Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheurlichen Simplicissimus: Abdruck der beiden Erstausg. (1669) mit den Varianten der ihnen sprachlich nahestehenden Ausgaben [2nd, rev. and enl. ed. 1984] 9783110929416, 9783484104594


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German Pages 665 [668] Year 1997

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INHALT
VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE
EINLEITUNG
TEXT
Das erste Buch
Das zweyte Buch
Das dritte Buch
Das vierte Buch
Das fünffte Buch
Continuatio
Beschluß
Ergänzungen zu den Lesarten
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Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheurlichen Simplicissimus: Abdruck der beiden Erstausg. (1669) mit den Varianten der ihnen sprachlich nahestehenden Ausgaben [2nd, rev. and enl. ed. 1984]
 9783110929416, 9783484104594

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GRIMMELSHAUSEN • GESAMMELTE WERKE IN EINZELAUSGABEN Unter Mitarbeit von Wolfgang Bender und Franz Günter Sieveke herausgegeben von Rolf Tarot

GRIMMELSHAUSEN Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi

2., durchgesehene und erweiterte Auflage Herausgegeben von Rolf Tarot

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984

Abdruck der beiden Erstausgaben (1669) mit den Varianten der ihnen sprachlich nahestehenden Ausgaben

Mit 3 Abbildungen im Text und 4 Abbildungen auf Tafeln

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Gesammelte Werke in Einzelausgaben / Grimmelshausen. Unter Mitarb. von Wolfgang Bender u. Franz Günter Sieveke hrsg. von Rolf Tarot. - Tübingen : Niemeyer NE: Tarot, Rolf [Hrsg.]; Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: [Sammlung] -> Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abentheuerliche Simplicissimus teutsch und Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abentheuerliche Simplicissimus teutsch und Continuatio des abenteuerli­ chen Simplicissimi / Grimmelshausen. - 2., durchges. u. erw. Ausl. / hrsg. von Rolf Tarot. Abdr. d. beiden Erstausg. (1669) mit d. Varianten d. ihnen sprachl. nahestehenden Ausg. - Tübingen : Niemeyer, 1984. (Gesammelte Werke in Einzelausgaben / Grimmelshausen) NE: Tarot, Rolf [Hrsg.] Leinenausgabe ISBN 3-484-10459-7 Studienausgabe ISBN 3-484-10460-0 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany Druck: Omnitypie-Gesellschaft Nachf. Leopold Zechnall, Stuttgart • Einband: Heinr. Koch, Tübingen

INHALT Vorwort zur zweiten Auflage............................ VII Einleitung........................................................... IX Die Ausgabe E1 ......................................... IX Die Ausgabe E2 ......................................... XIV Die Ausgabe Co ......................................... XVII Die Ausgabe E3a......................................... XIX Die Ausgabe E4 ......................................... XXIII Die Ausgabe E5 .......................................... XXVIII Die Ausgabe E6 ........................................... XXXVII Die posthumen Gesamtausgaben C1, C2, C3 XLI Zum Neudruck............................................ XLII Vergleichendes Siglen Verzeichnis.............. LII Verzeichnis der berichtigten Druckversehen LI V Verzeichnis der aufgelösten Abkürzungen LVI Literaturverzeichnis.................................... LIX Text..................................................................... Das erste Buch............................................ Das zweyte Buch........................................ Das dritte Buch......................................... Das vierte Buch......................................... Das fünffte Buch........................................ Continuatio................................................. Beschluß .....................................................

1 5 92 197 288 371 465 588

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Seit Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1967 hat sich die Grimmelshausenforschung rasch weiterentwickelt. Sie ist mehr und mehr zu einem Feld der internationalen Barockforschung geworden. Als meine Mitherausgeber und ich vor fast zwanzig Jahren mit der Vorbereitung unserer Ausgabe begannen, glaub­ ten wir, unsere Texte würden für die Übergangszeit bis zur Realisierung einer historisch-kritischen Ausgabe gute Dienste in Forschung und Lehre leisten. Heute stellt sich die Situation anders dar. Eine historisch-kritische Ausgabe wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn sie textlich wesentlich über die Texte hinausgehen könnte, die jetzt in den „Gesammelten Werken in Einzelausgaben“ vorliegen. Das ist nicht möglich, weil es kein unveröffentlichtes Material gibt - von der angekündigten Aus­ gabe des sog. „Barock-Simplicissimus“ (E5) mit den Druckvarianten der Ausgaben E3* („Schulmeister-Simplicissimus“) und E6 abgesehen. Aus diesem Grunde ist der Forschung und dem Unterricht am besten mit einer Neuauflage gedient, die vom Herausgeber in ihrem Textteil erneut sorgfältig durchgesehen und an einigen Stellen gebessert wurde. Dankbar bin ich meinem Zürcher Kol­ legen Stefan Sonderegger, mit dem ich eine Reihe textphilologi­ scher Fragen diskutieren konnte. Die Einleitung wurde auf den neuesten Stand der Forschung gebracht. Da die Ausgabe auch weiterhin im akademischen Unterricht eine wichtige Funktion zu erfüllen hat, wurden die bibliogra­ phischen Angaben wesentlich erweitert. Wünschenswert bleibt eine Kommentierung der Werke, doch sollte diese in selbständigen Kommentarbänden neben die Text­ ausgabe treten. Dringend erforderlich wäre ein Grimmels­ hausen-Wörterbuch, das auf Grund der vorliegenden Texte bearbeitet werden könnte. Zürich, im Juni 1983

R.T.

EINLEITUNG Die Geschichte der Grimmelshausenphilologie gehört zu den am schwierigsten zu überblickenden Bemühungen der Barockfor­ schung. Eine Schilderung ihrer Irrwege, Umwege, Hypothesen und Fehlschlüsse allein im Bereich der Überlieferungsgeschichte des „Simplicissimus" würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen. Als 1851 Wilhelm Ludwig Holland einen ,,Versuch einer Ausgabe nach den vier ältesten Drucken" des „Simplicissimus" vorlegte,1 war der Anfang einer Entwicklung gesetzt, die in einzelnen Problemen bis heute nicht als abgeschlossen gelten kann. Zwar konnte im Zeitraum von drei Generationen durch Adelbert von Keller, Jan Hendrik Schölte, Max Speter, Hans Heinrich Borcherdt, Gustav Könnecke und Manfred Koschlig eine allgemein akzeptierte Chronologie der „Simplicissimus"-Ausgaben erarbeitet werden, doch sind die VerlagsVer­ hältnisse, die Frage der Echtheit und die des Autoreinver­ ständnisses für die Ausgabe E5 wieder zum Gegenstand der Diskussion geworden. Seit Koschligs Untersuchung von 1939 sind neue Ausgaben nicht aufgetaucht.2 Die Überlieferungsgeschichte des „Simplicissimus", so weit sie die zu Lebzeiten des Dichters erschienenen Ausgaben betrifft, stellt sich uns heute folgendermaßen dar. Ei

Am Anfang steht die seinerzeit von Holland B, hier E1 genannte Ausgabe3. Ihre Priorität hat zuerst Adelbert von Keller erkannt und sie zur Textgrundlage seiner Ausgabe gewählt, ohne die irre1 W. L. Holland, Der Abenteuerliche Simplicissimua. Versuch einer Ausgabe nach den vier ältesten Drucken, Tübingen 1851. 2 M. Koschlig, Grimmelshausen und seine Verleger. Leipzig 1939 (= Palaestra 218). 3 Vergleichendes SiglenVerzeichnis S. LII.

X

Einleitung

führende Siglienmg Hollands zu ändern. Eine genauere Fest­ legung des Erscheinungstermins wurde durch die zuerst von Artur Bechtold vorgenommene Auswertung von Meßkatalogs­ anzeigen möglich.4 Der früheste Hinweis auf eine Ausgabe des „Simplicissimus“ findet sich im Katalog der Frankfurter Oster­ messe 1668: Der Abentheurliehe Simplicismus [!], das ist / Beschreibung / deß Lebens eines so geheissenen seltzamen Vaganten / genandt Melchior Sternfelß von Fuchshain / wo und welcher Gestalt er in diese Welt kommen / was er darinnen gesehen / gelernet / erfahren und überstanden / auch warum er sol­ che wieder quittiret / von Herman [!] Schleifheim von Sulsfort. Mompelgart / bey Johan Fillion. in 12.5 Nach Ansicht Koschligs handelt es sich um eine Anzeige und nicht um eine Ankündigung; demnach wäre die Erstausgabe des ,,Simplicissimus“ auf der Frankfurter Ostermesse 1668 er­ schienen, die Jahreszahl auf dem Titelblatt (1669) also voraus­ datiert, was sich gelegentlich für Erscheinungen auf der Oster­ messe nachweisen läßt, während es für die Neuerscheinungen der Herbstmessen schon damals eine vielgeübte Praxis war. Im Gegensatz zu Koschlig sieht Schölte in diesem frühesten Hin­ weis nicht eine Anzeige der zum Verkauf ausliegenden Exemplare, sondern eine Ankündigung und setzt deshalb das Erscheinen der Erstausgabe erst für die Herbstmessen 1668 in Frankfurt und Leipzig an,6 deren Meßkatalogsanzeigen lauten: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch / das ist: Die Beschreibung eines seltzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen / was er darinn gesehen / gelernet / 4 Die Leipziger Meßkatalogsanzeigen bei Artur Bechtold, Grimmels­ hausens Schriften in den Meßkatalogen 1660-1676. In: Euphorien 23 (1921), 8. 496-499. Ergänzungen bei Max Speter, Grimmelshau­ sens Schriften in den Meßkatalogen 1660-1675. In: Euphorien 26 (1925), 8. 278. Die Frankfurter Meßkatalogsanzeigen bei Manfred Koschlig, Grimmelshausen und seine Verleger, 8. 1-5. 5 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 3. 6 Schölte, Der Simplicissimus und sein Dichter, 8. 6.

Einleitung

XI

erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wie­ der freywillig quittirt. Uberauß lustig / und männiglich nützlich zu lesen. An Tag gegeben von German Schleifheim von Sulfort [!]. in 12? Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch / das ist: Die Beschreibung eines seltzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim / überaus lustig / und männiglich nützlich zu lesen. An Tag gegeben von German Schleiffheim von Sulfort [!] in 12.8 Vieles spricht für die Richtigkeit von Koschligs Deutung, im­ merhin ist aber auffällig, daß eine Anzeige im Leipziger Oster­ meßkatalog von 1668 fehlt, wo man sie eigentlich erwarten sollte, da die Leipziger Messe jeweils einige Wochen nach der Frankfurter Messe stattfand und vielfach sogar noch Neuerschei­ nungen brachte, die nicht mehr auf die Frankfurter Messe gekommen waren. Die naheliegende Vermutung, es könne sich bei der im Frankfurter Ostermeßkatalog verzeichneten Ausgabe um jene seit Kurz’ Hypothese vergeblich gesuchte Ausgabe X handeln,9 hat Koschlig entschieden abgelehnt.10 Für den Verlagsvermerk im Frankfurter Meßkatalog (Ostermesse 1668) bzw. für den des Titelblatts von E1 hat man von jeher auf ein Pseudonym geschlossen, welches zuerst von Schölte auf den Nürnberger Verleger Wolfs Eberhard Felßecker bezogen wurde.11 Diese Deutung wurde durch die Angaben in den Katalogen der Frankfurter und Leipziger Ostermesse 1669 bestätigt.12 Die Ostern oder (nach Schölte) vielleicht erst Herbst 1668 erschie­ nene Ausgabe hat folgendes Aussehen:

7 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, S. 3 (Herbstmesse Frank­ furt 1668). 8 Bechtold, Grimmelshausens Schriften in den Meßkatalogen, 8. 497 (Herbstmesse Leipzig 1668). 9 Kurz, Einleitung seiner Ausgabe Bd. 1, 8. LXIII. 10 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 68. 11 Schölte, Probleme der Grimmelshausenforschung, 8. 70 Anm. 1. 12 Vgl. Anm. 16.

XII

Einleitung

Format 12°. 618 pag. Seiten, 32 Zeilen. Am Schluß zwei leere Blätter (= (Scu u. Cc i2). Titelblatt: Vgl. Faksimile S. 3. Titelkupfer : Vgl. Faksimile S. 2. Paginierung : Seitenzahlen in der Ecke, ausgenommen S. 3,

119, 261, 383, 493 (in der Mitte in runder Klammer und Ver­ zierung). Unbez. S. 1 u. 2. Falsch:13 332 (323). Bogenzählung: A-B-C-D-E-F-G-H-J-K-L-M-

N-O-P-Q-R-S-T-U-X-Y-I-Aa-Bb-Ce Bogensignaturen: [21]; Aij; Aiij; Ajv; Avz Avj; (A7-A11 un­ bez.); 23; Bij; Biijz Bjv; Bv; Bvj; Bvijz (238-2312 unbez.);

C; Cij;... Fehlt: A12. Unbez.: A u. Avij. Typographisch abweichend: D in Diij; R in Rvj. Falsch:13 Djv(Dvj); Qvj(Qv). Kustoden : Unterschiede zwischen Kustode und Textanschluß:

S. 28/29 sie | f)dt - 38/39 Altar | den - 51/52 In | Indessen 248/49 mang | manglete - 307/08 bevor | hiebevor - 331/32 Nach | Nachdem - 367/68 vatter | Vatter - 454/55 Gott | GOtt - 464/65 bist | bistu - 474/75 Hund | Hunde - 497/98 zu | zugehen - 501/02 machte | still schweigen - 506/07 digung | digungen - 523/24 Traur- | Trauer-Kleidern Typographie : Kolumnentitel (Normalfall):

links: Deß Abentheurl. Simplicilümi rechts: Fünfftes Buch. Buchschmuck: Leisten: (schmale) S. 3; 119 (= 261; 383; 493);

Vignetten: S. 118 (= 260; 382; 492; 618). Gliederung

Titelkupfer [1] Titelblatt [2] leer 3,1 (nach Leiste) Inhalt deß Ersten Buchs. 6,24 (nach Strich) Das Erste Capitel. 13 Richtige Angaben in runder Klammer.

Einleitung

XIII

118.13 ENDE deß I. Buchs. 119.1- 5 (nach Leiste) Abentheurlicher | SimpliciEmus j Teutsch: | Das Zweyte Buch. | (Strich) | Inhalt deß II. Buchs. 122.24 (nach Strich) Das Erste Capitel. 260.13 ENDE deß II. Buchs. 261.1- 5 (nach Leiste) Abentheurlicher | Simplicistimus j Teutsch: | Das Dritte Buch. | (Strich) | Inhalt deß III. Buchs. 264,1 (nach Strich) DaS Erste Capitel. 382.14 ENDE deß III. Buchs. 383.1- 5 (nach Leiste) Abentheurlicher | Simplicisfimus | Teutsch: | Das Vierte Buch. | (Strich) | Inhalt deß IV. Buchs. 386,10 (nach Strich) Das Erste Capitel. 492,19 ENDE deß IV. Buchs. 493.1- 5 (nach Leiste) Abentheurlicher | SimpliciEmus | Teutsch: | Das Fünffte Buch. | (Strich) | Inhalt deß V. Buchs. 496,5 (nach Strich) Das Erste Capitel. 618.25 ENDE. Exemplare

Deutsche Staatsbibliothek Berlin14 Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Erfurt British Museum London Bayerische Staatsbibliothek München Yale University Library New Haven, Gönn. Stadtbibliothek Nürnberg österreichische Nationalbibliothek Wien Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Privatsammlung Dr. Ernst Hauswedell

Signatur Yu 5256 R BS Lr 1325 12 554.a.7 Rar. 564 Zgl7 G88 669d Phil. 7937. 8° CP. 2. B. 63 Lo 2309

14 Im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. - Der Bogen Y (8. 503-526) des Berliner Exemplars entstammt der Ausgabe Ea. Die Problematik solcher Mischexemplare kann im Rahmen dieses Vorworts nicht behandelt werden. Wegen der bei GrimmelshausenWerken häufiger festzustellenden und bisher zu wenig beachteten Mischexemplare genügen die sonst üblichen Beschreibungen der Ausgaben nicht.

XIV

Einleitung

E2 Verhältnismäßig spät wurde die Ausgabe E2 entdeckt, unab­ hängig voneinander durch Borcherdt und Könnecke. Nach Koschligs Deutung der Meßkatalogsanzeigen könnten sich die Anzeigen in den beiden Herbstmeßkatalogen 1668 bereits auf die Ausgabe E2 beziehen, aber auch Koschlig hält es für wahr­ scheinlich, ,,daß die bezeichneten Anzeigen wohl noch der Aus­ gabe I [= E1] gegolten haben werden“.15 Die Ausgabe E2 ist wohl erst in den Meßkatalogen zur Ostermesse 1669 angekündigt, bzw. angezeigt. Erschienen ist sie nur auf der Leipziger Oster­ messe, da der dortige Katalog außer der Ankündigung, die sich auch im Frankfurter findet, eine Anzeige in der Abteilung der nicht nach Frankfurt, sondern nur nach Leipzig gekommenen Bücher enthält. Die Ankündigungen lauten: Simplicismus [!] mit der continuation, ib. ap. eund. in 12.16 Simplicismus [!] mit der continuation, ib. ap. eund. in 12.17 Die Anzeige im Leipziger Katalog lautet: Der Abentheurliche Simplicissimus mit der Continuation ibid. apud eund. in 12.18 Dem Titelblatt nach lassen sich zwei Varianten dieser Ausgabe unterscheiden. Die eine hat im Namen SCHLEIFHEIM einen verdruckten Buchstaben C, die andere zeigt die korrekte Schrei­ bung.19 Da die beiden Varianten von dieser Unterscheidung ab­ gesehen völlig identisch sind, hat schon Koschlig davon abge­ sehen, sie in der Siglierung zu unterscheiden. Druckvorlage von E2 war E1. Die Ausgabe E2 hat folgendes Aussehen: 16 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 79. 16 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 3 (Ostermesse Frank­ furt 1669). Das ib. ap. eund. bezieht sich auf ein vorher angeführ­ tes Werk mit dem Verlagsvermerk: Nümb. bey Wolfs. Eberh. Felseckem. 17 Bechtold, Grimmelshausens Schriften in den Meßkatalogen, 8. 498 (Ostermesse Leipzig 1669). 18 Speter, Grimmelshausens Schriften in den Meßkatalogen, 8. 278 (Ostermesse Leipzig 1669). 19 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 79-82.

Einleitung

XV

Format 12°. 618 pag. Seiten, 32 Zeilen. Am Schluß zwei leere Blätter (= Ccii u. Cci2). Titelblatt:20 DerAbentheurliche |S1MPLICISSIMUS > Teutsch/1

Das ist: | Die Beschreibung des Lebens eines | seltzamen Vaganten / genant Melchior | Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher | Gestalt er nemlich in diese Welt kommen / was | er darinn gesehen / gelernet / erfahren und aus- | gestanden / auch warumb er solche wieder | freywillig quittirt. | Überaus lustig / und Manniglich | nützlich zu lesen. | Am Tag geben j Von | GERMAN SCHLEIFHEIM | von Sulsfort. | (Vi­ gnette) | Mompelgart / | Gedruckt bey Johann Fiktion / | Im Jahr M.DC.LXIX. Titelkupfer: Wie E1 Paginierung: Seitenzahlen in der Ecke, ausgenommen S. 3; 383; 493 (in der Mitte in runder Klammer und Verzierung); ohne Klammer: S. 119 u. 261. Unbez. S. 1 u. 2. Falsch:13 328 (128); 148 (184); 232 (242); 246 (264); 345 (354); 418 (428); 634 (434); 45 oo (458); 478 (474); 195 (495); 311 (511); 507 (570). Bogenzählung : Wie E1 Bogensignaturen: [21]; Aij; Aiij; Aiiij; Av; Avj; (A7-A11 unbez.); B; Bij; Biij; Biiij; Bv; Bbj; Bvij; (B8-B12 unbez.); C; Cij... Fehlt: A12. Unbez.: Avis. Typographisch abweichend: D in Diij; P in Piij u. Pvj. Falsch:13 Hvjj (Hvij); Qvj(Qv); Avjv (Aajv); Aavij(Aavj). Abweichend: jv^iiij: Aiiij; Biiij; Ciiij. Kustoden : Unterschiede zwischen Kustode und Textanschluß:

S. 38/39 altar | den - 73/74 Rausch | Rausch-schütt - 87/88 Himmel | Himel - 101/02 auff | auf - 126/27 wieder | wie 141/42 Fen- | Finsternus - 191/92 welcher | welchen - 307/08 bevor | hiebevor - 331/32 Nach | Nachdem - 360/61 ste/ | sie/ 367/68 vatter | Vatter - 375/76 picht | nicht - 385/86 Der | Das - 441/42 Jung- | Jung/ - 454/55 Gott | GOtt - 474/75 20 Faksimile bei Borcherdt, Die ersten Ausgaben von Grimmelshau­ sens Simplicissimus, 8. 10 (Wiedergabe nicht völlig korrekt).

XVI

Einleitung

Hund | Hunde - 491/92 deß | des - 497/98 zu | zugehen 501/02 mache | stillschweigen - 502/03 Wie | Wiewol - 503/04 GOtt / | Gott / - 506/07 digung | digungen - 514/15 curi: | curi, - 523/24 Traur- | Trauer Kleidern - 562/63 mi | mit 594/95 auf | rauff Typographie : Kolumnentitel (Normalfall): links: Deß Abentheurl. Simplicillimi rechts: Fünffteö Buch. Für den Satz des Textes sind zwei unterschiedliche Typen verwendet: a) S. 6,25-8.143 (= $tttjv-@r); 239-260 ( = £r-£iiv); 335-502 ( = Pr-Xi2^; 551-618 (= Aa-'-Ccio"). b) 8. 144-238 (= G^-Ki^); 264-334 (-M"-Oi2^; 503 bis 550 ( = 3)r-3i2v ) Buchschmuck: Leisten: (breite) 8. 119 (=261); 383; 493; (schmale) 8. 3. Vignetten: 8. 118 (=618); 260 (= 382); 492 (= Titelbl.). Gliederung Titelkupfer [1] Titelblatt [2] leer 3,1 (nach Leiste) Inhalt deß Ersten Buchs. 6,24 (nach Strich) DaS Erste Capitel.

118.13 ENDE des 1. Buchs. 119.1- 5 (nach Leiste) Abenlheuerlicher | Simplicißimus j Teutsch: | DaS Zweyte Buch. | (Strich) | Inhalt deß II. Buchs. 122,23 (nach Strich) DaS Erste Capital. 260.13 ENDE deß 11. Buchs. 261.1- 5 (nach Leiste) Abenlheuerlicher | Simplicißimus j Teutsch: | DaS Dritte Buch. | (Strich) | Inhalt deß III. BuchS. 264,1 (nach Strich) DaS Erste Capital. 382.14 ENDE deß 111. Buchs. 383.1- 5 (nach Leiste) AbendtHeurlicher | Simpliciflimus j Teutsch: | DaS Vierte Buch. | (Strich) | Inhalt deS IV. Buchs. 386,10 (nach Strich) DaS Erste Capitel. 492,19 Ende deß IV. BuchS.

Einleitung

XVII

493,1-5 (nach Leiste) Abendtheurliche^ | Simplicilümus | Teutsch| Das Fünffte Buch. | (Strich) | Inhalt deS

V. Buchs. 496,5 618,25

(nach Strich) Das Erste Capitel. ENDE.

Exemplare

Signatur Yu 5257 R Deutsche Staatsbibliothek Berlin21 Stadt- u. Universitätsbibliothek Frankfurt/M. Bibl.Hirzel 133,1 British Museum London 12554. a. 7 B. 292. r. 12 Zentralbibliothek Luzern Yale University Library New Haven, Conn. Zg. 17 G 88. 669b. Stadtbibliothek Nürnberg Phil. 11811. 8°

Co In den beiden Ostermeßkatalogen von 1669 ist der „Simplicissimus“ ,,mit der continuation“ angekündigt, bzw. angezeigt.22 Da die Ausgabe mit der „Continuatio“ nur auf der Leipziger Messe erschienen ist, dürfte die Drucklegung erst kurz vor der Leipziger Messe beendet gewesen sein. Ob schon zusammen mit den Büchern 1-5 angezeigt, war die ,,Continuatio“ wohl auch als Einzeldruck erhältlich, um auch an die Ausgabe E1 angebunden werden zu können. In einzelnen Fällen haben sich Einzeldrucke bis heute in den Bibliotheken erhalten. Obgleich Grimmelshausen in versteckter Form am Ende des fünften Buches auf die Absicht einer Continuation hinweist, nahm man für das sechste Buch meistens äußere Entstehungs­ gründe an: „seine Entstehung muß auf den Wunsch des Ver­ legers zurückgehen“.23 Lange Zeit galt das sechste Buch als ein unorganisches, wenn auch in sich selber bewundernswert har­ monisches Anhängsel an den ursprünglich fünfgliedrigen „Sim21 Im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Vgl. 8. XII. 23 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, S. 83.

22

XVIII

Einleitung

plicissimus“.24 Für die Festlegung der Entstehungszeit hat man immer wieder das Datum am Ende des „Beschluß“ herangezo­ gen: Rheinnec den 22. Apprilis Anno 1668. Nach Scholtes Hypothese bezog sich das Datum ursprünglich auf den Ab­ schluß des fünfgliedrigen „Simplicissimus Teutsch“ (E1).25 Wenn - wie Koschlig annimmt - E1 aber bereits zur Ostermesse 1668 erschienen ist, muß sich das Datum auf das sechste Buch beziehen, und zwar auf die Beendigung einer Erfassung des sechsten Buchs, „welche über die in der ,Relation6 mitgeteilte Entstehungsart des Romans noch nichts enthielt“.26 Schölte hat diese Hypothese Koschligs abgelehnt.27 Die „Continuatio“ hat folgendes Aussehen: Format 12°. 164 unpag. Seiten und zwei leere Blätter am Schluß ( = @ii u. @12). 32 bzw. 33 Zeilen. Titelblatt: Vgl. Faksimile 8. 465. Bogenzählung : A-B-C-D-E-F-G Bogensignaturen: [21]; A2; [31g]; A4; A5; Avj; Avij; (A8-A12

unbez.); B; B2; Bz; B4; B5; B6; B7; (B8-B12 unbez.); E; C2;... Unbez.: A u. Ag. Kustoden: Unterschiede zwischen Kustode und Textanschluß:

2hiv/ i2r feru | ferm - 2li2r/i2v cticirte; | cticire; - Sdy/icF sprach/ | prach/ - 33i2r/i2v Jud / Jud; - £8r/8v fen/ | sen/ §4v/5r gehends | gehents - @gv/4r snu | uns - @4r/4v lich | ich Typographie : Keine Kolumnentitel. Die für den Satz des Tex­

tes verwendete Type entspricht der Type b in E2. In den 24 Anderer Meinung ist Hubert Gersch, Geheimpoetik. Die „Conti­ nuatio des abentheurlichen Simplicissimi“ interpretiert als Grimmels­ hausens verschlüsselter Kommentar zu seinem Roman. Tübingen 1973. 25 Schölte, Der Simplicissimus und sein Dichter, 8. 6. 28 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 87. 27 Schölte, Der Simplicissimus und sein Dichter, 8. 79.

Einleitung

XIX

Kapitelüberschriften werden römische Zahlen verwendet, ausgenommen: DaS 4. Capitel. Buchschmuck: Leiste: (schmale) Sl2r. Vignette: @9V Gliederung

[Vf Titelblatt [3t]v Verse (vgl. 8. 467) 2l2r-[2l3]r Inhalt der Kapitel [8B]M

3i5v,15

Das I. Capitel. Das II. Capitel.

So gegliedert bis: ©6r,27 Das XXVII. Capitel. ©9V,14 GIO

Exemplare

Deutsche Staatsbibliothek Berlin Stadt- u. Universitätsbibi. Frankfurt/M. Stadt- u. Universitätsbibi. Frankfurt/M. Bayerische Staatsbibi. München Yale University Library New Haven, Conn. Stadtbibliothek Nürnberg Stadtbibliothek Ulm Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

ENDE. Beschluß.

Signatur in: Yu 5257 R in: Bibl.Hirzel 133,2 in: Bibl.Hirzel 135,2 36.8772 Zgl7 G88 669 in: Phil.ll811.8° Sch 10 141 879 a Qu.N(2)

E3a Unter den sechs zu Lebzeiten des Dichters erschienenen Ausga­ ben nimmt diese eine Sonderstellung ein, wie man seit den An­ fängen der Grimmelshausen-Forschung erkannt hat, doch haben sich die Gesichtspunkte in der Forschung entscheidend gewan­ delt. Als Rudolf Kögel 1880 den „Simplicissimus“ herausgab, legte er diese Ausgabe zugrunde, die er für eine auf Grimmels­ hausens Veranlassung angefertigte, sprachlich modernisierte Be­ arbeitung einer mundartlich gefärbten, nicht überlieferten Aus­ gabe X hielt, die textlich im Doppeldruck B [= E1] vorliege. Die Geschichte der philologischen Irrtümer um diese Ausgabe hat wohl keine Parallele in der literarhistorischen Forschung. Noch lange glaubte man, daß Grimmelshausen mit dieser Re­ daktion von fremder Hand - wenn vielleicht auch widerwillig des Umsatzes wegen einverstanden war, zumal die beiden spä­ teren, mit der Verlegerangabe W. E. Felßecker versehenen Aus­ gaben E5 und E6 sich sprachlich dieser Ausgabe anschlossen. In

XX

Einleitung

der Einleitung zu seiner 1938 erschienenen Ausgabe der ,,Continuatio“ vertrat Schölte die Ansicht, daß die sprachliche Um­ arbeitung des ,,Simplicissimus Teutsch“ von fremder Hand „sicher nicht ohne Mitwissen des Verfassers . . . hergestellt und von einem bekannten Frankfurter Verleger, Georg Müller, auf den Markt gebracht wurde, so daß, wenn auch nicht von ,Nach­ druck' in buchhändlerischem Sinne gesprochen werden kann, man doch vom philologischen Standpunkt von einem ,unechten' Text reden muß“.28 Koschligs ein Jahr später erschienene Unter­ suchung hat dann diese Ausgabe als unrechtmäßigen Nachdruck erweisen können, der nicht nur von Georg Müller in Frankfurt verlegt, sondern auch - wie später noch die ,,Courasche“ - von ihm selber sprachlich bearbeitet worden war. Die Ausgabe, deren Vorlage E1 war, ist nur auf der Frankfurter Herbstmesse 1669 angezeigt, war aber wohl schon vorher im Handel: Simplicius und Simplicissimus neu eingerichtet und verbes­ sert / oder Beschreibung eines seltzamen Vaganten, wo und wie er in die Welt kommen / was er darin gesehen / erfahren / angestellet und verübet. Franckf. bey Georg Müllem in 12.29 In dieser Ausgabe war das sechste Buch ein fester Bestandteil. Außer der sprachlichen Bearbeitung, die von Felßecker für E5 und E6 übernommen wurde, hat E3a zuerst die Inhaltsangaben jeweils zu Beginn eines Kapitels wiederholt. Die Ausgabe hat folgendes Aussehen: Format 12°. 772 pag. Seiten, 32 Zeilen. Leeres Blatt nach S. 608

(= Ccvj). Titelblatt:30 Neueingerichter und vielverbesserter | Abentheurlicher | SIMPLICISSIMUS jDaS ist: j Beschreibung deß Lebens eines sel- | tzamen Vaganten / genant Melchior Stern- | felS von FuchShaim / wie / wo und welcher ge- | stalt Er nemlich in diese Welt kommen / was | er darin gesehen / gelernet / erfah­ ren und auß- | gestanden / auch warum er solche wieder | frey­ es Schölte, Einleitung zur Ausgabe der „Continuatio“, 8. XXXVI. 29 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 3. 30 Faksimile bei Borcherdt, Die ersten Ausgaben von Grimmelshau­ sens Simplicissimus, 8. 12.

