Grundwissenschaft?
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Klaus Ries Saar-Marken Zwischen politischer Propaganda und regionaler Identitätsstiftung
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Hans-Werner Hahn Einheit, Freiheit und sozialökonomischer Wandel Das 19 Jahrhundert im Spiegel deutscher Briefmarken
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Achim Thomas Hack Karl der Große auf Briefmarken Ein europäischer Vergleich
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René Smolarski Kalter Krieg auf zweieinhalb Quadratzentimetern Die Vertriebenenmarke der Bundesrepublik Deutschland als Medium politischer Propaganda
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Achim Thomas Hack Historische Jubiläen auf Briefmarken Mit einem Anhang: Deutsche Briefmarken-Jubiläen 1924–2020
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Zur Bedeutung von Briefmarken für die Historie Eine Einführung Achim Thomas Hack / Klaus Ries Briefmarken stellen bis heute keine bevorzugte Quellengattung der Historie dar.1 Sie gehören – ganz ähnlich den neueren Geldscheinen und Geldmünzen2 – zur Alltagsästhetik und sind bislang kaum historisch ausgewertet worden.3 Dabei können gerade sie für die moderne Kulturgeschichte eine sehr wichtige Quelle bilden, geht es dieser doch vor allem um die symbolische Deutung und Vermittlung von Wirklichkeit.4 Briefmarken bieten sich hervorragend für die von der Kulturgeschichtsschreibung favorisierte Methode der ‚dichten Beschreibung‘ historischer Phänomene an, wie sie Clifford Geertz in Anlehnung an Max Weber gefordert hat, wenn er schrieb: Der Kulturbegriff, den ich vertrete […], ist wesentlich ein semiotischer. Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht. Mir geht es um Erläuterungen, um das Deuten gesellschaftlicher Ausdrucksformen, die zunächst rätselhaft scheinen.5
Briefmarken sind anschauliche Zeugnisse für derart ‚selbstgesponnene Bedeutungsgewebe‘, in denen die Zeitgenossen, ohne dies jeweils zu reflektieren, verstrickt sind
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Vgl. jetzt aber Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Göttingen 2019, hier vor allem die Einleitung, S. 13–19. Vgl. dazu Gottfried Gabriel, Ästhetik und Rhetorik des Geldes, Stuttgart 2002. Einen ersten Versuch unternehmen die Beiträge in P. Smolarski u. a., Gezähnte Geschichte (wie Anm. 1). Vgl. geradezu programmatisch Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005. Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur, in: Ders., Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/Main 2003, S. 9.
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und deren Entwirrung die bevorzugte Aufgabe einer modernen Kulturgeschichte ist. Briefmarken sind in der Tat ‚Ausdrucksformen, die zunächst rätselhaft erscheinen‘ und regelrecht ‚entziffert‘ werden müssen. Sie sind staatlich verordnete Abbildungen oder – wie Walter Benjamin und Aby Warburg meinten – „Visitenkarten“, welche die großen Staaten „im Weltverkehr“ und „in der Kinderstube“ abgeben.6 Sie sind daher zuerst und zuletzt Ausdruck staatlicher Repräsentation. Sie sind aber kein simples Abbild staatlicher Politik, sondern vielmehr häufig Wunschvorstellung der jeweiligen Staaten, wie sie im In- und Ausland gesehen werden möchten. Sie sind auch und vor allem „Herrschaftsinstrument und Mittel politischer Legitimation“.7 In diktatorischen Regimen degenerieren sie gar zu einem reinen politischen Propagandainstrument.8 Anhand von Briefmarken lässt sich sozusagen ‚die Politik hinter der Politik‘ ablesen, das heißt die geheimen Wünsche und Ziele, die man auf Marken besser darstellen und verpacken kann als etwa in öffentlichen Reden oder Denkschriften, wo die Handelnden wesentlich vorsichtiger und zurückhaltender agieren müssen. Briefmarkenmotive sind non-verbale Dokumente herrschaftlicher Politik und bieten einen sonst eher verschlossenen Einblick in die Tiefenschichten von Politik und vielleicht auch in die tatsächlichen Absichten der jeweiligen Regierungen. Wie in einem Brennspiegel zeigt sich an Briefmarken das ‚wahre Gesicht‘ der Mächtigen. Sie zu entziffern ist nicht immer einfach, weil man den historischen Kontext ziemlich genau kennen muss, in dem sie stehen und aus dem heraus sie sich erklären lassen. Das exakt meint Clifford Geertz, wenn er von „dichter Beschreibung“ spricht und eine konsequente Kontextualisierung fordert, wie er sie eindrücklich am Beispiel des (von dem britischen Philosophen Gilbert Ryle beschriebenen) „Augenzwinkerns“ und seiner je vom Kontext abhängigen unterschiedlichen Bedeutung verdeutlicht.9 Auch Briefmarken sind gewissermaßen ein ‚Augenzwinkern‘ von Staaten. Wer sie zu ‚lesen‘ vermag, der mag manchen Regierungsakt und manch offiziöse Politikhandlung besser verstehen, als wenn er „nur“ zu Schriften und anderen Dokumenten greift. Briefmarken können unsere Perspektive auf die Herrschenden und ihre Politik erweitern, und genau in diesem Sinne sollte man sie auch nutzen: Als Ergänzung unseres bisherigen historischen Materials. Mit Hilfe von Briefmarken lassen sich mehr Dimensionen von herrschaftlicher Wirklichkeit sehen. Gerade deswegen sind sie so wichtig für eine moderne „Kulturgeschichte des Politischen“ (Stollberg-Rilinger). *** 6 7 8 9
Walter Benjamin, Einbahnstraße, hrsg. v. Detlev Schöttker, Werke und Nachlass VIII, Frankfurt/M. 2009, S. 65 (zuerst Berlin 1928). René Smolarski, Die Briefmarke als Herrschaftsinstrument und Mittel politischer Legitimation. Zur Einführung, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Gezähnte Geschichte, Göttingen 2019, S. 227–230. Vgl. Hans-Jürgen Köppel, Politik auf Briefmarken. 130 Jahre Propaganda auf Postwertzeichen, Düsseldorf 1971. C. Geertz, Dichte Beschreibung (wie Anm. 5), S. 10 f.
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Die hier folgenden Beiträge sind hervorgegangen aus einem Hauptseminar, das die beiden Herausgeber im Sommersemester 2018 – epochenübergreifend – an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehalten haben. Die Referate der studentischen Teilnehmer wurden dabei durch drei Gastvorträge ergänzt, zu denen so ausgewiesene Fachleute wie Gottfried Gabriel, Hans-Werner Hahn und René Smolarski gewonnen werden konnten. Nur der Beitrag von Gottfried Gabriel ist bereits an anderer Stelle publiziert. Im Folgenden werden die Briefmarken immer mit der Michel-Nummer zitiert (zuletzt Hugo Michel, Deutschland-Katalog 2019/2020, Unterschleißheim 1062019). Da diese Kataloge meist nur fortgeschrieben werden, spielt die Auflage keine große Rolle. Das Land wird dabei immer nur dann genannt, wenn es aus dem Kontext nicht ohnehin klar hervorgeht. Also im Allgemeinen: „Michel Nr. 823“; nur wenn die Zuordnung unklar ist: „Michel (BRD) Nr. 823“, „Michel (DDR) Nr. 823“, „Michel (Berlin) Nr. 823“ usw. Auf Abbildungen dieser Wertzeichen wurde dagegen bewusst verzichtet. Man käme sehr leicht in die Hunderte und Aberhunderte von Wiedergaben und würde damit den vorgegebenen Rahmen leicht sprengen. Auf der anderen Seite sind sie durchweg, wenn auch in verkleinerter Form, in dem bereits genannten Michel-Katalog fotografisch abgebildet. Zum Gelingen des Bandes haben – von den Autoren abgesehen – vor allem zwei Personen entscheidend beigetragen: Dieter Grupp und Tina Sander, die alle Texte gründlich gelesen und wichtige Verbesserungen beigesteuert haben. Ihnen sei dafür sehr herzlich gedankt. *** An den Kosten für die Drucklegung des Bandes hat sich die „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ mit einer Summe von 300 Euro beteiligt. Dafür bedanken wir uns herzlich. Jena, im November 2019
Timbrologie Eine historische Grundwissenschaft? Achim Thomas Hack 1. Forderungen Schon seit einiger Zeit taucht immer wieder die Forderung auf, „Briefmarkenkunde“ als historische Grund- oder Hilfswissenschaft zu etablieren. Was unter diesem Begriff genau verstanden wird, scheint jedoch in einem hohen Maße zu divergieren. So meint zum Beispiel Joachim Helbig, darunter müsse „Postgeschichte“ insgesamt abgehandelt werden – bis hin zu den Postverträgen, Postverordnungen, Postverbindungen, aber auch den Laufzeiten der Briefe, der Bedeutung einzelner Beförderungsmittel und vielem anderen mehr.1 Damit fordert der Verfasser ohne Zweifel eine sehr eingehende und sehr umfassende Beschäftigung mit den postalischen Dokumenten der Vergangenheit ein (etwa im Sinne der sogenannte Altbriefkunde bzw. Vorphilatelie), allerdings wird die Beschäftigung mit den gezackten Wertzeichen dadurch nur eine Tätigkeit unter vielen. Von einer ganz anderen Seite nähert sich der Jenaer Philosoph Gottfried Gabriel dem Phänomen an. Für ihn sind Briefmarken in erster Linie Gegenstand einer „vergleichende(n) Bildwissenschaft, insbesondere der politischen Ikonographie“. Wichtige Voraussetzungen für diese Erkenntnisse bilden seine Forschungen zur „Ästhetik und Rhetorik des Geldes“, die er in unmittelbare Nähe zu den Postwertzeichen rückt.2 Ganz zu Recht weist er auf die grundlegenden Ansätze im ersten Drittel des 20. Jahr1
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Joachim Helbig, Ist Postgeschichte eine Wissenschaft?, in: Postgeschichte – Histoire Postale – Storia Postale LXXXII 2000, S. 19–28. Helbig ist einer der wenigen Posthistoriker, der auf diesem Gebiet auch promoviert hat: Ders., Bayrische Postgeschichte 1806–1870. Grundlagen zur Interpretation altdeutscher Briefe, München 1991. Seine Interessen reichen allerdings bis ins 14. und 15. Jahrhundert zurück, vgl. Ders., Postvermerke auf Briefen des 15.–18. Jahrhunderts, o. O. 2010. Gottfried Gabriel, Ästhetik und Rhetorik des Geldes, Stuttgart 2002; Ders., Ästhetik und politische Ikonographie der Briefmarke, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kulturwissenschaft LIV 2009, S. 183–201; Ders., Die politische Bildersprache der Briefmarken. Beispiele aus der deutschen Geschichte, in: Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schult-
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hunderts hin (Aby Warburg und andere), legt aber vor allem eine eingehende Untersuchung über den „Kampf ums Brandenburger Tor“ auf Münzen und auf Briefmarken vor.3 So wichtig die bildliche Seite zweifellos auch sein mag, sie wird stets durch eine sprachliche Hinzufügung ergänzt, die oft genug die Darstellung erst eindeutig macht. Aus Adler, Baum oder vier unterschiedlichen Landschaftstypen kann auf diese Weise zum Beispiel das „Europäische Naturschutzjahr“ werden.4 Auch die Herausgeber eines Sammelbandes aus dem aktuellen Jahr bedauern gleich zu Beginn die Tatsache, dass Philatelie „längst nicht den Status einer anerkannten (Hilfs-)Wissenschaft (hat), wie beispielsweise Numismatik oder die Heraldik. Vielmehr haftet ihr der Ruf einer Liebhaberei an“ usw.5 Damit liegen sie mit Sicherheit richtig. Allerdings tragen sie auch nicht sehr viel dazu bei, um diesen Status als Historische Hilfswissenschaft zu begründen.6 2. Ein produktiver Neuansatz Sucht man nach einem produktiven Neuansatz, so wird man bereits in den 1950er-Jahren fündig und zwar in dem dreibändigen, mehr als tausend Seiten starken Werk des Mediävisten Percy Ernst Schramm über „Herrschaftszeichen und Staatssymbolik“ des Mittelalters.7 Der damals in Göttingen lehrende Wissenschaftler legt darin so etwas wie eine Übersicht über ein Forschungsfeld dar, das er selbst ganz wesentlich begründet und bearbeitet hatte: Gegenstände unterschiedlicher Art, die in der Lage sind, Herrschaft mittelalterlicher Potentaten – weltlicher wie geistlicher – auszudrücken. Dabei ist es typisch für Schramm, dass er das Mittelalter in seiner vollen Erstreckung behandelt und auch im Buchtitel („vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert“)
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heiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Post – Wert – Zeichen I, Göttingen 2019, S. 21–36. Vgl. seinen Aufsatz von 2019 (wie Anm. 2), aber auch schon die früheren Beiträge. Vgl. Silke Vetter-Schultheiss, Europäisches Naturschutzjahr 1970 im Miniaturformat. Europa im Allgemeinen und die Bundesrepublik Deutschland im Speziellen, in: Dies. / Pierre Smolarski / René Smolarski (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Post – Wert – Zeichen I, Göttingen 2019, S. 453–483. Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss, Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle: Zur Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Post – Wert – Zeichen I, Göttingen 2019, S. 13–19; das Zitat S. 13. Mit dem Begriff der „Bürgerwissenschaft“ oder „Citizen Science“, auf den die Verfasser gleich zu Beginn ihres Textes hinweisen (S. 13 f.), kann ich nicht viel anfangen. Soweit ich weiß, wird Forschung in Deutschland ausschließlich von Bürgern betrieben. Vgl. Percy Ernst Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert, Schriften der Monumenta Germaniae Historica XIII/1–3, Stuttgart 1956.
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gleich darauf hinweist. Aber selbst damit gibt er sich nicht zufrieden und fügt einen „Ausblick: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik in der Neuzeit“ an, in dem er auch auf die allerneueste Zeit eingeht. Ein Historiker, der sich mit diesem speziellen Thema beschäftigt, hätte seiner Meinung nach „zu handeln von der Geschichte der Ländernamen, von dem Titel des Staatsoberhauptes, den Abwandlungen des Staatswappens, der Landesfarben, der Nationalhymnen und von manchem anderen mehr bis hinab zu den Briefmarken.“8 Weshalb war es denn ausgerechnet der Mediävist Percy Ernst Schramm, der den Briefmarken an so prominenter Stelle zur Ehre verholfen hat? Das lässt sich leicht beantworten. Der aus einer traditionsreichen Hamburger Familie stammende Gelehrte stand schon vor dem ersten Weltkrieg mit Aby Warburg in direktem Kontakt, durfte dessen berühmte, kulturwissenschaftliche Bibliothek nutzen und genoss offenbar sein vollkommenes Vertrauen. Als Warburg im Oktober 1920 in einer Jenaer Klinik behandelt werden musste, begleitete ihn Schramm dorthin, später besuchte er ihn hier und als Warburg schließlich im Frühjahr 1921 nach Kreuzlingen weiterreiste, scheint ihn Schramm noch einmal begleitet zu haben.9 Dass Schramm damit den wichtigsten Protagonisten der Auseinandersetzung um die Erneuerung der Briefmarkenkultur am Beginn des 20. Jahrhunderts zum Lehrer bzw. Mentor hatte, der nicht nur antike Motive auf den Briefmarken seiner Zeit untersuchte (Götter, Nymphen, Mänaden, Liktoren, heraldische Tiere), sondern sogar selbst eine Briefmarke entwarf (ein Flugzeug mit der Inschrift „Idea vincit“ und den Namen „Briand, Chamberlain, Stresemann“), ist bezeichnend genug.10 Von ihm stammt im Übrigen auch die berühmte Einschätzung: „Wenn alle Documente verloren [sind]“ – so Warburg im November 1926 – „genügt ein vollständiges Markenalbum zur TotalReconstruction der Weltkultur im technischen Zeitalter.“11
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Vgl. Percy Ernst Schramm, Ausblick: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik in der Neuzeit, in: Ders., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert, Schriften der Monumenta Germaniae Historica XIII/1–3, Stuttgart 1956, S. 1059–1063, das Zitat S. 1063. Vgl. David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes, Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften LXXV, Göttingen 2006, S. 98 f. – Warburg weilte damals in der Jenaer Klinik des Psychiaters Hans Berger, eines Schülers von Otto Binswanger, der heute vor allem als Erfinder des Elektrozephalogramms bekannt ist. Zu Warburgs Interessen vgl. Ulrich Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee „Idea vincit“. Warburg, Stresemann und die Briefmarke, in: Vorträge aus dem Warburg-Haus VI, Berlin 2002, S. 125–162. – Oft übersehen wird die bemerkenswerte Tatsache, dass Warburg schon am 24. Dezember 1913 dem Verlag B. G. Teubner ein Buch mit dem Titel „Die kunstgeschichtliche Entwicklung der Briefmarke“ unterbreitete (S. 128 mit Anm. 7). Ebd., S. 130.
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3. Zwischenfrage: Namenswahl Die Forderungen Schramms zu „Herrschaftszeichen und Staatssymbolik in der Neuzeit“ sind bis zum heutigen Tag – und das heißt: viele Jahrzehnte nach seinen programmatischen Aussagen – bei weitem nicht erfüllt. Wie es scheint, gibt es zur Zeit noch nicht einmal einen gemeinsamen Namen, der es erlaubt, die „Wissenschaft von den Briefmarken“ begrifflich genau zu erfassen. In der Selbstbezeichnung der Briefmarkensammler wird seit langem der Terminus „Philatelie“ verwendet. Damit greift man auf zwei griechische Bestandteile zurück: philia (φιλία), das heißt „Liebe, Freundschaft, Zuneigung“, sowie ateleia (ἀτέλεια), ein Wort, das sich mit „Freiheit von den Staatslasten und Abgaben, zum Beispiel vom Wachtdienst und Ähnlichem“ übersetzen lässt.12 Es ist unnötig zu sagen, dass diese Wortverbindung nicht aus der Antike stammt, sondern eine gelehrte Zusammensetzung des 19. Jahrhunderts ist.13 Der Begriff nimmt also auf die Sammelleidenschaft Bezug, und diese ist bis zum heutigen Tage das auffallendste Merkmal der Briefmarkengemeinde. Ihre vielfältigen Formen und Wege hat schon Mitte der 80er-Jahre Carlrichard Brühl, auch er Mediävist und Historischer Hilfswissenschaftler, detailliert untersucht. Beginnend mit den ersten Sammlern, die schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu fassen sind – Brühl spricht zunächst von einem „Spleen“, wenig später aber bereits vom „Sturm und Drang“ der Philatelie – zeichnet er die Geschichte des Briefmarkensammelns bis in seine eigene Gegenwart nach. Diese lässt sich womöglich an der einen oder anderen Stelle ergänzen, in ihrer Gesamtanlage sprechen die 25 Kapitel aber für sich.14 Sucht man also nach einem Begriff, der nicht die Passion des Sammelns ins Zentrum rückt, nach Möglichkeit sogar den hilfs- oder grundwissenschaftlichen Aspekt besonders betont, dann könnte man vor allem an den Ausdruck „Timbrologie“ denken, abgeleitet vom Französischen „timbre“ und schon seit dem 19. Jahrhundert im
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Vgl. Wilhelm Pape, Griechisch–Deutsches Handwörterbuch, Braunschweig 1864, sub voce. Eine Untersuchung der Wortgenese und des Wortgebrauchs existiert m. W. noch nicht; als ein prominentes Beispiel aus dem 19. Jahrhundert vgl. Alfred Moschkau, Die Wasserzeichen auf den seit 1818 bis dato emittirten Briefmarken und Couverts nebst Abriss einer Geschichte der Briefmarken und des Briefmarkensammelwesens (Philatelie), Dresden 1872. – Zum Verfasser vgl. Christian Springer, Art. Moschkau, Alfred, in: Neue Deutsche Biographie XVIII, Berlin 1997, S. 168 f. Vgl. Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie I–II, Hildesheim 1985–1986, hier S. 1–48. Das Werk umfasst rund 1 250 Seiten und wurde mit der Crawford Medal der Royal Philatelic Society London ausgezeichnet. – Brühl, geboren 1925 in Frankfurt/M. und gestorben 1997 in Düsseldorf, lehrte von 1966 bis 1990 Mittelalterliche (und Neuere) Geschichte an der Universität Gießen. Er war außerdem von 1982 bis 1985 Präsident des Deutschen Altbriefsammler-Vereins. Schon zuvor hatte Brühl gemeinsam mit Heinz Thoma ein Handbuch der Württemberg-Philatelie: Kreuzerzeit (1851–1875) I–II, Schwandorf 1975–1976, verfasst.
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Titel einer in Amiens erscheinenden Zeitschrift „L’Écho de la timbrologie“ (seit 1887) verwendet.15 Sie existiert im Übrigen bis zum heutigen Tage. 4. Timbrologie und Numismatik Sucht man im Kanon der bereits fest etablierten Historischen Grund- und Hilfswissenschaften nach einer Disziplin, die der Timbrologie in mehr als einer Hinsicht gleicht, dann stößt man fast unwillkürlich auf die Numismatik.16 Die wichtigsten Gemeinsamkeiten lassen sich in vier Kriterien zusammenfassen: a) Sowohl Münzen als auch Briefmarken werden von staatlichen Institutionen herausgebracht. Sie können aufgrund dessen als Äußerung der jeweiligen Staaten bzw. ihrer Regierenden gelten (hoheitlicher Aspekt).17 b) Sowohl Münzen als auch Briefmarken werden in einer sehr großen Zahl herausgebracht, die inzwischen weit in die Millionenhöhe reicht. Sie eignen sich daher in besonderer Weise als ein Massenmedium, mit dem man quasi die gesamte Bevölkerung erreichen kann. c) Wie die Münzen haben auch Briefmarken „Geldwert“, wenn auch die genaue juristische Zuordnung lange umstritten war (Postwertzeichen als Geld bzw. als geldund münzähnliche Wertzeichen oder als Surrogat für Geld etc.).18 d) Und schließlich bilden Münzen wie auch Briefmarken einen charakteristischen Text-Bild-Verbund, der nur in seiner Gesamtheit angemessen interpretiert werden kann. Weitere Aspekte ließen sich sicher leicht hinzufügen. Sie betreffen im Übrigen sogar die Geschichte der Disziplin: Auch die Numismatik war lange Zeit eine reine Liebhaberei („Münz-Belustigungen“ usw.), so wie sie die Briefmarkenkunde heute meist immer noch ist.
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Der Untertitel lautete: „Feuillet d’Annonces mensuelle du Commerce de Timbres-poste“. Der Gründer war Edmont Frémy (1829–1888), die Erstauflage betrug 5 000 Exemplare. Einen ausgezeichneten Überblick über die Geschichte dieser Disziplin bietet Dietrich Mann sperger, Art. Numismatik, in: Der Neue Pauly XV, 1, Stuttgart/Weimar 2001, Sp. 1101–1130. – Vgl. im Übrigen auch schon die Beiträge von G. Gabriel (wie Anm. 2). Für die Briefmarken vgl. etwa Gerold Schmidt, Art. Postwertzeichen, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte III, Berlin 1984, S. 1844–1846. Vgl. ebd., Sp. 1845.
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5. Kataloge Fortschritte im Bereich der Numismatik haben vor allem detaillierte Münzkataloge erbracht – allesamt Ergebnisse systematischer Gemeinschaftsarbeit, die auf einem begrenzten Feld, zum Beispiel der kaiserlichen Münzausgaben in der Antike (von Augustus bis Zeno), nicht weniger als zehn umfangreiche (Text- und Bild-)Bände erarbeiteten.19 Mit ihrer Hilfe kann der gelehrte Nutzer jede kaiserliche Prägung detailliert bestimmen und sich über ihre Häufigkeit (von „Common“ bis zum Unikat „R5“) informieren. Auch die Briefmarkenkunde arbeitet mit Katalogen, die allerdings aus einer ganz anderen Wurzel entstanden sind: der (nach Möglichkeit aktuellen) Preisliste. Aus einer ursprünglich sehr bunten Vielfalt an Katalogen (zuletzt: Philex-Katalog, BorekKatalog, DDR-Universalkatalog, Lipsia-Katalog usw.) hat sich in den letzten Jahrzehnten „der Michel“ eine Art Quasi-Monopolstellung, zumindest was Deutschland betrifft, erobert.20 Hugo Michel wurde 1872 im thüringischen Knau geboren, lebte seit 1878 in Apolda und eröffnete dort 1906 einen Briefmarkenhandel, den er aber schon drei Jahre später nach Weimar verlegte. Seit 1909 erscheinen regelmäßig Preislisten und Kataloge zu seinem eigenen Sortiment, die er aber bereits 1919 an den Schwanenberg-Verlag (zunächst in Leipzig, später in Unterschleißheim ansässig) verkaufte.21 Heute umfasst der Michel-Katalog sieben Europa-Kataloge (Mittel-, Südwest-, Süd-, Südost-, Nord-, West-, Osteuropa) sowie zehn Kataloge „Übersee“ (in 14 Bänden: Nord- und Mittelamerika, Karibische Inseln, Südamerika, Nord- und Ostafrika, Westafrika, Süd- und Zentralafrika, Australien und Ozeanien, Süd- und Südostasien, China und Japan, Naher Osten). Mit seiner Hilfe lässt sich jede bisher erschienene Briefmarke ein- bzw. zuordnen. Im Zentrum des Interesses steht ohne Frage sein Deutschland-Katalog, der 2019 in 106. Auflage erschienen ist.22 Welche timbrologischen Informationen bietet nun ein moderner Michel-Eintrag?23 Er enthält einen Titel („200. Geburtstag von Bismarck“), den Erstausgabetag („2. April 2015“), den Namen des Grafikers („[Dieter] Ziegenfeuter“), das Druckver-
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Vgl. The Roman Imperial Coinage I–X, London 1923–1994. – Wie so oft bei derartigen Werken sind mit dem Abschluss der Reihe bereits wieder Überarbeitungen der ersten Bände notwendig. Vgl. Wolfgang Maassen, Von ersten Alben und Katalogen zu Verlagen von Weltrang. Die Gebrüder Senf, Paul Kohl, Hugo Schwanenberger, Hugo Michel und ihre Nachfahren, Schwalmtal 2010. Hugo Michel starb im Jahre 1944 in Weimar. Zu ihm vgl. W. Maassen, Von ersten Alben und Katalogen (wie Anm. 20), S. 469–708. In aller Regel handelt es sich dabei um Fortschreibungen früherer Kataloge, so dass meist auch ältere Auflagen verwendet werden können. – Als nützliche Ergänzung vgl. Wolfram Grallert, Lexikon der Philatelie, Schwalmtal ²2007 (zuerst 2006). Konkretisiert am Beispiel der Bismarck-Briefmarke von 2015. Die Abkürzungen wurden aufgelöst.
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fahren („Offsetdruck, hergestellt in der Bundesdruckerei“), die Zähnung („gezähnt, 13 ¾ Zähne“), eine stark verkleinerte Abbildung der Briefmarke mit kurzer Beschreibung („Otto von Bismarck [1815–1898], Staatsmann“), die Nummer („Michel 3145“), den Briefmarken-Wert („62 Cent“), die Farbe („mehrfarbig“) sowie diverse Preisnotierungen.24 6. Erweiterter Katalog Mit immerhin zehn Kriterien ist zwar ein erster Anfang gemacht, zugleich wird aber auch klar, dass damit nur ein kleiner Teil der Merkmale erfasst wird. Wie gesagt: der Michel-Katalog ist nach wie vor eine Preisliste und wird von den allermeisten Benutzern auch als eine solche gebraucht. Gerade wer sich aber für eine hilfswissenschaftliche Ausrichtung der Briefmarkenkunde (der Timbrologie) ausspricht, sollte diese eher technische Seite nicht vernachlässigen. Für jeden Numismatiker – sei es der Antike oder sei es der neueren Zeit – ist klar, dass er in seinem Tätigkeitsbereich auch mit Münzfälschungen zu rechnen hat.25 Durch neue Techniken, vor allem aber durch eine Globalisierung des Handels wird die Situation nicht einfacher. Im Bereich der Briefmarken ist es allerdings nicht viel anders. Seit Beginn der ersten Emissionen in der Mitte des 19. Jahrhunderts werden immer wieder auch Postfälschungen bekannt; so etwa die Veroneser Fälschung von 1853 oder die Bologneser Fälschung im Kirchenstaat von 1855/57.26 Inzwischen wird längst so gut wie alles gefälscht, was Geld einzubringen vermag. Zugleich halten diese Fälschungen aber auch ganze Bataillone von Gutachtern im Brot, zum Beispiel im 1958 gegründeten „Bund der philatelistischen Prüfer e. V.“.27 In der Sache handelt es sich um Falsifikate auf nahezu allen Gebieten. Allein schon um solche Fälschungen besser einzudämmen, vor allem aber um einen möglichst vollständigen Überblick über die Ausgaben eines bestimmten Landes etc. zu erreichen, empfiehlt sich ein um etliche (gerade hilfswissenschaftliche) Kriterien erweiterter Katalog. Man könnte in etwas zugespitzter Weise sagen: Von der Preisliste zu einer allgemeinen Beschreibung der Briefmarke. Die im Folgenden aufgeführten zweiundzwanzig Merkmale knüpfen an die Kriterien bei Michel an, gehen aber weit darüber hinaus; sie können, wenn erforderlich,
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Außerdem, ob die Briefmarke im Kleinbogen oder auf Rolle herausgegeben wurde. Bereits der Codex Theodosianus sanktioniert diesen Straftatbestand (9, 21–23: das heißt drei Titel mit insgesamt 13 Konstitutionen; vgl. aber auch die vorausgehenden Titel). Vgl. auch C. Brühl, Geschichte der Philatelie (wie Anm. 14), S. 447–477. Vgl. schon C. Brühl, Geschichte der Philatelie (wie Anm. 14), S. 479–510.
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auch noch durch weitere ergänzt werden. Ausgangspunkt sind dabei zunächst die deutschen Briefmarken, das mittelfristige Ziel ist aber ein internationaler Vergleich.28 Merkmale von Briefmarken a Titel Am Beginn eines jeden Eintrags steht jeweils ein Titel, nach dem die Briefmarke üblicherweise zitiert wird. b Format Es folgt das Format. Die ersten deutschen Briefmarken – die bayerischen und die sächsischen Wertzeichen etwa – sind weitgehend quadratisch gestaltet. Später bestimmen Längs- und Querformate das Bild. Dabei können diese Formate wiederum sehr unterschiedlich ausgestaltet sein (schmal, sehr schmal usw.).29 Zu den Kuriositäten gehören Fünfeck-, Sechseck-, Achteckmarken, Dreiecksmarken auf der Spitze oder der Hypotenuse; Briefmarken in runder oder in Rautenform, Wertzeichen in Glocken-, Herz- oder Fledermausform usw. usf.30 c Größe Daran schließt sich die Größe in Millimetern an. Bei älteren Marken, zum Beispiel wenn sie von Hand geschnitten sind, kann es sich natürlich nur um einen Näherungswert handeln. Die heute üblichen Maße liegen bei circa 23 × 39, 26 × 44, 28 × 33, 31 × 22, 33 × 55, 35 × 35, 39 × 33 Millimeter.31
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Im Folgenden soll vor allem die Bandbreite an (deutschen) Briefmarken aufgezeigt werden; Kuriositäten, wie es sie in vielen Bereichen gibt, werden möglichst als solche gekennzeichnet. Überhaupt ist Vollständigkeit nicht angestrebt. – Eine ganze Reihe von Phänomenen wird im Folgenden nicht behandelt. Das sind zum einen die Ganzsachen, obwohl sie so alt sind wie die Briefmarken selbst (vgl. die Mulready-Ganzsachen von 1840), aber auch das weite Feld der Poststempel. Schmale Querformate wurden vor allem in der DDR seit 1966 häufig genutzt, vgl. etwa Michel Nr. 1178, 1202–1203, 1251–1253, 1258–1261, usw.; entsprechende Hochformate sind dagegen selten, vgl. etwa Nr. 1511; beide in Kombination Nr. 2083–2085. Im Jahre 1964 sind drei Dreiecksmarken auf der Spitze erschienen (Michel [DDR] Nr. 1045–1047), außerdem 1968 bzw. 1976 zwei Sätze in Rautenform (Michel [DDR] Nr. 1420–1425 und 2182–2186). Im Jahre 2000 folgte ein rundes (und zugleich quadratisches) Postwertwertzeichen (Michel [BRD] Nr. 2258). Zwei herzförmige (und ebenfalls quadratische) Briefmarken stammen aus Frankreich (Michel Nr. 3774–3775). Die Schweiz hat 2012 eine Briefmarke in Fledermausform (Michel Block Nr. 50) und 2013 in Glockenform (Block Nr. 55) herausgebracht. Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Diese Maße sind gerundet. Im Allgemeinen werden zwei Stellen nach dem Komma angegeben.
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d Papierart Bedruckt werden sehr unterschiedliche Arten von Papier. Beginnend mit handgeschöpftem Papier, holzhaltigem und holzfreiem (Zellstoff-)Papier, Pflanzenfaserpapieren unterschiedlicher Art, in Zeiten von Mangel und Not wird sogar Zeitungspapier verwendet. Zur Sicherheit können Seidenfäden in unterschiedlichen Farben eingelegt werden, heute werden Papiere mit Luminiszenzkörper (fluoreszierend, phosphorisierend, mit optischen Aufhellern) verwendet. Es gibt gefärbte Papiere, dicke und dünne Papiersorten und vieles mehr. Zu den Kuriositäten der letzten Jahre gehören Briefmarken aus Stoff, aus Holz, aus Glas, aus Leder, aus Polyurethan;32 Briefmarken mit besonderen Duftnoten,33 Briefmarken mit Hologrammfolie usw. usf.34 e Wasserzeichen Zur Sicherung der Briefmarken vor unrechtmäßigen Kopien wurden auf der Vorderseite sehr kleinteilige Muster angebracht (ähnlich wie man sie heute von Banknoten kennnt).35 Vor allem nutzte man aber Papiere mit Wasserzeichen in ihrer ganzen Vielfalt (Wellenlinien, Buchstabenfolgen, Kreuzblüten, Posthorn, Ringe, Hakenkreuze, Blumen usw.). Schon der erste timbrologische Beitrag in deutscher Sprache aus dem Jahre 1872 beschäftigt sich genau mit diesem Aspekt.36 Mit der Filigranologie kommt eine Nachbardisziplin in den Blick, deren Gegenstände bis ins hohe Mittelalter zurückreichen.37 Im Bereich der deutschen Briefmarken endet die „Wasserzeichenzeit“ in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. f Zähnung (Perforation) Die ersten Briefmarken des 19. Jahrhunderts dies- und jenseits des Kanals hatten zunächst einen glatten Rand, der durch Schere oder Messer hergestellt wurde. In
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Aus Stoff vgl. Michel (Schweiz) Nr. 1726 vom Jahr 2000 und Österreich wiederholt; außerdem österreichische Holz-, Leder-, Glas- (d. h. mit Swarowski-Kristallen), Polyurethan- (das Material der Fußbälle) usw. Briefmarken. Vgl. Michel (Schweiz) Nr. 1759 (Schokolade) von 2001, imitiert von Belgien, aber als Block mit fünf Briefmarken: Michel (Belgien) Nr. 4361–4365 von 2013. – Michel (Österreich) Nr. 2370 von 2002 (Rosenduft; auf der Briefmarke sind jedoch keine Rosen abgebildet). – Michel (BRD) Nr. 2769– 2772 (vier Obstsorten) von 2010 usw. Mit Hologrammfolie vgl. Michel (BRD) Nr. 2080–2081 von 1999. Dazu gehören etwa alle Ziffern im Quadrat der bayerischen und sächsischen Frühzeit oder aber der Thurn-und-Taxis-Post. – In den Ornamenten des Schwarzen Einsers sind die Initialen „PH“ (Peter Haseney, die Initialen des Stechers) und „WEISS“ (der Namen der Druckerei) versteckt. Vgl. A. Moschkau, Geschichte der Briefmarken (wie Anm. 13). Die umfangreichste Sammlung hat Gerhard Piccard (1909–1989) im Hauptstaatsarchiv Stuttgart angelegt; seine 17 motivisch geordneten Bände (Stuttgart 1961–1997) sind bis heute die Grundlage jeder Filigranologie.
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Deutschland begann die später so typische Zähnung im Jahre 1860, genauer im Königreich Württemberg und im Großherzogtum Baden.38 Seither werden Briefmarken geschnitten, gestanzt, durchstochen (Linien-, Punkt-, Zickzack-, Sägezahn-, Bogendurchstiche) und vor allem gezähnt (Linien-, Kamm- oder Kastenzähnung, auch: Doppelkamm-, Kreuzkamm-, Doppelkreuzkammzähnung, integrierte Schleifperforation, usw.). Gemessen werden die Zähne auf zwei Zentimeter. Sie können an allen vier Seiten gleichmäßig, aber auch mit unterschiedlichem Abstand angebracht werden. Heute sind hierzulande 14 oder 13 ¾ Zähne auf zwei Zentimeter üblich.39 g Gummierung Postfrische Briefmarken sind meist mit einer Gummierung versehen, die es dem Nutzer erlaubt, diese auch ohne zusätzliche Hilfsmittel – Spucke einmal vorausgesetzt – aufzukleben. Zunächst wurden dafür tierische Leime verwendet, später pflanzliche Leime (darunter auch Gummi arabicum); inzwischen werden ausschließlich Kunststoffe (vor allem Polyvenylalkohol) gebraucht. Dabei wurde im Laufe der Jahre und Jahrzehnte sehr viel experimentiert. In diesem Zusammenhang kamen unter anderem auch säurehaltige – genauer: schwefelsäurehaltige – Gummierungen zum Einsatz, die inzwischen das Papier angreifen. Dazu zählt zum Beispiel der „Ostropablock“ von 1935, der bereits kurze Zeit nach seinem Erscheinen beschädigt war.40 h Farbe Eines der schwierigsten Kapitel bei der Briefmarkenbeschreibung ist die Benennung der Farben. Oft sind ganze Sätze mit ein- und demselben Bildmotiv, aber in vielen unterschiedlichen Farben wiedergegeben. Allein die berühmte reichsdeutsche „Germania“-Marke hat es auf immerhin einundsiebzig Werte gebracht, die sich bisweilen in kleinsten Nuancen unterscheiden, zum Beispiel „violettultramarin bis lilaultramarin“ und „lebhaftlilaultramarin bis lebhaftviolettultramarin“.41 Auch die Dauermarkenserien – vom Hindenburg- bis zum Heinemann- und Ulbrichtsatz – beruhen auf einem bunten Farbenspiel bei gleichbleibendem Bildmotiv. Da eine einigermaßen präzise, in der Alltagssprache akzeptierte Terminologie fehlt, lassen sich Farbtöne nur näherungsweise wiedergeben.
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In beiden Ländern wird die Zähnung im Mai 1860 eingeführt. Vgl. Michel (Württemberg) Nr. 16x–19x; Michel (Baden) Nr. 9–12. Die Zähne waren lange Zeit weiß (unter anderem, um den Stempelabdruck sehen zu können); das ist inzwischen nicht mehr selbstverständlich. Vgl. Michel Nr. 576–579 bzw. Block 3. Eine Zusammenstellung der 71 Postwertzeichen mit dem Germania-Motiv und genauem Farbkatalog gibt Michel, Deutschland-Katalog (in der 102. Ausgabe), S. 121–122 (nach Nr. 62).
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Bei hunderten, ja tausenden Briefmarken der letzten Jahrzehnte wird im MichelKatalog eine Einstufung als „mehrfarbig“ vorgenommen. Das ist in der Sache sicherlich richtig, allerdings fehlt dabei schlicht ein Unterscheidungsmerkmal. i Druckverfahren Postwertzeichen werden mit einer Vielzahl von Druckverfahren erzeugt: im Hochdruck (Buchdruck, Flexodruck, Prägedruck), indirektem Hochdruck (Letterset), Flachdruck (Steindruck, Offsetdruck, Lichtdruck), Tiefdruck (Stichtiefdruck, Rastertiefdruck) und Siebdruck.42 Beachtung verdient der Umstand, dass manche Sätze in unterschiedlichen Verfahren realisiert wurden. So sind zum Beispiel die niederen Werte des bundesrepublikanischen Posthornsatzes im Buchdruck- (bis 25 Pfennig), die höheren im Stichtiefdruckverfahren (ab 30 Pfennig) hergestellt. Für ihre Realisierung kommen vor allem die Staatsdruckereien in Betracht: in den einzelnen Ländern (etwa die Hofbuchdruckerei Hasper in Baden, der Metzler-Verlag in Württemberg), dann auf Reichsebene (Reichsdruckerei, später Bundesdruckerei Berlin), die Druckereien der DDR (Druckhaus Einheit Leipzig; Graphische Werkstätten Leipzig; Deutsche Wertpapierdruckerei; VEB Wertpapierdruckerei der DDR; Wertpapierdruckerei Leipzig); heute kommen private Druckereien hinzu (Giesecke & Devrient in München und Bagel Security-Print in Mönchengladbach). j Aufschrift Ein wichtiger Bestandteil der Briefmarken ist ihre Aufschrift; sie dient meist ganz entscheidend bei der Identifikation des Inhalts. Sie sollte daher, wie etwa auch in der Numismatik üblich, selbstverständlich transkribiert werden.43 k Überdruck Die einfachste Art, eine neue Briefmarke zu generieren, ist der nachträgliche Überdruck. Sie kann sich auf den Inhalt, aber auch auf den Frankaturwert beziehen (Inflationsmarken). Auch dieser Überdruck sollte unbedingt transkribiert werden. l Bildmotiv Am auffälligsten ist vermutlich das Bildmotiv der Briefmarke. Hier wäre eine zwar knappe, aber möglichst präzise Beschreibung einzufügen. In vielen Fällen kann auch die Vorlage genau bestimmt werden.
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Vgl. Michel Einführung in die Druckverfahren, München 1992. Am meisten Aufwand verursacht wahrscheinlich die Notenschrift: die berühmten Schumann-Ausgaben der DDR (Michel Nr. 528–529, 541–542), die Bach-Briefmarken der DDR (Nr. 259, 1086, 2931) und Berlins (Nr. 392), die Noten der Gluck- (Nr. 1343), Silcher- (Nr. 1425) und Liszt-Ausgabe (BRD Nr. 2846) usw. usf. – Zu den Kuriositäten gehört auch eine Briefmarke von 2006 (Michel Nr. 2525) mit geprägter und damit ertastbarer Braille-Schrift.
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Spätestens an dieser Stelle ist auch eine Fotografie der Briefmarke unumgänglich – und zwar in Farbe und mindestens in der Originalgröße. m Frankaturwert Hinzu kommen die Frankaturwerte, die in der Praxis (als Beförderungsentgelt) meist die entscheidende Größe darstellen. Sie können mit und ohne zusätzlich ausgewiesenem Zuschlag erfolgen.44 In manchen Ländern wie etwa Portugal oder Frankreich gibt es auch Briefmarken ohne festen Wert.45 Die deutschen Werte beginnen im Pfennigbereich. Allein der Posthornsatz kommt auf fünf (!) Briefmarken unter 10 Pfennig.46 Der höchste Wert liegt zur Zeit bei 5 Euro.47 Die Schweiz gibt seit 1961 Briefmarken im Werte von 3, 5, 10 und 20 Franken aus.48 n Erstausgabe Damit ist Jahr und Tag gemeint, an dem die Gültigkeit beginnt (zum Beispiel der 1. November 1849 für den Schwarzen Bayern-Einser); anfangs war der Verkauf auch schon wenige Tage zuvor erlaubt worden (zum Beispiel der Sachsen-Dreier, gültig ab dem 1. Juli 1850, im Verkauf seit dem 29. Juni). o Geltungsdauer Die meisten Briefmarken haben auch einen letzten Gültigkeitstag (zum Beispiel den 31. August 1864 für die ersten bayerischen, den 31. Dezember 1867 für die ersten sächsischen Briefmarken). Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die meisten Sondermarken der DDR circa zwei Jahre, seit 1964 dann unbegrenzt frankaturgültig. In der Bundesrepublik wurde ein entsprechendes Gesetz fünf Jahre später erlassen, sodass erst durch die Einführung des Euro im Jahre 2002 ihre Gültigkeit erlosch. Heutige Postwertzeichen sind bis zum nächsten Währungswechsel wieder unbegrenzt frankaturgültig.
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Die klassischen, Jahr für Jahr erscheinenden Zuschlagsmarken stammen allerdings aus der Schweiz: „Pro juventute“ seit 1913 und „Pro patria“ seit 1936. Sie gelten für bestimmte Versandarten, z. B. als lettre verte, lettre prioritaire, lettre rouge, lettre ecopli usw. Eine Briefmarke, die in Frankreich 1983 für 30 Centime gekauft wurde, kann 2019 für den Gegenwert von 1,05 Euro verwendet werden (lettre prioritaire). Nämlich 2, 4, 5, 6, 8 und 10 Pfennig (Michel Nr. 123–128). Der Hitler-Satz beginnt sogar mit der Reihe 1, 3, 4, 5, 6, 8 und 10 Pfennig (Michel Nr. 781–787). In der Dauermarkenserie „Blumen“ (Michel Nr. 2877). In der Reihe „Sehenswürdigkeiten“ lag der Höchstwert noch bei 7 DM (Michel Nr. 1691). – Ein ganz anderes Thema sind die Inflationsausgaben der 20er-Jahre (bis zu 50 Milliarden Mark). Die Evangelistenserie (Michel Nr. 381–384).
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p Auflage (und verkaufte Auflage) Briefmarken werden in sehr unterschiedlicher Auflage herausgebracht. In vielen Fällen erreichen sie leicht die zweistellige Millionenhöhe. Die 30 Pfennig-Briefmarke der Heinemann-Serie von 1971 wurde fast 2,5 Milliarden Mal gedruckt.49 In einigen Fällen ist es freilich unklar, wie oft eine bestimmte Marke auch tatsächlich verkauft worden ist. Systematische Untersuchungen in diesem Bereich stehen noch aus. q Künstler Ein großes Manko bei der kunstgeschichtlichen Einordnung der Briefmarken ist das Fehlen von Künstlerportraits. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um bedeutende Grafiker, die weit über den Bereich der Postwertzeichen hinaus tätig waren bzw. sind.50 Die Namen der Künstler werden auf manchen Briefmarken explizit vermerkt, auf anderen nicht. Nach welchen Kriterien das geschieht, ist nicht bekannt (und heute jedenfalls nicht mehr üblich). r Teil eines Satzes (einer Serie) Viele Briefmarken erscheinen nicht als Einzelmarke, sondern als Teil eines Satzes. Abgesehen von den Dauermarken sind Sätze von zwei, drei, vier, fünf, sechs und acht (nicht jedoch sieben, neun, usw.) Stück üblich. Da diese Sätze gemeinhin einem übergreifenden Konzept unterliegen, ist der Hinweis auf diesen Zusammenhang von großer Bedeutung. s Teil eines Blocks, eines Zusammendrucks etc Die größte Form der Briefmarke ist der Block (Sonderblock, Gedenkblock, etc.), mit sehr vielen gestalterischen – und natürlich auch: propagandistischen – Möglichkeiten. Die bisherigen Emissionen verteilen sich wie folgt: Deutsches Reich: 1151, Alliierte Besatzungsgebiete: 7, Saarland: 2, West-Berlin: 8, DDR: 101, BRD während der Teilung: 21, BRD seit der Wiedervereinigung: 58 Blöcke. Eine etwas reduzierte Form stellt der Zusammendruck dar, mit eigenständigem Zwischenstück zwischen (oder auch neben) den Briefmarken (ohne Frankaturwert). t Art der Briefmarke Unverzichtbar ist schließlich eine Klassifikation der Briefmarke nach ihrer Art. Zwar haben sich inzwischen die Freimarken längst durchgesetzt, aber das war nicht schon
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Vgl. Michel Nr. 638. Selbst der Künstler der ersten deutschen Briefmarke, Johann Peter Haseney (geboren 1812 in ZellaMehlis, gestorben 1869 in München) ist namentlich bekannt. Der erste deutsche Block stammt aus dem Jahre 1930 und ist der in Berlin stattfindenden Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung (IPOSTA) gewidmet (Michel Nr. 446–449 bzw. Block 1).
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immer so. In Württemberg und in Preußen, aber auch im Saargebiet und zuletzt noch in der DDR wurden Dienstmarken gedruckt, bisweilen sogar unterschiedliche Dienstmarken für verschiedene Belange (Ämter). Daneben gab es Flugpostmarken, in Österreich Portomarken und vieles andere mehr. Und zum Teil kommen sogar „Briefmarken“ auf die Couverts, die in Wirklichkeit gar keine Briefmarken sind. Die Rede ist vom sogenannten „Sonderopfer Berlin“: de facto eine Steuermarke „Notopfer Berlin“, die in den Jahren 1948 bis 1956 verpflichtend war – und dies nicht nur bei Sendungen nach Berlin. u Nummer Selbstverständlich benötigt jeder Katalogeintrag eine eigene Nummer, außerdem den Verweis auf bereits bestehende Nummern (Nummern nach Michel und nach anderen Katalogen). v Literatur Nicht zuletzt muss auch, wenn möglich, die einschlägige wissenschaftliche Literatur angeführt werden. Dabei ist es allerdings schwierig zu entscheiden, wo diese wissenschaftliche Literatur anfängt und wo sie endet. Ein Großteil der Briefmarken-Literatur wird jedenfalls der „grauen Literatur“ zugerechnet, mit der Folge, dass sie an öffentlichen Bibliotheken kaum zugänglich ist.52 *** Es sind also nicht wenige Kriterien, die für eine künftige Katalogisierung zu Grunde zu legen sind. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von Merkmalen, die für den Historiker nutzlos sind: der Bogenplatz der Briefmarken und der Zusammendruck in welcher Kombination auch immer (Randstück, Eckstück, Vierblöcke, Rolle usw.), die kuriose Sonderbehandlung der Markenheftchen und Folienblätter,53 die nichtssagenden Automatenmarken, die Abarten jedweder Art, die etwa auf Fehlfarben oder kleinsten und allerkleinsten Schäden der Druckplatten beruhen und vor allem die ungezählten und in der Realität so gut wie nie zu realisierenden Preisinformationen.54
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Zu den Bibliotheken mit briefmarkenkundlicher Ausrichtung vgl. C. Brühl, Geschichte der Philatelie (wie Anm. 14), S. 1013–1048; demnach hat die reichhaltigsten Bestände im deutschsprachigen Bereich die Münchner Stadtbibliothek (Philatelistische Abteilung). Sie werden im Michel-Katalog mit eigenen Nummern versehen und blähen damit die Jahrgänge enorm auf. Im aktuellen Deutschland-Katalog sind es rund 63 000 Preisinformationen!
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7. Sammlungen Wo findet man die deutschen und darüber hinaus die internationalen Briefmarken der letzten 180 Jahre? Die im Jahre 1995 gegründete Museumsstiftung „Post und Kommunikation“ unterhält am Bonner Robert-Schuman-Platz (im Gebäude des letzten Postministeriums also) ein „Archiv für Philatelie“, zu dessen Beständen die sogenannte „Generalsammlung“ zählt: eine Reihe von über 800 Alben, die den eigenen Angaben zufolge sämtliche bisher erschienenen Briefmarken enthält – und zwar weltweit.55 Wenn es also einen Ort gibt, Briefmarkenkataloge jenseits der kommerziellen Erwartungen zu erarbeiten, dann läge er hier. Allerdings gehören Publikationen offenkundig nicht zum Aufgabengebiet des „Archivs für Philatelie“,56 sodass man allenfalls von einer (unpublizierten) Referenzsammlung sprechen kann. Der interessierte Philatelist sieht sich daher auf seine teuer erworbenen Kataloge mit winzigen Bildchen verwiesen und vor allem auf seine eigenen Bestände. Bei diesen fühlt er sich ja aber ohnehin gut aufgehoben. 8. Wie geht es weiter? Neue Briefmarken werden auch in den kommenden Jahren erscheinen, höchstwahrscheinlich 52 pro Jahr.57 Seit der Auflösung des Postministeriums im Jahre 1998 liegt die Zuständigkeit für Briefmarken im Bundesfinanzministerium.58 Dort wurde das Referat V B 6 „Postwertzeichen“ eingerichtet, das einen Mitarbeiterstab von ungefähr zehn Personen unter der Leitung eines Ministerialrates beschäftigt. Das Verfahren ist in der Bundesrepublik traditionellerweise zweistufig angelegt. In einem ersten Schritt wird zunächst die Auswahl der Motive festgelegt. Dies obliegt dem sogenannten Programmbeirat, der aus 14 Personen besteht: zwei Vertretern des Bundesfinanzministeriums, zwei Vertretern der Deutschen Post AG (als Lizenznehmer), einem Vertreter des Bundes Deutscher Philatelisten, einem Vertreter des Bun55 56
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Die Sammlung geht unter anderem auf die Bestände des Berliner Reichspostmuseums zurück, das allerdings am Ende des Krieges schwer beschädigt und geplündert worden ist. Zur Geschichte der Postmuseen vgl. C. Brühl, Geschichte der Philatelie (wie Anm. 14), S. 581–600. In der inzwischen Dutzende Bände umfassenden Reihe der Museumsstiftung Post und Kommunikation beschäftigt sich ein einziger (!) mit Briefmarken: Andreas Hahn (Hrsg.), Die Erfindung der Briefmarke: Entwürfe und Probedrucke aus der Sammlung F. A. Philbrick und dem Preußen-Fund, Frankfurt a. M. 2008. Davon werden 20 von der Post AG und 32 vom Bundesfinanzministerium (9 Zuschlagsmarken, 1 Dauermarke und 22 Marken zu Gedenkanlässen) ausgewählt. Nicht lange zuvor, am 2. Oktober 1990, waren die Postministerien der BRD und der DDR zusammengelegt worden. Wie der Entstehungsprozess von Briefmarken in der DDR aussah, ist bisher kaum bekannt.
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desverbandes des Deutschen Briefmarkenhandels, einem Vertreter der Ständigen Kultusministerkonferenz, einem Vertreter des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, einem Vertreter des Deutschen Presserates, vier Mitgliedern des Bundestages und einem Experten aus dem Bereich Geschichte oder Medien. Die Entscheidungen über die Motive werden circa zwei Jahre im Voraus getroffen. In einem zweiten Schritt steht dann die Auswahl eines konkreten Entwurfs für die jeweilige Briefmarke an. Das ist die Aufgabe des Kunstbeirats, der seit dem 28. Oktober 1954 regelmäßig tagt. Er besteht aus 13 Mitgliedern, darunter fünf Grafikern. Das Ministerium verfügt zur Zeit über einen Pool von circa einhundert zugelassenen Grafikern, von denen ungefähr sechs bis acht pro Briefmarke um einen Vorschlag gebeten werden.59 Nach der Darstellung des Bundesfinanzministeriums ist es das Ziel aller Marken-Ausgaben […], wichtige historische und aktuelle Ereignisse, bedeutende Persönlichkeiten und ‚runde‘ Jubiläen in Deutschland zu würdigen. Auch die verschiedenen Regionen sowie bedeutsame gesellschaftspolitische Themenfelder sollen ausgewogen und breit gefächert vertreten sein.60
Welche das konkret sind und in welcher Weise sie umgesetzt werden, das wird abzuwarten sein. 9. Bezugspunkte Welche Bezugsebenen werden mit den Briefmarken-Ausgaben angesprochen? In allererster Linie die nationale Ebene. Briefmarken werden von souveränen Staaten herausgegeben und müssen deshalb als Zeugnis ihres Selbstverständnisses und Selbstanspruches gelesen werden. Diese nationale Ebene ist im hier vorliegenden Band vor allem durch den Beitrag von Hans-Werner Hahn vertreten.61 Daneben können aber auch Dimensionen anderer Art ins Spiel kommen. So gibt es eine insgesamt zwar kleine, in ihrer Bedeutung jedoch kaum zu übertreffende Zahl von Personen, die in mehr als einem Land gefeiert werden. Im vorliegenden Band ist
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Aus Anlass des runden Jubiläums von 2004 ist eine Art Festschrift (aber ohne jeglichen wissenschaftlichen Apparat) erschienen, die vor allem über die Gründungsgeschichte informiert, vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), 50 Jahre Kunstbeirat, Berlin 2004. – Auch die Tradition des künstlerischen Wettbewerbs reicht mindestens bis in die 20er-Jahre zurück, vgl. Die Briefmarke als Kunstwerk. Ergebnis des Wettbewerbs für Freimarkenentwürfe mit Geleitwort von Max Osborn, hrsg. vom Reichspostministerium, Berlin o. J. [1921], (88 Seiten mit 343 Briefmarkenentwürfen). So die Selbstdarstellung des Bundesfinanzministeriums auf seiner Homepage. Vgl. unten, S. 49–73.
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diese supranationale Ebene durch einen Artikel des Verfassers dieser Zeilen über Karl den Großen präsent.62 Die regionale Dimension – in diesem Fall das Saarland – steht im Beitrag von Klaus Ries im Zentrum des Interesses. Gerade aufgrund des Sonderbewusstseins der deutschen Landesteile oder Teilländer verspricht diese Perspektive eine wichtige Bezugsebene für den „deutschen Fall“.63 Aber selbst noch kleinere Einheiten, wie zum Beispiel bestimmte Städte, kommen gegebenenfalls so oft in den Briefmarkenausgaben vor, dass es sich lohnt, sie im Zusammenhang zu analysieren. Jena wäre ein Fall, an dem dies schon einmal ausprobiert worden ist.64 Bei diesen Untersuchungen kommen im Übrigen alle historischen Epochen in den Blick, am häufigsten natürlich das 19. und 20. Jahrhundert, aber auch die Vormoderne, das Mittelalter inklusive. Und besonders wenn man in den Mittelmeerraum geht, spielt auch die Antike eine sehr wichtige Rolle.65 10. Sondermünzen Neben den Briefmarken-Ausgaben gibt es auch in der Gegenwart ein reichhaltiges und immer umfangreicheres Angebot an Sondermünzen in der aktuellen Währung, darunter in Deutschland Silbermünzen im Wert von 10 bis 25 Euro sowie Goldmünzen im Wert von 20 bis 200 Euro. Der Vergleich zeigt allerdings einen gravierenden, ja entscheidenden Unterschied: Während die Briefmarken zumindest zum größten Teil in den Umlauf kommen (und damit ihre Botschaft überhaupt erst wirksam wird), ist das bei Sondermünzen nicht der Fall. Sie verschwinden von den Schaltern der Banken direkt in den Alben der Sammler – und die meisten Deutschen wissen noch nicht einmal, dass es sie gibt.
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Vgl. unten, S. 75–99. Vgl. unten, S. 29–47. Vgl. Achim Hack, Jena und seine Geschichte auf Briefmarken, in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte LXXIII 2019, S. 173–197. Wegweisend Leonhard Schumacher, Augusteische Propaganda und faschistische Rezeption, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XL 1988, S. 307–334. – Zuletzt Florian Martin Müller, Archäologische Funde als Motiv auf Briefmarken zur Begründung nationaler Identität und staatlicher Souveränität am Beispiel des Konfliktes zwischen Mazedonien und Griechenland, in: Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Post – Wert – Zeichen I, Göttingen 2019, S. 279–312.
Saar-Marken Zwischen politischer Propaganda und regionaler Identitätsstiftung Klaus Ries Briefmarken gelten gemeinhin als Ausweis von Staaten oder – wie Walter Benjamin meinte – als „Visitenkarten, die die großen Staaten in der Kinderstube abgeben“.1 Das soll heißen, dass Briefmarken ge- und benutzt werden, um das Image des jeweiligen Staates aufzupolieren und ein bestimmtes Bild im In- und Ausland zu transportieren. Briefmarken sind daher in aller Regel Werbeträger von Nationalstaaten. Von besonderem Interesse ist hierbei, was genau den Staaten wichtig erscheint, zu erinnern und nach außen zur Schau zu tragen. Briefmarken haben es daher mit Erinnerungskultur und mit Erinnerungsgeschichte zu tun. Sie prägen und vermitteln das kulturelle Gedächtnis einer Nation.2 Die Erinnerungskultur wiederum ist zugleich ein Spiegel der Gegenwartspolitik von Staaten. Man kann das politisch-kulturelle Selbstverständnis der Staaten auch an ihren Briefmarken ablesen. Briefmarken sind unter diesem Aspekt der stets offenen und neu ausdeutbaren Vergegenwärtigung von Vergangenheit auch Ausdruck des Historismus als eines unabgeschlossenen (und nicht abzuschließenden) modernen Kulturphänomens.3 Briefmarken können aber auch eine ganz andere, viel unmittelbarere, offenkundigere Funktion haben. In diktatorischen Regimen beispielsweise sind sie oftmals Mittel politischer Propaganda (wenn sie dies nicht immer in irgendeiner ‚weicheren‘ Variante sind); oder in bestimmten relativ abgeschlossenen politischen Regionen können sie wiederum ein bevorzugtes Medium regionaler Identitätssuche und Identitätssicherung darstellen. Eine solche Region war in der Vergangenheit das heutige Bundesland „Saarland“, das in seiner jüngeren Geschichte mehrfach zwischen Frankreich und Deutschland hin- und hergerissen wurde und stets zugleich darauf bedacht war, seine 1 2 3
Walter Benjamin, Briefmarkenhandlung, in: Ders., Einbahnstraße, hrsg. v. Detlev Schöttker, Werke und Nachlass VIII, Berlin 2009, S. 62–65. Vgl. zum kulturellen Gedächtnis die Arbeiten von Jan Assmann. Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Otto G. Oexle.
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eigene Autonomie nicht zu verlieren4. Die Briefmarkenausgabe an der Saar besitzt daher einen enorm politischen Charakter. Die Saar-Marken wurden häufig als Mittel des politischen Kampfes eingesetzt. Ihre Analyse kann nicht nur Aufschluss über die offiziellen Richtlinien der Politik geben, sondern vielmehr auch über die unausgesprochenen Ziele und Motive der jeweiligen Regierungen, weil sich hinter den Bildern und Motiven auf den Marken politische Botschaften verbergen, die in Schriften und Reden zu offenkundig und vielleicht auch zu gefährlich zu äußern gewesen wären. Briefmarken sind keine einfachen Botschafter der jeweiligen Staaten. Hinter ihnen verbergen sich mehrfache Bedeutungen, die sich nicht sofort erschließen, sondern regelrecht entziffert werden müssen. Im Folgenden sollen die beiden wichtigen Phasen saarländischer Geschichte, in denen das Land an der Saar eine relative Autonomie besaß und am Ende eigenständig über seinen politischen Status entscheiden konnte, hinsichtlich der Briefmarkenausgabe und ihrer politisch-sozialen und kulturellen Implikationen behandelt werden: 1. Die Zeit von 1920 bis 1935, in welcher das sogenannte „Saargebiet“ gemäß des Versailler Vertrages unter das Mandat des Völkerbunds gestellt wurde, faktisch von Frankreich abhängig war und danach durch Volksabstimmung über seine staatliche Zugehörigkeit entscheiden durfte.5 2. Die Zeit des gleichfalls französisch dominierten und zugleich europäisch ausgerichteten autonomen „Saarstaates“ von 1947 bis 1957/59, als das Saarland dann nach erneuter Volksabstimmung sowohl politisch (1957) als auch wirtschaftlich (1959) als elftes Bundesland an die Bundesrepublik Deutschland angegliedert wurde.6 1. Die Saarmarken in der Zeit der Völkerbundsverwaltung (1920–1935) Das seit den 1890er Jahren so bezeichnete „Saargebiet“ wurde kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges von französischen Truppen besetzt.7 Nach dem Sieg der Alliierten über das deutsche Kaiserreich wurde im Friedensvertrag von Versailles auch über das Industrierevier an der Saar – das seither so bezeichnete „Bassin de la Sarre“ – verhandelt, wobei man zu dem Schluss kam, das neu strukturierte Gebiet für 15 Jahre unter Völ-
4 5 6 7
Vgl. zum schnellen Überblick Wolfgang Behringer / Gabriele Clemens, Geschichte des Saarlandes, München 2009. Vgl. dazu vor allem Gabriele B. Clemens, Mandatsgebiet des Völkerbundes, in: Hans-Christian Herrmann / Johannes Schmitt (Hrsg.), Das Saarland. Geschichte einer Region, St. Ingbert 2012, S. 217–261. Vgl. dazu Rainer Hudemann / Armin Heinen, Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945–1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch mit CD-ROM zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007. Vgl. die knappe und konzise Einführung in: Michel, Deutschland 2014/15 (künftig nur Michel), S. 265.
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kerbundsmandat zu stellen und die saarländischen Kohlegruben dem französischen Staat zu übereignen.8 In der vom Völkerbund ernannten Regierungskommission, die ihre Tätigkeit unter dem französischen Vorsitzenden Victor Rault in Saarbrücken aufnahm und neben der noch ein beratender Landesrat existierte, überwog von Anfang an der französische Einfluss. Das Interesse Frankreichs war primär ökonomischer Art: Frankreich erhielt als Beitrag zur wirtschaftlichen Wiedergutmachung seiner Kriegsschäden das Eigentum an den Kohlenfeldern und den Kohlengruben. Das Saargebiet war wirtschaftlich und politisch von Frankreich abhängig. Frankreich dominierte die wichtigsten Wirtschaftszweige, indem es nicht nur das Eigentumsrecht an den Kohlengruben und Eisenbahnen westlich der Saar hielt, sondern durch Kontrolle der Erz-, Roheisen- und Kohlezufuhr französische Beteiligungen von ca. 60 % an den Saarhütten durchsetzte. Das Saargebiet war damit faktisch eine Art französische Kolonie.9 Ab Ende April 1920 erfolgte nach und nach die Währungsumstellung auf französische Franc, am 1. Juni 1923 wurde der Franc zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt, 1925 wurde das Saargebiet nach einer fünfjährigen Übergangsfrist gänzlich dem französischen Zollgebiet angegliedert. Bemerkenswerterweise gab es ein eigenes „Grubengeld“ an der Saar (z. T. eigene Banknoten, auch gab es die sogenannten „Saar-Franken“, die rechtlich gesehen aber nie eine eigene Währung darstellten) – und es gab an der Saar seit 1920 auch eigene Briefmarken! Der „Michel“ verzeichnet diese Marken der 1920er Jahre in einem eigenen Kapitel „Deutsche Abstimmungsgebiete“ (worunter ehemals Allenstein im südlichen Ostpreußen, Marienwerder im südlichen Westpreußen, Oberschlesien und eben das Saargebiet zählten).10 Zuerst verwendete die saarländische Post deutsche und bayerische Ausgaben mit dem Überdruck „Sarre“; dies wurde schon kurz darauf – offenbar aus Rücksicht auf die Bevölkerung an der Saar – in „Saargebiet“ geändert.11 Ein frühes Zeugnis der eigenen Marken des Saarlandes sind die Freimarken – noch als „Marken des Deutschen Reiches“ – vom 29. Januar und 1. März 1920: Es werden die „Germania“ und ein repräsentativer Bau abgebildet, beide gedruckt durch die Saarbrücker Druckerei „Gebrüder Hofer“ (die seit den 1860er Jahren ansässig ist).12 Der Oberkommandierende der französischen Truppen, Generalleutnant Wirbel gab schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg Probedrucke der „Germania“ und des letzten bayerischen Königs Ludwig III. mit dem Aufdruck „Sarre“ heraus.13 Die Saarbrücker Drucke-
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G. B. Clemens, Mandatsgebiet (wie Anm. 5), S. 217–261. Wolfgang Laufer, Saarbecken, Saargegend, Saargebiet, in: Saargeschichte|n, II, Saarbrücken 2007, S. 2–4. Michel (Saargebiet), S. 265–275. Der Michel verzeichnet insgesamt 205 Marken ohne die 32 Dienstmarken. Vgl. die Einführung des Beitrags eines Sammlers in: http://sammler.com/bm/briefmarken-saarland. htm (1.8.2019). Michel (Saargebiet) Nr. 1–17. Michel (Saargebiet) Nr. 18–31; kurz zum Oberbefehlshaber Wirbel siehe den Artikel von Axel Braun, Der extravagante Weg zur „Königin“ der Saarbriefmarken: https://www.philaforum.com/
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rei Hofer druckte diese Freimarken am 1. März 1920 für den ehemals bayerischen Teil (Pfalz) des Saargebietes weiter mit dem Aufdruck „Sarre“ und einen Monat später am 10. April bereits mit dem Aufdruck „Saargebiet“.14 Das gleiche geschah auch 1921: Freimarken mit der Aufschrift „Saargebiet“ und der neuen Wertstufe und dem neuen Wappen des Saargebietes, das durch Verordnung der Regierungskommission für das „Saarbeckengebiet“ vom 28. Juli 1920 eingeführt wurde.15 Man kann diese frühen Marken von 1920 und Anfang 1921 eventuell als einen Integrationsversuch von französischer Seite ansehen, vergleichbar mit dem Konzept der „moralischen Eroberungen“, das Napoleon Bonaparte nach 1806 in den Ländern des Rheinbundes ausgegeben hatte16. Im gleichen Jahr 1921 werden Freimarken mit Landschaftsbildern herausgegeben, wobei vor allem die wirtschaftlich-industriellen Motive, die typisch für das Industrierevier Saar sind (Kohle und Stahl), überwiegen.17 Diese Marken sind nicht mehr bei der Saarbrücker Druckerei Hofer gedruckt, sondern bei der Pariser Druckerei Hélio-Vaugirard, die vor allem mit ihren Druckerzeugnissen im Tiefdruckverfahren bekannt wurde.18 Angeblich hat diese Werkstatt im Jahre 1929 die erste französische Briefmarke in ihrer Tiefdrucktechnik hergestellt. Wenn dem tatsächlich so ist, dann erstaunt es umso mehr, dass davor schon die ersten Serien für das französisch besetzte Saargebiet angefertigt wurden, und zwar ab 1921 und von da an kontinuierlich bis zur Volksabstimmung von 1935.19 Man hat den Eindruck, als ob von französischer Seite hier Werbung für das wirtschaftliche Potential des Saargebietes gemacht wurde. Diese ‚Landschaftsbilder‘ gehen in den Jahren 1922 und 1923 in der gleichen Druckerei und mit ähnlichen Motiven weiter,20 sie zeigen „nicht nur Sehenswürdigkeiten des Saarlands, sondern auch Szenen aus dem Kohleabbau und der Stahlgewinnung“.21 Ein besonders interessantes Beispiel von Marken an der Saar zur Völkerbundszeit ist die Freimarke von 1925 mit dem Titel: „Madonna von Blieskastel“ in zweifacher Wertstufe als 45 Centimes- und 10 Franc-Marke.22 Diese Briefmarke ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, sie erscheint auch mehrmals, selbst nach dem Zweiten Weltkrieg
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attachment/286279 mb50-titelstory-pdf/ (abgerufen am 1.8.2019). Michel (Saargebiet) Nr. 18–43. Michel (Saargebiet) Nr. 50–52. Zur napoleonischen Politik unter diesem Aspekt vgl. z. B. Helmut Bock, Napoleon Bonaparte. Realhistorische Beschreibung des Hegemonialpolitikers, in: Marion George / Andrea Rudolph (Hrsg.), Napoleons langer Schatten über Europa, Dettelbach 2008, S. 17–46, hier S. 34 f. Zur Politik der „moralischen Eroberungen“ im frühen 20. Jahrhundert vgl. Martin Wroblewski, Moralische Eroberungen als Instrumente der Diplomatie. Die Informations- und Pressepolitik des Auswärtigen Amts 1902–1914, Bonn 2016. Michel (Saargebiet) Nr. 53–69. Zur Pariser Druckerei Hélio-Vaugirard vgl. den Wikipedia-Artikel mit weiteren Angaben: https:// de.wikipedia.org/wiki/Druckerei_Hélio-Vaugirard (1.8.2019). Michel (Saargebiet) Nr. 53–205. Michel (Saargebiet) Nr. 70–107. Zitiert nach dem anonymen Art. aus: http://sammler.com/bm/briefmarken-saarland.htm (1.8.2019). Michel (Saargebiet) Nr. 102 und 103.