Einleitung

XXI

willig quittiret hat. | Uberauß lustig / und männiglich | nützlich zulesen. | An Tag geben | Von | GERMAN SCHLEIFHEIM | von Sulsfort. | (Vignette) | Mompelgart / | Gedruckt bey Johann Fillion / / Im Jahr M DC LXIX. Titelkupfer: Nachstich des Titelkupfers von E1 Paginierung : Seitenzahlen in der Ecke, ausgenommen S. 3 (in der Mitte, ohne Verzierung). Unbez.: S. 1; 2; 13. Bl. Dd und Ddij nicht in die Paginierung einbezogen (Dd3 = 609). Falsch:13 261 (219); 109 (309); 31 (313); 754 (745). Bogenzählung : A-B-C-D-E-F-G-H-J-K-L-

M-N-O-P-Q-R-S-T-U-X-Y-I-Aa-BbCc - Dd - Ee - Ff - Gg - Hh - 3i - Kk Bogensignaturen: [2t]; Aij; Aiij; Aiiij; Av; Avj; Avij; ($18-31 n unbez.); B; Bij; Biij; Biiij; Bv; Bvj; Bvij; (B8-B12 unbez.); Cz Cijz... Fehlt: Ai2; 607- @ci2 (Cc — % Bogen). Typographisch abweichend: D in Dij \ K in Kiiij. Falsch:13 Xvil (Xvij). Abweichend: üj]3: Dd3 t>j ] t>t: Hhvi. Unbez.: Ccv; Ccvj (= leeres Blatt); Dd (^- Titelbl. 6. Buch); Eevij z Ffvij z Ggvij; Hhvij; Jivij; Kkiiij; Kkvij Kustoden: Fehlt: S. 726. Unterschiede zwischen Kustode und

Textanschluß: S. 31/32 aller- | aller Dings - 286/87 er­ schreckt/ | erschröckt/ - 343/44 hin- ) hin wiederum - 379/80 Beste | beste - 406/07 so- | so viel - 503/04 ger | ger - 511/12 Gott | GOtt - 588/89 den | der - 647/48 ten: | tcn; — 658/59 Mo- | Manoha - 702/03 sol- | ches - 735/36 erso-n | ersonnen 750/51 war/ | war: Typographie: Wiederholung der Inhaltsangaben vor jedem Kapitel. Kolumnentitel (Normalfall): links: Deß Abentheurl. Simplicissimi rechts: fünfften Buchs / 24. Cap. Buchschmuck: Leisten: (schmale) S. 3; 116 (= 256; 376; 483); Ddij''. Vignette: S. 608. 81 Faksimile bei Borcherdt, Die ersten Ausgaben von Grimmelshau­ sens Simplicissimus, 8. 25.

Einleitung

XXII Gliederung

[1] [2] 3,1 4,30 116,9-10 117,33

256.1- 2 257,9 376.1- 2 377,14 483,27-28 485,5 608,13 [S£>]r

Titelkupfer Titelblatt leer (nach Leiste) Einhalt deß Ersten Buchs / (nach Strich) DaS Erste Capitel. (nach Leiste) DaS andere Buch. | Einhalt deß II. Buchs. (nach Strich) DaS I. Capitel. (nach Leiste) DaS dritte Buch. | Einhalt deß HI. Buchs. (nach Strich) DaS Erste Capitel. (nach Leiste) DaS vierte Buch. | Einhalt deß IV. Buchs. (nach Strich) DaS I. Capitel. (nach Leiste) DaS fünffte Buch. > Einhalt deß V. BuchS. (nach Strich) DaS I. Capitel. ENDE. (Titelblatt 6. Buch) DeS neueingerichten und vielverbefferten | Abentheurlichen | SIMPLICISSIMI | Fort­ setzung und Schluß / | oder sechstes Buch / | Durch |

GERMAN SCHLEIFHEIM |von Sulsfort. | (Strich) | Mompelgart / | Bey Johann Fillion 1669.

[®t)]v

Verse Ddij^-609,22 Inhalt der Kapitel des sechsten Buches 609,23 771,12

Das I. Capitel. Beschluß.

772,7-25 Druckfehlerliste 26 ENDE. Exemplare

Fürstl. Fürstenbergische Hofbibi. Donaueschingen Marienbibliothek Halle Universitätsbibliothek Leipzig Bayerische Staatsbibliothek München Yale University Library New Haven, Conn. Bibliotheque Sainte Genevieve Paris National- u. Universitätsbibi. Prag Universitätsbibliothek Tübingen (defekt) Stadtbibliothek Ulm Privatsammlung Dr. Ernst Hauswedeil

Signatur Fr 116 4,52 Libri sep. 3064 Rar. 565 Zgl7 688 669 Y 216 Sup. 22 L 6 Dk XI 461 a AV 380

Einleitung

XXIII

E4 Die Drucklegung dieser Ausgabe muß Felßecker begonnen haben, als ihm der unrechtmäßige Nachdruck (E3a) bekannt war, denn er folgt ihm in der Wiederholung der Inhaltsangaben zu An­ fang eines jeden Kapitels. Zu größeren textlichen Änderungen hat die Zeit anscheinend nicht gereicht, denn Felßecker brachte seine erste Antwortausgabe bereits auf der Leipziger Herbstmesse von 1669 heraus. Die Anzeige findet sich im Leipziger Meßkata­ log unter den Büchern, die nicht mehr auf die Frankfurter Herbst­ messe gekommen sind: Der gantz neue Abentheuerl. Simplicissimus samt seinen [!] ewig währenden und wunderbaren Calender in 4 mit 3 Spal­ ten.32 Nach außen hin hat Felßecker alles getan, um mit dieser Aus­ gabe den Nachdruck zu übertrumpfen. Der Titel wurde geändert und wenigstens der Anschein erweckt, als sei die Ausgabe um den Ewigwährenden Kalender erweitert. Koschlig hat den Titel einen ,,plumpen Reklametitel“ genannt,33 denn neu waren nur das Kupfer mit den fünf Medaillons der simplicianischen Fa­ milie, eine Vorrede des Autors und einige relativ geringfügige Erweiterungen im Text. Nach Art und Umfang müßten die Texterweiterungen nicht unbedingt vom Autor selber stam­ men.34 Die auf dem Titelblatt angekündigten ,,Neben-Historien“ finden sich ebensowenig wie der ,, ewigwehrende wunderbarliche Calender“. In der Frankfurter Anzeige dieser Ausgabe (Oster­ messe 1670) hat Felßecker den ,,Reklametitel“ wieder aufgege­ ben und den „Ewigwährenden Kalender“ selbständig angekündigt: German Schleifheim von Sulßfort gantz neu umbgegossener

32 Speter, Grimmelshausens Schriften in den Meßkatalogen, 8. 278. 33 Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8.195. 34 Nach Koschligs Auffassung stammt die Vorrede von E4 nicht von Grimmelshausen, sondern von Johann Christoph Beer; vgl. M. Koschlig, Die „simplicianische Arbeit“ des Johann Christoph Beer, 8. 471.

XXIV

Einleitung

abentheurlicher Simplicissmus [!], sampt der Continuation. Nümb. bey Wolff Eberb. Felßeckem in 12.35 Druckvorlage von E4 war E2. Die Ausgabe hat folgendes Aus­ sehen : Format 12°. 616 pag. Seiten, 6. Buch: 158 unpag. Seiten; ein an­ geklebtes Blatt. Schwankende Zeilenzahl (zwischen 32 u. 39). Titelblatt:36 Der Abentheurliche | Wiederum gantz neu umge­ gossene | Und | Mit seinem ewigwehrenden wunder- | barlichen Calender / auch anderen zu seinem | Lebens-Lauff gehö­ rigen Neben-Historien / | vermehrte und verbesserte | SIMPLICISSIMUS | Teutsch / | Das ist: | Die vollkommene Be­ schreibung des | Lebens / eines seltzamen Vaganten / genannt | Melchior Sternfels von Fugshäim / wo und wel- | cher Gestalt er nemlich in diese Welt kommen / was er ] darinn gesehen / gelernet erfahren und ausgestan- | den / auch warum er solche wieder freywillig | quittirt. | Überaus lustig / und Männiglich nützlich | zu lesen. | am Tag geben | Von | GERMAN SCHLEIFHEIM | von Sulsfort. | (Strich) | Mompelgart / | Gedruckt bey Johann Fillion / im Jahr 1670. Titelkupfer (Phönix): Wie E1 und E2 Kupfer (Familie)37 Paginierung: Seitenzahlen in der Ecke, ausgenommen S. 3;

116; 248; 383 (in der Mitte in runder Klammer u. Verzie­ rung); 493 (ohne Klammer). Unbez. S. 1 u. 2. Falsch:13 01 (10); 31 (33); 240 (232); 241 (233); 244 (236); 293 (283); 217 (317); 220 (320); 230 (330); Sprung von 356 (=Qjt>v) nach 383 (=9tr) ohne Textverlust; 439 (431); 415 (515); 426 (526). Bogenzählung: Wie E3» Bogensignaturen: [21]; Ast; Aiij; Ajv; Av; Avj; Avij; (A8-Aio

unbez.); B; Bij; Bist; Bjv; Bv; Bvj; Bvst; (B8-Bi2 un­ bez.); C; Cij;... 35

36 87

Koschlig, Grimmelshausen u. s. Verleger, 8. 3/4. Die Ankündigung des Ewigwährenden Kalenders ebda. 8. 4. Faksimile bei Schölte, Der Simplicissimus und sein Dichter, 8.177. Faksimile bei Schölte, Der Simplicissimus und sein Dichter, 8. 220.

Fehlt: An; A12; P9-Pi2 (P — 2/3 Bogen); 0.5-0,12 (Q — y3 Bogen); Kk;-Kki2 (Kk = % Bogen). Unbez. Cv; Djv; Lvij; Njv; Pvj; Pvij; Qiij; Qjv; Rvij; Sjv; Ccjv; Ggjv; Ggv; Kkjv. Typographisch abweichend: 0 in Ojv. Falsch:13 Hiij(Hjv); Qvj(Ovj); Av (Aaiij). Kustoden: Unterschiede zwischen Kustode und Textanschluß:

S. 3/4 Das | IX. - 82/83 nicht! | nit! 96/97 oor- | Verhaltens 104/05 Maß- | Masweiß - 112/13 so thä- | thäten - 131/32 seyn | sein - 149/50 fcn/ | greiften/ - 179/80 zeigt | zeigte 197/98 wohl j wolgefiele - 208/09 wel- jchem - 218/19 Zwey | Zweytens - 228/29 den | denheit - 236/37 Offici- | Officien 237/38 Das | ICH - 259/60 hatten | sie - 261/62 müthig- | müthig/ - 273/74 einige | einigen - 289/90 an- | ständig 301/02 mir | liess - 305/06 möch- | machte - 328/29 der | lei­ der - 342/43 der | in - 391/92 äffte: | äffte; - 401/02 setzen / | setzen - 405/06 dritte | drittle - 431/32 festeste/ | schickte 459/60 del al- | alle - 461/62 meine | Untugenden - 467/68 zu errin- | zu erinnern - 497/98 zu | zugeben - 501/02 machte | still - 505/06 hen/ >tzen;- 508/09 wesen/ | gewesen/ - 551/52 (donec | [donec - 555/56 in | indem - 562/63 und | vazembler 563/64 ringes/ | ringes - 566/67 Man | man - 597/98 richt | recht - Dd^/^ Mitgli- | Mitgliedern - gfi2v/@gr sachen | Ur­ sachen - Ggiij^/jv^ nahm-1 nahm / - Ggjv^/vr heyet / | heuet / @CH fieng an zu essen / und hörete aufs zu papplen / welches nicht länger wahrste / als biß ich nach Notdurfst gefüttert hatte / und mich der Alte fort gehen hiesse: Da suchte ich die

35

28

Deß Abentheurl. Simplicissimi

allerzarteste Wort Herfür / bte mir mein bäurische Grobheit immermehr eingeben fönte / welche alle dahin giengen / den Ein-[32]sidel zu bewegen / daß er mich bey ihm behielte: Ob es ihm nun zwar beschwerlich gefallen / meine verdrüßliche Gegenwart zu gedulden / so hat er jedoch beschlossen / mich bey ihm zu leiden / mehr / daß er mich in der Christlichen Religion unterrichtete / als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen / sein gröste Sorg war / mein zarte Jugend dörffte ein solche harte Art zu leben / in die Länge nit außharren mögen. Eine Zeit von ungefähr drey Wochen war mein ProbierJahr / in welcher eben S. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag / also daß ich mich auch in deren Profession ge­ brauchen liesse / ich hielte mich so wol / daß der Einsidel ein sonderliches Gefallen an mir hatte / nicht zwar der Arbeit halber / so ich zuvor zu vollbringen gewöhnet war / sondern weil er sahe / daß ich eben so begierig seine Unterweisungen hörete / als geschickt die Waxwaiche / und zwar noch glatte Tafel meines Hertzens solche zu fassen / sich erzeigte: Solcher Ursachen halber wurde er auch desto eyferiger / mich in allem Guten anzuführen / er machte den Anfang seiner Unter­ richtungen vom Fall Lucifers / von dannen kam er in das Paradeis / und als wir mit unsern Eltern darauß verstossen wurden / passirte er durch das Gesetz Mosis / und lernete mich vermittelst der zehen Gebot Gottes und ihrer Außlegungen (von denen er sagte / daß sie ein wahre Richtschnur sehen / den Willen GOttes zu erkennen / und nach denselben ein heiliges Gott wolgefälliges Leben anzustellen) die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden / das gute zu thun / und das böse zu lassen: Endlich kam er miss das Evangelium / und sagte mir [33] von Christi Geburt / Leiden / Sterben und Aufferstehung; zuletzt beschlösse ers mit dem jüngsten Tag / und stellet mir Himmel und Höll vor Augen / und solches alles mit gebührenden Umbständen / doch nit mit gar zu überflüssiger Weitläufftigkeit / sondern wie ihn dünckte / daß ichs am aller­ besten fassen und verstehen möchte / wann er mit einer materia fertig war / hub er ein andere an / und wüste sich bißweilen in aller Gedult nach meinen Fragen so artlich zu reguliten / i allerzartste E4 5 gedulten E2-4 i Altar E2 4 is sonderlichö E4 17 Unterweisung E4 23 unseren E4 35 Weitleisttigkeit E4

Erstes Buch.

29

und mit mir zu verfahren / daß er mirs auch nicht besser hätte eingiessen können / sein Leben und seine Reden waren mir eine immerwährende Predigt / welche mein Verstand / der eben nicht so gar dumm und höltzern war / vermittels Gött­ licher Gnad / nicht ohne Frucht abgehen liesse / allermassen ich alles das jenige / was ein Christ wissen soll / nicht allein in gedachten dreyen Wochen gefast / sondern auch ein solche Lieb zu dessen Unterricht gewonnen / daß ich deß Nachts nicht bat« vor schlaffen tonte. Ich habe seithero der Sach vielmal nachgedacht / und befunden / daß Ariftot. lib. 3. de Anima wol geschlossen / als er die Seele eines Menschen einer läeren ohnbeschriebenen Tafel verglichen / darauff man allerhand notimt könne / und daß solches alles darumb von dem höchsten Schöpffer ge­ schehen sehe / damit solche glatte Tafel durch fleissige Imprefsion und Übung gezeichnet / und zur Vollkommenheit und perfection gebracht werde; dahero dann auch sein Commentator Averroes lib. 2. de Anima (da der Philolophus sagt / der Inteliectus sey als potentia,. werde aber nichts in actum gebracht / als durch die Scientiam, das ist / es sehe deß Menschen Verstand [34] allerdings fähig / könne aber nichts ohne fleissige Übung hinein gebracht werden) diesen klaren Außschlag gibt: nemlich / es setze diese Scientia oder Übung die perfection der Seelen / welche für sich selbst überall nichts an sich habe; Solches bestätigt Cicero lib. 2. Tufcul. qumft. Welcher die Seel deß Menschen ohne Lehr / Wissenschafft und Übung / einem solchen Feld vergleicht / das zwar von Natur fruchtbar sehe / aber wann man es nicht baue und besaame / gleichwol keine Fmcht bringe. Solches alles erwiese ich mit meinem eigenen Exempel / denn daß ich alles so bald gefasst / was mir der fromme Einsidel vorgehalten / ist daher kommen / weil er die geschlichte Tafel meiner Seelen gantz läer / und ohn einige zuvor hinein gedruckte Bildnussen gefunden / so etwas anders hinein zu bringen hätt hindern mögen; gleichwol aber ist die pure Einfält gegen andern Menschen zu rechnen / noch immerzu bey mir verblieben / dahero der Einsidel (weil weder er noch ich meinen rechten Nahmen gewust) mich mit Simplicium genennet. 4 vermittelst E* so erweise E2-4 E2 Bildnüssen E4

32 dahero E2-4 34 Bildnissen

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30

Deß Abentheurl. SimpliciTsimi

Mithin lernete ich auch beten / und als er meinem steiffen Vorsatz / bey ihm zu bleiben / ein Genügen zu thun ent­ schlossen / baueten wir vor mich eine Hütten gleich der seinigen / von Holtz / Reisern und Erden / fast formirt wie der Musquetirer im Feld ihre Zelten / oder besser zu sagen / die Bauren an theils Orten ihre Rubenlöcher haben / zwar so nider / daß ich kaum auffrecht darinn sitzen bitte / mein Bett war von dürrem Laub und Gras / und eben so groß als die Hütte selbst / so daß ich nit weiß / ob ich dergleichen Wohnung oder Hölen eine bedeckte Lägerstatt / oder eine Hütte nennen soll.

[35]

Das X. Capitel.

gl Ls ich das erste mal den Einsidel in der Bibel lesen sahe / tonte xdj mir nicht einbilden / mit wem er doch ein solch heimlich / und meinem Beduncken nach sehr ernstlich Gespräch haben müste; ich sahe wol die Bewegung seiner Lippen / hin­ gegen aber niemand / der mit ihm redet / und ob ich zwar nichts vom lesen und schreiben gewust / so meldte ich doch an seinen Augen / daß ers mit etwas in selbigem Buch zu thun hatte: Ich gab Achtung aufs das Buch / und nachdem er sol­ ches beygelegt / machte ich mich darhinder / schlugs aufs / und bekam im ersten Griff das erste Capitel deß Hiobs / und die davor stehende Figur / so ein feiner Holtzschnitt / und schön illuminirt war / in die Augen; ich fragte dieselbige Bilder selzame Sachen / weil mir aber kein Antwort widerfahren wolte / wurde ich ungedultig / und sagte eben / als der Ein­ sidel hinder mich schlich: Ihr kleine Hudler / habt ihr dann keine Mäuler mehr? habt ihr nicht allererst mit meinem Vatter (dann also muste ich den Einsidel nennen) lang genug schwätzen können? ich sihe wol / daß ihr auch dem armen Knan seine Schaf heim treibt / und das Hauß angezündet habt / halt / halt / ich will diß Feuer noch wol leschen / damit stunde ich auff Wasser zu holen / weil mich die Noth vorhanden zu seyn bedunckte. Wohin Simplici? sagt der Einsidel / den ich hinder mir nicht wüste / Ey Vatter / sagte ich / da sind auch Krieger / die haben Schaf / und wollens weg tteiben / sie Habens dem armen Mann genommen / mit dem du erst geredet hast / so 8 dürren E2-4 io Lägerstätt E4 ein E4 24 dieselbe E4

u ein solche so ein E4 iß nach /

Erstes Buch.

31

brennet sein Hauß auch schon liechterlohe / und wann ich nicht bald lesche / so wirds verbrennen; [36] mit diesen Worten zeigte ich ihm mit dem Finger / was ich sahe: Bleib nur / sagte der Einsidel / es ist noch keine Gefahr vorhanden; Ich antwortete / meiner Höfligkeit nach / bist du dann blind / wehre du / daß sie die Schaf nicht fort treiben / so will ich Wasser holen: Ey / sagte der Einsidel / diese Bilder leben nicht / sie seynd nur gemacht / uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen / ich antwortet / du hast ja erst mit ihnen geredt / wammb walten sie dann nicht leben? Der Einsidel muste wider seinen Willen und Gewonheit lachen / und sagte: Liebes Kind / diese Bilder können nicht reden / was aber ihr Thun und Wesen sey / kan ich auß diesen schwachen Linien sehen / welches man lesen nennet / und wann ich dergestalt lese / so haltest du darvor / ich rede mit den Bildern / so aber nichts ist: Ich antwortet / wann ich ein Mensch bin wie du / so müste ich auch an denen schwachen Zeilen können sehen / was du kauft / wie soll ich mich in dein Gespräch richten? Lieber Vatter / berichte mich doch eygentlich / wie ich die Sach verstehen solle? Darauf] sagte er / nun wolan mein Sohn / ich will dich lehren / daß du so wol als ich mit diesen Bildern wirst reden können / allein wird es Zeit brau­ chen / in welcher ich Gedult / und du Fleiß anzulegen; dem­ nach schriebe er mir ein Alphabet miss birckene Rinden / nach dem Druck formirt / und als ich die Buchstaben kennete / lemete ich buchstabiren / folgends lesen / und endlich besser schreiben / als es der Einsidel selber fönte / weil ich alles dem Druck nach­ mahlet. [37]

Das XI. Capitel.

OWey Jahr ungefähr / nemlich biß der Einsidel gestorben / " und etwas länger als ein halbes Jahr nach dessen Todt / bin ich in diesem Wald verblieben / derohalben sihet mich vor gut an / dem curiosen Leser / der auch offt das geringste wissen will / unser Thun / Handel und Wandel / und wie wir unser Leben durch gebracht / zu erzehlen. Unsere Speiß war allerhand Gartengewächs / Rüben / Kraut / Bonen / Erbsen und dergleichen / wir verschmäheten

32

Deß Abentheurl. Simplicissimi

auch keine Buchen / wilde Aepffel / Pirn / Kirschen / ja die Eicheln machte uns der Hunger offt angenehm; das Brot / oder besser zu sagen / unsere Kuchen backten wir in heisser Aschen / auß zerflossenem Welschen Korn / im Winter stetigen wir Vögel mit Sprincken und Stricken / im Frühling und Sommer aber beschehrte uns GOtt Junge auß den Nestern / wir behalffen uns offt mit Schnecken und Fröschen / so war uns auch mit Reussen und Anglen das fischen nicht zu wider / in dem ohnweit von unserer Wohnung ein Fisch» und Krebs­ reicher Bach hin floß / welches alles unser grob Gemüß hinunder convoyren muste; wir hatten aufs eine Zeit ein junges wildes Schweinlein auffgefangen / welches wir in einen Pferch versperret / mit Eicheln und Buchen aufferzogen / gemästet / und endlich verzehret / weil mein Einsidel wüste / daß solches keine Sünde seyn könte / wann man geniesset / was GOtt dem gantzen menschlichen Geschlecht zu solchem End erschaffen / Saltz brauchten wir wenig / und von Gewürtz gar nichts / dann wir dörfften den Lust zum Trunck nicht erwecken / weil wir keinen Keller hatten / die Notdurfft [38] an Saltz gab uns ein Pfarrer / der ohngefähr 3. Meil Wegs von uns wohnete / von welchem ich noch viel zu sagen habe. Unsern Haußrath betreffend / dessen war genug vorhanden / dann wir hatten eine Schauffel / eine Haue / eine Axt / ein Beyl / und einen eisernen Hafen zum kochen / welches zwar nicht unser eigen / sondern von obgemeldtem Pfarrer ent­ lehnet war / jeder hatte ein abgenütztes stumpffes Messer / selbige waren unser Eigenthum / und sonsten nichts; ferner bedorfften wir auch weder Schüsseln / Deller / Sessel / Gabeln / Kessel / Pfannen / Rost / Bratspieß / Saltzbüchs noch ander Tisch- und Mchengeschirr / dann unser Hafen war zugleich unser Schüssel / und unsere Hände waren auch unsere Gabeln und Sessel / wollen wir aber trincken / so geschahe es durch ein Rohr auß dem Brunnen / oder wir henckten das Maul hinein / wie Gedeons Kriegs-Leute; Von allerhand Gewand / Wollen / Seiden / Baumwollen und Seinen / beydes zu Betten / Tischen und Tapezereyen / hatten wir nichts / als was wir aufs dem Leib trugen / weil wir vor uns genug zu haben schätzten / wann wir uns vor Regen und Frost beschützen i Birn E2-4 3 heissen E4

io hinunter E2-4

Erster Buch.

33

fönten: Sonsten hielten wir in unserer Haußhaltung feine gewisse Regul oder Ordnung / ausserhalb an Sonn- und Feyertägen / an welchen wir schon umb Mittemacht hinzu­ gehen ansiengen / damit wir noch frühe genug / ohne männiglichs Vermercken / in obgemeldten Pfarrherrns Kirche / die etwas vom Dorff abgelegen war / fommen / und dem Gottes­ dienst abwarten sönnen / in derselben verfügten wir uns miss die zerbrochne Orgel / an welchem Ort wir so wol aufs den [39] Altar / als zu der Cantzel sehen fönten; Ms ich das erste mal den Pfarrherm aufs dieselbige steigen sahe / fragete ich meinen Einsidel / was er doch in demselben grossen Zuber machen wolle? nach verrichtetem Gottesdienst aber / gierigen wir eben so verstolen wieder heim / als wir hin fommen waren / und nachdem wir mit müdem Leib und Füssen zu unserer Wohnung tarnen / offen wir mit guten Zähnen übel / alsdann brachte der Einsidel die übrige Zeit zu mit beten / und mich in gottseeligen Dingen zu unterrichten. An den Wercktägen thäten wir / was am nötigsten zu thun war / je nachdem sichs fügte / und solches die Zeit deß Jahrs / und unser Gelegenheit erforderte / einmal arbeiteten wir im Garten / das ander mal suchten wir den feisten Gmnd an schattigten Orten / und auß holen Bäumen zusammen / unfern Garten / an statt der Tung / damit zu bessern / bald flochten wir Körbe oder Fisch-Reussen / oder machten Brennholtz / fischten / oder thäten ja so etwas wider den Müssiggang. Und unter allen diesen Geschäfften liesse der Einsidel nicht ab / mich in allem Guten getreulichst zu unterweisen / unterdessen lernete ich in solchem harten Leben Hunger / Durst / Hitz / Kälte / und grosse Arbeit überstehen / und zuvorderst auch GOTT er* tennen / und wie man Ihm rechtschaffen dienen solte / welches das vomehmste war. Zwar wolle mich mein getreuer Ein­ sidel ein mehrers nicht wissen lassen / dann er hielte darvor / es sehe einem Christen genug / zu seinem Ziel und Zweck zu gelangen j wann er nur fleissig bete und arbeite / dahero es fommen / ob ich zwar in geist-[40]lichen Sachen zimlich berichtet wurde / mein Christenthum wol verstünde / und die Teutsche Sprach so schön redete / als wann sie die Orthographia selbst außspräche / daß ich dannoch der einfältigste 8 zerbrochene E4

io dieselbe E2-4

u müden E4

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10



ro

rr

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36

34

Deß Abentheurl. Simplicilsimi

Verbliebe; gestalten ich / wie ich den Wald verlassen / ein solcher elender Tropfs in die Welt war / daß man keinen Hund mit mir auß dem Ofen hätte locken können.

Das XII. Capitel. QSBet) Jahr ungefähr hatte ich zugebracht / und das harte " Eremitisch Leben kaum gewöhnet / als mein bester Freund aufs Erden seine Haue mm j mir aber die Schauffel gab / und mich seiner täglichen Gewonheit nach / an der Hand in unfern Garten führte / da wir unser Gebet zu verrichten pflegten: Nun Simplici / liebes Kind / sagte er / dieweil GOtt Lob die Zeit vorhanden / daß ich auß dieser Welt scheiden / die Schuld der Natur bezahlen / und dich in dieser Welt hinder mir ver­ lassen solle / zumalen deines Lebens künfftige Begegnussen beyläuffig sehe / und wol weiß / daß du in dieser Einöde nicht lang verharren wirst / so hab ich dich aufs dem angetrettenen Weg der Tugend stärcken / und dir einige Lehren zum Unter­ richt geben wollen / vermittelst deren du / als nach einer ohnfehlbaren Richtschnur / zur ewigen Seeligkeit zu gelangen / dein Leben anstellen sollest / damit du mit allen heiligen Außerwehlten das Angesicht GOttes in jenem Leben ewiglich anzuschauen gewürdiget werdest. Diese Wort setzten meine Augen ins Wasser / wie hiebevor deß Feinds Erfindung die Statt Billingen / einmal / sie waren mir so unerträglich / daß ich sie [41] nicht ertragen fönte / doch sagte ich: Hertzliebster Vatter / wilst du mich dann allein in diesem wilden Wald verlassen? soll dann: mehrers vermochte ich nicht herauß zu bringen / dann meines Hertzens Qual ward auß überflüssiger Lieb / die ich zu meinem getreuen Vatter trug / also hefftig / daß ich gleichsam wie todt zu seinen Füssen nider fand; Er hingegen richtet mich wieder aufs / tröstet mich so gut es Zeit und Gelegenheit zuliesse / und verwiese mir gleichsam fragend / meinen Fehler / Ob ich nemlich der Ord­ nung deß Allerhöchsten widerstreben wolte? weistu nicht / sagt er weiters / daß solches weder Himmel noch Höll zu thun ver­ mögen? nicht also mein Sohn! was unterstehest du dich / meinem schwachen Leib (welcher vor sich selbst der Ruhe be2 bie] der E4

ia Begegmfsen E2

Begegnussen E4

u benläuff-

Erstes Buch.

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gierig ist) auffzubürden? vermehrtest du mich zu nötigen / länger in diesem Jammerthal zu leben? Ach nein / mein Sohn / lasse mich fahren / sintemal du mich ohne das weder mit heulen noch weynen / und noch viel weniger mit meinem Stollen / länger in diesem Elend zu verharren / wirst zwingen können / in dem ich durch GOttes außtrücklichen Willen darauß ge­ fordert werde; folge an statt deines unnützen Geschreys meinen letzten Worten / welche seynd / daß du dich je länger je mehr selbst erkennen sollest / und wann du gleich so alt als Mathusalem würdest / so laß solche Übung nicht auß dem Hertzen / dann daß die meiste Menschen verdampt werden / ist die Ursach / daß sie nicht gerauft haben / was sie gewesen / und was sie werden können / oder werden müssen. Weiters riethe er mir getreulich / ich solle mich jederzeit vor böser Ge­ sellschafft hüten / dann derselben Schädlichkeit wäre unaußsprechlich: [42] Er gab mir dessen ein Exempel / und sagte / wann du einen Tropfsen Malvasier in ein Geschirr voll Essig schüttest / so wird er alsobald zu Essig; wirstu aber so viel Essig in Malvasier giessen / so wird er auch unter dem Malvasier hingehen: Liebster Sohn / sagte er / vor allen Dingen bleibe standhafftig / dann wer verharret biß ans End / der wird seelig / geschihet aber wider mein Berhoffen / daß du auß menschlicher Schwachheit fällst / so stehe durch ein rechtschaffene Buß geschwind wieder aufs. Dieser sorgfältige fromme Mann hielte mir allem diß wenige vor / nicht zwar / als hätte er nichts mehrers gewust / sondern darumb / dieweil ich ihn erstlich meiner Jugend wegen / nicht fähig genug zu seyn bedunckte / ein mehrers in solchem Zustand zu fassen / und dann weil wenig Wort besser / als ein langes Geplauder / im Gedächtnus zu behalten seynd / und wann sie anders Safft und Nachtruck haben / durch das Nachdencken grössem Nutzen schaffen / als eine lange Sermon, die man außtrücklich verstanden hat / und bald wieder zu vergessen pflegt. Diese drey Stück / sich selbst erkennen / böse Gesellschafft meiden / und beständig verbleiben / hat dieser fromme Mann ohne Zweiffel deßwegen vor gut und nötig geachtet / weil er solches selbsten practicirt / und daß es ihme darbey nicht miße ausdrücklichen E4 1» alsbald E4 20 bleib E4 so Gedächt­ niß E2-4 31 Nachdruck E4 • rs ausdrücklich E4 ss dabey E4

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lungen ist; denn nachdem er sich selbst erkant / hat er nicht allein böse Gesellschafften / sondern auch die gantze Welt geflohen / ist auch in solchem Vorsatz biß an das Ende verharret / an welchem ohn Zweiffel die Seeligkeit hängt / welcher gestalt aber / folgt hernach. Nachdem er mir nun obige Stück vorgehalten / [43] hat er mit seiner Reithaue angefangen sein eigenes Grab zu machen / ich halff so gut ich tonte / wie er mir befahl / und bildete mir doch das jenige nicht ein / worauff es angesehen war / indessen sagte er: Mein lieber und wahrer einiger Sohn (dann ich habe sonsten keine Creatur als dich / zu Ehren unsers Schöpffers erzeuget) wann meine Seele an ihren Ort gangen ist / so leiste meinem Leib deine Schuldigkeit und die letzte Ehre / scharre mich mit der fertigen Erden wieder zu / die wir anjetzo auß dieser Gruben gegraben haben / darauff nam er mich in seine Arm / und dmckte mich küssend / viel härter an seine Brust / als einem Mann / wie er zu seyn schiene / hätte müglich seyn können: Liebes Kind / sagte er / ich befehle dich in GOttes Schutz / und sterbe umb so viel desto frölicher / weil ich hoffe / er werde dich darin auffnemmen; Ich hingegen tonte nichts anders / als klagen und heulen / ich hangele mich an seine Ketten / die er am Hals trug / und vermeynte ihn damit zu halten / damit er mir nicht entgehen solle: Er aber sagte / mein Sohn lasse mich / daß ich sehe / ob mir das Grab lang genug sehe / legte demnach die Ketten ab / sampt dem Ober-Rock / und begab sich in das Grab / gleichsam wie einer / der sich sonst schlaffen legen will / sprechende: Ach grosser GOtt / nun nimm wieder hin die Seele / die du mir gegeben / HERR / in deine Hände besehl ich meinen Geist / rc. Hierauff beschloß er seine Lippen und Augen sänffttglich / ich aber stund da wie ein Stockfisch / und meynte nicht / daß seine liebe Seel den Leib gar verlassen haben solle / dieweil ich ihn öffters in dergleichen Verzuckungen gesehen hatte. [44] Ich verharrete / wie mein Gewonheit in dergleichen Begebenheiten war / etlich Stund neben dem Grab im Gebet / als sich aber mein allerliebster Einsidel nicht mehr auffrichten wolle / stiege ich zu ihm ins Grab hinunder / und fieng ihn an zu schüttlen / zu küssen und zu liebeln / aber da war kein Leben 4 ohne E4

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mehr / weil der grimmige ohnerbittliche Todt den armen Simplicium seiner holden Beywohnung beraubt hatte; ich begösse / oder besser zu sagen / ich balsamirte den entseelten Cörper mit meinen Zähren / und nachdem ich lang mit jäm­ merlichem Geschrey hin und her geloffen / fienge ich an / ihn mit mehr Seufftzen als Schauffeln voller Grund zuzuscharren / und wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte / stiege ich wieder hinunder / entblöste es wieder / damit ichs noch einmal sehen und küssen möchte / solches trieb ich den gantzen Tag / biß ich fertig worden / und aufs diese Weis die funeralia, exequias und luctua gladiatorios allein geendet / weil ohne das weder Baar / Sarch / Decken / Liechter / Todtenttäger noch Gelaits-Leut / und auch kein Cleriseh vorhanden gewest / die den Todten besungen hätte.

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xni. Capitel.

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VlSBet etlich Tag nach deß Einsidels Ableiben / verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrem / und offenbarte ihm meines Herrn Todt / begehrte benebens Rath von ihm / wie ich mich bey so gestaltet Sache verhalten solle? Unangesehen er mir nun starck widerrathen / länger im Wald zu verbleiben / so bin ich jedoch dapfser in meines Vorgängers Fußstapffen getretten / Massen ich den gantzen Sommer hindurch [45] that / was ein frommer Monachus thun soll; Aber gleich wie die Zeit alles ändert / also ringert sich auch nach und nach das Leyd / so ich umb meinen Einsidel trug / und die äusserliche scharsfe Mnterskält leschte die innerliche Hitz meines steiffen Vorsatzes zugleich auß / je mehr ich anfieng zu wancken / je ttäger wurde ich in meinem Gebet / weil ich an statt / göttliche und himmlische Ding zu bettachten / mich die Begierde / die Welt auch zu beschauen / überherrschen liesse / und als ich dergestalt nichts nutz würde im Wald länger gut zu thun / gedachte ich wieder zu gedachtem Pfarrer zu gehen / zu vernehmen / ob er mir noch wie zuvor auß dem Wald rathen wolle? zu solchem End machte ich mich seinem Dorff zu / und als ich hin kam / fände ichs in voller Flamm stehen / dann es eben ein Partey Reuter ausgeplündert / angezündet / theils Bauren 10 funeralia,] funeralia E1-8-4 u hätten E4 E‘

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nidergemacht / viel verjagt / und etliche gefangen hatten / damnter auch der Pfarrer selbst war. Ach GOtt! wie ist das menschliche Leben so voll Mühe und Widerwertigkeit / kaum hat ein Unglück auffgehört / so stecken wir schon in einem andern / mich verwundert nicht / daß der Heidnische Philo­ sophie Timon zu Athen viel Galgen aufrichtete / daran sich die Menschen selber auffknüpffen / und also ihrem elenden Leben durch ein kurtze Grausamkeit ein Ende machen sollen; die Reuter waren eben wegfertig / und führten den Pfarrer an einem Strick daher / unterschiedliche schryen / schiesse den Schelmen nider! andere aber wollen Gelt von ihm haben / er aber hub die Händ aufs / und bat umb deß Jüngsten Ge­ richts willen / umb Verschohnung und Christliche Barmhertzigkeit / aber umbsonst / dann [46] einer ritte ihn übern Haussen / und versetzte ihm zugleich eins an Kopfs / davon er alle vier von sich streckte / und Gott seine Seel befahl / den andern noch übrigen gefangenen Bauren giengs gar nicht besser. Da es nun sahe / als ob diese Reuter in ihrer tyrannischen Grausamkeit gantz unsinnig worden wären / kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren auß dem Wald / als wann man in ein Wespen-Nest gestochen hätte / die siengen an so greu­ lich zu schreyen / so grimmig darein zu setzen / und darauff zu schiessen / daß mir alle Berg gen Haar stunden / weil ich noch niemals bey dergleichen Kürben gewesen / dann die Spesserter und Vogelsberger Bauren lassen sich fürwahr so wenig als die Hessen I Sauerländer und Schwartzwälder / aufs ihrem Mist foppen; darvon rissen die Reuter auß / und liessen nicht al­ lein das eroberte Rindviehe zurück / sondern warffen auch Sack und Pack von sich / schlugen also ihre gantze Beut in Wind / damit sie nicht selbst den Bauren zur Beut würden / doch kamen ihnen theils in die Händ. Diese Kurtzweil bename mir bey nahe den Lust / die Welt zu beschauen / dann ich gedachte / wann es so darinnen her­ gehet / so ist die Wildnus weit anmutiger / doch motte ich auch hören / was der Pfarrer darzu sagte / derselbe war wegen empfangener Wunden und Stöß gantz matt / schwach und Krafstloß / doch hielte er mir vor / daß er mir weder zu helffen noch zu rathen wisse / weil er dermalen selbst in einen solchen 4 2#

hatte E* 8 End E4 23 Vielleicht: Haar gen Berg Vgl. 89,10 ihren E4 28 Rindvieh E4 34 Wildniß E2 Wildnüß E4

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Stand gerathen worden wäre / in welchem er besorglich das Brot am Bettelstab suchen müsse / und wann ich gleich noch länger im Wald verbleiben würde / so hätte ich mich seiner Hülff-leistung [47] nichts zu gekästen / weil / wie ich vor Säugen sehe / beydes sein Kirch und Pfarrhof im Feuer stunde. Hierauf verfügte ich mich gantz kaurig gegen dem Wald zu meiner Wohnung / und demnach ich aufs dieser Räis sehr wenig gekäst / hingegen aber umb viel andächtiger worden / be­ schlösse ich bey mir / die Wildnus nimmermehr zu verlassen; Massen ich schon nachgedachte / ob nicht müglich wäre / daß ich ohne Saltz (so mir bißher der Pfarrer mitgetheilt hatte) leben / und also aller Menschen entberen fönte?

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Das XIV. Capitel. ^Amit ich aber diesem meinem Entschluß nachkommen / und ein rechter Wald-Bruder seyn möchte / zöge ich meines Einsidlers hinderlassen härin Hemd an / und gürtet seine Kette darüber; nicht zwar / als hätt ich sie bedörsft / mein unbändig Fleisch zu mortificiren / sondern damit ich meinem Borfahren so wol im Leben / als im Habit gleichen / mich auch durch solche Kleidung desto besser vor der rauhen WintersKält beschützen möchte. Den zweyten Tag / nachdem obgemeldtes Dorfs geplün­ dert und verbrennt worden / als ich eben in meiner Hütten fasse / und zugleich neben dem Gebet gelbe Rüben / zu meinem Auffenthalt / im Feuer briete / umbringten mich bey 40. oder 50. Mußquetier; diese / ob sie zwar ob meiner Person Seltzamkeit erstauneten / so durchstürmten sie doch meine Hütten / und suchten / was da nicht zu finden wär / dann nichts als Bücher hatte ich / die sie mir durcheinander geworfsen / weil sie ihnen nichts taugten: Endlich / als sie mich besser betrachteten / und an meinen Federn [48] sahen / was vor einen schlechten Vogel sie gefangen hätten / tonten sie leicht die Rechnung machen / daß bey mir ein schlechte Beut zu hoffen; Demnach verwun­ derten sie sich über mein hartes Leben / und hatten mit meiner zarten Jugend ein grosses Mitleiden / sonderlich der Osficier / so sie commandirte; ja er ehrte mich / und begehrte gleichsam 9 Wildniß E2 11 bißhero E* dorfft E4 19 als im] als in E4

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bittend / ich wolte ihm und den seinigen den Weg wider auß dem Wald weisen / in welchem sie schon lang in der Irre herumb gangen wären; Ich widerte mich gantz nicht / son­ dern führte sie den nächsten Weg gegen dem Dorff zu / oll» wo der obgemeldte Pfarrer so übel ttactirt worden / dieweil ich sonst leinen andern Weg wüste: Ehe wir aber vor den Wald kamen / sahen wir ohngefähr einen Bauren oder zehen / deren ein Theil mit Feuer-rohren bewehrt / die übrige aber ge« schäfftig waren / etwas einzugraben; die Mußquetierer giengen miss sie loß / und schryen / halt! halt! jene aber ant­ worteten mit Rohren: Und wie sie sahen / daß sie von den Soldaten übermannet waren / giengen sie schnell durch / also daß die müden Mußquetierer keinen von ihnen ereylen tonten; derowegen wolten sie wieder herauß graben / was die Bauren eingescharrt / das schickte sich umb so viel desto besser / weil sie die Hauen und Schauffeln / so sie gebraucht / ligen liessen: Sie hatten aber wenig Streich gethan / da höreten sie eine (Stimm von unden herauff / die sagte: G ihr

leichtfertige Schelmen! Anstoß E4

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Der Koch muste vor die Tafel / und die so auffgetragen hatten / wurden mit ihm examinirt; zuletzt lerne das Facit über den armen Simplicium herauß / daß nemlich ihme der Kopfs mit beyden Augen auffzutragen gegeben worden wäre / wie es aber weiter gangen/darvon wüste niemand zusagen. Mein Herr fragte / meines Bedünckens mit einer schröcklichen Mine, wohin ich mit dem Kalbs-Aug kommen wäre? geschwind wischte ich mit meinem Sessel wieder auß dem Sack / gab dem Kalbskopff den andern Fang / und wiese kurtz und gut / was man von mir wissen wolte / messen ich das ander Aug / gleich wie das erste / in einem Huy verschlang: Par Dien, sagte mein Herr / dieser Act schmeckt besser /als zehen Kälber I Die anwesende Herren lobten diesen Außspruch / und »ernteten meine That / die ich auß Einfalt begangen / eine Wunder-kluge Erfindung / und Vorbedeutung künftiger Dapfferkeit und unerschrockenen Resolution. Also daß ich vor dißmal meiner Straff / durch Widerholung eben deß jenigen / damit ich solche verdient hatte / nicht allein glücklich entgieng / sondern auch von etlichen kurtzweiligen Possenreissern / Fuchsschwäntzern und Tisch-Räthen / diß Lob erlangte / ich hätte weislich gehandelt / daß ich beyde Augen zusammen logirt / damit sie gleich wie in dieser / also auch in jener Welt einander Hülff und Gesellschafft leisten tönten / worzu sie dann anfänglich von der Natur ge»[105] widmet wären. Mein Herr aber sagte / ich solle ihm ein ander mal nicht wieder so kommen.

Das XXX. Capitel. gHEy dieser Mahlzeit (ich schätze / es geschicht bey andem auch) trotte man gantz Christlich zur Tafel / man sprach das Tischgebet sehr still / und allem Ansehen nach auch sehr an­ dächtig: Solche stille Andacht continuirte so lang / als man mit der Supp und den ersten Speisen zu thun hatte / gleichsam als wenn man in einem Capucciner-Oonvent gessen häthe; Wer kaum hatte jeder drey oder viermal gesegne Gott gesagt/ da wurde schon alles viel lauter: Ich kan nicht beschreiben / wie sich nach und nach eines jeden Stimm je länger je höher er* hebte / ich wolte dann die gantze Gesellschafft einem Orator 14

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vergleichen / der erstlich sachte ansähet / und endlich herauß donnert: Man brachte Gerichte! / deßwegen Bor-Essen ge­ nant / weil sie gewürtzt / und vor dem Trunck zu gemessen verordnet waren / damit derselbe desto besser gienge: Item Beh-Essen / weil sie bey dem Tmnck nicht übel schmecken sollen / allerhand Frantzösischen Potagen und Spanischen Olla Pottriden zu geschweigen; welche durch tausendfältige Mnstliche Zubereitungen und ohnzahlbare Zusätze / dermassen ver­ pfeffert / überdummelt / vermummet / mixtirt / und zum Tmnck gerüstet waren / daß sie durch solche zufällige Sachen und Gewürtz mit ihrer Substanz sich weit anders verändert hatten / als sie die Natur anfänglich hervor gebracht / also daß sie Cneus Manliua selbsten / wann er schon erst auß Asia kommen wäre / und die beste Köch bey sich ge-s106)habt hätte / dennoch nicht gekennet hätte. Ich gedachte / wammb wollen diese einem Menschen / der ihm solche / und den Tmnck darbey schmecken läst / (worzu sie dann vomemlich bereitet sind) nicht auch seine Sinne zerstören / und ihn verändern / oder gar zu einer Bestia machen können? Wer weiß / ob Circe andere Mittel gebraucht hat / als eben diese / da sie deß Ulyssis Gefeiten in Schwein verändert? Ich sahe einmal / daß diese Gäst die Trachten frassen wie die Säu / darauff soffen wie die Kühe / sich darbey stellten wie die Esel / und olle end­ lich kotzten wie die Gerberhund! Den edlen Hochheimer / Bacheracher und Klingenberger / gossen sie mit Kübelmässigen Gläsem in Magen hinunder /welche ihre Würckungen gleich oben im Kopfs verspüren liessen. Darauff sahe ich meinen Wunder / wie sich alles veränderte; nemlich verständige Leut / die kurtz zuvor ihre fünff Sinn noch gesund beyeinander ge­ habt j wie sie jetzt urplötzlich anfiengen närrisch zu thun / und die alberste Ding von der Welt vorzubringen; die grosse Thor­ heiten die sie begiengen / und die grosse Trünck / die sie ein­ ander zubrachten / wurden je länger je grösser / also daß eS schiene / als ob diese beyde umb die Wett miteinander stritten / welches unter ihnen am grösten wäre / zuletzt verkehrte sich ihr Kampfs in eine unflätige Sauerey. Nichts artlichers war / als daß ich nicht wüste / woher ihnen der Dünnet kam / sinte­ mal mir die Würckung deß Weins / oder die Tmnckenheit selbst /

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noch allerdings unbetont gewesen / welches dann lustige Grillen und Phantasten-Gedancken in meinem wercklichen Nachsinnen setzte / ich sahe wol ihre seltzame Minas, ich wüste aber den Ur-[107]sprung ihres Zustands nicht. Biß dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr geläert / als aber die Mägen gefüllt waren / hielte es härter als bey einem Fuhr­ mann / der mit geruhtem Gespann aufs der Ebne wol fort kompt / am Berg aber nicht hotten Ion. Nachdem aber die Köpff auch doll wurden / ersetzte ihre Unmüglichkeit entweder deß einen Courage, die er im Wein eingesessen; oder beym andern die Treuhertzigkeit / seinem Freund eins zu bringen; oder beym dritten die Teutsche Redlichkeit / Ritterlich Bescheid zu thun: Nachdeme aber solches die Länge auch nicht bestehen tonte / beschwur je einer den anbetn bey grosser Herren und sonst lieber Freund / oder bey seiner Liebsten Gesundheit / den Wein Maßweis in sich zu schütten / worüber manchem die Augen übergiengen / und der Angstschweiß außbrach; doch muste es gesoffen seyn: Ja man machte zuletzt mit Trommeln / Pfeiffen und Säitenspiel Semen / und schoß mit Stücken darzu / ohn Zweisfel darumb / dieweil der Wein die Mägen mit Gewalt einnemmen muste. Mich verwundert / wohin sie ihn doch alle schütten tönten / weil ich noch nicht wüste / daß sie solchen / ehe er recht warn bey ihnen ward / wiederum mit grossem Schmertzen auß eben dem Ort herfür gaben / wohinein sie ihn turtz zuvor mit höchster Gefahr ihrer Gesundheit ge­ gossen hatten. Mein Pfarrer war auch bey dieser Gasterey / ihm beliebte so wol als andern / weil er auch so wol als andere ein Mensch war / ein Abtritt zu netnmen: Ich gieng ihm nach / und sagte: Mein Herr Pfarrer / warumb thun doch die Leut so seltzam? woher kompt es doch / daß sie so hin und her bonfein? mich dünckt [108] schier / sie seyen nicht mehr recht witzig / sie haben sich alle satt gessen und getmncken / und schwören bey Teuffel holen / wann sie mehr sauffen können / und dennoch hören sie nicht miss/sich außzuschoppen! müssen sie es thun/ oder ver­ schwenden sie GOtt zu Trutz / auß freyem Willen so unnützlich? Liebes Kind / antwortet der Pfarrer / Wein ein / Witz auß! das ist noch nichts gegen dem / das künfftig ist: Morgen gegen 3

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Tag ists noch schwerlich Zeit / bey ihnen voneinander zu gehen / dann wenn schon ihre Mägen gedrungen voll stecken / so sind sie jedoch noch nicht recht lustig gewest; zerbersten dann / sagte ich / ihre Bäuch nicht / wenn sie immer so unmässig einschieben? können dann ihre Seelen / die Gottes Ebenbild seyn / in sol­ chen Mastschwein-Cörpern verharren? in welchen sie doch / gleichsam wie in finstern Gefängnussen und Ungezifer-mässigen Diebs-Thürnen / ohn alle gottseelige Regungen gefangen ligen? Ihre edle Seelen / sage ich / wie mögen sich solche so martern lassen; seynd nicht ihre Sinne / welcher sich ihre See­ len bedienen sollen / wie in dem Eingeweid der unvernünsstigen Thier begraben? Halts Maul / antwortet der Pfarrer / du Misstest sonst greulich Pumpes kriegen / hier ist kein Zeit zu predigen / ich wolts sonst besser als du verrichten. Ws ich dieses hörte / sahe ich feinet stillschweigend zu / wie man Speist und Tranck muthwillig verderbte / unangesehen der arme La­ zarus / den man damit hätte laben können / in Gestalt vieler 100. vertriebener Wetterauer / denen der Hunger zu den Augen herauß guckte / vor unsern Thüren verschmachtete / weil naut int Schanck war. [109]

Das XXXI. Capitel.

gfLs ich dergestalt mit einem Deller in der Hand vor der ** Tafel auffwartete / und in meinem Gemüt von ällerhand Dauben und wercklichen Gedancken geplagt wurde / liesse mich mein Bauch auch nicht zu frieden / er Kirret und murret ohn Unterlaß / und gab dardurch zu verstehen / daß Bursch in ihm vorhanden wären / die in freyen Lufft begehrten; ich ge­ dacht / mir von dem ungeheuren Gerümpel abzuhelffen / den Paß zu öffnen / und mich darbey meiner Kunst zu bedienen / die mich erst die vorig Nacht mein Camerad gelernet hatte; solchem Unterricht zu folg / hub ich das linde Bein sampt dem Schenckel in alle Höhe aufs / dmckte von allen Kläfften was ich tonte / und wolte meinen Spruch / Je pete, zugleich drey­ mal heimlich sagen; Ms aber der ungeheure Gespan / der zum Hindern hinauß wischte / wider mein Berhoffen so greulich thönete / wüste ich vor Schrecken nit mehr was ich thäte / mir io mortem E4 r» Pursch E8-4

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wurde einsmals so bang / als wenn ich aufs der Läiter am Gal­ gen gestanden wäre / und mir der Hencker bereits den Sttick hätte anlegen wollen / und in solcher gählingen Angst so ver­ wirret / daß ich auch meinen eigenen ©liebem nicht mehr be­ fehlen tonte / Massen mein Maul in diesem urplötzlichen Lermen auch rebellisch wurde / und dem Hindern nichts bevor geben / noch gestatten wolle / daß er allein das Wort haben / es aber / das zum reden und schreyen erschaffen / seine Reden heimlich brumlen solte / derowegen liesse solches das jenige / so ich heimlich zu reden im Sinn hatte / dem Hindern zu Trutz überlaut hören / und zwar so schröcklich / als [110] wann man mir die Kehl hätte abstechen wollen: Je greulicher der Unter­ wind knallete / je grausamer das Je pete oben herauß fuhr / gleichsam als ob meines Magens Ein- und Außgang einen Wettstreit miteinander gehalten hätten / welcher unter ihnen beyden die schröcklichste Stimm von sich zu donnern vermöchte. Hierdurch bekam ich wol Linderung in meinem Eingeweid / dargegen aber einen ungnädigen Herrn an meinem Gouver­ neur; Seine Gast wurden über diesem unversehenen Knall fast wieder alle nüchtern / ich aber / weil ich mit aller meiner angewandten Mühe und Arbeit keinen Wind bannen können / in eine Futterwanne gespannet / und also zerkarbäitscht / daß ich noch biß aufs diese Stund daran gebende. Solches waren die erste Pastonaden die ich kriegte / seit ich das erste mal Lufft geschöpfft / weil ich denselben so abscheulich verderbt hatte / in welchem wir doch gemeinschasftlicher Weis leben müssen / da brachte man Rauch-täfelein und Kertzen / und die Gast suchten ihre Bisemknöpff und Balsambüchslein / auch so gar ihren Schnupfftobad hervor / aber die beste arommata wolten schier nichts erkleden. Also hatte ich von diesem Actu, den ich besser als der beste Comcebiont in der Welt spielte / Friede in meinem Bauch / hingegen Schläg aufs den Budel / die Gäst aber ihre Nasen voller Gestand / und die Auffwarter ihre Mühe / wieder einen guten Gemch ins Zimmer zu machen.

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Das XXXII. Capitel. diß vorüber / muste ich wieder auffwarten / wie zuvor / mein Pfarrer war noch vorhanden / [111] und wurde so wol als andere zum Trunck genötiget / er aber wolle nicht recht daran / sondern sagte : Er möchte so bestialisch nicht sauf­ fen; hingegen erwiese ihm ein guter Zech-Bruder / daß er Pfarrer wie eine Bestia / er der Säuffer und andere An­ wesende aber / wie Menschen söffen; dann / sagte er / ein Vieh säufst nur so viel als ihm wol schmecket / und den Durst lescht / weil sie nicht wissen was gut ist / noch den Wein kirnten mögen; uns Menschen aber beliebt / daß wir uns den Trunck zu nutz machen / und den edlen Reben-Safft einschleichen lassen / wie unser Bor-Eltern auch gethan haben: So wol / sagt der Pfarrer / es gebührt mir aber rechte Maaß zu halten; Wol / antwort jener / ein ehrlicher Mann hält sein Wort / und ließ ihm darauff einen mässigen Becher einschencken / denselben dem Pfarrer zuzuzottlen; er hingegen gieng durch / und ließ den Säuffer mit seinem Eymer stehen. Ms dieser abgeschafft war / gieng es drunter und drüber / und liesse sich ansehen / als wenn diese Gasterey ein bestimmte Zeit und Gelegenheit seyn solle / sich gegeneinander mit Vollsauffen zu rächen / einander in Schand zu bringen / oder sonst ein Possen zu reisten; dann wann einer expedirt wurde / daß er weder sitzen / gehen oder stehen mehr tonte / so hieß es: Nun ists Wett! Du hast mirs hiebevor auch so gelocht / jetzt ist dirs eingekänckt / und so fortan / rc. Welcher aber außdauren / und am besten sauffen tonte / wüste sich dessen groß zu machen / und dünckte sich lein geringer Kerl zu seyn; zuletzt dürmelten sie alle hemm / [112] als wenn sie Bilsensamen genossen hätten. Es war eben ein wunderliches Faßnacht-Spiel an ihnen zu sehen / und war doch niemand / der sich darüber verwundert / als ich; einer sang / der ander weynet / einer lachte / der ander traurete / einer fluchte / der ander betete / einer schrye überlaut Courage, der ander tonte nicht mehr reden / einer war stille und friedlich / der ander wolle den Teuffel mit Raufs-Händeln bannen / einer schlieft und schwiege still / der ander plaudert / daß sonst keiner vor ihm zukommen tonte; Einer erzehlte seine 8 soffen E4 bann/] bann E21 sagt E4 io bem E2-4 antwortet E4 is dem E4 >s gierige E4 37 tönte E2-4

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liebliche Bulerey / der ander seine erschröckliche Kriegs-Thaten / etliche redeten von der Kirch und geistlichen Sachen / andere von Ration© Status, der Politic, Welt- und Reichs-Händeln; theils liessen hin und wider / und tonten an keiner Stelle bleiben / andere lagen und vermochten nicht / den kleinesten Finger zu regen / geschweige aufstecht zu gehen oder zu stehen / etliche frassen wie die Drescher / und als ob sie acht Tage Hunger gelitten hätten / andere kotzten wieder / was sie denselbigen gantzen Tag eingeschlucket hatten. Einmal / ihr gantzes Thun und Lassen war dermassen possierlich / närrisch / seltzam / und darbey so sündhafftig und gottloß / daß der mir entwischte üble Geruch / darumb ich gleichwol so greulich zer­ schlagen worden / nur ein Schertz dargegen zu rechnen. End­ lich setzt es unden an der Tafel ernstliche Streit-Händel / da warff man einander Gläser / Becher / Schüssel und Deller an die Köpff / und schlug nicht allein mit Fäusten / sondern auch mit Stülen / Stul-Beinen / Degen / und allerhand [113] ftbettSachen drein / daß etlich der rothe Safft über die Ohren liesse / aber mein Herr stillete den Handel gleich wiederumb.

Das XXXIII. Capitel. es nun wieder Fried worden/namen die Meister-Säuffer ^ die Spielleut sampt dem Frauen-Zimmer / und wander­ ten in ein ander Hauß / dessen Saal auch zu einer andern Thor­ heit erkoren und gewidmet war; Mein Herr aber setzte sich aufs sein Lotterbett / weil ihm entweder vom Zorn oder der Uberfüllung wehe war / ich liesse ihn ligen / wo er lag / damit er ruhen und schlaffen fönte / war aber kaum unter die Thür deß Zimmers kommen / als er mir Pfeiffen wolte / und solches doch nicht konte: Er rieff / aber nicht anders als Simpls: Ich sprang zu ihm / und fand ihn die Augen verkehren wie ein Viehe / das man absticht; Ich stund da vor ihm wie ein Stock­ fisch / und wüste nicht was zu thun war: er aber deutet auffs Trysor / und lallete: Br / bra / bring da das; du Schufst / la / la / lang / längs Lavor / ichm / mu / muß e / ein Fu / Fuchs schiessen! Ich eylete und brachte das Lavor-Becken / und als ich zu ihm käme / hatte er ein paar Backen wie ein Trompeter; 14 unten E4

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Er erwischte mich geschwind bey dem Arm / und accommoditte mich zu stehen / daß ich ihm das Lavor gerad vors Maul halten muste / solches brach ihme mit schmertzlichen HertzStössen ohnversehenS miss / und gösse eine solche wüste Ma­ ten in bemeldtes Lavor / daß mir vor unleidenlichem Gestand schier ohnmächtig wurde / sonderlich weil [114] mir etliche Brocken (lal. ven.) ins Gesicht spritzten: Ich hätte bey nahe auch mit gemacht / aber als ich sahe / wie er verblaichte / liesse ichs auß Forcht unterwegen / und besorgte / die Seel würde ihm sampt dem Unflat durchgehen / weil ihm der kalte Schweiß außbrach / und sein Angesicht einem Sterbenden ähnlich sahe: Ms er sich aber gleich wieder erholte / hieß er mich frisch Wasser holen / damit er seinen Weinschlauch wieder außspülete. Demnach befahl er mir den Fuchs hinweg zu tragen / wel­ cher mich / weil er in einem silbern Lavor lag / nichts verächt­ liches / sondem ein Schüssel voller Bor-Essen vor vier Mann zu sehn / bedünckt / das sich bey Leib nicht hinweg zu schütten gebührte; zu dem wüste ich wol / daß mein Herr nichts schlim­ mes in seinen Magen gesamlet / sondern herrliche und delicate Pastetlein / wie auch von allerhand Gebaches / Geflügel / Wildpret und zahmen Wehe / welches man alles noch artlich unterscheiden und kennen timte / ich schumelte mich darmit / wüste aber nicht wohin / oder was ich drauß machen solle / dorffte auch meinen Herm nicht fragen. Ich gieng zum Hof­ meister / dem wiese ich dieses schöne Tractament, und fragte / was ich mit dem Fuchs machen solle? Er antwortet / Narr gehe / und bring ihn dem Kirschner / daß er den Balg bereite; Ich fragte / wo der Kirschner sehe? Nein / antwortet er / da er mein Einfalt sahe / bring ihn dem Doctor, damit er daran sehe / was vor ein Zustand unser Herr habe: Solchen AprillenGang hätte ich gethan / wann der Hofmeister nicht was anders geförcht hätte / er hieß [115] mich derowegen den Bettel in die Küche trogen / mit Befelch / die Mägd soltens auffheben / und ein Pfeffer drüber machen / welches ich ernstlich außrichtet / und deßwegen von den Schläpp-säcken mächtig agirt worden.

ein E4 e unleidenlichen E2-4 ir crholete E4 n bedünckt E4 schlimmerS E4 2a GebachrneS E2-4 22 schümelte E4 damitE4 2? ihm den E4 2» meine E4 ihm E4 4

iS

Erstes Buch.