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noch. Das Motiv zeigt die im Volksmund so bezeichnete „Pfeilenmadonna“ oder – wie sie auch genannt wird – „Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen“: Diese Bezeichnung bezieht sich auf eine ca. 80 cm hohe, aus Eichenholz geschnitzte Pietà, die aller Wahrscheinlichkeit aus dem 14. Jahrhundert stammt,23 sich ursprünglich im Kloster Gräfinthal (in der heutigen Gemeinde Mandelbachtal im Saarland) befand und heute in der Heilig-Kreuz-Kapelle in Blieskastel aufbewahrt wird.24 Um die Madonna ranken sich einige Legenden, die das Kloster Gräfinthal in der Frühen Neuzeit zu einem beliebten Wallfahrtsort machten. Auf die Legenden muss hier nicht näher eingegangen werden. Nur so viel ist in unserem Zusammenhang wichtig: Die Aufklärung und hier die katholische Aufklärung unter dem Trierer Kurfürsten und Erzbischof Clemens Wenzeslaus schritt gegen die Wallfahrten ein und erließ 1784 ein Verbot, dem ein Jahr später die Auflösung des Klosters Gräfinthal, das zum Bistum Metz gehörte, folgte. Die dort ansässigen Mönche des Wilhelmitenordens übersiedelten daraufhin in das benachbarte Blieskastel, nahmen die Skulptur mit und die hier residierende Gräfin von der Leyen stiftete der Madonna eine Krone, die auch auf der Briefmarke zu sehen ist. Die bekrönte Pietà hätte in der neuen noch zu bauenden Stiftskirche in Blieskastel ihren Platz finden sollen, wozu es jedoch durch den Einfall der französischen Revolutionstruppen ins Linksrheinische 1792/93 nicht mehr kam. Die von der französischen Republik ins Leben gerufene „Comissions d‘évacuation“, in den zeitgenössischen offiziösen Texten auch „Ausleerungskomission“ genannt,25 die das besetzte Land arg in Mitleidenschaft zog und regelrecht aussaugte, ließ die Pietà versteigern, und die Jungfern von Blieskastel erhielten den Zuschlag. In der Folge wurde die Skulptur an mehreren Orten, relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit, aufgestellt, und erst 1911 wiederentdeckt und sodann restauriert. Zwei Jahre später, nachdem die Restaurationsarbeiten abgeschlossen waren, setzte erneut eine Pilgerbewegung ein. Die Briefmarken mit der „Madonna von Blieskastel“, die man 1925 ausgab, bezogen sich demnach auf einen relativ neuen Fund. Es ist erstaunlich, dass die französische Druckerei Vaugirard diese Marke, die in gewisser Weise der französischen Besatzung widerstand, in Auftrag gab. Sie erschien zudem – und das ist ebenso bemerkenswert – nicht zufällig im Jahre 1925; denn in diesem Jahr beging man im besetzten Rheinland die sogenannte „Jahrtausendfeier der Rheinlande“, ein Akt von ‚nationaler Demonst-
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Joseph Adolf Schmoll, gen. Eisenwerth, Die Pietà aus dem Kloster Gräfinthal in der Kreuzkapelle auf dem Klosterberg bei Blieskastel/Saarland. Zur Datierung des hölzernen Vesperbildes ins 14. Jahrhundert, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, Sonderheft 1994, S. 51. Vgl. dazu den sehr informativen Wikipedia-Eintrag mit der weiterführenden Literatur: https:// de.wikipedia.org/wiki/Unsere_Liebe_Frau_mit_den_Pfeilen (2.8.2019). Vgl. dazu Hans-Walter Herrmann, Erfahrungen mit der französischen Republik als Besatzungsmacht. Die Saargegend in den Koalitionskriegen, in: Die Französische Revolution und die Saar. Ausstellungskatalog, St. Ingbert 1989, S. 125 f. sowie 169.
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ration‘.26 Zum Anlass hatte man die Eroberung Lothringens durch König Heinrich I. im Jahre 925 genommen, die man kurzerhand als die ‚Gründung des deutschen Reiches‘27 deklarierte und dessen 1 000jähriges Jubiläum in vielen Städten des Rheinlandes, übrigens organisiert vom Provinzialausschuss unter dem Vorsitz des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer, begangen wurde. In Saarbrücken beispielsweise demonstrierten am 19. Juni 1925 über 40 000 Menschen für die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich.28 Die Besatzung durch französische Soldaten, worunter sich bewusst auch Kolonialtruppen mit schwarzen Nordafrikanern fanden, wurde (u. a. auch deswegen!) als besondere Erniedrigung empfunden. Dass in jenem Jahr diese Briefmarke erschien, ist von besonderer Brisanz und gehört tatsächlich in den Kontext des nationalen Abwehrkampfes; denn schon ein paar Jahre später, bei dem wirklich bevorstehenden Abstimmungskampf, am 1. November 1934, erschien die gleiche Marke noch einmal, nunmehr jedoch mit dem Aufdruck „Volksabstimmung 1935“.29 Von dieser Marke wurden 70 000 Exemplare gedruckt.30 Die Pietà von Blieskastel war (und ist) ein starkes regionales Identifikationssymbol und diente daher als probates Mittel zur Demonstration regionaler und damit zugleich auch nationaler Gesinnung. Weshalb die Pariser Druckerei diesen Auftrag annahm, bleibt unklar – eventuell bloß wegen des ästhetisch ansprechenden Motivs, ohne den politischen Hintergrund zu realisieren. Sogar noch 1934 war es die Druckerei Vaugirard, die jetzt das Wort „Volksabstimmung“ darauf druckte. Es ist anzunehmen, dass das Saarland relativ autonom über seine eigene Briefmarkenproduktion entscheiden konnte, nur der wirtschaftliche Auftrag musste an eine französische Druckerei gehen. In den Jahren bis zur Volksabstimmung erschienen ferner sehr viele „Volkshilfe“Marken als Wohlfahrtsmarken mit christlich-sozialen Motiven,31 die allesamt bei Vaugirard gedruckt wurden: zum Beispiel der blinde Bettler, das Almosen und La Carità.32 Bevor 1934 die Marken um den Abstimmungskampf einsetzten, ereignete sich an der Saar noch ein schweres Grubenunglück in Neunkirchen, das ebenfalls auf einer Briefmarke festgehalten wurde.33 Die Abstimmung, die im Versailler Vertrag auf das Jahr 1935 festgelegt wurde, fand am 13. Januar statt und wurde mit großer medialer Unterstützung geführt. Im Versailler Vertrag waren drei Möglichkeiten der Abstimmung vorgesehen: erstens Beibehaltung
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Ludwig Linsmayer, Kulturnationale Feiern, in: Richard van Dülmen / Reinhard Klimmt (Hrsg.), Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, St. Ingbert 1995, S. 273–283. So z. B. der Coblenzer Generalanzeiger vom 16. März 1925. Jürgen Hannig, Die Saarregion, Frankfurt am Main 1995, Nr. 59 (S. 82 f.): Kommentar der Saarbrücker Zeitung zur Jahrtausendfeier der Rheinlande vom 23. Juni 1925. Michel (Saargebiet) Nr. 194. Ebd. Michel (Saargebiet) Nr. 128 ff. Ebd. Nr. 128–134. Ebd. Nr. 168.
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der bestehenden Rechts- und Verwaltungsordnung (status quo), zweitens Vereinigung mit Frankreich und drittens Vereinigung mit Deutschland. Aus Deutschland war allerdings seit zwei Jahren Hitler-Deutschland geworden, so dass der ganze Abstimmungskampf auch in den Sog der NS-Propaganda geriet. Joseph Goebbels leitete diese Kampagne, bei der mehr als 1500 Versammlungen stattfanden und mehr als 80 000 Plakate gedruckt wurden.34 Die bürgerlichen Parteien an der Saar schlossen sich in der „Deutschen Front“ zusammen und traten geschlossen für die Rückkehr der Saar an Deutschland ein, wobei die Tatsache der NS-Herrschaft mehr oder weniger souverän ignoriert wurde und auch in der Erinnerungskultur ein hart umkämpfter Punkt war und geblieben ist.35 Lediglich die Sozialdemokratische Partei und später – nach einigem Hin und Her – auch die Kommunistische Partei traten für die Beibehaltung des Status quo, das heißt der Mandatsverwaltung des Völkerbundes ein. Die Abstimmung, die am 13. Januar stattfand, ergab über 90 % für die Rückgliederung an Deutschland, knapp 9 % für die Status-quo-Beibehaltung und gerade einmal 0,40 % für die Vereinigung mit Frankreich bei einer enorm hohen Wahlbeteiligung von fast 98 %. Am 1. März 1935 wurde das Saargebiet offiziell an das Deutsche Reich, sprich an den NS-Staat angegliedert. Die eigenständige Briefmarkenausgabe an der Saar endete mit dem Jahr 1934, und zwar mit Freimarken zu Landschaftsbildern, der besagten ‚Pfeilenmadonna‘ sowie Flugpostmarken und einer Volkshilfemarke, alle jeweils mit dem Aufdruck „Volksabstimmung“ und gedruckt in der Pariser Druckerei Vaugirard.36 Hier wurde keine weitere Propaganda mehr gemacht, sondern lediglich an das wichtige Ereignis der Volksabstimmung erinnert. Im Reich jedoch wurden zwei Briefmarkensätze zur Saarabstimmung herausgegeben, die propagandistische Funktionen hatten: Eine Ende August 1934 mit der Aufschrift „Saar“ sowie dem Reichsadler37 und eine direkt nach der Saarabstimmung am 16. Januar 1935 mit eichenlaubbekränzter Mutter (welche die Germania darstellen sollte) und Tochter, beide sich vor aufgehender Sonne umarmend.38 Diese letzte Sonderbriefmarke trägt die Aufschrift „Die Saar kehrt heim!“.39 Die symbolische Bedeutung liegt auf der Hand: Die Saar als Tochter ist wieder zur Mutter „Deutsches Reich“ zurückgekehrt. Der gesamte Wahlkampf wurde von den Befürwortern der Rückgliederung an das Deutsche Reich vor allem unter der Parole „Deutsche Mutter, heim zu dir“ geführt, während die Gegenseite, die für den Status quo war, sich unter dem Aufruf von Bertolt Brecht „Haltet die Saar, Genossen!“ (ver34 35 36 37 38 39
Vgl. Patrik von zur Mühlen, Schlagt Hitler an der Saar!, Bonn 1979, hier S. 230. Vgl. Richard van Dülmen u. a. (Hrsg.), Erinnerungsarbeit: Die Saar ’33–’35. Katalog zur Ausstellung zur 50jährigen Wiederkehr der Saarabstimmung vom 13. Januar 1935, Saarbrücken 1985. Michel (Saargebiet) Nr. 179–205. Michel (Deutsches Reich) Nr. 544 und 545. Ebd. Nr. 565–568; zum Motiv der Germania vgl. die Beschreibung der Marke in dem Wikipedia-Artikel „Briefmarken-Jahrgang 1935 der Deutschen Reichspost“: https://de.wikipedia.org/ wiki/Briefmarken-Jahrgang_1935_der_Deutschen_Reichspost (3.8.2019). Michel (Deutsches Reich) Nr. 565–568.
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tont von Hanns Eisler) zusammenfand.40 Gustav Regler, der aus Merzig an der Saar stammende bekannte Schriftsteller und Kommunist, der Deutschland 1933 verlassen musste, engagierte sich ebenfalls im Abstimmungskampf als Befürworter des Status quo mit der interessanten und sperrigen Parole: „Für Deutschland, gegen Hitler“.41 Bemerkenswerterweise gab es an der Saar nie eine ‚Regler-Briefmarke‘. Man kann als Zwischenfazit zur Völkerbundszeit festhalten, dass die Briefmarken im Saargebiet, das heißt in einem „Deutschen Abstimmungsgebiet“ mehr als anderswo politische „Propagandamarken“ waren; dies zumal man erst während des Ersten Weltkrieges die Briefmarke als Propagandamittel entdeckte.42 Von nun an kam es allenthalben auch zu vielfältigen Propaganda-Fälschungen kriegführender Staaten, die bewusst zur Schädigung des Feindes eingesetzt wurden. Vor allem diktatorische Staaten nutzten Briefmarkenmotive für die eigene Propaganda: An den Marken während der NS-Zeit in Deutschland lässt sich dies sehr anschaulich belegen.43 Kommen wir zur zweiten Phase der relativ eigenständigen Saargeschichte mit ihren Sondermarken. 2. Die Saarmarken zur Zeit des französisch dominierten und zugleich europäisch orientierten sogenannten „Saarstaates“ von 1947 bis 1957/59 Nach dem zweiten Weltkrieg schien sich für das Saarland die Geschichte noch einmal zu wiederholen:44 Am 21. März 1945 hatten die alliierten Truppen das gesamte Gebiet des Saarlandes besetzt. Jegliches Postwesen war zum Erliegen gekommen. Frankreich hatte ursprünglich vor, das gesamte linksrheinische Gebiet von Deutschland abzuspalten. Diese Pläne wurden jedoch auf den Außenministerkonferenzen der Alliierten unter Verweis auf die Atlantikcharta, wonach es keine Gebietsveränderungen geben durfte, die nicht mit den frei geäußerten Wünschen der betroffenen Völker übereinstimmten, abgelehnt. Um es sich mit den Franzosen jedoch nicht zu verderben, gaben
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Vgl. Gerhard Paul, „Deutsche Mutter – heim zu Dir!“ Warum es misslang, Hitler an der Saar zu schlagen. Der Saarkampf 1933 bis 1935, Köln 1984. Vgl. zu Regler in dieser Zeit Ralph Schock, Gustav Regler. Literatur und Politik (1933–1940), Frankfurt/M. 1984. Vgl. allgemein zur Geschichte der Briefmarke: Karl Heinz Krüger, Deutschlands Geschichte im Spiegelbild seiner Briefmarken, Schwalmtal ²1998. Vgl. Michel (Deutsches Reich) Nr. 479 ff. Die erste Marke im NS-Staat beispielsweise kam am 12. April 1933 heraus zur Eröffnungssitzung des neuen Reichstags in Potsdam, abgebildet war Friedrich der Große (ebd. Nr. 479). Vgl. neben der allgemeinen Literatur auch die konzise Einführung in Michel, S. 743; sodann die Beiträge in: Rainer Hudemann / Raymond Poidevin (Hrsg.), Die Saar 1945–1955. Ein Problem der europäischen Geschichte, München 1999 und Rainer Hudemann / Burkhard Jellonnek / Bernd Rauls (Hrsg.), Grenz-Fall, Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945–1960, St. Ingbert 1997 und das bereits genannte Quellen- und Arbeitsbuch von R. Hudemann / A. Heinen, Das Saarland (wie Anm. 6).
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die USA ihre Zustimmung für eine Abtrennung des Saarlandes, dessen Gebiet gegenüber 1920 vor allem im Nordwesten und im Norden vergrößert wurde. Am 10. Juli 1945 rückten französische Besatzungstruppen in das Saarland ein und lösten die US-Streitkräfte ab. Schon einen Monat später begann der Behördenpostverkehr zwischen französischen und saarländischen Behörden und Banken. Der allgemeine Postverkehr wurde am 1. September 1945 eröffnet. Am 17. Dezember 1945 begann man mit der Ausgabe von Briefmarken für die französische Zone, die auch im Saarland ausgegeben und bis zur Ausgabe eigener Marken verwendet wurden. Es kam allerdings immer wieder zu Engpässen, so dass Barfrankierungen durchgeführt werden mussten. Am 16. Februar 1946 wurde das Saarland der Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrates entzogen. Mit Wirkung vom 20. Juli 1946 wurde das Landesgebiet durch vormals preußische und birkenfeldisch-oldenburgische Gemeinden nicht unwesentlich (um mehr als 100 Gemeinden) erweitert. Im Oktober 1946 wurde das derart vergrößerte Saarland aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert und im Rahmen der französischen Militärregierung für Deutschland einer eigenen Verwaltungsbehörde unterstellt. Die französische Zollgrenze wurde am 22. Oktober 1946 an die neue saarländisch-deutsche Grenze vorgeschoben; am 22. Dezember 1946 wurden für den Warenverkehr die Grenzen zu Deutschland geschlossen und dort auch Personenkontrollen eingeführt. Nach den ersten Landtagswahlen am 5. Oktober 1947 trat am 17. Dezember 1947 die neue saarländische Verfassung in Kraft: Die Präambel der Verfassung sah eine Loslösung von Deutschland und einen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich vor. Dies hatte für die Bevölkerung zunächst einmal wirtschaftlich positive Folgen und löste – noch vor dem sogenannten ‚deutschen Wirtschaftswunder‘ – ein starkes Wirtschaftswachstum im Saarland aus; zudem gab es mit der „Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France“ eine starke frankophile Bewegung im Saarland. Dennoch wurde ein möglicher politischer Anschluss an Frankreich weitgehend abgelehnt. Ein französischer Hochkommissar (Gilbert Grandval) übte die Kontrolle über die Regierung aus. Man spricht in der Forschung und vor allem auch in der breiten Öffentlichkeit gerne, wenn auch zum Teil mit Vorbehalten, von einem französischen „Protektorat“, weil die Autonomie des Saarlandes allzu sehr eingeschränkt war.45 Die postalische Trennung des Saarlandes von der französischen Zone erfolgte am 12. November 1947 und eine Woche später, am 20. November, wurde die Franc-Währung eingeführt, am 1. April 1948 trat die Zoll- und Währungsunion mit Frankreich in Kraft. Im Juli 1948 erhielten alle Saarländer eine eigene Staatsangehörigkeit, sie wurden fortan als „Sarrois“ bezeichnet. Die von Frankreich eingesetzte Regierung, vorwiegend aus Emigranten und von den Nationalsozialisten Verfolgten bestehend, sorgte dafür, dass im Saarland effizienter entnazifiziert wurde als in einem anderen 45
Vgl. dazu nochmals die Beiträge in: R. Hudemann / B. Jellonnek/B. Rauls, Grenz-Fall (wie Anm. 44), sowie Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945–1955, Stuttgart 1996.
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Teil Westdeutschlands. Am 5. August 1950 wurde das Saarland assoziiertes Mitglied im Europarat. Anfänglich bestand eine relativ große Zustimmung zu dem neuen Saar-Statut, was auch mit der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung zusammenhing. Dann stieg jedoch der Widerstand gegen die Regierung in den 1950er Jahren an. Bei der Landtagswahl 1952 gab deswegen rund ein Viertel der Wahlberechtigten aus Protest ungültige Stimmzettel ab. Bundeskanzler Konrad Adenauer, der das ‚Problem Saarland‘ zugunsten seiner bevorzugten Westbindung und der Aussöhnung mit Frankreich weitgehend ausgeklammert hatte, nahm daraufhin Kontakt zur separatistischen Saarregierung Johannes Hoffmann (Christliche Volkspartei des Saarlandes) auf. Dies führte zur Unterzeichnung des „zweiten Saarstatuts“ (zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik) am 23. Oktober 1954 in Paris als Teil der Pariser Verträge. Das sogenannte „Europäische Saarstatut“ sah eine Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 vor. Adenauer und die Bundes-CDU warben dabei für die Annahme des Europa-Statutes, die Saar-CDU lehnte dies jedoch ab. Nach einem heftig geführten Abstimmungskampf wurde am 23. Oktober 1955 eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt. Bei einer Beteiligung von 96,6 Prozent (620 000 Teilnehmer) stimmten 67,7 Prozent der saarländischen Bürgerinnen und Bürger gegen das europäische Saarstatut, das heißt gegen eine wie auch immer geartete Eigenständigkeit des Saarlandes. Das Saarstatut war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Die Planung ganzer Stadtteile in und um Saarbrücken, welche die heute in Brüssel, Luxemburg und Straßburg befindlichen europäischen Institutionen aufnehmen sollten, war bereits angelaufen. Das Ergebnis der Abstimmung werteten die politisch Verantwortlichen in den beteiligten Regierungen als Wunsch der Saarländer, sich der Bundesrepublik anzuschließen. Noch am gleichen Abend trat die Saar-Regierung zurück, und ein Jahr später, am 27. Oktober 1956, schlossen Frankreich und die Bundesrepublik im Luxemburger Vertrag das „Saarabkommen“, in dem Frankreich der Rückgliederung des Saarlandes unter deutsche Hoheit zum 1. Januar 1957 zustimmte: die politische Eingliederung in die Bundesrepublik als zehntes bzw. elftes Bundesland (mit oder ohne West-Berlin) erfolgte ebenfalls an diesem Tag, die wirtschaftliche ließ noch ein wenig auf sich warten. Der Termin für die wirtschaftliche Eingliederung an die Bundesrepublik durch die Einführung der D-Mark wurde vor der Bevölkerung lange geheim gehalten. Der hoffnungsvoll erwartete „Tag X“ war der 6. Juli 1959. Ab diesem Tag wurde im Saarland die D-Mark zum Kurs von 100 Saar-Franken = 0,8507 DM eingeführt, und die Zollschranken zu Rheinland-Pfalz entfielen. Erst mit dem wirtschaftlichen Anschluss wurde die „kleine Wiedervereinigung“ an der Saar perfekt (das Beitrittsverfahren wurde bekanntlich 1990 zum Vorbild für die verfassungsrechtliche Gestaltung der deutschen Wiedervereinigung ebenfalls nach Artikel 23 des Grundgesetzes alter Fassung).
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Die Saarländer verwandten zunächst ab Dezember 1945 die Marken der französischen Besatzungszone, bis die saarländische Postverwaltung ab Januar 1947 eigene Marken verteilte.46 Die ersten Marken trugen daher noch die Mark als Währung, während ab Ende 1947 der französische Franc eingeführt wurde und die bereits ausgegebenen Marken mit der neuen Franc-Währung überdruckt wurden.47 Die Motive dieser ersten Marken betonen beinahe ausschließlich die wirtschaftliche Bedeutung des Saarlandes, den Kohlebergbau, die Eisenhütten, die keramische Industrie (Mettlach) und die Landwirtschaft.48 Gleich für die ersten Jahre nach dem Krieg sieht man auf den Marken regelrecht den wirtschaftlichen Aufschwung bzw. die wirtschaftliche Aufbruchsstimmung, welche das Saarland in jener Zeit kennzeichnete.49 Ganz anders als die Marken der frühen 1920er Jahre strahlen diese Marken trotz des erneut verlorenen Krieges mit noch viel verheerenderen Opfern und Taten der Deutschen einen gewissen Optimismus aus: der Hauer vor Ort mit Saarlandschaft, die Bäuerinnen bei der Rübenernte vor Industrieanlagen, Arbeiter beim Abstich eines Hochofens, weitere Industrieanlagen oder der Alte Turm von Mettlach werden gezeigt.50 Hervorstechend ist in dieser Reihe von 1947 eine Marke mit dem Marschall-Ney-Denkmal in Saarlouis, das damals neu errichtet wurde.51 Michel Ney, „Soldat der Revolution“ und „Marschall des Kaisers“,52 war in Saarlouis geboren und hatte in napoleonischen Diensten gestanden und wurde dafür nach der Schlacht bei Waterloo, an der er noch – gegen den ausdrücklichen Befehl des neuen Königs Ludwigs XVIII. – teilnahm, in Paris hingerichtet. Mit Ney ließ sich in gewisser Weise eine deutsch-französische Aussöhnung bzw. Verbundenheit des Saarlandes mit Frankreich zum Ausdruck bringen. Es überwogen jedoch in jener Zeit eindeutig die wirtschaftlichen Motive, und zwar weiterhin in optimistischer Gebärde, wie etwa der lachende Arbeiter oder das strahlende „Mädchen mit Garbe“;53 typischerweise werden diese Freimarken unter dem Titel „Wiederaufbau des Saarlandes“ ausgegeben.54 Daneben lassen sich die christlich-sozialen Motive in dem vorwiegend katholisch geprägten Saarland als weiteres Hauptkennzeichen der Briefmarkenausgabe jener Jahre erkennen: Das Wunder Moses am Felsenquell, die Heilung des Lahmen am Teiche Bethesda, das kranke Kind, die Almosenspende des Heiligen Thomas aus dem 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Vgl. den instruktiven Beitrag von Martin Mautner und Rainer Freyer: https://www.saarnostalgie.de/Saar-Briefmarken.htm (4.8.2019) sowie den anonymen Beitrag: http://sammler. com/bm/briefmarken-saarland_02.htm (3.8.2019). Michel (Saarland) Nr. 206–232. Vgl. dazu und zum folgenden auch M. Mautner/R. Freyer (wie Anm. 46). Michel (Saarland) Nr. 206 ff. Ebd. Nr. 206–225. Ebd. Nr. 224. So der Titel der Ney-Biographie von Ernst Klitscher, Michel Ney. Soldat der Revolution – Marschall des Kaisers, Saarbrücken 1993. Michel (Saarland) Nr. 242–245. Ebd. Nr. 239–251.
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Jahr 1949,55 eine Marke von 1950 zum 85. Todestag von Adolf Kolping (1813–1865), dem Begründer der katholischen Soziallehre, der im Saarland eine wichtige Tradition, die der katholischen Kolpingvereine, stiftete56 und schließlich eine Markenreihe vom gleichen Jahr zur Lutwinus-Legende.57 Ebenfalls 1950 wurde noch ein anderer Katholik verewigt: Peter Wust (1884–1940), der katholisch geprägte existentialistische Philosoph aus der Nähe von Merzig im Norden des Saarlandes, anlässlich seines zehnten Todestages.58 „Die hochformatige Wust-Marke wurde in 500 000 Exemplaren gedruckt“ (übrigens wiederum bei Vaugirard in Paris) „und – da ohne Zuschlag – weit häufiger verwendet als Kolping“.59 Wust entwickelte seine Philosophie als eine offensiv katholische und strebte in diesem Sinne eine kulturelle Einheit Europas an, die durchaus einen anti-protestantischen Affekt besaß. Es war demnach geschickt, eine Wust-Marke im französisch besetzten Saarland – und zudem noch durch eine französische Druckerei – drucken zu lassen. Mit Wust konnte man sich sowohl als Saarländer als auch als Franzose identifizieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ein Jahr später eine Marke mit dem Titel: „Reformationsjubiläum an der Saar“ erschient.60 Gemeint war der 375. Jahrestag der Reformation und abgebildet sind zwei Personen: Martin Luther (1483–1546) und – erstaunlicherweise – Johannes Calvin (1509–1564), der aus Noyon (Picardie) stammende Genfer Reformator und gleichzeitige Begründer des reformiert-calvinistischen Zweiges der Reformation. Gewiss sollte damit auch „die Religionsfreiheit im Saarland betont werden“ und zugleich „die Gelegenheit“ genutzt werden, „sowohl einen deutschen als auch einen französischen Theologen gemeinsam abbilden zu können (‚Brückenfunktion‘ des Saarstaates)“.61 Aber nicht allein dies: Trotz der deutlichen katholischen Mehrheit hatte das Saarland aus seiner alten nassau-saarbrückischen Geschichte, als die Reformation durch Graf Philipp II. von Nassau-Weilburg durch eine landesweite Visitation 1576 eingeführt wurde, eine kleine, durchaus wirkungsvolle lutherische Gemeinde in den ehemaligen Stammlanden um Saarbrücken. Diese sollten mit der Marke ebenso bedacht werden wie die beiden reformierten Gemeinden Ludweiler (1604 reformiert) und Saarbrücken (1747 reformiert).62 Die Reformationsmarke besitzt einen hohen symbolischen Gehalt und zeigt, wie sehr Briefmarken auch eine einheits- und harmoniestiftende Funktion ausüben, zumal in Regionen, die – wie das Saarland – innerlich wie äußerlich zerrissen sind. Die
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Ebd. Nr. 267–270. Ebd. Nr. 289. Ebd. Nr. 299–303. Ebd., Nr. 290. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Michel (Saarland) Nr. 308. So M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Vgl. allgemein dazu die Beiträge in: Kurt Hoppstädter / Hans-Walter Herrmann (Hrsg.), Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes II: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der französischen Revolution, Saarbrücken 1977.
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Reformationsmarke wurde durch Franz Tschersovsky, einen bekannten Grafiker jener Zeit, entworfen und „im Stichtiefdruck bei der Französischen Postwertzeichendruckerei in 285 000 Exemplaren gedruckt und war bis 30.11.1953 gültig“.63 Beim Jahrgang 1951 ist eine Marke besonders zu erwähnen: Bei den fünf Marken zur Volkshilfe am 3. November findet sich, regelrecht aus dem Rahmen fallend, neben den christlich-sozialen Motiven ein Druck von Artur Kampf (dem ehemaligen NS-Hofmaler, der noch 1944 von Adolf Hitler in die sogenannte Gottbegnadenten-Liste aufgenommen wurde und 1950 verstarb64) mit dem Titel „Vor dem Theater“.65 Es war nicht zu ermitteln, wann das Bild entstanden ist. Es zeigt, so der Untertitel des Gemäldes von Kampf: eine „Arbeiterin mit Säugling auf nächtlicher Straße, im Hintergrund Theaterbesucher“. Die Marke erinnert an ein Nachkriegsbild aus Deutschland, weit entfernt von einer wirtschaftlichen Aufbruchsstimmung. Interessanterweise zeigt auch diese Marke wieder die für das Saarland typische ‚Mutter-Kind-Symbolik‘, die schon die erste Marke dieser Serie von 1951 kennzeichnete.66 Hier lautet der Titel: „Die gute Mutter“. Das Mutter-Kind-Motiv ist für das Saarland ganz charakteristisch, schon zur Völkerbundszeit symbolisierte es – wie gesehen – die „Heim-ins-Reich-Bewegung“ als eine Mutter-Kind-Beziehung.67 So kommt es beispielsweise auch 1954, im Marianischen Jahr, zur Ausgabe von drei großformatigen Marken, die Reproduktionen berühmter Mariendarstellungen der Renaissance, jeweils als Mutter mit Kind, zeigen: die Madonna des Baseler Bürgermeisters Jacob Meyer von Hans Holbein (1497–1543), die Sixtinische Madonna von Raffael (1483–1520) und die Madonna mit der Birnenschnitte von Albrecht Dürer (1471–1528).68 Die Ausgabe dieser Marken 1954 hatte auch eine Werbefunktion, denn: „Das Marianische Jahr war Anlass für besondere Wallfahrten, die auch im mehrheitlich katholischen Saarland besonderen Widerhall fanden“.69 In jener Zeit der 1950er Jahre bis zur Volksabstimmung sind neben vielen ‚normalen‘, vor allem christlich-religiösen Motiven auf zumeist Volkshilfesätzen insbesondere drei Marken bzw. Markenreihen zu nennen, die sowohl die Internationalität als auch die relative Autonomie des Saarlandes herausstellen: Erstens: 1950 war für das Saarland aus außenpolitischer Perspektive ein wichtiges Jahr, denn es wurde (knapp einen Monat nach der Bundesrepublik) als assoziiertes Mitglied in den Europarat aufgenommen, womit sich der Autonomiestatus erhöhte.
63 64
65 66 67 68 69
M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Zu Artur Kampf s. Otto Zirk, Kampf, Arthur von, in: Neue Deutsche Biographie XI, Berlin 1977, S. 90 f. Von Kampf stammt das berühmte Gemälde „Fichtes Reden An die deutsche Nation“ von 1913/14, ein Wandgemälde in der Aula der Berliner Universität in der Alten Bibliothek (im Zweiten Weltkrieg zerstört). Michel (Saarland) Nr. 310. Ebd. Nr. 309. Vgl. dazu nochmals G. Paul, „Deutsche Mutter“ (wie Anm. 40). Michel (Saarland) Nr. 351–353. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46).
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Aus diesem Anlass erschien am 8. August, fünf Tage nach dem Beitritt, eine zweiwertige Serie mit der allegorischen Darstellung eines Buches, der Erdkugel und eines Schriftbandes sowie – bei der höherwertigen Marke zusätzlich noch – einer Friedenstaube.70 Beide Marken waren gültig bis zum 31. August 1952, sie erschienen in ziemlich hoher Auflage von 1 260 000 bzw. 1 162 240 und wurden gedruckt bei der Pariser Druckerei Vaugirard. Die Nennwerte waren hoch: „25 Fr. kostete ein Brief ins europäische ‚Ausland‘, wozu vor allem Deutschland gehörte …“.71 Die Marke diente wesentlich der Außenwerbung des teilautonomen Saarstaates. Zweitens: Am 29. März 1951 erscheinen zwei Marken mit unterschiedlichen Motiven zu den olympischen Sommerspielen in Helsinki. Das Saarland war aufgrund einer Entscheidung des Internationalen Olympischen Comittes (IOC) vom 15. Mai 1950 als „selbständige olympische Nation“ anerkannt worden und konnte so mit einer eigenen Mannschaft, bestehend aus 31 Männern und fünf Frauen, an den olympischen Sommerspielen, die vom 19. Juli bis zum 3. August 1952 in der finnischen Hauptstadt Helsinki stattfanden, teilnehmen.72 Die beiden Marken zeigen einen Fackelträger und eine Weltkugel mit einer Hand mit Lorbeerzweig davor.73 Es handelt sich um Sondermarken, die im Stichtiefdruck bei der französischen Postwertzeichendruckerei gedruckt wurden und bis zum 31. März 1954 gültig waren, aber eine ziemlich große Verbreitung fanden: Sie kamen nämlich „relativ oft auf Gedenkblättern oder -karten mit unterschiedlichen Sonderstempeln vor (z. B. zu Spielen um die Deutsche Fußballmeisterschaft 1952)“.74 Auch vier Jahre später, 1956, bei den nächsten Olympischen Sommerspielen im australischen Melbourne wurden zwei Saarmarken herausgegeben, die bildgleich den Jünglingskopf des antiken „Siegers von Benevent“ zeigte.75 Diese Marken erschienen in einer sehr hohen Auflage von 1 300 000 Sätzen und waren bis zum 31. Dezember 1958 gültig.76 Drittens erschienen ab dem Jahre 1951 regelmäßig jährliche Sondermarken zur sogenannten „Saarmesse“77 – einer regionalen Einrichtung, die 1949 von den Gebrüdern Grandmontagne als „Saarländischer Gestaltungskreis“ mit dem Ziel der Veranstaltung von internationalen Messen in Saarbrücken auf einer großen Fläche in der Nähe zu Frankreich ins Leben gerufen wurde und dem kleinen Land an der Saar eine 70 71 72 73 74 75 76 77
Michel (Saarland) Nr. 297 und 298; s. dazu auch M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Vgl. den eigenen anonymen Artikel „Die Saar und Olympia 1948, 1952 und 1956“: https://www. saar-nostalgie.de/Olympia1.htm (12.8.2019), hier vor allem den eigenen Abschnitt B: Die Saar in Helsinki mit eigener Mannschaft: https://www.saar-nostalgie.de/Olympia1952.htm (12.8.2019). Michel (Saarland) Nr. 314 und 315. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Das Saarland hatte auch eine eigene „Saarländische Fußballnationalmannschaft“ und nahm mit dieser auch an der Weltmeisterschafts-Qualifikation 1954 teil, wobei sie u. a. gegen den späteren Weltmeister Deutschland spielte. Michel (Saarland) Nr. 371 und 372. Notiz ebd. Michel (Saarland) Nr. 306, 341, 348, 359, 368.
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überregionale, ja internationale Attraktivität verlieh.78 1950 hatte die erste Messe mit 330 Ausstellern stattgefunden, wozu es jedoch noch keine Briefmarke, sondern „lediglich einen Sonder- und einen Nebenstempel (Cachet) gab“.79 Ab 1951 erschien dann – wie gesagt – die erste Sondermarke, eine hochformatige Marke, die – wie die anderen auch – bei Vaugirard in Paris gedruckt wurde und eine Auflagenhöhe von 420 000 erreichte.80 „Alle Messemarken weisen recht hohe Auflagezahlen auf – wohl um der Saarmesse auch in Sammlerkreisen die gebührende Aufmerksamkeit zu sichern. Sie waren so ziemlich die einzigen Sondermarken, die mehrheitlich tatsächlich im Postverkehr Verwendung fanden; die meisten anderen Sondermarken wanderten zum größeren Teil postfrisch oder ungebraucht in die Alben der Sammler“.81 Ab 1952 fanden sich vermehrt französische Aussteller auf der Saarmesse, weil die Einfuhrbestimmungen für die Messe gelockert wurden.82 Daher trugen die Marken ab 1953 auch die Aufschrift „internationale“ Saarmesse.83 Die Messe diente sowohl als regionales als auch als internationales Aushängeschild des Saarlandes und wurde auch so auf den Marken zur Schau gestellt. Kommen wir zum Schluss noch zum zweiten Abstimmungskampf an der Saar und der endgültigen Eingliederung in die Bundesrepublik: Die Volksabstimmung sollte – wie oben bereits erwähnt – gemäß dem „Europäischen Saarstatut“ am 23. Oktober 1955 stattfinden. Einen Tag vor der Volksbefragung erschien „eine dreiwertige Überdruckausgabe gängiger Dauerserienmarken“, die bei der Postwertzeichendruckerei Paris in einer Auflagenhöhe von 1 200 000 Sätzen gedruckt wurde.84 Die Marken trugen den Aufdruck „Volksbefragung 1955“ und stellten saarländische Motive dar: eine Schachtanlage, die Brücke in Gersweiler und das Bibliotheksgebäude der 1948 mit französischer Unterstützung gegründeten Universität des Saarlandes.85 Die Volksbefragung ging – um es nochmals ins Gedächtnis zu rufen – so aus, dass 67,7 % der Saarländer gegen das „Saarstatut“, das heißt gegen einen europäischen Status votierten, so dass ein Jahr später, am 27. Oktober 1956 in Luxemburg der Saarvertrag abgeschlossen wurde, in welchem festgelegt wurde, dass das Saarland zum 1. Januar 1957 als zehntes bzw. elftes Bundesland (mit oder ohne Berlin) zur Bundesrepublik Deutschland kam. Damit war am 27. Oktober 1956 im Prinzip bereits die Verbindung zu Frankreich gelöst
78 79 80 81 82 83 84 85
Vgl. Gerhard Ames, Tauziehen um die Saarmesse. Wirtschaft im Sog der Politik (1947–1959), in: Von der „Stunde Null“ zum „Tag X“: Das Saarland 1945–1959, Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloß, Saarbrücken 1990, S. 175–202. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Michel (Saarland) Nr. 306. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Vgl. den eigenen Wikipedia-Artikel „Saarmesse“: https://de.wikipedia.org/wiki/Saarmesse (10.8.2019). Michel (Saarland) Nr. 341. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). Michel (Saarland) Nr. 362–364.
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und die Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland beschlossen, das heißt der halbautonome Zustand (egal wie man ihn interpretiert, ob eher als ‚Protektorat‘ Frankreichs oder als relativ eigenständiges Gebilde, das von Frankreich mehr unterstützt als unterdrückt wurde86) beendet. Wie ein Teil der saarländischen Bevölkerung den bisherigen Status empfand (über den bis heute kontrovers in der Historie und in der Öffentlichkeit gestritten wird), mag eine Marke verdeutlichen, die am 29. Oktober 1956, das heißt zwei Tage nach Abschluss des Luxemburger Vertrages und der Festlegung der Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik herauskam: Die Marke in dreiwertiger bildgleicher Serie zeigt unter dem Titel „Wiederaufbau saarländischer Denkmäler“ das „Winterbergdenkmal“ in Saarbrücken vor seiner Zerstörung.87 Das Winterbergdenkmal hat eine lange und bewegte Geschichte:88 Es ist zwischen 1872 und 1874 errichtet worden und sollte an die Entscheidungsschlacht von Spichern am 6. August 1870 erinnern, als Preußen im deutsch-französischen Krieg Frankreich besiegte und in dessen Gefolge die deutsche Reichseinigung unter preußischer Ägide zustande kam. Das Denkmal wurde auf dem Winterberg an der Grenze zu Frankreich weithin sichtbar auf einer großen Anhöhe (wo heute ein Krankenhaus steht) errichtet und der Turm mit der Schildinschrift „Deutschlands Helden 1870–71“ war zu der nach Frankreich bzw. exakt nach Spichern gerichteten Seite als regelrechtes Mahnmal an die von preußischen Truppen besiegten Franzosen aufgestellt. Man kann sich kaum ein kriegerischeres und zugleich anti-französischeres Denkmal vorstellen als dieses frühe Nationaldenkmal des gerade gegründeten Kaiserreichs. Das Winterberg-Denkmal kam durch eine Spendensammlung zustande, selbst der Kaiser, Wilhelm I., hatte 2 000 Taler zugeschossen. In Kaiserreichszeiten war das Denkmal die Touristenattraktion schlechthin, in den 1880er Jahren kamen Heerscharen von Besuchern, um sich das neue Wahrzeichen der Stadt Saarbrücken (denn das war es nun!), das alle Postkarten zierte, anzusehen. Unmittelbar vor und auch nach dem Ersten Weltkrieg wurde es als das deutsche Symbol gegen den ‚Erbfeind‘ Frankreich von allen nationalistischen Kräften instrumentalisiert. Zur Völkerbundszeit gab es sogar einen „Bund der Saarvereine“, der mit dem Denkmal für die Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland Propaganda machte. Allerdings schaffte es das Denkmal in der Saargebietszeit der 1920er Jahre nicht auf eine Briefmarke – das war offenbar erst 1956, und zwar – noch einmal – am 29. Oktober, das heißt zwei Tage nach dem Luxemburger-Vertrag, mög86 87 88
Der Streit wurde vor allem zwischen Winfried Loth, der eher der These des Protektorats zuneigt, und Rainer Hudemann, der stärker die Autonomie des Saarlandes betont, die sich in der französischen Außenpolitik gezeigt habe, geführt. Michel (Saarland) Nr. 373–375. Vgl. dazu und zum folgenden Gerhard Paul, Das Winterbergdenkmal, in: Klaus-Michael Mallmann / Gerhard Paul / Ralph Schock / Reinhard Klimmt (Hrsg.), Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955, Saarbrücken ³1995, S. 82–83 sowie den eigenen Wikipedia-Artikel „Winterbergdenkmal“: https://de.wikipedia.org/wiki/Winterberg denkmal (11.8.2019) mit weiterführender Literatur.
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lich. In der NS-Zeit galt das Denkmal zunächst als Siegeszeichen gegen Frankreich und erhielt deswegen auf dem Turm ein großes, hell beleuchtetes Hakenkreuz. Dies hielt jedoch nicht lange, denn mit dem Kriegsausbruch im September 1939 musste das Denkmal, das für den ‚Feind‘ einen allzu sichtbaren Orientierungspunkt bot, schnellstens (schon am 10. September) gesprengt werden. Seither existierte dort nichts mehr. Nach der Volksabstimmung 1955 und der Ablehnung des Europäisierungsabkommens des Saarstaates und dem damit zusammenhängenden Rücktritt der Regierung des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann wurden von der neuen prodeutschen Regierung des Saarlandes von 1956 bis 1958 saarländische Briefmarken herausgegeben, deren Zuschlag dem Wiederaufbau des Denkmals zugute kommen sollten. Darum handelt es sich bei den besagten drei Marken: Oben auf der Marke steht „Winterbergdenkmal“ und am linken Rand „Wiederaufbau“.89 Die Marken sollten als Zuschlagsmarken den Wiederaufbau des militaristischen und antifranzösischen Winterbergdenkmals von 1872 finanzieren helfen. Es wirft ein ziemlich grelles Licht auf die Empfindung der Saar-Bevölkerung und der Regierung gegenüber der französischen Verwaltung und dem Hochkommissariat nach 1947, dass noch keine zwei Tage nach Bekanntwerden der Rückgliederung man sogleich daran ging, ein altes kriegerisches anti-französisches Symbol wieder aufzurichten und mit einer Marke zu bedenken. Die Pläne waren offenbar in der Schublade, sonst hätte der Druck, den ganz erstaunlicherweise wieder die französische Postwertzeichendruckerei (wohl in völliger Unkenntnis des historischen Kontextes) in einer Auflagenhöhe von über 1 100 000 Sätzen übernahm, nicht schon am 29. Oktober 1956 erfolgen können.90 Die Marken waren gültig bis zum 31. Dezember 1958.91 Zum Wiederaufbau des Denkmals – so viel sei der Vollständigkeit halber noch gesagt – kam es allerdings nicht, weil man (beinahe möchte man sagen glücklicherweise) nicht genügend Gelder zusammen bekam. Aus den ganzen Spenden konnte lediglich der Sockel des Denkmals rekonstruiert werden, der heute noch auf dem Winterberg zu besichtigen ist. Damit endete im Großen und Ganzen die Geschichte der eigenständigen Briefmarken des Saarlandes. Es folgte noch eine Übergangszeit vom 1. Januar 1957 (der politischen Rückgliederung an die BRD) bis zum 6. Juli 1959 (dem wirtschaftlichen und damit definitiven Anschluss an die BRD). In jener Übergangszeit brachte die Oberpostdirektion Saarbrücken, die von nun an der Deutschen Bundespost zugeordnet war, noch „insgesamt 25 Briefmarkenausgaben mit 70 Einzelwerten heraus, die alle die Länderbezeichnung ‚Deutsche Bundespost Saarland‘ trugen“.92 Diese Marken sind jedoch, obwohl sie nur im Saarland „frankaturgültig waren und ihre Währungsbe89 90 91 92
Vgl. nochmals Michel (Saarland) Nr. 373–375. Ebd. Ebd. M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46).
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zeichnung auf Franken lautete, (…) zweifellos als Briefmarken der Bundesrepublik zu betrachten“.93 Eröffnet wurde der Reigen gleich am 1. Januar 1957 mit einer Marke, welche das Wappen des Saarlandes abbildet – ein Halbrundschild, das in vier Teile unterteilt ist mit den jeweils unterschiedlichen Symbolen der einzelnen Herrschaften, die vor 1789 bzw. 1815 an der Saar von Bedeutung waren: die Grafschaft Saarbrücken, das Kurfürstentum Trier, das Herzogtum Lothringen und das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken.94 Interessant an dieser Marke, welche das neue, erst durch Gesetz vom 9. Juli 1956 eingeführte und ab dem 1. Januar 1957 rechtswirksame Wappen als Symbol der Eingliederung des Saarlandes in die BRD zeigt, ist, dass sie einen Tag später, am 2. Januar 1957, bildgleich auch in der Bundesrepublik, allerdings ohne die Aufschrift „Saarland“, ausgegeben wurde.95 So wurde von beiden Seiten quasi die Integration des Saarlandes symbolisch bekräftigt. An der Saar folgte sogleich am 1. Januar 1957 eine bis zum 25. Mai des gleichen Jahres gültige neue Dauerserie mit dem Porträt des damaligen ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss in unterschiedlicher Wertigkeit,96 die ebenfalls die neue Zugehörigkeit des Saarlandes unterstreichen sollte. Diese Serie wurde übrigens als Serie „Heuss II.“ im November und Dezember 1957 fortgeführt.97 Am 6. März 1959, das heißt im Jahr des wirtschaftlichen und endgültigen Anschlusses, erschien eine Marke zum 500. Geburtstag von Jakob Fugger, die den Titel „Jakob Fugger, der Reiche“ trug.98 Sie erschien ebenso wie die Heuss-Marke bildgleich auch am gleichen Tag in der Bundesrepublik wiederum ohne die Aufschrift „Saarland“.99 Es ist anzunehmen, dass damit an der Saar auf den bevorstehenden, bis zum Schluss geheim gehaltenen, aber sehnlichst erwarteten sogenannten „Tag X“ angespielt wurde, der schließlich am 6. Juli 1959 eintrat, was erst zwei Tage zuvor durch den damaligen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard in einer Radioansprache bekannt gegeben wurde.100 Die letzte eigenständige Saar-Marke stammt vom 6. Mai 1959, das heißt zwei Monate vor dem Tag X, und gedachte dem 100. Todestag von Alexander von Humboldt, dessen Porträt die Marke ziert.101 Auch diese Marke wurde bildgleich ohne Aufschrift „Saarland“ in der Bundesrepublik ausgegeben.102 Da Alexander von Humboldt keinen Bezug zum Saarland hatte, ist hier offenbar nur die Anpassung der Saarmarken an diejenigen der Bundesrepublik in Vorwegnahme der bevorstehenden endgültigen 93 94
Ebd., mit weiterem Verweis. Michel (Saarland) Nr. 379. Zum Saarwappen vgl. Hermann Lehne / Horst Kohler, Wappen des Saarlandes. Landes- und Kommunalwappen, Saarbrücken 1981. 95 Michel (Bundesrepublik Deutschland) Nr. 249. 96 Michel (Saarland) Nr. 380–399. 97 Ebd. Nr. 409–428. 98 Ebd. Nr. 445. 99 Ebd. (Bundesrepublik Deutschland) Nr. 307. 100 Vgl. den Artikel „Der Tag X (6. Juli 1959). Wirtschaftlicher Anschluss an die Bundesrepublik: Der Tag, an dem die D-Mark ins Saarland kam“: https://www.saar-nostalgie.de/TagX.htm (12.8.2019). 101 Michel (Saarland) Nr. 448. 102 Ebd. (Bundesrepublik Deutschland) Nr. 309.
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Rückgliederung symbolisiert; denn: „Nach dem Tag X, also ab 6. Juli 1959, galten alle nach diesem Datum von der Deutschen Bundespost ausgegebenen Briefmarken ohne Änderungen auch im Saarland“.103 Briefmarken an der Saar stellen insofern eine Besonderheit dar, als sie aufgrund der bewegten saarländischen Geschichte zwischen 1920 und 1935 und zwischen 1945/47 und 1957/59 einen viel dezidiert politischeren Charakter besitzen als etwa Briefmarken in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland in jener Zeit. An der Saar zeigt sich die propagandistisch-politische Funktion von Briefmarken geradezu wie in einem Brennspiegel. Das Saar-Beispiel belegt, dass Briefmarken mehr sein können als nur „Visitenkarten“ von Staaten, um das berühmte Zitat von Walter Benjamin noch einmal aufzugreifen. Sie können auch subtile Mittel im Kampf um politische Autonomie und Fremdbestimmung sein. An der Saar changierten die Briefmarkenmotive in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen regionaler Identitätssuche und politischer Propaganda – ganz so wie die Geschichte des Landes auch zwischen diesen beiden Polen verlief. Wer genau auf seine Post sah, konnte die saarländische Geschichte in all ihrer Zerrissenheit und Krisenhaftigkeit ein wenig nachvollziehen. „Wer Stapel alter Briefschaften durchsieht, dem sagt oft eine Marke, die längst außer Kurs ist, auf einem brüchigen Umschlag mehr als Dutzende von durchlesenen Seiten“104, so das andere treffendere Diktum von Walter Benjamin, das die symbolische Bedeutung von Marken ziemlich genau auf den Punkt bringt. Für Historiker und Historikerinnen sind Briefmarken noch immer weitgehend terra incognita. Es lohnt sich, auch diese ‚Quellen‘ als weiteres Hilfsmittel zur Erschließung neuer Dimensionen von vergangener Wirklichkeit heranzuziehen.
103 M. Mautner / R. Freyer, Saarbriefmarken (wie Anm. 46). 104 W. Benjamin, Briefmarkenhandlung (wie Anm. 1), S. 62.
Einheit, Freiheit und sozialökonomischer Wandel Das 19 Jahrhundert im Spiegel deutscher Briefmarken Hans-Werner Hahn Obwohl bereits der Begründer der politischen Ikonographie, Aby Warburg, die Briefmarken als „Bildersprache des Weltverkehrs“ bezeichnet und auf die propagandistische Wirkung dieses massenhaft verbreiteten Produkts verwiesen hat1 und auch Walter Benjamin Briefmarkenalben als „magische Nachschlagewerke“ 2 bezeichnete, die eine anschauliche Auskunft über politische, soziokulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen geben könnten, haben Briefmarken trotz des „visual turn“ erst in letzter Zeit ein verstärktes Interesse der Forschung gefunden.3 Dabei regt der Blick in die vielfältige Briefmarkenproduktion zu vielen Fragen an, nicht zuletzt zu der nach ihrer geschichtspolitischen Instrumentalisierung. Hierbei kommt dem 19. Jahrhundert in mehrfacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Zum einen war es das Jahrhundert, in dem seit 1840 die Briefmarke eingeführt wurde und durch einen rasant wachsenden Briefverkehr4 schnell eine immer größere Verbreitung fand. Zum zweiten waren die Briefmarken vor allem durch Porträts von Herrschern und Herrscherinnen sowie durch Wappen und andere staatliche Symbole schon in der Frühzeit ihres Gebrauchs 1 2 3
4
Zitiert nach Ulrich Raulff, Der unaufhaltsame Aufstieg einer Idee. Warburg und die Vernunft in der Republik, in: Ders., Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg, Göttingen 2003, S. 72– 116, hier S. 94. Walter Benjamin, Einbahnstrasse, in: Gesammelte Schriften (hrsg. v. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser) IV, 1, hrsg. v. Tillmann Rexroth, Frankfurt am Main 1972, S. 134–137, hier S. 136 und 137. Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Göttingen 2019; Gottfried Gabriel, Ästhetik und politische Ikonographie der Briefmarke, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft LIV 2009, S. 183–201; Michael Sauer, Originalbilder im Geschichtsunterricht. Briefmarken als historische Quellen, in: Gerhard Schneider (Hrsg.), Die visuelle Dimension des Historischen. FS für Hans-Jürgen Pandel, Schwalbach/TS. 2002, S. 158–169. Einen anschaulichen Überblick über die deutschen Briefmarken bietet: Hans-Jürgen Wischnewski, 150 Jahre Deutschland auf Briefmarken. Mein Land, unsere Geschichte, München 1998. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 1028.
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ein wichtiges Element staatlicher Identitätsbildung. Dies galt besonders für die im 19. Jahrhundert neu entstehenden Nationalstaaten, in deren Briefmarken sich bald sowohl die jeweiligen Gründungsmythen als auch Zukunftsverheißungen des neuen Staates widerspiegelten. Drittens ist das 19. Jahrhundert im Hinblick auf die Auswahl von späteren und aktuellen Briefmarkenmotiven auch deshalb von besonderem Interesse, weil es in vielfacher Hinsicht mit der modernen Staatlichkeit, seinen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Emanzipationstendenzen sowie dem wirtschaftlichen Wandel die entscheidenden Grundlagen der modernen Welt legte. Diesen Fragen soll im Folgenden am Beispiel der deutschen Briefmarkengeschichte nachgegangen werden, die aus mehreren Gründen als ein besonders lohnendes Forschungsfeld erscheint. Verwiesen sei hier auf die föderativen Traditionen und auf die bis 1918 existierenden postalischen Sonderrechte Bayerns und Württembergs, auf die mehrfachen politischen Systemwechsel im 20. Jahrhundert, die Briefmarkenproduktion in den Besatzungszonen nach 1945, die zeitweilige Sonderstellung und Eigenproduktion im Saarland und in West-Berlin, vor allem aber auf die politische Konkurrenzsituation zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik, die sich gerade auch in der Auswahl der Briefmarkenmotive nachhaltig niederschlug. Gerade der Blick auf die Briefmarkenproduktion von Bundesrepublik und DDR kann vertiefende Einblicke in Konstanten und Veränderungen der Geschichtspolitik beider deutscher Staaten liefern. In vier Schritten soll untersucht werden, welche Rolle den großen Veränderungen des 19. Jahrhunderts in der Briefmarkenproduktion deutscher Staaten zugemessen wurde, was in diesem Zusammenhang besonders erinnerungswürdig war, wann und wie Motive als politische Mittel und Herrschaftsinstrumente eingesetzt wurden und inwieweit über historische Motive aus dem 19. Jahrhundert auch für neue politische und gesellschaftliche Ziele mobilisiert werden sollte. Im ersten Abschnitt soll gezeigt werden, auf welche Weise die großen Fragen der deutschen Einheit und die damit eng verbundenen Forderungen nach politischer Freiheit auf Briefmarken thematisiert wurden. Im zweiten Abschnitt soll danach gefragt werden, wie sich der durch die Industrialisierung hervorgerufene wirtschaftliche Wandel auf deutschen Briefmarken widerspiegelt. Im dritten Abschnitt soll analysiert werden, ab wann, auf welche Weise und mit welchen Zielsetzungen sich die mit der Industrialisierung verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen in der jeweiligen Briefmarkenproduktion wieder finden. Und im vierten Abschnitt soll schließlich deutlich gemacht werden, wie und warum seit 1945 die Briefmarkenmotive zum 19. Jahrhundert vor allem auf kulturelle Entwicklungen und wissenschaftliche Leistungen der deutschen Geschichte verwiesen. Dabei können die folgenden Ausführungen nur einen ersten Überblick bieten. Viele offene Fragen über die Auswahl der Briefmarkenmotive könnten nur durch eine umfassende Sichtung der Archivbestände beantwortet werden, was im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich war.
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1. Der Kampf um Einheit und Freiheit auf deutschen Briefmarken Als sich die in Frankfurt tagende Nationalversammlung anschickte, Deutschland unter einer freiheitlichen Verfassung zu einigen, gehörte auch der Wunsch nach einem einheitlichen Postwesen zu den Kernforderungen. Im Artikel VIII der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 wurde der Reichsgewalt das Recht der Gesetzgebung über das Postwesen zugesprochen.5 Von Briefmarken, die es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht gab, war aber noch keine Rede. Da es auch im Deutschen Bund, der nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 restituiert wurde, kein einheitliches Postsystem gab, war die im November 1849 in Bayern einsetzende deutsche Briefmarkenproduktion eine Angelegenheit der einzelnen Bundesstaaten. Einzelstaaten und Hansestädte griffen bei den Motiven vor allem auf die jeweiligen Staats- oder Stadtwappen zurück.6 Im preußischen Postgebiet, das neben dem Königreich noch mehrere deutsche Kleinstaaten einbezog, erschienen zwischen 1850 und 1858 dagegen nur Briefmarken, die nach dem Vorbild der ersten britischen Briefmarke mit dem Porträt von Queen Victoria das Bild des seit 1848 politisch angeschlagenen Königs Friedrich Wilhelm IV. zeigten. Nachdem dieser 1858 die Regentschaft an seinen Bruder Wilhelm abgetreten hatte, ging man zu Briefmarken mit dem preußischen Wappenadler über. Auch in den Königreichen Sachsen und Hannover gab es neben Briefmarken mit dem Staatswappen auch solche, die das Porträt der jeweiligen Herrscher zeigten. Mit den Herrscherporträts sollte die Bindung an die jeweilige Monarchie gefestigt werden, und auch die Staatswappen dienten der Ausbildung einer einzelstaatlichen Identität, die gegenüber neuen Gefährdungen durch die auf Einheit drängenden liberalen und demokratischen Kräfte immunisieren sollte. Die frühen deutschen Briefmarken sind somit Ausdruck eines deutschen Föderalismus, der sich auch in der späteren Briefmarkenproduktion in unterschiedlicher Form immer wieder niederschlagen sollte. Der deutsch-deutsche Krieg von 1866 und die Gründung des Norddeutschen Bundes führten zwar dazu, dass ein einheitlicher Postbezirk für die Gebiete nördlich des Mains gebildet wurde.7 Doch auch nach der Reichsgründung von 1871 blieben die föderalen Traditionen der deutschen Geschichte auch in den Briefmarken weiter erkennbar. Die süddeutschen Königreiche Bayern und Württemberg behielten das Recht auf ein eigenes Postwesen und konnten somit auch weiterhin eigene Briefmarken herausgeben.8
5 6 7 8
Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte I: 1803–1850, Stuttgart 1961, S. 309. Vgl. Michel (Deutsche Staaten). Art. 48 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867. Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte II: 1851–1900, Stuttgart 1961, S. 279. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 III: Bismarck und das Reich, Stuttgart ²1970, S. 807.
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Untersucht man nun die frühe Briefmarkenproduktion des neuen deutschen Nationalstaates unter geschichtspolitischen Vorzeichen, so ergibt sich nur ein sehr schwacher Befund. Während im Norddeutschen Postbezirk zwischen 1868 und 1870 überhaupt keine Marken erschienen, die durch entsprechende Symbole auf die neue politische Ordnung verwiesen, beschränkte sich die seit Mai 1871 tätige Deutsche Reichspost in dieser Hinsicht auf Briefmarken, die den am preußischen Vorbild orientierten einköpfigen Reichsadler zeigten.9 Und das Königreich Bayern unterstrich seine postalische Eigenständigkeit bis 1911 mit Marken, auf denen das Staatswappen abgebildet war.10 Eindeutigere geschichtspolitische Zielsetzungen zeichneten sich in der Briefmarkenproduktion des Kaiserreiches erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ab. Jetzt wurde auf der Reichsebene die Figur der Germania zum wichtigsten und zugleich aussagekräftigsten Motiv. Mit den Marken der Germania, deren Kopf die Kaiserkrone schmückte, wurde seit 1900 eine langlebige Briefmarke geschaffen, von der es bis 1922 60 Werte gab.11 Aus der Sicht der auf deutsche Einheit drängenden Kräfte verkörperte die Germania schon im frühen 19. Jahrhundert eine zeitlose deutsche Nation, die älter war als alle Reiche und andere Staatsgebilde. Die Germania stieg daher zu einem wichtigen Symbol der nationalen und liberalen Bewegung auf, und ein großes Bild der Germania schmückte die 1848/49 in der Frankfurter Paulskirche tagende deutsche Nationalversammlung. Das Symbol der Germania stand somit 1848/49 nicht nur für die Vergangenheit, sondern verwies zugleich auf die künftige Ordnung eines kräftigen deutschen Nationalstaates, der den Wohlstand sichern und allen Feinden wehrhaft gegenübertreten konnte.12 Angesichts der angespannten außenpolitischen Lage und der wachsenden innenpolitischen Konflikte, die das Deutsche Reich um 1900 prägten, bot sich eine solche traditionsreiche Symbolik geradezu an, um durch ein entsprechendes Briefmarkenmotiv in der Gesellschaft das Reichsbewusstsein zu stärken und den inneren Frieden zu fördern. Bezeichnenderweise hat Kaiser Wilhelm II. an der Entstehung und Gestaltung dieses Markenmotivs selbst großen Anteil genommen und offenbar auch entschieden, dass das Bild der Schauspielerin Anna Führing vom Grafiker Paul Eduard Waldraff als Vorlage des Germaniamotivs gewählt wurde.13 Dagegen wurde auf Briefmarken mit einem Porträt des Kaisers verzichtet, obwohl Wilhelm II. ansonsten auf Selbstinszenierung größten Wert legte. Da der Kaiser hier Rücksicht auf die beiden süddeutschen Königreiche nehmen wollte, deren langfristig geplante Integration in das Reichspostsystem nicht erschwert werden sollte, ergab sich im Deutschen Kaiserreich eine paradoxe Situation. Während die Kaiser weder als 9 10 11 12 13
Michel (Deutsches Reich) Nr. 1 ff. Michel (Bayern) Nr. 28 ff. Michel (Deutsches Reich) Nr. 53 ff. Lothar Gall, Die Germania als Symbol nationaler Identität im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1993. Heinz Hillmer, Ein Bild ging um die Welt. 75 Jahre Germania-Briefmarke, in: Archiv für deutsche Postgeschichte Heft 1 1975, S. 96–106.
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solche noch als preußische Könige mit Porträts auf Briefmarken erschienen, nutzten die beiden süddeutschen Königshäuser ihre Reservatrechte, um die Dynastie auch auf ihren Briefmarken zu präsentieren. In Württemberg erschienen Marken zum 100jährigen Bestehen des Königreichs (1906) und zum 25jährigen Regentschaftsjubiläum von König Wilhelm II. (1916), allerdings ohne die Porträts von Monarchen.14 In Bayern dagegen erschienen seit 1911 zahlreiche Marken mit dem Porträt des Prinzregenten Luitpold, seit 1914 auch solche mit dem Porträt seines Sohnes Ludwig III.15 Blickt man auf die übrigen Marken des Reichspostamtes, so fällt auf, dass im Unterschied zu der nach innen gerichteten Geschichtspolitik des Kaiserreichs mit ihren Sedans- und Reichsgründungsfeiern die militärischen Voraussetzungen der Reichsgründung in der Briefmarkenausgabe ebenso wenig eine Rolle spielten wie die spätere Flotten- und Kolonialpolitik. Selbst an den Reichsgründungsakt im Schloss von Versailles wurde auf den Briefmarken des Deutschen Reiches nur indirekt erinnert. Im Jahre 1900 erschienen vier Marken, die Themen der Reichsgründung aufgriffen. Auf der ersten war das Reichspostamt zu sehen, das nach der Reichsgründung in Berlin errichtet worden war. Die zweite Marke nahm Bezug auf das staatliche Zusammengehen zwischen dem preußisch dominierten Norden und den süddeutschen Staaten. Beide Partner reichen sich die Hände, umrahmt von Darstellungen des Reichsadlers und dem Schriftzug „Seid einig, einig, einig“. Die beiden anderen Marken zeigen die Enthüllung des Berliner Denkmals für Wilhelm I. durch seinen Enkel Wilhelm II. und eine Reichsgründungsfeier im weißen Saal des Berliner Stadtschlosses.16 In der durch Briefmarken vermittelten „Bildsprache des Weltverkehrs“ agierte das Deutsche Kaiserreich somit im Hinblick auf seine Gründungsmythen letztlich viel vorsichtiger als es Sedanfeiern und Denkmalskult vermuten lassen. Wenn die Briefmarken des Deutschen Kaiserreichs der liberal-demokratischen Vorgeschichte der Reichsgründung, also der nationalen Vereinsbewegung oder gar der weiterhin verfemten Revolution von 1848/49 keine Beachtung schenkten, so war dies ebenso wenig überraschend wie das Fehlen von Briefmarken, die an Verfassung und Parlament erinnerten. Nach dem Ende des Kaiserreichs hätte man freilich erwarten können, dass die mit dem Einheitsstreben verbundenen demokratischen Traditionen des 19. Jahrhunderts auch Eingang in die Briefmarkenmotive der Weimarer Republik finden würden. Der 1920 zum Reichskunstwart berufene Edwin Redslob hatte sich schließlich zum Ziel gesetzt, der neuen demokratischen Ordnung auch durch eine entsprechende Geschichtspolitik ein festeres Fundament zu schaffen, indem dem „Erwachen und Wachsen der deutschen Nation“ im 19. Jahrhundert und dem damit verbundenen Freiheitsstreben verstärkt Beachtung geschenkt werden sollte. 1929 erschien ein Gedenkbuch „Deutsche Einheit – Deutsche Freiheit“, das Stationen und Personen der Natio14 15 16
Michel (Württemberg) Nr. 107–111, 123–129. Michel (Bayern) Nr. 76–93, 94–115. Michel (Deutsches Reich) Nr. 63–66.
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nalstaatsgründung hervorhob.17 Schon im Krisenjahr 1923 hatten die Repräsentanten der neuen Republik mit einem nationalen Festakt in der Paulskirche das 75. Jubiläum der Revolution von 1848 gefeiert. Briefmarken, die auf Freiheitskriege, die Revolution von 1848/49 oder das Hambacher Fest von 1832 Bezug nahmen, blieben aber aus, und auch die von den Konservativen und Rechten heftig bekämpften schwarz-rot-goldenen Farben der Republik fanden auf den Briefmarken der 1920er Jahre keinen Niederschlag. In der Zeit des Nationalsozialismus finden sich dann überhaupt keine Briefmarken mit Bezügen zur Nationalstaatsgründung des 19. Jahrhunderts. Durch vier Briefmarken, auf denen die deutschen Kolonialpioniere Franz Lüderitz, Gustav Nachtigall, Karl Peters und Hermann von Wissmann zu sehen waren, wurde 1934 lediglich an die Versuche des Kaiserreichs erinnert, Deutschland als Kolonialmacht zu etablieren.18 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war angesichts des Scheiterns deutscher Großmachtpolitik und der Verbrechen des Nationalsozialismus Zurückhaltung geboten, wenn es um Vor- und Gründungsgeschichte des Deutschen Reiches von 1871 ging, das nun vielfach als verhängnisvoller Vorläufer von 1933 angesehen wurde. Auf den Briefmarken der Besatzungszeit waren meist wichtige Bauwerke, herausragende Gestalten deutscher Kultur oder Wohltäter wie die Heilige Elisabeth abgebildet. An die gescheiterte Revolution von 1848/49 wurde nur auf einer Briefmarke aus der französischen Besatzungszone erinnert. Sie zeigte Carl Schurz, den deutschen Freiheitskämpfer von 1848/49 und späteren Staatssekretär des Inneren in den USA, vor der Festung Rastatt, deren Eroberung durch preußische Truppen die Niederschlagung der deutschen Revolutionsbewegung vollendet hatte.19 Blickt man auf die Briefmarkenmotive der 1949 gegründeten beiden deutschen Staaten, so ergibt sich in Bezug auf die Erinnerung an das im 19. Jahrhundert so starke Streben nach Einheit und Freiheit ein unterschiedliches Bild. In der Bundesrepublik erschien zwar 1952 eine weitere Marke mit dem Bild von Carl Schurz, der nach seiner Flucht aus der Festung Rastatt und Aufenthalten in westeuropäischen Ländern 1852 in die USA emigriert war. Die Marke mit dem Bild von Schurz erinnerte an den 100. Jahrestag seiner Landung in den USA am 17. September 1852.20 Im Übrigen aber hielt man sich bei den Themen Nationalbewegung und Reichsgründung in der Briefmarkenproduktion der Bundesrepublik lange Zeit sehr zurück, während sich in der DDR zunächst einmal ein ganz anderer Befund ergibt. Gewiss spielte hier von Anfang an die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und ihre internationale Verankerung die 17
18 19 20
Vgl. Winfried Speitkamp, „Erziehung zur Nation“. Reichskunstwart, Kulturpolitik und Identitätsstiftung im Staat von Weimar, in: Helmut Berding, (Hrsg.), Nationales Bewusstsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit II, Frankfurt am Main 1994, S. 541–580, hier S. 569. Michel (Deutsches Reich) Nr. 540–543. Michel (Alliierte Besetzung, Französische Zone/Baden) Nr. 50–52. Michel (Bundesrepublik Deutschland) Nr. 155.
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zentrale Rolle, um den „Arbeiter- und Bauernstaat“ auch über die Briefmarken historisch zu legitimieren. Zugleich gab die DDR aber auch mehrere Briefmarken heraus, die an die frühe deutsche Nationalbewegung erinnerten. So erschien am 15. Oktober 1952 eine Sondermarke zum hundertsten Todestag des Turnvaters Jahn, der in Freyburg an der Unstrut gestorben war und dort auch begraben wurde.21 Jahn gehörte zwar zu den vom preußischen Staat lange verfolgten Vertretern der frühen deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung, war jedoch schon zu diesem Zeitpunkt wegen seines übersteigerten Nationalismus, antijüdischer Tendenzen und seiner Inanspruchnahme durch den Nationalsozialismus alles andere als unumstritten. Wie schnell sich die für die Briefmarkenproduktion verantwortlichen Stellen zu Beginn der 1950er Jahre über die Schattenseiten des deutschen Frühnationalismus hinwegsetzten, zeigten sechs Sondermarken, die im November 1953 unter dem Titel „Deutsche Patrioten“ herausgegeben wurden. Neben dem radikalen Reformator Thomas Müntzer waren hier mit dem Reichsfreiherrn vom Stein, dem preußischen Offizier und Freischärler Ferdinand von Schill sowie dem Generalfeldmarschall Blücher Persönlichkeiten zu sehen, die im Kampf gegen die napoleonische Herrschaft eine wichtige Rolle gespielt hatten. Zwei weitere Marken waren dem Wartburgfest der Studenten von 1817 und den Berliner Barrikadenkämpfern vom März 1848 gewidmet.22 Diese Marken brachten eine geschichtspolitische Wende der SED zum Ausdruck, die von der so genannten „Miseretheorie“ mit ihrer scharfen antipreußischen Tendenz Abstand nahm und nun auch fortschrittliche nationale und nichtsozialistische Elemente für das eigene Geschichtsbild zu reklamieren suchte.23 Den Hintergrund dieser Entwicklung bildete der Kampf gegen die Weststaatsgründung und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Offenbar spielten in diesem Zusammenhang auch Weisungen aus der Sowjetunion eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Briefmarkenmotive, denn der Rückgriff auf die Geschichte des frühen deutschen Nationalismus konnte zudem zeigen, wie eng in dieser Phase die deutsch-russische Verbundenheit gewesen war. Bezeichnenderweise verwies die Blücher-Marke auf den gemeinsamen Kampf von preußischen und russischen Truppen gegen die Armee Napoleons. Briefmarken, auf denen die Nähe zum wichtigsten Bündnispartner ihren Ausdruck fand, gab es allerdings auch in der Bundesrepublik. Auf die 1952 erschienene Marke zu Carl Schurz wurde bereits verwiesen. Als man 1976 eine Sondermarke zum 200. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung herausgab, griff man wiederum auf Schurz zurück, den man vor dem Hintergrund der amerikanischen Flagge und des Capitols präsentierte, obwohl Schurz ja mit den Ereignissen von 1776 gar nichts
21 22 23
Michel (DDR) Nr. 317. Michel (DDR) Nr. 398–403 Klaus Grosse Kracht, Die zankende Zunft. Historische Kontroversen in Deutschland nach 1945, Göttingen 2011, S. 28 ff.