89

Das XXXIV. Capitel. Herr gieng eben auß / als ich meines Lavors loß worden / ich trat ihm nach gegen einem grossen Hauß zu / allwo ich im Saal Männer / Weiber und ledige Personen / so schnell untereinander herumb Haspeln sahe / daß es frey » wimmelte; die hatten ein solch Getreppel und Gejöhl / daß ich vermeynte / sie wären alle rasend worden / dann ich tonte nicht ersinnen / was sie doch mit diesem Wüten und Toben vor­ haben möchten? ja ihr Anblick kam mir so grausam / fürchterlich und schröcklich vor / daß mir alle Berg gen Haar stunden / und >o tonte nichts anders glauben / als sie mästen aller ihrer Bernunfft beraubt seyn: Da wir näher hinzu kamen / sahe ich / daß es unsere Gäst waren / welche den Vormittag noch witzig ge­ wesen; mein GOtt! gedacht ich / was haben doch diese arme Leut vor? Ach / es hat sie gewißlich eine Unsinnigkeit über- is fallen. Bald fiele mir ein / es möchten vielleicht höllische Gei­ ster seyn / welche in dieser angenommenen Weis dem gantzen menschlichen Geschlecht / durch solch leichtfertig Geläufs und Affenspiel spotteten / dann ich gedachte / hätten sie mensch­ liche Seelen und Gottes Ebenbild in sich / so thäten sie auch 20 wol nicht so unmenschlich. Als mein Herr in Hauß-ehren kam / und zum Saal eingehen [116] wolle / hörete die Wut eben aufs / ohne daß sie noch ein Kückens und duckens mit den Köpffen / und ein kratzens und Schuh-schleiffens mit den Füssen aufs dem Boden machten / daß mich deuchte / sie wolten die Fuß- rr stapffen wieder außtilgen / die sie in währender Raserey getretten; Am Schweiß / der ihnen über die Gesichter floß / und an ihrem Geschnäuff / tonte ich abnehmen / daß sie sich starck zerarbeitet hatten; aber ihre fröliche Angesichter gaben zu ver­ stehen j daß sie solche Bemühungen nicht sauer ankommen. 30 Ich hätte trefflich gern geteuft / wohin doch das närrisch Wesen gemeynt seyn möchte? fragte derowegen meinen Cameraden / und vertrauten Hertz-Bmder / der mich erst kürtzlich das Wahrsagen gelernet / was solche Wut bedeute? oder worzu dieses rasende trippen und trappen angesehen setze? 35 Der berichtet mich vor eine gründliche Warheit / daß sich die Anwesende vereinbart hätten / dem Saal den Boden mit Ge10 Vgl. 3820 so nur als Kustode E4 32 meine E2

E2-4

23 fcucfcnß] bucken-

90

Deß Abentheurl. Simplicissimi

walt einzutretten; Warumb vermeynst du wol / sagt er / daß sie sich sonst so dapffer dummlen solten? hastu nicht gesehen / wie sie die Fenster vor Kurtzweil schon außgeschlagen? eben also wird es auch diesem Boden gehen: HErr GOtt / antwortet ich / so müssen wir ja mit zu Grund gehen / und irrt hinunder fallen / sampt ihnen / Hals und Bein brechen? Ja / sagt mein Camerad / darauff ists angesehen / und da geheyen sie sich den Teuffel darumb / du wirst sehen / wann sie sich also in TodtsGefahr begeben / daß jeder ein hübsche Frau oder Jungfer erwischt / dann man sagt / es Pflege denen Paaren / so also zu­ sammen haltend fallen / nicht bald wehe zu geschehen. In dem ich dieses alles glaubte / über-[117]fiele mich eine solche Angst und Todtes-Sorg / daß ich nicht mehr wüste / wo ich bleiben solte / und als die Muficanten / deren ich bißher noch nicht wahrgenommen / noch darzu sich hören liessen / auch die Kerl den Damen zulieffen / wie die Soldaten ihrem Gewehr und Posten / wann sie die Trommel Lermen rühren hören / und jeder eine bey der Hand erdappte / wurde mir nicht anders / als wenn ich allbereit den Boden eingehen / und mich und viel andere mehr die Hals abstürtzen sähe: Da sie aber anfiengen zu gumpen / daß der gantze Bau zitterte / weil man eben ein trollichten Gassenhauer auffmachte / gedachte ich / nun ists umb dein Leben geschehen! Ich vermeynte nicht anders / als der gantze Bau würde urplötzlich einfallen; Derowegen er­ wischte ich in der allerhöchsten Angst eine Dame von hohem 9tbel und vortrefflichen Tugenden / mit welcher mein Herr eben converlitte / unversehens beym Arm wie ein Beer / und hielte sie wie eine Klett; Da sie aber zuckte / und nicht wüste / was vor närrische Grillen in meinem Kopfs steckten / spielte ich das Desperat, und fieng auß Verzweifflung an zu schreyen / als wenn man mich hätte ermorden wollen: Das war aber noch nicht genug / sondern es entwischte mir auch ohngefähr etwas in die Hosen / so einen über alle Massen üblen Geruch von sich gäbe / dergleichen meine Mse lange Zeit nicht emp­ funden. Die Muficanten wurden gähling still / die Täntzer und Täntzerin höreten miss / und die ehrliche Dam / deren ich am Arm hieng / befand sich offenditt / weil sie ihr einbildet / mein Herr hätte ihr solches zum Schimpfs thun lassen: Darauff also fehlt E4 unversehen E4 8

Todes-Gefcchr L« 12 ein E4 20 sahe E--4 hörten E4 ouff/unb] auf / E4

36

21

Erstes Buch.

91

besohl mein Herr / mich zu prügeln / und hernach ttgettb-[118] hin einzusperren / weil ich ihm denselben Tag schon mehr Possen gerissen hatte: Die Fourierschützen / so exequiten sollen / hatten nicht allein Mitleiden mit mir / sondern tonten auch vor Gestanck nicht bey mir bleiben; entübrigten mich derohalben der Stöß / und sperreten mich unter eine Stege in Gäns-stall. Seithero hab ich der Sach vielmals nachgedacht / und bin der Meynung worden / daß solche Excrementa, die einem auß Angst und Schrecken entgehen / viel üblem Geruch von sich geben / als wenn einer ein starcke Purgation eingenommen.

ENDE deß I. Buchs.

i befahl E2 *

s

10

Abentheurlicher

[119]

Simpliciffimus Teutsch: Das Zweyte Buch.

Inhalt deß II. Buch«. Das 1. Capitel.

Wie sich ein Ganser und eine Gänsin gepaart. Das 2. Capitel.

Wann trefflich Gutzu baden feye. Das 3. Capitel.

Der ander Page bekompt sein Lehrgelt / und Simplicius wird zum starrn erwehlt. Das 4. Capitel.

Vom Mann der Geld gibt / und wa« vor RriegsDiensie Simplicius der Aron Schweden geleistet / wordurch er den Nahmen Simpliciffimus bekommen. Das 5. Capitel.

Simplicius wird von 4. Trüffeln in die »5öU ge­

führt / und mit Spanischem Wein ttaetirt. [120]

Das 6. Capitel.

Simplicius kompt in Fimmel / und wird in ein

Ralb verwandelt. Das 7. Capitel.

Wie sich Simplicius in diesen bestialischen Stand geschickt. sey E4

12

Narren E4 19 Spanischen EM

Inhalt deß Zweyten Buchs.

93

Das 8. Capitel.

Redet von ErUcher wunderbarlichem Gedächrnus / und von Anderer Vergessenheit. Das 9. Capitel.

Ein überzwerches Lob einer schönen Damen. Das 10. Capitel.

Redet von lauter Helden und nahmhafften Rünstlern. Das 11. Capitel.

Von dem müheseeligen und gefährlichen Stand eine» Regenten. Das 12. Capitel.

Von Verstand und Wissenschafft etlicher unvernünfftigen Thier. Das 13. Capitel.

Hält allerley Sachen in sich / wer sie wissen will / muß es nur selbst lesen / oder ihm lesen lassen. Das 14. Capitel.

W« muffe E2-4 is wurden E4 deöhalben E4 32 meiner E2-4 Satürnische E4 36 ein] einen E4 Cammerrathen E4 4

23

102

Deß Abentheurl. Simplicissmii

wanne spannen / und allerdings karbäitschen liesse / wie man mirs den vorigen Tag gemacht / als ich die Kunst probirt / und falsch befunden hatte. Mein Herr hatte nunmehr genug Nachricht von meiner Ein­ falt / wolte mich derowegen stimmen / ihm [131] und seinen Gästen mehr Lust zu machen / er sahe wol / daß die Muficanten nichts galten / so lang man mich unterhanden haben würde / denn ich bedünckte mit meinen närrischen Einfällen jederman über 17. Lauten zu seyn. Er ftagte / warumb ich die Thür an dem Gänsstall zerschnitten hätte? Ich antwortet / das mag jemand anders gethan haben; Er fragte / wer dann? Ich sagte / vielleicht der so zu mir kommen; Wer ist denn zu dir kommen? Ich antwortet / das darff ich niemand sagen; Mein Herr war ein geschwinder Kopfs / und sahe wol wie man mir lausen muste / derowegen übereylt er mich / und fragte / wer mir solches dann verbotten hätte? Ich antwortet gleich / der dolle Fähnrich; und demnach ich an jedermans Gelächter meldete / daß ich mich gewaltig Verhauen haben müste / der dolle Fähnrich / so mit am Tisch fasse / auch so roth wurde / wie ein glühende Kohl; als wolte ich nichts mehr schwätzen / es würde mir denn von demselben erlaubt. Es war aber nur umb einen Wund zu thun / den mein Herr dem dollen Fähn­ rich an statt eines Befehls gab / da dorfft ich reden was ich wüste. Darauff fragte mich mein Herr / was der dolle Fähn­ rich bey mir im Gäns-Stall zu thun gehabt? ich antwortet / er brachte eine Jungfer zu mir hinein: Was thät er aber wei­ ters? sagte mein Herr / Ich antwortet / mich deuchte / er wolte im Stall sein Wasser abgeschlagen haben. Mein Herr fragte / was thät aber die Jungfer darbey / schämte sie sich nicht? Ja wol nein Herr! sagte ich / sie hub den Rod aufs / und wolte darzu (mein hochgeehrter / Zucht- Ehr- und Tugendliebender Leser verzeyhe meiner unhöflichen Feder / daß sie alles so [132] grob schreibt / als ichs damals vorbrachte) scheissen. Hierüber erhub sich bey allen Anwesenden ein solch Gelächter / daß mich mein Herr nicht mehr hören / geschweige etwas weiters fragen konte / und zwar war es auch nicht weiters vonnöten / man hätte dann die ehrliche fromme Jungfer Icil. auch in Spott bringen wollen. 4 nurmehr E2 so nein) mein E2-4 ss gschweige E4

Zweytes Buch.

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Hierauff erzehlte der Hofmeister vor der Tafel / daß ich neu­ lich vomBollwerck oder Wall heim kommen / und gesagt: Ich wüste wo der Donner und Blitz herkäme / ich hätte grosse Plöcher miss halben Wägen gesehen / die inwendig hol ge­ wesen / in dieselbe hätte man Zwibelsaamen sampt einer eisernen weissen Rüben / deren der Schwantz abgeschnitten / gestopfft / hernach die Plöcher hinden her ein wenig mit einem zinckigten Spieß gekützelt / darvon wäre dornen herauß Dampfs / Donner und höllisch Feuer geschlagen. Sie brachten noch mehr dergleichen Posten miss die Bahn / also daß man schier denselben gantzen Imbiß von sonst nichts / als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. Solches verursachte einen allgemeinen Schluß zu meinem Untergang / welcher war / daß man mich dapffer agilen sötte / so würde ich mit der Zeit einen raren Tischrath abgeben / mit dem man auch den grösten Potentaten von der Welt verehren / und die Sterbende zu lachen machen könte. Das IV. Capitel.

$Ä*3e man nun also schlampamte / und wieder wie gester gut Geschirr machen wolte / meldet die Wacht mit Einhändi­ gung eines Schreibens an ben[133] Gouverneur, einen Commissarium an / der vor dem Thor sehe / welcher von der Krön Schweden Kriegs-Räthen abgeordnet war / die Guarnifon zu mustern / und die Bestung zu vifithm Solches ver­ suchte allen Spaß / und alles Freuden-Gelach verkümmerte wie ein Sackpfeiffen-Zipffel / dem der Plast entgangen: Die Mulicanten und die Gäst zerstoben wie Toback-Rauch verschwindet / der nur den Geruch hinder sich last; mein Herr trollte selbst mit dem Adjutanten / der die Schlüssel trug / sampt einem Außschuß von der Hauptwacht und vielen Windliechtern / dem 23)ot zu / den Plackschmeisser / wie er ihn nennete / selbst einzulassen: Er wünschte / daß ihm der Teuffel den Hals in tausend Stück brechen / ehe er in die Bestung käme! So bald er ihn aber eingelassen / und miss der innern Fallbrücken bewillkommte / fehlte wenig oder gar nichts / daß er ihm nicht selbst an Stegräiff griff / seine Devotion gegen ihm zu bezeugen / ja die Ehrerbietung wurde augenblicklich zwi8 zincktigten E2 io Posten E1-2-4 21 dem E2 4 24 Bestung zu] Bestung E2 4 25 verkümmerte E4 27 zerstorben E2 4 29 tollte E2 4 30 einen E2 4 Ausschluß E4 83 Stücken E4 37 augenblücklich E2 2

Wall bettn] Wallheim E2-4*

vielleicht: Posten (vgl. Schölte)

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Deß Abentheurl. Simplioiöimi

schen beyden so groß / daß der Commilfarius abstieg / und zu Fuß mit meinem Herrn gegen seinem Losament fort wanderte / da wolte jeder die linde Hand haben / rc. Ach! gedachte ich / was vor ein Wunder-falscher Geist regiert doch die Menschen / in dem er je den einen durch den andern zum Narren macht. Wir näherten also der Haupt-Wacht / und die Schildwacht rnffte ihr Wer da? wiewol sie sahe / daß es mein Herr war; Dieser wolte nicht antworten / sondern jenem die Ehr lassen / daher stellte sich die Schildwacht mit Mderholung ihres Ge­ schreys desto hefftiger: Endlich antwortet er miss das letztere Wer da? Der Mann bete Geld gibt I Wie wir nun bey der Schild-s134)wacht vorbey passirten / und ich so hinden nach zog / hörete ich ermeldte Schildwacht / die ein neugeworbener Soldat / und zuvor ihres Handwerds ein wolhäbiger junger Bauresmann aufs betn Vogelsberg gewest war / diese Wort brumlen: Du magst wol ein verlogener Kund seyn; ein Mann ders Geld gibt! Ein Schindhund bere Gelb nimmt! das bist du; So viel Gelds hast» mir abgeschweift / daß ich wolte / der Hagel erschlüg dich / ehe du wieder auß der Statt kämest. Von dieser Stund an faßte ich die Gedanden / dieser fremde Herr im sammeten Mutzen müsse ein heiliger Mann seyn / weil nicht allein keine Flüch an ihm haffteten / sondern dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehr / alles Liebs und alles Gutes erwiesen / er wurde noch dieselbe Nacht Fürstlich tractkt / blind voll gesoffen / und noch darzu in ein herrlich Bett gelegt. Folgende Täge giengs bey der Musterung bund über Ed her / ich einfältiger Tropfs war selbst geschidt genug / den klu­ gen Commlssarium (zu welchen Aemptern und Verrichtungen man Warlich keine Kinder nimmt) zu betrügen / welches ich eher als in einer Stund lernete / weil die gantze Kunst nur in 5. und 9. bestünde / selbige aufs einer Trommel zu schlagen / weil ich noch zu klein war / einen Mußquetierer zu prsesentiien; man staffirte mich zu solchem End mit einem entlehnten Kleid / und auch mit einer entlehnten Trommel / (denn meine geschürtzte Page-Hosen taugten nichts zum Handel) ohne Zweiffel darumb / weil ich selbst entlehnt war / damit passirte ich glüdlich durch die Mustemng: Demnach man aber meiner 4 Wunderefalscher ES wundererfalscher E4 7 Heer E4 s son­ der E8 jenen E2-4 u ein fehlt E2-4 i» Bauersmann E4 is Gelb E4 22 hasteten E1 23 Liebes E4 34 stafflet«) straffte E"

Zweytes Buch.

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Einfalt nicht zugetraute / ein frembden [135] Nahmen im Sinn zu behalten / aufs welchen ich antworten und hervor ketten solle / muste ich der Simplicius verbleiben / den Zu­ nahmen ersetzte der Gouverneur selbsten / und liesse mich Simplicius Simplicilsimus in die Roll schreiben / mich also wie ein Hurenkind zum ersten meines Geschlechts zu machen / wiewol ich seiner eigenen Schwester / seiner selbst-Bekantnus nach / ähnlich sahe. Ich behielt auch nachgehends diesen Nahmen und Zunahmen / biß ich den rechten erfuhr / und spielte unter solchem meine Person zu Nutz deß Gouverneurs, und geringen Schad der Krön Schweden zimlich wol / welches denn alle meine Kriegs-Dienste seyn / die ich derselben mein Lebtag geleistet / derowegen dann ihre Feinde mich deßwegen zu neiden kein Ursach haben.

Das V. Capitel. 9125 der CommiTsarius wieder hinweg war / liesse vielgemeldter Pfarrer mich heimlich zu sich in sein Losament kommen / und sagte: 6 Simplici, deine Jugend bautet mich / und deine künsftige Unglückseeligkeit bewegt mich zum Mit­ leiden; Höre mein Kind / und wisse gewiß / daß dein Herr dich aller Vernunfft zu berauben / und zum Narren zu machen ent­ schlossen / Massen er zu solchem End bereits ein Kleid vor dich verfertigen last / morgen must du in die jenige Schul / darinn du deine Vemunfft verlemen solt; in der selben wird man dich ohne Zweiffel so greulich killen / daß du / wenn anders GOtt und natürliche Mittel solches nicht verhindern / ohne Zweiffel zu einem Phantasten werden must. Weil aber solches ein miß­ lich und sorglich Handwerck ist / als hab ich [136] umb deines Einsidlers Frommkeit / und umb deiner eigenen Unschuld willen / auß getreuer Christlicher Liebe / dir mit Rath und nothwendigen guten Mitteln beyspringen / und gegenwärtige Artzney zustellen wollen; Darumb folge nun meiner Lehr / und nimm dieses Pulver ein / welches dir das Him und Gedächtnus dermassen stärcken wird / daß du unverletzt deines Verstands alles leicht überwinden magst: Auch hastu hierbey einen Balsam / damit schmiere die Schläff / den Würbe! / 27

muß E4

33

Gedächtnüß E4

38

Wirbel E4

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Deß Abentheurl. Simplicislimi

und das Knick sampt den Naslöchern / und diese beyde Stück brauche miss den Abend / wenn du schlaffen gehest / sintemal du keine Stund sicher seyn wirst / daß du nicht auß dem Bett abgeholet werdest / aber sehe zu / daß niemand dieser meiner Warnung und mitgetheilten Artzney gewahr werde / es möchte sonst dir und mir übel außschlagen / und wenn man dich in dieser verfluchten Cur haben wird / so achte und glaube nicht alles / was man dich überreden will / und stelle dich doch / als wenn du alles glaubtest / rede wenig / damit deine Zu­ geordnete nicht an dir meiden [ daß sie läer Stroh dreschen / sonsten werden sich deine Plagen verändern / wiewol ich nit wissen kan / miss was Weis sie mit dir umgehen werden; Wenn du aber den Strauß und das Narren-Kleid anhaben wirst / so komm wieder zu mir / damit ich deiner mit fernerm Rath pflegen möge. Indessen will ich Gott vor dich bitten / daß er deinen Verstand und Gesundheit erhalten wolle: Hier­ auf stellt er mir gemeldtes Pulver und Sälblein zu / und

ich wandert damit wieder nach .vauß. Wie der Pfarrer gesagt hatte / also giengs; Im ersten Schlaff kamen vier Kerl in schröcklichen Teuf-s137Ms-Larven vermummt / zu mir ins Zimmer vors Bett / die sprangen herumb wie Gauckler und Faßnachts-Narren / einer hatte einen glüenden Hacken / und der ander eine Fackel in Händen / die andere zween aber wischten über mich her / zogen mich auß dem Bett / tantzten ein Weil mit mir hin und her / und zwan­ gen mir meine Kleider an Leib / ich aber stellte mich / als wenn ich sie vor rechte natürliche Teuffel gehalten hätte / verführte ein jämmerliches Zettergeschrey / und liesse die aller-forchtsamste Geberden erscheinen; aber sie verkündigten mir / daß ich mit ihnen fort müste / hierauff verbanden sie mir den Kopfs mit einer Handzwell/ daß ich weder hören / sehen noch schreyen timte: Sie führten mich unterschiedliche Umbweg / viel Stegen miss und ab / und endlich in einen Keller / darinn ein grosses Feuer braune / und nachdeme sie mir die Handzwell wieder abgebunden / fiengen sie an mir in Spanischem Wein und Mal­ vasier zuzuttincken. Sie hatten mich gut überreden / ich wäre gestorben / und nunmehr im Abgrund der Höllen / weil ich mich mit Fleiß also stellete / als wenn ich alles glaubte / was 5

mochte E2 18 ich fehlt E1-2-4 Spannischen E4

35

32 Stiegen E2 4

35 m] ein E4

Zweytes Buch.

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sie mir vor logen: Sauffe nur dapffer zu / sagten sie / weil du doch ewig bey uns bleiben must / wilstu aber nicht ein gut Ge­ sell seyn / und mit machen / so mustu in gegenwärtiges Feur: Die arme Teuffel wollen ihre Sprach und Stimm verquanten / damit ich sie nicht kennen solle / ich merckte aber gleich / daß es meines Herrn Fourierschützen waren / doch ließ ichs mich nicht meiden / sondern lachte in die Faust / daß diese / so mich zum Narren machen sotten / meine Narren seyn musten. Ich tranck meinen Theil mit vom Spanischen Wein / sie aber soffen [138] mehr als ich / weil solcher himmlische Nectar selten an solche Gesellen kompt / Massen ich noch schwören dörffte / daß sie eher voll worden / als ich; Da michs aber Zeit zu seyn bebtindte / stellte ich mich mit hin und her dorckeln / wie ichs neulich an meines Herrn Gästen gesehen hatte; und wolle endlich gar nicht mehr sauffen / sondern schlaffen / hingegen jagten und stiessen sie mich mit ihrem Hacken / den sie allezeit im Feuer ligen hatten / in allen Ecken deß Kellers hemm / daß es sahe / als ob sie selbst närrisch worden wären / entweder daß ich mehr trincken / oder auffs wenigste nicht schlaffen solle / und wenn ich in solcher Hatz nider fiele / wie ich denn offt mit Fleiß thät / so packten sie mich wieder aufs / und stellten sich / als wann sie mich ins Feuer werffen wollen: Also gieng mirs wie einem Falcken dem man wacht / welches mein grosses Creutz war. Ich hätte sie zwar Tmnckenheit und Schlaffs halber wol außgedauret / aber sie verblieben nicht allweg beyeinander / sondern lösten sich untereinander ab / darumb hätte ich zuletzt den Kürtzern ziehen müssen: Drey Täg und zwo Rächt hab ich in diesem raucherichten Keller zubracht / welcher kein ander Liecht hatte / als was das Feur von sich gab / der Kopfs fieng mir dahero an zu brausen und zu wüten / als ob er zerreißen wolle / daß ich endlich einen Fund ersinnen muste / mich meiner Qual sampt den Peinigem zu entledigen / ich machte es wie der Fuchs / welcher den Hunden ins Gesicht harnt / wenn er ihnen nicht mehr zu entrinnen getraut / dann weil mich eben die Natur triebe / meine Notdurfft (I. v.) zu thun / bewegte ich mich zugleich mit einem Finger im Hals zum Unwillen / dergestalt / daß ich mit einem [139] unleidenlichen Gestanck die Zech be-

20 Haß FM

24

sie fehlt E2-4

29

zugebracht L"

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

zahlte / also daß auch meine Teuffel selbst schier nicht mehr bey mir bleiben tonten; damals legten sie mich in ein Lehlach / und zerplatzten mich so unbarmhertzig / daß mir alle innerliche Glieder sampt der Seelen herauß hätten fahren mögen. Worvon ich dermassen auß mir selber kam / und deß Gebrauchs meiner Sinnen beraubt wurde / daß ich gleichsam wie todt da lag / ich weiß auch nicht was sie ferners mit mir gemacht haben / so gar war ich allerdings dahin.

Das VI. Capitel. 2s Ls ich wieder zu mir selber kam / befand ich mich nicht mehr in dem öden Keller bey den Teuffeln / sondern in einem schönen Saal / unter den Händen dreyer der allergarstigsten alten Weiber / so der Erdboden je getragen; ich hielte sie an­ fänglich / als ich die Augen ein wenig öffnete / vor natürliche höllische Geister / hätte ich aber die alte Heydnische Poeten schon gelesen gehabt / so hätte ich sie vor die Eumcnides, oder wenigst die eine eigentlich vor die Thifiphone gehalten / welche mich wie den Athamantem meiner Sinn zu berauben / auß der Höllen ankommen wäre / weil ich zuvor wol wüste / daß ich darumb da war / zum Narren zu werden: Diese hatte ein paar Augen wie zween Irrwisch / und zwischen denselben eine lange magere Habichs-Nas / deren Ende oder Spitz die undere Lefftzen allerdings erreichte / nur zween Zähn sahe ich in ihrem Maul / sie waren aber so vollkommen lang / rund und dick / daß sich jeder bey nahe der Gestalt nach mit dem Goldfinger / der Färb nach aber sich mit dem Gold selbst hätte vergleichen [140] lassen; In Summa / es war Gebeins genug vorhanden zu einem gantzen Maul voll Zähn / es war aber gar übel außgetheilt / ihr Angesicht sahe wie Spanisch Leder / und ihre weisse Haar hiengen ihr feltzam zerstrobelt umb den Kopfs hemmb / weil man sie erst auß dem Bett geholt hatte; ihre lange Brüst weiß ich nichts anders zu vergleichen / als zweyen lummerichten Küh-Blasen / denen zwey Drittel vom Blast entgangen / unben hienge an jeder ein schwartz-brauner Zapff halb Fingers lang; Warhafftig ein erschröcklicher Anblick / der zu nichts anders / als vor eine treffliche Artzney

s

83 32

untere E4 28 einen E2 29 sahe] solche E2-4 ihr E2-4 nicht E2 4 34 Blast E2-4 unten E4

wie] mit E4

Zweytes Buch.

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wider die unsinnige Liebe der gailen Böck hätte dienen mögen / die andere zwo waren gar nicht schöner / ohne daß dieselbe stumpffe Affen-Näslein / und ihre Kleider etwas ordentlicher angethan hatten: Ms ich mich besser erkoberte / sahe ich / daß die eine unser Schüsselwäscherin / die andere zwo aber zweyer Fourierschützen Weiber waren. Ich stellte mich / als wenn ich mich nicht zu regen vermochte / wie mich dann in Warheit auch nicht tantzerte / als diese ehrliche alte Mütterlein mich splitter­ nackend außzogen / und von allem Unrath wie ein junges Kind säuberten: Doch thät mir solches trefflich fmisst / sie be­ zeugten unter währender Arbeit ein grosse Gedult und treff­ liches Mitleiden / also daß ich ihnen bey nahe offenbart hätte / wie wol mein Handel noch stünde; doch gedacht ich / Nein Simplici! vertraue keinem alten Weib / sondern gebende / du habest Victori genug / wenn du in deiner Jugend drey abgefäumte alte Vetteln / mit denen man den Teuffel im weiten Feld fangen möchte / betrügen fernst; du fernst auß dieser Occafion Hoffnung schöpffen / im [141] Alter mehrers zu leisten. Da sie nun mit mir fertig waren / legten sie mich in ein köstlich Bett / darinnen ich ohngewieget entschlieff / sie aber giengen / und namen ihre Kübel und andere Sachen / damit sie mich gewaschen hatten / sampt meinen Kleidern und allen Unflat mit sich hinweg. Meines Davorhaltens schlieffe ich diesen Satz länger als 24. Stund / und da ich wieder erwachte / stunden zween schöne geflügelte Knaben vorm Bett / welche mit weissen Hemdern / daffeten Binden / Perlen / Cleinodien / güldenen Jetten und andern scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren: Einer hatte ein verguldtes Lavor voller Hippen / Zuckerbrot / Marzeban und ander Confect, der ander aber einen vergüldten Becher in Handen; Diese als Engel / davor sie sich außgaben / wollen mich bereden / daß ich nun­ mehr im Himmel sey / weil ich das Fegfeuer so glücklich über­ standen / und dem Teuffel sampt seiner Mutter entgangen / derohalben solle ich nur begehren / was mein Hertz wünschte / sintemal alles / was mir nur beliebte / genug vorhanden wäre / oder doch sonst herbey zu schaffen / in ihrer Macht stünde. Mich quälte der Durst / und weil ich den Becher vor mir sahe / verlangte ich nur den Tmnck / der mir auch mehr als gutwillig 2 ander E2 * andre E4 5 unsre E4 9 allen E2-4 io säuberten E2 4 12 offenbahret hatte E4 u altem E2 4 10 abgesäumte E2 4 in E2 4 23 Darvorhaltens E2 29 der anders der andre E4 30 Händen E4 31 darvor E2

110

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geraicht wurde; Solches war aber kein Wein / sondern ein lieblicher Schlafftrunck / welchen ich ohnabgesetzt zu mir nam / und davon wieder entschlieff / so bald er bey mir erwärmt. Den andem Tag erwachte ich wiedemmb / (dann sonst schlieffe ich noch) befand mich aber nicht mehr im Bett / noch in vorigem Saal / sondern in meinem alten Gäns-Kercker / da war abermal eine greuliche [142] Finsternus wie in vorigem Keller / und über das hatte ich ein Kleid an von Kalb-Fellen / daran das rauhe Theil auch außwendig gekehrt war / die Hosen waren aufs Polnisch oder Schwäbisch / und das Wambs noch wol aufs ein närrischere Manier gemacht / oben am Hals stunde eine Kappe wie ein Mönchs-gugel / die war mir über den Kopfs gestreifft / und mit einem schönen paar grosser EselsOhren geziert. Ich muste meines Unsterns selbst lachen / weil ich beydes am Nest und den gebetn sahe / was ich vor ein Vogel seyn solte: Damals fieng ich erst an / in mich selbst zu gehen / und aufs mein Bestes zu gebenden. Ich setzte mir vor / mich aufs das närrischte zu stellen / als mir immer möglich seyn möchte / und darneben mit Gedult zu erharren / wie sich mein Verhängnus weiters anlassen würde.

Das VII. Capitel. MErmittelst deß Lochs / so der dolle Fähnrich hiebevor in die Thür geschnitten / hätte ich mich wol erledigen können / weil ich aber ein Narr seyn solte / ließ ichs bleiben / und that nicht allein wie ein Narr / der nicht so witzig ist / von sich selbst herauß zu gehen / sondern stellte mich gar wie ein hungerig Kalb / das sich nach seiner Mutter sehnet / mein Geplerr wurde auch bald von den jenigen gehört / die darzu bestellt waren; Massen zween Soldaten vor den Gänsstall kamen / und fragten/ wer darinnen wäre? Ich antwortet / Ihr Narren / hört ihr denn nicht / daß ein Kalb da ist! Sie machten den Stall aufs / namen mich herauß / und verwunderten sich / daß ein Kalb solte reden können! Welches ihnen anstunde / wie die [143] ge­ zwungene Actionen eines neu-geworbenen ungeschickten Comcedianten / der die Person / die er verketten soll / nicht wol agiren kan / also daß ich offt meynte / ich müste ihnen e noch in] noch im E2-4 7 Finsternüß E4 e auch] noch E2-4 ii oben] aber E4 is den fehlt E4 ie erst recht E4 i» mochte E4 26 selber E4 33 die fehlt E4 3« muste E4

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selbst zum Possen helsfen: Sie berathschlagten sich / was sie mit mir machen wollen / und wurden eins / mich dem Gu­ bernator zu verehren / als welcher ihnen / weil ich reden läute / mehr schencken würde / als ihnen der Metzger vor mich bezahlte. Sie fragten mich / wie mein Handel stünde? Ich antwortet / liederlich genug; Sie fragten / Warumb? Ich sagte / darumb / dieweil hier der Brauch ist / redliche Kälber in Gänsstall zu sperren: Ihr Kerl müst wissen / dafern man will / daß ein rechtschaffener Ochs auß mir werden soll / daß man mich auch auffziehen muß / wie einem ehrlichen Stier zu­ stehet. Nach solchem kurtzen Diseurs führeten sie mich über die Gaß gegen deß Gouverneurs Quartier zu / uns folgte eine grosse Schaar Buben nach / und weil dieselbe eben so wol als ich das Kälber-geschrey schryen / hätte ein Blinder auß dem Gehör urtheilen mögen / man triebe ein Heerd Kälber daher / aber dem Gesicht nach sahe es einem Haussen so junger als alter Narren gleich. Also wurde ich von den beyden Soldaten dem Gouverneur praefentirt / gleichsam als ob sie mich erst aufs Partey er­ beutet hätten / dieselbe beschenckte er mit einem Trinckgelt / mir selbst aber versprach er die beste Sach / so ich bey ihm haben solte: Ich gedachte wie deß Goldschmids Jung / und sagte: Wol Herr / man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren / dann wir Kälber können solches nicht erdulden / wann wir anders wachsen / und zu einem Stück Haupt-Biehe [144] werden sollen. Der Gouverneur vertröstete mich eines bessern / und dünckte sich gar gescheid seyn / daß er einen solchen visierlichen Narren auß mir gemacht hätte; hingegen gedacht ich / Harre mein lieber Herr / ich hab die Prob deß Feuers überstanden / und bin darinn gehärtet worden; jetzt wollen wir probiren / welcher den andern am besten agiren wird können. In dem trieb ein geflehnter Baur sein Vieh zur Träncke / so bald ich das sahe / verließ ich den Gouverneur, und eylete mit einem Kälber-Geplerr den Kühen zu / gleichsam als ob ich an ihnen saugen wolte / diese / als ich zu ihnen kam / entsetzten sich ärger vor mir / als vor einem Wolfs / wiewol ich ihrer Art Haar trug / ja sie wurden so schellig / und zerstoben dermassen voneinander / als wenn im Augufto ein Nest voll ii über] auf E4 dulten E4

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Hornussen unter sie gelassen worden wäre; also daß sie ihr Herr an selbigem Ort nicht mehr zusammen bringen tonte / welches ein örtlichen Spaß abgäbe. In einem Huy war ein Haussen Volck beyeinander / das der Gauckelfuhr zusähe / und als mein Herr lachte / daß er hätte zerbersten mögen / sagte er endlich / ein Narr macht ihrer hundert; Ich aber gedachte / und eben du bist der jenige / dem du jetzt wahr sagest. Gleich wie mich nun jederman von selbiger Zeit an das Kalb «erntete / also «erntete ich hingegen auch einen jeden mit einem besonderen spöttischen Nach-Nahmen / dieselbe fielen mehren» theils der Leut / und sonderlich meines Herrn Bedüncken nach gar Sinnreich / dann ich tauffte jedwedem nachdem seine Qualitäten erforderten. Summariter davon zu reden / so schätzte mich männiglich vor einen ohnweisen Thoren / und ich hielte jeglichen vor einen gescheiden [145] Narrn. Dieser Ge­ brauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich / Massen ein jeder mit seiner Witz zu frieden / und sich einbildet / er sey der Gescheideste unter allen. Obige Kurtzweil / die ich mit deß Bauren Rindem anstellete / machte uns den kurtzen Vormittag noch kürtzer / denn es war damals eben umb die Winterliche Sonnenwende: Bey der Mittags-Mahlzeit wartete ich aufs wie zuvor / brachte aber benebens seltzame Sachen aufs die Bahn / und als ich essen solle / tonte niemand einige menschliche Speiß oder Tranck in mich bringen / ich wolte turtzum nur Gras haben / so damals zu betommen ohnmüglich war. Mein Herr liesse ein paar frische Kalb-Fell von den Metzgem holen / und solche zweyen Keinen Knaben über die Köpff straiffen: Diese setzte er zu mir an den Tisch / tractirte uns in der ersten Tracht mit WinterSalat / und hieß uns wacker zuhauen / auch liesse er ein lebendig Kalb hinbringen / und mit Srltz zum Salat ansrischen. Ich sahe so starr darein / als wenn ich mich darüber verwunderte / aber der Umbstand vermahnete mich mit zu machen; Ja wol sagten sie / wie sie mich so taltsinnig sahen / es ist nichts neues / wenn Kälber Fleisch / Fisch / Käß / Butter und anders fressen: Was? sie sauffen auch zu Zeiten ein guten Rausch! die Bestien wissen nunmehr wol / was gut ist; ja / sagten sie ferner / es ist heutiges Tags so weit tommen / daß sich nunmehr ein geringer i boj) sie] ba| E4 5 Heer E* unmöglich E4 36 einen E4

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Unterscheid zwischen ihnen und den Menschen befindet / wollest du dann allein nicht mit machen? Dieses liesse ich mich umb so viel desto ehender überreden / weil mich hungerte / und nicht darumb / [146] daß ich hiebevor schon selbst gesehen / wie theils Menschen säuischer als Schwein/ grimmiger als Löwen / gäiler als Böck / neidiger als Hund / unbändiger als Pferd / gröber als Esel / versoffener alsRinder/ listiger als Füchs / gefrässiger als Wölfs / närrischer als Affen / und gifftiger als Schlangen und Krotten waren / welche dannoch allesampt menschlicher Nahmng genossen / und nur durch die Gestalt von den Thieren unterschieden waren / zumalen auch die Unschuld eines Kalbs bey weitem nicht hatten. Ich fütterte mit meinen Mit-Kälbern / wie solches mein Appetit erforderte / und wann ein Fremder uns ohnversehens also beyeinander zu Tisch hätte sitzen sehen / so hätte er sich ohne Zweiffel eingebildet / die alte Circe wäre wieder ausser» standen / auß Menschen Thier zu machen / welche Kunst da­ mals mein Herr konte und practicitte. Eben aufs den Schlag / wie ich die Mittags-Mahlzeit vollbrachte / also wurde ich auch aufs den Nacht-Jmbis tractirt; Und gleich wie meine MitEsser oder Schmarotzer mit mir zehrten / damit ich auch zehren solle / also musten sie auch mit mir zu Bett / wann mein Herr anders nicht zugeben wolte / daß ich im Kühestall über Nacht schlieffe; und das thät ich darumb / damit ich die jenige auch genug narrete / die mich zum Narren zu haben vermeynten: Und machte diesen Vesten Schluß / daß der grundgütige GOtt einem jeden Menschen in seinem Stand / zu welchem er ihn beruffen / so viel Witz gebe und verleyhe / als er zu seiner selbst» Erhaltung Vonnöthen / auch daß sich dannenhero / Doctor hin oder Doctor her / viel vergeblich einbilden / sie seyen allein [147] witzig / und Hans in allen Gassen / dann hinder den Bergen wohnen auch Leut.

Das VIII. Capitel. QfüDZ Morgen als ich erwachte / waren meine beyde bet« ** kälberte Schlafs-Gesellen schon fort / derowegen stunde ich auch aufs / und schliche / als der Adjutant die Schlüssel holete / die Statt zu öffnen / auß dem Hauß zu meinem Pfar-

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rer / demselben erzehlte ich alles / wie mirs so wol im Himmel als in der Höll ergangen. Und wie er sahe / daß ich mir ein Gewissen machte / weil ich so viel Leut / und sonderlich meinen Herrn betröge / wenn ich mich närrisch stellete / sagte er: Hierumb darffst du dich nicht bekümmern / die närrische Welt will betrogen seyn / hat man dir deine Witz noch übrig gelassen / so gebrauche dich derselben zu deinem Vortheil / bilde dir ein / als ob du gleich dem Phoenix, vom Unverstand zum Verstand durchs Feuer / und also zu einem neuen menschlichen Leben auch neu geboren worden seyest: Doch wisse dabey / daß du noch nicht über den Graben / sondern mit Gefahr deiner Vernunfft in diese Narren-Kappe geschloffen bist / die Zeiten seyn so wunderlich / daß niemand wissen kan / ob du ohne Verlust deines Lebens wieder herauß kommest / man kan geschwind in die Höll rennen / aber wieder herauß zu entrinnen / wirds Schnauffens und Bartwischens brauchen / du bist bey weitem noch nicht so gemannet / deiner bevorstehenden Gefahr zu ent­ gehen / wie du dir wol einbilden möchtest / darumb wird dir mehr Vorsichtigkeit und Verstand vonnöthen seyn / als zu der Zeit / da du noch nicht wüstest / was Verstand oder Unverstand war / [148] bleibe demütig / und erwarte der künfftigen Ver­ änderung. Sein Diseurs war vorsetzlich so variabel, dann ich bilde mir ein / er habe mir an der Stirn gelesen / daß ich mich groß zu seyn bedünckte / weil ich mit so meisterlichem Betrug und feiner Kunst durch geschloffen; und ich muthmassete hingegen auß seinem Angesicht / daß er unwillig / und meiner überdrüssig worden / dann seine Minen gabens / und was hatte er von mir? Derowegen verändert ich auch meine Reden / und wüste ihm grossen Danck vor die herrliche Mittel / die er mir zu Er­ haltung meines Verstands mitgetheilt hatte / ja ich thät unmügliche Promesfen, alles / wie meine Schuldigkeit erfordere / wieder danckbarlich zu verschulden: Solches kützelte ihn / und brachte ihn auch wieder miss einen andern Laun / dann er rühmte gleich darauff seine Artzney trefflich / und erzehlte mir / daß Simonides Melicus eine Kunst auffgebracht / die Metrodorus Sceptius nicht ohne grosse Mühe perfectionirt hätte / vermittelst deren er die Menschen lehren 7 deinen E2-4 is Hölle E4 E1-2*4 87 Metrodorius E2-4

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können / daß sie alles / was sie einmal gehöret oder gelesen / bey einem Wort nach-reden mögen / und solches wäre / sagte er / ohne Haupt-stärckende Artzneyen/deren er mir mitgetheilt/ nicht zugangen! Ja / gedachte ich / mein lieber Herr Pfarrer / ich habe in deinen eigenen Büchern bey meinem Einsidel viel anders gelesen / worinnen Sceptii Gedächtnus-Gunst be­ stehet / doch war ich so schlau / daß ich nichts sagte / dann wann ich die Warheit bekennen soll / so bin ich / als ich zum Narren werden solte / allererst witzig / und in meinen Reden behut­ samer worden. Er der Pfarrer fuhr fort / und sagte mir / [149] wie Cyrus einem jeden von seinen 30000. Soldaten mit seinem rechten Nahmen hätte ruffen / Lucius Scipio alle Bürger zu Rom bey den ihrigen nennen / und Cyneas Pyrrhi Gesandter / gleich den andern Tag hernach / als er gen Rom kommen / aller Rahtsherren und Edelleute Nahmen daselbst / ordentlich her sagen können. Mithridates der König in Ponto und Bithynia / sagte er / hatte Völcker von 22. Sprachen unter ihm / denen er allen in ihrer Zungen Recht sprechen / und mit einem jeden insonderheit / wie Sabell. lib. 10. cap. 9.schreibet / reden konte. Der gelehrte Griech Charmides sagte einem außwendig / was einer auß den Büchern wissen wolte / die in der gantzen Liberey lagen / wenn er sie schon nur einmal überlesen hatte. Lucius Seneca konte 2000. Nahmen Herwider sagen / wie sie ihm vorgesprochen worden / und wie Ravifius meldet / 200. Vers von 200. Schülern geredet / vom letzten an biß zum ersten / hinwiederumb erzehlen. Eßdras / wie Euseb. lib. temp. fulg. lib. 8. cap. 7. schreibet / konte die fünff Bücher Moysis außwendig / und selbige von Wort zu Wort den Schreibertt in die Feder dictiren. Themistocles lernete die Persische Sprach in einem Jahr. Crassus konte in Afia die fünff unterschiedliche Dialectos der Griechischen Sprach außreden / und seinen Untergebenen darinn Recht sprechen. Julius Caesar läse / dictirte / und gab zugleich Audienz. Von ^Elio Hadrianö, Portio Latrone, den Römern und andern will ich nichts melden / sondern nur von dem heiligen Hieronymo sagen / daß er Hebräisch / Chaldaisch / Griechisch / Persisch / Medisch / Arabisch und Lateinisch gekönt. Der Ein­ sidel Antonius konte die gantze Bibel nur vom hören [150] i gehört Ei4 * 3* Artzeneyen E4 6 Gedächtnus-Ounst — GedächtrmsKunst ii Cyluö E4 13 Pyrthi E 2 4 16 ordenlich E2 20 Geriech E2 Charmidas E2 4 23 Luceius E2 4 25 200. 93er6] 100. Verö E4 27 lib. fehlt E4 34 portio E2 4

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lesen / außwendig. So schreibt auch Colerus lib. 18. cap. 21. auft Marco Antonio Mureto, von einem Corsicaner, welcher 6000. Menschen-Mhmen angehöret / und dieselbige hernach in richtiger Ordnung schnell herwieder gesagt. Dieses erzehle ich alles darumb / sagte er ferner / damit du nicht vor unmöglich haltest / daß durch Medicin einem Menschen sein Gedächtnus trefflich gestärcket und erhalten werden könne / gleich wie es hingegen auch miss mancherley Weis geschwächt / und gar ausgetilgt wird / Massen Plinius lib. 7. cap. 24. schreibet / daß am Menschen nichts so blöd sehe / als eben das Gedächtnus / und daß sie durch Kranckheit / Schrecken / Forcht / Sorg und Bekümmernus entweder gantz verschwinde / oder doch einen grossen Theil ihrer Krafft ver­ liere. Von einem Gelehrten zu Athen wird gelesen / daß er alles was er je studiert gehabt / so gar auch das A BE vergessen/ nachdem ein Stein von oben herab aufs ihn gefallen. Ein anderer kam durch eine Kranckheit dahin / daß er seines Dieners Nahmen vergaß / und MelTala Corvinus wüste seinen eigenen Nahmen nicht mehr / der doch vorhin ein gut Gedächtnus ge­ habt. Schramhans schreibet in falciculo Historiarum, fol. 60. (welches aber so Auffschneiderisch klinget / als ob es Plinius selbst geschrieben) daß ein Priester auß seiner eigenen Ader Blut getruncken / und dardurch schreiben und lesen vergessen / sonst aber sein Gedächtnus unvermckt behalten / und als er übers Jahr hernach eben an selbigem Ort / und damaliger Zeit / abermal beffeitrigen Bluts getmncken / hätte er wieder wie zuvor schreiben und lesen können. Zwar ists glaub­ licher / was [151] Jo. Wierus de praeltigiis dsemon. lib. 3. cap. 18. schreibet / wenn man Beeren-Hirn einfresse / daß man dardurch in solche Phantasey und starcke Imagination gerathe / als ob man selbst zu einem Beeren worden wäre / wie er dann solches mit dem Exempel eines Spanischen Edel­ manns beweiset / der / nachdeme er dessen genossen / in den Wildnussen umbgeloffen / und sich nicht anders eingebildet j als er sehe ein Beer. Lieber Simplici, hätte dein Herr diese Kunst gewüst / so dörfftestu wol ehender in einen Beem j wie die CalliTto, als in einen Stier / wie Jupiter, verwandelt worden seyn. 2 Auß E1-2 * 3 Menschen Namen E4 s «rzehlte E21 o außgetilget E" 12 KümmernuS E4 ie oben fehlt E4 gefallen. Ein) gefallen; Ein anderer schosse von einem hohen Thurn herunter / und wurde dardurch so vergeßlich / daß er seiner Freund und Nächst­ verwandten Nahmen nicht mehr nennen konte; Ein E4 is eignen E1 24 gehalten E4 27 ist E1-4 31 einen E1-4 34 nichts E4 3? in fehlt E4 «in E4

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Der Pfarrer erzehlte mir deß Dings noch viel / gab mir wieder etwas von Artzney / und mltruirte mich wegen meines fernem Verhalts / damit machte ich mich wieder nach Hauß / und brachte mehr als 100. Buben mit / die mir nachließen / und abermals alle wie Kälber schryen / derowegen liess mein Herr / der eben auffgestanden war / ans Fenster / sahe so viel Narren miss einmal / und liesse ihm belieben / darüber hertzlich zu lachen.

Das IX. Capitel. bald ich ins Hauß kam / muste ich auch in die Stub / weil w Adelich Frauenzimmer bey meinem Herrn war / welches seinen neuen Narrn auch gerne hätte sehen und hören mögen. Ich erschiene / und stund da wie ein Stumm / dahero die jenige / so ich hiebevor beym Tantz erdappet hatte / Ursach nam zu sagen: Sie hätte ihr sagen lassen / dieses Kalb könne reden / so verspüre sie aber nunmehr / daß es nicht wahr [152] sehe; Ich antwortet / so hab ich hingegen vermeynet / die Affen können nicht reden / höre aber wol / daß dem auch nicht also sey. Wie / sagte mein Herr / vermeynst du dann / diese Damen sehen Affen? Ich antwortet / seynd sie es nicht / so werden sie es doch bald werden / wer weiß wie es fällt / ich habe mich auch nicht versehen ein Kalb zu werden / und bins doch! Mein Herr fragte / woran ich sehe / daß diese Affen werden sollen? Ich antwortet / unser Aff trägt sein Hindern bloß / diese Damen aber allbereit ihre Brüst / dann andere Mägdlein pflegten ja sonst solche zu bedecken. Schlimmer Vogel / sagte mein Herr / du bist ein närrisch Kalb / und wie du bist / so redest» / diese lassen billich sehen was sehens werth ist / der Aff aber gehet auß Armut nackend / geschwind bringe wieder ein / was du gesündiget hast / oder man wird dich karbäitschen / und mit Hunden in Gänsstall hetzen / wie man Kälbern thut / die sich nicht zu schicken wissen / laß hören / weist du auch eine Dam zu loben / wie sichs gebührt? Hierauff betrachtete ich die Dame von Füssen an biß oben auß / und hinwieder von oben biß unden / sahe sie auch so steiff und lieblich an / als hätte ich sie heuraten wollen. Endlich sagte ich / Herr / ich sehe wol wo der Fehler steckt / der Diebs-Schneider ist an allem schuldig / er si man den E* 35 unten E4

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hat das Gewand / das oben umb den Hals gehört / und die Brüst bedecken solte / unden an dem Rock stehen lassen / darumb schleifst er so weit hinden hernach / man solte dem Hudler die Hand abhauen / wenn er nicht besser schneidern kan / Jungfer / sagte ich zu ihr selbst / schafft ihn ab / wenn er euch nicht so verschänden soll / und sehet / daß ihr meines Knans Schneider bekompt / der hieß Meister [153] Paulgen / er hat meiner Meüder / unserer Ann und unserm Ursele so schöne gedrittelte Röck machen können / die unden herumb gantz eben gewest seyn / sie haben wol nicht so im Dreck geschlappt wie eurer / ja ihr glaubt nicht / wie er den Huren so schöne Kleider machen können. Mein Herr fragte / ob dann meines Knans Ann und Ursele schöner gewesen / als diese Jungfer? Ach wol Nein / Herr / sagte ich / diese Jungfrau hat ja Haar / das iß so gelb wie Heiner Kinder-Dreck / und ihre Schäidel sind so weiß und so gerad gemacht / als wenn man Säubürsten aufs die Haut gekappt hätte / ja ihre Haar seyn so hübsch zusammen gerollt / daß es sihet / wie hole Pfeiffen / oder als wenn sie aufs jeder Seiten ein paar Pfund Liechter / oder ein Dutzet Bratwürst hangen hätte: Ach sehet nur / wie hat sie so ein schöne glatte (Stirn; ist sie nicht feiner gewölbet als ein fetter Kunstbacken? und weisser als ein Todtenkopff / der viel Jahr lang im Wetter gehangen; Immer Schad ists / daß ihre zarte Haut durch das Haar-Puder so schlim bemackelt wird / dann wanns Leut sehen / die es nicht verstehen / dörfften sie wol vermeynen / die Jung­ fer habe den Erbgrind / der solche Schuppen von sich wersfe; welches noch grösserer Schad wäre vor die funcklende Augen / die von Schwäche klärer zwitzern / als der Ruß vor meines Knans Ofenloch / welcher so schröcklich gläntzete / wenn unser Ann mit einem Strohwisch davor stunde / die Stub zu Hitzen / als wenn lauter Feuer darinn steckte / die gantze Welt anzu­ zünden: Ihre Backen seyn so hübsch rotlecht / doch nicht gar so roth / als neulich die neue Nestel waren / damit die Schwä­ bische Fuhrleut von Ulm ihre Lätz gezieret [154] hatten: Aber die hohe Röte / die sie an den Lesftzen hat / übertrifft solche Färb weit / und wenn sie lacht oder redt (ich bitte / der Herr geb nur Achtung darauf) so sihet man zwey Reyhen Zähn in ihrem Maul stehen / so schön Zeilweis und Zucker-ähnlich / als 2 unten E4 4 schneide» E2-4 7 heiß E2-4 8 gcbrittcle E2-4 s un­ ten E4 14 so fehlt E2-4 15 und so; und E4 3« Farbe E4 37 gebe

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wenn sie auß einem Stück von einer weissen Mben geschnitzelt worden wären: O Wunderbild / ich glaub nicht [ daß es einem wehe thut / wenn du einen damit beissest: So ist ihr Hals ja schier so weiß / als eine gestandene Saurmilch / und ihre Brüstlein / die damnter ligen / seyn von gleicher Färb / und ohn Zweiffel so hart anzugreiffen / wie ein Gaiß-Mämm / die von übriger Milch strotzt: Sie seynd wol nicht so schlapp / wie die alte Weiber hatten / die mir neulich den Hindern butzten / da ich in Himmel kam. Ach Herr / sehet doch ihre Händ und Finger an / sie sind ja so subtil / so lang / so gelend / so ge» schmeidig / und so geschicklich gemacht / natürlich wie die Zügeinerinnen neulich hatten / damit sie einem in Schubsack greiffen / wenn sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen ihrem gantzen Leib selbst zu rechnen seyn / den ich zwar nicht bloß sehen kan; Ist er nicht so zart / schmal und unmuthig / als wenn sie acht gantzer Wochen die schnelle Catharina gehabt hätte? Hierüber erhub sich ein solch Gelächter / daß man mich nicht mehr hören / noch ich mehr reden bitte / gienge hiemit durch wie ein Holländer / und liesse mich / so lang mirs gefiel / von anbetn vexiern.

Das X. Capitel. HJerauff erfolgte die Mittags-Mahlzeit / bey welcher ich ** mich wieder dapffer gebrauchen liesse / [155] dann ich hatte mir vorgesetzt / alle Thorheiten zu bereden / und alle Eitelkeiten zu straffen / worzu sich dann mein damaliger Stand trefflich schickte; kein Tischgenoß war mir zu gut / ihm sein Laster zu verweisen und auffzurupfsen / und wenn sich einer fand / der sichs nicht gefallen liesse / so wurde er entweder noch darzu von andern außgelacht / oder ihme von meinem Herrn vorgehalten / daß sich kein Weiser über einen Narrn zu er­ zürnen Pflege: Den dollen Fähnrich / welcher mein ärgster Feind war / setzte ich gleich aufs den Esel. Der erste aber / der mir auß meines Herm Wincken mit Vernunfft begegnete / war der Secretarius, dann als ich denselben einen Titul-Schmid nennete / ihn wegen der eiteln Titul außlachte / und fragte / wie man der Menschen ersten Vatter titulirt hätte? Antwortet er / du redest wie ein unvernünfftig Kalb / weil du nicht weist / 3 einem E3 4 s ohne E4 7 strotzt E4 seyn E4 s in den E4 E2-4 29 meinen E2-4 3s Tituln E4 36 den E2-4

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daß nach unfern ersten Eltern unterschiedliche Leut gelebt / die durch seltene Tugenden / als Weisheit / männliche HeldenThaten / und Erfindung guter Künste / sich und ihr Geschlecht dermassen geadelt haben / daß sie auch von anbetn über alle irdische Ding / ja gar übers Gestim zu Göttem erhoben worden; Wärest du ein Mensch / oder hättest ausss wenigst wie ein Mensch die Historien gelesen / so verstündest du auch den Unterscheid / der sich zwischen den Menschen enthält / und würdest dannenhero einem jeden seinen Ehren-Titul gern gönnen / sintemal du aber ein Kalb / und keiner menschlichen Ehr würdig noch fähig bist / so redest du auch von der Sach wie ein dummes Kalb / und mißgönnest dem edlen menschlichen Geschlecht das jenige / dessen es sich zu erfreuen hat. Ich ant[156]roottet / ich bin so wol ein Mensch gewesen als du / hab auch zimlich viel gelesen / kan dahero urtheilen / daß du den Han­ del entweder nicht recht verstehest / oder durch dein Interesse abgehalten wirst / anderst zu reden als du weist: Sag mir / was seyn vor herrliche Thaten begangen / und vor löbliche Künste erfunden worden / die genugsam sehen / ein gantz Ge­ schlechte etlich hundert Jahr nacheinander / aufs Absterben der Helden und Künstler selbst / zu adle»? Ist nicht beydes der Helden Stärck / und der KünstlerWeisheit und hoher Verstand / mit hinweg gestorben? Wenn du diß nicht verstehest / und der Eltern Qualitäten auss die Kinder erben / so muß ich davor halten / dein Vatter sey ein Stockfisch / und dein Mutter ein Platteiß gewesen: Ha! antwort der Secretarius, wann es damit wol außgericht seyn wird / wann wir einander schänden wollen / so lönte ich dir vorwersfen / daß dein Knan ein grober Spesserter Baut gewesen / und ob es zwar in deiner Hei« mat und Geschlecht die gröste Knollfincken abgibt / daß du dich annoch noch mehr verringert habest / in dem du zu einem unvernünsstigen Kalb worden bist. Da recht / antwortet ich / das ists was ich behaupten will / daß nemlich der Eltem Tu­ genden nicht allweg aufs die Kinder erben / und daß dahero die Kinder ihrer Eltern Tugend-Tituln auch nicht allweg würdig seyen; mir zwar ists kein Schand / daß ich ein Kalb bin worden / dieweil ich in solchem Fall dem Großmächtigen König Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehr habe / wer weiß / ob

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es nicht GOtt gefällt / daß ich auch wieder wie dieser / zu einem Menschen / und zwar noch grösser werde / als mein Knan ge­ wesen? Ich rühme einmal [157] die jenige/ die sich durch eigene Tugenden edel machen. Nun gesetzt / aber nicht gestanden / sagt der Secretarius, daß die Kinder ihrer ©Item Ehren-Titul nicht olltoeg erben sollen / so must du doch gestehen / daß die jenige alles Lobs werth seyen / die sich selbst durch Wolverhalten Edel machen; wann dann dem also / so folget / daß man die Kinder wegen ihrer Eltern billich ehret / dann der Apffel fällt nicht weit vom Stamm: Wer wolte in Alexandri M. Nach­ kömmlingen / wenn anders noch einige vorhanden wären / ihres alten Ur-Anherm hertzhaffte Dapfferkeit im Krieg nicht rühmen: Dieser erwiese seine Begierde zu fechten in seiner Jugend mit Wehnen / als er noch zu keinen Waffen tüchtig war / besorgend / sein Vatter möchte alles gewinnen / und ihme nichts zu bezwingen übrig lassen; hat er nicht noch vor dem dreissigsten Jahr seines Mters die Welt bezwungen / und noch ein andere zu bestreiten gewünscht? hat er nicht in einer Schlacht / die er mit den Indianern gehalten / da er von den ©einigen verlassen war / auß Zorn Blut geschwitzet? War er nicht anzusehen / als ob er mit lauter Feurflammen umbgeben war / so / daß ihn auch die Barbaren vor Forcht streitend ver­ lassen musten? Wer wolte ihn nicht höher und edler / als andere Menschen schätzen / da doch Quintus Curtius von ihm be­ zeuget / daß sein Athem wie Balsam / der Schweiß nach Bisem / und sein tobtet Leib nach köstlicher Specerey gerochen: Hier tonte ich auch einführen den Julium Caefarem und den Pompejum, deren der eine über und neben den Victorien / die er in den Bürgerlichen Kriegen behauptet / fünfftzig mal in offenen Feldschlachten gestritten / und 1152000. [158] Mann erlegt und todt geschlagen hat / der ander hat neben 940. den Meer-Räubern abgenommenen Schiffen / vom Wpgebürg an biß in das äusserste Hispanien / 876. Statt und Flecken ein­ genommen und überwunden. Den Ruhm Marci Sergii will ich verschweigen / und nur ein wenig von dem Lucio Sucio Dentato sagen / welcher Zunftmeister zu Rom war / als Spuriua Turpejus und Aulus Eternius Bürgermeister ge­ wesen / dieser ist in 110. Feld-Schlachten gestanden / und hat 7

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achtmal die fettige überwunden / so ihn herauß gefordert / er fönte 45. Wundmähler an seinem Leib zeigen / die er alle vor betn Mann / und keine rückwärts empfangen / mit neun Obrist Feld-Herren ist er in ihren Triumphen (die sie vornemlich durch ihre Mannheit erlangt) eingezogen. Deß Manlii Capitolini Kriegs-Ehr wäre nicht geringer / wenn er sie im Beschluß seines Lebens nicht selbst verkleinert / dann er tonte auch 33. Wundmähler zeigen / ohn daß er einsmals das Capitolium mit allen Schätzen allein vor den Frantzosen er­ halten. Wo bleibt der [taufe Hercules, Theseus und andere / die beynahe beydes zu erzehlen / und ihr unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich! Sölten diese in ihren Nachkömm­ lingen nicht zu ehren seyn? Ich will aber Wehr und Waffen fahren lassen / und mich zu den Künsten wenden / welche zwar etwas geringer zu seyn scheinen / nichts desto weniger aber ihre Meister gantz Ruhm­ reich machen. Was findet sich nur für ein Geschicklichkeit am Zeuxe, welcher durch seinen Kunstreichen Kopfs und geschickte Hand die Vögel in der Lufft betrog; item am Apelle, der eine Venus so natürlich / so schön / so außbündig / und [159] mit allen Lineamenten so subtil und zart daher mahlet / daß sich auch die Junggesellen darein verliebten. Plutarchus schreibet / daß Archimedes ein groß Schiff mit KauffmannsWahren beladen / mitten über den Marckt zu Syracufis nur mit einer Hand / an einem einzigen Sail daher gezogen / gleich als ob er ein Ammthier an einem Zaum geführt / welches 20. Ochsen / geschweige 200. deines gleichen Kälber / nicht hätten zu thun vermöcht. Solte nun dieser rechtschaffene Meister nicht mit einem besondern Ehren-titul / seiner Kunst gemäß / zu begaben seyn? Wer wolle nicht vor andern Men­ schen preisen den jenigen / der dem Persischen König Sapor ein gläsernes Merck machte / welches so weit und groß war / daß er mitten in demselben miss dessen Centro sitzen / und unter seinen Füssen das Gestirn miss und nider gehen sehen konte? Archimedes machte einen Spiegel / damit er der Feinde Kriegs-Schiff mitten im Meer anzündet: So gebendet auch Ptolomeus eine wunderliche Art Spiegel / die so viel Ange­ sichter zeigten / als Stund im Tag waren. Welcher wolte den und fehlt E4 34 konte? Archimedes] Lesart vgl. S. 589 35 Feind E4 36 gedenckt E4 38 waren. Welcher] Lesart vgl. S. 589

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Zweytes Buch.