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zu tun gehabt hatte.24 Dennoch schlugen sich die Bindungen an die Sowjetunion in der Briefmarkenproduktion der DDR sehr viel stärker nieder, als dies in Bezug auf die USA im Westen der Fall war. Auch 1963 nutzte die DDR den 150. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, um mit einer Sonderausgabe zum „Nationalen Befreiungskampf “ die deutsch-russische Waffenbrüderschaft zu beschwören und sich zugleich in die Tradition der Freiheitskriege zu stellen. Ein aus fünf Marken bestehender Satz zeigte Blücher und Gneisenau, Kosaken und preußische Landwehr, die Lützow`sche Freischar, den preußischen General Gerhard von Scharnhorst gemeinsam mit dem russischen Feldmarschall Kutusow sowie den Freiherrn vom Stein gemeinsam mit Ernst Moritz Arndt, dem wortmächtigen Publizisten der Freiheitskriege.25 Schon drei Jahre zuvor waren zum 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Neidhardt von Gneisenau zwei Sondermarken erschienen.26 In den seit dem Ende der 1960er Jahre in der DDR erscheinenden Briefmarken spielte die Erinnerung an die Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts dagegen für lange Zeit keine Rolle mehr. Je mehr sich seit dem Mauerbau die deutsche Zweistaatlichkeit zu verfestigen begann, desto stärker gingen die Bezüge auf die nationale Frage des 19. Jahrhunderts zurück. Mit dem neuen Selbstverständnis eines eigenen sozialistischen Staates auf deutschem Boden und dem Streben nach internationaler Anerkennung entstanden neue Legitimationsbedürfnisse. Auch der Blick auf die Briefmarken zeigt, dass sich die DDR nun noch stärker als in früheren Zeiten in den revolutionären Traditionen der Weltgeschichte verankerte, um sich als Teil des sozialistischen Weltsystems zu präsentieren. Dass in diesem Zusammenhang an die im offiziellen Geschichtsbild als großpreußisch-militaristisch eingestufte Reichsgründung von 1871 zu ihrem 100. Jahrestag nicht mit einer Briefmarke erinnert wurde, war demnach ebenso folgerichtig wie der im gleichen Jahr herausgegebene Briefmarkensatz zum 100. Jahrestag der Pariser Kommune.27 Eine der Marken zeigte den Barrikadenkampf auf dem „Place Blanche“. Und auch bei den Motiven eines dreiteiligen Satzes, den die DDR 1989 aus Anlass des 200. Jahrestages der Französischen Revolution herausgab, standen die Ereignisse auf den Strassen von Paris als Zeichen des revolutionären Kampfes im Mittelpunkt.28 Im Juli 1983 hatte die DDR aus Anlass der internationalen Briefmarkenausstellung der Jugend eine Marke herausgegeben, die auf die Berliner Straßenkämpfe vom 18. März 1848 verwies.29 Zu sehen waren die beiden Jugendlichen Ernst Zinna und Heinrich Glasewaldt, die im Barrikadenkampf getötet worden waren und nach denen in der DDR Schulen und
24 25 26 27 28 29
Michel (BRD) Nr. 895. Michel (DDR) Nr. 988–992. Michel (DDR) Nr. 793 und 794. Michel (DDR) Nr. 1655–1658. Michel (DDR) Nr. 3258–3260. Michel (DDR) Nr. 2812.
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Straßen benannt waren. Die so genannte Erbe- und Traditionsdebatte30, mit der sich die DDR-Geschichtspolitik vor allem in den 1980er Jahren wieder stärker gegenüber der deutschen Nationalgeschichte öffnete und offener mit Persönlichkeiten wie Friedrich II. oder Otto von Bismarck umging, schlug sich anders als etwa im Falle Martin Luthers31 bei den Motiven zum 19. Jahrhundert eher schwach nieder. Mit der 1978 erschienen Marke zum 200. Geburtstag des Turnvaters Jahn, einer 1988 herausgegebenen Marke mit dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal32 und der 1989 erschienenen Marke zum 200. Geburtstag des Nationalökonomen Friedrich List nahm man jedoch auch wieder Bezug auf die Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts.33 Blickt man nun auf die Briefmarken der Bundesrepublik, so ergibt sich ein anderes Bild. Hier hielt man sich vor allem in den 1950er und 60er Jahren bei den Themen Nationalbewegung und Reichsgründung lange Zeit sehr zurück. Zwischen 1965 und 1971 erschienen zwar Briefmarken, die an Bismarcks 150. Geburtstag,34 den 200. Geburtstag des heute sehr umstrittenen Ernst Moritz Arndt35 und an die Reichsgründung36 erinnerten. Damit war aber kein klares Konzept zur Aufwertung der Nationalgeschichte des 19. Jahrhunderts verbunden, zumal im geschichtspolitischen Diskurs zu diesen Themen sehr unterschiedliche Positionen deutlich wurden. Bundespräsident Gustav Heinemann nahm in seiner Rede zum 100. Jahrestag der Reichsgründung eine außerordentlich kritische Position zum Gründungsakt und seinen politischen Folgen ein.37 Schon zuvor hatte er in einer viel beachteten Rede dazu aufgerufen, sich in der Bundesrepublik mehr mit den demokratischen Traditionen der deutschen Geschichte zu befassen. Dies galt nicht zuletzt für den 1848/49 gescheiterten Versuch, die politische Einheit im freiheitlich-demokratischen Sinne durchzusetzen. Zum 125. Jahrestag der Revolution von 1848 erschien dann jedoch keine Sondermarke, und selbst die schwarz-rot-goldene Fahne der Revolution und der späteren deutschen Republiken war im Unterschied zur DDR erst 1973 auf einer Briefmarke der Bundesrepublik zu sehen. Gemeinsam mit der französischen Tricolore erinnerte sie an den 10 Jahre alten Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit.38 Erst zum 150. Jahrestag des Hambacher Festes, auf dem 1832 über 20 000 Menschen Einheit und Freiheit für Deutschland gefordert hatten, erschien eine Sondermarke mit wehenden schwarz-rot-goldenen Fahnen.39 Diese Marke wurde 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Walter Schmidt, Die Erbedebatte in der DDR-Historiographie. Versuch einer kritischen Bilanz, Leipzig 1995. Michel (DDR) Nr. 2754–2757, 2833. Michel (DDR) Nr. 3194. Michel (DDR) Nr. 2341, 3238. Michel (BRD) Nr. 463. Michel (BRD) Nr. 611. Michel (BRD) Nr. 658. Vgl. Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948–1990, Darmstadt 1999, S. 72 ff. Michel (BRD) Nr. 753. Michel (BRD) Nr. 1130.
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aber gemeinsam mit einer Sondermarke präsentiert, die an „25 Jahre Römische Verträge“ erinnerte.40 Das deutsche Nationalfest von 1832, an dem auch Polen und Franzosen teilgenommen hatten, wurde auf diese Weise zugleich in die Geschichte der europäischen Freiheitsbewegungen eingeordnet, um auf das hohe Gut der Völkerversöhnung und der europäischen Einigung zu verweisen.41 Insgesamt ging man somit in der alten Bundesrepublik bei der Auswahl der Briefmarkenmotive doch eher sparsam mit der Geschichte der deutschen Einheitsbewegung um. Zu den Ausnahmen zählten Briefmarken, die 1984 zum 150. Jahrestag des Deutschen Zollvereins42 und 1989 zum 200. Geburtstag von Friedrich List43 an die wirtschaftlichen Aspekte des Einigungsprozesses erinnerten. Auch in Westberlin, wo die Landespostverwaltung zwischen 1949 und 1990 aufgrund des Sonderstatus der Stadt eigene Briefmarken herausgab, spielte die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts als Briefmarkenmotiv keine große Rolle, wenngleich 1978 wie in der DDR eine Sondermarke zum 200. Geburtstag des Turnvaters Jahn erschien.44 Allerdings traten der preußische Staat und dort im 19. Jahrhundert wirkende Staatsmänner wie Wilhelm von Humboldt45 und Karl August von Hardenberg46 aus nahe liegenden Gründen deutlich stärker in Erscheinung als auf den Briefmarken der Bundesrepublik. Auch zur großen Westberliner Preußenausstellung wurde 1981 eine Sondermarke herausgegeben.47 Zum 200. Geburtstag des Baumeisters Karl Friedrich Schinkel erschien am 12. Februar 1981 eine Marke, die nicht dessen Porträt, sondern das von ihm geschaffene Nationaldenkmal für die Befreiungskriege zeigte.48 Von einer Verklärung der preußischen Führungsrolle in der deutschen Einigungspolitik des 19. Jahrhunderts blieben die Berliner Marken dennoch weit entfernt. Während die Themen der im 19. Jahrhundert erkämpften deutschen Einheit auf den zwischen 1949 und 1989 herausgegebenen Briefmarken eher selten zu finden waren, kam es nach der deutschen Wiedervereinigung zunächst einmal zu einer deutlichen Häufung entsprechender Motive. Eine am 3. Mai 1990, also noch vor der Vereinigung herausgegebene Sondermarke erinnerte an 175 Jahre „Nationalfarben Schwarz-RotGold“ und die 1815 entstandene deutsche Burschenschaft.49 Am 8. August 1991 erschien eine Marke mit dem Dichter August Heinrich Hoffmann zu Fallersleben mit dem Text der dritten Strophe des Deutschlandliedes, das 150 Jahre zuvor geschrieben worden
40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Michel (BRD) Nr. 1131. Erich Schunk, Europa auf dem Hambacher Fest. Eine linksrheinische Perspektive?, in: Klaus Ries (Hrsg.), Europa im Vormärz. Eine transnationale Spurensuche, Ostfildern 2016, S. 87–97. Michel (BRD) Nr. 1195. Michel (BRD) Nr. 1429. Michel (Berlin) Nr. 570. Michel (Berlin) Nr. 100, 731. Michel (Berlin) Nr. 440. Michel (Berlin) Nr. 648. Michel (Berlin), Nr. 640. Michel (BRD) Nr. 1463.
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war.50 Einige Tage später kam eine Blockausgabe zum 200. Geburtstag Theodor Körners heraus, der 1813 mit 22 Jahren als Sänger und Held des Lützowschen Freikorps den Tod in der Schlacht gefunden hatte und im 19. Jahrhundert eine der großen patriotischen Identifikationsfiguren war. Eine Marke zeigte das Bild Körners, die andere Feder, Eichenblatt und Schwertgriff.51 Und am 5. November 1992 erschien schließlich noch eine Sondermarke zum 250. Geburtstag von Feldmarschall Blücher.52 Mit den Marken für Blücher und Körner und der 2013 herausgegebenen Sondermarke zu 100 Jahre Leipziger Völkerschlachtdenkmal53 fand nun auch das Thema Freiheitskriege einen deutlicheren Niederschlag in der bundesrepublikanischen Briefmarkenproduktion. In der DDR gab man nach dem Ende der SED-Herrschaft im Juli 1990 einen Briefmarkensatz berühmter Bauwerke und Denkmäler heraus, der unter anderem eine Marke mit dem umstrittenen Kyffhäuser-Denkmal enthielt.54 Die Briefmarken der folgenden Jahre trugen diesen Themen der deutschen Nationalgeschichte des 19. Jahrhunderts allerdings wieder eher wenig Rechnung. Die 1998 zum 150. Jahrestag der Revolution von 1848 herausgegebene Sondermarke nahm vor allem auf die freiheitlich-demokratischen Elemente Bezug. Abgebildet war die Eröffnungssitzung der in der Frankfurter Paulskirche tagenden deutschen Nationalversammlung. Die von ihr ausgehenden Impulse für den deutschen Parlamentarismus wurden durch eine zweite Marke mit der Eröffnungssitzung des Parlamentarischen Rates vom 1. September 1949 in Bonn unterstrichen.55 Auch die 2007 herausgegebene Sondermarke zu 175 Jahren Hambacher Fest, auf der neben der deutschen auch die polnische Flagge zu sehen war, erinnerte an die freiheitlichen Traditionen der deutschen Einheitsbewegung.56 Auf die von Preußen ausgehende, am Ende zur Reichsgründung führende Politik verwiesen drei Sondermarken, die zwischen 2015 und 2018 erschienenen. 2015 wurde an den 200. Geburtstag von Otto von Bismarck erinnert, dessen Person und dessen Politik inzwischen weniger umstritten waren als noch 50 Jahre zuvor.57 Das 150. Gründungsjubiläum des Norddeutschen Bundes, den Bismarck nach dem deutsch-deutschen Krieg von 1866 durchgesetzt hatte, wurde ebenso mit einer Sondermarke bedacht wie die eng mit ihm zusammenhängende Gründung des Norddeutschen Postbezirks im Jahre 1868.58 Die preußischen Monarchen des 19. Jahrhunderts sind dagegen auf keiner Briefmarke der Bundesrepublik zu finden. Als einzigem
50 51 52 53 54 55 56 57 58
Michel (BRD) Nr. 1555. Michel (BRD) Nr. 1559–1560. Michel (BRD) Nr. 1641. Michel (BRD) Nr. 3033. Michel (DDR) Nr. 3347. Michel (BRD) Nr. 1986–1987. Michel (BRD) Nr. 2605. Michel (BRD) Nr. 3145. Michel (BRD) Nr. 3321 und 3412. Schon 1968 hatte man zum 100. Jahrestag des Norddeutschen Postbezirks eine Sondermarke herausgegeben: Nr. 569.
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deutschen Monarchen des 19. Jahrhunderts wurde dem bayerischen König Ludwig II. 1986 zu seinem 100. Todestag eine Sondermarke gewidmet wurde, auf der der König vor dem Hintergrund seines Schlosses Neuschwanstein zu sehen ist.59 Während somit an die zur Reichsgründung hinführenden Institutionen erinnert wurde und auch zum 150. Jahrestag der Reichsgründung wie schon 1971 vermutlich eine Sondermarke erscheinen wird, findet sich zum 1815 gegründeten Deutschen Bund, der in der Geschichtswissenschaft als Alternative zum kleindeutsch-preußischen Nationalstaat inzwischen wieder eine positivere Bewertung gefunden hat,60 keine Briefmarke. Zwar wurden dem Frankfurter Palais Thurn und Taxis, in dem nach 1815 die Bundesversammlung tagte, zwei Briefmarken gewidmet,61 aber jedes Mal fehlte jeder Hinweis auf die Geschichte des Deutschen Bundes und der durch ihn besonders verkörperten föderativen Tradition deutscher Geschichte. Gewiss unterstreichen auf der anderen Seite viele Briefmarken der Bundesrepublik die Vielfalt deutscher Kultur und Landschaften. Mit einer Markenserie „Bilder aus Deutschland“ wollte die Deutsche Post in den 1990er Jahren ausdrücklich „einen Beitrag zur Wiedervereinigung“ leisten.62 Dass die deutsche Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts aber zunächst einmal sehr stark vom Gedanken einer „föderativen Nation“ getragen wurde,63 wird auf den Briefmarken zum 19. Jahrhundert kaum deutlich. Sieht man vom Hambacher Fest einmal ab, so findet auch der Anteil Süddeutschlands an den politischen Modernisierungsprozessen des 19. Jahrhunderts nur wenig Beachtung. Bezeichnenderweise gibt es zwar mehrere Sondermarken zu den großen preußischen Reformern wie dem Freiherrn vom Stein,64 Hardenberg und Wilhelm von Humboldt, aber keine zu den wichtigsten Repräsentanten der in der Geschichtswissenschaft inzwischen deutlich aufgewerteten rheinbündischen Reformen. Nicht erinnert wurde auch an die frühen Verfassungen deutscher Einzelstaaten und die von ihnen ausgehenden politischen Impulse, obwohl viele Briefmarken im Falle des 20. Jahrhunderts dem Föderalismus eine gebührende Beachtung schenken, etwa in der zwischen 1998 und 2001 herausgegebenen Serie „Deutsche Landtage“. Trotz der 1998 erschienenen Sondermarke zur deutschen Nationalversammlung von 1848 und mehrerer Marken zum Berliner Reichstagsgebäude65 wurde den Themen Parlamente, Parlamentarier und Parteien auf den Briefmarken zum 19. Jahrhundert insgesamt eher wenig Rechnung getragen.
59 60 61 62 63 64 65
Michel (BRD) Nr. 1281. Vgl. Jürgen Müller, Der Deutsche Bund 1815–1866, Enzyklopädie deutscher Geschichte LXXVIII, München 2006. Michel (BRD) Nr. 171, 1461. Bilder aus Deutschland, hrsg. v. d. Deutschen Post AG, Bonn 1996. Dieter Langewiesche, Föderativer Nationalismus als Erbe der deutschen Reichsnation. Über Föderalismus und Zentralismus in der deutschen Geschichte, in: Ders., Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000, S. 55–79. Michel (BRD) Nr. 277. Michel (BRD) Nr. 418, 1287 und 2757; Michel (Berlin) Nr. 45, 53 und 236.
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Dem sozialdemokratischen Parteiführer und langjährigen Reichstagsabgeordneten August Bebel widmete die Bundespost 1988 zum 75. Todestag eine Sondermarke.66 Auch zum 100. Todestag von Ludwig Windhorst, dem wichtigsten Zentrumspolitiker des 19. Jahrhunderts, kam 1991 eine Sondermarke heraus,67 und 1998 verwies eine Sondermarke auf den für die Formierung des politischen Katholizismus wichtigen ersten deutschen Katholikentag im Revolutionsjahr 1848.68 Dagegen fehlen Sondermarken zu den führenden Politikern des Liberalismus, der im Kampf um politische Einheit und freiheitliche Verfassungen ja zunächst einmal die wichtigste Rolle gespielt hatte. Bei der Auswahl von Briefmarkenmotiven wurden weder Heinrich von Gagern noch der erste Präsident des Deutschen Reichstages und spätere Reichsgerichtspräsident Eduard von Simson oder auch andere, mit der Einheits- und Freiheitsbewegung eng verbundene liberale Politiker wie Karl von Rotteck oder Karl Theodor Welcker berücksichtigt. Liberale Politiker und Parlamentarier wie Hermann Schulze-Delitzsch69 oder Rudolf Virchow70 wurden wegen ihrer gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Verdienste mit Sondermarken gewürdigt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Thema Einheits- und Freiheitsbewegung im 19. Jahrhundert auf zahlreichen Briefmarken der Bundesrepublik berücksichtigt wurde. Dies betraf in den letzten Jahrzehnten vor allem die von den gesellschaftlichen Kräften ausgehenden Impulse. Neben der 2007 herausgegebenen Marke zu 175 Jahre Hambacher Fest erschienen 2011 Sondermarken zum 200. Jahrestag der Errichtung des ersten Turnplatzes71 und zum 150. Jahrestag des ersten deutschen Festes der Schützen,72 die wie die Turner und der Sängerbund, dem zum 125. Gründungsjubiläum schon 1987 eine Sondermarke gewidmet worden war,73 ein wichtiges Element der Einheitsbewegung waren. Zum 250. Geburtstag von Johann Gottlieb Fichte, der zuvor nur von der DDR zum 200. Geburtstag mit zwei Marken gewürdigt worden war,74 erschien 2012 eine weitere Marke mit Bezug zur frühen Nationalbewegung.75 Im gleichen Jahr erinnerte eine Sondermarke an die sieben Göttinger Professoren, die 1837 unter Berufung auf ihren Eid gegen den Verfassungsbruch des Königs protestiert hatten und daraufhin aus dem Amt entlassen und teilweise auch des Landes verwiesen wurden.76 Und 2016 wurde eine Sondermarke herausgegeben, die wie schon 1991 auf das 1841 entstan-
66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Michel (BRD) Nr. 1988. Michel (BRD) Nr. 1510. Michel (BRD) Nr. 1995. Michel (BRD) Nr. 293. Michel (Berlin) Nr. 96. Michel (BRD) Nr. 2870. Michel (BRD) Nr. 2881. Michel (BRD) Nr. 1319. Michel (DDR) Nr. 889–890. Michel (BRD) Nr. 2934. Michel (BRD) Nr. 2963.
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dene Deutschlandlied verwies und auf der der Text der dritten Strophe zu lesen war.77 Neben diesen Elementen einer „kulturellen Nationsbildung“78 fanden aber auch die Ergebnisse der staatlichen Entscheidungsprozesse ihren Niederschlag in Sondermarken zur deutschen Einheit. Sieht man von den Bezügen auf die Freiheitskriege einmal ab, so werden die militärischen Aktionen, die schließlich zur Reichseinigung führten, dabei jedoch nicht angesprochen. 2. Industrialisierung und wirtschaftlicher Wandel Zu den großen Veränderungen, die das 19. Jahrhundert kennzeichneten, gehörte nicht zuletzt der Industrialisierungsprozess, der auch das Ringen um die deutsche Einheit nachhaltig beeinflusste. Nach den Worten des englischen Ökonomen John Maynard Keynes war die Reichseinigung nicht nur die Folge einer von „Blut und Eisen“ geprägten Politik, sondern verdankte ihren Abschluss in ebenso großem Maße „Kohle und Eisen“.79 Die am Ende des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland einsetzenden industriellen Entwicklungen und vor allem der sich nach 1850 vollziehende Durchbruch der Industrialisierung verstärkten die Forderungen nach einem engeren politischen Zusammenschluss der deutschen Staaten und nach politischer Mitsprache des Bürgertums. Diese Zusammenhänge werden auch auf deutschen Briefmarken angedeutet. Dies gilt für die zum 150. Gründungsjubiläum des Deutschen Zollvereins in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebene Sondermarke sowie für die sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR erschienenen Sondermarken zum 200. Geburtstag von Friedrich List, der zwischen 1819 und 1846 wie kein anderer für eine staatliche Förderung der Industrialisierung eingetreten war und auf den engen Zusammenhang von deutscher Einheit und wirtschaftlichem Wohlstand verwiesen hatte. Die wirtschaftlichen Aspekte des Einigungsprozesses werden auch auf einer 2011 herausgegebenen Sondermarke zum 150. Gründungstag des Industrie- und Handelskammertages angedeutet, der sich in den 1860er Jahren nachhaltig für Fortschritte bei der politischen Einigung eingesetzt hatte.80 Auf die vom Staat ausgehenden wirtschaftsfördernden Impulse verwies zum einen die Sondermarke, die 2002 zum 250. Geburtstag des von Preußen geförderten Landwirtschaftspioniers Albrecht Daniel Thaer erschien, dem zuvor schon die DDR eine Sondermarke gewidmet hatte.81 Zum anderen erinnerte eine in West-Berlin herausgegebene Briefmarke an das Wirken des preußischen Staatsrats Christian Peter Wilhelm Beuth, der das Berliner Gewerbeinstitut, den Vorläufer
77 78 79 80 81
Michel (BRD) Nr. 3263. Vgl. hierzu die Beiträge in: D. Langewiesche, Nation (wie Anm. 63), S. 82–169. John Maynard Keynes, Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages, München 1921, S. 63 f. Michel (BRD) Nr. 2865. Michel (BRD) Nr. 2255; Michel (DDR) Nr. 2201.
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der späteren Technischen Universität, gegründet und gefördert hatte.82 Den technischen Innovationen selbst waren ebenfalls Sondermarken gewidmet. So erschienen in der Bundesrepublik 1958 und 1997 Sondermarken, die Rudolf Diesel, dem Erfinder des gleichnamigen Motors, gewidmet waren.83 Weitere Marken erinnerten an das erste, 1817 von Karl Drais entwickelte Fahrrad,84 die Erfindung des Ottomotors,85 an den Erfinder des Telefons Philipp Reis,86 an den Flugpionier Otto Lilienthal87 und an die erste Drehstromübertragung im Jahre 1991.88 In der DDR gab man 1985 zwei Sondermarken heraus, auf denen frühe Dampfmaschinen aus Gera und Freiberg zu sehen waren.89 Auch zu den Anfängen der Dampfschifffahrt wurden Sondermarken herausgegeben.90 Die meisten Briefmarkenmotive, auf denen sich der wirtschaftliche Umbruch des 19. Jahrhunderts widerspiegelte, betrafen jedoch den Kommunikations- und Verkehrssektor. Aus nahe liegenden Gründen wurde hier gerade das im 19. Jahrhundert stark expandierende Postwesen mit zahlreichen Sondermarken bedacht. 1949 und 1999 erinnerten Sondermarken an die ersten deutschen Briefmarken aus den Jahren 1849/50.91 Vor allem aber wurde auf Sondermarken immer wieder auf das Wirken Heinrich von Stephans hingewiesen, der als erster Generalpostdirektor des Deutschen Reiches nicht nur eine Schlüsselfigur der deutschen Postgeschichte gewesen war, sondern 1874 auch den Weltpostverein mitbegründet hatte. Schon 1924 wurden ihm vier Marken gewidmet.92 In Westberlin erschienen 1949 gleich 7 Marken, die an Heinrich von Stephan und den Weltpostverein erinnerten.93 In der DDR gab man ebenfalls mehrere Marken zu Jubiläen des Weltpostvereins und den Geburtstagen Stephans heraus.94 Das Gleiche galt für die Bundesrepublik, wo man mehrfach anlässlich der Geburts- und Todestage das Wirken Stephans würdigte.95 Die im 19. Jahrhundert heraufziehende neue industrielle Welt kam auf den deutschen Briefmarken aber vor allem durch Sondermarken zur Eisenbahngeschichte zum Ausdruck. Der Eisenbahnbau war nicht nur der wichtigste Beschleunigungs-
82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95
Michel (Berlin) Nr. 654. Michel (BRD) Nr. 284 und 1942. Michel (BRD) Nr. 3320. Michel (BRD) Nr. 150. Michel (BRD) Nr. 1198. Michel (BRD) Nr. 1543. Michel (BRD) Nr. 1557. Michel (DDR) Nr. 2957 und 2958. Michel (BRD) Nr. 2871, 3273. Michel (BRD) Nr. 113–115 und 2041. Michel (Deutsches Reich) Nr. 362, 362, 368 und 369 Michel (Berlin) Nr. 35–41. Michel (DDR) Nr. 242, 1984–1987 und 2579. Michel (BRD) Nr. 227 und 1947. Auch zum 75. und 100. Jahrestag der Gründung des Weltpostvereins erschienen hier Sondermarken: Michel (BRD) Nr. 116 und 825.
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faktor für den Durchbruch der Industrialisierung, sondern die von ihm ausgehende Verkehrsrevolution symbolisierte wie kein anderer Bereich zugleich die neue Lebenswelt des 19. Jahrhunderts. Dem trug auch die Briefmarkenproduktion immer wieder Rechnung. In der Bundesrepublik erschienen zu den 125., 150. und 175. Jahrestagen der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnstrecke Sondermarken, auf denen der erste Zug zu sehen war, der 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr.96 In Westberlin erinnerte man 1988 an 150 Jahre Eisenbahnlinie von Berlin nach Potsdam,97 und in der DDR 1989 mit Bildern der beiden Bahnhöfe und dem Porträt des Eisenbahnpioniers Friedrich List an die Inbetriebnahme der ersten deutschen Fernstrecke von Leipzig nach Dresden im Jahre 1839.98 Zum 175. Jahrestag dieser Streckeneröffnung erschien in der Bundesrepublik 2014 eine weitere Marke.99 Andere Motive aus der frühen Eisenbahngeschichte betrafen die um die Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Göltzschtalbrücke100 und das 1853 fertig gestellte Enzviadukt in Bietigheim.101 Auch dem mit der Urbanisierung verbundenen Ausbau der innerstädtischen Verkehrssysteme oder den Schmalspurbahnen in den Mittelgebirgen waren zahlreiche Marken gewidmet.102 Weitere Marken betrafen zwei Pioniere des deutschen Lokomotivenbaus. In Westberlin erschienen zwei Sondermarken, auf denen Arbeiten in der Borsigschen Lokomotivenfabrik dargestellt waren.103 2011 gab es eine Sondermarke für die von Johann Andreas Schubert konstruierte „Saxonia“. Sie war die erste funktionsfähige deutsche Dampflokomotive, die zwar noch nicht den Eröffnungszug der Strecke Leipzig-Dresden ziehen durfte, aber hier bald darauf zum Einsatz kam.104 Im Übrigen aber finden sich nur wenige der großen Unternehmergestalten des 19. Jahrhunderts auf Sondermarken wieder. Eine Ausnahme bildet Werner von Siemens, zu dessen 150. Geburtstag und 100. Todestag in der Bundesrepublik 1966 und 1992 Sondermarken erschienen.105 Bemerkenswert ist, dass Briefmarken der DDR mehrfach Porträts der bedeutenden Jenaer Unternehmer Ernst Abbe, Carl Zeiss und Otto Schott aufweisen. Zum 110jährigen Bestehen des zu Weltruhm gelangten Unternehmens Carl Zeiss erschien 1956 ein dreiteiliger Satz mit Porträts von Abbe und Zeiss.106 1984 war auf einer Sondermarke zum 100jähri-
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Michel (BRD) Nr. 125, 1264 und 2833. Auch 1935 hatte man den 100. Jahrestag zum Anlass genommen, um einen Block mit vier Sondermarken herauszugeben: Michel (Deutsches Reich) Nr. 580–583. 97 Michel (Berlin) Nr. 822. 98 Michel (DDR) Nr. 3238–3240. 99 Michel (BRD) Nr. 3070. 100 Michel (BRD) Nr. 2082. 101 Michel (BRD) Nr. 2359. 102 Michel (DDR) Nr. 2910 (Schmalspurbahn im Harz), 3015–3016 (Straßenbahnen); Michel (BRD) Nr. 2242 (100 Jahre U-Bahn Berlin) 103 Michel (Berlin) Nr. 125 und 335. 104 Michel (BRD) Nr. 3027. 105 Michel (BRD) Nr. 528 und 1642. 106 Michel (DDR) Nr. 545–547.
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gen Jubiläum des Glaswerkes dessen Gründer Otto Schott zu sehen.107 Und im Mai 1989 erinnerte ein Briefmarkenblock mit dem Porträt Ernst Abbes an 100 Jahre CarlZeiss-Stiftung.108 Es ging hierbei darum, die große Tradition dieser höchst innovativen Industrie für das Ansehen der inzwischen verstaatlichten Unternehmen zu nutzen und die Bedeutung der in Jena gefertigten Erzeugnisse zu unterstreichen. Dabei trug man vor allem mit dem Abbe-Porträt indirekt auch den mit der Zeiss-Stiftung verbundenen sozialreformerischen Zielen Rechnung, mit denen sich die DDR zunächst sehr schwer getan hatte.109 Im Übrigen aber machten die Briefmarken der DDR nur allzu deutlich, dass es zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme des Industrialisierungsprozesses ganz anderer Wege bedurft hätte. 3. Die gesellschaftlichen Herausforderungen des 19. Jahrhunderts Die Industrialisierung eröffnete der Gesellschaft zwar Wohlstandsgewinne, die ein Zeitgenosse um 1800 nicht für möglich gehalten hätte. Die allmähliche Überwindung des Massenelends, das die Übergangsgesellschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt hatte, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass alte soziale Probleme fortbestanden und neue hinzukamen. Der wachsende Wohlstand war höchst unterschiedlich verteilt. Die unteren Schichten erfuhren in ihrem Alltag vielfältige politische und gesellschaftliche Diskriminierung, gegen die sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso zur Wehr setzten wie die in rechtlicher Hinsicht weiterhin benachteiligten Frauen des Bürgertums und der Arbeiterschaft. Die neue Arbeits- und Lebenswelt der im 19. Jahrhundert heraufziehenden Industriegesellschaft wurde auf deutschen Briefmarken wenig thematisiert. Zu den Ausnahmen zählten ein 1969 in Westberlin herausgegebener Satz mit 8 Marken, auf denen „Berliner des 19. Jahrhunderts“ zu sehen waren. Eine Marke zeigte einen von Heinrich Zille gemalten Droschkenkutscher, eine andere einen von Adolph von Menzel gemalten Schuster und eine weitere die Arbeit in der Borsigschmiede.110 Die industrielle Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts fand dagegen auf den Briefmarken der Bundesrepublik und der DDR weit mehr Beachtung. Eine größere Beachtung als die Arbeits- und Lebenswelt fanden dagegen die gesellschaftlichen und politischen Emanzipationsprozesse des 19. Jahr-
107 Michel (DDR) Nr. 2848. 108 Michel (DDR) Nr. 3252/53. Zu den Jena-Motiven ausführlich Achim Hack, Jena und seine Geschichte auf Briefmarken, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 73 (2019), S. 173–197. 109 Vgl. Oliver Lemuth, Alles Abbe? Wertzuweisungen und Deutungskämpfe in einer Erinnerungsund Rezeptionsgeschichte, in: Jürgen John / Justus Ulbricht (Hrsg.), Jena. Ein nationaler Erinnerungsort? Köln/Weimar/Wien 2007, S. 495. 110 Michel (Berlin) Nr. 330–337.
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hunderts und die vielfältigen kirchlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Bemühungen um Überwindung der schlimmsten sozialen Nöte. Die Briefmarken der DDR verwiesen in diesem Zusammenhang nahezu ausschließlich auf die Entwicklung der marxistischen Ideologie und den Aufstieg der sozialistischen Arbeiterbewegung. Zum 70. Todestag von Karl Marx erschien im Frühjahr 1953 ein zehnteiliger Satz. Auf den Marken waren zum einen Bilder aus dem Leben von Karl Marx zu sehen. Zum anderen wurde durch Bilder von Aufmärschen der Werktätigen und ihren Marx, Engels, Lenin und Stalin zeigenden Transparenten sowie Bilder eines Eisenhüttenkombinats und der Berliner Stalinallee die Bedeutung der Marxschen Lehre für den Aufbau des Sozialismus unterstrichen.111 Zum 150. Geburtstag von Marx wurden 1968 drei Marken in Blockform herausgegeben, auf denen neben dem Porträt die Buchtitel zweier Erstdrucke zu sehen waren: das „Kommunistische Mainfest“ und „Das Kapital“.112 Und zum 100. Todestag von Karl Marx erschien ein Satz mit 6 Marken, von denen 5 auf dessen publizistisches Wirken hinwiesen, während das Motiv der sechsten Marke mit der Erdkugel und Porträts von Marx, Engels und Lenin offenbar den Siegeszug der kommunistischen Ideologie symbolisieren sollte. Hinzu kam ein Block mit einem Porträt von Marx und seinem Leitsatz „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an sie zu verändern“.113 Zum 60. Todestag von Friedrich Engels erschien 1955 ein Block mit 6 Marken. Zu sehen waren zwei Porträts, ein Bild zeigte Friedrich Engels als Barrikadenkämpfer in der Revolution von 1848/49, die anderen waren seiner Zusammenarbeit mit Karl Marx gewidmet.114 Weitere Engels-Marken erschienen 1970 aus Anlass seines 150. Geburtstages.115 Auch die Pioniere der frühen politischen Organisation der Arbeiterschaft, August Bebel und Wilhelm Liebknecht, waren schon früh auf den Briefmarken der DDR zu finden, wobei zugleich auf wichtige Ereignisse ihres Lebens verwiesen wurde. Wilhelm Liebknecht wurde in einem Briefmarkensatz „Führer der deutschen Arbeiterbewegung“ 1955 vor dem Hintergrund seines Leipziger Hochverratsprozesses abgebildet, August Bebel vor dem Hintergrund einer großen Arbeiterversammlung.116 1965 erinnerte eine Sondermarke an den 125. Geburtstag von August Bebel.117 Zum 100. Jahrestag der unter Führung von Bebel und Liebknecht in Eisenach gegründeten „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SAPD) wurde in der DDR aber keine Briefmarke herausgegeben, obwohl die SED zwei Jahre zuvor ein Haus des Eisenacher Gründungskongresses, den „Goldenen Löwen“, als wichtige Gedenkstätte der Geschichte 111 112 113 114 115 116 117
Michel (DDR) Nr. 344–353. Die Marken erschienen wenig später nochmals in Blockform: Nr. 386– 395. Michel (DDR) Nr. 1365–1367. Michel (DDR) Nr. 2783–2789. Michel (DDR) Nr. 485–490. Michel (DDR) Nr. 1622–1624. Michel (DDR) Nr. 473 und 477. Michel (DDR) Nr. 1089.
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der Arbeiterbewegung eingerichtet hatte und dort auch 1969 an den Gründungsakt erinnerte. Dagegen erschien zum 100. Jahrestag des Gothaer Vereinigungskongresses und des dort verabschiedeten Programms der „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ ein Block mit drei Marken. Auf der mittleren waren die Tagungsstätte Tivoli und die Titelseite des Protokolls des Kongresses zu sehen, links davon die Parteiführer Bebel und Liebknecht und auf der rechten Seite des Blocks Marx und Engels, wobei ausdrücklich auf die Kritik verwiesen wurde, die Karl Marx in scharfer Form am neuen Parteiprogramm und seinen Zugeständnissen an das von ihm bekämpfte Gedankengut Lassalles geübt hatte.118 In der Bundesrepublik war dagegen die erste Briefmarke, die an die Geschichte der Arbeiterbewegung erinnerte, Ferdinand Lassalle gewidmet, an dessen 100. Todestag 1964 eine Sondermarke erschien.119 Auch zum 150. Jahrestag des von Lassalle 1863 gegründeten „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ (ADAV) wurde 2013 eine Sondermarke herausgegeben.120 Aber auch die großen zeitgenössischen Kritiker der Lassallschen Richtung wurden in der Briefmarkenproduktion der Bundesrepublik berücksichtigt. 1968 erinnerte man mit einer Sondermarke an den 150. Geburtstag von Karl Marx, der auch zum 200. Geburtstag 2018 nochmals eine Marke erhielt, 1970 an den 150. Geburtstag von Friedrich Engels und 1988 an den 75. Todestag von August Bebel.121 Auf die Anfänge der gewerkschaftlichen Arbeit verwiesen zwei Sondermarken, die 1968 zu 100 Jahre Gewerkschaften und 1990 zu 100 Jahre Tag der Arbeit erschienen.122 Im Unterschied zur DDR fanden auf den Briefmarken der Bundesrepublik aber auch Leistungen und Initiativen Beachtung, die von staatlichen, bürgerlichen und kirchlichen Kräften zur Lösung der sozialen Frage unternommen wurden. 1981 gab man eine Sondermarke heraus, die auf den hundert Jahre zurückliegenden Beginn der Bismarckschen Sozialgesetzgebung verwies.123 Die Verdienste, die sich der liberale Politiker Hermann Schulze-Delitzsch um das Genossenschaftswesen erworben hatte, fanden in zwei Sondermarken zum 150. und 200. Geburtstag ihren Niederschlag.124 An den Begründer des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen, Wilhelm Raiffeisen, erinnerte eine zum 150. Todestag erschienene Marke.125 Viel Beachtung fand aber vor allem das soziale Engagement von katholischer und evangelischer Seite. An Adolph Kolpings Bemühungen um die soziale Lage der Handwerksgesellen und das Kolpingwerk wurde ebenso erinnert wie an den Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler und sein Engagement für die Arbeiterschaft sowie an die Gründung der Caritas 118 119 120 121 122 123 124 125
Michel (DDR) Nr. 2050–2052. Michel (BRD) Nr. 443. Michel (BRD) Nr. 2997. Michel (BRD) Nr. 558, 657, 1382. Michel (BRD) Nr. 570, 1459. Michel (BRD) Nr. 1116. Michel (BRD) Nr. 293 und 2684. Michel (BRD) Nr. 1358.
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im Jahre 1897.126 Von evangelischer Seite wurden der Begründer der Inneren Mission, Johann Heinrich Wichern, der Gründer der Bethelschen Anstalten, Friedrich von Bodelschwingh, und der Gründer der Kaiserswerther Diakonie, Theodor Fliedner, auf Briefmarken gewürdigt.127 Die gesellschaftlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts erforderten auch neue Wege im Bildungswesen. An Bildungsreformer, Universitätsgründungen und Pioniere frühkindlicher und schulischer Bildung erinnerten sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR mehrere Sondermarken. Sie betrafen etwa Wilhelm von Humboldt, der zweimal auf Westberliner Marken erschien,128 und die 1811 unter seiner Leitung gegründete Berliner Universität.129 2018 verwiesen Briefmarken auf die 1818 von Preußen gegründete Universität Bonn und das 150. Gründungsjubiläum der Technischen Universität München,130 und schon zuvor waren den Pädagogen Friedrich Wilhelm August Fröbel131 und Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg mehrere Marken gewidmet worden.132 Die Bedeutung der ins 19. Jahrhundert fallenden Bildungsinnovationen unterstrich ferner eine Sondermarke, die 1991 zum 125. Gründungstag des „Lette-Vereins“ erschien, der sich unter Führung des liberalen Politikers Wilhelm Adolf Lette für Verbesserungen der Mädchen- und Frauenbildung einsetzte.133 Der Verein war später Mitglied im 1894 gegründeten „Bund Deutscher Frauenvereine“, zu dessen 100jährigem Gründungsjubiläum ebenfalls eine Sondermarke herausgegeben wurde.134 Auch die Vorkämpferinnen einer freien politischen Betätigung von Frauen und des Frauenwahlrechts wurden durch Briefmarken gewürdigt. In der Bundesrepublik erschienen Marken mit den Porträts von Luise Otto-Peters135 und Mathilde Franziska Anneke.136 Die DDR würdigte Clara Zetkin, die führende Persönlichkeit der sozialistischen Frauenbewegung, mit zwei Marken,137 in der Bundesrepublik erhielt die Gewerkschafterin und Politikerin Emma Ihrer als Vertreterin der frühen sozialistischen Frauenbewegung eine Sondermarke.138
126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
Michel (BRD) Nr. 374 und 2135 (Kolping), 447 und 941 (Ketteler), 1957. Michel (BRD) Nr. 120 und 2657 (Wichern), 144 und 158. Michel (Berlin) Nr. 100 und 731. Michel (DDR) Nr. 795–799. Michel (BRD) Nr. 3360 und 3374. Michel (BRD) Nr. 119; (DDR) Nr. 564–565. Michel (DDR) Nr. 3320; (Berlin) Nr. 879. Michel (BRD) Nr. 1521. Michel (BRD) Nr. 1723. Michel (BRD) Nr. 791. Michel (BRD) Nr. 1393. Michel (DDR) Nr. 592 und 3085. Michel (BRD) Nr. 1405.
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4. Das 19. Jahrhundert und die deutsche Kulturnation Traten bei den Marken, die den gesellschaftlichen Herausforderungen des 19. Jahrhunderts gewidmet waren, deutliche Unterschiede zwischen der Briefmarkenproduktion von Bundesrepublik und DDR hervor, so finden sich bei den Marken, die an die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen erinnern, viele Gemeinsamkeiten. Überhaupt wies der Bereich Kultur und Wissenschaft mit Abstand in Bezug auf das 19. Jahrhundert die meisten Marken auf. Literaten, Komponisten, Maler sowie Geistes- und Naturwissenschaftler sind vor allem auf den nach 1945 erschienenen Briefmarken in sehr großer Zahl zu finden. Zuvor war dies nur selten der Fall gewesen. In der Weimarer Republik erschien 1927 ein Satz „Köpfe berühmter Deutscher“ mit Porträts von Goethe, Schiller und Beethoven.139 In der Zeit des Nationalsozialismus wurde 1933 ein dem Werk Richard Wagners gewidmeter Satz herausgegeben.140 1935 gab man zu Schillers 175. Geburtstag zwei Marken heraus.141 1943 erschienen zwei Marken zum 100. Geburtstag des Heimatdichters Peter Rosegger, dessen Werk von der NS-Propaganda instrumentalisiert wurde. Hinzu kamen Sondermarken für die Mediziner Emil von Behring und Robert Koch.142 Ansonsten dominierten unter den NS-Briefmarken Motive, die zunächst auf die Volksgemeinschaftsideologie und Bauten des Systems sowie später auf die Kriegsführung und ihre „Helden“ verwiesen. Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft gewannen Motive aus dem Bereich Kultur und Wissenschaft dann eine immer größere Bedeutung. Dies zeigten bereits die Marken der Besatzungszonen. In der sowjetischen Zone erschien 1946 ein Wiederaufbauspendenblock mit Porträts der Weimarer Größen Goethe, Schiller, Wieland und Liszt sowie einem Bild des Nationaltheaters.143 1949 erinnerte ein weiterer Block an Goethes 200. Geburtstag und die Goethefestwoche in Weimar.144 Auch in der französischen Zone gab man Marken mit den Porträts von Goethe, Schiller und Heine heraus und verwies mit Marken für Johann Peter Hebel, Ludwig Uhland und Friedrich Hölderlin zugleich auf bedeutende Schriftsteller aus Baden und Württemberg.145 Seit 1949 wurden Briefmarken aus dem reichen Kulturleben des 19. Jahrhunderts sowohl von der Bundesrepublik als auch von der DDR genutzt, um einer verunsicherten Nachkriegsgesellschaft Identifikationsangebote zu machen und sich zugleich als der bessere Sachwalter der kulturellen Traditionen zu präsentieren.146 139 140 141 142 143 144 145 146
Michel (Deutsches Reich) Nr. 385–387. Michel (Deutsches Reich) Nr. 855–856. Michel (Deutsches Reich), Nr. 554 und 555. Michel (Deutsches Reich) Nr. 760–761 und 864. Michel (Sowjetische Zone) Nr. 197–111. Michel (Sowjetische Zone) Nr. 239. Michel (Französische Zone / Baden) Nr. 11–13, 25; (Französische Zone / Württemberg) Nr. 1, 2 und 24. Vgl. hierzu Björn Onken, Geschichtspolitik mit Bildern in Millionenauflage. Anmerkungen zu den Briefmarken der frühen Bundesrepublik mit einem Ausblick auf aktuelle Tendenzen, in: Zeit-
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Vergleicht man nun die entsprechenden Marken beider deutscher Staaten, so ergeben sich naturgemäß viele Parallelen, die hier aus Platzgründen nur kursorisch dargestellt werden können. Blickt man auf den Bereich der Literatur, so beziehen sich die Gemeinsamkeiten auf alle Literaturepochen des 19. Jahrhunderts. Beide Seiten präsentierten zahlreiche Marken mit Motiven aus der Weimarer Klassik, allen voran Goethe- und Schiller-Porträts, aber auch Bilder des Goethe- und des Schillerhauses sowie das 1857 enthüllte Weimarer Denkmal für die beiden Dichter.147 Als Weimar 1999 Kulturhauptstadt Europas war, gab die Deutsche Post eine Sondermarke heraus, auf der die vier großen Persönlichkeiten der Weimarer Klassik – Goethe, Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder – vor dem Bild des Nationaltheaters zu sehen waren.148 Auch Heinrich von Kleist, Joseph von Eichendorff, Fritz Reuter und Heinrich Heine waren auf Briefmarken beider deutscher Staaten zu finden.149 Den wichtigen Vertretern des Realismus – Theodor Storm, Wilhelm Raabe und Theodor Fontane – wurden ebenfalls sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik zu runden Geburts- oder Todestagen Sondermarken gewidmet.150 Gerhard Hauptmann als Vertreter des Naturalismus erhielt in beiden deutschen Staaten sogar jeweils vier Marken.151 Im Vergleich zu diesen Parallelen fallen die Abweichungen weniger ins Gewicht. In der Bundesrepublik und Westberlin erinnerte man mit Marken zu Anette von Droste-Hülshoff, Marie Ebner-Eschenbach und Bettina von Arnim an bedeutende Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts, denen in der DDR keine Marke gewidmet wurde.152 In der DDR war dagegen Georg Herwegh als Dichter der Arbeiterbewegung auf einer Sondermarke zu sehen.153 Zum 150. Geburtstag Georg Büchners erschien in der DDR ebenfalls eine Sondermarke,154 während in der Bundesrepublik 1987 ein Vorstoß scheiterte, zu Büchners 150. Todestag eine Sondermarke herauszugeben. Erst 2013, zum 200. Geburtstag des Dichters, kam eine Sondermarke zustande, die aber nicht das Porträt Büchners zeigte, sondern den Text eines Steckbriefes von 1835, mit dem man an die Festnahme- und Auslieferungsverfügung des in die Schweiz geflüchteten Revolutionärs erinnerte. Dies stieß in der literarisch interessierten Öffentlichkeit auf teilweise heftige Kritik.155 Der Streit, ob und wie Büchner auf Briefmarken gewürdigt schrift für Geschichtsdidaktik 12 (2013), S. 61–77. 147 Michel (BRD) Nr. 356, 1121, 2073 (Goethe), Nr. 210, 357 (Schiller); Michel (DDR) Nr. 1329, 1856, 2681 (Goethe), Nr. 464–466, 733–734, 1330, 1858, 2682 (Schiller). 148 Michel (BRD) Nr. 2028. 149 Michel (BRD) Nr. 359, 280, 1356, 1263, 229, 1962; Michel (DDR) Nr. 2267, 3155, 430, 516–517, 1814. 150 Michel (BRD) Nr. 1371, 1104, 1767; Michel (DDR) Nr. 1297, 2608, 1443. 151 Michel (BRD) Nr. 362, 959, 1344, 2963; Michel (DDR) Nr. 328, 336, 925, 3093. 152 Michel (BRD) Nr. 361, 1057; Michel (Berlin) Nr. 730. 153 Michel (DDR) Nr. 1293. 154 Michel (DDR) Nr. 954. 155 Michel (BRD) Nr. 3031. Zu den Debatten um die Büchner-Marke vgl. Peter Brunner, Unbekanntes Büchner-Jubiläum nicht begangen. Büchnerblog: geschwisterbuechner.de/2013/09/06; Stefan Benz, Georg Büchner ist ein gesuchter Mann, in: Darmstädter Echo vom 7.9.2013.
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werden sollte, war offenbar einer der wenigen Fälle, in denen Entscheidungen über die Ausgabe von Briefmarken öffentlich diskutiert wurden. Für intensive Debatten sorgte aber auch die Briefmarke, die 1997 zum 200. Geburtstag von Heinrich Heine erschien.156 Diskutiert wurde aber nicht das Für und Wider dieser Marke, vielmehr löste die Präsentation eines Zehnerbogens der Büchnermarke heftige Kritik aus, weil der Bogen bei der zweiten Auflage mit nachträglich aufgedruckten germanischen Runen geschmückt war, die zuletzt 1943 auf Briefmarken des Nationalsozialismus zu finden gewesen waren. Der Vorgang löste eine Anfrage der PDS an die Bundesregierung aus. Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation stoppte die Herausgabe der Sondermarke, um zu verhindern, dass die Marke in die Diskussion um Nazi-Symbole gerate.157 Derartige Konflikte sind für andere Marken zu Persönlichkeiten der Hochkultur des 19. Jahrhunderts nicht bekannt. Was den Bereich der Musik betrifft, so überwiegen, wie die Sondermarken für Ludwig van Beethoven, Carl Maria von Weber, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Albert Lortzing, Robert Schumann, Franz Schubert, Franz Liszt, Richard Wagner oder Johannes Brahms zeigen, die Gemeinsamkeiten zwischen beiden deutschen Staaten.158 Nicht ganz so eindeutig ist der Befund im Bereich der bildenden Kunst. Zum 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich kamen 1974 sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik Sondermarken heraus.159 Auch die Berliner Bildhauer Christian Rauch und Johann Gottfried von Schadow sowie die Berliner Maler Adolph von Menzel und Heinrich Zille finden sich auf Sondermarken der DDR, der Bundesrepublik und Westberlins.160 In der Bundesrepublik erschienen zudem Sondermarken zu Anselm Feuerbach, Carl Spitzweg und Ludwig Richter.161 Unter den großen Architekten des 19. Jahrhunderts fand Friedrich Schinkel die meiste Beachtung.162 An Gottfried Semper erinnerte die DDR 1985 aus Anlass der Wiedereröffnung der Dresdener Oper.163 Nach der Wiedervereinigung erschien 2003 auch in der Bundesrepublik eine Marke zum 200. Geburtstag des Architekten.164 Darüber hinaus wurde in der Bundesrepublik an Leopold von Klenze und die von ihm erbaute Pinako-
156 157
Michel (BRD) Nr. 1962. Deutscher Bundestag. 13. Wahlperiode Drucksache 13/9554 vom 18.12.1997. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Gerhard Jüttemann und der Gruppe der PDS; Noel Rademacher, Falsche Randzeichen. Briefmarken zum 200. Geburtstag Heinrich Heines gestoppt. Runenzeichen irritieren, in: TAZ vom 20.11.1997. 158 Michel (BRD) Nr. 317, 358, 616, 894, 1284, 318, 1953, 234; 1895, 1285, 566, 3008, 1177; Michel (DDR) Nr. 300, 301, 1537, 1631, 310, 3055, 676, 677,2852, 309, 2108, 404, 857–860, 955, 2764. 159 Michel (BRD) Nr. 815, 1267; Michel (DDR) Nr. 1958–1962. 160 Michel (Berlin) Nr. 172, 482, 96, 164; Michel (BRD) Nr. 2640; Michel (DDR) Nr. 1009, 3250–3251, 1146, 624–625. 161 Michel (BRD) Nr. 1033, 2647, 1213. 162 Michel (BRD) Nr. 2527; Michel (Berlin) Nr. 96, 640; Michel (DDR) Nr. 2619–2620. 163 Michel (DDR) Nr. 2928. 164 Michel (BRD) Nr. 2371.
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thek in München erinnert,165 und auch Paul Wallot, der Architekt des Berliner Reichstagsgebäudes, erhielt 2003 zu seinem 200. Geburtstag eine Sondermarke.166 Die seit 1945 erschienen Briefmarken der deutschen Staaten und politischen Einheiten geben somit einen breiten Einblick in die kulturellen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. Der Bereich der Wissenschaften fand zwar insgesamt etwas weniger Beachtung, aber auch hier wiesen zahlreiche Sondermarken auf wichtige Persönlichkeiten und ihre Leistungen hin, wobei es wiederum manche Gemeinsamkeiten zwischen den deutschen Staaten gab. So erhielt Alexander von Humboldt167 ebenso mehrere Sondermarken wie der Pathologe Rudolf Virchow.168 Auch dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß,169 dem Chemiker Justus Liebig,170 dem Mediziner Robert Koch,171 dem Chemiker August Friedrich Kekulé172 und den Physikern Hermann von Helmholtz173 und Wilhelm Conrad Röntgen174 wurden in Ost- und Westdeutschland Sondermarken gewidmet. An weitere wichtige Leistungen, die im 19. Jahrhundert auf den Gebieten der Medizin und der Naturwissenschaften erbracht wurden, erinnerten die in der Bundesrepublik erschienenen Marken für den Physiker Heinrich Hertz und den Chemiker Leopold Gmelin175 und die in der DDR erschienene Marke für den Mediziner Max von Pettenkofer.176 Während in der DDR mit einer Sondermarke auch an Charles Darwin erinnert wurde,177 erhielt der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel als wichtigster Promotor der Darwinschen Lehren weder in der DDR noch in der Bundesrepublik eine Marke. 2016 erschien lediglich eine Marke mit dem von Haeckel gezeichneten Bild eines Strahlentierchens, bei der aber der Name des Zoologen nicht genannt wurde.178 Blickt man auf die Briefmarkenmotive aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, so finden sich weniger Gemeinsamkeiten zwischen Ost- und Westdeutschland. Allerdings wurden den Philosophen Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottfried Herder und den Gebrüder Grimm in beiden Teilen Deutschlands Sondermarken gewidmet.179 Auch der Althistoriker Theodor Mommsen war nicht nur auf Briefmarken Westberlins und der Bundesrepublik zu finden, sondern erhielt 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
Michel (BRD) Nr. 2719, 2893. Michel (BRD) Nr. 1536. Michel (BRD) Nr. 309, 3492; Michel (DDR) Nr. 684–685, 1442; Michel (Berlin) Nr. 171, 346. Michel (DDR) Nr. 332, 334, 1707; Michel (Berlin) Nr. 96. Michel (BRD) Nr. 204, 928; Michel (DDR) Nr. 2215. Michel (BRD) Nr. 166, 2337; Michel (DDR) Nr. 2336. Michel (BRD) Nr. 1122; Michel (DDR) Nr. 2685. Michel (BRD) Nr. 440; Michel (DDR) Nr. 2409. Michel (BRD) Nr. 1752; (Berlin) Nr. 401; (DDR) Nr. 265. Michel (BRD) Nr. 147, 1784; Michel (DDR) Nr. 1096. Michel (BRD) Nr. 252, 1377. Michel (DDR) Nr. 1390. Michel (DDR) Nr. 631. Michel (BRD) Nr. 3247. Michel (BRD) Nr. 2934 (Fichte), 617 (Hegel), 1747 (Herder), 325, 1236 (Grimm); Michel (DDR) Nr. 889–890 (Fichte), 331. 338, 1539 (Hegel), 1944 (Herder), 2987–2992 (Grimm).
Einheit, Freiheit und sozialökonomischer Wandel
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auch in der frühen DDR eine Marke.180 Andere bedeutende Persönlichkeiten der Geisteswissenschaften wie der Historiker Leopold von Ranke,181 der Theologe Friedrich Schleiermacher,182 der Jurist Friedrich Carl von Savigny183 und die Philosophen Ludwig Feuerbach,184 Arthur Schopenhauer185 und Friedrich Nietzsche186 erhielten dagegen nur in der Bundesrepublik oder Westberlin Sondermarken. Insgesamt überwogen in der deutschen Briefmarkenpräsentation zum 19. Jahrhundert die Motive, mit denen an die kulturellen Entwicklungen erinnert wurde,187 somit die anderen Aspekte des 19. Jahrhunderts deutlich. Dennoch fanden auch letztere, wie der keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Überblick gezeigt hat, vielfältige Berücksichtigung. Unterschiede in der Auswahl der Motive gab es dabei nicht nur zwischen den einzelnen politischen Einheiten, vielmehr spiegeln sich bei den Briefmarken der DDR und der Bundesrepublik mehrfach auch Veränderungen in der Geschichtspolitik des jeweiligen Staates wider. Dies zeigt sich zum einen beim Umgang der DDR mit dem nationalen Erbe des 19. Jahrhunderts. Zum anderen deuten aber auch in der Bundesrepublik die Entscheidungen über Briefmarkenmotive auf sich verändernde Grundhaltungen hin. Während man etwa Wilhelm Raabe ungeachtet der Kritik an seinen „Judenbildern“ im Roman „Hungerpastor“ 1981 zum 150. Geburtstag eine Sondermarke widmete, scheiterte die Anregung, zum 200. Geburtstag von Gustav Freytag eine Sondermarke herauszubringen, 2016 an Bedenken wegen seiner Juden- und Polenbilder. Solchen Entwicklungen könnte die künftige Forschung durch Erschließung des entsprechenden Archivmaterials und die Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse noch ausführlicher nachgehen.
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Michel (BRD) Nr. 3343; Michel (Berlin) Nr. 163; Michel (DDR) Nr. 263. Michel (BRD) Nr. 1826; (Berlin) Nr. 377, 759. Michel (BRD) Nr. 3419; (Berlin) Nr. 167. Michel (Berlin) Nr. 170. Michel (BRD) Nr. 2411. Michel (BRD) Nr. 1357. Michel (BRD) Nr. 2131. Sondermarken verwiesen auch auf im 19. Jahrhundert gegründeten Sammlungen und Museen. So erschienen 1952 und 2002 in der Bundesrepublik Sondermarken zum 100. und 150. Gründungstag des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg: Michel (BRD) Nr. 151, 2269.
Karl der Große auf Briefmarken Ein europäischer Vergleich Achim Thomas Hack Die wissenschaftliche Literatur, die sich mit Karl dem Großen beschäftigt, wächst in den letzten Jahren und Jahrzehnten unablässig: Aufsätze über einzelne Aspekte, Begleitbände zu einschlägigen Ausstellungen (und seien es auch nur geplante) und immer wieder umfassende Biographien, nicht zuletzt im Umfeld der großen Karlsjubiläen. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass ihr inhaltlicher Gehalt sehr unterschiedlich ist.1 Nicht weniger umfangreich ist inzwischen die Literatur über das Nachleben und die Rezeption Karls des Großen. Schon das berühmte „Karlswerk“ von 1965 hat diesem Thema einen ganzen Band gewidmet. Seither sind ungezählte Beiträge erschienen, die sich mit den unterschiedlichen Aspekten befassen: in der Historiographie, in der Literatur, in der Kunst, in Schulbüchern usw. Dabei wird vor allem nach der legitimatorischen Funktion gefragt, die die Berufung auf den berühmtesten Karolinger hatte: bei einzelnen Herrschern, während verschiedener Epochen, in diesem oder jenem Land.
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Die Analyse dieses wissenschaftlichen Betriebs wäre eine reizvolle Aufgabe, kann aber hier nicht in Angriff genommen werden. – Begleitend zu der Aachener Tagung vom 20.6.–21.9.2014 ist ein dreibändiges Werk erschienen, vgl. Frank Pohle (Hrsg.), Karl der Große – Charlemagne. Macht, Kunst, Schätze, Dresden 2014. Die Bände der Ausstellung von 1965 werden dadurch ergänzt, bisweilen korrigiert, aber nicht ersetzt. Die Besucherzahl für diese Ausstellung wird von den Veranstaltern mit 233 000 angegeben, wobei aber die Besucher der drei Teilausstellungen separat gezählt und addiert wurden; die Interessenten an den Nebenausstellungen dürften aber fast alle auch die Hauptausstellung besucht haben, sodass eine Zahl von 111 000 sehr viel realistischer ist. Als Begleitband einer 2014 in Berlin geplanten Ausstellung vgl. Barbara Segelken / Tim Urban (Hrsg.), Kaiser und Kalifen. Karl der Große und die Mächte am Mittelmeer um 800, Darmstadt 2014; wie so manches Berliner Großprojekt wurde auch dieses bislang noch nicht realisiert. – Aus den zahllosen Biographien vgl. vor allem Winfried Hartmann, Karl der Große, Stuttgart 2010; Janet Nelson, King and Emperor. A New Life of Charlemagne, London 2019. In den genannten Werken wird jeweils auch die ältere Literatur angeführt; eine systematische Bibliographie ist seit den Tagen von Heinz Löwe (in: Friedrich Dahlmann/Georg Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte V, Stuttgart 101980, Abschn. 166/548–759) nicht mehr erschienen.
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In den Blick kommen dadurch nicht weniger als ganz Europa und ein Zeitraum, der von den Zeitgenossen – allen voran Einhard – bis in die Gegenwart reicht.2 Eine Facette dieser Rezeption ist auch die Darstellung des ersten „abendländischen“ Kaisers auf Briefmarken. Sie wurde bisher noch nicht beachtet, obwohl der mit Abstand berühmteste unter den Karolingern auf den Postwertzeichen von nicht weniger als sieben europäischen Ländern abgebildet ist – allesamt Länder, die sich damit zu Karl dem Großen auf irgendeine Weise in Beziehung setzen. Im Unterschied zu den allermeisten anderen Zeugnissen handelt es sich dabei um so etwas wie offizielle Dokumente dieser Staaten, da sie von Behörden oder vergleichbaren Institutionen ausgegeben werden.3 Briefmarken thematisieren in aller Regel Ereignisse oder Personen der jeweiligen nationalen Geschichte.4 Daher gibt es nicht allzu viele Motive, die sich international direkt vergleichen lassen. Karl der Große bildet darunter eine sehr seltene Ausnahme, zumindest was die älteren Epochen betrifft. Wie sich auf den nächsten Seiten herausstellen wird, könnte die Vielfalt der Karlsbilder kaum größer sein. Im Folgenden sollen die einschlägigen Postwertzeichen, nach Ländern geordnet, einzeln vorgestellt und in ihren Entstehungskontext eingeordnet werden. Dabei kön-
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Vgl. vor allem Wolfgang Braunfels / Percy Ernst Schramm (Hrsg.), Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben IV: Das Nachleben, Düsseldorf 1967; Karl Ferdinand Werner, Karl der Große oder Charlemagne. Von der Aktualität einer überholten Fragestellung, SB der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. IV, München 1995; Liselotte E. Saurma-Jeltsch (Hrsg.), Karl der Große als vielberufener Vorfahr. Sein Bild in der Kunst der Fürsten, Kirchen und Städte, Sigmaringen 1994; Max Kerner, Karl der Große. Entschleierung eines Mythos, Köln/Weimar/Wien 2001; Robert Morrissey, Charlemagne and France. A Thousand Years of Mythology, Notre Dame 2003 (zuerst franz. 1997); Bernd Bastert (Hrsg.), Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters. Konstruktion eines Mythos, Tübingen 2004; Hans-Henning Kortüm, Vater Europas oder grand chef de guerre. Karl der Große in deutschen und französischen Schulbüchern am Ende des zwanzigsten und zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, in: Martin Clauss / Manfred Seidenfuss (Hrsg.), Das Bild des Mittelalters in europäischen Schulbüchern, Geschichtsdidaktik in Vergangenheit und Gegenwart V, Berlin 2007, S. 245–269; Isabelle Durand-Le Guern / Bernard Ribémont, Charlemagne. Empereur et mythe d’Occident, Le grandes figures du moyen âge III, Paris 2009; Franz Fuchs / Dorothea Klein (Hrsg.), Karlsbilder in Kunst, Literatur und Wissenschaft, Rezeptionskulturen in Literatur und Mediengeschichte I, Würzburg 2015. Von mediävistischer Seite ist die Bedeutung von Briefmarken etwa von Percy Ernst Schramm, Ausblick: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik in der Neuzeit, in: Ders., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert, Schriften der MGH XIII/1–3, Stuttgart 1956, S. 1059–1063, hier S. 1063, erkannt worden. Über den Verfasser vgl. David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes, Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften LXXV, Göttingen 2006. Schon Gustav Stresemann hat in einer Rede am 10. September 1929 in Genf rhetorisch effektvoll gefragt: „Wo bleibt das europäische Geldstück, wo die europäische Briefmarke?“, vgl. Ulrich Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee „Idea vincit“. Warburg, Stresemann und die Briefmarke, in: Vorträge aus dem Warburg-Haus VI, Berlin 2002, S. 125–162, hier S. 134 Anm. 24. Während europäische Münzen (und Geldscheine) seit 2003 im Umlauf sind, ist eine europäische Briefmarke bisher noch nicht in Sicht.
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nen zum Beispiel der Anlass der Ausgabe – etwa ein Jubiläum –, die Zusammenstellung mit anderen Briefmarken zu einem Satz oder zu einer ganzen Serie, die bildliche Gestaltung, die Erläuterungen durch den Text und natürlich die Tradition des einen oder anderen Karlsbildes entscheidend für das Verständnis sein. Neben der Situierung im 20. und 21. Jahrhundert verdient aber auch die mittelalterliche Seite Beachtung. Das gilt genauso für die bildlichen Vorlagen, die gegebenenfalls für die Gestaltung der Briefmarken herangezogen werden, wie für die textlichen Bezugspunkte, an die die jeweiligen Traditionen anknüpfen. 1. Rheinland-Pfalz oder die ersten Briefmarken Karls des Großen Die erste Briefmarke mit einer Darstellung Karls des Großen stammt aus Rheinland-Pfalz. Sie ist bereits im Juli 1947 erschienen und gehört damit zu den ersten Freimarken, die die damals neu eingerichtete Postverwaltung herausgebracht hat (die allerersten wurden seit dem April desselben Jahres ausgegeben). Obwohl sie mit einer Mark den höchsten Wert des ganzen Satzes darstellt, beträgt ihre Auflage immerhin zehn Millionen Stück.5 Der erwähnte Satz kombiniert zum einen bekannte rheinland-pfälzische Ansichten (Ruine Maxburg, Porta Nigra in Trier, Teufelstisch bei Kaltenbach, Winzerort St. Martin, Wormser Dom, Mainzer Dom, Burg Gutenfels mit Pfalz bei Kaub am Rhein) und zum anderen Personen, die mit diesem Land in Verbindung stehen (Ludwig van Beethoven, Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, Karl Marx, Johannes Gutenberg und eben Karl der Große).6 Man könnte sogar sagen, die zwölf Motive definieren – vielleicht zum ersten Mal – so etwas wie einen gemeinsamen Vorrat an landestypischen Bezugspunkten.7 Dass dafür ein großer Bedarf bestand, steht außer Frage. Das Land Rheinland-Pfalz war erst am 30. August 1946 auf Befehl der französischen Besatzungsmacht unter General Marie-Pierre Koenig gegründet worden; das Referendum der Bevölkerung über die Verfassung erfolgte sogar erst am 18. Mai 1947. Die Zustimmung zu diesem wichtigen Dokument war denkbar knapp (53 zu 47 Prozent) und das lag nicht zuletzt an dem wenig homogenen Charakter des Landes, das aus Teilen der preußischen Rheinprovinz und von Hessen-Nassau, Teilen des Volksstaates Hessen, der bayerischen Pfalz sowie der oldenburgischen Exklave Birkenfeld zusammengesetzt war. Rheinland-Pfalz 5 6
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Die gängigeren Werte von 12 bzw. 24 Pfennig wurden in einer Auflage von 60 bzw. 62 Millionen Stück gedruckt. Der erste Satz von 1947/48 besteht aus 15 Werten (von 2 Pfennig bis zu 1 Mark, Michel Nr. 1–15), für die 12 Motive verwendet werden (Beethoven, Gutenberg und der Mainzer Dom werden auf jeweils zwei Marken wiedergegeben). Die ersten 13 Briefmarken haben ein rechteckiges Format, Burg Gutenberg ist im Quer-, Karl der Große im Hochformat abgebildet. Oder in der Terminologie von Pierre Nora: Erinnerungsorte (Lieux de mémoire).
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galt als ein „Land aus der Retorte“ und ihm „wurde auf deutscher Seite zunächst kaum ein dauerhafter Bestand vorausgesagt“.8 Die „Persönlichkeiten und Ansichten aus Rheinland-Pfalz“ waren also ein Angebot an die Bevölkerung, sich mit dem neuen Staatsgebilde zu identifizieren. Entsprechende Briefmarken-Sätze wurden zur gleichen Zeit auch in allen anderen Ländern der Französischen Zone herausgebracht: in Baden ( Johann Peter Hebel, Hans Baldung Grien, Stephanie von Baden, Bodensee-Tracht, Schwarzwald-Tracht, Schloss Rastatt, Höllental im Südschwarzwald, Freiburger Münster), Württemberg-Hohenzollern (Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin, Ludwig Uhland, Kloster Bebenhausen, Wangen im Allgäu, Waldsee, Schloss Lichtenstein, Kloster Zwiefalten) und dem Saarland (Marschall Michel Ney, Kloster Mettlach, Große Saarschleife, Bergmann, Arbeiter, Bäuerinnen).9 Es lassen sich hier also – bei allen Variationen im Detail – deutliche Umrisse einer ausgesprochen aktiven französischen Kulturpolitik erkennen. Alle vier Sätze „Persönlichkeiten und Ansichten“, die während der Findungs- und Formierungsphase der neuen deutschen Länder erschienen, wurden von dem 1907 in Litauen geborenen Graphiker Vytautas Kazimieras Jonynas entworfen, insgesamt also nicht weniger als 34 Motive.10 Der viel beachtete Künstler hatte 1944 sein Heimatland verlassen, lebte seit 1951 jahrzehntelang in den Vereinigten Staaten und starb 1997 hoch betagt in Vilnius. Anlässlich seines hundertsten Geburtstags widmete ihm die litaui-
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Rainer Hudemann, Landesgründung und Verfassunggebung im Spannungsfeld von Besatzungsmacht und deutscher Politik, in: Heinz-Günter Borck (Hrsg.), Beiträge zu 50 Jahren Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz LXXIII, Koblenz 1997, S. 61–88, das Zitat S. 61; vgl. auch die übrigen Beiträge dieses Bandes sowie Michael Kiessener, Grundzüge der historischen Entwicklung, in: Ders. / Fried rich P. Kahlenberg (Hrsg.), Kreuz, Rad, Löwe. Rheinland-Pfalz – ein Land und seine Geschichte II, Mainz 2012, S. 57–150. Vgl. für Baden Michel Nr. 1–13 (1947), 14–27 (1948) und 28–37 (1948/49); für Württemberg-Hohenzollern Michel Nr. 1–13 (1947/48), 14–27 (1948) und 28–37 (1948/49); für das Saarland Michel Nr. 206–225 (1947), 226–238 (die neue Währung überstempelt). In manchen Fällen werden also „Persönlichkeiten“ und „Ansichten“ durch „Trachten“ ergänzt. Diese Marken sind alle mit „V. K. Jonynas“ signiert. – Neben den genannten Briefmarken hat Jonynas auch die Carl-Schurz-Briefmarke für Baden (Michel Nr. 50–52) entworfen, außerdem zwei Briefmarken zu 50 und 100 Lire des Vatikan zum Gedenken an den 500. Geburtstag des Heiligen Casimir 1959 (Nr. 330–331). Die Briefmarke mit der Großen Saarschleife von 1947 (Nr. 225) wurde auf einer Marke der Bundesrepublik von 1970 („SABRIA 70“) erneut abgebildet (Nr. 619). – Bereits im Jahre 1947 ist ein erster Katalog mit Werken Jonynas erschienen, vgl. Aleksis Rannit, V. K. Jonynas. Un xylographe lithuanien / A Lithuanian Wood-Engraver / Ein litauischer Holzschneider, Baden-Baden 1947 (die Briefmarkenserien haben darin die Werknummern 74, 76, 77, 78; die Rheinland-Pfälzer Beethoven-Briefmarke ist auf S. 36 abgebildet; der hochgestimmte Text nimmt allerdings nicht auf diese Briefmarken Bezug). Zu den erwähnten Briefmarken vgl. Elmar Vogt, V. K. Jonynas und die Briefmarken, oder: Kunst macht das Leben menschlicher, in: Das Markgräflerland Jg. 2012, Bd. I, S. 118–125.