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nicht preisen / der die Buchstaben zu erst erfunden? ja wer walte nicht vielmehr den über alle Künstler erheben / welcher die Edle und der gantzen Welt höchst nutzbare Runst der Vuchdruckerey erfunden? Ist Ceres, weil sie den Ackerbau und das Mühlwerck erfunden haben solle / vor eine Göttin ge­ halten worden / warumb solte dann unbillich sehn / wenn man andern / ihren Qualitäten gemäß / ihr Lob mit Ehren-Tituln berühmt? Zwar ist wenig daran gelegen / ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünfftigen Ochsenhirn fassest oder nicht: Es gehet dir eben wie [160] jenem Hund / der auff einem Haussen Heu lag / und solches dem Ochsen auch nicht gönnete / weil er es selbst nicht geniesten fönte; du bist keiner Ehr fähig / und eben dieser Ursachen halber mißgönnest du solche den jenigen / die solcher werth seyn. Da ich mich so gehetzt sahe / antwortet ich / die herrliche HeldenThaten wären höchlich zu rühmen / wann sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden vollbracht worden wäret!. Was ist das aber vor ein Lob / welches mit so vielem unschuldig-vergossenem Menschen-Blut besudelt: Und was ist das vor ein Adel / der mit so vieler tausend anderer Menschen Ver­ derben erobert und zu wegen gebracht worden ist? Die Künste betreffend / was seynds anders als lauter Vanitäten und Thorheiten? Ja sie seynd eben so läer / eitel und unnütz / als die Titul selbst / die einem von denselbigen zustehen möchten; dann entweder dienen sie zum Geitz / oder zur Wollust / oder zur Üppigkeit / oder zum Verderben anderer Leut / wie dann die schröckliche Dinger auch sind / die ich neulich auff den halben Wägen sahe; so fönte man der Druckerey und Schafften auch wol entberen / nach Außspruch und Meynung jenes heiligen Manns / welcher darvor hielte / die gantze weite Welt sey ihm Buchs genug / die Wunder seines Schöpffers zu betrachten / und die göttliche Allmacht darauß zu erkennen.

Das XI. Capitel. Herr walte auch mit mir schertzen / und sagte: Ich ^ mercke wol/ weil du nicht Edel zu werden getrauest / so ver­ achtest du deß Adels Ehren-[161]Titul; Ich antwortet / Herr / wann ich schon in dieser Stund an deine Ehrenstell tretten

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solle / so wolle ich sie doch nichl annehmen! Mein Herr lächle / und sagte: Das glaube ich / dann dem Ochsen gehöret Haberstroh; wann du aber einen hohen Sinn hättest / wie Adeliche Gemüter haben sollen / so würdest du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trachten / Ich meines theils / achte es für kein geringes / wenn mich das Glück über andere erhebt. Ich seufftzete und sagte: Ach / arbeitseelige Glückseligkeit! Herr / ich versichere dich / daß du der aller-elendeste Mensch in gantz Hanau bist: Wie so? wie so? Kalb / sagte mein Herr / sag mir doch die Ursach / dann ich befinde solches bey mir nicht: Ich antwortet / wenn du nicht weist und empfindest / daß du Gubernator in Hanau / und mit wie viel Sorgen und Unmhe du deßwegen beladen bist / so verblendet dich die allzugrosse Begierd der Ehr / deren du geniessest / oder du bist eifern und gantz unempfindlich / du hast zwar zu befehlen / und wer dir unter Augen kompt / muß dir gehorsamen; thun sie es aber umbsonst? bist du nicht ihrer aller Knecht? must du nicht vor einen jedwedem insonderheit sorgen? Schaue / du bist jetzt mnb umbher mit Feinden umbgeben / und die Conservation dieser Bestung ligt dir allein aufs dem Hals / du must trachten / wie du deinem Gegentheil einen Abbruch thun mögest / und must darneben sorgen / daß deine Anschlag nicht verkundschafftet werden; Bedörffte es nicht öffters / daß du selber / wie ein gemeiner Knecht / Schildwach stündest? Uber das mustu be­ dacht seyn / daß kein Mangel an Geld / Munition / Proviant und Volck im Posten erscheine / deßwegen [162] du dann das gantze Land durch stettges exequiten und tribuliren in der Contribution erhalten must; Schickest du die Deinige zu solchem End hinauß / so ist rauben / plündem / fielen/brennen und morden ihre beste Arbeit / sie haben erst neulich Orb ge­ plündert / Braunfels eingenommen / und Staden in die Asche gelegt / davon haben sie zwar ihnen Beuten / du aber eine schwere Verantwortung bey GOtt gemache!: Ich lasse seyn / daß dir vielleicht der Genuß neben der Ehr auch wol thut / weist du aber auch / wer solche Schätz / die du etwan samlest / gemessen wird? Und gesetzt / daß dir solcher Reichthum ver­ bleibt (so doch mißlich stehet) so mustu sie doch in der Welt lassen / und nimmst nichts dawon mit dir / als die Sünde /

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dardurch du selbigen erworben hast: Hast du dann das Glück / daß du dir deine Beuten zu nutz machen tonst / so verschwendest du der Armen Schweiß und Blut / die jetzt im Elend Mangel leiden / oder gar verderben und Hungers sterben. O wie offt sehe ich / daß deine Gedancken wegen Schwere deines Ampts hin und wieder zerstreut seyn / und daß hingegen ich und andere Kälber ohn alle Bekümmernus ruhig schlaffen; thust du solches nicht / so tostet es deinen Kopfs / dafern anders etwas verabsäumet wird / das zu Conservation deiner untergebenen Völcker und der Bestung hätte observirt werden sollen; Schaue / solcher Sorgen bin ich überhoben! Und weil ich weiß / daß ich der Natur einen Todt zu leisten schuldig bin / sorge ich nicht / daß jemand meinen Stall stürmet / oder daß ich mit Arbeit umb mein Leben scharmützeln müsse / sterbe ich jung/so bin ich der Mühseeligkeit eines Zug-Ochsens überhoben / dir [163] aber stellt man ohne Zweiffel aufs tausendfältige weis nach / deßwegen ist dein gantzes Leben nichts anders als ein immerwährende Sorg und Schlaffbrechens / dann du must Freund und Feind sörchten / die dich ohn Zweiffel / wie du auch andern zu thun gebendes! / entweder umb dein Leben / oder umb dein Geld / oder umb deine Reputation, oder umb dein Commando, oder umb sonsten etwas zu bringen nach­ sinnen / der Feind setzt dir öffentlich zu / und deine vermeynte Freund beneiden heimlich dein Glück; vor deinen Untergebe­ nen aber bistu auch nicht allerdings versichert. Ich geschweige hier / wie dich täglich deine brennende Begierden quälen / und hin und wider treiben / wenn du gebendes! / wie du dir einen noch grössern Nahmen und Ruhm zu machen / höher in Kriegs-Aemptern zu steigen / grossem Reichthum zu samten / dem Feind einen Tuck zu beweisen / ein oder ander Ort zu überrumpeln / und in Summa fast alles zu thun / was andere Leut geheyet / und deiner Seelen schädlich / der Göttlichen Majestät aber mißfällig ist! Und was das aller-ärgste ist / so bist du von deinen Fuchsschwäntzern so verwähnt / daß du dich selbsten nicht kennest / und von ihnen so eingenommen und vergifftet / daß du den gefährlichen Weg / den du gehest / nicht sehen tonst / denn alles was du thust / heissen sie recht / und alle deine Laster werden von ihnen zu lauter Tugenden ge-

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macht und außgeruffen; dein Grimmigkeit ist ihnen eine Ge­ rechtigkeit / und wenn du Land und Leut verderben last / so sagen sie / du seyst ein braver Soldat / hetzen dich also zu ander Leut Schaden / damit sie deine Gunst behalten / und ihre Beutel darbey spicken mögen. [164] Du Bernheuter / sagte mein Herr / wer lernet dich so predigen? Ich antwortet / Liebster Herr / sage ich nicht wahr / daß du von deinen Ohrenbläsern und Daumendrehern dergestalt verderbet seyest / daß dir bereits nicht mehr zu helffen; hingegen sehen andere Leut deine Laster gar bald / und urtheilen dich nicht allein in hohen und wichtigen Sachen / sondern finden auch genug in geringen Dingen / daran wenig gelegen / an dir zu tadlen: Hastu nicht Exempel genug an hohen Personen / so vor der Zeit gelebt? die Athenienser murmelten Wider ihren Simonidem, nur darumb daß er zu laut redete; die Thebaner klagten über ihren Paniculum, dieweil er außwurffe; die Lacedsemonier schalten an ihrem Lycurgo, daß er allezeit mit nieder-geneigtem Haupt daher gienge; die Römer vermeynten / es stünde dem Scipione gar übel an / daß er im Schlaff so laut schnarchte; es dünckte sie heßlich zu seyn / daß sich Pompejus nur mit einem Finger kratzte; deß Julii Caefaris spotteten sie / weil er seinen Gürtel nicht artig und lustig antrug; die Uticenser verleumdeten ihren guten Catonem, weil er / wie sie bedünckte / allzu-geitzig aufs beyden Backen asse; und die Carthaginenser redeten dem Hannibali übel nach / weil er immerzu mit der Brust auffgedeckt und bloß daher gienge. Wie dünckt dich nun / mein lieber Herr? vermeynest du wol noch / daß ich mit einem tau­ schen solle / der vielleicht neben zwölff oder dreyzehen TischFreunden / Fuchsschwäntzern und Schmarotzern / mehr als 100. oder vermuthlicher mehr als 10000. so heimliche als öffentliche Feind / Verleumder und mißgünstige Neider hat? zu dem / was vor Glückseligkeit / was für Lust und was vor [165] Freud solte doch ein solch Haupt haben können / unter welches Pfleg / Schütz und Schirm so viel Menschen leben? Jsts nicht vonnöten / daß du vor alle die Deinige wachest / vor sie sorgest / und eines jeden Klag und Beschwerden anhörest? Wäre solches allein nicht müheseelig genug / wenn du schon 5

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weder Feinde noch Mißgönner hättest? Ich sehe wol / wie sauer du dirs must werden lassen / und wie viel Beschwerden du doch erträgst; Liebster Herr / was wird doch endlich dein Lohn seyn / sage mir / was hast du darvon? Wann du es nicht weist / so lasse dirs den Griechischen Demofthenem sagen / welcher / nachdem er den gemeinen Nutzen / und das Recht der Athenienser / dapffer und getreulich befördert und beschützt / wider alles Recht und Billichkeit / als einer so ein greuliche Missethat begangen / deß Lands verwiesen / und in das Elend verjaget ward; dem Socrati ward mit Gisst vergeben; dem Hannibal ward von den seinen so übel gelohnet / daß er elendiglich in der Welt Land-flüchtig herum schwaiffen muste; also geschahe dem Römischen Camillo; und dergestalt be­ zahlten die Griechen den Lycurgum und Solonem, deren der eine gesteiniget ward / dem andern aber / nachdem ihm ein Aug außgestochen / wurde als einem Mörder endlich das Land verwiesen. Darumb behalte dein Commando sampt dem Lohn / den du darvon haben wirst / du darffst deren keins mit mir theilen / dann wann alles wol mit dir abgehet / so hastu auffs wenigste sonst nichts / das du davon bringest / als ein böß Gewissen; Wirstu aber dein Gewissen in acht nemmen wollen / so wirstu als ein Untüchtiger bey Zeiten von deinem Commando verflossen werden / nicht anders / als [166] wann du auch / wie ich / zu einem dummen Kalb worden wärest. Das XII. Capitel.

I^Nter währendem meinem Discours sahe mich jederman an / und verwunderten sich alle Gegenwärtige / daß ich solche Reden solte vorbringen können / welche wie sie vorgaben/ auch einem verständigen Mann genug wären / wann er solche so gar ohne allen Vorbedacht hätte vortragen sollen; Ich aber machte den Schluß meiner Red / und sagte: Darum dann nun / mein liebster Herr / will ich nicht mit dir tauschen; zwar ich bedarffs auch im geringsten nit / dann die Quellen geben mir einen gesunden Tranck / an statt deiner köstlichen Wein / und der jenige J der mich zum Kalb werden zu lassen beliebet / wird mir auch die Gewächs deß Erdbodens dergestalt zu segnen 7

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wissen / daß sie mir wie dem Nabuchodonosore zur Speiß und Ausfenthalt meines Lebens auch nicht unbequem seyn werden; so hat mich die Natur auch mit einem guten Beltz versehen / da dir hingegen offt vor dem besten eckelt / der Wein deinen Kopfs zerreist / und dich bald in diese oder jene Kranckheit wirfst. Mein Herr antwortet: Ich weiß nicht was ich an dir habe? du bedünckest mich vor ein Kalb viel zu verständig zu seyn / ich vermeyne schier / du seyest unter deiner Kalbs-Haut mit einer Schalcks-Haut überzogen? Ich stellte mich zomig / und sagte: Bermeynet ihr Menschen dann wol / wir Thiere seyen gar Narren? Das dörfft ihr euch wol nicht einbilden! Ich halte darvor / wann ältere Thier als ich / so wol als ich reden tonten / sie würden euch wol anders [167] auffschneiden: Wann ihr vermeynt / wir seyen so gar dumm / so sagt mir doch / wer die wilde Bloch-Dauben / Häher / Ambseln und Rebhüner ge­ kniet hat / wie sie sich mit Lorbeer-blättern purgiren sollen? und die Dauben / Turteldäublein und Hüner mit S. Peters Kraut? Wer lehret Hund und Katzen / daß sie das bethaute Gras fressen sollen / wann sie ihren vollen Bauch reinigen wollen? Wer die Schild-Krott / wie sie die Biß mit Schilling heylen? und den Hirsch / wann er geschossen / wie er seine Zuflucht zu dem Dictamno oder wilden Poley nehmen solle? Wer hat das Wieselin unterrichtet / daß es Rauten gebrauchen solle / wenn es mit der Fledermauß oder irgend einer Schlang kämpften will? Wer gibt den wilden Schweinen den Epheu / und den Beeren den Alraun zu erkennen / und sagt ihnen / daß es gut sehe zu ihrer Artzney? Wer hat dem Adler gerathen / daß er den Adlerstein suchen und gebrauchen soll / wann er seine Eyer schwerlich legen kan? Und welcher gibt es der Schwalbe zu verstehen / daß sie ihrer Jungen blöde Augen mit dem Chelidonio artzneyen solle? Wer hat die Schlang inltruirt / daß sie soll Fenchel essen / wann sie ihre Haut ab­ streiften / und ihren bundein Augen heissen will? Wer lehret den Storck / sich zu clystieren? den Peli« n / sich Wer zu lassen? und den Beeren / wie er ihm von den Bienen solle schrepffen lassen? Was / ich dörffte schier sagen / daß ihr Menschen eure Künste und Wissenschafften von uns Thieren erlernet habt! nfepnE4

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Ihr fresst und saufst euch stand und todt / das thun wir Thier aber nicht! Ein Löw oder Wolfs / wenn er zu fett werden will / so fastet er / biß er wieder mager / frisch und gesund wird. [168] Welches Theil handelt nun am weislichsten? Uber dieses alles betrachtet das Geflügel unter dem Himmel! betrachtet die unterschiedliche Gebäue ihrer arüichen Nester / und weil ihnen ihre Arbeit niemand nachmachen kan / so müst ihr ja bekennen / daß sie beydes verständiger und künstlicher seyn / als ihr Menschen selbst: Wer sagt den Sommer-Vögeln / wann sie gegen dem Frühling zu uns kommen / und Jungen hecken? und gegen dem Herbst / wann sie sich wieder von bannen in die warme Länder verfügen sollen? Wer unterrichtet sie / daß sie zu solchem End einen Sammelplatz bestimmen müssen? Wer führet sie / oder wer weiset ihnen denWeg / oder leyhet ihr Menschen vielleicht ihnen euem See-Compaß / damit sie unterwegs nicht irr fahren? Nein / ihr liebe Leut / sie wissen den Weg ohne euch / und wie lang sie darauff müssen »anbetn / auch wann sie von einem und dem andern Ort auffbrechen müssen; bedörffen also weder eures Compasses noch eures Calenders. Ferners beschauet die mühsame Spinn / deren Geweb bey nahe ein Wunderwerck ist! Sehet / ob ihr auch einen einigen Knopfs in aller ihrer Arbeit finden möget? Welcher Jäger oder Fischer hat sie gelehret / wie sie ihr Retz außspannen / und sich / je nachdem sie sich eines Netzes ge­ braucht / ihr Wildbret zu belauftem / entweder in den hindersten Winckel / oder gar in das Centrum ihres Gewebs setzen solle? Ihr Menschen verwundert euch über den Raben / von welchem Plutarchus bezeugt / daß er so viel Stein in ein Geschirr / so halb voll Wasser gewesen / geworffen / biß das Wasser so weit oben gestanden / daß er bequemlich hab trincken mögen: Was würdet [169] ihr erst thun / wann ihr bey und unter den Thieren wohnen / und ihre übrige Handlungen / Thun und Lassen ansehen und betrachten würdet; alsdenn würdet ihr erst bekennen / daß es sich ansehen lasse / als hätten alle Thier etwas besonderer eigener natürlicher Kläfften und Tugenden / in allen ihren Affectionibus und Gemüts-Nei­ gungen / in der Fürsichtigkeit / Stärck / Müdigkeit / Forchtsamkeit / Rauchheit / Lehr und Unterrichtung; es kennet je

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eines das ander / sie unterscheiden sich vor einander / sie stellen dem nach / so ihnen nützlich / fliehen das schädlich / meiden die Gefahr / samblen zusammen / was ihnen zu ihrer Nahrung nothwendig ist / und betrügen auch bißweilen euch Menschen selbst. Dahero viel alte Philosoph! solches ernstlich erwogen / und sich nicht geschämet haben zu fragen und zu diTputiren / ob die unvernünfftige Thier nicht auch Verstand hätten? Ich mag aber nichts mehr von diesen Sachen reden / gehet hin zu den Immen / und sehet / wie sie Wachs und Honig machen / und alsdann sagt mir euer Meynung wieder.

Das XIII. Capitel. A^etauff fielen unterschiedliche Urtheil über mich / die ** meines Herrn Tischgenossen gaben / der Secretarius hielte darvor / ich sehe vor närrisch zuhalten / weil ich mich selbst vor ein vernünsitig Thier schätzte und dargebe / Massen die jenige so ein Sparren zu viel oder zu wenig hätten / und sich jedoch weis zu seyn dünckten / die aller-artlichste oder visierlichste Narren wären: Andere sagten / wenn man mir die Imagination benehme / daß ich ein Kalb sehe / oder [170] mich überreden fönte / daß ich wieder zu einem Menschen worden wäre / so würde ich vor vemünfftig oder witzig genug zu halten seyn: Mein Herr selbst sagte / Ich halte ihn vor einen Narrn / weil er jedem die Warheit so ungescheut sagt / hin­ gegen seynd seine Dilcurlen so beschaffen / daß solche keinem Narrn zustehen. Und solches alles redeten sie aufs Latein / damit ichs nicht verstehen solte. Er fragte mich / ob ich studirt hätte / als ich noch ein Mensch gewesen? Ich wüste nicht / was ftubiien sehe / war mein Antwort / aber lieber Herr / sagte ich weiters / sag mir / was Staden vor Dinger seyn / damit man studiret? Nennest du vielleicht die Kegel so / damit man keglet? Hierauff antwortet der dolle Fähnrich: tPatt woll« met beefem Rerl sin / hey Herr den Tüfel in JLiff / Hey ist beseelen / be lüfel bet kühret «t jehme: Dahero nam mein Herr Ursach / mich zu fragen / sintemal ich dann nun­ mehr zu einem Kalb worden wäre / ob ich noch wie vor disem / gleich andern Menschen / zu beten pflege / und in Himmel zu 13 mineS E2 Herren E4 u davor E2-4 n aller-artlichiste E2 ungescheuet E4 24 seyn E4 28 studirn E4 , sagt E4 3i kegelt E4 tolle E4 woleg E2 Wart wol es E4 32 Keerl E1 sin / hey] sin / bey E4 Liff / hen] Stff / bey E4 36 tm E2-4 23

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kommen getraue? Freylich / antwortet ich / ich habe ja meine unsterbliche menschliche Seel noch / die wird ja / wie du leicht­ lich gebenden kaust / nicht in die Höll begehren / vomemlich weil mirs schon einmal so übel darinnen ergangen; Ich bin nur verändert / wie vor diesem Nabuchodonosor / und dörffte ich noch wol zu seiner Zeit wieder zu einem Menschen werden. Das wünsche ich dir / sagte mein Herr mit einem zimblichen Seufftzen: Darauß ich leichtlich schliessen fönte / daß ihn eine Reu ankommen / weil er mich zu einem Narren zu machen unterstanden. Mer laß hören / fuhr er weiter fort / wie pflegst du zu beten? [171] darauff knyet ich nider / Hube Augen und Hände aufs gut Einsidlerisch gen Himmel / und weilen meines Herrn Reu / die ich gemerckt hatte / mir das Hertz mit trefflichem Trost berührte / tonte ich auch die Threnen nicht enthalten / bat also dem äusserlichen Ansehen nach / mit höch­ ster Andacht / nach gesprochenem Batter unser / vor alles An­ ligen der Christenheit / vor meine Freund und Feind / und daß mir GOtt in dieser Zeitlichkeit also zu leben verleyhen wolle / daß ich würdig werden möchte / ihn in ewiger Seeligkeit zu loben; Massen mich mein Einsidel ein solches Gebet mit andächtigen concipirten Worten gelehret hat. Hiervon fiengen etliche wäichhertzige Zuseher auch bey nahe an zu weynen / weil sie ein trefflich Mitleiden mit mir trugen / ja meinem Herrn selbst stunden die Augen voller Wasser. Nach der Mahlzeit schickte mein Herr nach obgemeldtem Pfarrherrn / dem erzehlte er alles / was ich vorgebracht hatte / und gab damit zu verstehen / daß er besorge / es gehe nicht recht mit mir zu / und daß vielleicht der Teuffel mit unter der Decken lege / dieweil ich vor disem gantz einfältig und unwissend mich erzeigt / nunmehr aber Sachen vorzubringen wisse / daß sich darüber zu verwundern! Der Pfarrer / dem meine Be­ schaffenheit am besten betont war / antwortet: Man solte sol­ ches bedacht haben / ehe man mich zum Narm zu machen unterstanden hätte / Menschen seyen Ebenbilder Gottes / mit welchen / und bevorab mit so zarter Jugend / nicht wie mit Bestien zu schertzen sehe; doch wolle er nimmermehr glauben / daß dem bösen Geist zugelassen worden / sich mit in das Spiel zu mischen / dieweil ich mich jederzeit durch [172] inbrünstiges

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Gebet Gott befohlen gehabt / solle ihm aber wider Berhoffen solches verhängt und zugelassen worden seyn / so hätte mans bey GOTT schwerlich zu verantworten / Massen ohne das bey nahe keine grössere Sünd sey / als wenn ein Mensch den anbetn seiner Bernunfft berauben / und also dem Lob und Dienst Gottes / darzu er vornemlich erschaffen worden / entziehen wolle: Ich habe hiebevor Versicherung gethan / daß er Witz genug gehabt / daß er sich aber in die Welt nicht schicken können/ war die Ursach / daß er bey seinem Batter einem groben Bau­ ren / und bey eurem Schwager in der Wildnus / in aller Ein­ falt erzogen worden / hätte man sich anfänglich ein wenig mit ihm geduldet / so würde er sich mit der Zeit schon besser an­ gelassen haben / es war eben ein fromm einfältig Kind / das die boßhafftige Welt noch nicht kennete / doch zweiffle ich gar nicht / daß er nicht wiederumb zu recht zu bringen setze / wann man ihm nur die Einbildung benehmen kan / und ihn dahin bringt / daß er nicht mehr glaubt / er sey zum Kalb worden: Man liefet von einem / der hat vestiglich geglaubt / er sey zu einem irdinen Kmg worden / bat dahero die ©einige / sie sollen ihn wol in die Höhe stellen / damit er nicht zerflossen würde; Ein anderer bildete sich nicht anders ein / als er sey ein Han / dieser krähete in seiner Kranckheit Tag und Nacht; noch ein anderer vermeynte nicht anders / als er sehe bereits gestorben / und wandere als ein Geist herumb / wolle derowegen weder Artzney / noch Speiß und Tranck mehr zu sich nemmen / biß endlich ein kluger Artzt zween Kerl anstellete / die sich auch vor Geister außgaben / darneben aber dapffer zechten / sich zu je-s173snem gefetteten / und ihn überredeten / daß jetziger Zeit die Geister auch zu essen und zu trincken pflegten / wordurch er dann wieder zu recht gebracht worden. Ich habe selbsten einen standen Bauren in meiner Psarr ge­ habt / als ich denselben besuchte / klagte er mir / daß er aufs drey oder vier Ohm Wasser im Leib hätte / wann solches von ihm wäre / so getraute er wol wieder gesund zu werden / mit Bitt / ich wolle ihn entweder aufffchneiden lassen / damit sol­ ches von ihm laufsen tönte / oder ihn in Rauch hencken lassen / damit dasselbe außtröckne: Darauff sprach ich ihm zu / und über­ redet ihn / ich tönte das Wasser aufs eine andere Manier wol

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Von ihm bringen / name demnach einen Hanen / wie man zu den Wein- oder Bier-Fässern braucht / band einen Darm daran / und das ander End band ich an den Zapffen eines Bauch-Zubers / den ich zu solchem End voll Wasser tragen lassen / (Miete mich darauff / als wenn ich ihm den Hanen in Bauch steckte / welchen er überall mit Lumpen umbwinden lassen / damit er nicht zerspringen solte: Hierauff ließ ich das Wasser auß dem Zuber durch den Hanen hinweg lausten / darüber sich der Tropfs hertzlich erfreuet / nach solcher Ver­ richtung die Lumpen von sich thät / und in wenig Tagen wieder allerdings zu recht kam. Aufs solche Weis ist einem andem geholffen worden / der sich eingebildet / er habe allerhand Pferdgezeug / Zäum und sonst Sachen im Leib / demselben gab sein Doctor eine Purgation ein / und legte dergleichen Ding untern Nachtstul / also daß der Kerl glauben muste / solches sehe durch den Stulgang von ihm kommen. So sagt man auch von einem Phantasten / der geglaubt habe / seine Nas sehe [174] so lang / daß sie ihm biß miss den Boden reiche / dem habe man eine Wurst an die Nas gehenckt / dieselbe nach und nach biß an die Nas selbst hinweg geschnitten / und als er das Messer an der Nas empfunden / hätte er geschehen / seine Nas sehe jetzt wieder in rechter Form / kan also / wie diesen Personen / dem guten Simplicio wol auch wieder geholffen werden. Dieses alles glaubte ich wol / antwortet mein Herr / allein ligt mir an / daß er zuvor so unwissend gewesen / nunmehr aber von Sachen zu sagen weiß / solche auch so perfect daher er» zehlet / dergleichen man bey älteren / erfahrneren und belesneren Leuten / als er ist / nicht leichtlich finden wird / er hat mir viel Eygenschafsten der Thier erzehlt / und mein eigene Person so artlich beschrieben / als wenn er sein Lebtag in der Welt gewesen / also daß ich mich darüber verwundern / und seine Reden bey nahe vor ein Oracul oder Warnung Gottes halten muß. Herr / antwortet der Pfarrer / dieses kan natürlicher Weis wol seyn / ich weiß / daß er wol belesen ist / Massen er so wol als sein Einsidel gleichsam alle meine Mcher die ich gehabt / und deren zwar nicht wenig gewesen / durch gangen / und weil

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der Knab ein gut Gedächtnus hat / jetzo aber in seinem Gemüth müssig ist / und seiner eigenen Person vergißt / kan er gleich hervor bringen / was er hiebevor ins Hirn gefast; ich versehe mich auch / daß er mit der Zeit wieder zu recht zu bringen sey. Wso setzt der Pfarrer den Gubernator zwischen Forcht und Hoffnung / er verantwortet mich und mein Sach auff das beste / und bracht mir gute Tag / ihme selbst aber ein Zutritt bey meinem Herrn zu wegen. Ihr endlicher Schluß war / [175] man solle noch ein Zeitlang mit mir zusehen; und solches thät der Pfarrer mehr umb seines als meines Nutzens wegen / dann mit diesem / daß er so ab und zugieng / und sich stellet / als wenn er meinet halben sich bemühet / und grosse Sorg trug / überkam er deß Gubemawrs Gunst / dahero gab ihm derselbige Dienst / und machte ihn bey der Guamilon zum Laplan / welches in so schwerer Zeit kein geringes war / und ich ihm hertzlich wol gönnete.

Das XIV. Capitel. MOn dieser Zeit an besaß ich meines Herrn Gnad / Gunst ^ und Lieb vollkommenlich / dessen ich mich wol mit Warheit rühmen kan; nichts mangelt mir zu meinem bessern Glück / als daß ich an meinem Kalbs-Kleid zu viel / und an Jahren noch zu wenig hatte / wiewol ich solches selbst nicht wüste; so wolle mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben / weil ihn solches noch nicht Zeit / und seinem Nutzen vorträglich zu seyn bedünckte. Und demnach mein Herr sahe / daß ich Lust zur Mulic hatte / ließ er mich solche lernen / und verdinget mich zugleich einem vortrefflichen Lautenisten / dessen Kunst ich in Bälde zimlich begriffe / und ihn umb so viel übertraff / weil ich besser als er darein fingen tonte: Also dienete ich meinem Herrn zum Lust / zur Kurtzweil / Ergetzung und Verwunde­ rung. Alle Officier erzeigten mir ihren geneigten Wllen / die reichste Bürger verehrten mich / und das Haußgesind neben den Soldaten wollen mir wol / weil sie sahen / wie mir mein Herr gewogen war; einer schenckte mir hier / der ander dort / dann sie wüsten / daß Schalcks-Narren offt bey ihren Herren [176] mehr vermögen / als etwas rechtschaffenes / und dahin 7 brachte E2-1 13 biß E2-4 daher E2-4 u Ouarnison E4 25 zur fehlt E2 26 halt E4 27 einen E2-4 28 in die E4 29 er fehlt E2-4 diente E2 4 zi Officirer E4 32 reichsten E4

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Zweytes Buch.

hatten auch ihre Geschenck das Absehen / weil mir etliche daruinb gaben / daß ich sie nicht verfuchsschwäntzen solte / andere aber eben deßwegen / daß ich ihrentwegen solches thun solte; Aufs welche Weis ich zimlich Geld zu wegen brachte / welches ich mehrentheils dem Pfarrer wieder zusteckte / weil ich noch nicht wüste / worzu es nutzete. Und gleich wie mich niemand scheel ansehen dörffte / also hatte ich auch von nirgends her keine Anfechtung / Sorg oder Bekümmernus; Alle meine Gedancken legte ich miss die Music / und wie ich dem einen und dem andern seine Mängel artlich verweisen möchte / daher wüchse ich aufs wie ein Narr im Zwibel-Land / und meine Leibs-kräfften namen Handgreifflich zu; man sahe mir in Bälde an / daß ich mich nicht mehr im Wald mit Wasser / Eicheln / Buchen / Wurtzeln und Kräutern mortificirte / sondern daß mir bey guten Bißlein der Rheinische Wein und das Hanauische Doppelbier wol zuschlug / welches in so elender Zeit vor ein grosse Gnad von Gott zu schätzen war / denn da­ mals stunde gantz Deutschland in völligen Kriegsflammen / Hunger und Pestilentz / und Hanau selbst war mit Feinden umblagert / welches alles mich im geringsten nicht kräncken konte. Nach auffgeschlagener Belägerung nam ihme mein Herr vor / mich entweder dem Cardinal Richelieu oder Hertzog Bernhard von Weymar zu schencken / dann ohne daß er hoffte einen grossen Danck mit mir zu verdienen / gab er auch vor / daß ihm schier ohnmüglich wäre / länger zu er­ tragen / weil ich ihm seiner verlornen Schwester Gestalt / deren ich je länger je ähn-^177^licher würde / in so närrischem Habit täglich vor Augen stellte / solches widerrieth ihm der Pfarrer / dann er hielte darvor / die Zeit wäre kommen / in welcher er ein Miracul thun / und mich wieder zu einem vernünfftigen Menschen machen wolte; gäbe demnach den Gubernator den Rath / er solte ein paar Kalbfell bereiten / und solche andern Knaben anthun lassen / hernach ein dritte Person bestellen / die in Gestalt eines Artzts / Propheten oder Landfahrers / mich und bemeldte zween Knaben mit seltzamen Ceremonien außziehe / und vorwenden / daß er auß Thieren Menschen / und auß Menschen Thiere machen fönte / aufs solche Weis fönte ich wol wieder zu recht gebracht / und mir 17

eine E4

20

umblagert E2-4

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daß ich E2-4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

ohne sonderliche grosse Mühe eingebildet werden / ich sehe wie andere mehr wieder zu einem Menschen worden: Als ihme der Gubernator solchen Vorschlag belieben liesse / communicitt mir der Pfarrer / was er mit meinem Herrn abgeredt hätte / und überredet mich leicht / daß ich meinen Willen darein gab. Aber das neidige Glück wolle mich so leichtlich auß meinem Narrnkleid nicht schlieffen / noch mich das herrliche gute Leben länger gemessen lassen; dann indem als Gerber und Schneider mit den Kleidem umbgiengen / die zu dieser Comcedia ge­ hörten / terminirte ich mit etlich andern Knaben vor der Vestung miss dem Eiß herumb; da führt / ich weiß nicht wer / ohnversehens eine Partey Croaten daher / die uns mitein­ ander anpackten / aufs etliche läere Bauren-Pferd setzten / die sie erst gestolen hatten / und miteinander darvon führten. Zwar stunden sie erstlich im Zweiffel / ob sie mich mit nehnien wollen oder nicht? biß endlich einer aufs Böhmisch sagt: [178]

Mih weme daho Blasna sebao, bo we deme ho gbabo Oberstowi: Dem antwort ein anderer / Prschis am bambo ano, mi ho nagonie possadeime, wan rosumi niemezki, won bude mit Kratockwille sebao; Also muffe ich zu Pferd / und innen werden / daß einem ein einzig unglückliches Stündlein aller Wolfahrt entsetzen / und von allem Glück und Hehl dermassen entfernen kan / daß es einem sein Lebtag nachgehet.

Das XV. Capitel. l^B nun zwar die Hanauer gleich Lermen hatten / sich zu ^ Pferd herauß liessen / und die Croaten mit einem Schar­ mützel etwas auffhielten und bekümmerten / so mochten sie ihnen jedoch nichts abgewinnen / dann diese leichte Wahr gierig sehr vortheilhafftig durch / und turnt ihren Weg aufs Büdingen zu / allwo sie fütterten / und den Bürgern daselbst die gefangene Hanauische reiche Söhnlein wieder zu lösen gaben / auch ihre gestolene Pferd und andere Wahr verkaufften / von dannen brachen sie wieder miss / schier ehe es recht Nacht / geschweige wieder Tag worden / giengen schnell durch den Büdinger Wald dem Stifft Fulda zu / und namen unterwegs mit / was sie fort bringen tonten / das Rauben und Plündem 7

Narren-KleidE* schliessen K1-2-4 12 einE4 ie in E4 18 vgl. S. 589 so nahmen E4 34 brachten E4

8.589

17 vgl.

Zweytes Buch.

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hinderte sie an ihrem schleunigen Fort-Zug im geringsten nichts / dann sie kontens machen wie der Teuffel / von welchem man zu sagen pflegt / daß er zugleich lauffe und (1. v.) hofiere / und doch nichts am Weg versäume; Massen wir noch denselben Abend im Stifft Hirschfeld / allwo sie ihr Quartier hatten / mit einer grossen Beut ankamen / das [179] wurde alles partirt / ich aber wurde dem Obrist Corpes zu theil. Bey diesem Heim kam mir alles widerwertig und fast Spanisch vor / die Hanauische Schlecker-Bißlein hatten sich in schwaches grobes Brod / und mager Rindfleisch / oder wanns wol abgieng / in ein Stück gestolnen Speck verändert; Wein und Bier war mir zu Wasser worden / und ich muffe an statt deß Betts / bey den Pferden in der Streu vor lieb nemmen; vor das Lauten schlagen / das sonst jederman belustiget / muste ich zu Zeiten / gleich andern Jungen / untern Tisch kriechen / wie ein Hund heulen / und mich mit Sporen stechen lassen / welches mir ein schlechter Spaß war; vor das Hanauische spatzieren gehen / dorsfte ich mit aufs Fourage reuten / Pferd strigeln / und denselben außmisten; das fouragirn aber ist nichts anders / als daß man mit grosser Mühe und Arbeit / auch offt nicht ohne Leib- und Lebens-Gefahr hinauß miss die Dörffer schwaisfet / drischt / mahlt / backt / stilt und nimmt was man findt / trillt und verderbt die Bauren / ja schändet wol gar ihre Mägd / Weiber und Töchter! Und wann den armen Baurn das Ding nicht gefallen will / oder sie sich etwan erkühnen dörffen / einen oder den anbetn Fouragierer über solcher Arbeit aufs die Finger zu klopffen / wie es denn damals dergleichen Gäst in Hessen viel gäbe / so hauet man sie nider / wenn man sie hat / oder schicket auffs wenigste ihre Häuser im Rauch gen Himmel. Mein Herr hatte kein Weib (wie dann diese Art Krieger keine Weiber mit zu führen Pflegen) keinen Page / keinen Kammerdiener / keinen Koch / hingegen aber einen Haussen Reutknecht [180] und Jungen / welche ihm und den Pferden zugleich abwarteten / und schämte er sich selbst nicht / ein Roß zu satteln / oder demselben Futter für­ zuschütten; er schlieff allezeit aufs Sttoh / oder aufs der blossen Erd / und bedeckte sich mit seinem Beltz-Rock / daher sahe man offt die Müllerflöhe aufs seinen Kleidem hemm »anbetn / i hindert E1-4 ihren E4 e partirtj parirt E1-4 is mit] nicht E1-2-4* 28 etwan fehlt E2 4 33 Hauffen fehlt E4 ihm« E4 3? sei­ nem] meinem E2 ] einem E4

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Deß Abentheurl. SimpliciXTimi

deren er sich im geringsten nicht schämet / sondern noch darzu lachte / wann ihm jemand eine herab läse; er trug kurtze Haupt-Haar / und einen breiten Schweitzer-Bart / welches ihm wol zu statten kam / weil er sich selbst in Bauren-Kleider zu verstellen / und darin aufs Kundschafft außzugehen pflegte. Wiewol er nun / wie gehöret / keine Grandezza speiset / so wurde er jedoch von den Seinen und andern die ihn kenneten / geehrt / geliebt und gefürchtet; Wir waren niemals mhig / sondern bald hier / bald dort; bald fielen wir ein / und bald wurde uns eingefallen / so gar war keine Ruhe da / der Hessen Macht zu ringern / hingegen feyret uns Melander auch nicht / als welcher uns manchen Reuter abjagte / und nach Cassel schickte. Dieses unruhige Leben schmeckte mir gantz nicht / dahero wünscht ich mich offt vergeblich wieder nach Hanau; mein gröstes Creutz war / daß ich mit den Burschen nicht recht reden tonte I und mich gleichsam von jedwederm hin und wieder stossen / Plagen / schlagen und jagen lassen muste / die gröste Kurtzweil / die mein Obrister mit mir hatte / war / daß ich ihm auff Teutsch singen / und wie andere Reuter-Jungen auffblasen muste / so zwar selten geschahe / doch kriegte ich als­ dann solche dichte Ohrfeigen / daß der rothe Safft hernach gieng / und ich lang genug daran hatte / [181] zuletzt stetige ich an / mich deß Kochens zu unterwinden / und meinem Herrn das Gewehr / darauff er viel hielte / sauber zu halten / weil ich ohne das auff Fourage zu reuten noch nichts nutz war / das schlug mir so trefflich zu / daß ich endlich meines Herrn Gunst erwarbe / Massen er mir wieder auß Kalbfellen ein neu Narren-Kleid machen lassen / mit viel grössern EselsOhren / als ich zuvor getragen; und weil meines Herrn Mund nicht eckelicht war / bedorfft ich zu meiner Koch-Kunst desto weniger Geschickligkeit; demnach mirs aber zum öfstern an Saltz / Schmaltz und Gewürtz mangelte / wurde ich meines Handwercks auch müd / trachtet derowegen Tag und Nacht / wie ich mit guter Manier außreissen möchte / vornemlich weil ich den Früling wieder erlangt hatte. Als ich nun solches ins Merck setzen wolle / nam ich mich an / die Schaf- und Kühkutteln / deren es voll umb unser Quartier lag / ferne hin16 wünschte E4

28 erwarte E2-4

so Herren E2

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Zweyte- Buch.

weg zu schläiffen / damit solche kein so üblen Geruch mehr machten; solches ließ ihm der Obriste gefallen / als ich nun damit umbgieng / blieb ich / da es buntfei ward / zuletzt gar auß / und entwischt in den nächsten Wald.

Da« XVI. Capitel. QtatSin Handel und Wesen wurde aber allem Ansehen nach / je länger je ärger / ja so schlim / daß ich mir einbildete / ich sehe nur zum Unglück geboren / dann ich war wenig Stun­ den von den Croaten hinweg / da erhascheten mich etliche Schnapp Hanen; diese vermeynten ohn Zweiffel / etwas rechts an mir gefangen zu haben / weil sie bey finsterer Nacht mein närrisch Kleid nicht sahen / und mich gleich durch [182] zween auß ihnen an einen gewissen Ort / inWald hinein führen lassen; Als mich diese dahin brachten / und es zugleich stockfinster wurde / wolle der eine Kerl kurtzumb Geld von mir haben / zu solchem End legte er seine Handschuh sampt dem Feur-rohr nider / und fieng an mich zu vilitiren / fragend / Wer bistu? hastu Geld? So bald er aber mein haarig Kleid / und die lange Esels-ohren an meiner Kappe (die er vor Hömer ge­ halten) begriffe / und zugleich die hellscheinende Funcken (welche gemeiniglich der Thiere Häut sehen lassen / wenn man sie in der Finstere streichet) gewahr wurde / erschrack er / daß er ineinander fuhr; solches merckete ich gleich / derowegen strigelt ich / ehe er sich wieder erholen / oder etwas besinnen konte / mein Kleid mit beyden Händen dermassen / daß es schimmerte / als wenn ich inwendig voller brennendem Schwefel gestöcken wäre / und antwortet ihm mit erschröcklicher Stimm: Der Teuffel bin ich / und will dir und deinem Ge­ sellen die Häls umbdrehen! Welches diese zween also er­ schreckte / daß sie sich alle beyde durch Stöck und Stauden so geschwind darvon trolleten / als wenn sie das höllisch Feuer gejagt hätte: Die finstere Nacht konte ihren schnellen Laufs nicht hindern / und ob sie gleich offt an Stöck / Stein / Stamm und Bäum liessen / und noch öffter zu Haussen fielen / rafften sie sich doch geschwind wieder aufs / solches trieben sie / biß ich keinen mehr hören konte; ich aber lachte unterdessen so

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36

Deß Abentheurl. SimpliciHimi

schröcklich / daß es im gantzen Wald erschallete / welches ohne Zweiffel in einer solchen finstern Einöde fürchterlich anzu­ hören war. Ms ich mich nun abwegs machen wolle / strauchelt [183] ich über das Feuer-whr / das nam ich zu mir / weil ich bereits mit dem Geschoß umbzugehen / bey den Croaten gelemet hatte; da ich weiter schritte / stieß ich auch an einen Knappsack / welcher gleich meinem Kleid von Kalbsellen gemacht war / ich Hube ihn ebenmässig miss / und fand / daß eine PatronDäsche mit Pulver / Bley und aller Zugehör wol versehen / unden daran hienge. Ich hängte alles an mich / nam das Rohr aufs die Achsel wie ein Soldat / und verbarg mich ohnweit darvon in einen dicken Busch / der Meynung / daselbst ein Weil zu schlaffen: Aber so bald der Tag anbrach / kam die gantze Parthey miss vorbenanten Platz / und suchten das ver­ lorne Feur-rohr sampt dem Knappsack/ ich spitzte die Ohren wie ein Fuchs / und hielte mich stiller als eine Mauß / wie sie aber nichts fanden / verlachten sie die zween / so von mir entflohen waren: Pfuy ihr fäige Tropffen / sagten sie / schämt euch ins Hertz hinein / daß ihr euch von einem einigen Kerl erschrecken / verjagen / und das Gewehr nemmen laßt! Aber der eine schwur / der Teuffel sott ihn holen / wanns nicht der Teuffel selbst gewesen sey / er hätte ja die Hömer und seine rauhe Haut wol begriffen; der ander aber gehub sich gar übel / und sagte: Es mag der Teuffel oder sein Mutter gewesen seyn / wenn ich nur meinen Rantzen wieder hätte. Einer von ihnen / welchen ich vor den vornehmsten hielte / antwortet diesem / und sagte: Was meynstu wol / daß der Teuffel mit deinem Rantzen und dem Feuer-rohr machen wolte / ich dörffte mein Hals verwetten / wo nicht der Kerl / den ihr so schändlich entlauffen lassen / beyde Stück mit sich genommen. Diesem hielte ein anderer Widerpart / und [184] sagte / es könne auch wol seyn / daß seither etliche Bauren da gewesen wären / welche die Sachen gesunden und auffgehoben hätten / solchem wurde endlich von Mlen Beyfall gegeben / und von der gantzen Partey vestiglich geglaubt / daß sie den Teuffel selbst unter Handen gehabt hätten / vornemlich weil der jenige / so mich in der Finstere vilitiren wollen / nicht allein solches mit 6 umb$ugeben 7 meinen E2-4 11 unten E4 i3 davon E4 14 anbracht E2 anbrache E‘ ro erschröcken E2-‘ 22 solle E4 24 erhub E4 28 meynest du E2-4 32 fönte E4 34 hatten E4 35 Ab lern E4

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grausamen Flüchen bekräftiget / sondern auch die rauhe funcklende Haut und beyde Hörner / als gewisse Wahrzeichen einer teuMschen Eigenschaft / gewaltig zu beschreiben und herauß zu streichen wüste. Ich vermeyne auch / wenn ich mich unversehens hätte wiederum sehen lassen / daß die gantze Partey entloffen wäre. Zuletzt / als sie lang genug gesucht / und doch nichts funden hatten / namen sie ihren Weg weiters / ich aber machte den Rantzen auf zu frühestücken / und langte im ersten Griff einen Seckel herauß / in welchem dreyhundert und etlich sechtzig Ducaten waren. Ob ich nun hierüber erfreuet worden / be­ darf zwar keines fragend: Wer der Leser sey versichert / daß mich der Knappsack vielmehr erfreute / weil ich ihn mit Pro­ viant so wol versehen sahe / als diese schöne Summa Golds selbst. Und demnach dergleichen Gesellen bey den gemeinen Soldaten viel zu dinn gesäet zu seyn pflegen / daß sie solche mit sich auf Partey schleppen sollen / als mache ich mir die Gedancken / der Kerl müsse diß Geld auf eben derselbigen Partey erst heimlich erschnappt / und geschwind zu sich in Rantzen geschoben haben / damit er solches mit den andern nicht partirn dörfe. Hierauf zehrte ich frölich zu morgen / fand auch [185] bald ein lustig Brünnlein / bey welchem ich mich erquickte / und meine schöne Ducaten zehlete. Wann mirs allbereit das Leben gülte / ich solle anzeigen / in welchem Land oder Ge­ gend ich mich damals befunden / so fönte ichs nicht; ich blieb anfangs so lang im Wald / als mein Proviant währte / mit welchem ich sparsam Hauß hielte / als aber mein Rantzen läer worden / jagte mich der Hunger in die Bauren-Häuser / da kroch ich bey Nacht in Keller und Küchen / und nam von Essen­ speiß / was ich fand und wagen mochte / das schleppte ich mit mir in Wald / wo er am allerwildesten war / darinnen führte ich wieder überall ein Einsidlerisch Leben wie hiebevor / ohne daß ich sehr viel stale / und desto weniger betete / auch keine stetige Wohnung hatte / sondern bald hie bald dort hin schwäiffte. Es kam mir trefflich wol zu statten / daß es im An­ fang deß Sommers war / doch tonte ich auch mit meinem Rohr Feuer machen / wann ich wolle. 17 machte E2-4 is big] deß E2-4 Gelte E4 E4 35 stete E4

is in den E4 25 gelte

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Deß Abentheurl. Simplioiltimi

Das Xm Capitel. IfüRter währendem diesem meinem Umbschwäiffen haben mich hin und wieder in denWäldern unterschiedliche Baursleut angetroffen / sie seynd aber allezeit vor mir geflohen / nicht weiß ich / wars die Ursach / daß sie ohne das durch den Krieg scheu gemacht / verjagt / und niemals recht beständig zu Hauß waren; oder ob die Schnapphanen die jenige Abentheur / so ihnen mit mir begegnet / in dem Land außgesprengt haben? Mso daß hemach diese / so mich nachgehends gesehen / ingleichem geglaubt / der böse Feind wandere warhafftig in selbiger Gegend umb-s186jher / derowegen muste ich sorgen / das Proviant möchte mir außgehen / und ich dardurch endlich ins äusserste Verderben kommen / ich wolle dann wieder Wurtzel und Kräuter essen / deren ich nicht mehr gewohnt war. In solchen Gedancken hörte ich zween Holtzhauer / so mich höchlich erfreute / ich gieng dem Schlag nach / und als ich sie sahe / nam ich ein Hand voll Dukaten auß meinem Säckel / schliche nahe zu ihnen / zeigte ihnen das anziehende Gold / und sagte: Ihr Herm / wenn ihr meiner wartet / so will ich euch die Hand voll Gold schencken; Mer so bald sie mich und mein Gold sahen / eben so bald gaben sie auch Fersengelt / und liessen Schlegel und Keil / sampt ihrem Käß und Brot-Sack ligen / mit solchem versähe ich meinen Rantzen wieder / verschlug mich in den Wald / und verzweisfelte schier / mein Lebtag wider einmal zu Menschen zu kommen. Nach langem hin und her sinnen gedacht ich: Wer weiß wie dirs noch gehet / hastu doch Geld / und wenn du solches zu guten Leuten in Sicherheit bringest / so kanstu zimlich lang wol dammb leben; Mso fiel mir ein / ich solts einnähen / dero­ wegen machte ich mir auß meinen Esels-ohren / welche die Leut so flüchtig machten / zwey Armbänder / gesellet meine Hanauische zu den Schnapphanischen Ducaten / that solche in besagte Armbänder wol arreltiven / und oberhalb den Elen­ bogen umb meine Arm binden. Wie ich nun meinen Schatz dergestalt versichert hatte / fuhr ich den Bauren wieder ein / und holte von ihrem Vorrath was ich bedorffte und erschnappen fönte / und wiewol ich noch einfältig gewest / so war ich jedoch io

ingleichen E4

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so schlau / daß ich niemal / wo ich einst einen Partien! [187] geholt / wieder an dasselbig Ort kam / dahero war ich sehr glück­ selig im steten / und wurde niemals aufs der Mauserey erdappt. Einsmal zu End deß May / als ich abermal durch mein ge­ wöhnlich / ob zwar verbottenes Mttel / meine Nahmng holen wolle / und zu dem Ende zu einem Baum-Hof gestrichen war / kam ich in die Küchen / merckte aber bald / daß noch Leut aufs waren (Nota, wo sich Hund befanden / da kam ich wol nicht hin) derowegen sperrete ich die eine Küchenthür / die in Hof gieng / Angelweit aufs / damit wann es etwan Gefahr setzte / ich stracks außreissen fönte; blieb also Maußstill sitzen / biß ich erwarten möchte / daß sich die Leut nidergelegt hätten: Unterdessen nam ich eines Spalts gewahr / den das Küchenschälterlein hatte / welches in die Stuben gieng; ich schlich hinzu / zu sehen / ob die Leut nicht bald schlaffen gehen wol­ len? aber meine Hoffnung war nichts / dann sie hatten sich erst angezogen / und an statt deß Liechts / ein schweflichte blaue Flamm miss der Sands stehen / bey welcher sie Stecken / Besem / Gablen / Still und Sands schmierten / und nachein­ ander damit zum Fenster hinauß flogen. Ich verwundert mich schröcklich / und empfand ein grosses Grausen; weil ich aber grösserer Erschröcklichkeiten gewohnt war / zumal mein Leb­ tag von den Unholden weder gelesen noch gehört hatte / achtet ichs nicht sonderlich / vornemlich weil alles so still hergieng / sondem verfügte mich / nachdem alles darvon gefahren war / auch in die Stub / bedachte was ich mit nemmen / und wo ich solches suchen wolle / und setzte mich in solchen Gedancken miss einen Sand schrittlings nider; Ich war aber [188] kaum auffgesessen / da fuhr ich sampt der Band gleichsam äugen« blicklich zum Fenster hinauß / und ließ mein Rantzen und Feur-rohr / so ich von mir gelegt hatte / vor den Schmirberlohn und so künstliche Salbe dahinden. Das Aufssitzen / davon fahren und absteigen / geschahe gleichsam in einem Nu! dann ich kam / wie mich bedünckte / augenblicklich zu einer grossen Schaar Bolds / es sey dann / daß ich auß Schrecken nicht geacht hab/wie lang ich aufs dieser weitenRäis zugebracht/diese tantzten einen wunderlichen Tantz / dergleichen ich mein Lebtag nie

3 EinSmahlö E3 4 e verkokten« E2 7 Bauren-Hof E2-1 » ich io sperrte E4 r» ein E4 3i meinen E4 z« Augenblücklich E2

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Deß Abentheurl. Simplicilßmi

gesehen / dann sie hatten sich bey den Händen gefast / und viel Ring ineinander gemacht / mit zusamm gekehrten Rucken / wie man die drey Gratien abmahlet / also daß sie die An­ gesichter heraußwarts kehrten; der inner Ring bestund etwan in 7. oder 8. Personen / der ander hatte wol noch so viel / der dritte mehr als diese beyde / und so fortan / also daß sich in dem äusser» Ring über 200. Personen befanden; und weil ein Ring oder Craiß umb den andern lincks / und die andere rechts herumb tantzte / tonte ich nicht sehen / wie viel sie solcher Ring gemacht / noch was sie in der Mitten / darumb sie tantzten/ stehen hatten. Es sahe eben greulich seltzam auß / weil die Köpff so possierlich durcheinander haspelten. Und gleich wie der Tantz seltzam war / also war auch ihre MuXic, auch sänge / wie ich vermeynte / ein jeder am Tantz selber drein / welches ein wunderliche Hannoniam abgab / meine Banck die mich hin trug / ließ sich bey den Spielleuten nieder / die ausserhalb der Ringe umb den Tantz herum stunden / deren etliche hatten an statt der Flöten / Zwerchpfeiffen und Schalmeyen / nichts anders als Ratern / [189] Vipern und Blindschleichen / darauff sie lustig daher pfiffen: Etliche hatten Katzen / denen sie in Hindern bliesen / und aufs dem Schwantz fingerten / das lautet den Sack-Pfeiffen gleich: Andere geigeten aufs Roßköpffen / wie aufs dem besten Discant, und aber andere schlugen die Harpffe aufs einem Kühgeribbe / wie solche aufs dem Wasen ligen / so war auch einer vorhanden / der hatte eine Hündin underm Arm / deren leyert er am Schwantz / und fingert ihr an den Dutten / darunter trompeteten die Teuffel durch die Rase / daß es int gantzen Wald erschallete / und wie dieser Tantz bald auß war / fieng die gantze höllische Gesellschafft an zu rasen / zu ruffen j zu rauschen / zu brausen / zu heulen / zu wüten und zu toben / als ob sie alle toll und thöricht gewest wären. Da kan jeder gebenden / in was Schrecken und Furcht ich gesteckt. In diesem Leimen kam ein Kerl aufs mich dar / der hatte ein ungeheure Krott unterm Arm / gern so groß als eine Heerpaucke / deren waren die Därm auß dem Hindern gezogen / und wieder zum Maul hinein geschoppt / welches so garstig außsahe / daß mich darob kotzerte; Sehin Simplici, sagte er / 3 drey fehlt E3 4 7 äussersten E4 26 unterm E4 38 sag E4

23 den E2-4

24 Harpffen E4

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ich weiß / daß du ein guter Lautenist bist / laß uns doch ein sein Stückgen hören: Ich erschrack daß ich schier umbfiel / weil mich der Kerl mit Nahmen nennete / und in solchem Schrecken verstummte ich gar / und bildete mir ein / ich lege in einem so schweren Traum / bat derowegen innerlich im Hertzen / daß ich doch erwachen möchte / der mit der Krott aber / den ich fteiff ansähe / zog seine Nasen auß und ein / wie ein Calecutscher Han / und stieß mich endlich aufs die Bmst / daß ich bald darvon erstickte; derowegen stetige ich an überlaut zu [190] Gott zu ruffen / da verschwand das gantze Heer. In einem Huy wurde es stocksinster / und mir so fürchterlich umbs Hertz / daß ich zu Boden fiele / und wol 100. Creutz vor mich machte. Das XVIII. Capitel.