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sche Post eine Briefmarke, die sein Portrait samt eines seiner Werke (eine vatikanische Briefmarke von 1959) zeigt.11 Vytautas Jonynas war „ein enger Vertrauter des Verantwortlichen für die Kulturpolitik in der französischen Besatzungszone, Raymond Schmittlein“.12 Der aus einer Elsässer Familie stammende General hatte mehrere Jahre lang an der Universität Kaunas unterrichtet und dort den litauischen Künstler kennengelernt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er dann eine Anlaufstelle für Flüchtlinge aus dem Baltikum, von der neben vielen anderen auch Jonynas profitierte.13 Angesichts dieser engen persönlichen Beziehung ist es sehr wahrscheinlich, dass Schmittlein den litauischen Künstler höchstpersönlich mit der Gestaltung der Briefmarken betraut hat. Auf dem hochformatigen Postwertzeichen wird Karl der Große als thronender Herrscher im edelsteingeschmückten Mantel mit Bügelkrone, Reichsapfel und Lilienzepter dargestellt. Neben seinem Kopf steht, gleichsam um jeden Zweifel zu zerstreuen, in lateinscher Sprache „Carolus Magnus“. Diese Erläuterung wäre aber sicher nicht notwendig gewesen, verwendet der Künstler doch eine überaus bekannte Darstellung Karls des Großen: diejenige auf der Stirnseite des sogenannten Aachener Karlsschreins. Die Gold- und Silberschmiedearbeit in Form eines überdachten Kastens wurde um 1182 begonnen und nicht lange vor 1215 fertiggestellt; in diesem Jahr fand – und zwar in Anwesenheit und unter Mitwirkung Friedrichs II. – die Übertragung der Gebeine des 1165 heiliggesprochenen Kaisers statt.14 Verglichen mit der Vorlage fällt auf, dass Jonynas wahrscheinlich aus praktischen Gründen das Kreuz auf der Krone vergrößert und nach vorne verlegt und dass er – auffälliger noch – dem Kaiser einen Reichsapfel anstelle des Kirchenmodells in die rechte Hand gibt.15 Dadurch werden der kirchliche Aspekt, aber auch der Aachener
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Die 1-Litas-Briefmarke von 2007 (Michel Nr. 928) wurde von Aušrelė Ratkevičienė gestaltet. Dargestellt ist darauf die von Jonynas entworfene Briefmarke zum Gedenken an den Heiligen Casimir (s. oben). Ulrich Pfeil, Vorwort, in: Ders. (Hrsg.), Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die ‚Ökumene der Historiker‘. Ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz, München 2008, S. 7–14, hier S. 12 (mit Anm. 12). Zu Schmittlein vgl. Corine Defrance, Raymond Schmittlein (1904–1974), ein Kulturmittler zwischen Deutschland und Frankreich?, in: François Beilecke / Katja Marmetschke (Hrsg.), Der Intellektuelle und der Mandarin. FS für Hans Manfred Bock, Intervalle VIII, Kassel 2005, S. 481–502; Dies., Raymond Schmittlein (1904–1974). Médiateur entre la France et la Lituanie, in: Cahiers Lituaniens IX 2008, S. 18–23. Vgl. dazu vor allem die Beiträge in Hans Müllejans (Hrsg.), Karl der Große und sein Schrein in Aachen. Eine Festschrift, Aachen/Mönchengladbach 1988 (mit hervorragenden Abbildungen sowie Hinweisen auf die ältere Literatur); Florentine Mütherich / Dietrich Kötzsche (Hrsg.), Der Schrein Karls des Großen. Bestand und Sicherung 1982–1988, Aachen 1998. Der historische Karl wusste noch nichts von einem Reichsapfel. Vgl. dazu Percy Ernst Schramm, Sphaira, Globus, Reichsapfel. Wanderung und Wandlung eines Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elisabeth II. Ein Beitrag zum „Nachleben“ der Antike, Stuttgart 1958. – Auf dem Karlsschrein sind außer Karl alle Kaiser und Könige mit einem Reichsapfel dargestellt.
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Bezug Karls des Großen weitgehend eliminiert. Hinzu kommt der Umstand, dass die Dreizahl der Insignien (der Mantel hier nicht mitgerechnet) viel besser den Sehgewohnheiten des 20. Jahrhunderts entspricht. Während die Briefmarke vom Juli 1947 in einem Braunton gehalten ist, erschien exakt ein Jahr später eine zweite Version in Blau unter Verwendung genau desselben Entwurfs. Der Grund dafür ist die Währungsreform am 20. Juni 1948: Anstelle von „1 M.“ wird nun „1 D. M.“ als Wert angegeben. (In einer dritten Ausgabe von 1948/49, ohne Währungsangabe, wird auf diesen Wert ganz verzichtet.)16 Die schwierigste Frage im Hinblick auf die erste Briefmarke Karls lautet, weshalb denn der Kaiser gerade mit dem Land Rheinland-Pfalz in Verbindung gebracht wird.17 Selbstverständlich hat der Herrscher auch dieses Gebiet immer wieder aufgesucht; eine besondere Beziehung – und sei es auch nur zu einem bestimmten Ort – lässt sich jedoch nicht konstatieren. Daher liegt eine andere Erklärung nahe: Mit der Würdigung eines Kaisers, der sowohl über die französischen als auch die deutschen Gebiete des 20. Jahrhunderts herrschte, sollte vermutlich ein verbindendes Moment zwischen den beiden Völkern hervorgehoben werden. Bezeichnenderweise wird der Herrscher weder „Karl der Große“ noch „Charlemagne“, sondern lateinisch-neutral „Carolus Magnus“ genannt.18 2. Deutschland oder der katholische Karl Vom ersten Postwertzeichen mit Karl dem Großen bis zur erneuten Wahl des Kaisers als deutsches Briefmarken-Motiv vergingen nicht weniger als drei Jahrzehnte. Und selbst bei dieser Ausgabe stand der Herrscher noch nicht einmal im Vordergrund. Die am 12. Juli 1979 erschienene Briefmarke gedenkt der „Heiligtumsfahrt Aachen“. Zu sehen ist ein Kreis und darüber ein Kreuz, um das ein langes, weißes Tuch – wahrscheinlich das stilisierte Lendentuch Christi – gewunden wurde. In den genannten Kreis ist ein Oktogon eingeschrieben und darin wiederum das Monogramm Karls des Großen. Die dominierenden Farben sind Grün, Gold und Weiß.19 Diese Briefmarke, die in einer Auflage von über 33 Millionen Exemplaren erschienen ist, wurde von dem in Schwäbisch Gmünd geborenen Karl Hans Walter entworfen. Der damals gerade emeritierte Graphiker gehörte zu denjenigen Künstlern, die die Postwertzeichen der jungen Bundesrepublik maßgeblich geprägt haben. Auf ihn 16 17 18 19
Der erste Satz ist als Michel Nr. 1–15 (Mai 1947–Februar 1948), der zweite als Nr. 16–29 ( Juni– August 1948) und der dritte als Nr. 32–41 (November 1948–Juli 1949) verzeichnet. Auch für Ludwig van Beethoven, den die 2- sowie die 60-Pfennig Marke zeigt (Michel Nr. 1 und 11), ist kein besonderer Bezug zu Rheinland-Pfalz zu erkennen. Vgl. zu dieser Diskussion, für die sich nicht nur Fachkreise interessierten, bereits Karl Hampe u. a., Karl der Große oder Charlemagne? Acht Antworten deutscher Geschichtsforscher, Berlin 1935. Eingehend dazu zuletzt K. F. Werner, Karl der Große oder Charlemagne? (wie Anm. 2). Michel Nr. 1017.
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geht unter anderem die Heinemann-Serie und damit eines der häufigsten Motive überhaupt zurück.20 Die Aachener Heiligtumsfahrt wird heutzutage im Sieben-Jahres-Rhythmus durchgeführt, auch 1979 war ein solches Jahr. Das Ziel der Pilger sind die vier „großen“, textilen Reliquien: das Kleid Mariens, die Windeln Jesu, das Lendentuch Christi und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers, außerdem etliche „kleinere“ Reliquien wie der Gürtel Mariens, der Gürtel sowie der Geißelstrick Jesu. Die einer festen Liturgie folgende Heiltumsschau wird von hohen geistlichen Würdenträgern durchgeführt und lockt stets Zehntausende Gläubige an. Mit dem Herrschermonogramm im Achteck wird auf die von Karl dem Großen errichtete Marienkirche verwiesen, in der die textilen Reliquien in einem kostbaren Schrein – dem 1239 vollendeten Marienschrein – aufbewahrt werden; die kirchliche Tradition führt sie ebenfalls bis in die Zeit des ersten karolingischen Kaisers zurück. Allerdings spricht alles dafür, dass Karls Reliquienschatz und dessen Verehrung aus dem hohen Mittelalter stammen und nicht vom Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts.21 1987 jährte sich zum 1 200. Mal die Gründung des Bistums Bremen, genauer gesagt die Weihe des ersten Bremer Bischofs Willehad. Auch dieses Jubiläum war der Deutschen Bundespost eine Sonderbriefmarke wert. Folgt man dem Bericht des Chronicon Moissiacense – einer Kompilation, die bis zum Jahre 816 reicht –, dann hat diese Weihe Willehads am 13. Juli 787 in Worms stattgefunden; der neue Bischof wurde dabei nach derselben Quelle „super Wimoda, et super Riusteri et Asterga et Lara, vel Nordedi et Wangera“ gesetzt.22 Der Bischofssitz wurde erst zwei Jahre später, kurz vor dem Tod Willehads, definitiv festgelegt.23
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Zu Karl Hans Walter (1911–1999), der in Schwäbisch Gmünd und München ausgebildet wurde und lange in Stuttgart und Nürnberg gelehrt hat, vgl. Wilhelm K. H. Schmidt, In Gmünd geboren: Der Graphiker Professor Karl Hans Walter. Gedenkblatt zu seinem 100. Geburtstag, in: Einhorn Jahrbuch Schwäbisch Gmünd XXXVIII 2011, S. 161–166. – Walters „Gefangenenmarke“ von 1953 (Michel Nr. 165) hat den sogenannten „Postkrieg“ mit der DDR ausgelöst. Vgl. dazu Dieter P. J. Wynands, Die Aachener Heiligtumsfahrt. Kontinuität und Wandel eines mittelalterlichen Reliquienfestes, Ortstermine. Historische Funde und Befunde aus der deutschen Provinz VIII, Siegburg 1996 (mit Hinweisen auf die ältere Literatur, S. 36–38); M. Kerner, Karl der Große (wie Anm. 2), S. 263–266 und 270. In einem weiteren Rahmen Hartmut Kühne, Ostensio reliquiarum. Untersuchungen über Entstehung, Ausbreitung, Gestalt und Funktion der Heiltumsweisungen im römisch-deutschen Regnum, Arbeiten zur Kirchengeschichte LXXV, Berlin / New York 2000, S. 153–197. Chronicon Moissiacense, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH Scriptores (in folio) I, Hannover 1826, S. 280–313, ad 787 (S. 298). Dazu im Rahmen der Bischofserrichtungen in Sachsen Dieter Hägermann, Karl der Große. Herrscher des Abendlandes, Berlin/München 2000, S. 228–231; Ders. / Ulrich Weidinger / Konrad Elmshäuser, Bremische Kirchengeschichte im Mittelalter, Bremen 2012, S. 21–33.
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Die von Fritz-Dieter Rothacker entworfene Briefmarke24 zeigt Karl den Großen und Bischof Willehad sitzend neben der noch unvollendeten Fassade des Doms (die rechte Kirchturmspitze fehlt); darunter ist das von zwei Löwen gehaltene Bremer Wappen mit dem silbernen Schlüssel zu erkennen. Die unmittelbare Vorlage dafür ist ein Wandgemälde im Bremer Rathaus (Nord-Wand der oberen Halle), das wahrscheinlich der vor allem in Köln und am Niederrhein tätige Bartholomäus Bruyn der Ältere im Jahre 1532 geschaffen hat. Karl der Große wird darin als Renaissance-Fürst mit Zepter, Schwert und Reichsapfel dargestellt, der die Krone über einer mächtigen Haube trägt.25 Nur ein Jahr später erschien – ohne konkreten Gedenkanlass – eine weitere Briefmarke mit dem ersten karolingischen Kaiser. Im Rahmen einer Serie über „Gold- und Silberschmiedekunst“ des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist die gekrönte Karlsbüste zu sehen, die nicht lange nach 1349 entstanden ist. Entworfen wurde der ganze Satz von dem Münchner Graphiker Fritz Lüdtke, auf den mehr als fünf Dutzend Briefmarken zurückgehen.26 Das hier interessierende Kaiserbild ist in einer Auflage von 12 Millionen Stück erschienen. Bei der Karlsbüste, die hier fotografisch wiedergegeben ist, handelt es sich um ein Reliquien-Behältnis, in dem die Schädeldecke des Karolingers aufbewahrt wird. Die aus Silber getriebene und teilweise vergoldete sowie mit Gemmen und Edelsteinen verzierte Arbeit wird bis zum heutigen Tage an den Karlsfesten (am 28. Januar sowie am Himmelfahrtstag) den Gläubigen im Aachener Dom zur Verehrung ausgestellt. Im späten Mittelalter kam sie auch beim Empfang des neuen Königs in der Stadt seiner Krönung zum Einsatz.27
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Rothacker, geboren 1938 und verstorben 2000, wurde an der Stuttgart Akademie zum Graphiker ausgebildet; ab 1978 lehrte er an der Fachhochschule Augsburg. Zum Karl-Willehad-Gemälde (samt dem zugehörigen Text) vgl. Rolf Gramatzki, Das Rathaus in Bremen. Versuch zu seiner Ikonologie, Bremen 1994, S. 66–75; Gabriele Brünings, Das Bremer Rathaus. Welterbe der Menschheit, Bremen 2012, S. 63–73 (Abbildungen); Konrad Elmshäuser, Von der Kaiserfreiheit zur Kaisertreue. Bremens Rathaus als Ort stadtstaatlicher Selbstrepräsentation, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte LXXXIX 2017, S. 7–35, hier S. 11 f. – Das einzige ausführliche Verzeichnis der Werke Bruyns geht auf die Bremer Werke leider nicht ein, vgl. Barthel Bruyn 1493–1555. Gesamtverzeichnis seiner Bildnisse und Altarwerke. Gedächtnisausstellung aus Anlass seines 400. Todestages, Köln 1955. – Das Motiv selbst hat in Bremen eine lange Geschichte. Eine ganz ähnliche Darstellung findet sich bereits auf dem Stadtsiegel des 13. Jahrhunderts und auf dem um 1500 entstandenen Domlettner. Von Fritz Lüdtke, der an der Münchener Fachhochschule Kommunikationsdesign lehrte, stammen 49 Briefmarken der Deutschen Bundespost aus den Jahren 1983–2007 (Michel Nr. 1162, 1252, 1254, 1258, 1267, 1271, 1291, 1302, 1303, 1328, 1333–1336, 1346, 1383–1386, 1389, 1451, 1453, 1470, 1473, 1511, 1526–1527, 1596, 1717–1720, 1793, 1847, 2063–2064, 2107–2108, 2123, 2208, 2214, 2217, 2243, 2249, 2308, 2376, 2419, 2573, 2581) und 15 Briefmarken Berlins von 1985–1990 (Michel Nr. 749, 758, 769, 785, 789–792, 797, 818–821, 862, 873). Die Büste, die im Aachener Domschatz aufbewahrt wird, hat eine Höhe von immerhin 86,3 cm, eine Breite von 57,2 cm, sowie eine Tiefe von 33 cm. Vgl. dazu Ernst Günther Grimme, Aachener Goldschmiedekunst im Mittelalter. Von Karl dem Großen bis zu Karl V., Köln 1957, hier S. 69–72 mit Tf.
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Die Büste zeigt den Herrscher mit weit geöffneten Augen; sein Gesicht wird von goldenen Haaren und einem dichten Bart umrahmt; auf dem Kopf trägt er eine Lilienkrone mit Bügel und Kreuz. Obwohl feststeht, dass dieses Kunstwerk keine Informationen über das tatsächliche Aussehen des Herrschers enthält, wird sie bis heute immer wieder zur Illustration seiner Person bzw. seiner Geschichte benutzt.28 Auch auf Briefmarken sollte sie nicht zum letzten Mal zu sehen sein. Als man nämlich im Jahre 2000 der 1 200 Jahre des Aachener Doms gedachte, erschien erneut ein Postwertzeichen mit der Karlsbüste, dieses Mal in das Oktogon des Kirchengrundrisses eingeschrieben. Offenkundig soll das Gebäude dadurch als Werk des großen Kaisers gekennzeichnet werden.29 Die Aufschrift der Briefmarke lautet „Kaiser Karl der Große“ sowie „Dom zu Aachen 1 200 Jahre“. Dass mit dem ersten Teil an die Kaiserkrönung vom Weihnachtstag 800 erinnert werden soll, ist nicht anzunehmen. Zwar läge dies angesichts der runden Jahreszahl nahe, jedoch wird die römische Krönung nirgendwo thematisiert.30 Welches Jubiläum feiert aber der Aachener Dom im Milenniumsjahr? Das ist leider nicht zu erkennen. Denn bis heute wurde im Zusammenhang mit dem auffälligen Bau kein Datum genannt, das mit 800 in Zusammenhang steht. Nach der mittelalterlichen Tradition fällt der Bau-(Beginn) in das Jahr 795 oder 796, als Weihedatum wird 804 oder 805 angenommen. Es sind dies im Übrigen Angaben, die sehr gut zu den Ergebnissen der modernen Dendrochronologie passen.31 Die von Peter Nietzsche entworfene Briefmarke ist von allen bisher betrachteten am wenigsten innovativ; sie kombiniert lediglich bildliche Elemente, die bereits in früheren Jahrzehnten – und zwar im gleichen Zusammenhang – verwendet worden sind.32
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37–38; Birgitta Falk, Bildnisreliquiare. Zur Entstehung und Entwicklung der metallenen Kopf-, Büsten- und Halbfigurenreliquiare im Mittelalter, in: Aachener Kunstblätter LIX 1991–93, S. 99–238. So ist die Karlsbüste zum Beispiel auf Buchumschlägen nahezu omnipräsent, vgl. Dieter Hägermann, Karl der Große. Herrscher des Abendlandes, Berlin/München 2000; Max Kerner, Karl der Große. Entschleierung eines Mythos, Köln/Weimar/Wien 2001; Rosamond McKitterick, Karl der Große, Darmstadt 2008, usw. Michel Nr. 2088. Die Briefmarke hat einen Wert von 1,10 DM und ist in einer Auflage von 30 Millionen Stück erschienen. Genau dieselben Worte finden sich auf einer 10-DM-Gedenkmünze, die im selben Jahr erschienen ist. Auf dieser ist Karl der Große dargestellt, wie er kniend der Gottesmutter ein Modell des Aachener Domes übergibt. Die Aufschrift lautet „Urbs Aquensis, Urbs regalis“. Das spricht m. E. dafür, dass auch auf der Briefmarke nicht an die Kaiserkrönung erinnert werden soll. Vgl. Ulrike Heckner, Der Tempel Salomos in Aachen. Neues zur Baugeschichte der Marienkirche in Aachen, in: Frank Pohle (Hrsg.), Karl der Große / Charlemagne. Orte der Macht I, Dresden 2014, S. 354–363, besonders S. 354–356, sowie Alexander Markschies, Die Aachener Marienkirche und ihre Ausstattung (795–814), in: ebd. III, S. 95–107. Peter Nitzsche wurde 1938 in Rabenstein geboren, lebte zunächst in Leipzig und kam 1978 in die Bundesrepublik; seither arbeitet er in Hamburg. In den Jahren von 1993 bis 2002 hat er für die Deutsche Post 15 Briefmarken entworfen (Michel Nr. 1683, 1736, 1763, 1767, 1876, 1895, 1981, 2012, 2041, 2076, 2088, 2115, 2132, 2161, 2241).
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Welches Jubiläum auch immer im Jahre 2000 begangen wurde, fest steht, dass der Name Karls des Großen damals zum ersten Mal klar und deutlich auf einer bundesdeutschen Briefmarke erschien. Mittelalterliche Kaiser und überhaupt Monarchen waren ohnehin ein höchst seltenes Motiv, sieht man einmal von den preußischen Potentaten, dem „Großen“ Kurfürsten und dem ebenfalls „großen“ Friedrich ab.33 Auf der Briefmarke von 2000 wird nicht der imperiale, sondern der kirchliche, näherhin der katholische Karl in den Vordergrund gerückt. Dargestellt sind sein Reliquiar und der Grundriss derjenigen Kirche, in der es bis zum heutigen Tage liturgische Verwendung findet. Die Stadt Aachen erscheint dabei als das unbestrittene Zentrum dieses Kultes. Schon auf der ersten Briefmarke von 1979 geht es um eine Wallfahrt zu der Kirche Karls und zu einem Reliquienschatz, der auf den Karolinger zurückgeführt wird. Das Aachener Reliquiar des heiligen Kaisers wird darüber hinaus auch alleine dargestellt. Beim Bremer Jubiläum von 1987 geht es ebenfalls um die kirchliche Tradition; wie in Aachen wird hier Karl als Gründer der lokalen Kirche verehrt. Die kultische Verehrung Karls in Aachen hat eine lange Tradition, die letzten Endes bis in die Zeit seiner Heiligsprechung im 12. Jahrhundert reicht. Dass dieser „katholische Karl“ aber maßgeblich für die bundesdeutsche Sicht der Dinge wurde, hängt mit der Neuausrichtung der Politik im Nachkriegsdeutschland zusammen, das heißt der mit dem Namen Konrad Adenauers verbundenen Westintegration. Als Alternative zu den nationalen und nationalistischen Alleingängen der vorausgegangenen Jahrzehnte wurde eine multilaterale Bündnispolitik betrieben, die in der Europäischen Gemeinschaft (und zunächst: in ihren Vorgängerinstitutionen) mündete. Das Gebiet der Unterzeichnerstaaten der Römischen Verträge stimmte tatsächlich zu einem nicht unerheblichen Maße mit dem Reich Karls des Großen überein; unter anderem deshalb konnte die Bezugnahme auf den bekanntesten der Karolinger plausibel erscheinen.34
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In Deutschland wurde unter den mittelalterlichen Kaisern zuerst Friedrichs II. im Jahre 1994 anlässlich seines 800. Geburtstags explizit gedacht (Michel Nr. 1738), 2012 folgte dann eine Briefmarke zum 1 100. Geburtstag Ottos des Großen (Michel Nr. 2949). Friedrich Barbarossa – genauer der sogenannt Cappenberger Barbarossakopf – wurde auf einer Ausgabe des Jahres 1977 abgebildet, Thema ist jedoch die Stauferausstellung in Stuttgart (Michel Nr. 933). Karl IV. hat es schließlich 2006 auf ein Wertzeichen geschafft, das dem 650. Jubiläum der Goldenen Bulle gewidmet war (Michel Nr. 2516). – König Friedrich II. von Preußen wurde dagegen immer wieder abgebildet: auf Briefmarken des Deutschen Reiches 1926 (Michel Nr. 390: Köpfe berühmter Deutscher) und 1933 (Michel Nr. 479–481: Eröffnung des neuen Reichstages in Potsdam), der Bundesrepublik 1986 (Michel Nr. 1292: 200. Todestag) und 2012 (Michel Nr. 2906: 300. Geburtstag) sowie Berlins 1986 (Michel Nr. 764: 200. Todestag). Der Große Kurfürst war 1956, 1967 und 1988 auf Briefmarken Berlins (Michel Nr. 153, 304 und 813) sowie 1995 auf einer Briefmarke der Bundesrepublik (Michel Nr. 1781: 375 Todestag) zu sehen. Man kann also, was Monarchen auf deutschen Briefmarken betrifft, von einer massiven borussischen Dominanz sprechen. Vgl. Matthias Pape, Der Karlskult an Wendepunkten der neueren deutschen Geschichte, in: Historisches Jahrbuch CXX 2000, S. 138–181; Matthias Pape, Franke? Deutscher? oder Europäer? Karlsbild und Karlskult in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland, in: Jahrbuch für europäische Geschichte IV 2003, S. 243–258.
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Kristallisationspunkt dieser politisch-kirchlichen Karlsbezüge war die im Dreiländereck gelegene Stadt Aachen. Dort wurde und wird seit 1950 alljährlich der in der Öffentlichkeit viel beachtete Karlspreis vergeben,35 bereits in den ersten Jahren an Alcide De Gasperi, Konrad Adenauer und Robert Schumann – eine Trias, die auch schon etwas hämisch als „die Karolinger“ bezeichnet worden ist. Ernst gemeint war dagegen der Vorschlag des ersten Preisträgers, Richard von Coudenhove-Kalergi, die damals erst geplante Europäische Gemeinschaft „Union Charlemagne“ bzw. „Karls-Bund“ zu nennen.36 3. Frankreich oder Karls höchstpersönliche Schulvisitation Auch in Frankreich sind wiederholt Briefmarken zum Gedenken an Karl den Großen erschienen. Vergleicht man diese mit den entsprechenden Wertzeichen aus Deutschland, so findet man – vorsichtig ausgedrückt – nicht sehr viele Gemeinsamkeiten. Ein erstes Exemplar hat die französische Post im November 1966 herausgebracht. Darauf ist im Vordergrund und farblich abgehoben der Herrscher in prächtigem Ornat und mit einer Plattenkrone zu sehen, die von einem Kreuz überragt wird. Natürlich trägt er, der „empereur à la barbe fleuri“, einen gewaltigen Bart. Vor ihm steht, gerade einmal hüfthoch, ein Schüler, der ihm eine Schreibtafel entgegenhält. Hinter dem Kaiser sind unter einer romanischen Bogenarchitektur unzählige weitere Schüler zu erkennen, die gespannt die Szene beobachten.37 Diese Briefmarke illustriert eine Anekdote, die Notker von Sankt Gallen im ersten Buch seiner „Gesta Karoli Magni“ erzählt. Demnach ließ sich der Kaiser, als er nach längerer Zeit wieder nach Gallien kam, von den Knaben ihre Aufgaben – „epistolae et carmina“ – zeigen. Dabei stellte sich heraus, dass die Kinder aus mittleren und niedriger gestellten Familien gute, die Adligen hingegen schlechte Leistungen brachten. Karl 35
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Bezeichnend ist, wie so oft, auch hier das Zeremoniell, das kirchliche und politische Elemente in vielfältiger Weise miteinander verbindet. Es wird auch die Karlsbüste, wie sonst nur am Patrozinium des heiligen Kaisers, den Gläubigen zur Verehrung ausgestellt. – Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des Karlspreises gibt es noch nicht; es fehlt sogar eine kritische (und vollständige) Edition der oft programmatischen Reden. Vgl. Peter Segl, Karl der Große im Deutschen Bundestag, in: Das Mittelalter IV 1999, S. 75–94, besonders S. 79 (Union Charlemagne) und 89 (drei Karolinger). Über den ersten Karlspreis-Gewinner vgl. Christian Pernhorst, Das paneuropäische Verfassungsmodell des Grafen Richard N. Coudenhove-Kalergi, Baden-Baden 2008, zu seiner Idee eines Karls-Bundes S. 245–253; der Graf schreibt u. a.: „Noch ist diese Gruppe anonym, denn wir verwerfen die lächerlichen und künstlichen Namen wie ‚Finebela‘ oder ‚Afritalux‘. Um ihr einen würdigen Namen zu geben, rufen wir lieber die Erinnerung an Karl den Grossen wach, der Franzosen, Deutsche und Italiener zu einem einzigen Reich vereinigt hat und dadurch, nach der Völkerwanderung, den Grundstein gelegt hat zu unserem heutigen Europa: Französischer König, römischer Kaiser und germanischer Held“ (S. 248). Michel Nr. 1563. – Zur „Bartfrage“ vgl. Paul Edward Dutton, Charlemagne’s Mustache, in: Ders., Charlemagne’s Mustache and Other Cultural Clusters of a Dark Age, New York 2004, S. 3–42 und 201–209.
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nahm daraufhin nach dem Vorbild des ewigen Richters die Guten an seine Rechte, lobte sie und versprach ihnen, wenn sie sich weiterhin bemühten, in Zukunft Bistümer und Klöster; die Schlechten platzierte er dagegen zu seiner Linken, tadelte sie scharf und ließ sie wissen, dass sie bei solchem Verhalten nichts von ihm zu erwarten hätten.38 Notkers Karlsbuch ist, glaubt man dem Verfasser, in den 880er-Jahren auf Bitten Karls III. mit dem Beinamen der Dicke entstanden. Mit seiner anekdotischen Form der Geschichtsschreibung hat es das Bild Karls des Großen wie wenige andere geprägt. Historizität im engeren Sinn wird ihm schon lange nicht mehr zugeschrieben.39 Die Erzählung von Karls höchstpersönlicher Schulvisitation hat eine leicht zu erfassende Moral: die Fleißigen werden belohnt, die Faulen bestraft, und zwar unabhängig von ihrem sozialen Stand (wobei es beinahe den Anschein hat, als spreche Notker von drei Ständen). Und den Erfolg kontrolliert nicht etwa eine anonyme Behörde, vielmehr kümmert sich der Kaiser höchst selbst um Gerechtigkeit und Bildung. Die Geschichte von Karls Schulvisitation war ein beliebter Stoff namentlich im 19. Jahrhundert. Das gilt für Deutschland, wo etwa der Pfarrer und Dichter Karl Gerok die „Schulvisitation“ in oft zitierte Verse gegossen hat.40 Das gilt aber in noch viel höherem Maße für Frankreich. Dort wurde die Geschichte von den Grandes Chroniques bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in immer neuen Variationen erzählt. Und Karl der Große – Saint Charlemagne – wurde zum „patron des écoliers“.41 Wie stark die Episode in der französischen Alltagskultur verwurzelt war, lässt sich allein schon daran ablesen, dass 1964 die Pariser Schlagersängerin France Galle – damals eine 16-jährige Schülerin – mit dem Lied „Sacré Charlemagne“ ihren musikali-
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Vgl. Notkeri Balbuli Gesta Karoli Magni imperatoris, ed. Hans F. Haefele, MGH Scriptores rerum Germanicarum Nova Series XII, Berlin 1962, lib. I, cap. 3 (S. 4 f.). – Nach Notker handelt es sich um „pueri“, die Karl dem „Scotus“ Clemens anvertraut hatte. Vgl. zu diesem Philippe Depreux, Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux (781–840), Instrumenta I, Sigmaringen 1997, S. 155 f. Vgl. etwa Heinz Löwe, Das Karlsbuch Notkers von St. Gallen und sein zeitgeschichtlicher Hintergrund, in: Ders., Von Cassiodor zu Dante. Ausgewählte Aufsätze zur Geschichtsschreibung und politischen Ideenwelt des Mittelalters, Berlin / New York 1973, S. 123–148 (zuerst 1970); Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter III: Karolingische Biographie 750–920 n. Chr., Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters X, Stuttgart 1991, S. 388–415; Wilfried Hartmann, Das Bild Karls des Großen bei Notker, in: Franz Fuchs / Dorothea Klein (Hrsg.), Karlsbilder in Kunst, Literatur und Wissenschaft, Rezeptionskulturen in Literatur- und Mediengeschichte I, Würzburg 2015, S. 15–28. Vgl. Karl Gerok, Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt, in: Ders., Blumen und Sterne, Stuttgart/ Leipzig 1868, S. 127–129; es folgen sieben weitere Gedichte über Karl den Großen aus derselben Zeit (S. 130–150); dediziert sind sie „Deutscher Jugend zu Lust und Lehr“ (S. 127). Über den Verfasser, der 1815 in Vaihingen a. d. Enz geboren wurde und 1890 in Stuttgart starb, s. Walter P. H. Scheffler, Art. Gerok, Karl Friedrich v., in: Neue Deutsche Biographie VI, Berlin 1964, S. 314–315. Vgl. die Hinweise bei R. Morrissey, Charlemagne and France (wie Anm. 2), S. 94 (Grandes Chroniques) und S. 298–299 mit Tf. 22–23 (Dritte Republik); I. Durand-Le Guern / B. Ribémont, Charlemagne (wie Anm. 2), S. 293–295 (mit Beispielen von 1917, 1922 und 1969).
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schen Durchbruch feiern konnte. Es beginnt mit den Zeilen: „Qui a eu cette idée folle, / Un jour d’inventer l’école? / C’est ce sacré Charlemagne / Sacré Charlemagne …”.42 Die hier interessierende Briefmarke illustriert nun allerdings nicht ein Beispiel ironisch-launiger Unterhaltungskultur, sondern ist Teil einer über Jahre hin erscheinenden Serie, die in 24 Etappen einen Überblick über die Geschichte Frankreichs von den Anfängen bis ins Jahr 1806 bietet. Für die Antike und das Mittelalter sind dies die folgenden elf Personen und Ereignisse: Vercingetorix (reitet auf Alesia zu), Chlodwig (wird vom Hl. Remigius getauft), Karl der Große (visitiert eine Schule), Hugo Capet (wird zum König von Frankreich erhoben), Philipp Augustus (Schlacht bei Bouvines 1214), Ludwig der Heilige (auf dem Thron sitzend), Philipp der Schöne (Generalstände von 1302), Bertrand du Guesclin (stirbt im Jahre 1380), Jeanne d’Arc (Aufbruch von Vaucouleurs 1429), Ludwig XI. und Karl der Kühne (ohne bestimmtes Ereignis), Bayard (Belagerung von Brescia 1512).43 In dieser stattlichen Reihe ist nur die Schulvisitation Karls des Großen ein ahistorisches Ereignis. Die französische Geschichtswissenschaft des 20. Jahrhunderts hat mit der Annales-Schule eine neue Forschungstradition begründet, die Strukturen und Mentalitäten, jedenfalls Phänomene der „longue durée“ in das Zentrum des Interesses stellt.44 Daneben kam aber nach wie vor die national grundierte Ereignisgeschichte zu ihrem Recht, wie etwa die sehr erfolgreiche Reihe „Trente journée qui ont fait la France“ zeigt.45 Und die Nachfrage scheint noch immer ungebrochen. Nur so lässt es sich erklären, dass bei der Französischen Post seit 2012 eine Reihe erscheint, die den Titel „Les grandes heures de l’histoire de France“ trägt: alljährlich zwei Briefmarken, die jeweils in einen Block integriert sind. Die Reihe beginnt mit der Heiligen Genoveva und König Chlodwig und folgt im Großen und Ganzen der Chronologie.46
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France Gall, eigentlich Isabelle Gall, wurde 1947 geboren und verstarb im Jahre 2018. Der Text des hier interessierenden Liedes stammt von ihrem Vater, Robert Gall, die Musik von Georges Liferman. Michel Nr. 1560–1562, 1604–1606, 1644–1646 und 1688–1689. – Es folgen 13 neuzeitliche Motive bis zum Beginn der Industrialisierung 1806. Die 24 Briefmarken sind, je drei pro Jahr, von 1966 bis 1973 erschienen. Über die französische Geschichtsschreibung vgl. Otto Gerhard Oexle, Was deutsche Mediävisten an der französischen Mittelalterforschung interessieren muß, in: Michael Borgolte (Hrsg.), Mittelalterforschung nach der Wende 1989, Historische Zeitschrift NF XX, München 1995, S. 89–127; Peter Schöttler, Die „Annales“-Historiker und die deutsche Geschichtswissenschaft, Tübingen 2015. Die Bände sind in den 1960er-Jahren erschienen. Thematisch reichen sie von der Taufe Chlodwigs bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges; Karl der Große ist mit dem 25. Dezember 800 vertreten. Dabei kommt es auch zu sehr bemerkenswerten Überschneidungen. So hat etwa Georges Duby, ein wichtiger Vertreter der Annales-Schule, einen Band über den „27 juillet 1214 – Le Dimanche de Bouvines“ beigesteuert. Bisher abgebildet wurden im Jahre 2012: die Heilige Genoveva (vor Paris um 480) und Chlodwig (in der Schlacht von Vouillé 507), 2013: die Einnahme der Burg Tournoël (1212) und die Schlacht bei Muret (1213), 2014: Ludwig der Heilige (lebte 1214–1270) und die Schlacht von Bouvines (1214),
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Der Block vom Jahre 2015 widmet sich Karl dem Großen und präsentiert die Briefmarken unter einer stilisierten Bogenarchitektur, die offensichtlich an karolingische Buchmalerei angelehnt ist. Das erste Wertzeichen ist der Übernahme der Alleinherrschaft 768 in Noyon gewidmet und zeigt den König in vollem Ornat auf einem stattlichen Thron; hinter ihm stehen zwei tonsurierte Kleriker, einer davon mit einem Krummstab in der Hand. Verwunderlich ist nur, dass der damals etwa zwanzigjährige Herrscher mit einem gewaltigen Bart dargestellt ist – höchst wahrscheinlich eine Reverenz an den „roi à la barbe fleurie“. Das zweite Wertzeichen trägt die Aufschrift „Charlemagne et l’école – 789“. Der Kaiser steht, dieses Mal ohne Krone, in einem kirchlichen Gebäude, neben ihm, ebenfalls stehend, drei Männer, die wahrscheinlich als Lehrer zu deuten sind. Vor diesen sitzen fünf Knaben, die schreiben bzw. in Büchern lesen; einem dieser Knaben, der eine geometrische Zeichnung vorzeigt, legt der König die Hand väterlich-huldvoll auf den Kopf. Was ist mit dieser Darstellung gemeint? Die Jahreszahl verweist auf die sogenannte „Admonitio generalis“, das heißt ein umfangreiches Kapitular, in dem auch die Forderung steht, „ut scholae legentium puerorum fiant“47 – eine Formulierung, die bisweilen als Gründungsdatum der Schule (miss-)verstanden worden ist.48 Dass Karl der Große inmitten der Schülerschar abgebildet wird, lässt sich mit der „Admonitio generalis“ allerdings nicht erklären. Hier steht offenbar noch immer die Episode des Notker von Sankt Gallen im Hintergrund, das heißt die Vorstellung, dass es sich der Kaiser nicht nehmen ließ, die von ihm eingerichtete Schule höchstpersönlich zu visitieren.49 4. Italien oder der römische Karl Die Vorgabe der Conférence Européenne des Administration des Postes et des Télécommunications (CEPT) für die Europamarken des Jahres 1982 lautete: historische
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2015: Karl der Große (s. unten), 2016: Caterina de’ Medici, Königin von Frankreich (gekrönt am 10. Juni 1549) und das Feld des Güldenen Tuches (Königstreffen am 7. Juni 1520), 2017: Anne de France oder de Beaujeu (lebte um 1471–1522) und der Vertrag von Picquigny (abgeschlossen am 29. August 1475), 2018: der Pyrenäenfrieden (abgeschlossen 1659) und Maria Theresia von Spanien (lebte 1638–1683). Es fällt also nur Karl der Große aus der chronologischen Ordnung heraus; allerdings kommt er nicht im 1 200. Todesjahr auf eine Marke, sondern genau ein Jahr danach. Die Entwürfe stammen von Louis Boursier (geb. 1974), einem Schüler von Gérard Desquand. Die Admonitio generalis Karls des Großen, edd. Hubert Mordek / Klaus Zechiel-Eckes / Michael Glatthaar, MGH Fontes iuris Germanici antiqui XVI, Hannover 2012, S. 224. Zum Forschungsstand über Karl und die Schule vgl. W. Hartmann, Karl der Große (wie Anm. 1), S. 177–195 und 287–289. Die Darstellung erinnert ein wenig an das Ölgemälde von Karl von Blaas aus dem Jahre 1855 mit dem Titel „Karl tadelt die nachlässigen Schüler“ (Wien, Belvedere). Auch hier sind die Lehrer im Hintergrund dargestellt, auch hier legt der Kaiser einem Schüler seine Hand auf den Kopf.
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Ereignisse. Die Italienische Post wählte dafür zwei stadtrömische Motive von gesamteuropäischer Bedeutung aus: die Kaiserkrönung Karls des Großen und die Unterzeichnung der Römischen Verträge.50 Die erste Briefmarke zeigt die Krönungszeremonie in der Peterskirche, so wie sie Raffael in der Stanza dell’incendio di Borgo, unweit vom historischen Ort, in den Jahren 1516/17 gemalt hat. Rechts im Hintergrund ist auf einem hohen Thron und mit reich geschmückter Mitra Papst Leo III. zu sehen, der gerade dem barhäuptig vor ihm knienden Karl die Kaiserkrone aufsetzt. Auf beiden Seiten stehen mehrere Geistliche, die dem Papst assistieren. Hinter dem Herrscher ist ein Knabe zu erkennen, der die bisher von Karl genutzte Königskrone in Händen hält. Er illustriert besonders deutlich den Übergang von der einen Würde zur anderen.51 Die Aufschrift auf dieser 200-Lire-Briefmarke lautet: „Carlo Magno incoronato a Roma natale 799“. Warum das wahrscheinlich bekannteste Datum der mittelalterlichen Geschichte hier falsch angegeben ist – die mittelalterlichen Annalen rechnen es, dem Nativitätsstil folgend, meist sogar schon zum Jahr 801 – bleibt schlicht unerfindlich.52 Auf der zweiten Briefmarke mit dem Wert von 450 Lire wird der Römischen Verträge gedacht. Zwölf gelbe Sterne stehen für die zwölf Unterzeichnerstaaten, die jeweils durch die Unterschrift ihres Repräsentanten zugegen sind (Spaak, Adenauer, Pineau, Segni usw.). Beigefügt ist auch hier eine Erklärung samt Datierung: „Trattati di Roma 24 – III – 1957“. Wieder ist die Zeitangabe falsch. In Wirklichkeit wurde das grundlegende Dokument am 25. März 1957 paraphiert. Die von Maria Maddalena Tuccelli entworfenen Postwertzeichen53 stellen also einen Bezug her von Karl dem Großen und dem ausgehenden 8. Jahrhundert zur modernen Europaidee – eine Lesart, die in den 80er-Jahren durchaus konsensfähig war (und es zum Teil immer noch ist). Das Besondere daran ist allerdings die römische Komponente: Mit ihr wird die Bedeutung der italienischen Kapitale für die Begründung von übernationalen Staatsgefügen – im Mittelalter wie in der Neuzeit – mit großem Nachdruck betont.
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Michel Nr. 1798–1799. Zur Vorlage vgl. Antonio Paolucci / Alessandra Rodolfo, Raphael or „Complete Perfection“, Vatikanstadt 2015, Werkverzeichnis Nr. 72c (S. 389) und Abb. 165–168; Chrisoph Luitpold Frommel, Raffael. Die Stanzen im Vatikan, Stuttgart 2017, S. 60–63 und 196 f. Zur Kaiserkrönung in Rom und besonders zu den divergierenden Berichten darüber vgl. Janet Nelson, Warum es so viele Versionen von der Kaiserkrönung Karls des Großen gibt, in: Bernhard Jussen (Hrsg.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, S. 38–54. Maria Maddalena Tuccelli wurde 1951 in Gaeta geboren; sie ist Absolventin der Scuola dell’Arte della Medaglia in Rom, an der sie später dann selbst lehrte. Tuccelli hat zahlreiche Briefmarken für die Italienische und die Vatikanische Post entworfen.
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5. Vatikanstadt oder Karl als Freund der Kirche Karls 1 200. Todestag war zwar Anlass für zahlreiche mehr oder weniger lesenswerte Biographien; aber nur im kleinsten Staat der Erde wurde der erste fränkische Kaiser mit Briefmarken geehrt – dafür allerdings gleich mit zwei. Die Entwürfe gehen auf den römischen Graphiker Patrizio Daniele zurück.54 Die Briefmarke zu 85 Cent zeigt im Vordergrund das überlebensgroße Reiterstandbild Karls des Großen, das Agostino Cornacchini 1725 für die Portikus von Sankt Peter geschaffen hat.55 Im Hintergrund sind die Fassaden der Kirchen von Fulda (links) und von Saint-Denis (rechts) zu sehen – allerdings nicht so, wie man sie sich im 9. Jahrhundert vorstellen muss, sondern so, wie man sie heute kennt.56 Ganz ähnlichen Gestaltungsprinzipien folgt auch die Briefmarke zu 1,90 Euro: Im Vordergrund ist wieder Karl der Große dargestellt; dieses Mal jedoch nicht in antiker Manier, sondern „mittelalterlich“ mit Mantel, Krone, Reichsapfel und Zepter; eine direkte historische Vorlage gibt es dafür nicht. Hinter dem Kaiser wird erneut eine Kirche sichtbar; in diesem Falle ist es der (gotisch überformte) Aachener Mariendom, einst hervorgegangen aus der Pfalzkapelle Karls des Großen. Gerade aufgrund der auffälligen Doppelung der bildlichen Motive wird die Aussageabsicht – so kann man resümieren – überdeutlich. Durch die Darstellung Karls des Großen vor bedeutenden Kirchen des Frankenreichs soll der Kaiser hier, wenn nicht als frommer Herrscher, so doch als „amator ecclesiae“ präsentiert werden. 6. Kroatien oder auf dem Pferderücken in die Europäische Union Als erstes Land – und das heißt: schon lange vor Frankreich – hat die Republik Kroatien Karl dem Großen einen Briefmarkenblock gewidmet. Es handelt sich dabei um ein ganz besonderes (und sehr bedenkliches) Zeugnis moderner Geschichtspolitik, das aus dem Jahre 2001 stammt.57
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Michel Nr. 1807–1808. – Patrizio Daniele wurde 1984 in Rom geboren; er ist ebenfalls Absolvent der Scuola dell’Arte della Medaglia in Rom. Über den Bildhauer, der 1686 in Pescia geboren wurde, in Florenz aufgewachsen ist und 1754 in Rom starb, vgl. Robert Engass, Art. Cornacchini, Agostino, in: Dizionario biografico degli Italiani XXIX, Rom 1983, S. 100–104; zur Karlsstatue S. 102. Die Statue ist sehr stark vom Reiterstandbild des Mark Aurel auf dem Kapitol beeinflusst. Fulda und St-Denis waren tatsächlich die von Karl dem Großen am stärksten geförderten kirchlichen Institutionen, vgl. Friedrich Prinz, Schenkungen und Privilegien Karls des Großen, in: Wolfgang Braunfels / Helmut Beumann (Hrsg.), Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben I: Persönlichkeit und Geschichte, Düsseldorf 1965, S. 488 (mit Karte). Vgl. Michel Nr. 564 (Block 18).
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Das große Format wurde nicht zuletzt deshalb gewählt, um all die erforderlichen Informationen unterzubringen. Der Name des Kaisers ist auf Lateinisch („Carolus Magnus“) ebenso wie auf Kroatisch („Karlo Veliki“) genannt, außerdem die Signumzeile seiner Urkunden mit dem Herrscher-Monogramm in der Art eines Faksimiles. Als Karls Lebenszeit wird „742–814“ angegeben; das entspricht einem schon damals veralteten Forschungsstand.58 Karl der Große wird – nun auf der Briefmarke selbst – mit der Schaffung Europas („Stvaranje Europe“) in Zusammenhang gebracht. Damit soll offenbar an den „pater Europae“ erinnert werden, eine Formulierung des anonymen Karlsepos, die in ihrer konkreten Bedeutung jedoch schwer zu fassen ist. Fest steht jedenfalls, dass es sich nicht um den modernen Europa-Begriff handelt.59 Der Kaiser selbst wird als gekrönter Reiter hoch zu Ross abgebildet mit einer Kugel in seiner linken Hand. Dieser Darstellung liegt die heute im Louvre ausgestellte Reiterstatuette zugrunde, die jedoch ursprünglich aus der Metzer Kathedrale stammt. Reichsäpfel sind sonst erst ab Karl dem Kahlen auf Herrscherbildern bezeugt, so dass auch hier alles für eine Wiedergabe des Enkels und nicht des gleichnamigen Großvaters spricht.60 Verblüffend und verstörend zugleich ist aber vor allem die Europa-Karte, die den kroatischen Briefmarkenblock optisch dominiert. Das Reich Karls des Großen erscheint darin in bräunlich-goldener Farbe, was nicht zu diesem gehört, bleibt weiß. Die Grenzen sind durchaus sorgfältig gezogen, wie sich zum Beispiel in den Spanischen Marken und in Mittelitalien sehr gut ablesen lässt. Umso erstaunlicher ist, dass auch Kroatien diesem Reich Karls des Großen zugerechnet wird und zwar bis auf eine Höhe irgendwo zwischen Zadar und Split. Und um keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, wird dieses Gebiet mit „Croatae“ (Siedlungsgebiet der Kroaten) beschriftet.61 Für diese Zugehörigkeit Kroatiens zum Reich Karls des Großen gibt es allerdings nicht die geringsten Belege. Auf historisch zuverlässigen Karten liegen die fraglichen Gebiete folglich außerhalb des Frankenreichs und der von Karl hinzugewonnenen
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Zur Diskussion resümierend W. Hartmann, Karl der Große (wie Anm. 1), S. 39–41, der sich selbst für den 2. April 748 als Geburtsdatum ausspricht. Zur Problematik vgl. zuletzt Janet Nelson, Pater Europae? Karl der Große und Europa, in: Frank Pohle (Hrsg.), Karl der Große – Charlemagne. Macht, Kunst, Schätze, Dresden 2014, S. 432–441. Vgl. Achim Th. Hack, Karl der Große hoch zu Ross. Zur Geschichte einer (historisch falschen) Bildtradition, in: Francia XXXV 2008, S. 349–380 (mit 4 Tafeln). Außerdem ist die Heilig-Kreuz-Kirche von Nin (unweit von Zadar) dargestellt. Ihr genaues Alter ist strittig, in die Zeit Karls des Großen gehört sie aber auf keinen Fall.
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Territorien.62 Auch kommt die Bezeichnung „Croatae“ in den Texten aus der Zeit des ersten fränkischen Kaisers – und überhaupt im 9. Jahrhundert – nirgends vor.63 Wie kommt es zu dieser besonders offensichtlichen Geschichtsklitterung? Das hängt höchstwahrscheinlich mit der Politik dieser Tage zusammen. Kroatien bemühte sich spätestens seit dem Ende des Balkankriegs um einen Beitritt zur Europäischen Union und unterzeichnete just im Jahr 2001 das entscheidende Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen.64 In diesem Kontext muss es den Verantwortlichen opportun erschienen sein, die politischen Ambitionen auch historisch zu untermauern – und sei es gegen den wissenschaftlich abgesicherten Befund. 7. Andorra oder die letzte Tochter des karolingischen Reichs Der kleine Pyrenäenstaat Andorra wird seit eh und je von zwei benachbarten Postverwaltungen versorgt: der französischen und der spanischen. Beide bringen seit den späten 20er- bzw. frühen 30er-Jahren eigene Briefmarken heraus, zuerst mit Überdrucken, dann eigens entworfene Wertzeichen. Anders als viele andere Kleinstaaten begnügt sich Andorra fast ausschließlich mit einheimischen Motiven.65 Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Karl der Große gleich drei- bzw. viermal auf andorranischen Briefmarken erscheint. Die erste dieser Briefmarken stammt aus dem Jahre 1963 und trägt die Aufschrift „Charlemagne traversant l’Andorre“. Zu sehen ist ein riesiges militärisches Aufgebot, vorneweg der Kaiser mit Krone und Schwert auf einem imposanten Pferd, hinter ihm viele weitere, schwer gewappnete Reiter, die wehende Fahnen in Händen tragen. In gehörigem Abstand sind die voraneilenden Fußkrieger dargestellt, deren Zahl unüberschaubar ist. Im Hintergrund werden umrisshaft die Berge Andorras sichtbar.66
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Vgl. z. B. die Karten „Das Reich Karls des Großen um 800 n. Chr.“ in: W. Hartmann, Karl der Große (wie Anm. 1), S. 218 sowie „Das Frankenreich im Jahre 768 und die Erwerbungen unter Karl dem Großen bis 814“ bei: Rudolf Schieffer, Karl der Große, † 814, in: Frank Pohle (Hrsg.), Karl der Große – Charlemagne. Macht, Kunst, Schätze, Dresden 2014, S. 22–29, hier S. 26. Über das Verhältnis zu den Slawen vgl. Manfred Hellmann, Karl und die slawische Welt zwischen Ostsee und Böhmerwald, in: Wolfgang Braunfels / Helmut Beumann (Hrsg.), Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben I: Persönlichkeit und Geschichte, Düsseldorf 1965, S. 708– 718. – Im Rahmen der kroatischen Geschichte Ludwig Steindorff, Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 2001, S. 29–31; Branka Magaš, Croatia through History. The Making of a European State, London / San Francisco / Beirut 2007, S. 31–37. 2004 wurde Kroatien dann offiziell Beitrittskandidat, die Aufnahme erfolgte schließlich im Jahre 2013. Briefmarken der spanischen Post erscheinen seit 1928; bis Ende 2016 waren es 446 Michel-Nummern; die französische Post bringt seit 1931 andorranische Marken heraus, bis Ende 2016 sind im Michel-Katalog 812 Nummern verzeichnet. Michel Nr. 180.
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Zu derselben Serie gehört noch eine zweite Briefmarke mit dem Titel „Fondation d’Andorre par Louis le Debonnaire“. Ludwig der Fromme steht aufrecht im vollen Ornat und hält eine entrollte Urkunde mit abhängendem Siegel in Händen. Diese reicht er huldvoll einer Person in andorranischer Tracht, die direkt vor ihm kniet. Dahinter sind wieder unzählige fränkische Krieger zu erkennen, außerdem öffnet sich ein weiter Blick ins bergreiche Land.67 Die Entstehung Andorras vollzieht sich demnach in zwei Etappen: Während Karl der Große das Land nur durchquerte, stellt ihm sein Sohn das feierliche Gründungsdiplom aus. Die Europamarken von 1980 zum Thema „Bedeutende Persönlichkeiten“ boten den Anlass für eine erneute Würdigung Karls des Großen. Dieses Mal wird nur ein kleiner Ausschnitt des Kaisers gezeigt: sein zur Seite geneigtes Haupt. Das Gesicht ist von einer gewaltigen Haar- und Barttracht eingerahmt und wird von einer mit Lilien geschmückten Plattenkrone überragt. Auf der zweiten Briefmarke ist Napoleon Bonaparte dargestellt.68 Im Jahre 2001 lautet das Thema laut Aufschrift: „La Fundació di Andorra“. Zu sehen ist unter einer Bogenarchitektur Karl der Große mit der Krone auf dem Haupt, wie er auf einem Thron sitzend sechs Personen zum Handgang empfängt. Die Identität des Herrschers wird durch das über ihm angebrachte Monogramm sichergestellt.69 Die Briefmarke von 2001 hat einen Wert von 3 Französischen Francs oder 46 EuroCent. Sie wird im folgenden Jahr durch ein genau identisches Exemplar, allerdings im Wert von einem Euro abgelöst.70 Wie sind die historischen Aussagen auf den Briefmarken zu beurteilen? Die Antwort ist einfach: Anders als es die lokale Tradition darstellt, besuchte Karl der Große niemals die Täler von Andorra. Zwar überquerte er auf seinem einzigen Spanienfeldzug im Jahre 778 die Pyrenäen in beide Richtungen (und zwar mit einem stattlichen Heer), dabei nahm er allerdings die Route über den Pass von Roncevalles und berührte somit Andorra nicht.71 Dasselbe gilt für seinen Sohn und Nachfolger, Ludwig den Frommen. Aufgrund seiner Geographie ist Andorra – im Übrigen bis zum heutigen Tage – kein typisches Transitgebiet. Die Karlstradition ist in Andorra nicht zuletzt deshalb so stark präsent, weil sie geradezu offiziell festgeschrieben ist. So lautet die vom Bischof von Urgell, Joan Ben-
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Michel Nr. 181. Michel Nr. 305 und 306. – Napoleon restituierte 1806 die althergebrachte Doppelherrschaft in Andorra, die die Republik 1793 verweigert hatte. Michel Nr. 565. Michel Nr. 583. Zu den Vorgängen vgl. Achim Th. Hack, Karl der Große, Hadrian I. und die Muslime in Spanien. Weshalb man einen Krieg führt und wie man ihn legitimiert, in: Wilfried Hartmann / Klaus Herbers (Hrsg.), Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter. FS Harald Zimmermann zum 80. Geburtstag, Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters XXVIII, Köln/Weimar/Wien 2008, S. 29–54.
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lloch i Vivo, verfasste Nationalhymne („El Gran Carlemany“) in deutscher Übersetzung: „Der große Karl der Große, mein Vater, befreite mich von den Arabern, / Und vom Himmel gab er mir das Leben von Meritxell, der großen Mutter. / Ich wurde als Fürstin geboren, als Jungfrau, neutral zwischen zwei Nationen. / Ich bin die einzig übriggebliebene Tochter des karolingischen Reiches. / Glaubend und frei über elf Jahrhunderte, glaubend und frei werde ich bleiben. / Die Gesetze des Landes seien meine Begleiter, und meine Verteidiger seien Fürsten! / Und meine Verteidiger seien Fürsten!“72 Der Text knüpft an eine mittelalterliche Überlieferung an, die in Karl dem Großen vor allem einen Kreuzfahrer sieht. Sie hat in der Chanson de Roland und im Rolandslied des Pfaffen Konrad ihren berühmtesten Ausdruck gefunden. Einzigartig ist nicht nur die Verbindung mit einem lokalen Marienkult – dem der Madonna von Meritxell73 –, sondern die Aussage, dass sich Andorra als Nachfolgerin des Karolingerreichs versteht und zwar als die einzige und die letzte. Der Verbindung zwischen Andorra und Karl dem Großen lässt sich bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals wurde eine heute in Urgell aufbewahrte Urkunde gefälscht, wonach der Kaiser und sein Sohn, Ludwig der Fromme, „den im Thal von Andorra bei Toulouse angesiedelten Leuten“ Besitz und verschiedene Rechte (Wahl des Grafen, Zinsfreiheit, Gerichtsbarkeit) übertragen hätten.74 Die Urkunde selbst wurde höchst wahrscheinlich nur von einem sehr begrenzten Personenkreis gelesen. Eine viel größere Reichweite hatten dagegen die Werke der Historiographie. Unter den Darstellungen der andorranischen Geschichte ragt der „Manual Digest de la Valls neutras de Andorra“ heraus, den der Jurist und bischöfliche Vogt Antoni Fiter i Rossell im Jahre 1748 verfasst hat. Darin wird auch die Gründungs-
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Der Text lautet in der Landessprache Katalanisch: „El gran Carlemany, mon Pare, dels àrabs em deslliurà, / I del cel vida em donà de Meritxell la gran Mare. / Princesa nasquí i Pubilla entre dues nacions neutral; / Sols resto l’única filla de l’imperi Carlemany. / Creient i lliure onze segles, creient i lliure vull ser. / Siguin els furs mos tutors i mos Prínceps defensors! / I mos Prínceps defensors!” – Joan Benlloch i Vivo lebte von 1864 bis 1926. Er war von 1907 bis 1919 Bischof von Urgell und dann bis zu seinem Tod Erzbischof von Burgos. Die Musik geht auf Enric Marfany Bons zurück. Diese Hymne ist seit dem 2. April 1917 in Gebrauch. Vgl. Ulrich Ragozat, Die Nationalhymnen der Welt. Ein kulturgeschichtliches Lexikon, Freiburg i. Br. / Basel / Wien 1982, S. 25. Der Tag der Madonna von Meritxell (Nossa Senhora de Meritxell), der 8. September, ist in Andorra seit den 20er-Jahren Nationalfeiertag. Das Marienbild ist wiederholt auf andorranischen Briefmarken abgebildet, so zum Beispiel im Jahre 1964 sowohl auf einem Wertzeichen der spanischen (Michel Nr. 66) als auch auf einem der französischen Post (Michel Nr. 190). Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen, ed. Engelbert Mühlbacher, MGH Die Urkunden der Karolinger I, Hannover 1906, Nr. 307 (S. 463 f.). Das Zitat stammt aus dem Kopfregest. Auf diese Urkunde hat bereits Nikolaus Jaspert, Karolingische Legitimation und Karlsverehrung in Katalonien, in: Klaus Herbers (Hrsg.), Jakobus und Karl der Große. Von Einhards Karlsvita zum Pseudo-Turpin, Jakobus-Studien XIV, Tübingen 2003, S. 121–159, hier S. 158 f., kurz hingewiesen.
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geschichte des Pyrenäenstaates ausführlich erörtert und die Legende von Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen in die klassische Form gebracht.75 8. Resümee Karl der Große hat es – so kann man resümieren – auf nicht weniger als siebzehn Briefmarken geschafft, die aus sechs Ländern stammen. Damit zählt er zu einer vergleichsweise kleinen Gruppe von historischen Personen, die von mehr als einer Nation gefeiert werden. Dieses Phänomen des grenzüberschreitenden Gedenkens (auf Briefmarken, aber auch in anderen Medien) würde sicherlich eine eingehende vergleichende Untersuchung verdienen.76 Auf der anderen Seite fällt jedoch ebenso auf, dass man Karl nicht in allen Ländern gedachte, über deren Territorium er einstmals (zumindest zum Teil) geherrscht hatte. Das gilt für Belgien, Luxemburg und die Niederlande, für Spanien, Österreich und die Schweiz. Im innerdeutschen Vergleich verdient Beachtung, dass der berühmte Karolinger niemals auf eine Briefmarke der DDR oder aber auch West-Berlins gekommen ist. Die Karlsbilder, die in den unterschiedlichen Ländern gezeichnet werden, unterscheiden sich in einem erstaunlich hohen Maße. Deutschland würdigt den katholischen (Aachener), Italien den römischen Karl, Frankreich sieht in ihm den Erfinder der Schule, der Vatikan einen Freund der Kirche, das kleine Andorra versteht sich als die letzte Tochter des karolingischen Reichs und Kroatien macht mit seiner Hilfe europäische Ansprüche geltend. Wenn Karl jemals den Titel eines „pater Europae“ zu Recht und im modernen Sinne getragen hat, dann im 20. und frühen 21. Jahrhundert.
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Vgl. Antoni Fiter i Rossell, Manual Digest de la Valls neutras de Andorra, en lo qual se tracta de sa Antiquitat, Govern y Religio, de sos Privilegis, Usos, Preheminencias y Prerogativas (1748), Faksimile mit Transkription von Lídia Armengol Vila und einer Einleitung von Josep Maria de Porcioles Colmer, Andorra La Vella 1987, zu Karl und Ludwig S. 26–32 und 36. Der Verfasser wurde 1706 im andorranischen Ordino geboren und starb 1748 in Barcelona. Die Französische Post (Andorra) hat ihm 1944 sogar eine Briefmarke gewidmet (Michel Nr. 134 usw.). – Eine gekürzte Fassung hat 1763 der Kleriker Antoni Puig unter dem Titel „Politar Andorrà“ vorgelegt. Sie war mir leider nicht zugänglich. Für das Mittelalter würde sich etwa der Florentiner Dante Alighieri (1265–1321) anbieten. Ihm wurden in zahlreichen Ländern Europas Briefmarken gewidmet, so in der DDR 1965 (Michel Nr. 1097) und der BRD 1971 (Michel Nr. 693), in Malta 1965 (drei Werte: Michel Nr. 320–322), Vatikanstadt 1965 (vier Werte: Michel Nr. 477–480), San Marino 1965 (vier Werte: Michel Nr. 845– 848), in Rumänien 1965 (Michel Nr. 2401), der Sowjetunion 1965 (Michel Nr. 3014), Monaco 1966 (fünf Werte: Michel Nr. 818–822) und 2015 (Nr. 3232) und in Andorra, Spanische Post (2018), aber ebenso auch in Übersee wie etwa in den Vereinigten Staaten (1965), Panama (1965), Guatemala (1965) usw. Am frühesten und am häufigsten zeigen ihn verständlicherweise italienische Postwertzeichen, so 1921 (drei Werte: Michel Nr. 141–143), 1932 (Nr. 384), 1933 (Nr. 437), 1938 (Nr. 606), 1965 (vier Werte: Nr. 1188–1191), 1972 (drei Werte: Nr. 1377–1379) und 1990 (Nr. 2153). – Unter den neuzeitlichen Persönlichkeiten dürfte Karl Marx am häufigsten abgebildet sein.
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Für ihre jeweiligen Karlsbilder greifen die einzelnen Nationen auf Traditionen zurück, die stark voneinander divergieren und beinahe immer weit unter dem Anspruchsniveau der modernen historischen Forschung liegen. In Frankreich bezieht man sich auf unterhaltsam-moralische Klostergeschichten, in Deutschland auf den Aachener Heiligenkult, der von keinem geringeren als Barbarossa begründet worden ist; Andorra schneidet sich das Rolandslied nach den eigenen Bedürfnissen zurecht und Kroatien schreckt noch nicht einmal vor einer Manipulation der historischen Landkarte zurück. Ein italienischer Satz bringt die Kaiserkrönung in Rom mit den Römischen Verträgen in Beziehung und datiert das frühere Ereignis auf den Weihnachtstag 799. Was chronologische Unstimmigkeiten betrifft, wäre auch über andere Marken – etwa die deutsche vom Jahre 2000 – einiges hinzuzufügen. In eine Reihe großer Männer bzw. großer Ereignisse wird Karl nicht nur in Italien eingereiht. Am wenigsten gebrochen scheint diese Tradition in Frankreich zu sein, wo ein volkstümlicher Charlemagne zuerst unter die „Großen Namen aus der französischen Geschichte“ (1966) und dann unter die „Sternstunden der französischen Geschichte“ (2015) eingereiht wird. In Andorra ist die Reihe der berühmten Personen zwar wesentlich kürzer, aber nicht weniger imposant: Karl der Große und Napoleon Bonaparte. Auf der ersten Briefmarke vom Jahre 1947 wird der Kaiser unter die „Großen Persönlichkeiten und Ansichten aus Rheinland-Pfalz“ eingeordnet – ein Umstand, der vor allem die vielfältige Einsetzbarkeit des Karolingers beweist. Wie stellt man Karl den Großen auf Briefmarken dar? Etwa durch eigene (also moderne) Abbildungen, wie sie vor allem in Frankreich und Andorra üblich sind. Oder indem man auf ältere Bildnisse zurückgreift, die allerdings allesamt Jahrhunderte nach dem Tod des Herrschers geschaffen worden sind: die Darstellung am stauferzeitlichen Karlsschrein, das Kopfreliquiar in Aachen, das stark an antike Vorbilder angelehnte Reiterstandbild Agostino Cornacchinis oder ein Gemälde Raffaels (und seiner Werkstatt) in den Stanzen sowie das Bild des Bartholomäus Bruyn im Bremer Rathaus. Ausgerechnet die älteste Vorlage, die bronzene Reiterstatuette aus dem Louvre, ist problematisch und mehr als dies: Sie stellt Karls gleichnamigen Enkel mit dem Beinamen „der Kahle“ dar. Abgesehen davon kann Karl auch durch seinen Schriftzug bzw. sein Monogramm vertreten sein. Dass der erste fränkische Kaiser als „der Große“ zu bezeichnen ist, scheint nirgendwo strittig, ob er nun italienisch „Carlo Magno“, kroatisch „Karolo Veliki“, französisch „Charlemagne“, katalanisch „Carlemany“ oder eben deutsch „Karl der Große“ heißt. Besondere Beachtung verdient die lateinische Form, die auf den rheinland-pfälzischen Briefmarken verwendet wird, denn mit „Karolus Magnus“ kann eine alte Kontroverse – Karl der Große oder Charlemagne? – nicht nur umgangen, sondern sogar einer Lösung zugeführt werden. ***
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Anhang: Verzeichnis der Briefmarken mit Karl dem Großen Im Folgenden sind alle Briefmarken mit ihren technischen Daten zusammengestellt, die Karl den Großen zum Gegenstand haben. Sie wurden nach Ländern alphabetisch geordnet und innerhalb derselben gemäß der Chronologie. Dabei ist jeweils dasselbe Schema zugrunde gelegt: 1) Titel (in Anlehnung an den Michel-Katalog). – 2) Aufschrift (ohne Länder- und Wertbezeichnung etc.). – 3) Wert (plus Zuschlag). – 4) Zugehörigkeit zu einer Serie. – 5) Ausgabedatum. – 6) Auflage. – 7) Entwurf (namentlich gezeichnet / nicht gezeichnet). – 8) Michel Nr. (bezogen auf das jeweilige Land). Andorra (Französische Post) 1. Karl der Große durchquert Andorra Aufschrift: CHARLEMAGNE TRAVERSANT L’ANDORRE. – Wert: 0,50 Französisch Francs. – Serie: Bilder aus der Geschichte Andorras. – Ausgabedatum: 22. Juni 1963. – Auflage: 400 000. – Entwurf: Albert Decaris (1901–1988), gez. – Michel Nr.: 180. 2. Karl der Große Aufschrift: CARLEMANY / EL GRAN CARLEMANY MON PARE. – Wert: 1,30 Französische Francs. – Serie: Europa-Marke (Bedeutende Persönlichkeiten). – Ausgabedatum: 26. April 1980. – Auflage: 1 000 000. – Entwurf: Pierre Gandon (1899–1990), gez. – Michel Nr.: 305. 3. Gründung Andorras durch Karl den Großen Aufschrift: LA FUNDACIÓ D’ANDORRA / (Monogramm Karls des Großen). – Wert: 3,00 Französische Francs bzw. 0,46 Euro. – Serie: Sagen und Legenden. – Ausgabedatum: 23. März 2001. – Auflage: 48 000. – Entwurf: Sergi Mas (geb. 1930), gez. – Michel Nr.: 565. 4. Gründung Andorras durch Karl den Großen (die gleiche Marke) Wert: 1,00 Euro. – Ausgabedatum: 2. Januar 2002. – Auflage: unbek. – Michel Nr.: 583. Bundesrepublik Deutschland 1. Heiligtumsfahrt Aachen Aufschrift: HEILIGTUMSFAHRT AACHEN / (Monogramm Karls des Großen). – Wert: 0,50 Deutsche Mark. – Serie: keine. – Ausgabedatum: 12. Juli 1979. – Auflage: 33,6 Mio. – Entwurf: Karl Hans Walter (1911–1999), nicht gez. – Michel Nr.: 1017.
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2. 1 200. Jahrestag der Erhebung Bremens zum Bischofssitz Aufschrift: 787 BREMEN BISCHOFSSITZ. – Wert: 0,80 Deutsche Mark. – Serie: keine. – Ausgabedatum: 16. Juli 1987. – Auflage: 32 Mio. – Entwurf: Fritz-Dieter Rothacker (1938–2000), nicht gez. – Michel Nr.: 1329. 3. Karlsbüste (nach 1349) Aufschrift: KARLSBÜSTE NACH 1349 DOMSCHATZ AACHEN. – Wert: 0,60 + 0,30 Deutsche Mark. – Serie: Gold- und Silberschmiedekunst (Für die Wohlfahrtspflege). – Ausgabedatum: 13. Oktober 1988. – Auflage: 11,6 Mio. – Entwurf: Fritz Lüdtke, nicht gez. – Michel Nr.: 1384. 4. 1 200 Jahre Aachener Dom Aufschrift: KAISER KARL DER GROSSE / DOM ZU AACHEN 1 200 JAHRE. – Wert: 1,10 Deutsche Mark. – Serie: keine. – Ausgabedatum: 13. Januar 2000. – Auflage: 30 Mio. – Entwurf: Peter Nitzsche (geb. 1938), nicht gez. – Michel Nr.: 2088. Frankreich 1. Karl der Große Aufschrift: CHARLEMAGNE. – Wert: 0,60 Französische Francs. – Serie: Grands noms de l’histoire. – Ausgabedatum: 5. November 1966. – Auflage: 6,23 Mio. – Entwurf: Albert Decaris (1901–1988), gez. – Michel Nr.: 1562. 2. Krönung Karls des Großen in Noyon Aufschrift: CHARLEMAGNE ROI DES FRANCS, NOYON – 768. – Wert: 1,90 Euro. – Serie: Les grandes heures de l’histoire de France (Block, gemeinsam mit Michel Nr. 6117). – Ausgabedatum: 10. April 2015. – Auflage: 825 000. – Entwurf: Louis Boursier (geb. 1974), nicht gez. – Michel Nr.: 6116 (Block Nr. 287). 3. Karl der Große besucht die Schule Aufschrift: CHARLEMAGNE ET L’ÉCOLE – 789. – Wert: 1,90 Euro. – Serie: Les grandes heures de l’histoire de France (Block, gemeinsam mit Michel Nr. 6116). – Ausgabedatum: 10. April 2015. – Auflage: 825 000. – Entwurf: Louis Boursier (geb. 1974), nicht gez. – Michel Nr.: 6117 (Block 287).
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Italien Die Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom Aufschrift: CARLO MAGNO INCORONATO / A ROMA NATALE 799. – Wert: 200 Lire. – Serie: Europa-Marke (Historische Ereignisse). – Ausgabedatum: 3. Mai 1982. – Auflage: 5 Mio. – Entwurf: Maria Maddalena Tuccelli (geb. 1951), gez. – Michel Nr.: 1798. Kroatien Karl der Große und die Entstehung Europas vor 1200 Jahren Aufschrift: KAROLO VELIKI / STVARANJE EUROPE (auf der Briefmarke). KAROLO VELIKI (SIGNUM KAROLI IMPERATORIS) / STVARANJE EUROPE / CAROLUS MAGNUS / 742–814, 800–2000 (auf dem Block). – Wert: 14,40 Kuna. – Serie: keine. – Ausgabedatum: 19. Januar 2001. – Auflage: 100 000. – Entwurf: unbek. – Michel Nr.: 564 (Block Nr. 18). Rheinland-Pfalz 1. Karl der Große (gelbbraun) Aufschrift: CAROLUS MAGNUS. – Wert: 1,00 Reichsmark. – Serie: Große Persönlichkeiten und Ansichten aus Rheinland-Pfalz. – Ausgabedatum: Juli 1947. – Auflage: 10 Mio. – Entwurf: Vytautas Kazimieras Jonynas (1907–1997), gez. – Michel Nr.: 15. 2. Karl der Große (gleiche Marke, dunkelblau) Wert: 1,00 Deutsche Mark. – Ausgabedatum: Juli 1948. – Auflage: unbek. – Michel Nr.: 29. Vatikanstadt 1. 1 200. Todestag Karls des Großen Aufschrift: CARLO MAGNO DCCCXIV–MMIV. – Wert: 0,85 Euro. – Serie: 2er-Satz (gemeinsam mit Michel Nr. 1808). – Ausgabedatum: 20. Mai 2014. – Auflage: 200 000. – Entwurf: Patrizio Daniele (geb. 1984), gez. – Michel Nr.: 1807. 2. 1 200. Todestag Karls des Großen Aufschrift: CARLO MAGNO DCCCXIV–MMIV. – Wert: 1,90 Euro. – Serie: 2er-Satz (gemeinsam mit Michel Nr. 1807). – Ausgabedatum: 20. Mai 2014. – Auflage: 200 000. – Entwurf: Patrizio Daniele (geb. 1984), gez. – Michel Nr.: 1808.
Kalter Krieg auf zweieinhalb Quadratzentimetern Die Vertriebenenmarke der Bundesrepublik Deutschland als Medium politischer Propaganda René Smolarski 1. Einleitung: Briefmarkenpolitik im Kalten Krieg Das Briefmarken mehr sind als einfache Gebührenquittungen, die belegen, „dass die Gebühr für die Nutzung eines Mediums (den Brief) entrichtet worden ist“1, hat bereits Hans-Jürgen Köppel in seiner Studie über den Einsatz von Postwertzeichen als gezielt eingesetztem Massenkommunikationsmittel für die politische Propaganda aus dem Jahr 1971 anschaulich und auch – wenn auch mit spürbarer Befangenheit – am Beispiel des deutsch-deutschen Verhältnisses während des Kalten Krieges belegt.2 Es wundert daher nicht, dass im Zuge einer erkennbar zunehmenden Hinwendung der Geschichtswissenschaft zur Briefmarke als originärer historischer Quelle der Neueren und Neuesten Geschichte, die sich aus einer zunehmenden Zahl von Einzelstudien konstatieren lässt, auch dieses Thema verstärkt Beachtung findet.3 Dies umso mehr als immer wieder einzelne Briefmarkenemissionen eines der beiden deutschen Staaten zu vehementer Kritik oder gar weiterführenden Sanktionen des jeweils anderen
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Vgl. Gottfried Gabriel, Ästhetik und politische Ikonographie der Briefmarke, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft LIV 2009, S. 183–201. Vgl. Hans-Jürgen Köppel, Politik auf Briefmarken. 130 Jahre Propaganda auf Postwertzeichen, Düsseldorf 1971, hier insbesondere S. 61–64. Zur Frage nach der Briefmarke als Massenkommunikationsmittel siehe unter anderem René Smolarski, Operation Cornflakes. Kommunikationsguerilla durch Briefmarken, in: Andreas Beaugrand / Pierre Smolarski (Hrsg.), Adbusting. Ein designtheoretisches Strategiehandbuch, Bielefeld 2016, S. 234–261, hier insbesondere S. 236–237. Hier sei nur auszugsweise auf wenige Einzelstudien verwiesen: Henio Hoyo, Posting Nationalism. Postage Stamps as Carriers of Nationalist Messages, in: Joan Burbick / William Robert Glass (Hrsg.), Beyond imagined uniqueness. Nationalisms in contemporary perspectives, Newcastle upon Tyne 2010, S. 67–92 und Tilmann Siebeneichner, Mythos mit Zackenrand. Das revolutionäre Erbe der SED und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse auf DDR-Briefmarken, in: Pierre Smolarski /René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Göttingen 2019, S. 123–138.
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Staates führten. Die Folge war eine Reihe von „Postkriegen“4, die den innerdeutschen Postverkehr über den Eisernen Vorhang hinweg immer wieder beeinträchtigten und zudem vor allem im Falle der Bundesrepublik nicht selten auch zu scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen über die damit verbundenen Diskurse führten. Grund für diese Zerwürfnisse waren in der Regel einzelne Ausgaben von Postwertzeichen, die politisch hochgradig brisanten Themen, wie der Akzeptanz der OderNeiße-Grenze, dem Umgang mit der NS-Vergangenheit oder verschieden politischen Jubiläen, beispielsweise dem Gedenken an das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1945 oder dem 30-jährigen Bestehen der Bundeswehr, gewidmet waren. 2. Zum historischen Kontext der Vertriebenen und Flüchtlinge Ein über den gesamten Zeitraum des Kalten Krieges und darüber hinaus bis heute ebenso brisantes Thema, das sowohl gegenüber dem vor allem östlichen Ausland als auch innerhalb der Bundesrepublik selbst immer wieder zu Zerwürfnissen führte, war der Umgang mit den ehemals deutschen Ostgebieten und den daraus geflohenen und vertriebenen deutschen Staatsbürgern. Die Integration dieser, seit dem Inkrafttreten des Bundesvertriebenengesetzes von 1953 auch offiziell als Vertriebene bezeichneten Gruppe,5 die allein bis 1950 in Westdeutschland etwa acht Millionen Menschen umfasste, stellte die junge Bundesrepublik nicht nur vor enorme infrastrukturelle Herausforderungen. Vielmehr wurde, wie Mathias Beer konstatiert, das Vertreibungsgeschehen selbst zu einem festen Bestandteil der politischen, medialen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, das die gesamte Geschichte der Bundesrepublik durchzieht und somit auch zu einem festen Teil ihrer Geschichtspolitik wurde.6 Das Thema selbst war, so Beer weiter, daher in der Bundesrepublik nie ein Tabu, auch wenn dies von
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Zum Begriff des Postkrieges im Allgemeinen sowie zu den jeweils sanktionierten Ausgaben im internationalen Postverkehr siehe unter anderem: Jan Hejs, „Postkrieg“. Spezialkatalog Postkrieg 1870–2008, Amsterdam 72011. Der Begriff der Vertriebenen umfasst nach § 2 des Bundesvertriebenengesetzes von 1953, diejenigen Deutschen, die ihren Wohnsitz in den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder anderen Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 hatten und diesen im Zuge des Zweiten Weltkrieges oder nach diesem infolge von Umsiedlung oder Vertreibung verloren haben. Vgl. K. Erik Franzen, Vertriebene, in: Detlef Brandes / Holm Sundhausen / Stefan Troebst, Lexikon der Vertreibungen. Deportationen, Zwangsaussiedlungen und ethische Säuberungen im Europa des 20. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2010, S. 696–698, hier S. 696. Vgl. Mathias Beer, Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen, München 2011, S. 135–136. Siehe dazu unter anderem: Constantin Goschler, „Versöhnung“ und „Viktimisierung“. Die Vertriebenen und der deutsche Opferdiskurs, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft LIII 2005, S. 873–884.
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verschiedenen Seiten immer wieder behauptet worden ist.7 Vielmehr hatten sich die deutschen Flüchtlinge in der Bunderepublik bald in Landsmannschaften organisiert und mit dem Bund der Vertriebenen eine Dachorganisation gegründet, mit der man schon früh den eigenen Opferstatus unterstrich sowie, ungeachtet der Tatsache, dass sich in den Reihen der Heimatvertriebenen auch nicht wenige NS-Funktionäre befanden, Entschädigungsansprüche formulierte.8 Für die Sichtbarkeit mit der die Vertriebenenverbände ihre eigene Position behaupteten und sich selbst in die Opferrolle versetzten, sprechen auch die regelmäßig (1955, 1965 und 1985) von der Deutschen Bundespost anlässlich der Erinnerung an das Vertreibungsgeschehen herausgegebenen Postwertzeichen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die erste dieser Ausgaben, die nicht zufällig am 2. August 1955 und damit dem zehnten Jahrestag des seitens vieler Vertriebener als Beginn der Vertreibung angesehenen Potsdamer Abkommens erschien. Diese Briefmarkenausgabe und die mit ihr verbundenen in- und ausländischen Reaktionen stehen im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen. Ziel ist es, beispielhaft aufzuzeigen, welche Bedeutung dem Medium Briefmarke in der Auseinandersetzung um ein politisch hoch brisantes Thema zukommt und damit einen Beitrag zu leisten, um der Philatelie als historischer Hilfswissenschaft einen größeren Raum einzuräumen als sie ihn bislang einnimmt.9 3. Die Entstehung der Vertriebenenmarke von 1955 Nachdem man seitens der Deutschen Bundespost mit der Kriegsgefangenenmarke von 1953 der ersten eigenen Opfergruppe gedacht hatte10, widmete man sich dort in der Folgezeit und nicht zuletzt aufgrund eines enormen Druckes durch die entsprechenden 7
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So zum Beispiel: Manfred Kittel, Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961–1982), München 2007. Zur Auseinandersetzung mit den von Kittel formulierten Thesen siehe auch Eva Hahn / Hans Henning Hahn, Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte, Paderborn 2010, S. 425 und Maren Röger, Ereignis- und Erinnerungsgeschichte von „Flucht und Vertreibung“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft LXII 2014, S. 49–64, hier insbesondere S. 61–62. Vgl. Philipp Ther, Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa, Berlin ²2018, S. 119. Zur Frage der Philatelie als historischer Hilfswissenschaft siehe unter anderem die Beiträge in: Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss, Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Göttingen 2019. Zur Entstehung und Rezeption der Kriegsgefangenenmarke siehe vor allem: Reinhard Krüger, Die Kriegsgefangenen-Gedenkmarke der Bundesrepublik Deutschland 1953, Soest 2017; Werner Boddenberg, Letzte Post der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Der Weg in die Heimat unter besonderer Beachtung der Heimkehrerpost, Falkensee 2004 und Werner Boddenberg, Das Bild des Kriegsgefangenen als Mittel der Propaganda und Gegenpropaganda. Die Kriegsgefangenen-Gedenkmarke der Bundesrepublik Deutschland von 1953, in:
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Verbände, auch der Frage der Heimatvertrieben. Bereits im Juli 1953 hatte es eine mündliche Übereinkunft des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen (BPM) mit dem Minister des Bundesministeriums für Vertriebene (BMVt), Hans Lukaschek (CDU), und dessen Staatssekretär Peter Paul Nahm (CDU), über „die Herausgabe von Sonderpostwertzeichen mit Motiven aus dem Wohnungsbau für Vertriebene“11 gegeben. Die dazu notwendigen Entwürfe sollten, um die intendierte Aussage zu untermauern, zudem von „vertriebenen Künstlern“12 selbst angefertigt werden. Nur wenige Tage später waren die Pläne durch das BMVt konkretisiert worden. Man verzichtete jedoch auf die Darstellung von „ostdeutschen Landschaften“ oder auf „Bilder ostdeutscher Künstler und Wissenschaftler“.13 Stattdessen sollte „die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge im Bundesgebiet“ dargestellt werden. Als mögliche Motive für die Serie, die alle gängigen Wertstufen umfassen sollte, hatte man dabei „symbolische Darstellungen oder Abbildungen einer landwirtschaftlichen Flüchtlingssiedlung, eines gewerblichen oder industriellen Flüchtlingsbetriebes und einer Flüchtlingswohnsiedlung“14 im Sinn. Der direkte Bezug „zur alten Heimat“ sollte dabei durch entsprechende Schriftzüge hergestellt werden. Über die entstandenen Entwürfe, die bis Mai 1954 im BMVt eingetroffen sein müssen, ist in den Akten des Bundesarchives nichts überliefert,15 doch drängte man seitens des BMVt vor dem Hintergrund des sich im Folgejahr jährenden Vertreibungsbeginns, die Arbeiten an der Herausgabe zu beschleunigen.16 Seit Februar 1954 hatte sich auch der Bund der Vertriebenen Deutschen (BdV) an das BPM gewandt, um „die Verwendung ostdeutscher Landschaftsbilder und anderer Motive aus den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten auf den Briefmarken der Bundesrepublik“ sowie die „Ausgabe von Sondermarken bzw. die Verwendung von Sonderstempeln anläßlich der großen Vertriebenen- und Heimattreffen“17 anzuregen. Die „Berücksichtigung der deutschen Ostgebiete und der Kampf um deren Rückgewinnung“ sei, so der BdV, „auch in der […] angeregten Form nicht nur möglich, sondern geradezu eine gesamtdeutsche Pflicht“.18 Das BPM äußerte sich
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Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiss, Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Göttingen 2019, S. 423–452. Aktenvermerk vom 5. Juli 1953, BArch B 257 / 42244, Bl. 251. Ebd. Hier und im Folgenden: Brief von Hans Lukaschek (BMVt) an den Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen vom 21. Juli 1953, BArch B 257 / 42244, Bl. 247. Zu den Begriffen ‚Flüchtlingsindustrie‘ und ‚Vertriebenenstädte‘ siehe unter anderem Ph. Ther, Außenseiter (wie Anm. 8), S. 122 f. Hier müssen noch weitere Recherchen unter anderem im Archiv für Philatelie in Bonn durchgeführt werden. Vgl. Brief von Peter Paul Nahm an Ministerialdirektor Schmidt (BPM) vom 25. August 1954, BArch B 257 / 42244, Bl. 236. Brief von Bock (BdV) an das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen vom 23. Februar 1954, BArch B 257 / 42244, Bl. 201. Ebd.
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jedoch mit Bezug auf die erst kurz zuvor herausgegebene Dauerserie mit dem Konterfeit des Bundespräsidenten Theodor Heuss19 und die „aus verschiedenen Gründen wie Einsparung von Mitteln, Widerstand der Sammler gegen die Vielzahl von Neuerscheinungen und technische Gründe“20 stark reglementierte Anzahl neuer Sonderpostwertzeichen, eher zurückhaltend. Im Dezember 1954 wandte sich der BdV jedoch erneut an das BPM. Nun mit dem Hinweis, dass der jährlich begangene Tag der Heimat21 im Jahr 1955 doch „ein gegebener Anlaß [wäre], an diesem Tage eine Serie mit Motiven aus dem ganzen Deutschland herauszugeben“.22 Im Februar 1955 wurde der Druck auf das BPM auch von politischer Seite erhöht, als sich der Abgeordnete des Bayerischen Landtages Walter Becher an den Minister für das Post- und Fernmeldewesen Siegfried Balke (1902–1984) mit dem Hinweis wandte, dass er sich aufgrund mehrerer Zuschriften aus den Wählerkreisen dazu veranlasst fühle, im Namen des Gesamtdeutschen Blocks / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/ BHE) anzufragen, ob man „in diesem Jahr Briefmarkenserien mit Bildern aus der ostdeutschen Heimat herausgeben wollen [würde]“.23 Als Begründung betonte Becher, „daß ein derartiges Verfahren sehr dazu beitragen könnte, das gesamtdeutsche Bewußtsein gerade jetzt nach Abschluß der Westverträge zu vertiefen und darüber hinaus aller Welt klarzumachen, daß sich das gesamte deutsche Volk zur ostdeutschen Heimat bekennt“.24 Aus der Antwort des BPM wird ersichtlich, dass man zu diesem Zeitpunkt bereits die Ausgabe einer „Gedenkmarke aus Anlaß der 10. Wiederkehr des Jahres der Vertreibung aus Ostdeutschland“ im Wert von 20 Pfennig (Inlandstarif Normalbrief im Fernverkehr) in der Ausgaben-Planung vorgesehen hatte sowie entsprechende Entwürfe eingegangen und durch BPM, BMVt und den Beirat für künstlerische Formgebung 19 20 21
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Vgl. Michel Nr. 177–196. Brief vom Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen an Bock (BdV) vom 1. März 1954, BArch B 257 / 42244, Bl. 201 RS. Der Tag der Heimat wird in der Bundesrepublik Deutschland jährlich als Gedenktag mit offiziellem Charakter begangen und geht auf die Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen am 6. August 1950 vor dem Stuttgarter Schloss zurück. Die Verkündung der Charta erfolgte, wie später auch die Herausgabe der Vertriebenenmarke von 1955, bewusst in zeitlicher Nähe zum Jahrestag des Potsdamer Abkommens, das man als Ursache der Vertreibung ansah. Zur Charta der deutschen Heimatvertriebenen siehe unter anderem Kurt Nelhiebel, 60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Ursprung und Rezeption eines Dokuments, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft LVIII 2010, S. 730–743. Der Charta selbst wurde im Jahr 1990, anlässlich ihres 40. Jahrestages ein Postwertzeichen gewidmet. Brief von Walter Lissel (BdV) an den Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen vom 12. Oktober 1954, BArch B 257 / 42244, Bl. 202. Brief von Walter Becher (GB/BHE) an Bundespostminister Balke vom 25. Februar 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 194. Brief von Walter Becher (GB/BHE) an Bundespostminister Balke vom 25. Februar 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 194. Unter den Westverträgen werden jene Verträge zusammengefasst, mit der die Westintegration der Bundesrepublik in den 1950er Jahren vollzogen wurde. Hier zum Beispiel der Deutschlandvertrag (1955), der Beitritt zur Westeuropäischen Union (1955) sowie der Beitritt zur NATO (1955).
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der amtlichen Graphik der Deutschen Bundespost (Kunstbeirat) begutachtet worden waren.25 Von einer Briefmarkenserie ist an dieser Stelle jedoch nicht mehr die Rede. Vielmehr muss zu diesem Zeitpunkt bereits über den letztlich verwendeten Entwurf des Heidelberger Graphikers Hahn, der eine von rechts nach links (Ost nach West) ziehende Flüchtlingsgruppe aus zwei Männern, zwei Frauen und einem Kind zeigt, Einigkeit geherrscht haben, da man im März 1955 lediglich über den oberhalb der Flüchtlingsgruppe stehenden Schriftzug diskutierte.26 Grund für diese Diskussion waren Eingaben des Verbandes der Landmannschaften, die sich gegen den ursprünglich geplanten Text („Zehn Jahre Eingliederung der Vertriebenen 1945/1955“) richteten. Man hatte sich hier gegen die Verwendung des Wortes „Eingliederung“ ausgesprochen. Diese Einwände waren am 28. März 1955 über das BMVt an das BPM herangetragen27 und von diesem am 4. April 1955 an die Geschäftsführung des Kunstbeirates der Deutschen Bundespost weitergeleitet worden. Die letztlich am 2. August 1955 in einer damals an der Obergrenze der üblichen Auflagenhöhen angesiedelte Stückzahl von 20 Millionen ausgegebene Marke trug den Schriftzug „Zehn Jahre Vertreibung 1945/1955“28 und betonte damit nunmehr allein die negative Perspektive der Vertreibung, ohne auf den positiven Aspekt einer als gelungen interpretierten Integration bzw. Eingliederung des Millionenheers der Flüchtlinge einzugehen.29 4. Die Reaktionen auf die Markenausgabe Die Herausgabe der Vertriebenenmarke folgte, wie ihre Entstehungsgeschichte zeigt, von Beginn an einer politischen Zielstellung, die eng mit den Interessen der politisch einflussreichen Vertriebenenverbände verbunden war. Es wundert daher nicht, dass
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Brief von Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen an Walter Becher (GB/BHE) vom 14. März 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 195. Die für die Vertriebenenmarke gewählte Wertstufe zeigt, dass die Marke vorwiegend im innerdeutschen Postverkehr Verwendung finden sollte. Der ursprüngliche Vorschlag der Vertriebenenverbände sah eine Serie von Marken aller Wertstufen vor und wäre damit auch ganz explizit für den Auslandsverkehr gedacht gewesen. Zur Auseinandersetzung mit dem Markenbild siehe unter anderem Elisabeth Fendl, In Szene gesetzt. Populäre Darstellungen von Flucht und Vertreibung, in: Dies. (Hrsg.): Zur Ästhetik des Verlusts. Bilder von Heimat, Flucht und Vertreibung, Münster 2010, S. 45–69, hier S. 49 f. und Elisabeth Fendl, Briefmarken, in: Stephan Scholz / Maren Röger / Bill Niven, Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. Ein Handbuch der Medien und Praktiken, Paderborn 2015, S. 52–64, hier S. 55 ff. Vgl. Brief von Peter Paul Nahm an den Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen vom 28. März 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 189. Michel Nr. 215. Inwieweit die Integration tatsächlich rasch und erfolgreich verlief und damit als gelungen angesehen werden könne, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Laut Ther gelang jedoch in der Zeit des Wirtschaftswunders vielen Vertriebenen ein im Vergleich zur Not der 1940er Jahre deutlicher sozialer Aufstieg, von dem lediglich die ältere Generation und die ehemaligen Bauern ausgeschlossen blieben. Vgl. Ph. Ther, Außenseiter (wie Anm. 8), S. 121.
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sie eine ganze Reihe Reaktionen hervorrief, die sich zudem nicht allein auf das Ausgabeland beschränkten, sondern aufgrund der Thematik auch das Ausland bzw. die DDR erfassten. Dies umso mehr als die Herausgabe der Marke insbesondere im Ostblock als Provokation empfunden wurde. 4.1 Internationale Reaktionen Die erste internationale und wohl folgenschwerste Reaktion auf die Vertriebenenmarke erfolgte bereits im Vorfeld ihrer offiziellen Ausgabe, allein auf die bloße Ankündigung eines solchen Postwertzeichens im Amtsblatt des Bundespostministeriums vom 12. Juli 1955. Bereits am 30. Juli hatte der Minister für Post- und Fernmeldewesen der DDR, Friedrich Burmeister (DDR-CDU), in einem Schreiben an das BPM Kritik angemeldet. Dem im ganzen Wortlaut im seit 1951 von der Bundesregierung herausgegebenen Bulletin wiedergegebenem Schreiben ist zu entnehmen, dass man seitens der DDR die Herausgabe dieser Marke im Widerspruch zu § XIII des von allen Siegermächten gebilligten Potsdamer Abkommens stehen sah. Dieser Paragraph sah die ordnungsgemäße „Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland“30 vor. Die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens seien, so der Verfasser des Schreibens aus der DDR, „anerkannte Regeln des Völkerrechts, die bis zum Abschluß eines Friedensvertrages für ganz Deutschland und für jede deutsche Staatsgewalt verbindlich [wären]“.31 Da die Herausgabe einer solchen Marke sowohl dem Bonner Grundgesetz (Art. 25) als auch der Verfassung der DDR (Art. 6) widerspräche, sähe man sich gezwungen, dass „Postsendungen, die die erwähnte Gedenkmarke tragen, von der Beförderung in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeschlossen und als unzulässig an die Absender zurückgesandt werden“. Man bitte aber den bundesdeutschen Minister, dass dieser „im Interesse einer guten Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Post und der Deutschen Bundespost und im Hinblick auf die sich allgemein anbahnende politische Entspannung das Erforderliche zu veranlassen“. Der Verfasser des Bulletin-Artikels betonte mit Verweis auf die Argumentation der Bundesregierung im parallellaufenden Prozess gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), der am 17. August 1956 zu deren Verbot führen sollte, dass die Vorwürfe nicht nur „mit der rechtlichen und politischen Lage in keiner Weise vereinbar“, sondern die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens, als „bloßes Regierungsab-
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Zitiert nach: Potsdamer Abkommen. Ausgewählte Dokumente zur Deutschlandfrage 1943 bis 1949, ed. Eberhard Heidmann, Berlin ²1967, S. 73. Hier und im Folgenden: Ohne Verfasser: Um die „Vertriebenen-Marke“ der Bundespost. Ein bezeichnender Protest der Sowjetzonen-Postverwaltung, in: Bulletin Nr. 142, 3. August 1955, S. 1203.
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kommen“, zudem „keine anerkannten Regeln des Allgemeinen Völkerrechts“ wären. Damit ginge auch die Berufung auf Art. 25 GG fehl, da das Potsdamer Abkommen „in erster Linie für die alliierten Mächte und nicht für Deutschland“ gelte. Zudem wäre, so der Verfasser weiter, in der DDR bereits die Erwähnung der Vertreibung als „Bekundung von Völkerhaß und Kriegshetze“ als eine „verbrecherische Handlung“ unter Strafe gestellt, und solche Drohungen seien daher vollkommen ungeeignet, um „zu einer politischen Entspannung beizutragen“. Der Artikel selbst endet mit dem Hinweis, dass der Bevölkerung von der Verwendung der betreffenden Marke im Postverkehr mit der Sowjetzone abgeraten werden sollte. Auch im Sammler-Express der seit 1947 herausgegebenen Zeitschrift für Philatelisten und Briefmarkensammler in der DDR, die alle zwei Wochen erschien und die weltweit neu verausgabten Marken vorstellte, zeigte man sich wenig erfreut über die Herausgabe der Vertriebenenmarke. Man empfand sie vielmehr als „[p]rovokatorisch und ausgesprochen menschenfeindlich“, da durch sie „in keiner Weise zum Ausdruck kommt, daß der größte Teil der Bevölkerung vor zehn Jahren durch die nazistischen Kriegsverbrechen vertrieben wurde“.32 Die Herausgabe dieser Marke sei vielmehr „eine bewußte Hetze gegen die Oder-Neiße-Friedensgrenze und ein verspäteter Versuch, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, nachdem die Politik Adenauers in Genf eine Niederlage erlitten hatte“.33 Ebenfalls mit Bezug auf die Genfer Gipfelkonferenz kritisierte der Sammler-Express zugleich ein zweites Postwertzeichen der Bundesrepublik. Nur acht Tage nach der Vertriebenenmarke war eine Gedenkmarke zum 1 000. Jahrestag der Schlacht auf dem Lechfeld erschienen, in der unter Führung Ottos des Großen die seit dem ausgehenden 9. Jahrhundert immer wieder ins Reichsgebiet einfallenden Ungarn endgültig besiegt und deren Einfälle somit beendet wurden.34 In der deutschen Geschichtsschreibung ist diese Schlacht, in der sich ein gesamtdeutsches Heer unter der Führung eines mit der Heiligen Lanze ausgestatteten christli32 33
34
Sammlerexpress IX, Heft 16, 15. August 1955, S. 255. Ebd. Vom 18. bis 23. Juli 1955 fand die Genfer Gipfelkonferenz als erstes Treffen der Staats- und Regierungschefs der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges (USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich) statt. Inhalt des Gespräches waren vor allem das europäische Sicherheitssystem und die mögliche Wiedervereinigung Deutschlands. Auch wenn man nicht zu einer Lösung des Problems kam, war Adenauer doch der Ansicht, wie er in einem persönlichen Brief an den amerikanischen Außenminister John Foster Dulles am 9. August 1955 schrieb, dass die Genfer Konferenz „ein voller Erfolg für die Russen“ gewesen wäre. Sie hätten es verstanden, „durch billige Gesten alles vergessen zu machen, was auf ihrem Schuldkonto stünde“ (Konrad Adenauer, Erinnerungen II: 1953–1955, Stuttgart 51994, S. 478). Zudem versuchten sie laut Adenauer, die Wiedervereinigung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Ein Ergebnis der Konferenz war es jedoch, dass sich die Regierungschefs der Siegermächte auf ein anschließendes Treffen ihrer Außenminister einigten, welches jedoch erst 1959 ebenfalls in Genf (Genfer Außenministerkonferenz) stattfand. Vgl. Hans Buchheim, Deutschlandpolitik, 1949–1972. Der politisch-diplomatische Prozess, Stuttgart 1984, S. 74 ff. Vgl. Michel Nr. 216. Dazu Charles Bowlus, Die Schlacht auf dem Lechfeld, Ostfildern 2012, S. 233.
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chen Königs erfolgreich gegen eine von außen (von Osten) drohende Gefahr zur Wehr setzte, immer wieder als Gründungsmythos einer deutschen Nation verklärt worden.35 Für den Redakteur des Sammler-Express war es jedoch unverständlich, „warum man gerade in der augenblicklichen Situation, in der die ganze Welt die Ergebnisse der Genfer Konferenz diskutiert, eine vor 1 000 Jahren zwischen den Ungarn und Deutschen geschlagene Schlacht verherrlicht“.36 Dabei lagen die Gründe – abgesehen davon, dass sich der Jahrestag nun einmal genau an diesem Tag zum 1 000. Male jährte – doch auf der Hand. Zum einen war Ungarn als Teil des Ostblockes auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus westlicher Sicht nach wie vor als eine „feindlich“ gesinnte Nation anzusehen. Zum anderen war Deutschland selbst gespalten und eine Vereinigung, wie sie im kulturellen Gedächtnis 1 000 Jahre zuvor unter Heiliger Lanze und Otto I. – also unter einer starken christlichen Führung – stattgefunden haben soll, das Wunschdenken einer Mehrheit nicht nur der westdeutschen Bevölkerung. Das Thema der Marke passte daher entgegen der Ansicht des Sammler-Express sogar sehr gut sowohl in den Kontext der Genfer Verhandlungen als auch in den der Vertriebenenmarke. Die Verweigerung der Beförderung der mit der Vertriebenenmarke frei gemachten Post beschränkte sich zudem nicht auf die DDR. Auch andere Ostblockstaaten, wie die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR), Polen und Ungarn, die ja zumindest zum Teil durch eine solche Briefmarke ihr nach dem Zweiten Weltkrieg neu geformtes Staatsgebiet angegriffen sehen mussten, beanstandeten die mit dieser Marke freigemachten Postsendungen. Kritik an der Vertriebenenmarke kam jedoch nicht nur aus dem Osten. Auch auf Seiten der westlichen Verbündeten, wenn auch auf privater und – zumindest laut Aktenlage – nicht amtlicher Ebene, wurde die Herausgabe der betreffenden Marke nicht von jedem begrüßt. So schrieb beispielsweise ein Herr Weglowski mit Bezug auf die Ankündigung der Briefmarke, in der er das Wort „unmenschlich“ bemerkt haben will,37 dass er darauf hinweisen wolle, „that you Germans started it, not us“.38 Er erinnere sich, so fuhr er fort, gut daran, wie seine eigene Familie aus Thorn (Pommern) von Deutschen vertrieben wurde und seine Eltern wie seine Schwester durch den Stopp des Zuges auf offener Strecke in der Nähe von Litzmannstadt erfroren.39 Man solle sich daher in 35 36 37
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So zum Beispiel in einem Beitrag auf der Webseite der Tageszeitung Die Welt vom 4. Juli 2017. Vgl. Jan von Flocken, Die große Schlacht, die Deutschland entstehen ließ, Online unter: www.welt. de (letzter Zugriff: 11. Juli 2018). Sammlerexpress IX, Heft 16, 15. August 1955, S. 255. Das Wort „unmenschlich“ kam aber, wie auch das BPM in einem diesbezüglichen Aktenvermerk notierte, in der Ankündigung im Amtsblatt des BPM selbst gar nicht vor. Unter Umständen bezieht sich der Autor des Briefes aber auch auf eine andere nicht genauer zu bestimmende Veröffentlichung. Brief von Weglowski vom 27. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 19. „Also I remember well, my family’s own ‚vertreibung‘ from Thorn in your so called Warthegau. Because the whole train was sent out in the open near Litzmannstadt, in worst Winter cold, my parents and my sister frozen to death […]“ (Brief von Weglowski vom 27. August 1955, BArch
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Deutschland des biblischen Wortes „Auge um Auge, Zahn um Zahn“40 erinnern. Er selbst hoffe darauf einst diejenige deutsche Familie zu finden, die damals alles, was einst ihnen gehörte, übernahmen und sie zugleich lachend als polnische Hunde bezeichneten.41 Man solle stets Folgendes beachten: „act like human beings, only then will you be repaid in kindness“.42 In der französischen Zeitung Liberation erschien am 3. August 1955 ein Artikel mit dem Titel Le Langange des Timbres (dt.: Die Briefmarkensprache),43 in dem man mit Bezug auf die am Vortag herausgegebene Vertriebenenmarke und die bereits 1953 verausgabte Kriegsgefangenenmarke feststellte, dass die Regierung Adenauer so die „bescheidenen Postdienste für den Kalten Krieg“44 einspanne. Man schloss mit der Empfehlung: „Nicht so ‚überschnappen‘ meine Herren aus Bonn!“45 In den Nürnberger Nachrichten erschien schon am 23. Juli 1955 unter dem Titel Eine Sondermarke, die fehlt ein Beitrag, der unter dem Namen eines gewissen Dr. J. L. aus London veröffentlicht wurde und der sich direkt mit der geplanten Herausgabe der Vertriebenenmarke beschäftigte. Der Verfasser warf die Frage auf, ob „es nicht ein Akt der Gerechtigkeit [wäre], auch eine Sondermarke zur Erinnerung an die zahllosen polnischen, tschechischen, jüdischen Opfer der Nationalsozialisten herauszugeben“.46 Mit Verweis auf den pazifistischen Philosophen Friedrich Wilhelm Foerster (1869– 1966) stellte er fest: Ganz Deutschland hallte wieder von wütender Klage über das Elend der Ostflüchtlinge, das sicher des größten Mitleids würdig war, aber wo blieb das fromme Gedenken an fünf Jahre erbarmungsloser Ausraubung und Mißhandlung der Bevölkerungen, die nach dieser Leidenszeit einstimmig beschlossen, sich des deutschen Elementes für immer zu entledigen? Wo bleibt der Schauder vor der Riesenschuld?
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B 257 / 42244, Bl. 19). Philipp Ther bezeichnet in seiner Studie zu Flucht und Flüchtlingen im modernen Europa gerade die Vertreibung der Polen aus dem Reichsgau Wartheland (bzw. verkürzt: Warthegau) als eine der „schlimmsten Fluchterfahrungen während des Zweiten Weltkrieges“, da die Flüchtlinge häufig „einfach über die Grenze getrieben oder an willkürlich festgelegten Orten aus dem Zug geworfen“ wurden (Ph. Ther, Die Außenseiter [wie Anm. 8], S. 107). Die von Weglowski geschilderten Erfahrungen entsprechen somit den von Ther beschriebenen Zuständen sehr genau. Exodus 21, 23–25. „I lucky hope to findt that German family, that stood, ready to take over everything we had, laughing and calling us ‚Polnische Hunde‘!“ (Brief von Weglowski vom 27. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 19). Brief von Weglowski vom 27. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 19. BArch. B 257 / 42244, Bl. 11. Übersetzung des als Anlage beigefügten Zeitungsausschnittes der Liberation vom 3.8.1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 10. Ebd. Ohne Verfasser, Eine Sondermarke, die fehlt, in: Nürnberger Nachrichten, Nr. 168 B, 23. Juli 1955.
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Und mit Bezug auf die Veröffentlichung von Jürgen Thorwald47 (1915–2006) über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten konstatierte er: Die Geschichte kann feststellen, dies Geschehen sei nicht schlimmer als die Austreibung und Vernichtung der Juden durch die Deutschen und es stelle nur eine gerechte Antwort auf vorangegangene Untaten dar.
Aus dem unter französischer Verwaltung stehenden Saarland, genauer aus Saarlouis, kam ein Schreiben vom Uhrmachermeister, Goldschmied und Optiker Walter Schlonski, der unter dem Betreff „Protest gegen die Vertreibungsmarke“ an den Bundespostminister „als Gegenstück der Vertreibungsmarke eine Französische Deportationsmarke […], ohne einen Protest zu hören, [übersandte], die sicher zur Europäisierung beitragen [würde]“.48 Dem dazugehörigen Aktenvermerk auf der Rückseite des Schreibens ist zu entnehmen, dass eine Antwort „aus politischen Gründen […] nicht zweckmäßig“49 erschien. 4.2 Reaktionen aus dem Inland Umstritten war die Herausgabe der Vertriebenenmarke jedoch nicht nur im Ausland. Vielmehr war auch die Kritik in Deutschland selbst besonders stark. Diese hatte jedoch zwei verschiedene Ursachen. Zum einen fühlten sich einige Postkunden in gewisser Weise betrogen, wenn sie, wie eine Postkundin schilderte, Briefe nach Thüringen mit der Vertreibungsmarke beklebt und erst am Postschalter erfahren hatte „daß mit den Marken, die mir die Post ohne irgend einen Hinweis verkaufte, die Briefe nach Thüringen ihren Empfänger nicht erreichen werden“. Und wenn sie danach in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks vom 8. November 1955 (Hausfrauenfunk) erfuhr, dass das BPM Briefmarken herausgab, „die zum regulären Preis verkauft werden, aber nicht dem regulären Verwendungszweck dienen können“50. Die Dame warf daher gegenüber dem Minis-
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Jürgen Thorwald, Es begann an der Weichsel. Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, München ²1995 (zuerst Stuttgart 1949). Brief von Walter Schlonski an den Bundespostminister vom 4. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 16. Gemeint ist – so auch die handschriftliche Fußnote im Schreiben – das französische Postwertzeichen, dass anlässlich des 10. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager im Mai 1955 (Michel Nr. 1048) herausgegeben wurde. Die französische Marke zum Gedenken an die Deportation erschien hingegen erst im Januar des Folgejahres (Michel Nr. 1078). Brief von Walter Schlonski an den Bundespostminister vom 4. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 16 RS. Mitschrift einer Sendung des Bayerischen Rundfunks vom 8. November 1955, 8:25 Uhr (Hausfrauenfunk), BArch B 257 / 42244, Bl. 29.
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terium die Frage auf, ob ein Gebrauchsgegenstand, wie eine Briefmarke, als „Mittel für politische Propaganda oder Befriedigung von Gruppeninteressen“51 dienen dürfe. Zum anderen sahen auch viele Deutsche – wie auch die Kritiker aus dem Ausland – den ursprünglichen Auslöser für die Vertreibungen in den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands. So wies der Verfasser eines Beitrags in der Süddeutschen Zeitung vom 13.–15. August 1955 daraufhin, dass man die Tatsache der Vertreibung zwar keinesfalls negieren brauche, jedoch im Sinne der Objektivität nicht umhin käme, diese Vertreibung „in ihrem historischen Licht zu betrachten“52. Und in diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass wohl niemand daran gedacht hätte, die „Volksgenossen auszuweisen“, wenn „der Nationalsozialismus mit seiner ‚Lebensraum‘- (sprich Vernichtungs-)Politik nicht zuvor Millionen von Menschen umgebracht und ganze Länder zerstört [hätte]“. Heute wolle man aber „die Ursachen dieser unglückseligen Entwicklung nicht mehr wahr haben“. So hätte man nicht einmal „daran gedacht, Gedenkmarken anläßlich der zehnjährigen Wiederkehr der Befreiung von der nationalsozialistischen Tyrannei herauszugeben“. Vielmehr möchte man „nur an das über uns Schuldlose hereingebrochene Unglück erinnern, auf daß wir vor der Geschichte möglichst schnell wieder reingewaschen werden“. Mit Bezug auf die herausgegebene Marke vertritt der Verfasser die Auffassung, dass diese zwar nicht direkt „zu einem kriegerischen Ostlandritt auffordert“, aber dennoch „für gewisse Kreise Öl ins Feuer zu gießen“ vermag. Ähnlich äußerte sich Heinz Todtmann aus Hamburg, der sich über die Wahl eines solchen Motivs „erschüttert“ zeigte und die Fragen aufwarf, ob „die Erinnerung an dieses Geschehen immer wieder wachgerufen werden“ müsse und ob „diese Tendenz im Einklang mit den Bemühungen der Bundesregierung und aller verständigen Deutschen [stünde], im Bewußtsein der eigenen Mitschuld an diesem Drama die Wunden der jüngsten Vergangenheit mit taktvoller Klugheit nach Möglichkeit heilen zu helfen, statt sie demonstrativ immer wieder aufzureißen“.53 Wenn die Deutsche Bundespost es jedoch tatsächlich für angezeigt hielte, solche Briefmarkenmotive herauszugeben, so schlug er Folgendes vor: Wie wär’s dann vielleicht mit einer Darstellung der Greuel, die von Deutschen in deutschen Konzentrationslagern an hilf- und wehrlosen Menschen aller europäischen Nationalitäten und vor allem an Juden verübt wurden?
Für den Fall der Wahl eines solchen Themas empfahl er sich selbst als einen sachverständigen Augenzeugen. Dies spricht zusammen mit dem Wohnort Hamburg dafür, dass es sich bei Heinz Todtmann um eben jenen deutsch-jüdischen Journalisten handelt, der
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Ebd. Hier und im Folgenden: Ohne Verfasser, Gedenkmarke – so oder so, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 191/192, 13.–15. August 1955. Brief von Heinz Todtmann an dem Bundespostminister Balke vom 11. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 8.
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im Juli 1940 im Durchgangslager Westerbork interniert wurde, wo er später als jüdischer Adjutant des Lagerkommandanten Albert Konrad Gemmeker die Kommandantur leitete, und der nach dem Krieg als Journalist, Schriftsteller und freier PR-Berater, so zum Beispiel zwischen 1947 und 1957 bei der Volkswagen AG und bei Mannesmann in Hamburg tätig war.54 Auch wenn Todtmann später durch die Tagebücher des AuschwitzOpfers Etty Hillesum der Korruption beschuldigt worden ist,55 argumentiert er hier auf der Grundlage seiner eigenen Erlebnisse im Konzentrationslager. Besonders direkt äußerte sich in diesem Zusammenhang ein Herr Hellmuth von der Hamburger Wochenpost. Diese hatte zwei vom Sitz ihrer Druckerei in Lübeck aufgegebene Briefe in die DDR, nach Berlin und Jena, mit „äußerst dringendem und eiligem journalistischem Inhalt“,56 mit jeweils zwei Vertriebenenmarken frankiert, und die Briefe nach fünf Tagen zurück erhalten. Nun nutzte man seitens der Wochenpost diesen Umstand, um sich nicht nur „über die geradezu unglaubliche Rücksichtslosigkeit der Bundespost“ zu beschweren und Schadensersatz zu fordern, sondern auch dazu, die Herausgabe einer solchen Marke prinzipiell zu kritisieren. So fragte der Verfasser des Schreibens: Welche alten Nazis hat der Hetzteufel geritten, derartige Marken zu entwerfen und einem neutralen Institut wie es die Post doch sein soll, aufzuoktroyieren? Welch alter, hassgebundene Faschist hat dieses Markenbild dekretiert?
Sollte, so das Schreiben der Wochenpost weiter, das Schicksal der Vertriebenen den Deutschen nicht „zu heilig sein, als dass es zum Gegenstand einer solch dummen und in jeder Hinsicht unangebrachten Hetze gemacht werden dürfte“. Schließlich, so hieß es in Übereinstimmung mit den zuvor genannten Eingaben, wären die Vertriebenen die Opfer einer Politik gewesen, die nicht erst 1945 begann, sondern spätestens 1941, wenn nicht gar bereits 1933, und die zu „noch viel mehr Opfer[n] der Unmenschlichkeit“ geführt hatte. Nun versuchten jedoch gerade diejenigen, „denen an einer Beruhigung am meisten gelegen sein müßte und die am meißten Anlaß hätten, Gnade zu erwarten“, nämlich „die Kriegsverbrecher, die SS-Mörder und alle diejenigen, die seit 1933, besonders seit 1939, sich in dem Blut der von ihnen Gemordeten badeten, […] 54 55
56
Ohne Verfasser, Art. Todtmann, Heinz Henry, in: Who’s Who in Marketing, Verkauf, Werbung, Marktforschung und Marketing-Beratung, München ²1976, S. 433. Vgl. Esther Hillesum, Etty. The letters and diaries of Etty Hillesum 1941–1943. Complete and unabridged, ed. Klaas A. D. Smelik, Amsterdam u. a. 2002, S. 781, Anm. 653. Todtmann war in seiner Funktion als Adjutant und wohl aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen auch an dem im Auftrag Gemmekers im Frühjahr 1944 produzierten Film über das Lager Westerbork beteiligt. Der Film selbst, von dem zwar 75 Minuten Material erhalten geblieben sind, wurde jedoch in Kriegszeiten nie einem Publikum vorgeführt. Vgl. Anna Hájková, Das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork, in: Wolfgang Benz / Barbara Distel (Hrsg.), Terror im Westen. Nationalsozialistische Lager in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg 1940–1945, Berlin 2004, S. 217–248. Hier und im Folgenden: Brief der Hamburger Wochenpost an das BPM vom 12. September 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 34.
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das Mitleid der Menschen zu erregen“. „Hass und Hetze“ wären jedoch „schlechte Ratgeber, wenn es sich darum handelt, zur Ruhe und Vernunft zurückzufinden“. Konsequenterweise wäre somit auf einer Tagung internationaler Widerstandskämpfer die Forderung geäußert worden, dass „diese Hetz-Briefmarke der deutschen Bundespost in anderen Ländern ein Gegenstück“, das die deutschen Verbrechen in den Konzentrationslagern, in Lidice, Oradour und im Warschauer Ghetto thematisiert, erhalten solle. Dies wäre dann „bestimmt die beste Antwort, die die Haßschürer in der deutschen Bundespost erhalten sollten“. Aus Sicht des Verfassers wäre es nur unverdient, „dass die Postverwaltungen Dänemarks, Frankreichs, auch Polens und der CSR nicht unbedingt dazu neigen, diesen Forderungen stattzugeben.“ Auch wenn sich der Ursprung dieser Aussage nicht belegen lässt, so scheint es doch zumindest keine offizielle Reaktion aus den genannten Ländern auf die Herausgabe der Vertriebenenmarke in der Bundesrepublik gegeben zu haben. Jedoch bringt Frankreich tatsächlich nur wenige Monate später eine Marke zum Gedenken an die Deportationen heraus.57 Die Erinnerung an die Konzentrationslager und Deportationen unter der NS-Besatzung war für viele dieser Länder von grundlegender Bedeutung. Es wundert daher nicht, dass man sich seitens der Nachkriegsregierungen in den genannten Ländern, ob nun durch eine solche Widerstandskämpfertagung veranlasst oder durchaus aus eigenem Antrieb, mit diesen Themen befasst und entsprechende Postwertzeichen herausgegeben hatte. So verausgabte wie bereits erwähnt die französische Post in Erinnerung an die Befreiung der Konzentrationslager bereits wenige Monate zuvor ein entsprechendes Postwertzeichen58 und bereits im Oktober 1945 war ein weiteres in Gedenken an das von der Waffen-SS im Juni 1944 verübte Massaker von Oradour-sur-Glane, bei dem über 600 Menschen ermordet wurden, erschienen.59 In Polen waren unter anderem 1946 zum Gedenken an das Konzentrationslager Majdanek/Lublin,60 1948 anlässlich des fünften Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto vom 19. April 194361 und im Januar 1955 zur Erinnerung an den zehnten Jahrestag der Befreiung des Ghettos62 Briefmarken herausgegeben worden. In der Tschechoslowakei waren 194763 und 195264 Postwertzeichen anlässlich des fünften bzw. zehnten Jahrestages des Massakers von Lidice, bei dem am frühen Morgen des 10. Juni 1942 173 tschechische Männer von deutschen Polizeikräften erschossen und über 200 Frauen und Kinder in Konzentrationslager deportiert wurden, erschienen.
57 58 59 60 61 62 63 64
Vgl. Michel Nr. 1078. Vgl. Michel Nr. 1048. Vgl. Michel Nr. 734. Vgl. Michel Nr. 436. Vgl. Michel Nr. 485. Vgl. Michel Nr. 897–898. Vgl. Michel Nr. 518–520. Vgl. Michel Nr. 741–742.
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In Reaktion auf die Vorwürfe aus Hamburg versuchte das BPM den konkreten Hergang des von der Wochenpost geschilderten Vorgangs über die örtliche Oberpostdirektion zu ermitteln. Hierbei stellte sich heraus, dass die später nicht zugestellten Sendungen bereits im Büro des Mitinhabers der Lübecker Druckerei mit den Vertriebenenmarken frankiert und vom zuständigen Postbeamten nicht als für die SBZ bestimmt erkannt worden waren. Mit Bezug auf das Postgesetz verwies man darauf, dass man für den entstandenen Schaden daher nicht haften würde.65 Die Schadensersatzforderung war aber nicht die einzige Konsequenz, die sich aus der Korrespondenz mit der Hamburger Wochenpost ergab. Vielmehr zielten die Vorwürfe Hellmuths, der sich laut dem Schreiben der Oberpostdirektion Hamburg selbst „als überzeugter Kommunist bezeichnete“, darauf, „den gegebenen Vorfall zum Gegenstand einer Aktion gegen die Weiterverwendung der Vertriebenenmarke [zu machen], um zu erreichen, daß sie zurückgezogen wird“.66 Aus einem in diesem Kontext erstellten Aktenvermerk geht hervor, dass man sich zudem auch über die Zeitschrift selbst erkundigt hatte. Bei diesen Erkundigungen, die wohl vor allem auf Auskünften der örtlichen Pressestelle in Hamburg basierten, kam heraus, dass die Zeitschrift, die der Deutschen Presse-Agentur selbst unbekannt wäre, nur in niedriger Auflage erscheinen würde und sich zwar äußerlich überparteilich gäbe, „aber tatsächlich östlich ausgerichtet [sei]“.67 Die Herausgeber und Redakteure seien bereits „öfter mit dem Gesetz in Konflikt gekommen (Gefängnisstrafen)“, so dass das Bundesfamilien-Ministerium, das die Zeitschrift anfangs unterstützte, diese Unterstützung einstellte, als „das Verhalten dort bekannt wurde“. Einer der Vertreter der Zeitschrift hätte sich zudem an den Vizepräsidenten der Oberpostdirektion Hamburg gewandt und „sich gegen die DBP [Deutsche Bundespost, Anm. d. Verf.] als Herausgeberin der Vertriebenen-Gedenkmarke ausgelassen“. Für die Hamburger Wochenpost war der Fall jedoch nicht abgeschlossen. Am 11. Oktober schrieb man erneut an den Bundespostminister. Hierin äußerte man zum einen das Unverständnis darüber, dass die Post nun versuche, dem „kleinen Beamten, der die Briefmarken am Schalter aufgeklebt hat“,68 die Schuld zuzuschieben, und bestand zudem auf den von der Post zu leistenden Ersatz, des durch die ausgebliebene Zustellung der beiden Briefe entstandenen Schadens. Zum anderen wandte man sich aber auch erneut gegen die Vertriebenenmarke im Allgemeinen, denn aus dem Text der Marke „10 Jahre Vertreibung 1945–1955“ ginge doch „einwandfrei hervor, dass es 65 66 67 68
Vgl. Brief der Oberpostdirektion Hamburg (Kießler) an das BPM vom 1. Oktober 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 35. Siehe auch Brief des BPM an die Hamburger Wochenpost vom 14. Oktober 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 37. Brief der Oberpostdirektion Hamburg (Kießler) an das BPM vom 1. Oktober 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 35. Hier und im Folgenden: Aktenvermerk (Verfasser unbekannt) vom 19. September 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 36. Hier und im Folgenden: Brief der Hamburger Wochenpost an das BPM vom 11. Oktober 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 40.
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sich um eine politische Manifestation handel[e]“ und die Bundepost „mit dem traurigen Schicksal der Vertriebenen Agitation“ betrieb. Dieser einseitigen Stellungnahme hätte sich die Bundespost als „neutrales Institut“ jedoch enthalten sollen, „da ja, wie jedes kleine Kind weiss, diese Vertreibung nichts anderes als die negative Folge eines Überfalls war“. Der Verfasser des Schreibens der Wochenpost empfand es als schamlos, „dass eine Institution wie die Bundespost mit dem heiligen Schicksal der vertriebenen Menschen, deren Unglück aber nur die Folge nationalsozialistischer Verbrechen ist, Schindluder treibt“. In der von der Bundespost herausgegebenen Erklärung im posteigenen Amtsblatt, in der man die Schalterbeamten darauf hinwies, Sendungen in die Ostzone nicht mit der Vertriebenenmarke zu frankieren, sah der Vertreter der Wochenpost sowohl „das Eingeständnis, dass diese Briefmarke weitgehend unzulässig, also nicht den üblichen Bestimmungen entspr[echend sei]“, als auch „dass die kleinen Postbeamten diesen Mangel [jetzt] de facto ausgleichen sollten“. Nur drei Tage später erschien in der Ausgabe der Hamburger Wochenpost vom 14. Oktober 1955 ein Artikel unter dem Titel „Massenmörder in Kunstdruck“, der die Vorwürfe, die man gegenüber dem BPM geäußert hatte, aufgriff. Der unbekannte Verfasser – manche Formulierungen lassen aber den Verdacht aufkommen, dass es sich um die gleiche Person handelt, die auch die Briefe an das BPM verfasst hatte – warf die rhetorische Frage auf, ob es sich bei der Herausgabe der Vertriebenenmarke lediglich um einen Versuch handele, „[m]it dem so traurigen Schicksal der aus den Ostgebieten vertriebenen deutschen Menschen […] ungeschickt […] Propaganda zu machen“.69 Dies sei jedoch nicht der Fall, da aus dem „raffiniert gewählten“ Briefmarkentext entnommen werden müsse, „daß irgendwo jemand neofaschistische Hetzabsichten [hätte]“. Die Konsequenzen daraus wären nicht allein, dass die Marke im Ausland auf Ablehnung stoße, sondern auch, dass nunmehr die „Widerstandskämpferorganisationen verschiedener europäischer Länder, die besonders unter dem SS-Terror zu leiden hatten, nämlich Frankreich, Norwegen, Dänemark, Polen und die Tschechoslowakei, von ihren Postanstalten gleiche Erinnerungsmarken mit Text und Bildern von Lidice, Oradour, Auschwitz u. s. w.“ verlangt hätten. Der Artikel schließt mit der der Feststellung, dass man sagen könne, „daß der faschistische Esel, der das Gras abgefressen hat, das über die Dinge wachsen wollte, unfreiwillig seine Weide ausgedehnt ha[be]“. Gegen den in den bislang angeführten Beiträgen ausgesprochenen Grundtenor der deutschen Urschuld an den Vertreibungen wurde aber auch Einspruch erhoben. So zum Beispiel von Seiten Rudolf Ullrichs70 aus Innsbruck-Hötting. Dieser hatte in einem Bei69 70
Hier und im Folgenden: Ohne Verfasser, Massenmörder in Kunstdruck, in: Hamburger Wochenpost, Nr. 41, 14. Oktober 1955. Hierbei handelt es sich wohl um den gleichen Rudolf Ullrich, der als ehemaliger Gauhauptstellenleiter zusammen mit dem Innsbrucker Arisierungsbeauftragten Hermann Duxneuner und dem Kohlenhändler SS-Rottenführer Alois Mössmer eine Innsbrucker Immobilie in der Höttingerau erwarb. Vgl. Thomas Albrich, Die Jahre der Verfolgung und Vernichtung unter der Herrschaft von Nationalsozialismus und Faschismus 1938 bis 1945, Wien 2013.
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trag des Münchner Merkurs vom 20./21. August 1955 konstatiert, dass die Vertriebenenmarke „ihren Zweck nur halb erfüllen“ dürfte, da sie „nicht geeignet [sei], den berüchtigten Mantel des Schweigens, den man über diesen brutalsten Schlag ins Gesicht aller Menschenrechte zu breiten versucht hat, wirkungsvoll zu durchbrechen“.71 Seiner Ansicht nach werde „in der Weltöffentlichkeit versucht, die Vertreibung Deutscher als Vergeltung der ungerechtfertigten Ausbreitung Deutscher in der Nazi-Ära hinzustellen“. Er verweist, um diese These zu erhärten, auch auf das Potsdamer Abkommen, in dem von einer „Rückführung“ der Deutschen die Rede sei. Seiner Ansicht nach handele es sich hierbei jedoch um eine „Vernebelung“, der man bereits von deutscher Seite durch die Verwendung der Bezeichnung „Flüchtlinge“ entgegengekommen wäre. „Ein Flüchtling“ sei jedoch laut Ullrich, „ein Ausreißer“, der auch aus schlechtem Gewissen seinen Aufenthaltsort wechseln könne. Vertreiben könne man aber „auch Diebe, Räuber und Eindringlinge.“ Für ihn lag der Schwerpunkt des den Deutschen „angetanen Unrechts […] indessen darin, daß Deutsche aus ihrer jahrhundertealten Heimat brutal vertrieben wurden.“ Seiner Ansicht nach hätte es auf der Marke daher „10 Jahre Heimatvertreibung“ heißen müssen. Stattdessen würden die Deutschen „auch hier wieder, wie so oft, aus Mangel an der Fähigkeit, sich in die Denkart anderer Völker einzuführen, wertvollste deutsche Interessen ins Hintertreffen geraten lassen.“ Deutlich begrüßt wurde die Herausgabe der Vertriebenenmarke von den Vertriebenenverbänden. So eröffnete zum Beispiel die Kreisgruppe Bonn der Landsmannschaft Schlesien die Augustausgabe ihres Mitteilungsblattes mit einer kurzen Mitteilung, in der man darauf hinwies, dass die Bundespost den bislang mehrfach geäußerten Wünschen, Postwertzeichen mit ostdeutschen Motiven zu verausgaben, zwar bislang „aus sachlichen Erwägungen“72 nicht nachkommen konnte, nun aber „eine sehr eindrucksvolle Briefmarke“ zum Thema Vertreibung herausgebracht habe. Es sei, so forderte das Blatt auf, „Ehrensache der Heimatvertriebenen, ausschließlich diese Briefmarke zu verwenden, so lange sie zu haben ist und damit der Post für ihr Bemühen zu danken“. Es folgte aber auch der Hinweis, dass von einer Versendung in die DDR abgesehen werden sollte, da die Briefe dort nicht zugestellt würden. Dabei wurde die Zustellungsverweigerung der ostdeutschen Postverwaltung, die in Reaktion auf die Herausgabe der Vertriebenenmarke erfolgte, von manchen Postkunden als der eigentliche politisch motivierte Angriff gesehen. So schrieb beispielsweise Ernst Hager aus Westheim bei Augsburg am 6. August 1955 und aus Anlass der Versendung von vier Ersttagsbriefen der Vertriebenenmarke „an Sammlerfreunde im russisch besetzten Teil Deutschlands“, die er zwei Tage später
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Hier und im Folgenden: Rudolf Ullrich, Die Vertriebenen-Briefmarke, in: Münchner Merkur, Nr. 199, 20./21. August 1955. Hier und im Folgenden: Ohne Verfasser, „10 Jahre Vertreibung“ auf der Briefmarke, in: Mitteilungen der Kreisgruppe Bonn e. V. der Landsmannschaft Schlesien (Nieder- und Oberschlesien), Nr. 8, August 1955, S. 1.
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zurück erhielt, an das BPM, dass er es „sehr betrüblich [fände], daß sich die Bundespost derart beeinflussen läßt und die Verwendung ihrer Briefmarken von der jeweiligen Zustimmung der Postverwaltung in Berlin Pankow [und damit der Postverwaltung der DDR, Anm. d. Verf.] abhängig macht“.73 Man möge „diesen Unfug“ abstellen und ihm mitteilen, dass er die „Postsachen mit obigen Marken an [s]eine Sammlerfreunde in Sachsen und Thüringen“74 versenden könne. Noch deutlichere Worte für die als zu devot empfundene Haltung der Bundespost fand Herbert Gerhardt aus Hamburg, der zwar die Reaktion des „sowjetzonale[n] Postministerium[s]“ als „nicht weiter verwunderlich“ ansah, jedoch die „negative Reaktion des Bundespostministeriums“ als „merkwürdig“ empfand.75 Schließlich weise die Vertriebenenmarke „eindringlich auf das größte Unrecht hin, daß je in der Geschichte dem deutschen Volke widerfahren ist“. Daran jedoch würden „natürlich die ‚Herren‘ jenseits des Eisernen Vorhangs nicht erinnert werden [wollen]“. Im Gegenzug würde man, so Gerhardt weiter, es jedoch von den Westdeutschen erwarten, dass sie es hinnähmen, dass sie „Briefe mit sowjetzonalen ‚Briefmarken‘ erreichen [würden], die jedem wirklich deutschem Empfinden geradezu Hohn sprechen“. Als Beispiele führt er hierfür Marken mit sozialistischen, kommunistischen bzw. sowjetischen Motiven an: 30. Todestag von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Karl-MarxJahr, 1. Todestag von Josef W. Stalin und 10. Todestag von Ernst Thälmann.76 Der Verfasser des Briefes warf die Fragen auf, ob denn das BPM dagegen nichts zu tun gedenke und ob man sich „denn von den Machthabern in Sowjet-Deutschland alles widerspruchslos gefallen lassen [müsse]“. Er hingegen sähe es als richtig und begrüßenswert an, „wenn alle amtlichen westdeutschen Schreiben an sowjetzonale Dienststellen mit dieser Vertriebenen-Sondermarke freigemacht würden“. Ähnlich äußerte sich auch Harald Naundorf77 aus Eschwege, der sich am 8. August 1955 mit einem Brief an das BPM wandte. Auch er empfand die Reaktion der Ostzone als unangemessen und beklagte sich darüber, dass sich „eine Bundespost und damit die ganze Bundesrepublik derartig beleidigen lässt.“78 In der ganzen Welt könne man die Vertriebenenmarke zur Frankatur benutzen, „nur ausgerechnet dieser noch dazu kleinere Teil Deutschlands erlaubt sich diese, man muß wohl schon sagen unerhörte Frech-
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Brief von Ernst Hager an BPM vom 6. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 21. Ebd. Hier und im Folgenden: Brief von Herbert Gerhardt an BPM vom 9. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 22. Vgl. Michel (SBZ) Nr. 229 sowie Michel (DDR) Nr. 296–297, 425, 432 und Block 8–9. Hierbei handelt es sich wohl um denselben Harald Naundorf, der bereits 1946 gemeinsam mit Otto Göbel und Erich Nieter den Eschweger Briefmarkensammlerverein „Philatelie“ gegründet hatte. Vgl. Mitteilungen des Verbandes der Philatelisten-Vereine Hessen, Rhein-Main-Nahe e. V., Nr. 170 vom März 2012, S. 26. Hier und im Folgenden: Brief von Harald Naundorf an BPM vom 8. August 1955; BArch B 257 / 42244, Bl. 9.
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heit.“ Auch er schlug vor, dass man die „Flut von Kommunistischen [sic!] Marken der Ostzone z. B. Clara Zetkin, Thälmann, R. Luxemburg usw. auch die Oder-Neiße-Linie Marken […] genauso behandelt“.79 Als Begründung gab er an, dass die Wiedervereinigung seines Erachtens nach nicht dadurch gefördert würde, dass man sich „geduldig wie die Lämmer […] alles in dieser Richtung gefallen [ließe]“, was die Machthaber im Osten ihnen vorsetzen, sondern dadurch eher das Gegenteil erreicht würde. Dass solche Reaktionen von der Bundespost jedoch als nicht zielführend eingeschätzt wurden, wird aus den Antwortschreiben des Ministeriums an Harald Naundorf und den zuvor erwähnten Ernst Hager deutlich. Man bat diese zu bedenken, „daß die Pflege der Verbindung zu den Landsleuten in Mitteldeutschland eine wesentliche Aufgabe der (DBP) [sei]“ und diese durch unüberlegte Gegenmaßnahmen „behindert und in vielen Fällen unterbunden werden [würde]“.80 Auch in der westdeutschen Tagespresse finden sich Äußerungen über die als unangemessen empfundene Reaktion der ostdeutschen Postverwaltung. So erschien zum Beispiel in den Stuttgarter Nachrichten vom 3. August 1955 unter dem Titel „Nur eine Briefmarke“ ein kurzer Beitrag, in dem der Verfasser nicht die bundesdeutsche Ausgabepolitik für Postwertzeichen, sondern die daraufhin erfolgte ostdeutschen Reaktion als Ursache für eine Störung der „weltpolitische[n] Entspannung“81 sah, als er schrieb: Dem Herrn Postminister aus Pankow sind wir zu Dank verpflichtet. Nur eine Briefmarke benötigte er, um uns zu belehren, was man östlich der Elbe sich unter Entspannung und Recht vorstellt: Recht heißt Gewalt, Entspannung heißt Schweigen! Wer da nicht mitmacht, stört den Frieden. So einfach, so anmaßend ist die Hautevolee von Pankow.82
Insgesamt war die Reaktion innerhalb der Bundesrepublik, die sich in den wenigen Zuschriften an das BPM freilich nur ausschnittsweise und und keineswegs die Allgemeinheit repräsentierend zeigt, demnach äußerst gespalten. Sie changierten zwischen absoluter Ablehnung und vollkommener Zustimmung. Hierbei zeigt sich jedoch deutlich, dass der Konflikt um die Vertriebenenmarke sowohl von der Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit als auch mit dem Systemkonflikt der Zeit geprägt wurde. Die den Vertriebenen gewidmete Briefmarke wurde daher auf mehreren Ebenen instrumentalisiert. Zum einen als Möglichkeit, Deutschland in eine Opferrolle des Zweiten Weltkrieges zu setzen. Zum anderen, um damit eine klare Aussage in der zeitgenössischen Auseinandersetzung über die Zukunft der ehemaligen deutschen Ostgebiete abzugeben. Die Herausgabe dieser Marke musste somit zu Widerspruch aus unterschiedlichen Kreisen mit unterschiedlichen Beweggründen führen.
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Vgl. Michel Nr. 284–285, 432, 475, 478. Brief von BPM an Ernst Hager vom 16. August 1955, BArch B 257 / 42244, Bl. 25. Ohne Verfasser, Nur eine Briefmarke, in: Stuttgarter Nachrichten, Nr. 176, 3. August 1955. Ebd.
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5. Konklusion Dass man sich seitens der politischen Entscheidungsträger in der Bundesrepublik von vornherein über die Möglichkeit politischer Konsequenzen im Nachgang der Herausgabe einer den Heimatvertriebenen gewidmeten Briefmarke durchaus im Klaren war, zeigt ein Entschluss des Bundeskabinetts vom März 1953, in dem man sich darauf verständigt hatte, zumindest keine Postwertzeichen mit „ostdeutschen“ Motiven herauszugeben. Man befürchtete, dass dies als Provokation aufgefasst und dadurch die als überaus wichtige empfundene Postverbindung mit Mittel- und Ostdeutschland gefährdet werden könnte.83 Auch wenn die Vertriebenenmarke de facto kein ‚ostdeutsches‘ Motiv darstellt, so war doch aber die Intention eindeutig und die Reaktion des Ostblocks damit vorhersehbar. Ob die Herausgabe der Marke selbst nun als gezielte Provokation zu verstehen ist, lässt sich auf der Grundlage der Quellen so zwar nicht bestätigen, doch zeigt der vehemente Druck vor allem seitens der Vertriebenenverbände auf die Bundespost, dass man die eigene Opferrolle und die damit verbundenen politischen Forderungen auch mittels des Mediums Briefmarke propagieren wollte. Sowohl die in der überlieferten Korrespondenz und den zeitgenössischen Printmedien erhaltenen Reaktionen als auch die philatelistischen Belege aus dem Aus- und Inland zeigen deutlich, dass diese Propaganda sehr wohl wahrgenommen wurde und zu entsprechenden Konsequenzen führte. Dass diese Konsequenzen, das heißt die Unterbrechung des Postverkehrs für die mit der beanstandeten Marke versehenen Postsendungen, trotz einer Reihe verärgerter Postkunden nur wenig Wirkung zeitigte, zeigt sich schon allein daran, dass die Bundespost in folgenden Jahren bis zur Wiedervereinigung dem Thema Flucht und Vertreibung in regelmäßigen Abständen Postwertzeichen widmete. So erschien am 28. Juli 1965 und damit erneut in zeitlicher Nähe zum Jahrestag des Potsdamer Abkommens eine bildgleiche Marke zum Gedenken an das nunmehr 20 Jahre zurückliegende Vertreibungsgeschehen.84 Auch diese Marke wurde von den Ostblock-Staaten moniert, jedoch nicht mehr zurückgeschickt. Stattdessen wurde die
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Vgl. M. Kittel, Vertreibung der Vertriebenen? (wie Anm. 7), S. 88. Trotz dieses Beschlusses erschien unter anderem 1966 eine Dauermarkenserien unter dem Titel Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten (Bereits 1964 war unter dem gleichen Namen eine erste Serie von Dauermarken erschienen, die zwar Motive aus der DDR nicht jedoch aus den umstrittenen Ostgebieten beinhaltete), die nun auch Motive aus den ehemaligen Ostgebieten zeigte. Neben dem Berliner Tor in Stettin/ Pommern (5 Pfennig), dem Zschockschen Damenstift in Königsberg/Preussen (90 Pfennig) auch die Bürgerhalle des Rathauses Löwenberg in Schlesien (2 D-Mark). Sowohl diese als auch die Marken mit DDR-Motiven der gleichen Serie wurden nach Intervention beim Weltpostverein von verschiedenen Ostblock-Staaten sanktioniert und als ungültig frankiert an die Absender zurückgesandt. Siehe hierzu unter anderem E. Fendl, Briefmarken (wie Anm. 26), S. 61 f. Vgl. Michel Nr. 479.
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Marke entweder mit Tinte oder Siegellack übermalt und der Brief anschließend dem Adressaten überstellt. Am 12. November 1985 erschien, nachdem 1975 und damit unter sozialliberaler Regierung keine entsprechende Gedenkmarke herausgegeben worden war, mit einer Sondermarke anlässlich der 40-jährigen Eingliederung heimatvertriebener Deutscher erneut ein dem Thema Vertreibung gewidmetes Postwertzeichen.85 Dieses Mal wurde jedoch auch der positive Aspekt der Integration, zu dessen Verdeutlichung man sich 1955 noch nicht hatte durchringen können, betont. Sowohl das abstrakte Markenbild als auch der gewählte Schriftzug führten jedoch, wie Elisabeth Fendl aufzeigt, zu scharfer Kritik seitens der Vertriebenenpresse, die auf diese Weise das Vertreibungsverbrechen aus falscher Rücksichtnahme schamhaft verschwiegen sah.86 Am 21. Juni 1990 und damit wenige Monate vor dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit zur Bundesrepublik erschien mit einer weiteren Marke, die zur Erinnerung an die vierzig Jahre zuvor unterzeichnete Charta der deutschen Heimatvertriebenen herausgegeben wurde, die letzte den Vertriebenen gewidmete Marke in der Zeit der deutschen Teilung.87 Inwiefern dies als politisches Statement des nun unter einer CDU-geführten Regierung bald vereinigten Deutschlands gedacht gewesen ist – schließlich hatte sich die Vertreter der Union bei der Abstimmung über die Ostverträge 1971 im Bundestag ihrer Stimme enthalten – bleibt bis zum Ablauf der Aktensperrfrist abzuwarten. Fest steht jedoch, dass von den drei am 5. Mai 1995 anlässlich des 50. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in zwei Blockausgaben herausgegebenen Briefmarken eine den zerstörten Städten – und damit nicht zuletzt auch den deutschen Städten –, eine der Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrationslagern und eine den Heimatvertriebenen gewidmet war.88 Sowohl 2005 als auch 2015 erschienen keine entsprechenden Gedenkmarken.
85 86 87 88
Vgl. Michel Nr. 1265. Vgl. E. Fendl, Briefmarken (wie Anm. 26), S. 53–54. Vgl. Michel Nr. 1470. Vgl. Michel Block Nr. 31 und 32. Zur Interpretation des auf der Vertriebenenmarke von 1995 dargestellten Flüchtlingstrecks als eines zentralen Bestandteils der Erinnerungsikonografie siehe Gerhard Paul, Der Flüchtlingstreck. Bilder von Flucht und Vertreibung als europäische lieux de mémoire, in: Ders. (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder I: 1900 bis 1949, Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, S. 666–673.
Historische Jubiläen auf Briefmarken Mit einem Anhang: Deutsche Briefmarken-Jubiläen 1924–2020 Achim Thomas Hack Im Jahre 2018 hat die Bundesrepublik Deutschland 52 Briefmarken herausgebracht.1 16 davon – also beinahe ein Drittel – waren historischen Jubiläen gewidmet: der Gründung von Städten und Universitäten, vielen Geburts- und einigen Todestagen, der Entstehung eines renommierten Orchesters und der gemeinnützigen Tafeln und nicht zuletzt der Weihe eines bekannten Domes. Geehrt wurden dabei weltberühmte Persönlichkeiten wie Karl Marx oder auch Helmut Schmidt, aber ebenso Menschen, die, wie Johannes Prassek, Eduard Müller, Hermann Lange sowie Karl Friedrich Stellbrink, sicherlich nicht jeder kennt; ihre Bekanntheit soll durch die Briefmarken-Ausgabe offenbar erst hergestellt werden. Diese Jubiläen beziehen sich auf historische Ereignisse, die vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit reichen, konkret: die sich zwischen dem 25. und dem 1 000. Mal jähren; am häufigsten kommt der 100. und 150. Jahrestag vor (jeweils vier Mal). Dabei dominiert das Prinzip der runden Zahl, wobei als solche Vierteljahrhunderte und alle ihre Vielfache betrachtet werden. Mancher dieser Ereignisse wurde 2018 zum ersten Mal gedacht, zum Beispiel der beiden Universitätsgründungen sowie der Geburtstage von Friedrich Schleiermacher, Peter Behrens und Magnus Hirschfeld. In anderen Fällen kann man dagegen von einer Fortschreibung der Jubiläen sprechen; so wird etwa die Stadtwerdung Rostocks, die Gründung des Gewandhausorchesters oder gar der Geburtstag von Karl Marx nicht zum ersten Mal auf Briefmarken gefeiert (wobei im Übrigen die Rhythmen unterschiedliche sind).
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Vgl. Michel Nr. 3352–3432. – Bis zur Privatisierung der Post im Jahre 1995 war das Postministerium für die Herausgabe der Briefmarken zuständig; seither nimmt das Finanzministerium diese Aufgabe wahr. Die damals gegründete Deutsche Post AG, ein privatwirtschaftliches Unternehmen, bezieht die Briefmarken von der Bundesrepublik.
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Jubiläen wie im Jahre 2018 werden schon lange auf Briefmarken thematisiert; im Laufe der Zeit sind daher viele Hunderte zusammengekommen. Die Zahl ist in Deutschland sogar besonders hoch, da mit der Bundesrepublik, der Deutschen Demokratischen Republik, West-Berlin und dem Saarland bis zu vier Postverwaltungen gleichzeitig existierten, von den noch komplizierteren Verhältnissen unter den Besatzungsmächten in der Nachkriegszeit hier einmal ganz abgesehen. Drei grundsätzliche Herangehensweisen bieten sich dabei an. Zunächst ist die Würdigung jedes Jubiläums auf Briefmarken ein bewusster und individueller Akt, eine Entscheidung für diesen und gegen andere Jahrestage. Daher liegt anfangs eine Einzelinterpretation nahe, die die (Vor-)Geschichte dieser Entscheidung, ihre postalische Umsetzung sowie die politischen und/oder kulturellen Implikationen analysiert.2 Zum Zweiten ist die Zahl der Briefmarken so hoch, dass sich, zumindest für bestimmte Fragestellungen, quantitative, um nicht zu sagen statistische Erhebungen, vornehmen lassen. Dies bietet die Möglichkeit, manche Thesen zur historischen Gedenkkultur auf eine solidere empirische Basis zu stellen. Drittens eröffnet die besondere Situation in Deutschland eine komparatistische Perspektive über das gewöhnliche Maß hinaus. Denn hier lassen sich nicht nur die unterschiedlichen Zeitabschnitte miteinander vergleichen, sondern – interessanter meist noch – die Ausgaben konkurrierender Staaten. Im Folgenden soll zuerst nach der Tradition der Jubiläen gefragt werden, die den allgemeinen Rahmen bildet. Diese Tradition reicht sehr weit zurück und erweist sich als vielfältiger, als man zunächst vielleicht vermuten würde (Kap. 1). Vielfalt ist zugleich der Begriff, mit dem sich auch die ersten Jubiläen auf Briefmarken charakterisieren lassen. Daher fällt es schwer, die Anfänge als ein punktuelles Ereignis zu begreifen; vielmehr muss man von tastenden Versuchen ausgehen, die erst nach und nach in die Praxis der Sondermarken zu Jahrestagen münden (Kap. 2). Ungeachtet der Tatsache, dass diese Art von Briefmarken ab den dreißiger Jahren immer beliebter werden, tauchen nach wie vor Probleme auf. Sie beziehen sich zum Teil auf die Jubiläen selbst und zum Teil auf deren Darstellung auf Briefmarken. Diese Schwierigkeiten sollen nicht übergangen werden – ganz im Gegenteil: Sie bilden den Gegenstand eines eigenen Kapitels (Kap. 3). Besonders interessant erscheint sodann das Problem der historischen Tiefe, mit anderen Worten: die Frage, welche Zeiträume für das historische Gedenken von Bedeutung sind. Hierfür bietet sich eine quantitative Auswertung geradezu an (Kap. 4). Zuletzt folgt eine listenartige Zusammenstellung aller Jubiläen auf deutschen Briefmarken. Sie soll nicht nur als Beleg der bisherigen Ausführungen dienen, sondern auch das Nachschlagen ermöglichen und als Ausgangspunkt für weitere Forschungen fungieren (Kap. 5).
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Die wichtigsten Materialien liegen in Berlin (Deutsches Reich und DDR) sowie in Koblenz (westliche Besatzungsbehörden und BRD).
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1. Jubiläen: Eine alte und vielschichtige Tradition Die Feier von historischen – also: kollektiven – Jubiläen ist längst zu einem selbstverständlichen Brauch geworden. Bisweilen wird schon darüber geklagt, dass die schmale Grenze „vom Jubiläum zur Jubiläumitis“ bereits überschritten sei3 – und die Argumente sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Umso wichtiger erscheint es, nach den Wurzeln dieser Tradition zu fragen. 1.1 Jüdische Jobeljahre Rein sprachlich betrachtet geht das moderne Jubiläum auf die Jobeljahre der jüdischen Bibel zurück. Im 25. Kapitel des Buches Levitikus wird von einem Befehl berichtet, den Jahwe auf dem Berg Sinai seinem Diener Mose übermittelt hat.4 Dabei heißt es unter anderem (Vers 8–10): „Und du sollst für dich sieben Sabbatjahre zählen, siebenmal sieben Jahre, so dass für dich die Zeit von sieben Sabbatjahren neunundvierzig Jahre seien. Und du sollst ein ‚Schofar‘ des Signalblasens erschallen lassen, im siebten Monat, am Zehnten des Monats, am Versöhnungstag sollt ihr ein ‚Schofar‘ in eurem ganzen Land erschallen lassen. Und ihr sollt das Jahr des fünfzigsten Jahres heiligen und im Land Freilassung ausrufen für alle seine Bewohner. Ein ‚Jobel‘ sei es für euch.“
Und wenig später wird erneut gesagt (Vers 11): „Ein ‚Jobel‘ sei es, das Jahr des fünfzigsten Jahres, für euch.“5
Was das entscheidende Wort ‚Jobel‘ bedeutet, ist allerdings bis heute unklar. So wird es auf der einen Seite mit dem ‚Widder‘ und vor allem dem ‚Widderhorn‘ in Zusammenhang gebracht, das an bestimmten Festtagen – und so auch am Beginn des Jobeljahres – geblasen wird. Auf der anderen Seite lässt es sich von einem Verb ableiten, das ‚(reichlich) bringen‘ und ‚loskaufen‘ bedeutet; dann wäre damit ein Jahr der Freilassung gemeint.6 Die Zahl 50 kommt auf eine eigenartige Weise zustande. Ausgangspunkt ist die Sieben, die etwa in der Zahl der Wochentage – durch den biblischen Schöpfungsbericht sanktioniert – als grundlegendes Zeitmaß fundiert ist. In Analogie dazu kann dann
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Vgl. Marko Demantowsky, From Anniversary to Anniversaryitis / Vom Jubiläum zur Jubiläumitis, in: Public History Weekly. The International Blogjournal vom 27. März 2014. Vgl. dazu umfassend Thomas Hieke, Levitikus 16–27, Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg i. Br. / Basel / Wien 2014, S. 975–1046. So die Übersetzung von Th. Hieke, Levitikus (wie Anm. 4), S. 977. Vgl. Th. Hieke, Levitikus (wie Anm. 4), S. 981 und 1000 f.
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von Jahrwochen gesprochen werden, die mit einem Sabbatjahr enden. Eine Potenzierung solcher Jahrwochen, also sieben mal sieben Jahre, ergibt denjenigen Zeitraum, der nach Levitikus 25 für das jüdische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialleben grundlegend sein soll. Das darauf folgende, das heißt das fünfzigste Jahr, bringt dann einen entscheidenden Einschnitt; es ist das erwähnte Jobeljahr.7 Dieses Jobeljahr wird bisweilen auch als Erlass- oder Befreiungsjahr bezeichnet. In ihm soll das (Acker- und Weide-) Land wieder an seinen anfänglichen Besitzer zurückgegeben und damit dessen ursprünglich gerechte Verteilung wiederhergestellt werden. Auf diese Weise möchte das Gesetz die Freiheit aller Israeliten im Sinne einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit zyklisch restituieren. Wenn man so möchte, kann man diese Bestimmung als Beispiel einer frühen Sozialgesetzgebung verstehen, die die Verarmung größerer Bevölkerungsgruppen vermeiden soll.8 Ein wichtiger Aspekt ist die Regelmäßigkeit dieses Vorganges: alle fünfzig Jahre. Sie steht in einem gewissen Gegensatz zu den Gnadenerlassen der (irdischen) Herrscher, die immer nur ad hoc erfolgten. Ob die Bestimmungen von Levitikus 25 regelmäßig in die Realität umgesetzt wurden, ist mehr als fraglich.9 Sie haben jedoch auch als Utopie schon ihre Wirkung entfaltet. 1.2 Kaiserliche Herrscherjubiläen Eine von der jüdischen Bibel unabhängige, obwohl ganz selbstverständlich als „Jubilarfeiern“ etc. bezeichnete Tradition, stellen die Herrschaftsjubiläen der römischen Kaiser dar. Sie sind häufig durch Inschriften und besonders durch Münzen bezeugt und fanden daher lange Zeit vor allem in der numismatischen und epigraphischen Forschung Beachtung (z. B. bei Harold B. Mattingly, André Chastagnol und anderen).10
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Vgl. dazu auch Christoph Berner, Jahre, Jahrwochen und Jubiläen. Heptadische Geschichtskonzeptionen im Antiken Judentum, Beihefte zur Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft CCCLXIII, Berlin / New York 2006. Vgl. Th. Hieke, Levitikus (wie Anm. 4), S. 981 und 998–1003. Vgl. Th. Hieke, Levitikus (wie Anm. 4), S. 998 und 1040–1044. Ausgangspunkt für die späteren Forschungen ist, obwohl ziemlich knapp gehalten, Georg Wissowa, Art. Decennalia, in: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft IV, 2, Stuttgart/Weimar 1901, Sp. 2265–2267. Sodann Harold B. Mattingly, The Imperial ‚vota‘, in: Proceedings of the British Academy XXXVI 1950, S. 155–195 und XXXVII 1951, S. 219–268; André Chastagnol, Les Quinquennalia des trois Césars (Crispus, Licinius II., Constantin II.) en 321, in: Gerhard Wirth (Hrsg.), Romanitas – Christianitas. Untersuchungen zur Geschichte und Literatur der römischen Kaiserzeit. FS Johannes Straub zum 70. Geburtstag, Berlin / New York 1982, S. 367–374; Ders., Les inscriptions des monuments inaugurés lors des fêtes impériales, in: Mélanges de l’École française de Rome. Antiquité C 1988, S. 13–26 (sowie etliche weitere Arbeiten Chastagnols).
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Umstritten ist, seit wann es diesen Brauch gab. Cassius Dio behauptet, die Tradition gehe auf Kaiser Augustus zurück, jedoch handelt es sich dabei sehr wahrscheinlich um eine Rückprojektion späterer Verhältnisse. Erst Tiberius scheint alle zehn Jahre „vota“ geleistet (also 24 und 34 n. Chr. eingelöst) zu haben und ab Hadrian sind solche in Verbindung mit Festen gut bezeugt. Seit Beginn der Antoninischen Dynastie wurden solche Jubiläen auf Münzen verewigt.11 Begangen wurden Quinquennalien, Decennalien, Vicennalien und Tricennalien anlässlich des fünf-, zehn-, zwanzig- und dreißigjährigen Herrschaftsjubiläums. Am Beginn des jeweiligen Zeitabschnittes wurden Gelübde eingegangen („vota suscipere“) und am Ende dann eingelöst („vota solvere“) – und dies „pro salute et incolumitate imperatoris“ oder für ähnliche Anliegen. Bei einer Fortsetzung der Regierung genügte auch ein schlichtes „sic X sic XX“ etc. Ab dem zweiten Jahrhundert wurden diese Jubiläen „bewusst als ein Hauptereignis der kaiserlichen Regierung in Szene gesetzt.“12 Als die Herrscher später dann nicht mehr in der Ewigen Stadt residierten, waren sie oftmals der Grund für einen Rombesuch. Auch Theoderich der Große kam im Jahre 500 anlässlich seiner Tricennalien in die ehemalige Hauptstadt am Tiber. Es ist zugleich der letzte Beleg für Herrscherjubiläen dieser Art.13 An diese Jubiläen haben nicht nur zahllose Münzen und einige Largitionsschalen erinnert (eine davon befindet sich im Silberschatz von Kaiseraugst), sondern auch monumentale Bauwerke in Rom. Davon übrig geblieben ist nur die gewaltige Decennalienbasis an der östlichen Seite des Forum Romanum. Sie gehörte zu dem sogenannten Fünf-Säulen-Monument, das anlässlich des zehnjährigen Bestands der ersten Tetrarchie im Jahre 303 errichtet wurde: Auf den Säulen standen die Bilder von Diokletian, Maximian, Konstantin I. und Galerius sowie in der Mitte das des Göttervaters Jupiter. Auf einem Relief am Konstantinsbogen ist das heute größtenteils verlorene Denkmal hinter der Rostra Diocletiani sehr gut zu erkennen.14 11 12 13
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Vgl. dazu und zum Folgenden Matthäus Heil, Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser, in: Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer (Hrsg.), Feiern und Erinnern. Geschichtsbilder im Spiegel antiker Feste, Studien zur Alten Geschichte XII, Berlin 2009, S. 167–202 (mit der älteren Literatur). Ebd., S. 167. Zum vielbeachteten Romzug des Theoderich vgl. jüngst Hans-Ulrich Wiemer, Theoderich der Große. König der Goten – Herrscher der Römer. Eine Biographie, München 2018, S. 22–32. Dort wird die These von Jonathan J. Arnold, Theoderic and the Roman Imperial Restoration, Cambridge / New York 2014, S. 204 f. Anm. 18, dass „tricennalia“ (nur beim Anonymus Valesianus bezeugt) eine irrtümliche Lesung für „decennalia“ sei, nicht beachtet. Vgl. Hans Peter L’Orange, Ein tetrarchisches Ehrenmal auf dem Forum Romanum, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom LIII 1938, S. 1–34; Gerhard M. Koeppel, Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit VII: Der Bogen des Septimius Severus, die Decennalienbasis und der Konstantinsbogen, in: Bonner Jahrbücher CXC 1990, S. 1–64, hier besonders 32–38 und 56–60; zuletzt Matthias Haake, Zwischen Severus Alexanders Triumph über die Sāsāniden im Jahre 233 und den Triumphfeierlichkeiten Diocletians und Maximians im Jahre 303. Zum römischen Triumph im dritten Jahrhundert n. Chr., in: Fabian Goldbeck /
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1.3 Römische Säkularfeiern Neben den Herrschaftsjubiläen wurden im kaiserzeitlichen Rom auch der Anfang bzw. das Ende der Saecula feierlich begangen. Dabei handelte es sich um deutlich größere Zeitabschnitte, ihr konkreter Umfang divergiert allerdings nicht unerheblich. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass sich mit diesem Ausdruck recht unterschiedliche Vorstellungen und Praktiken verbinden. An erster Stelle ist auf die etruskische Saecula-Lehre zu verweisen, über die unter anderen Censorin, ein römischer Autor des 3. Jahrhunderts, in seiner Schrift über den Geburtstag („De die natali“) berichtet. Ein Saeculum hat demnach keine feste Dauer, sondern ist durch die im jeweiligen Falle längstmögliche Erstreckung des menschlichen Lebens definiert („saeculum est spatium vitae humanae longissimum partu et morte definitum“). Seine Kenntnis bezieht der Verfasser, wie er ausdrücklich versichert, aus etruskischen Ritualbüchern.15 In eine andere Tradition gehören die Saecularfeiern, die Kaiser Augustus im Jahre 17 v. Chr. veranstaltet hat. Sie sind nicht zuletzt deshalb bis zum heutigen Tage bekannt, weil das dafür erforderliche Carmen saeculare bei dem Dichter Horaz in Auftrag gegeben wurde. Den Termin hat der Herrscher offenbar frei gewählt (zunächst wohl für 16 v. Chr.), aber frühere Feiern zu den Jahren 126, 236, 346 und 456 v. Chr. in die Kapitolinischen Fasten eintragen lassen – eine erfundene Tradition mit dem Intervall von 110 Jahren. Nach Augustus haben Domitian 88 und Septimius Severus 204 n. Chr. diesen Rhythmus zumindest in etwa noch beibehalten.16 Wieder eine andere Tradition verband die Saecularfeier mit der (von Varro auf 753 v. Chr. festgesetzten) Stadtgründung Roms. Dies geschah durch Kaiser Claudius im Jahre 47 (800 Jahre), Antoninus Pius 147 (900 Jahre) und Philippus Arabs 248 (1 000 Jahre). Vor allem über das an letzter Stelle genannte Ereignis wird in zahlreichen Quellen berichtet. So wissen wir, dass aus Anlass dieser Tausendjahrfeier Tierspiele im Circus Maximus, Theaterspiele auf dem Marsfeld und außerdem Gladiatorenspiele und Wagenrennen abgehalten wurden; der Kaiser ließ Münzen unter anderem mit sei-
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Johan nes Wienand (Hrsg.), Der römische Triumph in Prinzipat und Spätantike, Berlin/Boston 2017, S. 357–395, hier 380 f. Vgl. Censorini De die natali liber ad Q. Caerellium, ed. Klaus Sallmann, Leipzig 1983, cap. 17, 2 (S. 32: die zitierte Definition) und 17, 5 (S. 34: „rituales Etruscorum libri videntur docere“). Dazu Burkhard Gladigow, Aetas, aevum und saeclorum ordo. Zur Struktur zeitlicher Deutungssysteme, in: David Hellholm (Hrsg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983, S. 255–271, besonders 262–265. Die Saecularspiele des Augustus sind zweifellos am besten erforscht, vgl. vor allem John F. Hall III, The ‚Saculum Novum‘ of Augustus and its Etruscan Antecedents, in: Aufstieg und Niedergang der Alten Welt II, 16, 3, Berlin / New York 1986, S. 256–289; Hubert Cancik, Carmen und sacrificium. Das Saecularlied des Horaz in den Saecularakten des Jahres 17 v. Chr., in: Ders., Verse und Sachen. Kulturwissenschaftliche Interpretationen römischer Dichtung, Würzburg 2003, S. 83–99 (zuerst 1996).
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nem Bild und der Aufschrift „Saeculares (ludi sc.) Augg.“ schlagen. Wie es scheint, hat keine andere Stadt in der Antike ein ähnliches Jubiläum gefeiert.17 Allerdings endete damit auch die Tradition. Als 347 – jetzt unter christlichen Vorzeichen – eine 1 100-Jahr-Feier nicht zustande kam, wurde dies von Autoren wie Zosimos und Aurelius Viktor aufs heftigste beklagt. Sie bringen sogar den Untergang des Reichs mit diesem Versäumnis in Verbindung.18 1.4. Heilige Jahre Mit einer bewussten Anknüpfung an die Tradition des Alten Testaments wurde im Jahre 1300 das erste Heilige Jahr gefeiert. Dieser Zusammenhang fand schon in der Bezeichnung als „annus iubileus“ seinen Ausdruck, die erst mit der Zeit durch „annus sanctus“ ergänzt wurde. Nach dem Bericht des Kardinals Iacopo Stefaneschi recherchierte man zwar in alten Büchern, ob es schon früher solche Gnadenjahre gegeben habe, wurde dort aber nicht fündig. Allerdings erinnerte sich ein angeblich 107 Jahre alter Mann, dass vor hundert Jahren schon einmal eine entsprechende Indulgenz verkündet worden sei – ein offensichtliches Beispiel für eine „invented tradition“.19 Diese Praxis der mittelalterlichen Jubeljahre setzt also im Jahre 1300 neu ein. Papst Bonifaz VIII. versprach einen vollkommenen Ablass allen, die nach Rom kommen und 15 Tage als Büßer die Basiliken des heiligen Petrus und Paulus besuchen würden (für Einheimische galt die doppelte Frist). Der Erfolg war enorm: Scharen von Gläubigen kamen in die Ewige Stadt, auch mit wirtschaftlich positiven Folgen. Das nächste Heilige Jahr sollte zunächst hundert Jahre später stattfinden, wurde aber von Clemens VI. auf fünfzig Jahre (1350) reduziert. Damit nicht genug verringerte Urban VI. den zeitlichen Abstand auf 33 (1390 nachgeholt), Paul II. schließlich auf 25 Jahre (1475); so ist es bis heute geblieben (zuletzt 2000). Der Kreis der zu besuchenden Kirchen wurde dabei immer mehr erweitert, bis sich am Ende des Mittelalters ein Kanon von sieben Hauptkirchen herausgebildet hatte.20 17 18 19
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Vgl. Christian Körner, Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte LXI, Berlin / New York 2001, S. 248–259. Vgl. B. Gladigow, Aetas (wie Anm. 15), S. 266; Chr. Körner, Philippus Arabs (wie Anm. 17), S. 251. Vgl. Iacopo Stefaneschi, De centesimo seu iubileo anno, ed. Paul Gerhard Schmidt, Florenz 2001, cap. 1 (S. 1–3: „Hinc vetustorum revolvi librorum monimenta pius pater edixit“) und 2 (S. 3–5: „Nec vivus preteritorum defuit testis, qui peregrinationis sue centum et septem asseverans annos multi etiam eodem presule coram, ob id ipsum adscitus, astrueret, meminisse patrem alio centesimo Rome, quousque, quem secum detulit, agricole suffecit victus, ob indulgentiam moratum; seque ammonuisse, ut, si, quod non putaret, advenisset, venturo centesimo Rome nequaquam puer adesse pigritaretur.“). Vgl. auch die Anmerkungen zu diesem Text. Die Literatur über die Heiligen Jahre ist abundant. An Ausführlichkeit kaum noch zu überbieten ist Gloria Fossi (Hrsg.), La storia dei Giubilei I–IV, Rom/Florenz 1997–2000 (Bd. I: 1300–1423;
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Seit dem Jahr 1500 ist der Beginn des Heiligen Jahres mit einem bestimmten Ritual verbunden: der Öffnung der Heiligen Pforte, das heißt eines der Tore von Sankt Peter, das dann am Ende des Heiligen Jahres wieder zugemauert wird. Beide Akte nimmt der Papst höchstpersönlich vor, jeweils mit einem besonderen Hammer und einer besonderen Kelle. Der Pontifex demonstriert dabei seine Schlüsselgewalt und erfüllt das Prophetenwort: „dass er auftue und niemand zuschließe, dass er zuschließe und niemand auftue“ ( Jesaia 22, 22).21 Nicht zuletzt durch dieses Zeremoniell wurde der Papst stark in den Vordergrund gerückt und wie selbstverständlich ging man lange davon aus, dass er das Heilige Jahr initiierte und von ihm am meisten profitierte. Unlängst wurde aber überzeugend nachgewiesen, dass es die Kanoniker von Sankt Peter waren, von denen diese Anregung ausging und konsequent in die Realität umgesetzt wurde. Erst sehr viel später wurde das Heilige Jahr dann zu einer vorrangig päpstlichen Angelegenheit.22 1.5 Universitäts- und Reformationsjubiläen der Frühen Neuzeit Mit der konfessionellen Spaltung, besonders im Deutschen Reich, verloren die Heiligen Jahre der Päpste für erhebliche Teile der Bevölkerung ihre Verbindlichkeit. Allerdings verzichtete man auch seitens der Protestanten nicht auf die Feier von Jahrestagen, es traten nur andere Anlässe in den Vordergrund. An erster Stelle waren das diejenigen Ereignisse, die sich auf die Gründungsgeschichte der eigenen Konfession bezogen. So feierte man im Jahre 1617 (beispielsweise in Jena) die 95 Thesen Luthers, 1630 das Augsburger Bekenntnis und 1655 den Augsburger Religionsfrieden. Sehr bald schon drängten sich die Jahre auf 17 sowie 67 in den Vordergrund, zuletzt 2017; dieses Jubiläum, empfunden als eine besonders markante Zahl,
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Bd. II: 1450–1575; Bd. III: 1600–1775, Bd. IV: 1800–2000; jeweils mit umfangreicher Bibliographie). – Hinzu kommen ab dem 16. Jahrhundert auch noch die außerordentlichen Jubeljahre. Vgl. dazu Andrea Weinmann, Sola fides salvat rusticum. Das Heilige Jahr 1500 aus der Sicht des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckardus, in: Nikolaus Staubach (Hrsg.), Rom und das Reich vor der Reformation, Tradition – Reform – Innovation VII, Frankfurt/Main u. a. 2004, S. 237–249. Vgl. Jochen Johrendt, Alle Wege führen nach Rom. Zur Erfindung des Heiligen Jahres (1300), in: Ders. / Romedio Schmitz-Esser (Hrsg.), Rom – Nabel der Welt. Macht, Glaube, Kultur von der Antike bis heute, Darmstadt 2010, S. 87–101. – Zu den Heiligen Jahren der jüngeren Vergangenheit (den regelmäßigen wie außerordentlichen) wurden auch Briefmarken herausgebracht, so in Italien (zu 1925, 1933, 1950, 1975, 1983, 2000 und 2015) und im Vatikan (ab 1933, außerdem 1998–2000 ein Satz zu 25 Jubeljahren sowie den jeweils regierenden Päpsten seit 1300). In Deutschland wird nur auf drei saarländischen Briefmarken das Heilige Jahr 1950 thematisiert (Michel Nr. 293–295).
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wurde sogar mit einer „Luther-Dekade“ begangen (die zehn Jahre lagen dabei allerdings im Vorfeld und nicht, wie zu erwarten, nach dem zu feiernden Ereignis).23 Mehr als nur eine Marginalie ist der Befund, dass Luther erst seit dem Jahre 1717 mit dem Hammer – die Thesen an die Wittenberger Kirchentür schlagend – abgebildet wird, seither aber dann mit großer Regelmäßigkeit. Diese Ikonographie stellt, wie Joachim Ott herausgestellt hat, eine direkte Bezugnahme auf die Öffnung der Porta sancta in Rom durch die Päpste dar und damit auf die katholischen Jubeljahre.24 In die protestantische Tradition gehören außerdem auch die Universitätsjubiläen, die deutlich älter als die Reformationsjubiläen sind. Als frühe Beispiele lassen sich etwa die Hundert- bzw. Zweihundertjahrfeiern in Tübingen (1578), Heidelberg (1587), Wittenberg (1602) und Leipzig (1609) anführen. Allerdings reicht der universitäre Brauch bis weit ins Mittelalter zurück, wie vor allem am Beispiel Erfurts (1404, 1492) gezeigt worden ist. Hier lässt sich dann, wenn man so möchte, der (Wieder-)Beginn einer profanen Jubiläumspraxis ansetzen.25 Universitätsjubiläen sind seither ein wichtiger Bestandteil der akademischen Festkultur; sie bieten den Anlass für meist umfangreiche Universitätschroniken und Werke vergleichbarer Art. Und sie sind – in Deutschland seit 1944, dem 400-jährigen Jubiläum der Albertus-Universität zu Königsberg26 – ein beliebter Gegenstand von Gedenkbriefmarken – und zwar bis zum heutigen Tag, wie bereits zu sehen war.
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Vgl. Winfried Müller, Vom ‚papistischen Jubeljahr‘ zum historischen Jubiläum, in: Paul Münch (Hrsg.), Jubiläum, Jubiläum … Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, S. 29–44; Hartmut Lehmann, Martin Luther und der 31. Oktober 1517, in: ebd., S. 45–60. – Wahrscheinlich als Reaktion auf das Reformationsjubiläum erließ Paul V. 1617 ein außerordentliches Jubeljahr, vgl. Iris Loosen, Die „universalen Jubiläen“ unter Papst Paul V., in: ebd., S. 117–137, vor allem S. 134–136. Vgl. Joachim Ott, Luther mit dem Hammer. Die Entstehung des Bildmotivs 1717 und die Öffnung der Heiligen Pforte von St. Peter in Rom, in: Lutherjahrbuch LXXXIV 2017, S. 278–355. Winfried Müller, Erinnern an die Gründung. Universitätsjubiläen, Universitätsgeschichte und die Entstehung der Jubiläumskultur in der frühen Neuzeit, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte XXI 1998, S. 79–102; Ders., Das historische Jubiläum. Zur Geschichtlichkeit einer Zeitkonstruktion, in: Ders., (Hrsg.), Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004, S. 1–75; Robert Gramsch, Erfurt – die älteste Hochschule Deutschlands. Vom Generalstudium zur Universität, Schriften des Vereins für die Geschichte der Altertumskunde von Erfurt IX, Erfurt 2012, S. 97 und mehrfach. Vgl. Michel (Deutsches Reich) Nr. 896.
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1.6 Bürgerliche Jubiläen Natürlich ließe sich die Reihe leicht fortsetzen. Man könnte zum Beispiel an die nicht sehr zahlreichen Friedensjubiläen denken, oder aber an die immer wieder neu gedeuteten Revolutionsjubiläen in Frankreich und an vieles mehr.27 Prägend für das „bürgerliche Zeitalter“ waren sie jedoch nicht. Charakteristisch wurden dagegen die Jubiläen der oft zitierten „Dichter und Denker“, das heißt die runden Geburts- und Todestage von Schriftstellern, Komponisten, bildenden Künstlern, von Erfindern und Wissenschaftlern, namentlich Schiller und Goethe, Bach und Dürer, Luther und Gutenberg und etliche andere. Recht häufig wurden bei dieser Gelegenheit nicht nur die Feste gefeiert, sondern auch Denkmäler errichtet und Standbilder aufgestellt, die zum Teil bis heute die deutschen Innenstädte prägen.28 Eine weitere Kategorie, die bald sehr wichtig wurde, waren die Betriebsjubiläen. Dabei konnte nicht nur das Alter der Firma (Firmenjubiläum) oder ein Geburtstag des Inhabers (Inhaberjubiläum) gefeiert werden, sondern auch die Zugehörigkeit des Angestellten zum Betrieb (Angestelltenjubiläum). Diese Jubiläen haben nicht zuletzt eigene Formen an historischer Literatur hervorgebracht (wie Firmenfestschriften, Unternehmensgeschichten, Unternehmerbiographien) und können daher als sehr gut dokumentiert gelten.29 Schließlich wurden auch die Jubiläen der Individuen immer bedeutender und sind aus der Festkultur – bis heute – nicht mehr wegzudenken: runde Geburtstage, Goldene Konfirmationen, Diamantene Hochzeiten sowie langjährige Betriebszugehörigkeiten und Mitgliedschaften in Vereinen, um nur die gängigsten zu nennen. Sie sind nicht nur deshalb interessant, weil sie gewissermaßen das Bild abrunden, sondern stellen rein empirisch betrachtet die weitaus häufigste Form des Jubiläums dar.30 Es bleibt noch zu fragen, welche Zeitintervalle denn damals als angemessen empfunden wurden. Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm findet sich dazu der folgende Eintrag: „Jubiläum, n. jubelfest; (…) heute im allgemeinen gebrauche, von einer hundert-, fünfzig-, fünfundzwanzigjährigen gedenkfeier“.31 Daran hat sich im Wesentlichen bis heute nichts mehr geändert. 27 28 29
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Vgl. etwa Heinz Duchhardt, Friedensjubiläen, in: Paul Münch (Hrsg.), Jubiläum, Jubiläum … Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, S. 87–92; Klaus Deinert, Konkurrierende Jubiläen der Französischen Revolution im 19. Jahrhundert, in: ebd., S. 93–107. Vgl. Rüdiger vom Bruch, Jubilare und Jubiläen in Kunst und Wissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: Paul Münch (Hrsg.), Jubiläum, Jubiläum … Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, S. 171–207. Vgl. Thomas Keiderling, Betriebs- und Branchenjubiläen in Sachsen 1871 bis 1945, in: Winfried Müller (Hrsg.), Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004, S. 309–330; Heinz Voosen, Die Jubiläumsschrift im Wandel der Zeit. Ein Streifzug durch die Geschichte berühmter Firmen und Unternehmer, Berlin 1996 (essayistisch). Zu „Privatjubiläen“, allerdings von Monarchen, vgl. W. Müller, Jubiläum (wie Anm. 25), S. 42–50. Jacob Grimm / Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch X, Leipzig 1877, s. v. Jubiläum, Sp. 2343.
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2. Jubiläen kommen auf Briefmarken Es hat ziemlich lange gedauert, bis in Deutschland – und anderswo – die ersten Sondermarken erschienen sind. Der Grund dafür ist recht einfach: Es gab keinen Bedarf dafür. Mehr als fünf Jahrzehnte lang schien es ausreichend, für jedes vorgesehene Porto eine Briefmarke vorzuhalten. Auf diesen Briefmarken waren einfache Ziffern (beginnend mit dem Bayern-Einser und dem Sachsen-Dreier), der gekrönte Reichsadler (auf großem oder kleinem Schild) und dann vor allem die Gestalt der Germania (mit eigentümlichem Brustpanzer) abgebildet.32 Die beiden zuletzt genannten Motive gehören zu dem, was man als Staatssymbolik zu bezeichnen gewohnt ist, das erste erklärt sich schlicht und einfach aus der Pragmatik. Für Jubiläen – so könnte man sagen – war auf Briefmarken also lange Zeit kein Platz. Und als diese besonderen, die Aufmerksamkeit stets mehr als die im Gegenzug dazu entstehenden Dauermarken erregenden Wertzeichen häufiger wurden, setzte sich das Gedenken an historische Ereignisse und Personen nur langsam durch. Diese gleichsam tastenden Versuche führten erst in den dreißiger Jahren zu den Formen postalischen Gedenkens, die wir noch heute gewohnt sind. Es lohnt sich daher, sie wenigstens skizzenhaft nachzuzeichnen. 2.1 Zentenarfeier für Kaiser Wilhelm I. Die ersten hier interessierenden Briefmarken sind genau im Jahre 1900 erschienen und haben bis in das Jahr 1920 hinein immer wieder neue Auflagen erlebt. Es handelt sich um einen Satz mit den vier Werten zu 1, 2, 3 und 5 Mark, der mit „Repräsentative Darstellungen des Deutschen Reichs“ überschrieben ist.33 Diese Briefmarken sind größer als alle bisherigen, sie haben als erste Querformat und geben regelrechte Gemälde wieder. Man könnte daher geneigt sein, sie als die ersten Sondermarken des Deutschen Reiches zu bezeichnen. Zugleich existieren, gewissermaßen als Dauermarken, die Briefmarken mit dem Germania-Motiv und zwar in Werten von 2 Pfennig bis zu 10 Mark. Allerdings kommen die hohen Werte nur durch Überdrucke auf niedrigeren Werten zustande, sodass man eher von einer Ergänzung dieses Satzes im oberen Bereich (und das heißt: noch keiner eigentlichen Aufspaltung in Dauer- und Sondermarken) ausgehen muss.34
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Lothar Gall, Germania. Eine deutsche Marianne? / Une Marianne allemande?, Bonn 1993. Michel Nr. 63–66 (sowie 78–82, 94–97 und 113–118). Die beiden ersten Briefmarken, um die es im Folgenden nicht gehen wird, zeigen das Reichspostamt in Berlin und die Personifikationen von Nord und Süd aus einem Gemälde von Anton von Werner.
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Auf der dritten Briefmarke dieses Satzes (3 Mark) ist die Einweihung des KaiserWilhelm-Nationaldenkmals in Berlin nach einem Gemälde von William Pape dargestellt. Es handelt sich dabei um ein ungewöhnliches Monument mit einer sehr bemerkenswerten Geschichte. Die erste Ausschreibung eines Wettbewerbs dafür im Jahre 1889 brachte zwar 147 Entwürfe ein, von denen aber keiner dem Enkel des zu Ehrenden zusagte. Daher wurde 1891 ein zweiter Wettbewerb im kleinen Kreise ausgeschrieben, den der von Wilhelm II. bereits im Vorfeld favorisierte Reinhold Begas erwartungsgemäß gewann. 1895 erfolgte die Grundsteinlegung, 1897 war das Denkmal fertiggestellt und konnte eingeweiht werden. 1950 wurde es, obwohl im Krieg kaum beschädigt, bis auf den Sockel wieder abgetragen.35 An der Schlossfreiheit, direkt gegenüber dem Hauptportal des königlichen Schlosses gelegen, bestand es aus einer Figurengruppe, die von einer lichten Kolonnade hinterfangen war (und darauf an den Seiten zwei Quadrigen). Das Monument beeindruckte allein schon durch seine Größe: Auf einem hohen Sockel mit vier auf Kugeln stehenden Victorien und bewacht von ebenfalls vier Löwen (mit Trophäen) war das von einem weiblichen Genius geleitete Reiterstandbild Wilhelms I. angebracht, das allein neun Meter hoch war (das gesamte Denkmal: 21 Meter). Die Inschrift lautete: „Wilhelm der Große, König von Preußen 1861–1888“ sowie „Aus Dankbarkeit und treuer Liebe das Deutsche Volk“.36 Das Gemälde von Pape zeigt nun den Einweihungsakt für dieses Monument, den der Enkel persönlich vornahm: Wilhelm II. sitzt wie sein Großvater ebenfalls auf einem Pferd (und zwar nur er), gefolgt von einer unüberschaubaren, sich im Hintergrund verlierenden Menge. Über dem Gemälde sind die Jahreszahlen „1797“ und „1897“ zu lesen, dazwischen das Tagesdatum, der „22. März“. Diese Zahlen verweisen auf die Geburt Wilhelms I., die sich 1897 zum hundertsten Mal jährte; sein Geburtstag und zugleich der Tag der Denkmalsenthüllung war der 22. März. Dabei handelte es sich selbstverständlich um keine zufällige Koinzidenz, sondern vielmehr um das Ergebnis langfristiger Planungen von allerhöchster Stelle. Wilhelm II. war bekanntlich ein glühender Verehrer seines eigenen Großvaters, den er (und so auch auf diesem Monument) als „Wilhelm den Großen“ titulierte – ein Beiname, den die Nachwelt allerdings nicht übernommen hat. Die Ehrungen für den Vorgänger kulminierten in den „Centenarfeiern“ vom 21. bis zum 23. März und diese 35 36
Auf diesem Sockel soll demnächst (?) das sogenannte Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet werden. Zum Nationaldenkmal vgl. Herbert Schwenk, Pathos aus Kunst und Erz, in: Berlinische Monatsschrift 1997, S. 21–28; Hartmut Ellrich, Das Berliner Schloss. Geschichte und Wiederaufbau, Petersberg 2008, S. 31–33, 43 f. – Zu einer verkleinerten Nachbildung vgl. Peter Bloch / Sibylle Einholz / Jutta von Simson (Hrsg.), Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, Berlin 1990, S. 38 f. (Sibylle Einholz). – Über den damaligen Boom an KaiserWilhelm-Denkmälern vgl. Peter Bloch / Waldemar Grzimek, Die Berliner Bildhauerschule im neunzehnten Jahrhundert. Das klassische Berlin, Berlin 1994, Sp. 207–211.
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gipfelten wiederum in der Eröffnung des Berliner Nationaldenkmals am Geburtstag des Geehrten selbst.37 Es geht also auf der Briefmarke durchaus um ein Jubiläum, allerdings nur auf indirekte Weise. Ihr Thema ist nicht etwa Wilhelm I., sondern die Zentenarfeier, die sein gleichnamiger Enkel feierlich zelebriert hat. Der alte Kaiser ist ganz am oberen Bildrand und nur mit einiger Übung zu erkennen, im optischen Zentrum steht vielmehr Wilhelm II., der sich mit seiner Geste der Ehrerbietung – denn um eine solche handelt es sich hier – auf den ruhmreichen Vorgänger bezieht. Noch ein anderer Punkt sollte dabei nicht übergangen werden. Die hier interessierende Briefmarke ist nicht etwa zum runden Geburtstag des Kaisers erschienen, sondern erst circa drei Jahre danach (und dann immer wieder). Gedenkmarken kommen dagegen stets im Jahr des eigentlichen Jubiläums heraus und sind nur für einen relativ eng begrenzten Zeitraum verfügbar. Als eine Sondermarke im späteren Sinne war das Postwertzeichen vom Jahr 1900 jedenfalls nicht gedacht. 2.2 Fünfundzwanzig Jahre Reichsgründung Auf der vierten Briefmarke desselben Satzes (5 Mark) sind die Worte „Ein Reich, ein Volk, ein Gott“ zu lesen. Dargestellt ist darauf die Reichsgründungsgedenkfeier von 1896 im Weißen Saal des Berliner Schlosses. Zu sehen ist der junge Kaiser mit Adlerhelm und einer gesenkten Fahne in der Hand, die andere auf den Griff seines Degens gelegt; vor ihm sind die Insignien (Krone und Reichsapfel) ausgestellt, der Thron hinter ihm ist nur zum Teil zu erkennen. Viele hoch dekorierte Herren und eine lange Reihe von Fahnen (im Hintergrund) rahmen den Herrscher.38 Die Vorlage für diese Darstellung stammt wieder von William Pape, der, wie bereits gesehen, auch schon die Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals gemalt hatte. Pape war 1859 in Karlshütte nahe Rendsburg geboren worden, hatte in Berlin und Paris studiert und Studienreisen, unter anderem nach Italien unternommen. Nachdem er sich in der preußischen Metropole niedergelassen hatte, betätigte er sich vor allem in der Historienmalerei, wobei fast immer borussische Motive im Vordergrund standen: die Zweihundertjahrfeier des preußischen Königshauses, Wilhelm II. beim Neujahrsempfang, die Aufbahrung Wilhelms I. im Berliner Dom usw. Kein Wunder daher, dass 37
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Zu den Zentenarfeiern vgl. Fritz Schellack, Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945, Frankfurt a. M. 1990, S. 33–43; John C. G. Röhl, Wilhelm II. [Bd. II:] Der Aufbau der Persönlichen Monarchie 1888–1900, München 2001, S. 953–960 („Der Kult um ‚Kaiser Wilhelm den Großen‘“). Zur Nutzung des Schlosses und der einzelnen Räume zur Zeit Wilhelms II. vgl. Wolfgang Neugebauer, Residenz – Verwaltung – Repräsentation. Das Berliner Schloß und seine historischen Funktionen vom 15. bis 20. Jahrhundert, Kleine Schriftenreihe der Historischen Kommission zu Berlin I, Potsdam 1999, S. 57–63.
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sogar der Kaiser selbst zu seinen Kunden zählte. Pape verstarb 1920 in Stockholm bei einem Unfall.39 Die Reichsgründungsgedenkfeiern erinnerten an die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Schloss zu Versailles. Sie waren bei weitem nicht so beliebt wie die viel stärker militärisch konnotierten Sedan-Feiern am 2. September. Noch in der Weimarer Republik wurde der Januar-Termin (etwa von Gustav Stresemann und der DVP) als jährlich zu begehender Nationalfeiertag ins Spiel gebracht, aber erreichte trotz wiederholter Diskussion diesen Status niemals.40 Dass der Kaiser 1896 immerhin anlässlich eines runden Jubiläums an einer solchen Gedenkfeier teilgenommen hat, ist daher zumindest bemerkenswert.41 Während auf der Briefmarke zu 3 Mark das gefeierte Jubiläum durch die Jahresangaben in aller Deutlichkeit benannt worden ist, gibt das Postwertzeichen zu 5 Reichsmark keinen entsprechenden Hinweis. Wer das Bild William Papes nicht kennt oder es zumindest lesen kann – aber: woran erkennt man eine 25-Jahr-Feier? –, dem wird sich dieses Jubiläum nicht erschließen. 2.3 Hundert Jahre Württemberg Die entscheidenden Neuerungen, was die Feier von Jubiläen betrifft, vollzogen sich nicht in der Kapitale des Deutschen Reichs, sondern im württembergischen Südwesten; und zwar nicht in der vollen Öffentlichkeit der Freimarken, sondern auf den Dienstmarken für den internen postalischen Verkehr. Zum Hintergrund: Das Königreich Württemberg hatte seine Posthoheit beim Beitritt zum Deutschen Reich nicht aufgegeben, sondern verzichtete erst am 1. April 1902 auf die Ausgabe eigener Freimarken; Dienstmarken behielt man dagegen noch bis Ende 1923 bei und diese wurden dadurch zum letzten Refugium der württembergischen Briefmarken-Kultur. Dabei sind zwei Arten zu unterscheiden: Dienstmarken für Gemeindebehörden, die von 1875 bis 1923 erschienen, und Dienstmarken für Staatsbehörden, die von 1881 bis 1920 herauskamen. Auf diesen Dienstmarken – und zwar auf denen beiderlei Art – wurde nun im Januar 1906 an das hundertjährige Bestehen des Königreichs Württemberg erinnert. Genau genommen handelte es sich um einen Überdruck: Auf die gängigen Dienstmarken mit
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Trotz der großen Bedeutung Papes scheint es kein Werksverzeichnis, geschweige denn eine Biographie des Malers zu geben. Für die Lebensdaten vgl. daher Meyers Großes Konversations-Lexikon XV, Leipzig 1908, S. 387; Ulrich Thieme / Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler XXVI, Leipzig 1932, S. 219. Vgl. F. Schellack, Nationalfeiertage (wie Anm. 37), S. 161 f., 193–196, 261–265. Auch der Sedanstag wurde nie offizieller Feiertag. Vgl. allerdings nur beiläufig J. C. G. Röhl, Wilhelm II. (wie Anm. 37), Bd. II, S. 884.
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Ziffern in der Mitte wurde oben eine Krone und unten die Jahreszahlen „1806–1906“ gedruckt.42 In der Tat war Württemberg am 1. Januar 1806 zum Königreich erhoben und damit das kurze Interim als Kurfürstentum beendet worden.43 Dieses Ereignis wurde nun exakt nach hundert Jahren – wieder im Januar – durch zwei Serien von Briefmarken begangen, die allen Nutzern ohne weiteres verständlich waren (die Königskrone stand für die Erhebung zum Königtum). Was diese Wertzeichen von den späteren Jubiläumsmarken unterscheidet, ist allenfalls ihre recht kurzfristige Planung: anstatt eigens aus diesem Anlass herausgegebener Marken, lediglich einfache Überdrucke. 2.4 Silbernes Regierungsjubiläum in Württemberg Als zehn Jahre später das nächste Jubiläum in Württemberg anstand, hatte man offenbar aus den Erfahrungen von 1906 gelernt. König Wilhelm II. beging mitten im Ersten Weltenkrieg sein silbernes Thronjubiläum und verzichtete – anders etwa als sein gleichnamiger Großvater 1841 – auf besondere Feierlichkeiten aus diesem Anlass.44 An einer moderaten Geste, wie der Herausgabe von Jubiläumsbriefmarken, hatte er aber offenbar nichts auszusetzen. Unter den Dienstmarken für die Gemeindebehörden erschien am 6. Oktober 1916, das heißt am 25. Todestag König Karls, des Vorgängers Wilhelms II., ein Satz mit sieben Werten (von 2½ bis 50 Pfennig), die das württembergische Wappen unter einer Krone und daneben die Jahreszahlen 1891 sowie 1916 zeigen.45 Unter den Dienstmarken für die Staatsbehörden kamen an demselben Tag zehn Werte (von 2½ Pfennig bis zu 1 Mark) mit identischem Motiv heraus: das nach rechts gewendete Portrait des Monarchen in Uniform, daneben ebenfalls die schon genannten Jahreszahlen.46 Beide Sätze geben den Anlass ihres Erscheinens also in aller Deutlichkeit an und sind in die lange Tradition der königlichen Regierungsjubiläen einzuordnen. Schon Eduard III. von England feierte nicht nur 1362 seinen 50. Geburtstag, sondern 1377
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Vgl. Michel Nr. 107–111 und 217–226; Grundlage sind Nr. 102–106 bzw. 203–204, 208–210 und 212– 216. Vgl. dazu am besten den Ausstellungskatalog: Das Königreich Württemberg 1806–1918. Monarchie und Moderne, Ostfildern 2006 (mit weiteren Literaturhinweisen). Vgl. Paul Sauer, Württembergs letzter König. Das Leben Wilhelms II., Stuttgart 1994, S. 269–271 und 344. – Zum Andenken an das Silberne Regierungsjubiläum Wilhelms I. von 1841 wurde eine 30 Meter hohe Jubiläumssäule errichtet, die bis heute den Stuttgarter Schlossplatz ziert; vgl. dazu Friedemann Schmoll, Verewigte Nation. Studien zur Erinnerungskultur von Reich und Einzelstaat im württembergischen Denkmalkult des 19. Jahrhunderts, Stuttgarter Studien VIII, Tübingen 1995, S. 86–97. Vgl. Michel Nr. 123–129. Vgl. Michel Nr. 241–250.
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außerdem auch den 50. Jahrestag seiner Thronbesteigung.47 Neu ist allerdings, dass man sich in Württemberg dabei der Briefmarken bediente und damit eine Tradition postalischer Jubiläen begründete, die ungebrochen bis heute fortbesteht.48 2.5 Doppeljubiläum in Bayern Ähnlich wie Württemberg hatte sich auch das Königreich Bayern lange die postalische Selbstständigkeit bewahrt und brachte bis 1920 eigene Briefmarken (Dienst- und Freimarken) heraus. Das hundertjährige Jubiläum der bayerischen Monarchie 1906 wurde darauf allerdings nicht begangen. Umso auffälliger ist, dass fünf Jahre später gleich ein Doppeljubiläum gefeiert wurde. Beide Feierlichkeiten betrafen ein und dieselbe Person, die zwar formal nicht den Königstitel trug, aber doch eine königsähnliche Stellung innehatte: der hochbetagte Prinzregent Luitpold. Wie Wilhelm II. in Württemberg gab er sich als volksnaher Monarch, wurde aber vor allem post mortem als Repräsentant der „guten alten Zeit“ verklärt.49 Am 12. März 1911 feierte Luitpold seinen neunzigsten Geburtstag und erreichte damit ein Alter, das noch nicht einmal der englischen Königin Victoria beschieden war. Aus diesem Anlass gab die bayerische Post einen Satz von sechzehn Briefmarken heraus mit Werten von 3 Pfennig bis zu sage und schreibe 20 Mark. Darauf ist das Bildnis des Regenten in zwei Varianten wiedergegeben (einmal nach links gewandt ohne, einmal nach rechts gewandt mit Hut). Allein das ist schon sehr bemerkenswert, weil Luitpold zeitlebens nur Regent war und nicht, wie später sein Sohn Ludwig, das Königtum beanspruchte. Es sind überhaupt die ersten bayerischen Postwertzeichen, die ein Herrscherportrait zeigen. Über dem Bildnis ist jeweils das Datum „12. März 1911“ zu lesen; erst dadurch wird dem Betrachter klar, dass es sich um Jubiläumsmarken handelt.50 Nur wenige Monate später, am 10. Juni 1911, folgte bereits der nächste Gedenktag: das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubiläum. (Luitpold hatte zuerst einige Tage lang für Ludwig II. und erst dann für dessen Bruder Otto regiert.) Wieder wurden aus diesem Anlass Briefmarken herausgegeben, dieses Mal mit dem Portrait des Herr-
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Vgl. dazu William Mark Ormrod, „Fifty Glorious Years“. Edward III and the First English Royal Jubilee, in: Medieval History N. S. I 2002, S. 13–20. Beispiele für Thronjubiläen finden sich auch andernorts. So wurde etwa das Silberne Regierungsjubiläum König Viktor Emanuels III. 1925 auf drei italienischen Briefmarken gefeiert, vgl. Michel Nr. 222–224. Eine moderne Biographie über Luitpold existiert nicht. Über die Zeit seiner Regentschaft vgl. Karl Möckl, Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold in Bayern, München/Wien 1972 (ohne auf die hier interessierenden Fragen der monarchischen Repräsentation etc. einzugehen). Michel Nr. 76–91.
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schers im Ehrenkranz, gehalten von zwei Putten (5 und 10 Pfennig). Auf das Jubiläum weisen die Jahreszahlen „1886“ und „1911“ zwar schlicht, aber eindeutig hin.51 2.6 Gedenken an die Gründung des Weltpostvereins So vorbereitet und nach einem grundlegenden Wechsel des politischen Systems (und damit auch der zunehmend ins Zentrum der Debatten rückenden Briefmarkenpolitik) erschien schließlich im Jahre 1924 die erste gesamtdeutsche Jubiläumsbriefmarke. Anlass war die Gründung des Weltpostvereins im Berner Rathaus zum Äusseren Stand, die sich damals zum 50. Mal jährte. Diese Organisation zur Koordination des internationalen Postverkehrs wurde unter maßgeblicher Mitwirkung des deutschen Generalpostdirektors Heinrich Stephan (später: von Stephan) – geboren 1831 im pommerischen Stolp und gestorben 1897 in Berlin – initiiert. Es ist zugleich eine der erfolgreichsten internationalen Vereinigungen überhaupt: Die Zahl von ursprünglich 22 Mitgliedern hat sich inzwischen beinahe verzehnfacht.52 Nicht zu Unrecht ist daher Heinrich Stephan auf den vier nur farblich unterschiedenen Briefmarken zu 10, 20, 60 und 80 Pfennig im Portrait dargestellt. Die Umschrift weist mit „Fünfzig Jahre“ bzw. „1874–1924“ auf das Jubiläum und mit „Weltpostverein“ auf den zu feiernden Anlass hin. Ähnlich wie beim Regierungsjubiläum des württembergischen Monarchen wird sogar der Gründungstag der internationalen Organisation, der 6. Oktober, als Ausgabetag (der beiden letzten Werte) gewählt.53 Das erste Jubiläum auf deutschen Freimarken ist also ein postalisches Jubiläum. Viele weitere sollten noch folgen: Briefmarken sind in einem erheblichen Maße selbstreferentiell. Auch Heinrich von Stephan hat es immer wieder auf deutsche (daneben auch auf schweizerische und sogar chilenische) Briefmarken geschafft, zuletzt im Jahre 1997.54
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Michel Nr. 92–93. Vgl. dazu James Donald Cotreau, Historical Development of the Universal Postal Union and the Question of Membership, Boston 1975; sowie Hermann von Petersdorff, Art. Stephan, Heinrich (v.), in: Allgemeine Deutsche Biographie LIV, Leipzig 1908, S. 477–501; Klaus Beyrer (Hrsg.), Kommunikation im Kaiserreich. Der Generalpostmeister Heinrich von Stephan, Heidelberg 1997 (selbst in diesem umfangreichen Werk sind die Stephan-Briefmarken nicht berücksichtigt). Vgl. Michel Nr. 362–363, 368–369. Weshalb sich die ersten und die beiden letzten Briefmarken dieses Satzes in einigen Details unterscheiden, ist nicht bekannt. Nämlich auf Ausgaben der alliierten Besatzungsmächte 1947 (Michel Nr. 963–964), Berlins 1949 (Nr. 35–41), der DDR 1981 (Nr. 2579) sowie der Bundesrepublik 1949 (Nr. 116), 1956 (Nr. 227), 1984 (Nr. 1217) und 1997 (Nr. 1912), außerdem der Schweiz 1974 (Michel Nr. 1025) und Chiles 1949.
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2.7 Tausend Jahre Rheinlande deutsch Mit diesen runden Jubiläen zunächst auf Dienst- und dann auf Freimarken wurden zweifellos Vorbilder für das spätere postalische Gedenken geschaffen. Selbstverständlich war diese Art von Postwertzeichen dennoch nicht, wie schon die nächsten Beispiele zeigen. So ist im Jahre 1925 ein Satz mit drei Briefmarken (5, 10 und 20 Pfennig, bei gleichem Motiv) erschienen, der im Michel-Katalog mit „Rheinland 1 000 Jahre deutsch“ ausgezeichnet ist. Zu sehen ist der Rhein, eine mittelalterliche Burg sowie eine moderne Industrieanlage und dahinter, übergroß, der nach links gewendete Kopf des Reichsadlers. Die Aufschrift lautet „Deutsches Reich, deutsches Rheinland“.55 Die Gestaltung geht auf den damals bekannten Architekten und Grafiker Otto Firle zurück.56 Das Jubiläum selbst ist also auf den Briefmarken nicht vermerkt. Das war allerdings schon deshalb nicht nötig, weil die Rheinischen Jahrtausendfeiern damals in aller Munde waren und Zigtausende mobilisierten. Das Spektrum der Veranstaltungen reichte von massenhaft besuchten Demonstrationen, beispielsweise am 19. Juni 1925 in Saarbrücken, bis hin zu den groß angelegten Jahrtausendausstellungen in Köln und Aachen. Sie waren nicht zuletzt gegen die französischen Besatzer gerichtet, die die Bestimmungen des Versailler Vetrages durchsetzten. Insofern handelte es sich um eine eminent politische Form des historischen Gedenkens.57 Die historischen Bezüge stellte etwa der Bonner Ordinarius und Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei, Wilhelm Levison, in einem Vortrag mit dem Titel „Der Sinn der rheinischen Tausendjahrfeier 925–1925“ her, den er zunächst auf der Jahresversammlung der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde am 14. März 1925 in Köln hielt; er wurde noch im selben Jahr und zwar bezeichnenderweise im „ElsaßLothringischen Jahrbuch“ publiziert.58 Als Bezugspunkt diente der Gewinn Lothringens durch König Heinrich I., die Adalbert von Magdeburg, selbst aus Lothringen stammend, in seiner Fortsetzung der Weltgeschichte Reginos auf das Jahr 925 datierte –
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Vgl. Michel Nr. 372–374. Otto Firle wurde 1889 in Bonn geboren und starb 1966 in Düsseldorf. Er ist nicht zu verwechseln mit Walther Firle (1859–1929), der unter anderem Vorlagen für bayerische Briefmarken geliefert hat (Michel Nr. 94–115). Vgl. Gertrude Cepl-Kaufmann (Hrsg.), Jahrtausendfeiern und Befreiungsfeiern im Rheinland. Zur politischen Festkultur 1925 und 1930, Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens LXXI, Essen 2009. Vgl. Wilhelm Levison, Der Sinn der rheinischen Tausendjahrfeier 925–1925, in: Ders., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948, S. 172–201 (zuerst 1925). Zum Verfasser vgl. Matthias Becher / Yitzhak Hen (Hrsg.), Wilhelm Levison (1876– 1947). Ein jüdisches Forscherleben zwischen wissenschaftlicher Anerkennung und politischem Exil, Bonner Historische Forschungen LXIII, Siegburg 2010.
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ein nicht ganz unproblematisches Datum.59 Levison betont mit Nachdruck, dass vor tausend Jahren wohl die künftige politische Ordnung entstand, die Rheinlande insgesamt aber 1 500 Jahre oder länger (jedenfalls ab der Völkerwanderungszeit) als deutsch zu betrachten seien. 2.8 Jubiläum als Überdruck In die Zeit unmittelbar nach Gründung der Weimarer Republik fällt die Erfindung der erst später so genannten Wohlfahrtsmarken. Auf die gängigen Germania-Marken zu 10 und 15 Pfennig wurde ab dem 1. Mai 1919 ein Zuschlag von 5 Pfennig erhoben, der einem karitativen Zweck zugutekommen sollte; bereits auf dem Überdruck war zu lesen: „für Kriegsbeschädigte“.60 Gut drei Jahre nach diesen improvisierten Anfängen kam im Februar 1924 dann der erste Satz zugunsten der Deutschen Nothilfe heraus: vier Briefmarken zu 5, 10, 20 und 50 Pfennig und einem Zuschlag, der das Porto um das Dreifache überstieg.61 Darauf sind vier der sieben Werke der Nächstenliebe am Beispiel der Elisabeth von Thüringen dargestellt und zwar nach einem Gemäldezyklus des Moritz von Schwind auf der Wartburg bei Eisenach 62 – eine bemerkenswerte Bezugnahme auf christliche Grundwerte und zugleich den mittelalterlichen Heiligenkult. Diese Briefmarken waren bis Ende Juni 1926 gültig und wurden Jahr für Jahr durch jeweils neue ersetzt: zunächst durch Landeswappen (1925–1929), dann Bauwerke bzw. Burgen und Schlösser (1930–1932). Die Idee war also überaus erfolgreich, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht (allein der Elisabeth-Satz dürfte gut anderthalb Millionen
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Vgl. zum ganzen Komplex Carlrichard Brühl, Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln/Wien ²1995, S. 428–442 (zuerst 1990); Hagen Keller / Gerd Althoff, Die Zeit der späten Karolinger und Ottonen 888–1024, Stuttgart 2008, S. 124–130. Michel Nr. 105–106. Ähnliche Briefmarken sind auch in Bayern erschienen, vgl. Michel Nr. 171–173; der Überdruck lautet: „für Kriegsbeschädigte. Freistaat Bayern“. Michel Nr. 351–354. – Zur Entstehung der Deutschen Nothilfe vgl. Rainer Auts, Opferstock und Sammelbüchse. Die Spendenkampagnen der freien Wohlfahrtspflege vom Ersten Weltkrieg bis in die sechziger Jahre, Forschungen zur Regionalgeschichte XXXVII, Paderborn u. a. 2001, S. 110–113; zum Verkauf der Zuschlagsmarken (mit dem Hinweis auf das Vorbild Dänemarks und der Schweiz) S. 112. Diese Gemälde von 1853/54 waren nicht zuletzt durch die Kupferstiche von Julius Thäter verbreitet worden. – Zur Vorlage, basierend auf Mt 25, 31–46, vgl. Stefan Schweizer, Der katholische Maler und sein protestantischer Auftraggeber. Moritz von Schwinds Elisabeth-Fresken auf der Wartburg, in: Dieter Blume / Matthias Werner (Hrsg.), Elisabeth von Thüringen – eine europäische Heilige. Aufsätze, Petersburg 2005, S. 547–563, besonders S. 560–562. Trotz zahlreicher Arbeiten über die Rezeption der Heiligen in Wort und Bild – so auch in dem zitierten Band – wurden die Briefmarken bisher noch nicht berücksichtigt. Und Elisabeth wird noch mehrfach abgebildet.
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Reichsmark eingebracht haben).63 Deshalb schien es angebracht, schon das zehnjährige Bestehen dieser Marken zugunsten der Nothilfe zu feiern: Indem man die vier Wertzeichen von 1924 erneut herausbrachte, jedoch dieses Mal in einem Block vereinte und jedes einzelne mit einem Überdruck „1923–1933“ versah.64 Diese Jubiläumsausgabe hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Einerseits wird mit einem Block die feierlichste Form gewählt (und es handelt sich um den zweiten Briefmarkenblock der deutschen Postgeschichte überhaupt). Auf der anderen Seite erweckt der Überdruck das Gefühl, dass es sich um eine improvisierte Ausgabe handle, was mit Sicherheit nicht richtig ist. Ungewöhnlich ist außerdem der kurze Zeitabstand von nur zehn Jahren. Bei der Entscheidung dürfte auch die Aussicht eine Rolle gespielt haben, erneut (und schon zum zweiten Mal in diesem Jahr) eine erkleckliche Summe zu generieren.65 3. Praktiken und Probleme Die Praxis, mit der Hilfe von besonderen Briefmarken an Jubiläen zu erinnern, hat sich nach tastenden Anfängen in Deutschland vor allem in den dreißiger Jahren weiter etabliert. Im Vordergrund standen dabei runde Geburts- oder Todestage berühmter Persönlichkeiten, wie der 175. Geburtstag Friedrich von Schillers (1934), der 250. Geburtstag Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels (beide 1935), der 350. Geburtstag von Heinrich Schütz (1935) sowie der 250. Todestag Otto von Guerickes (1936).66 Hinzu kamen grundlegende technische Neuerungen: 100 Jahre Deutsche Eisenbahn (1935), 50 Jahre Deutsche Kraftwagen (1936) und 10 Jahre Deutsche Lufthansa (ebenfalls 1936).67 Diese und vergleichbare Jahrestage werden bis zum heutigen Tag regelmäßig auf Briefmarken gefeiert. Sehr viel stärker vom politischen Zeitgeist geprägt waren dagegen die Ausgaben aus Anlass von 50 Jahre Deutsche Kolonien (1934) und – bereits im Krieg – 50 Jahre Rückkehr Helgolands zum Deutschen Reich (1940).68 Diese Beispiele verweisen auf eine Gedenkpraxis, die sich in den folgenden Jahrzehnten noch weiter ausdifferenziert, aber nicht mehr grundsätzlich verändert wurde. Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe von Fällen, bei denen die Verhältnisse nicht so eindeutig liegen – und dies aus unterschiedlichen Gründen: Einige betreffen die Darstellung des Anlasses in Wort und Bild, andere das Jubiläum selbst. 63 64 65 66 67 68
Die Auflage wird erstaunlich genau angegeben; in aufsteigender Reihe: 2 156 217 (5 + 15 Pf.), 2 059 818 (10 + 30 Pf.), 550 277 (20 + 60 Pf.) und 295 368 Stück (50 + 150 Pf.). Michel Nr. 508–511 bzw. Block 2 (mit dem stattlichen Format von rund 21 auf 15 cm). Die Auflage betrug 64 000 Stück, so dass ein Erlös aus dem Zuschlag von gut 160 000 Mark zusammenkam. Vgl. Michel Nr. 554–555, 573–575 und 608. Vgl. Michel Nr. 580–583, 603–605. Vgl. Michel Nr. 540–543 und 750.
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3.1 Hitlers Geburtstage In der zweiten Hälfte der dreißiger und in der ersten der vierziger Jahre wurde Adolf Hitler so oft wie keine andere Person jemals in der deutschen Postgeschichte dargestellt.69 Ein Teil dieser Ausgaben steht ganz im Rahmen dessen, was sich seit langem als feste Praxis eingebürgert hatte – nämlich einzig und alleine die höchsten Repräsentanten des Staates zu deren Lebzeiten auf Briefmarken abzubilden.70 Das waren bis 1918 hauptsächlich die Monarchen der deutschen Teil-Staaten (das Bild des Kaisers kam nie an prominenter Stelle auf eine Briefmarke),71 danach der Reichspräsident Paul von Hindenburg (Friedrich Ebert hingegen erst post mortem, allerdings gemeinsam mit seinem Nachfolger Hindenburg).72 Hindenburg starb am 2. August 1934 im Amt und wurde noch im selben Jahr durch eine Serie mit Trauerrand geehrt.73 Hitler verstand sich als Nachfolger des Verstorbenen in dessen Funktion als deutsches Staatsoberhaupt, ohne jedoch den Titel eines Reichspräsidenten zu führen. Eine Dauermarkenserie mit dem Portrait Hitlers von 1 Pfennig bis zu 5 Mark (insgesamt 18 Werte) erschien jedoch erst in den Jahren 1941 und 1942.74 Der Grund dafür mag darin liegen, dass es auch schon zuvor Hitler-Briefmarken in großer Zahl gab. Beginnend mit dem 20. April 1937 erschienen Jahr für Jahr Postwert-
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Vgl. dazu Mella Waldstein, Adolf Hitler vervielfältigt. Die Massenproduktion der Führerbildnisse, in: Jan Tabor (Hrsg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei und Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion 1922–1956, Baden 1994, S. 560–567; Tobias Ronge, Das Bild des Herrschers in Malerei und Grafik des Nationalsozialismus. Eine Untersuchung zur Ikonografie von Führer- und Funktionärsbildern im Dritten Reich, Berlin 2010, S. 317– 323 mit Abb. 340–367. Nach traditionellem Verständnis kann man nur verstorbener Personen gedenken. Von diesem Prinzip wird in letzter Zeit bisweilen abgewichen, wenn zum Beispiel nach Sportlern in den Zwanzigern oder Dreißigern Straßen benannt werden (so etwa die Jan-Ullrich-Straße in Merdingen oder der Carina-Vogt-Weg in Degenfeld). Es sind dies Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (Michel Nr. 1–13), Friedrich August II. sowie Johann I. von Sachsen (Michel Nr. 3–13), Georg V. von Hannover (Michel Nr. 14–16, 18–19), Wilhelm II. von Württemberg (Michel Nr. 241–250, es handelt sich dabei um Dienstmarken; dazu oben) und Ludwig III. von Bayern (Michel Nr. 94–115); aus dem Rahmen fällt Liutpold, der nicht König, sondern Prinzregent in Bayern war (Michel Nr. 76–93; dazu ebenfalls oben). – Auf den Briefmarken des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs sind keine lebenden Herrscher dargestellt, lediglich Wilhelm II. bei der Einweihung des Berliner National-Denkmals. Für die Gründe dafür vgl. den Beitrag von Hans-Werner Hahn in diesem Band. Vgl. Michel Nr. 410–422, 435–437, (444–445), 454, 465–466 (Ebert und v. Hindenburg abwechselnd, mit besonderer Betonung des Amtes) und Nr. 467–473, 482–495, 512–528. Davor war schon der 80. Geburtstag v. Hindenburgs gefeiert worden (Nr. 402–406). Vgl. Michel Nr. 548–553. Hindenburg starb am 2. August, die Trauermarken erschienen am 4. September. Vgl. Michel Nr. 781–802. – Anders als auf den meisten übrigen Briefmarken ist Hitler hier weder in Partei- noch in Militäruniform, sondern in Zivil abgebildet. Dadurch soll er fraglos als Staatsoberhaupt dargestellt werden.
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zeichen aus Anlass von Hitlers Geburtstag, zum letzten Mal im Frühjahr 1944.75 Diese hochoffizielle Feier des eigenen Wiegenfestes lässt sich als eine an moderne Medien angepasste Form des Herrscherkultes, genauer des nationalsozialistischen Führerkultes interpretieren.76 Auf deutschen Briefmarken war sie äußerst rar.77 Hitlers Geburtstagsbriefmarken unterscheiden sich untereinander sehr stark in formaler Hinsicht, so etwa was Format, Farbe und Motiv betrifft; sie erschienen meist einzeln, jeweils einmal aber auch als Satz (mit sechs Briefmarken) und als Block (mit viermal der gleichen Briefmarke). Gemeinsam ist ihnen allen, dass das Portrait des Geehrten eindeutig im Mittelpunkt steht. Auf einer Briefmarke ist er gemeinsam mit einem Kind abgebildet.78 Merkwürdigerweise wird nur auf exakt der Hälfte dieser Postwertzeichen explizit der Anlass für die Ausgaben genannt, gerade in den ersten Jahren fehlt meist ein entsprechender Hinweis (so nämlich 1937 bis 1939 und 1941).79 Noch eigenartiger fällt die Briefmarke zum fünfzigsten Geburtstag aus: Hitler wird beim Besuch seiner oberösterreichischen Geburtsstadt gezeigt und zwar in Wort („Der Führer in seiner Geburtsstadt Braunau“) und Bild (Häusersilhouette mit der Kirche St. Stephan). Allerdings erfolgte dieser Besuch nicht, wie man vielleicht erwarten würde, am 20. April 1939, sondern bereits über ein Jahr zuvor – und sogar das wird ausdrücklich notiert („12– 3–38“).80 Während der runde und gerade der fünfzigste Geburtstag immerhin zu den gängigen Terminen für Jubiläen gehört,81 kann man das von dem 48., 49., aber auch dem 51., 52. usw. sicher nicht behaupten. Solche Feiern wurden weder davor noch danach jemals auf Briefmarken begangen. In diesem Punkt fallen die Ausgaben der nationalsozialistischen Ära am stärksten aus dem üblichen Rahmen.
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77 78 79 80 81
Vgl. Michel Nr. 646, 664, 691, 744, 772, 813, 844–849, 887. Die Briefmarken wurden jeweils ein paar Tage vor dem Geburtstag herausgebracht. Die Geschichte des Herrschergeburtstages ist erstaunlicherweise noch nicht geschrieben. Einen Anfang hat Ernst H. Kantorowicz in seinem Beitrag „Charles the Bald and the ‚Natales‘ of the King“ gemacht; er ist aber unveröffentlicht geblieben (New York, Leo-Baeck-Institut, AR 7216 / MF 561). Davor ist nur 1927 ein Satz mit vier Briefmarken zum 80. Geburtstag Paul von Hindenburgs erschienen (vgl. Michel Nr. 404–406), der die Tradition der monarchischen Geburtstagsfeiern (s. oben) fortführt. Vgl. Michel Nr. 744 von 1940. Der Anlass geht aus den offiziellen Verlautbarungen, zum Beispiel im Deutschen Reichsanzeiger oder in der Deutschen Postzeitung, hervor. Michel Nr. 691. Wie schon erwähnt wurde Hindenburgs achtzigster Geburtstag postalisch gefeiert (vgl. Anm. 76).
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3.2 Nationalsozialistische Gedenkkultur Neben den ab 1937 mit großer Regelmäßigkeit gefeierten Geburtstagen Hitlers wurde noch eine ganze Reihe weiterer spezifisch nationalsozialistischer Jubiläen auf die Briefmarken gebracht – und zwar ergänzend zu den allgemeinen, die sehr wahrscheinlich auch ein anderes Regime begangen hätte.82 Überhaupt lässt sich feststellen, dass die Briefmarken ausgesprochen intensiv für die Interessen der neuen Machthaber eingesetzt wurden. Im Jahre 1935 wurde neben den bereits erwähnten Jubiläen – den runden Geburtstagen der Barock-Komponisten Schütz, Händel und Bach sowie dem hundertjährigen Bestehen der Deutschen Eisenbahn – auch des zwölften Jahrestages des Hitlerputsches gedacht. Auf den beiden motivgleichen Marken (3 und 12 Pfennig) ist ein uniformierter Nationalsozialist mit aufgepflanzter Hakenkreuzfahne vor der Münchner Feldherrenhalle zu sehen und darüber die Worte: „Gedenkt des 9. November 1923!“.83 Briefmarken mit Vergangenheitsbezug fordern im Allgemeinen schon durch ihre bloße Existenz zum Gedenken auf; hier wird das Gedenken nicht nur ausdrücklich eingefordert, sondern es geschieht sogar in einer besonders emphatischen Weise, wie nicht zuletzt das Ausrufezeichen zeigt. Es handelt sich also – wenn man so sagen möchte – um eine Gedenkmarke in höherer Potenz. An diesen gescheiterten Putsch wurde zwar nicht alljährlich, aber noch mehrfach auf Postwertzeichen erinnert, so im Jahre 1943 (die zwanzig Jahre werden explizit kenntlich gemacht) und erneut im folgenden Jahr (wieder mit der Aufforderung im Imperativ).84 Der Marsch auf die Feldherrenhalle – eine Imitation der „Marcia su Roma“ vom vorausgegangenen Jahr (1922) – wurde von den Nationalsozialisten bald zu einer „Bluttaufe“ stilisiert;85 er begründete den ältesten und zugleich wichtigsten Gedenktag der „Bewegung“. Später kam noch ein zweiter, nicht weniger wichtiger Gedenktag hinzu: der 30. Januar 1933, der Tag der nationalsozialistischen „Machtergreifung“. Auch dazu wurden Postwertzeichen herausgebracht, zum ersten Mal 1938, als sich das Ereignis zum fünften Mal jährte. Zu sehen ist darauf ein heroisch-nackter Jüngling mit brennender Fackel in der rechten und einem Lorbeerzweig in der linken Hand, im Hintergrund ist die
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Was natürlich nicht heißt, dass diese Jubiläen nicht in einer spezifisch nationalsozialistischen Weise ausgestaltet wurden. Wie so oft sind auch hier bisweilen die Grenzen fließend. Michel Nr. 598–599. Michel Nr. 863 und 906. Auch die Bildmotive sind höchst interessant. Vgl. Hans-Ulrich Thamer, Der Marsch auf Rom – ein Modell für die nationalsozialistische Machtergreifung, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.), Die nationalsozialistische Machtergreifung, Paderborn u. a. 1984, S. 245–260; Wolfgang Schieder, Adolf Hitler. Politischer Zauberlehrling Mussolinis, Berlin/Boston 2017, S. 17–27.
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Quadriga auf dem Brandenburger Tor zu erkennen. Das gefeierte Jubiläum wird durch die Aufschrift „zum 30. Januar“ kenntlich gemacht.86 Die nächste runde Zahl wurde im Jahr 1943 erreicht. Wieder erschien eine Sonderbriefmarke, wieder wurde darauf das Brandenburger Tor dargestellt, das aber in diesem Falle von einer schier endlos erscheinenden Masse in militärischer Formation durchschritten wird. Über einem Reichsadler und mehreren Hakenkreuzen sind die entscheidenden Daten genannt: „30. Januar 1933“ und „30. Januar 1943“.87 Auch im folgenden Jahr, das heißt zum 11. Jahrestag, wurde noch einmal eine Briefmarke herausgebracht.88 Neben dem Gedenken an die ersten Anfänge in München und den triumphalen Sieg in Berlin – beide Orte werden sehr bewusst ins Bild gesetzt – wurde noch eine ganze Reihe von Jubiläen begangen, die auch die karitativen Einrichtungen der Nationalsozialisten zelebrieren: zehn Jahre Winterhilfswerk, acht Jahre Reichsarbeitsdienst, zehn Jahre Hilfswerk Mutter und Kind.89 Dabei fällt auf, dass sich diese Jubiläen vor allem in den letzten Jahren häuften, als der Krieg seinen Höhepunkt überschritten hatte und der Legitimitätsdruck offensichtlich immer mehr stieg. Die nationalsozialistischen Jubiläen erfolgen – nach fünf, zehn, zwanzig Jahren – zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Das ist jedoch nicht weiter erstaunlich, denn es wurde zwar vollmundig ein tausendjähriges Reich angekündigt, aber schon die zwölfte Wiederkehr der „Machtergreifung“ konnte aufgrund der Kriegslage nicht mehr auf Briefmarken begangen werden.90 Am bemerkenswertesten sind aber sicherlich diejenigen Jubiläen, die nicht der Regel der runden Zahl gehorchten, also wenigstens durch fünf teilbar waren. Bei Hitlers Geburtstagen muss man diese gewiss als Ausdruck eines forcierten Personenkultes verstehen, im Falle der Jubiläen von 1944 (11 Jahre „Machtergreifung“, 21 Jahre Hitlerputsch) als letzten Mobilisierungsversuch, fast schon als Ausdruck einer immer schneller wachsenden Verzweiflung. Fest steht: auch die Nationalsozialisten partizipierten nach Kräften an der zeittypischen Gedenkkultur, die sich vor allem in der Feier von Jubiläen äußerte, und setzten sie für ihre spezifischen Zwecke ein. Mehr noch: sie forcierten diese geradezu, da sie den Wert der millionenfach verbreiteten Briefmarken als Propagandamedium offenkundig sehr schnell erkannt hatten. 86 87 88 89 90
Michel Nr. 660–661. Michel Nr. 829. Vgl. Michel Nr. 865. Vgl. Michel Nr. 850–853, 859, 869–872. In einem deutlichen Kontrast dazu wurden von den italienischen Faschisten besonders lange Zeitintervalle genutzt, bevorzugt 2 000-Jahr-Jubiläen. Vgl. Leonhard Schumacher, Augusteische Propaganda und faschistische Rezeption, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XL 1988, S. 307–334.
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3.3 Jahre und Jahrtausende Wie schon die bisher diskutierten Beispiele gezeigt haben, gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auf das zu feiernde Jubiläum hinzuweisen. Zunächst einmal kann das Jubiläum direkt benannt werden: 50 Jahre dieses oder 100 Jahre jenes Ereignis. Eine Alternative besteht darin, die Jahreszahlen – zum Beispiel die Lebensdaten einer Person – anzuführen, aus denen sich dann der begangene Geburts- oder Todestag leicht errechnen lässt. Drittens kann das Jahr des Ereignisses und das des Jubiläums zusammen genannt werden; auch hier ist nur eine einfache Subtraktion erforderlich, um das gefeierte Jubiläum zu ermitteln. Eine vierte Möglichkeit liegt darin, lediglich einen bestimmten Tag (des betreffenden Jahres) anzuführen; in diesem Fall sind entsprechende Vorkenntnisse notwendig, um das aktuelle Jubiläum in Erfahrung zu bringen. Und schließlich kann auch ein unmittelbarer Hinweis auf der Briefmarke vollständig fehlen; dass es um ein Jubiläum geht, weiß dann nur der Kenner.91 Alle diese Fälle gehen davon aus, dass die zu feiernde Begebenheit genau datierbar ist, das heißt, dass man zumindest eine Jahreszahl nennen kann, die dann als Bezugspunkt für das Jubiläum dient. Das ist aber selbstverständlich nicht immer der Fall, besonders dann nicht, wenn man die gewohnten personen- und ereignisgeschichtlichen Bahnen verlässt. Wie geht man mit dieser Problematik auf Briefmarken um? Dafür gibt es zumindest ein sehr instruktives Beispiel. Es ist der Einführung des Weinbaus hierzulande gewidmet – ein Vorgang, der die deutsche Kultur ohne Zweifel maßgeblich mitgeprägt hat. Das entsprechende Postwertzeichen stammt aus dem Jahre 1980 und zeigt, an eine mittelalterliche Darstellung angelehnt, die Herstellung des vergorenen Rebensaftes in drei Schritten: die Arbeit im Weinberg, in der Kelter und im Keller. Die erklärende Aufschrift lautet: „Zwei Jahrtausende Weinbau in Mitteleuropa“.92 Man behilft sich also bei dieser Sondermarke mit einer Unschärfe in gleich doppelter Hinsicht: „zwei Jahrtausende“ meint eben nicht exakt zweitausend Jahre, „Mitteleuropa“ schließt zwar das heutige Deutschland mit ein, bezeichnet jedoch ein sehr viel größeres Gebiet. Woran ist aber konkret gedacht? Wie ist es zu der Datierung auf „ungefähr 20 vor Christus“ gekommen? Fest steht zunächst die Tatsache, dass der Weinanbau durch die Römer in den Norden gekommen ist und zwar vor allem in diejenigen Gegenden, die auch heute noch als klassische Anbaugebiete gelten: an Mosel, Rhein, Neckar
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Ich nenne jeweils ein Beispiel der Deutschen Reichspost: 1) „Fünfzig Jahre Weltpostverein“ (Michel Nr. 362–363, 1924) – 2) „Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791“ (Michel Nr. 810: 150. Todestag Mozarts 1941) – 3) „1685 Joh. Seb. Bach 1935“ (Michel Nr. 574: 250. Geburtstag Bachs) – 4) „20. April 1943“ (Michel Nr. 844–849: 54. Geburtstag Hitlers) – 5) „Deutsches Rheinland“ (Michel Nr. 372–374: 1 000 Jahre Rheinland deutsch, 1925). Michel Nr. 1063.
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und Main. Zumindest die Landstriche links des Rheins gelten seit den augusteischen Feldzügen der Jahre 13 und 12 vor Christus als römisch kontrolliert. Dass allerdings der Rebenanbau dort umgehend begann, ist sicherlich nicht anzunehmen, und schon gar nicht nachzuweisen. Vielmehr wurde der Bedarf an Wein – so der allgemeine Konsens – anfangs von geschäftstüchtigen Händlern befriedigt. Weinkonsum ist also nicht mit Weinanbau gleichzusetzen, die Datierung des zuletzt genannten Vorgangs auf der Briefmarke von 1980 mindestens ein Jahrhundert zu früh.93 3.4 Mehr als elfhundert Jahre Stellt schon die Bestimmung des Zeitraums mit „zwei Jahrtausende(n)“ einen Versuch dar, der mangelnden Datierbarkeit eines agrarischen Vorganges gerecht zu werden, so findet sich nur wenige Jahre später ein ähnlich gelagerter Fall mit einer noch unpräziseren Lösung. Im Juli 1998 erschien eine Briefmarke, die ein eigenartiges Jubiläum begeht, laut Aufschrift „Über 1 100 Jahre Hopfenanbau in Deutschland“. Zu sehen sind gelbgrüne Ranken an den charakteristischen, langen Stangen und etliche Personen, die mit der Ernte beschäftigt sind.94 Hier wird also nicht ein Jubiläum gefeiert, sondern genau genommen ein Terminus ante quem. Der Sache nach handelt es sich um die Kultivierung des Echten Hopfen (Humulus lupulus), dessen Wildform zuvor schon in freier Natur gesammelt worden ist. Als vorwiegenden, wenn nicht ausschließlichen Zweck muss man die Herstellung von Hopfenbier annehmen – auch dies ein Getränk, das seither aus dem Alltag der meisten Menschen hierzulande kaum noch wegzudenken ist. Dass sich der erste Anbau nicht aufs Jahr genau datieren lässt, ist angesichts der Quellenüberlieferung nicht weiter erstaunlich – und ein Terminus ante quem durchaus sinnvoll.95 93
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Vgl. zu dieser Problematik den Ausstellungskatalog 2 000 Jahre Weinkultur an Mosel-Saar-Ruwer. Denkmäler und Zeugnisse zur Geschichte von Weinanbau, Weinhandel, Weingenuß, Trier 1987, besonders den Aufsatz von Heinz Cüppers (Südländischer Weinbau und vor- und frührömischer Weinimport im Moselland, S. 9–40); Manfred Rösch, Art. Wein und Weinbau, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde XXXIII, Berlin / New York 2006, S. 398–406. – Im Jahr 1990 ist eine thematisch verwandte Briefmarke erschienen: „Fünf Jahrhunderte Rieslinganbau“ (Michel Nr. 1446); sie bezieht sich also auf eine Zeit „um 1490“. Dabei hatte schon ein Dezennium zuvor Michael Matheus, Die Mosel – ältestes Rieslinganbaugebiet Deutschlands?, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter XXVI 1980, S. 161–173, auf die Belege für diese Rebsorte in den Rechnungen des Trierer Jakobsspitals von 1464/65 hingewiesen. Michel Nr. 1999. Zur Herstellung von Bier und besonders der Verwendung von Gewürzen im Mittelalter vgl. KarlErnst Behre, Zur Geschichte des Bieres und der Bierwürzen in Mitteleuropa, in: Mamoun Fansa / Antje Sander-Berke (Hrsg.), Gerstensaft und Hirsebier. 5 000 Jahre Biergenuß, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland. Beiheft XX, Oldenburg 1998, 49–88 (und weitere Arbeiten des Verfassers); Ernst Schubert, Essen und Trinken im Mittelalter, Darmstadt 2006, S. 206–216 und 371–373.
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Lautet er jedoch tatsächlich „vor 898“, wie die Briefmarkenausgabe suggeriert? Zum ersten Mal werden Hopfengärten („humlonaria“) in einer Urkunde Pippins des Jüngeren für das Kloster Saint-Denis vom September 768 erwähnt mit Hinblick auf den Forst Iveline im heutigen Département Seine-et-Oise.96 Der älteste Beleg aus dem späteren Deutschland ist dagegen rund hundert Jahre jünger und stammt aus der Diözese Freising. Der dortige Bischof Anno tauschte nämlich mit zwei Adligen namens Alpolt und Irminpold unter anderem Liegenschaften im Bergham, darunter auch einen Obst- und einen Hopfengarten. Da der genannte Bischof im Jahre 875 starb, kann die Tauschurkunde nicht nach diesem Jahr entstanden sein.97 Der Terminus ante quem müsste also „vor 876“ lauten oder anders formuliert: bei der Ausgabe der Briefmarke 1998 kam es auf 22 Jahre hin oder her nicht an. Ähnlich wie schon beim Beginn des Weinbaus in Mitteleuropa sind die Zahlen sehr ungenau – und zwar weit über das durch die Überlieferung bedingte Maß hinaus. Irgendeinen historischen Grund, die Wertzeichen 1980 und 1998 herauszugeben, gab es bei näherem Hinsehen nicht. 3.5 Beginn und Erstbeleg (bei Stadtjubiläen) Die Frage, wie historische Ereignisse generiert werden, um dann als Bezugspunkte für Jubiläen zu dienen, stellt sich nicht nur im zugegebenermaßen besonders problematischen landwirtschaftlichen Bereich. Vielmehr ist sie für eine ganze Klasse von Jubiläen relevant, die auf deutschen Briefmarken seit 1943 immer wieder gefeiert wird – und dies ziemlich häufig: die Orts- oder Stadtjubiläen.98 Aus letzter Zeit sind dies zum Beispiel 800 Jahre Dessau (2013), 1 000 Jahre Leipzig (2015), 900 Jahre Köthen (2015), 1 250 Jahre
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Vgl. Die Urkunden Pippins, ed. Engelbert Mühlbacher, MGH Die Urkunden der Karolinger I, Hannover 1906, S. 1–60, Nr. 28 (S. 38–40); darauf Bezug nehmend Peter Dilg, Art. Hopfen, in: Lexikon des Mittelalters V, München/Zürich 1991, Sp. 123. Auch E. Schubert, Essen und Trinken, S. 212, verweist auf diese Urkunde, glaubt aber, dass sie in den „Freisinger Traditionen“ stehe. Ed. Theodor Bitterauf, Die Traditionen des Hochstiftes Freising I, Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte N. F. IV, München 1905, Nr. 833 (S. 666). Vgl. auch das Mittellateinische Wörterbuch IV, Sp. 1161, s. v. humularium. Am Beginn steht das 800-Jahr-Jubiläum der Stadt Lübeck, vgl. Michel Nr. 862. – Zur Geschichte der Stadtjubiläen vgl. etwa Ulrich Rosseaux, Das historische Jubiläum als kommunales Ereignis. Die Entstehung und Verbreitung städtischer Jubiläen in der Frühen Neuzeit, in: Ders. / Wolfgang Flügel / Veit Damm (Hrsg.), Zeitrhythmen und performative Akte in der städtischen Erinnerungskultur zwischen Früher Neuzeit und Gegenwart, Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde VI, Dresden 2005, S. 93–111, besonders S. 104–106; Lu Seegers, Symbolische Interaktion bei Stadtjubiläen in der DDR, in: Archiv für Sozialgeschichte XLVI 2006, S. 249–276.
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Schwetzingen (2016), 1 000 Jahre Neunburg vorm Wald (2017) und 800 Jahre Rostock (2018).99 Was aber feiert man dabei genau? Das differiert im Einzelnen ganz erheblich. In vielen Fällen soll das Jubiläum einer Stadtgründung (Stadterhebung, Stadtrechtsverleihung) begangen werden, die ein Landesherr, König oder Kaiser – im Idealfall – mit Brief und Siegel verfügt hat. Allerdings handelt es sich bei den überlieferten Privilegien oft nur um Bestätigungen – bisweilen: mehrfach wiederholte Bestätigungen – und überhaupt setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass die Stadtwerdung meist als ein langwieriger Prozess und nur selten als punktuelles Ereignis zu verstehen ist. In sehr vielen Fällen wird aber auch einfach die Ersterwähnung eines Ortes gefeiert, wobei gerade hier der Überlieferungszufall als sehr hoch zu veranschlagen ist – und die Anfänge bleiben dann schlicht im Dunkeln. Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor: der Fortgang der historischen Forschung. Gerade wenn das Jubiläum von einem Erstbeleg abhängig ist, kann ein Neufund oder die Neubewertung der bereits bekannten Quellen zu einer anderen Datierung führen. So hat Weimar im Jahre 1975 (mit drei Briefmarken) sein 1 000-Jahr-Jubiläum gefeiert und bereits 1999 (mit einer Briefmarke) – also nur 24 Jahre später – das 1 100-Jahr-Jubiläum.100 Es ist aber klar, dass die Siedlung im Ilm-Bogen weder 899 noch 975 entstanden ist. 3.6 Mehrere Jubiläen gleichzeitig Briefmarken aus historischen Anlässen erfreuen sich schon seit Jahrzehnten eines enormen Zuspruchs. Regelmäßig werden so viele Vorschläge eingereicht, dass nur ein kleiner Bruchteil davon tatsächlich umgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es wohl auch zu verstehen, dass bisweilen mehrere Anlässe auf ein und demselben Postwertzeichen gefeiert werden.
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Vgl. Michel Nr. 3019, 3139, 3164, 3204, 3290, 3395. – Man muss kaum eigens betonen, dass diese Jubiläen nur eine kleine Auswahl aus sehr vielen Möglichkeiten darstellen, allein im Jahre 2018 werden etwa 1 150 Jahre Schifferstadt, 1 025 Jahre Potsdam, 900 Jahre Zwickau, 875 Jahre Chemnitz, 800 Jahre Frauenstein, 800 Jahre Neustadt an der Waldnaab, 800 Jahre Stolpen, 800 Jahre Straubing, 750 Jahre Hoyerswerda, 750 Jahre Landau, 750 Jahre Lüdenscheid, 750 Jahre Rothenburg in Sachsen und 200 Jahre Stadt Fürth gefeiert. Dasselbe gilt für Universitätsjubiläen usw. 100 Vgl. Michel (DDR) Nr. 2066–2068; Michel (BRD) Nr. 2028. Zu den neuen Erkenntnissen s. Hans Eberhardt, Weimar oder Wechmar? Zur Ersterwähnung von Weimar, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte XLVI 1992, S. 53–64. – Ein ähnliches Beispiel stellt Halle an der Saale dar: Während die Post der DDR 1961 das 1 000-jährige Jubiläum feierte (Michel Nr. 833–834), beging man im wiedervereinigten Deutschland 2006 bereits das 1 200-jährige Jubiläum (Michel Nr. 2510); zu den Jahren 806 und 961 vgl. in aller Kürze Karlheinz Blaschke, Art. Halle, in: LexMA IV, München/Zürich 1989, Sp. 1877–1878.
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So ist zum Beispiel im Jahr 2001 eine Briefmarke erschienen, die „750 Jahre Katharinenkloster“ und „50 Jahre Deutsches Meeresmuseum Stralsund“ gewidmet ist. Auf dem Bild sind zwei Motive miteinander kombiniert: die mittelalterliche Klosterkirche (in roter) und eine Meereskarte (in blauer Farbe). Die geschickte bildliche Anordnung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen den beiden Jubiläen keine Verbindung gibt – außer dass sie eben in derselben Stadt begangen werden.101 Ebenfalls zwei Jubiläen werden auf einer bundesrepublikanischen Briefmarke von 1969 thematisiert: „25. Mai 1949 Grundgesetz“ und „1919 Weimarer Verfassung“. Zu sehen sind in jeweils quadratischen goldenen Feldern zwei Bundesadler, die den Wappen von 1919 und 1949 nachempfunden sind. Bis hierher kann man das Markenbild als durchaus gelungen bezeichnen. Allerdings werden diese beiden Felder durch eine größere (Majuskel-) Schrift mit folgendem Wortlaut eingerahmt: „Zwanzig Jahre / Bundesrepublik Deutschland“.102 Ist damit ein drittes Jubiläum gemeint, das durch das Grundgesetz nicht abgedeckt ist? Wie ist dann aber der Verweis auf die Weimarer Verfassung zu verstehen? Müsste der Gesamtrahmen nicht lauten: 50 Jahre deutsche Republik?103 Ein dreifaches Jubiläum feiert dagegen eine Briefmarke von 1989: den 1 300. Todestag von Kilian, Kolonat und Totnan, drei Iren, die sich um die christliche Mission im Raum Würzburg verdient gemacht hatten. Das Postwertzeichen würdigt sie als „Frankenapostel“, das Jahr 689 verweist auf das Datum ihres Martyriums.104 Das dreiblättrige Kleeblatt neben ihren Häuptern soll offenbar nicht nur die Dreizahl der Missionare symbolisieren, sondern steht vor allem für ihre irische Herkunft.105 Sogar gleich vier Personen, die Pfarrer bzw. Priester – Karl Friedrich Stellbrink, Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lang – finden auf einer Briefmarke aus dem Jahr 2018 Platz. Sie gedenkt ihres 75. Todestages, genauer ihrer Hinrichtung in einem Hamburger Gefängnis. Die vier Personen sind darauf durch ihre Namen präsent, die in grauer Schrift aufscheinen. Vor allem sind sie aber (wie im Heiligenkult allgemein üblich) zu einer Gruppe zusammengefasst, sie sind die „Lübecker Märtyrer“.106
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Michel Nr. 2195. Michel Nr. 585. – Zur Sache vgl. Jürgen Hartmann, Der Bundesadler, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte LVI 2008, S. 495–509. 103 Allerdings wäre damit auch die DDR miteingeschlossen gewesen, was von den Initiatoren der Briefmarke wahrscheinlich nicht gewünscht war. 104 Michel Nr. 1424. 105 Vgl. Knut Schäferdiek, Kilian von Würzburg. Gestalt und Gestaltung eines Heiligen, in: Ders., Schwellenzeit. Beiträge zur Geschichte des Christentums in Spätantike und Frühmittelalter, Arbeiten zur Kirchengeschichte LXIV, Berlin / New York 1996, S. 459–486, hier S. 459 (zuerst 1994). 106 Michel Nr. 3417.
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3.7 Indirekte Jubiläen Hinter manchen Briefmarken verbirgt sich ein historisches Jubiläum, das für den Betrachter nicht leicht zu erkennen ist, ja, bei dem er zuerst einmal in die Irre geführt wird. Das gilt in hohem Maße für die sogenannte Staufer-Marke. Gemeint ist ein bundesrepublikanisches Postwertzeichen aus dem Jahre 1977, das den berühmten Cappenberger Barbarossa-Kopf zeigt. Die Aufschrift lautet: „Staufer-Jahr 1977 in Baden-Württemberg“.107 Nun gibt es allerdings kein nennenswertes Barbarossa-Jubiläum, das sich mit diesem Jahr in Verbindung bringen ließe – denn der Frieden von Venedig 1177 kann wohl kaum damit gemeint sein. Nicht besser wird es, wenn man die Staufer insgesamt in den Blick nimmt: Ein naheliegendes Gedenkjahr findet sich auch dann nicht. Mehr Aufschluss gewinnt dagegen, wer das Kleingedruckte liest. Dort heißt es nämlich: „Barbarossakopf – Landesmuseum Stuttgart, 23.3.–5.6.1977“. Beworben wird also eine damals aktuelle Ausstellung, die freilich einem historischen Thema gewidmet ist. Warum aber dann gerade die Staufer? Und weshalb wird dieser Ausstellung eine Briefmarke gewidmet? Dies erschließt sich nur, wenn man die näheren Hintergründe kennt. Die Stuttgarter Ausstellung wurde nämlich aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Landes Baden-Württemberg veranstaltet108 – nimmt also mithin auf ein Ereignis der Zeitgeschichte und nicht des hohen Mittelalters Bezug. Die Verbindung zu den Staufern ist eine indirekte: Bei der Neugründung des Südweststaates 1952 wurde die schwäbische Kaiserdynastie als historischer Referenzpunkt gewählt – man vergleiche etwa die drei Staufer-Löwen im Landeswappen –, mit dem sich die Bewohner in allen drei Territorien: Baden, Württemberg und Hohenzollern gleichermaßen identifizieren konnten. 3.8 Darstellungsfragen Briefmarken können nur dann richtig interpretiert werden, wenn man Bild und Text gemeinsam und als aufeinander bezogene Elemente versteht. Aufgrund des relativ kleinen Formats und der Anforderung, mit bloßem Auge gut erfassbar zu sein, ist eine starke Reduktion erforderlich. Dies geschieht im Einzelnen auf sehr unterschiedliche Weise, allein in der Geschichte der deutschen Post vieltausendfach. Diese Massenhaftigkeit erlaubt es, Tendenzen festzustellen und Regeln zu identifizieren; zusammengenommen ergeben diese so etwas wie eine Kunstgeschichte der Briefmarke, die noch zu schreiben wäre. 107 Michel Nr. 933. 108 Vgl. dazu Martin Grosse Burlage, Große historische Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland 1960–2000, Münster 2005, S. 21–91.
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Es läge nun sicherlich nahe, das Jubiläum, genauer: das Zeitintervall, durch eine auffällig platzierte Zahl zum Ausdruck zu bringen. Diese Möglichkeit wird allerdings fast nie gewählt, und dafür gibt es einen recht naheliegenden Grund: Ziffern sind der Wertangabe vorbehalten und das, gerade auf deutschen Briefmarken, von Anfang an.109 Umso auffälliger ist es, wenn dann doch eine das Jubiläum bezeichnende Ziffer in den Mittelpunkt gerückt wird. Dies ist bei einer Briefmarke der Bundesrepublik von 1981 der Fall, die „100 Jahre Sozialversicherung“ feiert. Darauf ist eine große Zahl von Menschen abgebildet, die zusammen die Zahl Hundert bilden – gleichsam als Symbol der Solidarität.110 Damit ist gewissermaßen die gesamte Bandbreite an Möglichkeiten abgeschritten: von Briefmarken, deren Jubiläum gar nicht erwähnt wird und sich daher nur dem Kenner erschließt, bis zu Briefmarken, bei denen die gefeierten Jahre überdeutlich im Zentrum stehen. 3.9 Exkurs: Vorbereitung von Ereignissen Bis hierher war immer von einer Bezugnahme auf historische Begebenheiten die Rede. Es stellt sich nun die Frage, ob neben den zurückliegenden auch zukünftige Ereignisse auf Briefmarken thematisiert werden können. Diese Frage lässt sich eindeutig bejahen. Das beste Beispiel dafür sind die Olympischen Sommerspiele, die vom 26. August bis zum 11. September 1972 in München stattgefunden haben.111 Unmittelbar nachdem die vorausgegangenen Spiele 1968 in Mexiko beendet waren, erschienen zahlreiche Briefmarken, die auf dieses Ereignis hinwiesen (und zwar stets mit Nennung der Jahreszahl): 1969, 1970 und 1971 jeweils vier und 1972 sogar zwölf.112 Es gibt wohl kaum ein Ereignis in der deutschen Postgeschichte, das eine ähnliche Aufmerksamkeit – und zwar schon im Voraus – erfahren hat.113
109 Man denke nur an die ersten bayerischen, sächsischen, Hamburger, württembergischen usw. Briefmarken. 110 Michel Nr. 1116. – Bei der Gedenkmarke „20 Jahre Grenzöffnung Ungarn – Österreich“ von 2009 (Michel Nr. 2759) ist in ganz ähnlicher Weise die Zahl 20 ins Bild gesetzt. 111 Die Entscheidung, diese Spiele in München abzuhalten, fiel am 26. April 1966. 112 Vgl. Michel Nr. 587–590, 624–627, 680–687, 719–722, 734–737, 723–726. Auch die Ausgaben des Jahres 1972 kamen vor Eröffnung der Spiele an die Schalter: jeweils vier am 5. Juni, am 5. Juli und am 18. August. 113 Auch schon anlässlich der Olympischen Sommerspiele von 1936 wurden acht Briefmarken herausgebracht, allerdings erst im Jahr des Ereignisses selbst, vgl. Michel Nr. 609–616 (und 624–631). Bei den Winterspielen waren es drei (Nr. 600–602). – Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft von 1974 wurde das Ereignis am 15. Mai, das heißt etwa einen Monat vor dem Eröffnungsspiel, angekündigt: Michel 811–812.
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4. Quantitative Auswertung Die große Zahl an Briefmarken, die zum Gedenken an historische Ereignisse erschienen ist, erlaubt neben der individuellen Betrachtung auch eine quantitative Auswertung – eine durchaus ungewohnte Kategorie im Bereich der Geschichtspolitik. Dafür empfiehlt es sich, zunächst einige Unterscheidungen vorzunehmen. Die entscheidende Bezugsgröße für die hier interessierende Fragestellung ist der Gedenkanlass (oder in nahezu synonymer Verwendung: das Jubiläum). Es wird dagegen nicht berücksichtigt, wie viele Briefmarken zu einem bestimmten Anlass erschienen sind – eine, wie in den meisten Fällen, oder mehrere.114 Dass damit Gewichtungen grundsätzlich möglich sind, ist unbestritten. Ob allerdings einfache Relationen auf einer Bedeutungsskala anzunehmen sind, müsste erst noch untersucht werden. Dürfte man dies ohne weiteres voraussetzen, dann wäre jedenfalls die Friedrich-Schiller-Universität zu Jena die wichtigste hierzulande. Sie ist nämlich die einzige, deren Gründungsjubiläum mit zwei Postwertzeichen gefeiert wurde, während bei allen anderen – und es sind nicht wenige – nur jeweils eine einzige Briefmarke erschienen ist.115 Es wäre sicher nicht uninteressant, die aus Anlass von Jubiläen herausgegebenen Briefmarken zur Gesamtzahl in Beziehung zu setzen. Allerdings würden dafür sehr aufwändige Vorarbeiten erforderlich. Die Nummern des Michel-Katalogs bieten nämlich keine ausreichende Basis – und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sind nicht alle Nummern tatsächlich auch vergeben,116 zum anderen werden immer wieder Varianten separat gezählt, die vielleicht für den Sammler, nicht aber für den Historiker von Bedeutung sind.117 Die „Messgröße“, um die es im Folgenden vor allem gehen soll, ist das Zeitintervall der gefeierten Jubiläen – der Abstand also zwischen historischem Ereignis und seinem postalischen Gedenken. Anders formuliert: Das Ziel ist eine Tiefenvermessung der deutschen Erinnerungskultur mit Hilfe der offiziellen Briefmarken. Nur en passant sei darauf hingewiesen, dass die ereignisbezogenen Postwertzeichen nur einen Teil der historisch aussagekräftigen Briefmarken darstellen. Daneben gibt es zum Beispiel auch Serien mit historischen Persönlichkeiten („Bedeutende Deutsche“, „Helfer der Menschheit“, „Frauen der deutschen Geschichte“ usw.) oder historischen Bauwerken („Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten“, „Burgen und Schlösser“, „Sehenswürdigkeiten in Deutschland“ usw.), die oft weit in die Geschichte zurückverweisen, um nur die beiden wichtigsten zu nennen. 114 115 116 117
In letzter Zeit werden allerdings historische Ereignisse nur noch mit einer Briefmarke bedacht. „25 Jahre Notruf 112“ (Nr. 3212) und „500 Jahre Reformation“ (Nr. 3300) erhalten damit dasselbe Gewicht. Vgl. Michel (DDR) Nr. 647–648. Etwa Michel (DDR) Nr. 446, 461–462, 467–469, 523, 652–654, 785 etc. Die Nummern wurden zeitweise auf der Basis der Planungen vergeben, so dass bei kurzfristigen Änderungen gegebenenfalls eine Lücke entstand. Zum Beispiel bei unterschiedlicher Zähnung, farblichen Varianten usw.
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4.1 Die Vielfalt der Jubiläen Auf den Briefmarken des Deutschen Reichs und seiner Nachfolgestaaten wurden zwischen 1924 und 2020, das heißt in 97 Jahren, insgesamt 1 750 historische Gedenktage gefeiert. Allein schon an dieser Zahl lässt sich die Bedeutung der Postwertzeichen für die nationale Geschichtskultur in aller Deutlichkeit ablesen.118 Die komplizierte Geschichte der deutschen Territorien – geprägt von zwei Kriegen und deren Folgen – spiegelt sich auch in der Post und ihren Briefmarken direkt wieder. So existierte im 20. Jahrhundert eine Vielzahl von Postverwaltungen, zeitweise vier oder mehr nebeneinander. Auf sie verteilen sich die Gedenkanlässe folgendermaßen: Deutsches Reich (1924–1945) 47, Deutschland unter alliierter Besatzung (1945–1949) 10,119 Deutsche Demokratische Republik (1949–1990) 412, West-Berlin (1948–1990) 137, Saarland (1948–1959) 17, Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der deutschen Teilung (1949–1990) 384 und schließlich die Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinigung (1990–2020) 744. Die Zeitintervalle, die den Jubiläen zugrunde liegen, reichen von zweitausend Jahren bis zu sehr kurzen Abständen; selbst das aktuelle Jahr ist unter bestimmten Umständen und gewissermaßen als Grenzfall noch mit in Betracht zu ziehen. Im Einzelnen ergibt sich eine lange Liste, die der besseren Übersicht wegen im Anhang (Kap. 6; Intervall in Jahren, die Zahl der Jubiläen in Klammern) wiedergegeben ist. Es sind also nicht weniger als 64 verschiedene Zeitintervalle, die in den letzten rund einhundert Jahren auf Briefmarken gefeiert wurden. Sie liefern zunächst einmal den Beweis, dass sehr viele unterschiedliche Jubiläen grundsätzlich möglich sind. Wenn man allerdings die Häufigkeit noch mit in Betracht zieht, klärt sich das Bild. Denn allein zwanzig Zeitabschnitte werden nur ein einziges Mal postalisch gefeiert und bedürfen daher einer individuellen Betrachtung. Es handelt sich dabei oft um untypische Zahlen, wie etwa 110, 120 oder 230, von beinahe schon beliebigen im Bereich unter 100 ganz zu schweigen (allein sieben sind Hitlers Geburtstagen geschuldet). Zieht man diese Fälle einmal ab, dann bleiben über 100 nur solche Jubiläen übrig, die sich durch 25 teilen lassen (über 400 meist durch 50), unter 100 sind dagegen 5-Jahres-Schritte akzeptiert (und 10-Jahres-Abstände sehr viel häufiger). Auf der einen Seite
118 119
Die beiden geplanten Jahrgänge (2019 und 2020) sind in die folgenden Berechnungen noch nicht mit einbezogen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um 1) die Gemeinschaftsausgaben für die amerikanische, britische und sowjetische Zone 1946–1948, 2) Berlin und Brandenburg 1945, 3) Mecklenburg Vorpommern 1945–1946, 4) Ost-Sachsen 1945–1946, 5) die Provinz Sachsen 1945–1946, 6) Thüringen 1945–1946, 7) West-Sachsen 1945–1946, 8) die Ausgaben für die gesamte sowjetische Zone 1948– 1949, 9) die Ausgaben für die gesamte französische Zone 1945, 10) Baden 1947–1949, 11) Rheinland-Pfalz 1947–1949, 12) Württemberg-Hohenzollern 1947–1949, 13) die gemeinsame Ausgaben in der amerikanischen und britischen Zone (Bizone) 1948–1949. – Die Ausgaben zum selben Jubiläum sind jeweils zusammengefasst.
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der Skala – in der Antike – werden also volle Millennien erreicht, auf der anderen – in der Gegenwart – geht es um einzelne Jahre. Es lohnt sich, dieses Anwachsen ein wenig näher unter die Lupe zu nehmen. 4.2 Die häufigsten Jubiläen Nimmt man zunächst einmal die am häufigsten begangenen Jubiläen in den Blick, so lassen sich mühelos drei Klassen bilden (dazu gleich im Folgenden). In diese fallen die acht Spitzenreiter, was die Quantität betrifft, das heißt jene Zeitintervalle, für die mehr als fünfzig Belege vorliegen. Zusammen kommen diese auf 1 040 Gedenkanlässe, also fast drei Fünftel aller Fälle. Die meisten Jubiläen – und zwar mit sehr großem Abstand die meisten – wurden nach hundert Jahren gefeiert: 397 Stück oder 23 Prozent. Wie erklärt sich dieses beeindruckende Ergebnis? Zum einen ist Hundert die erste große runde Zahl, verbunden mit dem Wechsel von zwei zu drei Ziffern. Zum anderen sind hundert Jahre ein Zeitraum, der dem Gedächtnis noch relativ leicht zugänglich ist, also eine vergleichsweise nahe Vergangenheit betrifft. Dabei können hundert Jahre durchaus recht Unterschiedliches bedeuten, je nachdem ob es sich zum Beispiel um einen hundertsten Todesoder einen hundertsten Geburtstag handelt: Die gefeierten Personen stammen in diesen Fällen dann aus sehr unterschiedlichen Generationen. Die Hundertjahrfeier ist also unter Jubiläen sowohl der Klassiker als auch der Angelpunkt: Ober- und unterhalb dieser Marke gelten, wie bereits zu sehen war, andere Regeln. Vor allem ist sie aber nahezu omnipräsent: In manchen Jahren erschienen zehn Briefmarken oder mehr zu solchen Anlässen.120 Das fünfzigste, das hundertfünfzigste und das zweihundertste Jubiläum, also die von dem genannten Ausgangspunkt in Fünfzig-Jahres-Schritten auf- und absteigenden Jahrestage, sind die nächsten in der Häufigkeitsstatistik. Mit 139, 136 und 132 Belegen liegen die Zahlen so eng beieinander, dass man sie ohne weiteres zu einer zweiten Klasse zusammenfassen kann. In eine dritte Klasse gehören schließlich der fünfundzwanzigste, der hundertfünfundzwanzigste sowie der zweihundertfünfzigste Jahrestag, die mit zweimal 55 und einmal 59 Anlässen für Sonderbriefmarken ebenfalls eine Einheit bilden. Auch das fünfhundertjährige Jubiläum, das mit 66 Beispielen sogar etwas stärker vertreten ist, gehört ebenfalls mit dazu. Damit ist auch schon ein Zeitintervall erreicht, das in die älteren Epochen, näherhin ins Mittelalter führt.
120 Zehn Briefmarken erschienen 1995, elf 1991.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
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4.3 Die ältesten Jubiläen Vergleicht man das historische Gedächtnis mit einer mitteleuropäischen Landschaft, dann stellen die am weitesten zurückreichenden Jubiläen darin die höchsten Gipfel dar. Wie lassen sich diese zeitlichen Formationen beschreiben? Wo liegen die größten Erhebungen und wo sucht man sie vergeblich? Kann man so etwas wie Gebirgsketten ausmachen? Und wo befinden sich die Vorgebirge? Die ältesten Jubiläen auf deutschen Briefmarken reichen zweitausend Jahre zurück. Von diesen 2 000er-Gipfeln gibt es immerhin neun Stück: die Stadtgründungen von Mainz, Neuss, Trier, Augsburg, Bonn, Speyer und Koblenz, außerdem die Schlacht im Teutoburger Wald sowie die schon oben erwähnte Einführung des Weinbaus.121 Alle diese Ereignisse gehören in die Zeit der römischen Eroberung Germaniens, die Grenze markiert überdeutlich – von der Varusschlacht einmal abgesehen – der Rhein. Nach diesen Anfängen in der Alten Geschichte folgt zunächst eine Pause von fünfhundert Jahren, wenn man so möchte, eine erinnerungshistorische Terra incognita. Und auch am Übergang von der Antike zum Mittelalter gibt es nur einen einzigen Gedenkanlass: den 1 500. Geburtstag des Mönchsvaters Benedikt. Dieses Jubiläum fällt allerdings insofern aus dem Rahmen, weil die geehrte Person keinen direkten Bezug zu Deutschland hat.122 Erst mit dem 1 300. Jahrestag beginnt dann eine regelmäßige Reihe, die bis in die Gegenwart führt: zuerst noch – um im Bilde zu bleiben – als schmaler Höhenkamm (1 300 Jahre Frankenapostel und 1 300 Jahre Arnstadt),123 dann aber bald als wuchtiges Massiv. So werden 16 Jubiläen zur 1 200. Wiederkehr eines historischen Ereignisses gefeiert, darunter viele Städte-, Kloster- und Bistumsgründungen. Ganz ähnliche Themen stehen bei den benachbarten 1 250- und 1 100-Jahr-Feiern im Vordergrund, für die jeweils sieben Belege vorliegen. Der Todestag des Bonifatius war der deutschen Post sogar bereits zwei Briefmarken wert, eine erste im Jahre 1954 und eine zweite 2004.124 1 000-Jahr-Feiern werden besonders oft begangen, alles in allem 39 Mal. Geschuldet ist diese Prominenz sicherlich der „besonders runden“ Zahl. Darunter befinden sich auch die ältesten Jubiläen auf Briefmarken der DDR: 1 000 Jahre Halle, 1 000 Jahre Weimar und – besonders bemerkenswert – der 1 000. Geburtstag des muslimischen
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Vgl. Michel Nr. 375, 1063, 1197, 1218, 1234, 1402, 1444, 1583, 2939. Vgl. Michel Nr. 1055. – Im Allgemeinen gilt das Territorialprinzip; Benedikt hat sich aber unserer Kenntnis zufolge (und wie auch immer man die legendären Quellen beurteilen mag) ausschließlich in Mittelitalien aufgehalten. Sein Geburtsdatum ist im Übrigen alles andere als gesichert. 123 Vgl. Michel Nr. 1424 und 2388. 124 Vgl. Michel Nr. 199 und 2401. – Zur vielschichtigen Rezeption des „Apostels der Deutschen“ vgl. Franz Felten / Jörg Jarnut / Lutz von Padberg (Hrsg.), Bonifatius – Leben und Nachwirken. Die Gestaltung des christlichen Europa im Frühmittelalter, Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte CXXI, Mainz 2007 (vor allem die Beiträge von Haarländer, Schieffer und Pape).
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Gelehrten Avicenna.125 Berliner Motive reichen sogar nur bis zur 750-Jahr-Feier Spandaus zurück; ältere Kerne lassen sich zumal im westlichen Stadtgebiet auch nur sehr schwer finden.126 Die älteren Epochen sind – so kann man also resümieren – auf deutschen Briefmarken ziemlich gut vertreten. Allein für die Gedenktage jenseits des 500. Jubiläums lassen sich immerhin 154 Belege anführen, neun oder zehn davon in der Antike, alle anderen im Mittelalter. Allerdings geschieht das in ganz unterschiedlichem Maße: Während in der BRD zwischen 1949 und 1990 Sondermarken zu 51 solcher Jahrestage herausgebracht wurden, waren es in der DDR in genau demselben Zeitraum gerade einmal 13 (und das sogar bei einer wesentlich größeren Grundzahl). Wie sind diese Unterschiede zu erklären? Zunächst einmal gab es auf dem Territorium der DDR schlicht keine antiken Städtegründungen, deren 2 000. Wiederkehr hätte gefeiert werden können. Auch die Jubiläen, die mit der Kirche und deren Vertretern in Verbindung standen – in der westdeutschen Gedenkkultur ein nicht unerheblicher Anteil –, entfielen in der DDR vollständig. Und das Interesse an den mittelalterlichen Städtegründungen war allenfalls lau. Erst nach der Wiedervereinigung spielte daher das ostdeutsche Mittelalter auf Briefmarken eine größere Rolle ( Jubiläen von Erfurt, Potsdam, Querfurt, Gera, Mecklenburg, Halberstadt usw.).127 4.4 Die jüngsten Jubiläen Wendet man sich dem anderen Ende der Skala zu und nimmt vor allem die kurzen Zeitintervalle in den Blick, dann fällt auf, dass hier die Briefmarken der DDR besonders stark vertreten sind – nicht gleich zu Beginn, aber nach einer kurzen Konsolidierungsphase. Im Jahre 1954 werden 5 Jahre Deutsche Demokratische Republik, 1955 10 Jahre Befreiung vom Faschismus, 10 Jahre Bodenreform sowie 10 Jahre Volkssolidarität gefeiert, 1956 folgen 10 Jahre Volkseigene Betriebe, 1958 10 Jahre Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, 10 Jahre Tag der Menschenrechte sowie der 5. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1959 wieder 10 Jahre Deutsche Demokratische Republik usw. Auch das 15., das 20., das 25. Jubiläum der Staatsgründung werden entsprechend begangen. Und viele andere Jahrestage wiederholen sich ebenfalls im 5-Jahres-Rhythmus. Mit anderen Worten: alle Errungenschaften des DDR-Sozialismus haben erst ein geringes Alter, werden aber in kleinen Abständen und sehr regelmäßig gefeiert. Das gilt in etwas geringerem Maße auch für die Geburts- und Todestage der Vordenker und Vorkämpfer: Marx, Engels, Lenin, Thälmann, Luxemburg und Bebel, um nur die 125 126 127
Vgl. Michel Nr. 314, 833–834, 2086–2088. Vgl. Michel Nr. 159 (725 Jahre 1957) und 659 (750 Jahre 1982). Vgl. Michel Nr. 1611, 1680, 1765, 1772, 1782, 1846, usw.
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wichtigsten zu nennen. Diese Gedenktage führen allenfalls bis ins 19. Jahrhundert zurück. Solche kleinen Jubiläen hat es in der Frühgeschichte der BRD ebenfalls gegeben (10 Jahre Vereinte Nationen, 10 Jahre Vertreibung, 10 Jahre Deutsche Mark usw.),128 allerdings in einem sehr viel geringeren Maße. 5- oder 15-Jahres-Gedenktage fehlen hier ganz; es existierte offenkundig ein unterschiedliches Repertoire an Gedenkanlässen. Seit der deutschen Wiedervereinigung sind 25 Jahre der kleinste zeitliche Abschnitt, der auf Briefmarken thematisiert wird – von sehr wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Zu diesen gehört die Öffnung der innerdeutschen Grenzen selbst, die am 1. und am 5. Jahrestag gefeiert wurde. Die zwei Wertzeichen von 1990 waren im Übrigen die ersten, die nach der Zusammenlegung der beiden Postverwaltungen erschienen sind.129 Die starke Häufung kleiner und kleinster Jubiläen ist kein Alleinstellungsmerkmal der DDR. Genau dasselbe war schon auf den Briefmarken des Dritten Reichs zu konstatieren: Die eigenen Gedenktage reichten bis 1933 oder allenfalls 1923 zurück, so dass bis in die Mitte der vierziger Jahre nur kleine Intervalle zusammenkamen, das „Tausendjährige Reich“ eben keine tausend Jahre währte. Beide Regime teilten damit das Los aller neuen Bewegungen, wie unterschiedlich diese auch in inhaltlicher Hinsicht sein mochten. Gemeinsam war beiden vor allem aber der Wunsch, diese eigenen Gedenktage permanent zu feiern und sich dafür gerne auch der Postwertzeichen zu bedienen. 4.5 Ein Grenzfall: der (erste) Todestag Ein spezieller Fall, der selbst die Fünf-Jahres-Jubiläen noch deutlich unterbietet, ist der (meist: erste) Todestag. Es handelt sich dabei um einen Grenzfall insofern, als ein historischer Abstand von dem zu erinnernden Ereignis zweifellos fehlt. Vielmehr scheint die christliche Praxis des Totengedenkens mit der Feier des Anniversars hier Pate gestanden zu haben. Gerade weil aber auf historische Distanz verzichtet wird, hat diese Form des Gedenkens einen dezidiert politischen Charakter; sie enthält ein Bekenntnis zu dem Verstorbenen und zu der von ihm verkörperten Sache. Daneben werden aber auch Schriftsteller und Künstler geehrt, die damit in den Status von (Staats-)Klassikern erhoben werden. Nach den knappen Ausführungen über die jüngsten Jubiläen ist es nicht schwer zu verstehen, dass solche (ersten) Todestage besonders oft auf den Briefmarken der DDR zu finden sind: acht Beispiele hier (Stalin, Thomas Mann, Hermann Abendroth, Bertolt Brecht, Günther Ramin, Otto Nuschke, Johannes R. Becher und Otto Grotewohl) 128 129
Zu den beiden Vertriebenen-Marken Nr. 215 (1955) und 479 (1965) vgl. den Beitrag von René Smo larski in diesem Band. Vgl. Michel Nr. 1481–1482 und 1789.
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stehen nur fünf in der BRD (Thomas Mann, Leo Baeck, George C. Marshall, John F. Kennedy und Konrad Adenauer) gegenüber, in Berlin sind es immerhin vier (Ernst Reuter, Wilhelm Furtwängler, Otto Suhr und ebenfalls John F. Kennedy) bzw. sechs, wenn man den zweiten Todestag von Walter Schreiber und den vierten von Luise Schroeder noch mitzählt.130 Bemerkenswert ist, dass diese Praxis von allen drei Postverwaltungen fast gleichzeitig aufgegeben wird, nämlich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre. Die Würdigung des chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda 1974 durch die Post der DDR ist daher schon als Nachzügler zu bewerten.131 Noch einen Schritt weiter gehen jene Marken, die nicht zum ersten Jahrestag des Todes, sondern bereits im Jahr des irdischen Ablebens erschienen sind. Im Osten Deutschlands war diese hohe Ehrbezeugung dem Staatsoberhaupt vorbehalten, so dass entsprechende Wertzeichen nur zweimal erschienen sind: beim Tod Wilhelm Piecks 1960 und beim Tod Walter Ulbrichts 1973.132 In der „alten“ Bundesrepublik war diese Praxis dagegen unbekannt. Erst nach der Wiedervereinigung wurden drei Persönlichkeiten auf diese Weise gewürdigt: Ernst Jünger (1998), Papst Johannes Paul II. (2005) sowie der frühere Bundespräsident Johannes Rau (2006).133 Den Anfang hatten allerdings jene sechs Briefmarken gemacht, die 1934 anlässlich des Todes von Paul von Hindenburg erschienen sind – des einzigen deutschen Präsidenten, der im Amte verschied. Man verwendete dafür das Motiv der Dauerserie (das Portrait im Medaillon), umgeben von einem schwarzen Trauerrand – eine Lösung, die man mit Fug und Recht als einzigartig bezeichnen kann. Ihr war es auch zu verdanken, dass die Wertzeichen keine fünf Wochen nach dem Ableben bereits an den Schaltern lagen.134 Diese kurze Reaktionszeit war allerdings nicht auf prominente Todesfälle beschränkt. So erschien am 17. August 1953, das heißt exakt zwei Monate nach den Aufständen in Ost-Berlin und in anderen Städten der DDR, ein Satz mit zwei Briefmarken, die dieses Ereignis bereits thematisierten: Auf der einen sind zwei Hände zu sehen, die eiserne
130 131 132 133 134
Vgl. Michel (DDR) Nr. 425, 534, 593–594, 604–605, 671, 732, 1153; Michel (BRD) Nr. 237, 278, 344, 453, 557; Michel (Berlin) Nr. 115, 128, 181, 192, 198, 241. Michel Nr. 1921. Michel Nr. 784 und 1870. Beide Marken sind als Ausdruck der Trauer in einem schwarzen Ton gehalten, der Block von 1960 zeigt sogar einen schwarzen Rand. Michel Nr. 1984, 2460, 2528. Weshalb gerade der polnische Papst auf deutschen Briefmarken so prominent vertreten ist (ihm ist auch schon eines der letzten Postwertzeichen der DDR gewidmet, vgl. Michel Nr. 3337), müsste einmal genauer untersucht werden. Michel Nr. 548–553. Hindenburg starb am 2. August, die Trauermarken kamen am 4. September 1934 in die Schalter. Seither sind in Deutschland keine Briefmarken mehr mit Trauerrand erschienen. – Als am 9. Oktober 1934 König Alexander I. von Jugoslawien in der Folge eines Attentats verstarb, griff die dortige Post allerdings zu genau dem gleichen Mittel (alle 14 Werte), vgl. Michel Nr. 285–298 (erschienen am 17. Oktober 1934).
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Ketten sprengen, auf der anderen das Brandenburger Tor vor der aufgehenden Sonne.135 Beide geben in übergroßer Schrift das entscheidende Datum, den 17. Juni 1953, an.136 Schon am 4. August 1953 hatte der Deutsche Bundestag in Bonn diesen Termin zum gesetzlichen Feiertag erklärt.137 5. Anhang: Deutsche Jubiläen 1924–2018 In der folgenden Übersicht sind diejenigen Jubiläen zusammengestellt, die die deutsche Post in den Jahren seit 1924 mit Briefmarken bedacht hat. In grob chronologischer Reihenfolge, aber nach den Postverwaltungen geordnet, handelt es sich um: a. b. c. d. e. f. g.
Deutsches Reich (47 Gedenkanlässe) Alliierte Besatzung (10 Gedenkanlässe) Deutsche Demokratische Republik (412 Gedenkanlässe) Berlin (West) (137 Gedenkanlässe) Saarland (17 Gedenkanlässe) Bundesrepublik Deutschland, zur Zeit der deutschen Teilung (384 Gedenkanlässe) Bundesrepublik Deutschland, seit der Wiedervereinigung (731 Gedenkanlässe).138
In dieser Zusammenstellung sind mit einem Asterisken (*) solche Einträge gekennzeichnet, bei denen das Jubiläum auf der Marke nicht direkt ersichtlich ist. Zwei Asterisken (**) zeigen an, dass das Jubiläum zu Lebzeiten der betreffenden Person begangen wird.
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Vgl. Michel (Berlin) Nr. 110–111. Vgl. dazu und zu anderen Abbildungen des Brandenburger Tores Gottfried Gabriel, Die politische Bildersprache der Briefmarken. Beispiele aus der deutschen Geschichte, in: Pierre Smolarski/René Smolarski/Silke Vetter-Schultheiss (Hrsg.), Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Post – Wert – Zeichen I, Göttingen 2019, S. 21–36. Der Satz wurde von der Berliner Postverwaltung herausgegeben, vgl. Michel Nr. 110–111. – Fünfzig Jahre später hat die Post des wiedervereinigten Deutschlands mit einer Zuschlagsmarke erneut an dieses Ereignis erinnert, vgl. Michel Nr. 2342. Vgl. dazu Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik und deutsche Frage. Der 17. Juni im nationalen Gedächtnis der Bundesrepublik (1953–1989), in: Geschichte und Gesellschaft XXIV 1998, S. 382– 411. Auch diese Liste ist nicht vollständig. So gedenkt z. B. die Freie Stadt Danzig 1930 „10 J. Freie Stadt Danzig“, 1936 „125 J. Ostseebad Brösen“, 1938 „150. Geburtstag von Arthur Schopenhauer“ sowie 1939 „125 J. Wiedervereinigung von Danzig mit Preußen“, vgl. Michel Nr. 220–230, 259–261, 281– 283, 302–305.
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a. Deutsches Reich139 Jahrgang 1924 50 J. Weltpostverein Jahrgang 1925 1 000 J. Rheinland deutsch (*) Jahrgang 1927 80. Geburtstag von Paul von Hindenburg (**) Jahrgang 1933 10 J. Deutsche Nothilfe (als Überdruck) Jahrgang 1934 175. Geburtstag von Friedrich von Schiller (*) 50 J. Deutsche Kolonien Tod von Paul von Hindenburg Jahrgang 1935 350. Geburtstag von Heinrich Schütz 250. Geburtstag von Johann Sebastian Bach 250. Geburtstag von Georg Friedrich Händel 100 J. Deutsche Eisenbahn 12 J. Hitlerputsch Jahrgang 1936 250. Todestag von Otto von Guericke 50 J. Deutsche Kraftwagen 10 J. Deutsche Lufthansa Jahrgang 1937 48. Geburtstag von Adolf Hitler (*, **) Jahrgang 1938 100. Geburtstag von Ferdinand Graf von Zeppelin 49. Geburtstag von Adolf Hitler (*, **) 5 J. „Machtergreifung“ Jahrgang 1939 70 J. Deutsches Derby 50. Geburtstag von Adolf Hitler (*, **)
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In den Jahren 1926 sowie 1928–1932 sind keine Gedenkmarken erschienen.
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Jahrgang 1940 51. Geburtstag von Adolf Hitler (**) 50 J. Helgoland wieder deutsch 50 J. Entdeckung des Diphtherie-Serums durch Emil von Behring (*) Jahrgang 1941 150. Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart 52. Geburtstag von Adolf Hitler (*, **) Jahrgang 1942 400. Todestag von Peter Henlein 53. Geburtstag von Adolf Hitler (**) 10 J. Deutsche Gesellschaft für Goldschmiedekunst (*) Jahrgang 1943 800 J. Lübeck 100. Geburtstag von Peter Rosegger 54. Geburtstag von Adolf Hitler (**) 20 J. Hitlerputsch 10 J. „Machtergreifung“ Adolf Hitlers 10 J. Winterhilfswerk 8 J. Reichsarbeitsdienst (*) Jahrgang 1944 1 200 J. Fulda 400 J. Universität Königsberg 100. Geburtstag von Robert Koch 55. Geburtstag von Adolf Hitler (**) 25 J. Deutscher Flugpostdienst 21 J. Hitlerputsch 11 J. „Machtergreifung“ 10 J. Hilfswerk Mutter und Kind 10 J. Das Braune Band von Deutschland Jahrgang 1945 600 J. Stadtrechte Oldenburg b. Alliierte Besatzung Besatzungsausgaben 1947 450 J. Messeprivileg Leipzig (Alliierter Kontrollrat) 50. Todestag Heinrich von Stephan (Alliierter Kontrollrat) Besatzungsausgaben 1948 700 J. Kölner Dom (Grundsteinlegung) (Bi-Zone)
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Besatzungsausgaben 1949 200. Geb. Johann Wolfgang von Goethe (Bi-Zone, Sowjet. Zone, Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern) 100 J. „Badische“ Revolution (Baden) 100 J. Deutsche Briefmarken (Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern) 100 J. Gustav-Werner-Stiftung (Württemberg-Hohenzollern) 100. Todestag von Conradin Kreutzer (Baden) 75 J. Weltpostverein (Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern) 30. Todestag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Sowjet. Zone) c. Deutsche Demokratische Republik Deutsche Post der DDR 1949 100 J. Schwarzer Bayern-Einser (*) 75 J. Weltpostverein Deutsche Post der DDR 1950 750 J. Mansfelder Kupferbergbau 250 J. Akademie der Wissenschaften in Berlin 200. Todestag von Johann Sebastian Bach 100 J. Roter Sachsen-Dreier (*) 60 J. 1. Mai Deutsche Post der DDR 1951 80. Geburtstag von Karl Liebknecht Deutsche Post der DDR 1952 1 000. Geburtstag von Avicenna140 500. Geburtstag von Leonardo da Vinci 450 J. Universität Halle-Wittenberg 150. Geburtstag von Victor Hugo 125. Todestag von Ludwig van Beethoven 100. Todestag von Nikolai Gogol 100. Todestag von Friedrich Ludwig Jahn (*) Deutsche Post der DDR 1953 700 J. Frankfurt a. d. Oder 400. Todestag von Lucas Cranach d. Ä. 200. Todestag von Georg von Knobelsdorff 200. Todestag von Balthasar Neumann 125. Todestag von Franz Schubert 85. Geburtstag von Maxim Gorki 75 J. Leipziger Zoo
140 Das Geburtsjahr Avicennas wird heute deutlich später – „um 980“ – datiert.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
70. Todestag von Karl Marx (*) 1 J. Deutsches Rotes Kreuz in der Deutschen Demokratische Republik (*) Deutsche Post der DDR 1954 225. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing 80. Todestag von Fritz Reuter 10. Todestag von Ernst Thälmann 5 J. Deutsche Demokratische Republik 1. Todestag von Stalin Deutsche Post der DDR 1955 400. Todestag von Georg Agricola 150. Todestag von Friedrich von Schiller 60. Todestag von Friedrich Engels 10 J. Befreiung vom Faschismus 10 J. Bodenreform 10 J. Volkssolidarität Deutsche Post der DDR 1956 750 J. Dresden 500 J. Universität Greifswald 200. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart 110 J. Carl-Zeiss-Werke Jena 100. Todestag von Heinrich Heine 100. Todestag von Robert Schumann 100. Geburtstag von Jakub Bart-Ćišinski / Jacob Barth 70. Geburtstag von Ernst Thälmann 10 J. Volkseigene Betriebe 1. Todestag von Thomas Mann Deutsche Post der DDR 1957 175. Geburtstag von Friedrich Fröbel 100. Geburtstag von Clara Zetkin 40 J. Oktoberrevolution in Russland 10. Welttag des Roten Kreuzes 1. Todestag von Hermann Abendroth 1. Todestag von Bertolt Brecht 1. Todestag von Günther Ramin Deutsche Post der DDR 1958 400 J. Friedrich-Schiller-Universität in Jena 300 J. Opera omnia didactica des Johann Amos Comenius 200 J. Systema naturae des Carl von Linné 100 J. Abstammungslehre des Charles Darwin 100. Geburtstag von Max Planck 100. Geburtstag von Heinrich Zille 40 J. Kommunistische Partei Deutschlands
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40 J. Novemberrevolution 10 J. Magistrat von Groß-Berlin (*) 10 J. Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ 10 J. Tag der Menschenrechte 5. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 1. Todestag von Otto Nuschke Deutsche Post der DDR 1959 200. Todestag von Georg Friedrich Händel 200. Geburtstag von Friedrich von Schiller 150. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy 100. Todestag von Alexander von Humboldt 83. Geburtstag von Wilhelm Pieck (*, **) 75 J. Glas aus Jena 40. Todestag von Rosa Luxemburg 40. Todestag von Karl Liebknecht 10 J. Deutsche Demokratische Republik 5 J. Jugendweihe (explizit) 1. Todestag von Johannes R. Becher Deutsche Post der DDR 1960 400 J. Dresdener Kunstsammlungen 250 J. Charité in Berlin 250 J. Meißener Porzellanmanufaktur 200. Geburtstag von Neidhardt von Gneisenau 150 J. Humboldt-Universität in Berlin 125 J. Deutsche Eisenbahnen 90. Geburtstag von Lenin 15 J. Befreiung vom Faschismus Tod von Wilhelm Pieck Deutsche Post der DDR 1961 1 000 J. Halle a. d. Saale 150. Geburtstag von Franz Liszt 100 J. Dresdner Zoo 85. Geburtstag von Wilhelm Pieck 15 J. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Deutsche Post der DDR 1962 200. Geburtstag von Johann Gottlieb Fichte 100. Geburtstag von Gerhard Hauptmann 80. Geburtstag von Georgi Dimitroff 20 J. Zerstörung von Liditz/Lidice 10 J. Deutscher Fernsehfunk 10 J. Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ (*)
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10. Nationale Landwirtschaftsausstellung der Deutschen Demokratischen Republik 5. Osteewoche 5 J. Sowjetische Weltraumflüge (*) Deutsche Post der DDR 1963 200. Geburtstag von Gottfried Seume 150 J. Befreiungskriege 150. Geburtstag von Georg Büchner 150. Geburtstag von Friedrich Hebbel 150. Geburtstag von Richard Wagner 100. Geburtstag von Pierre de Coubertin 100 J. Internationales Rotes Kreuz 75 J. „Die Internationale“ 25 J. Pogromnacht („Kristallnacht“) Deutsche Post der DDR 1964 400. Geburtstag von William Shakespeare 250. Todestag von Andreas Schlüter 200. Geburtstag von Gottfried Schadow 100 J. Erste Internationale 70. Geburtstag von Nikita Chruschtschow (*, **) 15 J. Deutsche Demokratische Republik Deutsche Post der DDR 1965 800 J. Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) 800 J. Stadt Leipzig 700. Geburtstag von Dante Alighieri 200 J. Bergakademie Freiberg 150. Geburtstag von Adolf Menzel 125. Geburtstag von August Bebel 120. Geburtstag von Conrad Röntgen 100 J. Internationale Fernmeldeunion 90. Geburtstag von Wilhelm Külz 90. Geburtstag von Albert Schweitzer (**)141 75. Geburtstag von Erich Weinert 20 J. Befreiung vom Faschismus 20 J. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 20 J. Rundfunk der Deutschen Demokratischen Republik 10 J. Tierpark Berlin 1. Todestag von Otto Grotewohl
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Vgl. dazu Thomas Suermann, Albert Schweitzer als „homo politicus“. Eine biographische Studie zum politischen Denken und Handeln des Friedensnobelpreisträgers, Berlin ²2017, S. 290–292.
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Deutsche Post der DDR 1966 900 J. Wartburg 150. Geburtstag von Jan Arnošt Smoler / Johann Ernst Schmaler 50 J. Spartakusgruppe 20 J. Freie Deutsche Jugend 20 J. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 10 J. Nationale Volksarmee Deutsche Post der DDR 1967 450 J. Reformation 250. Geburtstag von Johann Joachim Winckelmann 150. Geburtstag von Georg Herwegh 150. Geburtstag von Theodor Storm 100. Geburtstag von Marie Curie 100. Geburtstag von Käthe Kollwitz 50 J. Revolutionäre Matrosenbewegung 50 J. Oktoberrevolution in Russland 20 J. Demokratischer Frauenbund Deutschlands 15 J. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften Deutsche Post der DDR 1968 750 Jahre Rostock 150. Geburtstag von Karl Marx 150. Geburtstag von Max von Pettenkoven 150. Geburtstag von Ignaz Semmelweis 100. Geburtstag von Maxim Gorki 100. Geburtstag von Karl Landsteiner 100. Geburtstag von Emanuel Lasker 75 J. Meteorologisches Hauptobservatorium Potsdam 75. Geburtstag von Walter Ulbricht (**) 70. Geburtstag von Hanns Eisler 50 J. Novemberrevolution in Deutschland 20 J. Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ Deutsche Post der DDR 1969 550 J. Universität Rostock 200. Geburtstag von Alexander von Humboldt 150. Geburtstag von Theodor Fontane 100. Geburtstag von Martin Andersen Nexö 75 J. Olympische Bewegung der Neuzeit 75. Geburtstag von Otto Nagel 50 J. Internationale Arbeitsorganisation 50 J. Liga der Rotkreuzgesellschaften 20 J. Deutsche Demokratische Republik
Historische Jubiläen auf Briefmarken
Deutsche Post der DDR 1970 200. Geburtstag von Ludwig van Beethoven 200. Geburtstag von Georg Wilhelm Friedrich Hegel 200. Geburtstag von Friedrich Hölderlin 150. Geburtstag von Friedrich Engels 100. Geburtstag von Ernst Barlach 100. Geburtstag von Wladimir Lenin 80. Geburtstag von Kurt Tucholsky 25 J. Befreiung vom Faschismus 25 J. Deutscher Demokratischer Rundfunk 25 J. Deutscher Kulturbund 25 J. Deutsche Volkspolizei 25 J. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 25 J. Potsdamer Abkommen 25 J. Vereinte Nationen 25 J. Weltgewerkschaftsbund 20 J. Görlitzer Abkommen über die Oder-Neiße-Grenze Deutsche Post der DDR 1971 500. Geburtstag von Albrecht Dürer 400. Geburtstag von Johannes Kepler 150. Geburtstag von Rudolf Virchow 125 J. Carl Zeiss Jena 125. Geburtstag von Franz Mehring 100 J. Pariser Kommune 100. Geburtstag von Karl Liebknecht 100. Geburtstag von Rosa Luxemburg 100. Geburtstag von Heinrich Mann 80. Geburtstag von Johannes Robert Becher 80. Geburtstag von John Heartfield 70. Geburtstag von Willi Bredel 50 J. Mongolische Volksrevolution 25 J. Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) 25 J. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 20 J. Internationale Föderation der Widerstandskämpfer 20 J. Nationales Olympisches Komitee 15 J. Nationale Volksarmee 10 J. Bemannte Weltraumflüge der Sowjetunion (*) 10 J. Antifaschistischer Schutzwall (Berliner Mauer) Deutsche Post der DDR 1972 500. Geburtstag von Lucas Cranach d. Ä. 275. Geburtstag von Friederike Caroline Neuber 175. Geburtstag von Heinrich Heine 150. Geburtstag von Korla Awgust Kocor / Karl August Katzer 150. Geburtstag von Heinrich Schliemann 100 J. Meteorologen-Versammlung
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90. Geburtstag von Georgi Dimitrow 90. Geburtstag von Leonhard Frank 90. Geburtstag von Johannes Tralow 50 J. Sowjetunion auf der Leipziger Frühjahrsmesse 50 J. UdSSR 25 J. Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft 20 J. Gesellschaft für Sport und Technik (*) Deutsche Post der DDR 1973 500. Geburtstag von Nikolaus Kopernikus 400. Geburtstag von Michelangelo Caravaggio142 100. Geburtstag von Max Reger 100. Geburtstag von Max Reinhardt 85. Geburtstag von Friedrich Wolf 80. Geburtstag von Johannes Dieckmann 25 J. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 20 J. Kampfgruppen der Arbeiterklasse der Deutschen Demokratischen Republik 15 J. Zeitschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus“ 10 J. Vereinigte Energiesysteme „Frieden“ Tod von Walter Ulbricht Deutsche Post der DDR 1974 250. Geburtstag von Immanuel Kant 230. Geburtstag von Johann Gottfried Herder 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich 150. Geburtstag von Gustav Robert Kirchhoff 100 J. Weltpostverein 90. Geburtstag von Lion Feuchtwanger 90. Geburtstag von Ehm Welk 25 J. Deutsche Demokratische Republik 25 J. Erster Weltfriedenskongress in Paris 25 J. Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 1. Todestag von Pablo Neruda (*) Deutsche Post der DDR 1975 1 000 J. Weimar 500. Geburtstag von Michelangelo Buonarroti 450 J. Deutscher Bauernkrieg 275 J. Akademie der Wissenschaften in Berlin 200. Geburtstag von André-Marie Ampère 150 J. Braille-Blindenschrift 100 J. Gothaer Vereinigungskongress 100 J. Marx‘ Programmkritik 100. Geburtstag von Thomas Mann
142 Die Briefmarke nennt noch das früher angenommene Geburtsdatum 1573.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
100. Geburtstag von Albert Schweitzer 75. Geburtstag von Hans Otto 30 J. Befreiung vom Faschismus 30 J. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 25 J. Eisenhüttenstadt 20 J. Warschauer Vertrag Deutsche Post der DDR 1976 100 J. Telefon 20 J. Nationale Volksarmee Deutsche Post der DDR 1977 400. Geburtstag von Peter Paul Rubens 375. Geburtstag von Otto von Guericke 225. Geburtstag von Albrecht D. Thaer 200. Geburtstag von Carl Friedrich Gauß 200. Geburtstag von Heinrich von Kleist 100. Geburtstag von Felix Dserschinski 90. Geburtstag von Gustav Hertz 90. Geburtstag von Arnold Zweig 60 J. Oktoberrevolution in Russland 30 J. Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft 25 J. Gesellschaft für Sport und Technik (*) Deutsche Post der DDR 1978 250 J. Staatliche Wissenschaftliche Museen Dresden 200 J. Gehörlosenbildung 200. Geburtstag von Friedrich Ludwig Jahn 175. Geburtstag von Justus von Liebig 150. Geburtstag von Joseph Dietzgen 150. Geburtstag von Albrecht von Graefe 100 J. Leipziger Zoo 100. Geburtstag von Theodor Brugsch 100. Geburtstag von Alfred Döblin 80. Geburtstag von Hans Loch 25 J. Kampfgruppen der Arbeiterklasse 5. Todestag von Amilcar Cabral Deutsche Post der DDR 1979 250. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing 225. Geburtstag von Georg Forster 150. Geburtstag von Friedrich August Kekulé 100. Geburtstag von Albert Einstein 100. Geburtstag von Otto Hahn 100. Geburtstag von Max von Laue 100. Geburtstag von Carl Arthur Scheunert 70 J. Eisenbahnfährverbindung Saßnitz-Trelleborg
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50 J. Musikinstrumentenmuseum in Leipzig 30 J. Deutsche Demokratische Republik Deutsche Post der DDR 1980 400. Geburtstag von Frans Hals 200. Geburtstag von Carl von Clausewitz 200. Geburtstag von Johann Wolfgang Döbereiner 200. Geburtstag von Johann Friedrich Naumann 100. Geburtstag von Alfred Wegener 80. Geburtstag von Frédéric Joliot-Curie 80. Geburtstag von Helene Weigel 25 J. Interflug (*) 25 J. Warschauer Vertrag Deutsche Post der DDR 1981 300. Geburtstag von Georg Philipp Telemann 225. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart 200. Geburtstag von Adelbert von Chamisso 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel 150. Geburtstag von Richard Dedekind 150. Geburtstag von Wilhelm Raabe 150. Geburtstag von Heinrich von Stephan 100. Geburtstag von Heinrich Barkhausen 90. Geburtstag von Johannes Robert Becher 25 J. Nationale Volksarmee Deutsche Post der DDR 1982 500. Geburtstag von Martin Luther143 300. Geburtstag von Johann Friedrich Böttger 225. Geburtstag von Friedrich von Schiller 150. Todestag von Johann Wolfgang von Goethe 100 J. Entdeckung des Tuberkulose-Erregers 100. Geburtstag von Georgi Dimitrow 30 J. Gesellschaft für Sport und Technik (*) Deutsche Post der DDR 1983 500. Geburtstag von Martin Luther144 200. Todestag von Leonhard Euler 200. Geburtstag von Simón Bolivar 150. Geburtstag von Johannes Brahms 100. Todestag von Karl Marx 100. Geburtstag von Otto Nuschke 85. Geburtstag von Paul Robeson
143 Die Ausgabe erfolgte bereits im Hinblick auf das Jubiläum im folgenden Jahr. 144 Bereits im Jahr zuvor sind aus diesem Anlass Marken erschienen.
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40. Todestag von Arvid Harnack 40. Todestag von Harro Schulze-Boysen 40. Todestag von John Sieg 30 J. Kampfgruppen der Arbeiterklasse Deutsche Post der DDR 1984 175. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy 100 J. Jenaer Glas 35 J. Deutsche Demokratische Republik 25. Tagung der Ständigen Kommission für Post- und Fernmeldewesen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe 20. Arbeiterfestspiele der Deutschen Demokratischen Republik Deutsche Post der DDR 1985 400. Geburtstag von Heinrich Schütz 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach 300. Geburtstag von Georg Friedrich Händel 275 J. Charité in Berlin 175 J. Humboldt-Universität in Berlin 100. Geburtstag von Egon Erwin Kisch 90. Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees 40 J. Befreiung vom Faschismus 40 J. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 40 J. Vereinte Nationen 40 J. Zerstörung der Semper-Oper (Wiedereröffnung) 30 J. Warschauer Vertrag Deutsche Post der DDR 1986 750 J. Berlin145 200. Geburtstag von Carl Maria von Weber 125 J. Dresdner Zoo 50 J. Formierung der Internationalen Brigaden in Spanien 40 J. Freie Deutsche Jugend 40 J. Grenztruppen der Deutschen Demokratischen Republik 30 J. Nationale Volksarmee 25 J. Bemannter Weltraumflug 25 J. Antifaschistischer Schutzwall (Berliner Mauer) 25 J. Gedenkstätte Sachsenhausen Deutsche Post der DDR 1987 750 J. Berlin146 200. Geburtstag von Ludwig Uhland 125. Geburtstag von Gerhart Hauptmann
145 Die Briefmarken wurden offenbar in Vorbereitung des Jubiläums im folgenden Jahr herausgegeben. 146 Auch schon im vorausgegangenen Jahr sind Briefmarken zu diesem Jubiläum erschienen.
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100 J. Esperanto 100. Geburtstag von Gustav Hertz 100. Geburtstag von Arnold Zweig 75 J. Deutsches Hygiene-Museum in Dresden 70 J. Oktoberrevolution in Russland 40 J. Demokratischer Frauenbund Deutschlands 35 J. Gesellschaft für Sport und Technik 35 J. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften 30 J. Messe der Meister von Morgen Deutsche Post der DDR 1988 500 J. Schiffercompagnie von Stralsund (*) 500. Geburtstag von Ulrich von Hutten 200. Geburtstag von Joseph von Eichendorff 100. Geburtstag von Max Lingner 100. Geburtstag von Friedrich Wolf 90. Geburtstag von Bertolt Brecht 75 J. Mädler-Passage in Leipzig 50 J. Faschistische Pogromnacht 40 J. Weltgesundheitsorganisation 35 J. Kampfgruppen der Arbeiterklasse 30 J. Gedenkstätte Buchenwald 10 J. Gemeinsamer bemannter Weltraumflug UdSSR-DDR Deutsche Post der DDR 1989 500. Geburtstag von Thomas Müntzer 250 J. Zwiebelmuster auf Meißner Porzellan 250. Geburtstag von Johann Beckmann 225. Geburtstag von Gottfried Schadow 200 J. Antrittsrede Friedrich von Schillers in Jena 200 J. Französische Revolution 200. Geburtstag von Friedrich List 150 J. Ferneisenbahn Leipzig-Dresden 100 J. Carl-Zeiss-Stiftung in Jena 100. Geburtstag von Rudolf Mauersberger 100. Geburtstag von Jawaharlal Nehru 100. Geburtstag von Carl von Ossietzky 100. Geburtstag von Ludwig Renn 100. Geburtstag von Adam Scharrer 40 J. Deutsche Demokratische Republik 40. Internationaler Kongress für Pferdezucht der sozialistischen Staaten 40 J. Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 30 J. Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Historische Jubiläen auf Briefmarken
Deutsche Post der DDR 1990 500 J. Internationale Postverbindungen in Europa 200. Geburtstag von Friedrich Diesterweg 150. Geburtstag von August Bebel 150 J. Briefmarken 125 J. Internationale Fernmeldeunion 100 J. Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin 100 J. Tag der Arbeit 100. Todestag von Heinrich Schliemann 100. Geburtstag von Kurt Tucholsky 70. Geburtstag von Papst Johannes Paul II. (**) d. Berlin (West)147 Deutsche Bundespost Berlin 1949 200. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe 75 J. Weltpostverein Deutsche Bundespost Berlin 1951 100. Todestag von Gustav Albert Lortzing Deutsche Bundespost Berlin 1952 125. Todestag von Ludwig van Beethoven Deutsche Bundespost Berlin 1953 Aufstand des 17. Juni 1953 Deutsche Bundespost Berlin 1954 100. Todestag von August Borsig 100. Geburtstag von Ottmar Mergenthaler 10. J. Attentat auf Hitler 5. Todestag von Richard Strauss 1. Todestag von Ernst Reuter (*) Deutsche Bundespost Berlin 1955 25 J. Bistum Berlin 1. Todestag von Wilhelm Furtwängler (*) Deutsche Bundespost Berlin 1956 100 J. Verein Deutscher Ingenieure 10. Todestag von Paul Lincke (*)
147 In den Jahren 1948, 1950, 1963 sowie 1965–1967 sind keine Gedenkmarken erschienen.
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Achim Thomas Hack
Deutsche Bundespost Berlin 1957 725 J. Stadt Spandau Deutsche Bundespost Berlin 1958 1. Todestag von Otto Suhr (*) Deutsche Bundespost Berlin 1959 200. Geburtstag von Friedrich von Schiller 10 J. Ende der Luftbrücke Deutsche Bundespost Berlin 1960 50. Todestag von Robert Koch 2. Todestag von Walter Schreiber (*) Deutsche Bundespost Berlin 1961 10. Todestag von Hans Böckler 4. Todestag von Louise Schroeder (*) Deutsche Bundespost Berlin 1962 50 J. Postbeförderung in der Luft Deutsche Bundespost Berlin 1964 700 J. Schöneberg 1. Todestag von John F. Kennedy Deutsche Bundespost Berlin 1968 500 J. Kammergericht Berlin Deutsche Bundespost Berlin 1969 200. Geburtstag von Alexander von Humboldt 125 J. Berliner Zoo 100 J. Hochschule für Musik in Berlin Deutsche Bundespost Berlin 1970 175. Geburtstag von Leopold von Ranke 150. Geburtstag von Theodor Fontane Deutsche Bundespost Berlin 1971 500. Geburtstag von Albrecht Dürer 250 J. Brandenburgische Konzerte 150. Geburtstag von Hermann von Helmholtz 100 J. Materialprüfung in Berlin 100 J. Reichsgründung 50 J. AVUS-Rennen
Historische Jubiläen auf Briefmarken
Deutsche Bundespost Berlin 1972 200. Geburtstag von Friedrich Gilly 150. Todestag von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann 150. Todestag von Karl August von Hardenberg 125. Geburtstag von Max Liebermann Deutsche Bundespost Berlin 1973 200. Geburtstag von Johann Joachim Quantz 200. Geburtstag von Ludwig Tieck 50 J. Deutscher Rundfunk Deutsche Bundespost Berlin 1974 400 J. Gymnasium zum Grauen Kloster 275. Geburtstag von Georg W. von Knobelsdorff 150. Geburtstag von Gustav Robert Kirchhoff 125. Geburtstag von Adolf Slaby 25 J. Beendigung der Berliner Luftbrücke Deutsche Bundespost Berlin 1975 125. Todestag von Johann Gottfried Schadow 100. Geburtstag von Paul Löbe 100. Geburtstag von Ferdinand Sauerbruch 50. Todestag von Lovis Corinth Deutsche Bundespost Berlin 1976 125 J. Berliner Feuerwehr 50 J. Internationale Grüne Woche Deutsche Bundespost Berlin 1977 200. Geburtstag von Christian Daniel Rauch 100 J. Deutsches Patentgesetz 100 J. Fernsprecher in Deutschland 100. Todestag von Eduard Gaertner 100. Geburtstag von Georg Kolbe 25 J. Wiedereröffnung des Berliner Aquariums (*) Deutsche Bundespost Berlin 1978 200. Geburtstag von Friedrich Ludwig Jahn (*) 150. Geburtstag von Albrecht von Graefe 100. Geburtstag von Karl Hofer 100. Geburtstag von Walter Kollo 75 J. Amerikanische Handelskammer in Deutschland
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Deutsche Bundespost Berlin 1979 300 J. Botanischer Garten in Berlin 300 J. Straßenbeleuchtung in Berlin (*) 200. Geburtstag von Moses Mendelssohn 125 J. Litfaßsäulen in Berlin 100 J. Bundesdruckerei Deutsche Bundespost Berlin 1980 250. Geburtstag von Friedrich Wilhelm von Steuben 150 J. Preußische Museen in Berlin 100. Geburtstag von Kardinal Konrad Graf von Preysing 100. Geburtstag von Robert Stolz 100. Geburtstag von Alfred Wegener Deutsche Bundespost Berlin 1981 250. Geburtstag von Karl Philipp von Gontard 200. Geburtstag von Achim von Arnim 200. Geburtstag von Peter Beuth 200. Geburtstag von Adelbert von Chamisso 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel 150. Geburtstag von Reinhold Begas Deutsche Bundespost Berlin 1982 750 J. Stadt Spandau 250 J. Ankunft der Salzburger Emigranten in Preußen 250. Geburtstag von Carl Gotthard Langhans 100 J. Berliner Philharmonisches Orchester Deutsche Bundespost Berlin 1983 300. Geburtstag von Antoine Pesne 150 J. Telegraphenlinie Berlin-Koblenz 100 J. Fernsehtechnik 100. Geburtstag von Joachim Ringelnatz Deutsche Bundespost Berlin 1984 150. Todestag von Ernst Ludwig Heim 100 J. Strom für Berlin 100. Todestag von Alfred Brehm 100. Geburtstag von Karl Schmidt-Rottluff 50. Todestag von Erich Klausener Deutsche Bundespost Berlin 1985 500. Geburtstag von Hans Baldung Grien 300 J. Berliner Börse 300 J. Edikt von Potsdam 200. Geburtstag von Bettina von Arnim 150. Todestag von Wilhelm von Humboldt
Historische Jubiläen auf Briefmarken
100. Geburtstag von Otto Klemperer 50 J. Deutscher Fernsehrundfunk 50 J. Deutscher Tischtennis-Bund (*) 50. Todestag von Kurt Tucholsky Deutsche Bundespost Berlin 1986 200. Todestag von Friedrich II. 100. Todestag von Leopold von Ranke 100. Geburtstag von Gottfried Benn 100. Geburtstag von Wilhelm Furtwängler 100. Geburtstag von Ludwig Mies van der Rohe Deutsche Bundespost Berlin 1987 750 J. Berlin 250 J. Ansiedlung der Böhmen in Rixdorf 100 J. Schallplatte 100. Geburtstag von Louise Schroeder Deutsche Bundespost Berlin 1988 300. Todestag des Großen Kurfürsten (Friedrich Wilhelm von Brandenburg) 150 J. Eisenbahn Berlin-Potsdam 100 J. Gesellschaft Urania 100. Geburtstag von Renée Sintenis 50. Todestag Ernst Barlach 25 J. Jugend musiziert (*) Deutsche Bundespost Berlin 1989 450 J. Reformation im Kurfürstentum Brandenburg 300 J. Französisches Gymnasium in Berlin 200. Geburtstag von Peter Joseph Lenné 100. Geburtstag von Hannah Höch 100. Geburtstag von Carl von Ossietzky 100. Geburtstag von Ernst Reuter 40 J. Ende der Luftbrücke Deutsche Bundespost Berlin 1990 500 J. Europäische Postverbindungen 250 J. Öffentlicher Personenverkehr in Berlin 200 J. Drehorgel 200. Geburtstag von Adolph Diesterweg 150. Geburtstag von Ernst Rudorff 125 J. Max und Moritz 100 J. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft 100 J. Freie Volksbühne Berlin 40 J. Bundeshaus in Berlin
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e. Saarland148 Saarland 1948 1 J. Verfassung des Saarlandes Saarland 1949 1 J. Universität des Saarlandes (*) Saarland 1950 400 J. Stadt Ottweiler 85. Todestag von Adolph Kolping (*) 10. Todestag von Peter Wust Saarland 1951 375 J. Reformation an der Saar Saarland 1953 125. Geburtstag von Henri Dunant Saarland 1955 50 J. Rotary-Club Saarland 1957149 100 J. Stadt Merzig Saarland 1958 400 J. Stadt Homburg a. d. Saar 150 J. Deutsche Turnerbewegung 150. Geburtstag von Hermann Schulze-Delitzsch 100. Geburtstag von Rudolf Diesel 50. Todestag von Wilhelm Busch Saarland 1959 500. Geburtstag von Jakob Fugger 100. Todestag von Alexander von Humboldt 50 J. Groß-Stadt Saarbrücken f. Bundesrepublik Deutschland, zur Zeit der deutschen Teilung Deutsche Post 1949 100 J. Deutsche Briefmarken 75 J. Weltpostverein
148 In den Jahren 1952, 1954 und 1956 sind keine Gedenkmarken erschienen. 149 In den folgenden Jahren auch Übernahmen von Briefmarken der BRD.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
Deutsche Bundespost 1950 200. Todestag von Johann Sebastian Bach Deutsche Bundespost 1951 700 J. Marienkirche in Lübeck 50 J. Nobelpreis für Wilhelm Conrad Röntgen Deutsche Bundespost 1952 500. Geburtstag von Leonardo da Vinci 100 J. Ankunft von Carl Schurz in Amerika 100 J. Briefmarken von Thurn und Taxis 100 J. Germanisches Nationalmuseum 75 J. Otto-Motor 75 J. Telefon in Deutschland Deutsche Bundespost 1953 150. Geburtstag von Justus von Liebig 125. Geburtstag von Henri Dunant 50 J. Deutsches Museum in München Deutsche Bundespost 1954 1 200. Todestag des Bonifatius 500 J. Gutenberg-Bibel 100. Geburtstag von Emil von Behring 100. Geburtstag von Paul Ehrlich Deutsche Bundespost 1955 1 000 J. Schlacht auf dem Lechfeld 150. Todestag von Friedrich von Schiller 150. Geburtstag von Adalbert Stifter 100. Todestag von Carl Friedrich Gauß 100. Geburtstag von Oskar von Miller 50 J. Kraftpost 10 J. Vereinte Nationen 10 J. Vertreibung Deutsche Bundespost 1956 1 000 J. Lüneburg 800 J. Abteikirche Maria Laach 200. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart 125. Geburtstag von Heinrich von Stephan 100. Todestag von Heinrich Heine 100. Todestag von Robert Schumann 1. Todestag von Thomas Mann
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Achim Thomas Hack
Deutsche Bundespost 1957 1 000 J. Stift und Stadt Aschaffenburg 500 J. Universität Freiburg i. Br. 500 J. Landtag Württemberg 350 J. Universität Gießen 350. Geburtstag von Paul Gerhardt 200. Geburtstag von Karl vom und zum Stein 100. Todestag von Joseph von Eichendorff 100. Geburtstag von Albert Ballin 100. Geburtstag von Heinrich Hertz 1. Todestag von Leo Baeck Deutsche Bundespost 1958 1 000 J. Hauptmarkt von Trier 800 J. München 500 J. Cusanus-Stift in Bernkastell-Kues 150 J. Deutsche Turnerbewegung 150. Geburtstag von Hermann Schulze-Delitzsch 100 J. Frankfurter Zoo 100. Geburtstag von Rudolf Diesel 50. Todestag von Wilhelm Busch 10 J. Deutsche Mark Deutsche Bundespost 1959 1 000 J. Buxtehude 500. Geburtstag von Jakob Fugger 400. Todestag von Adam Ries 200. Todestag von Georg Friedrich Händel 150. Todestag von Joseph Haydn 150. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy 100. Todestag von Alexander von Humboldt 100. Todestag von Louis Spohr Deutsche Bundespost 1960 1 000. Geburtstag von Bernward von Hildesheim 1 000. Geburtstag von Godehard von Hildesheim 400. Todestag von Philipp Melanchthon 125 J. Deutsche Eisenbahn 1. Todestag von George C. Marshall Deutsche Bundespost 1961 900 J. Kaiserdom Speyer 150. Geburtstag Wilhelm E. von Ketteler 100 J. Telefon von Philipp Reis 75 J. Motorisierung des Verkehrs (Automobil) 50 J. Pfadfinder in Deutschland
Historische Jubiläen auf Briefmarken
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Deutsche Bundespost 1962 2 000 J. Mainz 150 J. Württembergische Bibelanstalt Deutsche Bundespost 1963 400 J. Heidelberger Katechismus 100 J. Pariser Postkonferenz 100 J. Internationales Rotes Kreuz Deutsche Bundespost 1964 1 200 J. Benediktiner-Abtei Fulda 400. Todestag von Johannes Calvin 250 J. Rechnungshof in Deutschland 100 J. Benzolformel 100 J. Deutscher Verbrennungsmotor 100. Todestag von Ferdinand Lassalle 25 J. Kernspaltung 20 J. Attentat auf Hitler (vom 20. Juli 1944)150 1. Todestag von John F. Kennedy Deutsche Bundespost 1965 150. Todestag von Matthias Claudius 150. Geburtstag von Otto von Bismarck 125 J. Briefmarken 100 J. Internationale Fernmeldeunion 100 J. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger 100. Todestag von Adolph Kolping 75 J. Tag der Arbeit / 1. Mai 20 J. Vertreibung Deutsche Bundespost 1966 250. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz 150. Geburtstag von Werner von Siemens 100 J. Dynamoelektrisches Prinzip 100. Geburtstag von Nathan Söderblom 75 J. Drehstromübertragung 20 J. Weltkinderhilfswerk (UNICEF) (*) 20. Todestag von Clemens Graf von Galen
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Es handelt sich um einen Block mit 8 Marken für ebenso viele Widerstandskämpfer; nur bei drei von ihnen ist allerdings das Todesjahr 1944.
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Achim Thomas Hack
Deutsche Bundespost 1967 450 J. Thesenanschlag Martin Luthers 450. Todestag von Franz von Taxis 100 J. Anstalt Bethel 90. Geburtstag von Friedrich von Bodelschwingh Deutsche Bundespost 1968 1 000 J. Bergbau im Harz 150 J. Druckmaschinen 150. Geburtstag von Karl Marx 100 J. Gewerkschaften in Deutschland 100 J. Norddeutscher Postbezirk 100 J. Wagners Meistersinger von Nürnberg 100 J. Wissenschaftlicher Mikroskopbau 1. Todestag Konrad Adenauers Deutsche Bundespost 1969 350 J. Soleleitung Bad Reichenhall-Traunstein 200. Geburtstag von Ernst Moritz Arndt 100. Geburtstag von Mahatma Gandhi 50 J. Deutscher Luftpostverkehr 50 J. Frauenwahlrecht in Deutschland 50 J. Internationale Arbeitsorganisation 50 J. Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge 50 J. Weimarer Verfassung 20 J. Bundesrepublik Deutschland151 20. J. Grundgesetz Deutsche Bundespost 1970 300. Todestag von Johann Amos Comenius 250. Geburtstag von Hieronymus Freiherr von Münchhausen 200. Geburtstag von Ludwig van Beethoven 200. Geburtstag von Georg Friedrich Hegel 200. Geburtstag von Friedrich Hölderlin 150. Geburtstag von Friedrich Engels 75 J. Nord-Ostsee-Kanal Deutsche Bundespost 1971 650. Todestag von Dante Alighieri 500. Todestag von Thomas von Kempten 500. Geburtstag von Albrecht Dürer 450 J. Wormser Reichstag von 1521 400. Geburtstag von Johannes Kepler
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Die Marke „20 J. Bundesrepublik Deutschland“ gedenkt zugleich zweier anderer Jubiläen: 50. J. Weimarer Verfassung und 20 J. Grundgesetz.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
125 J. Chemiefaserforschung 100 J. Deutsches Reich / Reichsgründung 100. Geburtstag von Friedrich Ebert Deutsche Bundespost 1972 500. Geburtstag von Lucas Cranach d. Ä. 300. Todestag von Heinrich Schütz 175 J. Flachdruckverfahren 175. Geburtstag von Heinrich Heine 150 J. Kölner Karneval 100 J. Postmuseum in Frankfurt/M. 100. Todestag von Wilhelm Löhe 20. Todestag von Kurt Schumacher Deutsche Bundespost 1973 1 000. Todestag der Roswitha von Gandersheim 800 J. Dom zu Lübeck 500. Geburtstag von Nikolaus Kopernikus 350 J. Rechenmaschine (Wilhelm Schickard) 100 J. Meteorologische Zusammenarbeit 100. Geburtstag von Otto Wels 50 J. Deutscher Rundfunk 50 J. Interpol 10 J. Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit Deutsche Bundespost 1974 700. Todestag von Thomas von Aquin 450. Todestag von Hans Holbein d. Ä. 250. Geburtstag von Immanuel Kant 250. Geburtstag von Friedrich Gottlieb Klopstock 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich 125 J. Diakonie 100 J. Weltpostverein 25 J. Bundesrepublik Deutschland Deutsche Bundespost 1975 1 000 J. Mainzer Dom 500 J. Belagerung von Neuss 500 J. Landshuter Hochzeit 500. Geburtstag von Michelangelo Buonarroti 100. Todestag von Eduard Mörike 100. Geburtstag von Hans Böckler 100. Geburtstag von Matthias Erzberger 100. Geburtstag von Albert Schweizer 25 J. Müttergenesungswerk
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Achim Thomas Hack
Deutsche Bundespost 1976 400. Todestag von Hans Sachs 300. Todestag von Paul Gerhardt 300. Todestag von Hans Jacob von Grimmelshausen 200. J. Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika 150. Todestag von Carl Maria von Weber 100 J. Bayreuther Festspiele 100. Geburtstag von Konrad Adenauer 100. Geburtstag von Carl Sonnenschein 75 J. Wuppertaler Schwebebahn 50 J. Deutsche Lufthansa 25 J. Bundesverfassungsgericht 25 J. Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Deutsche Bundespost 1977 600 J. Ulmer Münster 500 J. Universität Mainz 500 J. Universität Tübingen 450 J. Universität Marburg 400. Geburtstag von Peter Paul Rubens 250. Todestag von Johann Andreas Eisenbarth 200. Geburtstag von Carl Friedrich Gauß 200. Geburtstag von Philipp Otto Runge 150. Todestag von Wilhelm Hauff 100 J. Telefon in Deutschland 100. Todestag von Wilhelm Emmanuel von Ketteler 100. Geburtstag von Friedrich von Bodelschwingh d. J. 75 J. Jugendstil in Deutschland (*)152 25 J. Bundesgartenschau Deutsche Bundespost 1978 200. Geburtstag von Clemens Brentano 100. Geburtstag von Martin Buber 100. Geburtstag von Janusz Korczak 100. Geburtstag von Rudolf Alexander Schröder 75 J. Deutsches Museum in München 25 J. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte 20 J. Friedlandhilfe ( Jubiläum nicht vermerkt) Deutsche Bundespost 1979 800. Todestag von Hildegard von Bingen 500. Geburtstag von Johann Faust (*) 450 J. Martin Luthers Katechismus
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So die Auszeichnung im Michel-Katalog. Auf welches Ereignis man sich damit bezieht, ist allerdings nicht zu erkennen.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
300 J. Lotsen-Reglements 100. Geburtstag von Paul Klee 100. Geburtstag von Agnes Miegel 50. Geburtstag von Anne Frank 25 J. Westdeutsche Kurzfilmtage Deutsche Bundespost 1980 2 000 J. Weinbau in Mitteleuropa 1 500. Geburtstag von Benedikt von Nursia 1 200 J. Stadt und Bistum Osnabrück 800 J. Reichstag zu Gelnhausen 700. Todestag von Albertus Magnus 500. Geburtstag von Albrecht Altdorfer 500. Geburtstag von Götz von Berlichingen 450 J. Confessio Augustana 250 J. Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine 200. Geburtstag von Friedrich Joseph Haass 150. Geburtstag von Marie von Ebner-Eschenbach 100 J. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 100 J. Duden-Lexikon 100 J. Vollendung des Kölner Doms 100. Todestag von Anselm Feuerbach 100. Geburtstag von Gorch Fock ( Johann Wilhelm Kinau) 25 J. Deutschland in der NATO Deutsche Bundespost 1981 750. Todestag der Elisabeth von Thüringen 450. Todestag von Tilman Riemenschneider 300. Geburtstag von Georg Philipp Telemann 150. Todestag von Carl von Clausewitz 150. Geburtstag von Wilhelm Raabe 100 J. Sozialversicherung 100. Geburtstag von Elly Heuss-Knapp 20 J. Antarktis-Vertrag Deutsche Bundespost 1982 800. Geburtstag von Franz von Assisi 400 J. Gregorianischer Kalender 300. Geburtstag von Johann Friedrich Böttger 150 J. Hambacher Fest 150. Todestag von Johann Wolfgang von Goethe 150. Geburtstag von Wilhelm Busch 100 J. Christlicher Verein Junger Menschen 100 J. Entdeckung des Tuberkulose-Erregers durch Robert Koch 100 J. Kieler Woche 100. Todestag von Friedrich Wöhler 100. Geburtstag von Max Born
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100. Geburtstag von James Franck 25 J. Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk 25 J. Römische Verträge Deutsche Bundespost 1983 500. Geburtstag von Martin Luther 450 J. Deutsches Reinheitsgebot für Bier 300 J. Einwanderung der Deutschen nach Amerika 250. Geburtstag von Christoph Martin Wieland 150 J. Deutscher Zollverein 150 J. Rauhes Haus 150. Geburtstag von Johannes Brahms 100. Geburtstag von Walter Gropius 100. Geburtstag von Franz Kafka 100. Geburtstag von Otto Warburg 10 J. Deutschland Mitglied in der UNO Deutsche Bundespost 1984 2 000 J. Neuss / Novaesium 2 000 J. Stadt Trier 850. Todestag von Norbert von Xanten 750 J. Rathaus Duderstadt 500 J. Rathaus Michelstadt 350 J. Oberammergauer Passionsspiele 200 J. Eider-Kanal 200. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Bessel 150. Geburtstag von Philipp Reis 100. Todestag von Gregor Mendel 100. Todestag von Ludwig Richter 50 J. Barmer Theologische Erklärung 25 J. Deutsches Elektronen-Synchrotron 25 J. Europäische Konferenz der Verwaltung für das Post- und Fernmeldewesen (CEPT) Deutsche Bundespost 1985 2 000 J. Augsburg 1 000 J. Markt- und Münzrecht in Verden a. d. Aller 750 J. Limburger Dom 400 J. Frankfurter Börse 350. Geburtstag von Philipp Jacob Spener 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach 300. Geburtstag von Georg Friedrich Händel 300. Geburtstag von Dominikus Zimmermann 225. Geburtstag von Johann Peter Hebel 200. Geburtstag der Gebrüder Grimm (!) 200. Geburtstag von Johannes Scharrer 175. Geburtstag von Fritz Reuter 150 J. Deutsche Eisenbahn
Historische Jubiläen auf Briefmarken
100 J. Deutscher Keglerbund 100. Geburtstag von Romano Guardini 100. Geburtstag von Josef Kentenich 100. Geburtstag von Egon Erwin Kisch 100. Todestag von Carl Spitzweg 40 J. Eingliederung heimatvertriebener Deutscher 30 J. Bonn-Kopenhagener Erklärungen 30 J. Bundeswehr Deutsche Bundespost 1986 1 250 J. Bad Hersfeld 1 000 J. Kloster Walsrode 600 J. Universität Heidelberg 200. Geburtstag von Friedrich d. Gr. 200. Geburtstag von Carl Maria von Weber 100. Cartellversammlung der katholischen deutschen Verbindungen 100 J. Automobil 100 J. Deutsche Skatkongresse 100. Todestag von Franz Liszt 100. Todestag Ludwigs II. von Bayern 100. Geburtstag von Karl Barth 100. Geburtstag von Oskar Kokoschka 100. Geburtstag von Mary Wigman 50 J. Tag der Briefmarke 25 J. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Deutsche Bundespost 1987 1 200 J. Bremen Bischofssitz 750 J. Berlin 350. Geburtstag von Dietrich Buxtehude 300. Geburtstag von Johann Albrecht Bengel 300. Geburtstag von Balthasar Neumann 250 J. Jagdschloss Clemenswerth 200. Todestag von Christoph Willibald Gluck 200. Geburtstag von Joseph von Fraunhofer 125 J. Deutscher Sängerbund 125. Geburtstag von Gerhart Hauptmann 100. Geburtstag von Wilhelm Kaiser 100. Geburtstag von Kurt Schwitters 90. Geburtstag von Ludwig Erhard 75. Todestag von Karl May 25 J. Deutsche Welthungerhilfe Deutsche Bundespost 1988 1 000 J. Meersburg 700 J. Düsseldorf 600 J. Universität Köln
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500. Geburtstag von Ulrich von Hutten 200. Geburtstag von Joseph von Eichendorff 200. Geburtstag von Leopold Gmelin 200. Geburtstag von Arthur Schopenhauer 150 J. Mainzer Karneval 125 J. Internationales Rotes Kreuz 100 J. Arbeiter-Samariter-Bund 100 J. Briefmarken für Bethel 100 J. Made in Germany (*) 100. Todestag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen 100. Todestag von Theodor Storm 100. Geburtstag von Jakob Kaiser 100. Geburtstag von Jean Monnet 75. Todestag von August Bebel 50. J. Reichspogromnacht 25 J. Deutscher Entwicklungsdienst 25 J. Élysée-Vertrag Deutsche Bundespost 1989 2 000 J. Bonn 1 300 J. Mission und Martyrium von Kilian, Kolonat und Totnan 800 J. Hamburger Hafen 750 J. Frankfurter Dom (mit der Wiener Krone) 300 J. Arp-Schnitger-Orgel in St. Jacobi zu Hamburg 250. Todestag von Cosmas Damian Asam 200. Geburtstag von Franz Xaver Gabelsberger 200. Geburtstag von Friedrich List 200. Geburtstag von Friedrich Silcher 100 J. Gesetzliche Rentenversicherung 100 J. Industriegewerkschaft Bergbau und Energie 100 J. Künstlerdorf Worpswede 100. Geburtstag von Willi Baumeister 100. Geburtstag von Reinhold Maier 100. Geburtstag von Gerhard Marcks 50. Todestag von Paul Schneider 40 J. Bundesrepublik Deutschland 40 J. Europarat 30 J. Brot für die Welt 30 J. Misereor Deutsche Bundespost 1990 (I) 2 000 J. Speyer 800 J. Deutscher Orden 750 J. Frankfurter Messeprivileg 500 J. Europäische Postverbindungen 500 J. Rieslinganbau 250. Geburtstag von Matthias Claudius
Historische Jubiläen auf Briefmarken
175 J. Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold 125 J. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger 125 J. Internationale Fernmeldeunion 125 J. Max und Moritz von Wilhelm Busch 100 J. Diakonenanstalt Rummelsberg 100 J. Tag der Arbeit / 1. Mai 100. Geburtstag von Wilhelm Leuschner 75 J. Deutscher Hausfrauenbund 40 J. Charta der deutschen Heimatvertriebenen 30. Weltkongress der Internationalen Handelskammer 25 J. Jugend forscht 20 J. Trimm-Dich-Bewegung 10. Internationale Briefmarken-Ausstellung der Jugend g. Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinigung Deutsche Bundespost 1990 (II) 150 J. Briefmarken 100. Geburtstag von Käthe Dorsch 100. Todestag von Heinrich Schliemann 1 J. Öffnung der innerdeutschen Grenze Deutsche Bundespost 1991 750 J. Beruf des Apothekers 750 J. Hannover 750 J. Schlacht bei Liegnitz 700 J. Stadtrechte von Mayen, Welschbillig, Bernkastel, Montabaur, Wittlich und Saarburg 500. Todestag von Martin Schongauer 400. Geburtstag von Friedrich Spee von Langenfeld 400. Geburtstag von Jan von Werth 275 J. Rhein-Ruhr-Hafen Duisburg 200 J. Brandenburger Tor 200 J. Sing-Akademie Berlin 200. Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart 200. Geburtstag von Theodor Körner 150. Geburtstag von Paul Wallot 150 J. Deutschlandlied 125 J. Lette-Verein 100 J. Basketball 100 J. Drehstromübertragung 100. Todestag von Ludwig Windthorst 100. Geburtstag von Hans Albers 100. Geburtstag von Erich Buchholz 100. Geburtstag von Otto Dix 100. Geburtstag von Max Ernst 100. Geburtstag von Walter Eucken
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100. Geburtstag von Julius Leber 100. Geburtstag von Nelly Sachs 100. Geburtstag von Reinhold von Thadden-Trieglaff 75. Todestag von Max Reger 40 J. Genfer Flüchtlingskonvention 25. Internationale Tourismusbörse in Berlin Deutsche Bundespost 1992 2 000 J. Koblenz 1 250 J. Erfurt 1 250. Geburtstag des Liudger von Münster 750 J. Kiel 500 J. Entdeckung Amerikas (*) 500 J. Erdglobus 500. Geburtstag von Adam Riese 400. Geburtstag von Adam Schall von Bell 300 J. Botanischer Garten Leipzig (?)153 300. Geburtstag von Egid Quirin Asam 250 J. Deutsche Staatsoper Berlin 250. Geburtstag von Gebhard von Blücher 250. Geburtstag von Georg Christoph Lichtenberg 225 J. Schmuck- und Uhrenindustrie in Pforzheim 150 J. Orden Pour le Mérite 125 J. Zuckerinstitut Berlin 100 J. Bund Deutscher Amateurtheater 100 J. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau 100. Todestag von Ernst Renz 100. Todestag von Werner von Siemens 100. Geburtstag von Werner Bergengruen 100. Geburtstag von Arthur Honegger 100. Geburtstag von Martin Niemöller 75. Todestag von Ferdinand Graf von Zeppelin 50. Todestag von Hugo Distler 50. Todestag von Jochen Klepper 25 J. Terre des Hommes Deutschland 25. Todestag von Konrad Adenauer Deutsche Bundespost 1993 1 200 J. Münster i. Westf. 1 000 J. Potsdam 900 J. Abtei Bursfelde 900 J. Abtei Maria Laach
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Auf der Briefmarke ist die Jahreszahl 1693 vermerkt; worauf sie sich genau bezieht, ist nicht zu erkennen. Ob es sich um eine Verwechslung mit 1653, dem Jahr, in dem der zweite Garten (nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs) eingerichtet wurde, handelt?
Historische Jubiläen auf Briefmarken
750. Todestag der Hl. Hedwig 600. Todestag von Johannes Nepomuk 500. Todestag von Paracelsus 450 J. Schulpforta 350. Todestag von Claudio Monteverdi 350. Geburtstag von Isaac Newton 250 J. Gewandhausorchester Leipzig 250. Todestag von Matthias Klotz 150. Todestag von Friedrich Hölderlin 125 J. Coburger Convent 125 J. Galopprennbahn Hoppegarten 125 J. Norddeutsche Seewarte 100 J. Verband deutscher Elektrotechniker 100. Todestag von Peter Tschaikowski 100. Geburtstag von Hans Fallada 100. Geburtstag von Birger Forell 100. Geburtstag von Heinrich George 100. Geburtstag von George Grosz 100. Geburtstag von Hans Leip 100. Geburtstag von Otto Pankok 100. Geburtstag von Andreas Paul Weber 80. Geburtstag von Willy Brandt 50. Todestag von Max Reinhardt 40 J. UNICEF Deutschland Deutsche Bundespost 1994 1 250 J. Fulda 1 200 Frankfurt/M. 1 000 J. Stade 1 000 J. Stadt Quedlinburg 1 000. Todestag des Bischofs Wolfgang von Regensburg 800. Geburtstag von Kaiser Friedrich II. 500 J. Frauenkirche in München 500. Geburtstag von Hans Sachs 400 J. Zitadelle Spandau 250. Geburtstag von Johann Gottfried Herder 200. Todestag von Friedrich Wilhelm von Steuben 175. Geburtstag von Theodor Fontane 150 J. Berliner Zoo 150. Geburtstag von Carl Hagenbeck 125 J. Museum für Völkerkunde in Leipzig 125. Geburtstag von Hans Pfitzner 100 J. Bund deutscher Frauenvereine 100 J. Arbeiterkolonie Herzogsägmühle 100 J. Internationales Olympisches Komitee 100. Todestag von Hermann von Helmholtz 100. Todestag von Heinrich Hertz
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Achim Thomas Hack
100. Todestag von Heinrich Hoffmann 100. Geburtstag von Willi Richter 75 J. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 50 J. Attentat auf Hitler 5 J. Öffnung der innerdeutschen Grenze Deutsche Bundespost 1995 1 000 J. Gera 1 000 J. Mecklenburg 800. Todestag von Heinrich dem Löwen 750 J. Freie Reichsstadt Regensburg 500 J. Wormser Reichstag (1495) 375. Geburtstag von Friedrich Wilhelm von Brandenburg 300. Geburtstag von Johann Conrad Schlaun 250 J. Universität Braunschweig 200. Geburtstag von Leopold von Ranke 150 J. Vinzenz-Konferenzen in Deutschland 150. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen 100 J. Alfred-Nobel-Testament 100 J. Deutscher Film 100 J. Deutsche Schillergesellschaft 100 J. Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche 100 J. Nord-Ostsee-Kanal 100 J. Radio (Guglielmo Marconi) 100 J. Volleyball 100. Geburtstag von Paul Hindemith 100. Geburtstag von Carl Orff 100. Geburtstag von Kurt Schumacher 80. Geburtstag von Franz Josef Strauß 50 J. Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrationslagern 50 J. Cooperative for Assistance and Relief Everywhere (CARE) 50. J. Ende des Zweiten Weltkriegs 50 J. Vereinte Nationen 50. Todestag von Dietrich Bonhoeffer 50. Todestag von Franz Werfel Deutsche Post AG 1996 1 000 J. Domplatz zu Halberstadt 1 000 J. Marktrecht für Freising 800 J. Heidelberg 450. Todestag von Martin Luther 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz 300 J. Akademie der Künste in Berlin 300. Geburtstag von Giovanni Battista Tiepolo 200 J. Homöopathie (von Samuel Hahnemann) 200. Geburtstag von Philipp Franz von Siebold 150 J. Deutscher Bühnenverein
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150 J. Kindermissionswerk in Deutschland (Auguste Sartorius) 100 J. Bürgerliches Gesetzbuch 100 J. Olympische Spiele der Neuzeit 100. Todestag von Anton Bruckner 100. Todestag von Ferdinand von Mueller 100. Geburtstag von Carlo Schmid 100. Geburtstag von Carl Zuckmayer 75 J. Donaueschinger Musiktage 75. Todestag von Ludwig Thoma 75. Geburtstag von Wolfgang Borchert 50 J. Bund Deutscher Philatelisten 50 J. Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) 50 J. Ruhrfestspiele in Recklinghausen 50. Todestag von Friedrich von Bodelschwingh 50. Todestag von Clemens Graf von Galen 50. Todestag von Paul Lincke Deutsche Post AG 1997 1 100 J. Straubing 1 000. Todestag des Adalbert von Prag 500 J. Edelsteinregion Idar-Oberstein 500 J. Messeprivileg für Leipzig 500. Geburtstag von Philipp Melanchthon 350 J. Kartoffelanbau in Deutschland 300. Geburtstag von Gerhard Tersteegen 200. Geburtstag von Heinrich Heine 200. Geburtstag von Franz Schubert 175 J. Kölner Karneval 150. Todestag von Felix Mendelssohn Bartholdy 100 J. Deutscher Caritas-Verband 100 J. Dieselmotor 100 J. Müngstener Brücke 100. Todestag von Sebastian Kneipp 100. Todestag von Heinrich von Stephan 100. Geburtstag von Sepp Herberger 100. Geburtstag von Ludwig Erhard 100. Geburtstag von Thomas Dehler 50 J. Marshallplan 50 J. Schutzgemeinschaft Deutscher Wald 50. J. Städtepartnerschaft Deutsche Post AG 1998 Über 1 100 J. Hopfenanbau in Deutschland 1 100 J. Nördlingen 1 000 J. Bad Frankenhausen 900. Geburtstag von Hildegard von Bingen 750 J. Zisterzienserinnen-Abtei Sankt Marienstern
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450 J. Sächsische Staatskapelle Dresden 350 J. Westfälischer Frieden 300 J. Franckesche Stiftungen 250 J. Markgräfliches Opernhaus Bayreuth 150 J. Deutsche Katholikentage 150 J. Paulskirchenverfassung 100. Geburtstag von Bertolt Brecht 100. Geburtstag von Manfred Hausmann 100. Geburtstag von Günther Ramin 50 J. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 50 J. Deutscher Landfrauenverband 50 J. Deutsche Mark 50 J. Max-Planck-Gesellschaft 50 J. Parlamentarischer Rat Tod von Ernst Jünger Deutsche Post AG 1999 1 200 J. Bistum Paderborn 1 100 J. Weimar 900 J. Johanniter und Malteser 500. Geburtstag von Katharina von Bora 250. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe 150 J. Deutsche Briefmarken 100 J. Automobilclub von Deutschland (AvD) 100 J. Erste Haager Friedenskonferenz 100. Todestag von Johann Strauß 100. Geburtstag von Erich Kästner 100. Geburtstag von Gustav Heinemann 50 J. Deutscher Gewerkschaftsbund 50 J. Ende der Berliner Luftbrücke 50 J. Europarat 50 J. Fraunhofer-Gesellschaft 50 J. Grundgesetz 50 J. Nordatlantikpakt (NATO) 50 J. SOS-Kinderdörfer 50. Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 50. Todestag von Richard Strauss 25 J. Deutsche Krebshilfe Deutsche Post AG 2000 1 200 J. Aachener Dom 750 J. Greifswald 600. Geburtstag von Johannes Gutenberg 350 J. Tageszeitungen 300. Geburtstag von Nikolaus von Zinzendorf 250. Todestag von Johann Sebastian Bach 175 J. Düsseldorfer Karneval
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150 J. Kolpingwerk 125. Geburtstag von Rainer Maria Rilke 125. Geburtstag von Albert Schweitzer 100 J. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin 100 J. Deutscher Fußball-Bund 100 J. Handwerkskammern in Deutschland 100 J. Wetterstation auf der Zugspitze 100 J. Zeppelin (Luftschiffe) 100. Todestag von Friedrich Nietzsche 100. Geburtstag von Arnold Bode 100. Geburtstag von Kurt Weill 75. Todestag von Friedrich Ebert 50 J. Bundesgerichtshof 50 J. Technisches Hilfswerk 50. Internationale Filmfestspiele Berlin 50. Todestag von Ernst Wiechert 10 J. Deutsche Einheit 10. Todestag von Herbert Wehner Deutsche Post AG 2001 750 J. Katharinenkloster in Stralsund 500. Geburtstag von Leonhart Fuchs 450. Todestag von Martin Bucer 300 J. Gründung Königreich Preußen 250 J. Katholische Hofkirche in Dresden 250. Geburtstag von Johann Heinrich Voß 200. Geburtstag von Albert Lortzing 100 J. Deutsche Antarktisforschung 100 J. Wuppertaler Schwebebahn 100. Geburtstag von Karl Arnold 100. Geburtstag von Werner Egk 100. Geburtstag von Werner Heisenberg 100. Geburtstag von Erich Ollenhauer 50 J. Bundesgrenzschutz 50 J. Bundesverfassungsgericht 50 J. Goethe-Institut 50 J. Meeresmuseum in Stralsund Deutsche Post AG 2002 1 000 J. Bautzen 1 000 J. Deggendorf 500 J. Universität Halle-Wittenberg 400. Geburtstag von Otto von Guericke 250. Geburtstag von Adolph Freiherr von Knigge 250. Geburtstag von Albrecht Daniel Thaer 225. Geburtstag von Heinrich von Kleist 150 J. Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg
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Achim Thomas Hack
150 J. Kindergottesdienst 150 J. Stiftung Ecksberg 125. Geburtstag von Hermann Hesse 100 J. Berliner U-Bahn 100 J. Deutsches Freimaurermuseum in Bayreuth 100. Geburtstag von Hans von Dohnanyi 100. Geburtstag von Eugen Jochum 100. Geburtstag von Ernst Wilhelm Nay 50 J. Baden-Württemberg 50 J. Bundesanstalt für Arbeit 50 J. Bundeszentrale für politische Bildung 50 J. Deutsches Fernsehen Deutsche Post AG 2003 1 000 J. Kronach 200. Geburtstag von Justus von Liebig 200. Geburtstag von Gottfried Semper 150 J. Enzviadukt in Bietigheim 125. Geburtstag von Andreas Hermes 100 J. Allgemeiner Deutscher Automobil-Club (ADAC) 100 J. Deutsches Museum in München 100 J. Katholischer Deutscher Frauenbund 100 J. Salzachbrücke Laufen-Oberndorf 100. Geburtstag von Theodor W. Adorno 100. Geburtstag von Georg Elser 100. Geburtstag von Hans Jonas 100. Geburtstag von Reinhold Schneider 75 J. Erster Nordatlantikflug in Ost-West-Richtung 50 J. Deutscher Kinderschutzbund 50 J. Deutscher Musikrat 50 J. Deutsche Welle 50 J. Volksaufstand in der Deutschen Demokratischen Republik (17. Juni) 40 J. Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit 10 J. Fünfstellige Postleitzahlen 10 J. Vertrag von Maastricht (Europäische Union) Deutsche Post AG 2004 1 300 J. Arnstadt 1 250. Todestag des Bonifatius 1 200 J. Schleswig 800 J. Landshut 300 J. Schloss Ludwigsburg 200. Geburtstag von Ludwig Feuerbach 200. Geburtstag von Eduard Mörike 150 J. Elektrische Glühlampe von Heinrich Göbel 150. Geburtstag von Emil von Behring 150. Geburtstag von Paul Ehrlich
Historische Jubiläen auf Briefmarken
150. Geburtstag von Engelbert Humperdinck 100 J. Fédération Internationale de Football Association (FIFA) 100 J. Gedächtniskirche in Speyer 100. Geburtstag von Egon Eiermann 100. Geburtstag von Kurt Georg Kiesinger 100. Geburtstag von Joseph Schmidt 100. Geburtstag von Reinhard Schwarz-Schilling 75 J. Gewinn des „Blauen Bandes“ durch den Dampfer Bremen 50 J. Bundessozialgericht 50 J. „Wunder von Bern“ Deutsche Post AG 2005 1 200 J. Forchheim 1 200 J. Magdeburg 450 J. Augsburger Religionsfrieden 200. Geburtstag von Hans Christian Andersen 200. Geburtstag von Adalbert Stifter 200. Todestag von Friedrich von Schiller („Schillerjahr“) 150 J. Litfaßsäule 150 J. Tölzer Leonhardifahrt 100 J. Berliner Dom 100 J. Friedensnobelpreis für Bertha von Suttner 100 J. Kraftpost 100 J. Künstlergruppe „Die Brücke“ 100 J. Mittellandkanal 100 J. Naturfreunde Deutschlands 100 J. Nobelpreis für Robert Koch 100 J. Relativität – Atome – Quanten 100. Geburtstag von Max Schmeling 50 J. Bonn-Kopenhagener Erklärungen 50 J. Bundeswehr 50 J. Pariser Verträge 50 J. Wiederaufnahme des regelmäßigen Flugverkehrs in Deutschland 40 J. Diplomatische Beziehungen mit Israel 20. Weltjugendtag (?) Tod von Papst Johannes Paul II. Deutsche Post AG 2006 1 200 J. Halle/Saale 1 200 J. Ingolstadt 850 J. Michaeliskirche Schwäbisch Hall 650 J. Goldene Bulle 650 J. Städtehanse 500 J. Universität Frankfurt/Oder 400. Geburtstag Rembrandts 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart 225. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel
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Achim Thomas Hack
200 J. Blindenschule Berlin 200. Geburtstag von Johann August Röbling 150 J. Entdeckung des Neandertalers 150 J. Stiftung Nikolauspflege 125. Geburtstag von Eugen Bolz 100 J. Einheitliche deutsche Kfz-Kennzeichen 100 J. Hauptmann von Köpenick (*) 100. Geburtstag von Stefan Andres 100. Geburtstag von Hannah Arendt 100. Geburtstag von Gerd Bucerius 100. Geburtstag von Joseph Kardinal Höffner 50 J. Friesenrat 50 J. Nobelpreis für Werner Forßmann Tod von Johannes Rau Deutsche Post AG 2007 1 000 J. Bistum Bamberg 1 000 J. Fürth 800. Geburtstag der Elisabeth von Thüringen 700 J. Schloss Moyland 500 J. Weltkarte von Martin Waldseemüller 400. Geburtstag von Paul Gerhardt 300. Geburtstag von Johann Christian Senckenberg 275. Geburtstag von Carl Gotthard Langhans 250. Geburtstag von Karl Freiherr vom und zum Stein 175 J. Hambacher Fest 175. Geburtstag von Wilhelm Busch 125. Geburtstag von Karl Valentin 100 J. Deutscher Werkbund 100 J. Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven 100. Geburtstag von Paul Klinger 100. Geburtstag von Astrid Lindgren 100. Geburtstag von Helmuth James Graf von Moltke 100. Geburtstag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. (*, **) 75 J. Saaletalsperre Bleiloch 50 J. Deutsche Bundesbank 50 J. Römische Verträge 50 J. Bundesland Saarland 50 J. Wankelmotor 50 J. Wissenschaftsrat 40 J. Stiftung Deutsche Sporthilfe Deutsche Post AG 2008 1 100 J. Eichstätt 1 000 J. Dorfkirche Bochum-Stiepel 500 J. Gallimarkt in Leer
Historische Jubiläen auf Briefmarken
500. Geburtstag von Wenzel Jamnitzer 450 J. Augsburger Religionsfrieden 200. Geburtstag von Hermann Schulze-Delitzsch 200. Geburtstag von Carl Spitzweg 200. Geburtstag von Johann Heinrich Wichern 150 J. Zoologische Gesellschaft in Frankfurt/M. 150. Geburtstag von Lovis Corinth 150. Geburtstag von Selma Lagerlöf 150. Geburtstag von Max Planck 150. Geburtstag von Lorenz Werthmann 125 J. Drachenfelsbahn 125. Geburtstag von Franz Kafka 125. Geburtstag von Joachim Ringelnatz 100 J. Christoffel-Blindenmission 100 J. Deutsche Fußball-Länderspiele 100 J. Motorflug 100 J. Staatliche Vogelschutzwarte Seebach 100. Geburtstag von Helmut Käutner 100. Geburtstag von Oskar Schindler 50 J. Bundeskartellamt 50 J. Gorch Fock 50 J. Lebenshilfe Deutsche Post AG 2009 2 000 J. Varusschlacht 1 000 J. Weihe des Mainzer Doms 1 000 J. Burg Tangermünde 600 J. Universität Leipzig 500 J. Rathaus Frankenberg a. d. Eder 500. Geburtstag von Johannes Calvin 400 J. Keplersche Gesetze 250. Geburtstag von Friedrich von Schiller 225. Geburtstag von Leo von Klenze 200. Geburtstag von Heinrich Hoffmann 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy 175. Geburtstag von Gottlieb Daimler 125. Geburtstag von Theodor Heuss 100 J. Eisenbahnfährverkehr Sassnitz-Trelleborg 100 J. Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung 100 J. Jugendherbergen 100. Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff 100. Geburtstag von Heinz Erhardt 100. Geburtstag von HAP Grieshaber 100. Geburtstag von Bernhard Grzimek 100. Geburtstag von Golo Mann 50 J. Brot für die Welt 50 J. Misereor
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Achim Thomas Hack
50 J. Unser Sandmännchen 20 J. Grenzöffnung Ungarn-Österreich 20 J. Friedliche Revolution Deutsche Post AG 2010 1 100 J. Limburg/Lahn 1 000 J. St. Michaelis Hildesheim 750 J. Knappschaft 300 J. Porzellanherstellung in Deutschland 200 J. Museum für Naturkunde in Berlin 200 J. Münchner Oktoberfest 200. Geburtstag von Fritz Reuter 200. Geburtstag von Robert Schumann 175 J. Eisenbahnen in Deutschland 150 J. Stiftung Behindertenwerk St. Johannes 100 J. Friedrich-Loeffler-Institut 100 J. Vogelwarte Helgoland 100. Geburtstag von Mutter Teresa 100. Geburtstag von Konrad Zuse 75 J. Rekordflug der Elly Beinhorn 20 J. Deutsche Einheit Deutsche Post AG 2011 500 J. Till Eulenspiegel 200 J. Turnplatz des Friedrich Ludwig Jahn 200. Geburtstag von Franz Liszt 175 J. Alte Pinakothek in München 175 J. Sächsische Dampfschifffahrt 150 J. Deutscher Industrie- und Handelskammertag 150 J. Deutscher Schützenbund 150 J. Entdeckung der Archaeopteryx 150 J. Wallraf-Richartz-Museum in Köln 150. Geburtstag von Emil Wiechert 125 J. Automobil 125 J. Mecklenburgische Bäderbahn 100 J. Hamburger Elbtunnel 100 J. Reichsversicherungsordnung 75 J. Tag der Briefmarke 50 J. Adveniat 50 J. Amnesty International 50 J. Neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Deutsche Post AG 2012 1 100. Geburtstag Kaiser Ottos I. 500 J. Sixtinische Madonna 500. Geburtstag von Gerhard Mercator 350. Geburtstag von Matthäus Daniel Pöppelmann
Historische Jubiläen auf Briefmarken
300. Geburtstag von Friedrich d. Gr. 250. Geburtstag von Johann Gottlieb Fichte 225. Geburtstag von Joseph von Fraunhofer 200 J. Deutsche Bibelgesellschaft 200 J. Gäubodenvolksfest in Straubing 200 J. Grimms Märchen 175 J. Göttinger Sieben 150 J. Deutscher Chorverband 150. Geburtstag von Gerhart Hauptmann 125 J. Schmalspurbahnen im Harz 100 J. Der Blaue Reiter 100 J. Deutsche Nationalbibliothek 100 J. Domowina / Bund Lausitzer Sorben 100 J. Luftpost 100 J. Mittenwaldbahn 100. Geburtstag von Axel Springer 50 J. Deutsche Welthungerhilfe 50 J. Zweites Vatikanisches Konzil Deutsche Post AG 2013 800 J. Dessau 350. Geburtstag von August Hermann Francke 250 J. Frieden von Hubertusburg 200 J. Skat154 200. Geburtstag von Georg Büchner 200. Geburtstag von Friedrich Hebbel 200. Geburtstag von Ludwig Leichhardt 200. Geburtstag von Richard Wagner 175 J. Dampflok Saxonia 150 J. Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein 150 J. Rotes Kreuz 125 J. Strahlen elektrischer Kraft (Heinrich Hertz) 100 J. Deutsches Sportabzeichen 100 J. Möhnetalsperre 100 J. Professorentitel für Rachel Hirsch 100 J. Völkerschlachtdenkmal 100. Geburtstag von Willy Brandt 100. Geburtstag von Julius Kardinal Döpfner 50 J. Élysée-Vertrag 50 J. Fehmarnsundbrücke 50 J. Jugend musiziert
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Als Ersatzmarke für „1 700 J. Edikt von Mailand“.
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Achim Thomas Hack
Deutsche Post AG 2014 1 250 J. Kloster Lorsch 600 J. Konstanzer Konzil 300 J. Fahrenheit-Skala 300 J. Finanzkontrolle 300. Geburtstag von Christoph Willibald Gluck 250. Geburtstag von Johann Gottfried Schadow 200. Geburtstag von Julius Robert Mayer 175 J. Deutsche Ferneisenbahn 150. Geburtstag von Ricarda Huch 150. Geburtstag von Richard Strauss 150. Geburtstag von Max Weber 100 J. Ausbruch des 1. Weltkriegs 100 J. Fagus-Werk 100 J. Schachtschleuse Minden 50 J. Aktion Mensch 50 J. Deutsche Jugendfeuerwehr Deutsche Post AG 2015 1 200 J. Bistum Hildesheim 1 000 J. Leipzig 900 J. Köthen 500. Geburtstag von Lucas Cranach d. J. 350 J. Universität Kiel 250 J. Universität Freiberg 200. Geburtstag von Otto von Bismarck 175 J. Briefmarke 175 J. Kindergarten 150 J. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger 150 J. Max und Moritz 150. Geburtstag von Philipp Scheidemann 125 J. Erster bayerischer Gebirgstrachtenverband 100. Geburtstag von Karl Leisner 100. Geburtstag von Helmut Schön 75. Geburtstag von Pina Bausch 50 J. Diplomatische Beziehungen Israel-Deutschland 50 J. Jugend forscht 25 J. Deutsche Einheit Deutsche Post AG 2016 1 250 J. Schwetzingen 1 200 J. Abtei Münsterschwarzach 500 J. Reinheitsgebot für Bier 350. Geburtstag von George Bähr 200 J. Erstes deutsches Dampfschiff „Die Weser“ 200. Geburtstag von Ernst Litfaß 175 J. Deutschlandlied
Historische Jubiläen auf Briefmarken
125 J. Erster Gleitflug Otto Lilienthals 125. Geburtstag von Otto Dix 125. Geburtstag von Nelly Sachs 100. Deutscher Katholikentag 25 J. Deutsch-Polnisches Jugendwerk 25 J. Notruf 112 Deutsche Post AG 2017 1 000 J. Stadt Neunburg vorm Wald 500 J. Reformation 400 J. Fruchtbringende Gesellschaft 300. Geburtstag von Johann Joachim Winckelmann 250. Geburtstag von August Wilhelm Schlegel 200 J. Fahrrad von Karl Drais 200. Geburtstag von Theodor Mommsen 150 J. Norddeutscher Bund 150. Geburtstag von Walther Rathenau 100. Geburtstag von Heinrich Böll 100. Geburtstag von Heinz Sielmann 50 J. Deutsche Sporthilfe 50 J. Farbfernsehen in Deutschland 50 J. Kommission Justitia et Pax 25 J. Stiftung Topographie des Terrors Deutsche Post AG 2018 1 000 J. Weihe des Wormser Doms 800 J. Rostock 275 J. Gewandhausorchester 250. Geburtstag von Friedrich Schleiermacher 200 J. Universität Bonn 200. Geburtstag von Karl Marx 150 J. Technische Universität München 150 J. Norddeutscher Postbezirk 150. Geburtstag von Peter Behrens 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld 100. Geburtstag von Ernst Otto Fischer 100. Geburtstag von Nelson Mandela 100. Geburtstag von Elisabeth Mann Borgese 100. Geburtstag von Helmut Schmidt 75. Todestag der vier Lübecker Märtyrer 25 J. Tafeln in Deutschland Deutsche Post AG 2019 800 J. Franz von Assisi predigt vor dem Sultan al-Kamil 500 J. Reformierte Kirche (Huldrych Zwingli) 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt 200. Geburtstag von Theodor Fontane
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200. Geburtstag von Clara Schumann 150 J. Deutscher Alpenverein 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler 100 J. Bauhaus 100 J. Frauenwahlrecht 100 J. Universität Hamburg 100 J. Volkshochschulen 100 J. Weimarer Verfassung 100. Geburtstag von Annemarie Renger 50 J. Chipkarte 50 J. Erste Mondlandung 25 J. Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Deutsche Post AG 2020 (geplant) 900. J. Freiburg im Breisgau 500 J. Annaberger Kät 300. Geburtstag des Hieronymus von Münchhausen 250. Geburtstag von Georg Friedrich Wilhelm Hegel 200. Geburtstag von Katharina Kasper 150. Geburtstag von Ernst Barlach 100. Geburtstag von Richard von Weizäcker 100. Geburtstag von Lore Lorentz 100. Geburtstag von Fritz Walter 75. J. Vereinte Nationen 50. J. Warschauer Kniefall 50 J. Tatort (Fernsehserie)
6. Altersstrukturen Die hier folgende Liste fasst die Altersstrukturen der Jubiläen kurz und bündig zusammen.155 Am Beginn steht zunächst einmal die Gesamtzahl der Jubiläen, dann zwischen Klammern die Aufteilung nach den einzelnen Postverwaltungen (im Schema: Deutsches Reich, Alliierte Besetzung, Deutsche Demokratische Republik, Berlin (West), Saarland, Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der Teilung, Bundesrepublik Deutschland seit Wiedervereinigung). 2 000 Jahre: 9 Jubiläen (–/–/–/–/–/7/2), 1 300 Jahre: 2 Jubiläen (–/–/–/–/–/1/1), 1 250 Jahre: 7 Jubiläen (–/–/–/–/–/1/6), 1 200 Jahre: 16 Jubiläen (1/–/–/–/–/4/11),
155
Vgl. oben, vor allem Kap. 4.
Historische Jubiläen auf Briefmarken
1 100 Jahre: 7 Jubiläen (–/–/–/–/–/–/7),156 1 000 Jahre: 39 Jubiläen (1/–/3/–/–/13/22), 900 Jahre: 7 Jubiläen (–/–/1/–/–/1/5), 850 Jahre: 2 Jubiläen (–/–/–/–/–/1/1), 800 Jahre: 19 Jubiläen (1/–/2/–/–/8/8), 750 Jahre: 22 Jubiläen (–/–/4/2/–/6/10), 700 Jahre: 10 Jubiläen (–/1/2/1/–/4/2), 650 Jahre: 3 Jubiläen (–/–/–/–/–/1/2), 600 Jahre: 8 Jubiläen (1/–/–/–/–/3/4), 500 Jahre: 66 Jubiläen (–/–/11/4/1/23/27), 450 Jahre: 20 Jubiläen (–/1/3/1/–/9/6), 400 Jahre: 33 Jubiläen (2/–/10/1/2/9/9), 375 Jahre: 3 Jubiläen (–/–/1/–/1/–/1), 350 Jahre: 18 Jubiläen (1/–/–/–/–/7/10), 300 Jahre: 43 Jubiläen (–/–/5/7/–/14/17), 275 Jahre: 7 Jubiläen (–/–/3/1/–/–/3), 250 Jahre: 55 Jubiläen (3/–/10/7/–/11/24), 225 Jahre: 12 Jubiläen (–/–/6/–/–/1/5), 200 Jahre: 132 Jubiläen (–/1/36/18/–/28/49), 175 Jahre: 26 Jubiläen (1/–/5/1/–/4/15), 150 Jahre: 139 Jubiläen (1/–/34/15/2/30/57), 125 Jahre: 55 Jubiläen (–/–/9/8/1/12/25), 100 Jahre: 397 Jubiläen (4/4/70/39/3/105/172), 90 Jahre: 15 Jubiläen (–/–/13/–/–/2/–), 85 Jahre: 5 Jubiläen (–/–/4/–/1/–/–), 80 Jahre: 14 Jubiläen (1/–/10/–/–/–/3), 75 Jahre: 42 Jubiläen (–/1/12/2/–/13/14), 70 Jahre: 9 Jubiläen (1/–/8/–/–/–/–), 60 Jahre: 3 Jubiläen (–/–/3/–/–/–/–), 50 Jahre: 136 Jubiläen (6/1/12/11/3/18/85), 40 Jahre: 30 Jubiläen (–/–/19/2/–/4/5), 35 Jahre: 4 Jubiläen (–/–/4/–/–/–/–), 30 Jahre: 17 Jubiläen (–/1/11/–/–/5/–), 25 Jahre: 59 Jubiläen (1/–/26/4/–/18/10), 20 Jahre: 32 Jubiläen (1/–/17/–/–/10/4), 15 Jahre: 6 Jubiläen (–/–/6/–/–/–/–), 10 Jahre: 42 Jubiläen (8/–/19/4/1/6/4), 5 Jahre: 9 Jubiläen (1/–/6/1/–/–/1), 1 Jahr: 22 Jubiläen (–/–/10/4/2/5/1), 0 Jahre: 7 Jubiläen (1/–/2/1/–/–/3).
156
Davon einmal auch „über 1 100 Jahre“.
207
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Hinzu kommen noch zwanzig Einzelbelege, die ebenfalls einen sehr breiten chronologischen Zeitraum betreffen.157 Sie bedürfen allerdings jeweils einer individuellen Interpretation.
157
Nämlich das 1 500., 725., 550., 230., 120., 110., 83., 55., 54., 53., 52., 51., 49., 48., 21., 12., 11., 8., 4. und 2. Jahr.
Briefmarken sind Träger, Symbole und
Staaten in ihrer Zeit wider. In beson
Botschafterinnen der sie ausgebenden
derem Maße gilt dies für die zwischen
Staaten und damit eine beachtens
1949 und 1990 existierenden beiden
werte Projektionsfläche der jeweiligen
deutschen Staaten, deren Streit um
Geschichtspolitik. Von großem Inte
die Deutung deutscher Geschichte
resse sind hierbei die Motive der Brief
und die Inanspruchnahme positiver
marken, die einen langen zeitlichen
Traditionen sich auch in der Brief
Rahmen von der Antike über das Mit
markenproduktion in vielfältiger Form
telalter und die Frühe Neuzeit bis
ausdrückte. Die Autoren untersu
hin zur Moderne spannen. Sie zeigen,
chen am Beispiel der Briefmarken
inwieweit sich die Deutung geschicht
Motive, an welche Ereignisse und
licher Ereignisse und Personen in dia
Personen durch Briefmarken erinnert
chroner Weise veränderte. Brief
wird und in welchem Zusammenhang
marken spiegeln daher auch die Ge
dies mit der jeweiligen Geschichts
schichtspolitik der jeweiligen
politik steht.
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ISBN 978-3-515-12658-8
9
7 83 5 1 5 1 2 6588