Emnach es etliche / und zwar auch vornehme gelehrte Leut darunter gibt / die nicht glauben / daß Hexen oder Un­ holden seyen / geschweige daß sie in der Lufft hin und wieder fahren sollen; Ms zweisfele ich nicht / es werden sich etliche finden / die sagen werden / Simplicius schneide hier mit dem grossen Messer miss: Mit denselben begehre ich nun nicht zu fechten / dann weil auffschneiden keine Kunst / sondern jetziger Zeit fast das gemeineste Handwerck ist / als kan ich nicht leug­ nen / daß ichs nicht auch tönte / dann ich müste ja sonst wol ein schlechter Tropf seyn. Welche aber der Hexen Außfahren verneinen / die stellen ihnen nur Simonem den Zauberer vor / welcher vom bösen Geist in die Lusft erhaben wurde / und auff S. Petri Gebet wieder herunter gefallen. Nicolaus Remigius, welcher ein dapfferer / gelehrter und verständiger Mann gewesen / und im Hertzogthum Lothringen nicht nur ein halb Dutzet Hexen verbrennen lassen / erzehlet von Jo­ hanne von Hembach / daß ihn seine Mutter / die eine Hex war / im 16. Jahr seines Alters / mit sich auff ihre Versamlung genommen / daß er ihnen / weil er hatte lernen Pfeiffen / beym Tantz auffspielen solle; zu solchem End stiege er auff einen Baum / pfiffe daher / und sihet dem Tantz mit Fleiß zu (viel­ leicht weil ihm alles so wunderlich vorkam). Endlich spricht er: Behüt lieber GOtt / [191] woher kompt so viel närrisch und 7 E4 Caletcutschcr L" 12 mit E4 meinen E2-4 29 dutzent E4 30 fein E4 einem E4 35 weil c6 E4 vorkam) E1-2-4

Zroff K2 24 ver­ ein E4 33 stieg E4

23

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

unsinniges Befind? Er hatte aber kaum diese Wort außgesagt / so fiel er vom Baum herab / betratest eine Schulter / und rufst ihnen umb Hülff zu / aber da war niemand als er; Wie er dieses nachmals ruchbar machte / hieltens die meiste vor ein Fabel / biß man kurtz hernach Catharinam Praevotiam Zauberey halber fienge / welche auch bey selbigem Tantz gewesen / die betonte alles wie es Hergängen / wiewol sie von dem gemeinen Geschrey nichts wüste / das Hembach außgesprengt hatte. Majolus setzet zwey Exempel / von einem Knecht / so sich an sein Frau gehängt / und von einem Ehe­ brecher / so der Ehebrecherin Büchsen genommen / sich mit deren Salben geschmiert / und also beyde zu der Zauberer Zusammenkunfft kommen seyn. So sagt man auch von einem Knecht / der frühe auffgestanden / und den Wagen ge­ schmiert / weil er aber die unrechte Büchs in der Finstere erdappt / hat sich der Wagen in die Lufft erhoben / also daß man ihn wieder herabziehen müssen. OlausMagnus erzehlet in lib. 3. Hist, de gentibus Septentrional. 1. cap. 19. daß Hadingus König in Dennemarck wieder in sein Königreich / worauß er durch etliche Auffrührer vertrieben worden / fern über das Meer aufs befcOthini Geist durch die Lufft gefahren/ welcher sich in ein Pferd verstellt hätte. So ist auch mehr als genugsam betont / was gestalt theils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen / ihre Beyschläfer deß Nachts einen weiten Weg aufs Böcken zu sich holen lassen. Was Torquemadius in seinem Hexamerone von seinem Schulgesellen erzehlt / mag bey ihm gelesen werden. Ghirlandus schreibet auch von einem vornehmen Mann / [192] welcher als er gemerckt / daß sich sein Weib salbe / und darauff auß dem Hauß fahre / habe er sie einsmals gezwungen / ihn mit sich aufs der Zauberer Zusammenkunfft zu nehmen; Als sie daselbst assen / und kein Saltz vorhanden war / habe er dessen begehrt / mit grosser Mühe auch erhalten / und darauff gesagt: GOtt sey gelobt / jetzt kompt das Saltz! Darauff die Liechter erloschen / und alles verschwunden. Als es nun Tag worden / hat er von den Hirten verstanden / daß er nahend der Statt Benevento, im Königreich Neapolis / und also wol 100. Meil von seiner Heimat sehe; Derowegen ob er wol reich gewesen / habe er i unsinnig E4 18 cap. 9. E4

e selbigen E4 io seine E4 12 geschmieret E2-4 19 Hardignus E2 4 21 Orthini E2 4 22 hätt E4 26 von fernem] von seinen E4 27 Ghirlandus E2 4 28 welchen E2 4

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doch nach Hauß bettlen müssen / und als er heim kam / gab er alsbald sein Weib vor eine Zauberin bey der Obrigkeit an / welche auch verbrennt worden. Wie Doctor Faust neben noch andern mehr / die gleichwol keine Zauberer waren / durch die Lufft von einem Ort zum andern gefahren / ist auß seiner Histori genugsam bekant. So hab ich selbst auch eine Frau und eine Magd getont / seynd aber / als ich dieses schreibe / beyde todt / wiewol der Magd Vatter noch im Leben / diese Magd schmierte einsmals ausf dem Herd beym Feuer ihrer Frauen die Schuh / und als sie mit einem fertig war / und solchen beyseit setzte / den andern auch zu schmieren / fuhr der geschmierte ohnversehens zum Kamin hinauß' diese Beschicht ist aber verduscht geblieben. Solches alles melde ich nur darumb / damit man eigentlich darvor halte / daß die Zauberinnen und Hexenmeister zu Zeiten leibhafftig aufs ihre Versamlungen fahren / und nicht deßwegen / daß man mir eben glau­ ben müsse / ich sey wie ich gemeldt hab / auch so dahin ge­ fahren / dann es gilt mir gleich / es [193] mags einer glauben oder nicht / und weis nicht glauben will / der mag einen anbetn Weg ersinnen / aufs welchem ich auß dem Stifft Hirschfeld oder Fulda (dann ich weiß selbst nicht / wo ich in den Wäldem herumb geschwaifft hatte) in so kurtzer Zeit ins Ertz-Stifft Magdeburg marchiit sehe.

Das XIX. Capitel. Cfcßf) fang meine Histori wieder an / und versichere den Leser / -v daß ich miss dem Bauch ligen bliebe / biß es allerdings heller Tag war / weil ich nicht das Hertz hatte / mich auffzurichten; zu dem zweiffelt ich noch / ob mir die erzehlte Sachen geträumt hätten / oder nicht? und ob ich zwar in zimlichen Aengsten stacke / so war ich doch so kühn zu entschlossen / weil ich gedachte / ich tonte an keinem ärgern Ort / als in einem wilden Wald ligen / in welchem ich die meiste Zeit / sint ich von meinem Knan war / zubracht j und dahero derselben zimlich gewohnt hatte. Ungefähr umb 9. Uhr Vormittag war es / als etliche Fouragier kamen / die mich aufsweckten / da sahe ich erst / daß ich mitten im freyen Feld war; diese namen

13 meldte E4 i7 sc ne E4 36 freyem E2-4

25

versicherte Tv-‘

35

Fouragierer E4

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10

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25

30

35

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mich mit ihnen zu etlichen Windmühlen / und nachdem sie ihre Früchten allda gemahlen hatten / folgends in das Läger vor Magdeburg / allda ich einem Obristen zu Fuß zu theil ward / der fragte mich / wo ich her käme / und was vor einem Herrn ich zugehörig wäre? Ich erzehlte alles Haar-klein / und weil ich die Croaten nicht nennen tonte / beschrieb ich ihre Kleidungen / und gab Gleichnussen von ihrer Sprach / auch daß ich von denselben Leuten geloffen wäre; von meinen Ducaten schwiege ich still / und was ich von meiner [194] Lufftfahrt und dem Hexen-Tantz erzehlete / das hielte man vor Einfäll und Narrentheidungen / vornemlich weil ich auch sonst in meinem Diseurs das tausend ins Hunderte warff: Indessen samblete sich ein Haussen Volcks umb mich her / (dann ein Narr machet 1000. Narren) unter denselben war einer / so das vorig Jahr in Hanau gefangen gewesen / und allda Dienst angenommen hatte / folgends aber wieder unter die Käiserl. kommen war / dieser kante mich und sagte gleich: Hoho / diß ist deß Commandanten Kalb zu Hanau! Der Obrist fragte ihn meinet wegen mehrere Umbständ / der Kerl wüste aber nichts weiters von mir / als daß ich wol auff der Lauten schlagen tönte / item daß mich die Croaten von deß Obrist Corpes Regiment / zu Hanau vor der Vestung hinweg genommen hätten / so dann / daß mich besagter Commandant ungern verloren / weil ich gar ein artlicher Narr wäre. Hierauff schickte die Obristin zu einer anbetn Christin / die zimlich wol auff der Lauten tonte / und deßwegen stetig eine nach­ führte / die liesse sie umb ihre Lauten bitten / solche kam / und wurde mir praefentirt / mit Befelch / ich solle eins hören lassen; Mer meine Meynung war / man solle mir zuvor etwas zu essen geben / weil ein läerer und dicker Bauch / wie die Laut einen hatte / nicht wol zusammen stimmen würden; Solches geschahe / und demnach ich mich zimlich bekröpfft / und zugleich einen guten Trunck Zerbster Bier verschlucket hatte / ließ ich beydes mit der Lauten und meiner Stimme hören was ich tonte / dameben redete ich allerley untereinander / wie mirs einfiel /so/ daß ich mit geringer Mühe die Leut dahin brachte / daß sie glaubten / ich [195] wäre von der jenigen Qualität / die meine Kleidung vorstellte. Der Obriste fragte mich / wo

16 roiebtr fehlt E‘ 22 Corps E1 26 tönte E2-4 30 Saute E4

Zweyter Buch.

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ich weiters hin wolte? und da ich antwortet / daß es mir gleich gelte; wurden wir deß Handels eins / daß ich bey ihm bleiben / und sein Hof-Juncker seyn solle. Er wolte auch wissen / wo meine Esels-Ohren hinkommen wären? Ja / sagte ich / wann du wüstest / wo sie wären / so würden sie dir nicht übel an­ stehen: Aber ich tonte wol verschweigen / was sie vermochten / weil all mein Reichthum darinn lagen. Ich wurde in kurtzer Zeit bey den meisten hohen Officiern / so wol im Chur Sächsischen als Käiserl. Läger bekant / sonder­ lich bey dem Frauenzimmer / welches meine Kappe / Ermel und abgestutzte Ohren überall mit seidenen Banden zierte / von allerhand Farben / so daß ich schier glaube / daß etliche Stutzer die jetzige Mode darvon abgesehen. Was mir aber von den Officierern an Geld geschenckt wurde / das theilte ich wieder mildiglich mit / dann ich verspendirte alles bey einem Heller / in dem ichs mit guten Gesellen in Hamburger und Zerbster Bier / welche Gattungen mir trefflich wol zuschlugen / versöffe; unangesehen ich an allen Orten / wo ich nur hin kam / genug zu schmarotzen hatte. Ws mein Obrister aber ein eigene Lauten vor mich überkam / denn er gedachte ewig an mir zu haben / da darfst ich nicht mehr in den beyden Sägern so hin und wieder schwermen / sondern er (Miete mir einen Hofmeister dar / der mich beob­ achten / und dem ich hingegen gehorsamen solle: Dieser war ein Mann nach meinem Hertzen / dann er war still / verständig / wolgelährt / von guter / aber nicht überflüssiger Conver-[196] saiion, und was das gröste gewesen / überauß gottsförchtig / wol belesen / und voll allerhand Wissenschafften und Künsten / bey ihm muste ich deß Nachts in seiner Zelten schlaffen / und bey Tag dorfft ich ihm auch nicht auß den Augen / er war eines vomehmen Fürsten Rath und Beampter / zumal auch sehr reich gewesen / weil er aber von den Schwedischen biß in Grund ruinirt worden / zumaln auch sein Weib mit tobt abgangen / und sein einiger Sohn Armut halber nicht mehr studiren tonte / sondern unter der Chur Sächsischen Armee vor einen Musterschreiber dienete / hielte er sich bey diesem Obristen aufs / und liesse sich vor einen Stallmeister gebrauchen / umb zu verharren / biß die gefährliche Kriegsläufften am @16» 7 läge E4 2i dorffte E4

9 in E2-1 io Kappel / Ärmel E2-4 37 umb] und E4

ie gutem E4

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Strom sich änderten / und ihme alsdann die Sonne seines vorigen Glücks, wieder scheinen möchte. Da- XX. Capitel. mein Hofmeister mehr alt als jung war / also fönte er auch die gantze Nacht nicht durchgehend schlaffen / solches war ein Ursach / daß er mir in der ersten Wochen hinder die Briefs kam / und außtrücklich vernam / daß ich kein solcher Narr war / wie ich mich stellete: Wie er denn zuvor auch etwas gemerckt / und von mir auß meinem Angesicht ein anders geurtheilet hatte / weil er sich wol aufs die Phifiognomiam verstund. Ich erwachte einsmals umb Mitternacht / und machte über mein eygen Leben und seltzame Begegnussen allerley Gedancken / stunde auch aufs / und erzehlte Dancksagungs-weis alle Gutthaten / die mir mein lieber Gott er­ wiesen / und die Gefahren / auß welchen er mich errettet; legte mich Her-s197^>nach wider nider mit schweren Seufftzen / und schlieff vollends auß. Mein Hofmeister hörete alles / thät aber / als wenn er hart schlieff / und solches geschahe etliche Rächt nacheinander / also daß er sich genugsam versichert hielte / daß ich mehr Ver­ stand hätte / als mancher Betagter / der sich viel einbilde; doch redet er nichts mit mir im Zelt hiervon / weil sie zu dinne Wänd hatte / und er gewisser Ursachen halber nicht haben wolte / daß noch zur Zeit / und ehe er meiner Unschuld ver­ sichert wäre / jemand anders diese Geheimnus wüste. Eins­ mals gieng ich hinder das Läger spatzieren / welches er gern geschehen liesse / damit er Ursach hätte mich zu suchen / und also die Gelegenheit bekäme / allein mit mir zu reden: Er fand mich nach Wunsch an einem einsamen Ort / da ich meinen Gedancken Audienz gab / und sagte: Lieber guter Freund / weil ich dein bestes zu suchen unterstehe / erfreue ich mich / daß ich hier allein mit dir reden kan; Ich weiß / daß du kein Narr bist / wie du dich stellest / zumalen auch in diesem elenden und verächtlichen Stand nicht zu leben begehrest: Wenn dir nun deine Wolfahrt lieb ist / auch zu mir als einem ehrlichen Mann / dein Vertrauen setzen wilst / so faustn mir deiner Sachen i ändern E4 6 hinter E4 i ausdrücklich E4 n volgendö E4 22 ju] so E4 26 hinter E4 2? hätt E4 34 dit nun^> nun dir E4

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Bewandnus erzehlen / so will ich hingegen / wo möglich / mit Rath und That bedacht seyn / wie dir etwan zu helffen seyn möchte / damit du auß deinem Narrnkleid kommest. Hierauff fiel ich ihm umb den Hals / und erzeigte mich vor übriger Freud nicht anders / als wann er ein Prophet gewest wäre / mich von meiner Narrn-Kapp zu erlösen; und nachdem wir sich aufs die Erde [198] gesetzt hatten / erzehlte ich ihm mein gantzes Leben / er beschaute meine Hand / und ver­ wundert sich beydes über die verwichene und künfftige seltzame Zufälle; Wolte mir aber durchauß nicht rathen / daß ich in Bälde mein Narrn-Kleid ablegen solte / weil er / wie er sagte / vermittelst der Chiromantia sahe / daß mir mein fatum eine Gefängnus androhe / die Leib- und Lebens­ gefahr mit sich brächte. Ich bedanckte mich seiner guten Nei­ gung und mitgetheilten Raths / und bat GOtt / daß er ihm seine Treuhertzigkeit belohnen / Ihn selber aber / daß er (weil ich von aller Welt verlassen wäre) mein getreuer Freund und Batter seyn und bleiben wolte. Demnach stunden wir aufs / und kamen aufs den Spiel­ platz / da man mit Würffeln turnieret / und alle Schwur mit hundert tausend mal tausend / Galleen / Rennschifflein / Tonnen und Stattgräben voll / rc. herauß fluchte; der Platz war ungefähr so groß als der Alte Marckt zu Cöln / überall mit Mänteln überstreut / und mit Tischen bestellt / die alle mit Spielern umbgeben waren; Jede Gesellschafft hatte drey viereckigte Schelmenbeiner / denen sie ihr Glück vertrauten / weil sie ihr Geld theilen / und solches dem einen geben / dem andern aber nemmen mustern So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer / (Schulderer wolte ich sagen / und hätte doch schier Schinder gesagt) dieser Ampt war / daß sie Richter seyn / und zusehen sollen / daß keinem unrecht ge­ schehe; sie liehen auch Mäntel / Tisch und Würffel her / und wüsten deßwegen ihr Gebühr so wol vomGewin einzunemmen/ daß sie gewöhnlich das meiste Geld erschnappten / doch faselt es nicht / dann sie verspiel-[199]tens gemeiniglich wieder / oder Wenns gar wol angelegt wurde / so bekams der Marquetender / oder der Feldscherer / weil ihnen die Kopfs offt gewaltig ge­ flickt wurden. 13 androhete E4

24

überstreuet E4

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An diesen närrischen Leuten sahe man sein blauen Wunder / weil sie alle zu gewinnen vermeynten / welches doch unmüglich / sie hätten denn auß einer fremden Daschen gesetzt / und ob sie zwar alle diese Hoffnung hatten / so hieß es doch: Mel Köpff / viel Sinn / weil sich jeder Kopfs nach seinem Glück sinnete / denn etliche troffen / etliche fehlten; etliche gewanen / etliche verspielten: Derowegen auch etliche fluchten / etliche donnerten; etliche betrogen / und andere wurden besebelt; Da­ her» lachten die Gewinner / und die Verspiele! bissen die Zähn auffeinander; theils verkaufften Kleider / und was sie sonst lieb hatten / andere aber gewinneten ihnen das Geld wieder ab; etliche begehrten redlicheWürffel / andere hingegen wünsch­ ten falsche aufs den Platz / und führten solche unvermerckt ein / die aber andere wieder hinweg wurffen / zerschlugen / mit Zähnen zerbissen / und den Scholderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würffeln befanden sich Mderländer / welche man schläiffend hinein rollen muste / diese hatten so spitzige Rucken / darauff sie die fünffer und sechser trugen / als wie die magere Esel darauff man die Soldaten setzt. Andere waren Oberländisch / denselben muste man die Bayrische Höhe geben / wenn man werffen wolte: Etliche waren von Hirschhorn / leicht oben / und schwer unden gemacht: Andere waren mit Queck­ silber oder Bley / und aber andere mit zerschnittenen Haaren / Schwämmen / Spreu und Koten gefüttert; [200] etliche hatten spitzige Eck / an anbetn waren solche gar hinweg geschliffen; theils waren lange Kolben / und theils sahen auß wie breite Schildkrotten. Und alle diese Gattungen waren aufs nichts anders / als aufs Betrug verfertigt / sie thaten das jenige / worzu sie gemacht waren / man mochte sie gleich Wippen / oder sanfft schleichen lassen / da halff kein knüpffens / geschweige jetzt deren / die entweder zween fünffer / oder zween sechser / und im Gegentheil entweder zwey Eß oder zwey Dauß hatten: Mt diesen Schelmenbeinern zwackten / lauteten und stalen sie einander ihr Geld ab / welches sie vielleicht auch geraubt / oder wenigst mit Leib- und Lebensgefahr / oder sonst saurer Mühe und Arbeit erobert hatten. Als ich nun so da stunde / und den Spielplatz sampt den Spielern in ihrer Thorheit betrachte / sagte mein Hofmeister / 3 denn] dem E2-34 s jeden E1-2-4 i» Scholderen E2-4 n dieselbige E4 rr unten E4 rr an] den E2-4 r« breite] beyde E4 28 verfertiget E4 37 so fehlt E2-4

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wie mir das Wesen gefalle? Ich antwortet / daß man so greu­ lich GOtt lästert / gefällt mir nicht / im übrigen aber lasse ichs in seinem Werth und Unwerth beruhen / als eine Sach die mir unbetont ist / und aufs welche ich mich noch nichts verstehe; Hierauff sagte mein Hofmeister ferner: So wisse / daß dieses der aller-ärgste und abscheulichste Ort im gantzen Läger ist / dann hier sucht man eines andern Geld / und verlieret das (einige darüber: Wann einer nur einen Fuß hieher setzt / in Meynung zu spielen / so hat er das zehende Gebot schon übertretten / welches will / Du folt deines Nächsten Gut nicht begehren! Spielestu und gewinnest / sonderlich durch Betrug und falsche Würffel / so übertrittest du das siebend und achte Gebot: Ja es ton kommen / daß du auch zu einem Mörder an dem [201] jenigen wirst / dem du sein Geld abgewonnen hast / wenn nemlich dessen Verlust so groß ist / daß er darüber in Armut / in die äusserste Noth und Defperation, oder sonst in andere abscheuliche Laster geräth / darvor die Außred nichts hilfst / wenn du sagst: Ich hab das Meinig daran gesetzt / und redlich gewonnen; dann du Schalck bist aufs den Spielplatz gangen / der Meynung / mit eines andern Schaden reich zu werden: Verspielest du dann / so ists mit der Buß botutnb nicht außgericht / daß du deß Deinigen entberen must / sondem du hasts / wie der Reiche Mann / bey GOtt schwerlich zu ver­ antworten / daß du das jenige so unnütz verschwendet / welches er dir zu dein und der Deinigen Lebens-Auffenthalt verliehen gehabt! Wer sich aufs den Spielplatz begibt zu spielen / der­ selbe begibt sich in eine Gefahr / darinnen er nicht allein sein Geld / sondem auch sein Leib / Leben / ja was das allerschröcklichste ist / so gar seiner Seelen Seeligkeit verlieren ton. Ich sage dir dieses zur Nachricht / liebster Simplici, weil du vorgibst / das Spielen sey dir unbetont / damit du dich all dein Lebenlang darvor hüten sollest. Ich antwortet / Liebster Herr / wann dann das Spielen ein so schröcklich und gefährlich Ding ist / warumb lassens dann die Vorgesetzte zu? mein Hofmeister antwortet mir / Ich will nicht sagen darum / dieweil theils Dfsteter selbst mit machen; sondem es geschicht deßwegen / weil es die Soldaten nicht mehr lassen wollen / ja auch nicht lassen können / dann wer i man] ich E4 « er schon ~ Gebot Übertritten E4 E4 2> ist E2-4 25 verliehren E2-4 30 sagte E2-4 36 Officircr E4

12 übertrittst 32 davor E4

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sich dem Spielen einmal ergeben / oder welchen die Gewonheit/ oder vielmehr der Spiel-Teuffel eingenommen / der wird nach und nach (er gewinne oder [202] verspiele) so verpicht darauff / daß ers weniger lassen kan / als den natürlichen Schlaff; wie man dann sitzet / daß etliche die gantze Nacht durch und durch raßlen / und vor das beste Essen und Trincken hinein spielen / und sollen sie auch ohne Hemd davon gehen: Das Spielen ist bereits zu unterschiedlichen malen bey Leib- und Lebensstraff verbotten / und auß Befelch der Generalität durch Rumormeister / Provosen / Hencker und Steckenknecht / mit gewaffneter Hand öffentlich und mit Gewalt verwehret worden; Aber das halff alles nichts / dann die Spieler kamen anderwerts in heimlichen Mnckeln / und hinder den Hecken zusammen / ge­ wannen einander das Geld ab / entzweyten sich / und brachen einander die Hals darüber: Also daß man solcher Mord und Todtschläg halber / und vornemlich auch / weil mancher sein Gewehr und Pferd / ja so gar sein weniges Commifs-Stot verspielte / das Spielen nicht allein wieder öffentlich erlauben / sondern so gar diesen eigenen Platz darzu widmen muste / damit die Haupt-wacht bey der Hand wäre / die allem Unheyl / so sich etwan ereignen möchte / vorkäme / welche doch nicht allezeit verhüten kan / daß nicht einer oder der ander auff dem Platz bleibt. Und weil das Spielen deß leydigen Teuffels eigene Invention ist / und ihme nicht wenig einträgt / also hat er auch absonderliche Spiel-Teuffel geordnet / und in der Welt herumb schwermen / die sonst nichts zu thun haben / als die Menschen zum Spielen anzuräitzen; diesen ergeben sich unterschiedliche leichtfertige Gesellen durch gewisse Pacten und Bündnus / daß er sie gewinnen lasse; und wird man doch unter zehentausend Spielern selten einen reichen [203] finden / sondern sie sind gewöhnlich im Gegentheil arm und dürfftig / weil ihr Gewin leicht geschähet / und dahero gleich entweder wieder verspielet / oder sonst liederlich verschwendet wird: Hiervon ist das allzuwahre / aber sehr erbärmliche Sprüchwort entsprungen / Der Teuffel verlasse keinen Spieler / er lasse sie aber Blut-arm werden; dann er raubet ihnen Gut / Muth und Ehr / und verkäst sie alsdann nicht mehr / biß er sie endlich auch gar (GOttes unendliche Barmhertzigkeit komme io gemästeter E4 13 hinter E4 i? wenigs E4 E4 38 unendliche] unendliche Güte und E4

28 leichtfertigen

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ihm dann zuvor) umb ihrer Seelen Seeligkeit bringt. Ist aber ein Spieler von Natur eines so lustigen Humors / und so großmütig / daß er durch kein Unglück oder Verlust zur Melancholey / Unmuth und andere hierauß entspringende schädliche Laster gebracht werden mag / so last ihn der arglistige böse Feind deßwegen dapffer gewinnen / damit er ihn durch Ver­ schwendung / Hoffart / Fressen / Sauffen / Huren und Buben / endlich ins Netz bringe. Ich vercreutzigte und versegnete mich / daß man unter einem Christlichen Heer solche Sachen üben liesse / die der Teuffel erfunden solt haben / sonderlich weil augenscheinlich und handgreifflich so viel zeitliche und ewige Schäden und Nachtheil darauß folgeten; Aber mein Hofmeister sagte / das sehe noch nichts was er mir erzehlt hätte / wer alles Unheyl beschreiben wolte / das auß dem Spielen entstünde / der nehme ihm eine ohnmügliche Sach vor / weil man sagt / der Wurfs / wann er auß der Hand gangen / sehe deß Teuffels / so sötte ich mir nichts anders einbilden / als daß mit jedem Würffel (wann er auß deß Spielers Hand auff dem Mantel oder Tisch daher [204] rolle) ein kleines Teuffelgen daher lauffe / welches ihn regiere / und Augen geben lasse / wie es seiner Principalen Interesse erfordere. Darbey solte ich bedencken / daß sich der Teuffel freylich nicht umbsonst deß Spielens so eyferig an­ nehme / sondern ohne Zweiffel seinen trefflichen Gewin darbey zu schöpften wisse. Darbey mercke ferner / daß gleich wie neben dem Spielplatz auch einige Schacherer und Juden zu stehen Pflegen / die von den Spielern wolfail auffkauffen / was sie etwan an Ringen / Kleidern oder Kleinodien gewonnen / oder noch zu verspielen versilbern wollen / daß eben also auch allhier die Teuffel auffpassen / damit sie bey den abgefertigten Spie­ lern / sie haben gleich gewonnen oder verloren / andere Seelen-verderbliche Gedancken erregen und hegen; bey den Gewinnem zwar bauet er schröckliche Schlösser in die Lufft / bey denen aber so verspielt haben / deren Gemüt ohne das gantz verwirrt / und desto bequemer ist / seine schädliche Eingebungen anzunehmen / setzet er ohne Zweiffel lauter solche Gedancken und Anschläg / die auff nichts anders als das endliche Ver­ derben zielen. Ich versichere dich / Simplici, daß ich willens 16 unmögliche E2-4

saget E4

ao bey fehlt E4

34 verspielet E2 4

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bin / von dieser Materi ein gantz Buch zu schreiben / so bald ich wieder bey den Meinigen zu Ruhe komme / da will ich den Verlust der edlen Zeit beschreiben / die man mit dem Spielen unnütz hinbringet; nicht weniger die grausame Flüch / mit welchen man Gott bey dem Spielen lästert; Ich will die Scheltwort erzehlen / mit welchen man einander antastet / und viel schröckliche Exempel und Historien mit einbringen / die sich bey / mit / und in dem Spielen zutragen; dabey ich dann die Duell und Todtschläg / [205] so Spielens wegen ent­ standen / nicht vergessen will; ja ich will den Geitz / den Zorn / den Neid / den Eyfer / die Falschheit / den Betrug / die Vortelsucht / den Diebstal / und mit einem Wort / alle unsinnige Thorheiten beydes der Würffel- und Kartenspieler mit ihren lebendigen Farben dermassen abmahlen und vor Augen stellen/ daß die jenige / die solches Buch nur einmal lesen / ein solch Abscheuen vor dem Spielen gewinnen sollen / als wenn sie Säu-Milch (welche man den Spielsüchtigen wider solche ihre Kranckheit ohnwissend eingibt) gesoffen hätten. Und also da­ mit der gantzen Christenheit darthun / daß der liebe GOtt von einer einzigen Compagnia Spieler mehr gelästert / als sonst von einer gantzen Armee bedienet werde. Ich lobte seinen Vor­ satz / und wünschte ihm Gelegenheit / daß er solchen ins Merck setzen möchte.

Das XXI. Lapitel. Cfla@in Hofmeister wurde mir je länger je holder / und ich ihm hingegen wiederumb / doch hielten wir unsere Beiträulichkeit sehr geheim / ich agitte zwar einen Narrn / brachte aber keine grobe Zotten noch Büffelspossen vor / so daß meine Gaben und Auffzüg zwar einfältig genug / aber jedoch mehr sinnreich als närrisch fielen. Mein Obrister / der ein trefflichen Lust zum Wäidwerck trug / name mich einsmal mit / als er außspatzierte Feldhüner zu fangen mit dem Tyras / welche Invention mir trefflich wol gefiele; Dieweil aber der vor­ stehende Hund so hitzig war / daß er einzufallen Pflegte / ehe man tyrassiren tonte / deßwegen wir dann wenig fangen kanten: Da gab ich dem Obristen den Rath / er {ölte die [206] Hündin mit einem Falcken oder Stein-Wler belegen lassen \ 13

der fehlt E4

21

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26

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wie man mit Pferden und Eseln zu thun pflege / wenn man gerne Maulthier hätte / damit die junge Hund Flügel be­ kämen / so tonte man alsdann mit denselbigen die Hüner in der Lufft fangen. Auch gab ich den Vorschlag / weil es mit Eroberung der Statt Magdeburg / die wir belagert hielten / so schläfferig hergieng / man solle ein mächttg langes Säil / so dick als ein halb Füderiges Faß tierfettigen / solches umb die Statt ziehen / und alle Menschen sampt dem Vieh in beyden Sägern daran spannen / und dergestalt die Statt in einem Tag übern Haussen schlaiffen lassen. Solcher närrischen Dauben und Grillen ersänne ich täglich einen Überfluß / weil es meines Handwercks war / so daß man meine Werckstatt nie läer fand: So gab mir auch meines Herrn Schreiber / der ein arger Gast und durchtriebener Schalck war / viel Materi an die Hand / dadurch ich auff dem Weg unterhalten wurde / den die Narren zu wandeln Pflegen / denn was mich dieser Speytiogel überredte / das glaubte ich nicht allein vor mich selbsten / sondern theilte es auch anbetn mit / wann ich etwan discurirte / und sich die Sach dahin schickte. Als ich ihn einsmals fragte / was unser Regiments Caplan vor einer sehe / weil er mit Kleidungen von andern unter­ scheiden? sagte er / Es ist der Herr Dicis & non facis, das ist auff Teutsch so viel geredt / als ein Kerl / der anbetn Leuten Weiber gibt / und selbst keine nimmt: Dieser ist den Dieben Spinnen-feind / weil sie nicht sagen was sie thun / er aber hingegen sagt / was er nicht thut; so können ihm hingegen die Dieb auch nicht so gar hold seyn / weil sie gemei=[207] niglich gehenckt werden / wenn sie die beste Kundschafft mit diesen Leuten haben. Da ich nun nachgehends den guten ehr­ lichen Pater so nennete / wurde er außgelacht / ich aber vor einen bösen schalckhafftigen Narrn gehalten / und feinet wegen gebaum-ölt. Ferners überredet er mich / man hätte die offentliche gemeine Häuser zu Prag hinder der Mauer abgebrochen und verbrennet / darvon die Funcken und der Staub / wie der Samen eines Unkrauts / in alle Welt zerstoben wäre. Item / es kämen von den Soldaten keine dapffere Helden und hertzhaffte Kerl in Himmel f sondern lauter einfältige Tropffen j Bernheuter und dergleichen / die sich an ihrem Sold genügen s ben E2-4 redete E2-4

13 33

nie] nit E4 hinter E4

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liessen; so dann keine politische Alamode Cavalliers und gallante Dames, sondern nur gedultige Job / Siemänner / langweilige Mönch / melancholische Pfaffen / BettSchwestern / arme Bettelhuren / allerhand Außwürffling / die in der Welt weder zu sieden noch zu braten taugen / und junge Kinder / welche die Bänck überall voll hofierten. Auch loge er mir vor / man nenne die Gastgeber nur darumb Würth / weil sie in ihrer Handierung under allen Menschen am fleissigsten betrachteten / daß sie entweder GOtt oder dem Teuffel zu theil würden. Vom Kriegswesen überredte er mich / daß man auch zu Zeiten mit güldenen Kuglen schiesse / und je kostbarer solche wären / je grösseren Schaden pflegten sie zu thun; ja / sagte er / man führet wol ehe gantze Kriegs-Heer mit sampt der Artollerey, Munition und Bagage, an gül­ denen Ketten gefangen daher! Weiters überredet er mich von den Weibern / daß mehr als der halbe Theil Hosen trügen / ob man sie schon nicht [208] sehe / und daß viel ihrenMännern/ wenn sie schon nicht zaubern tönten / noch Göttinnen wären / als Diana gewesen / grössere Hörner aufs die Köpff gauckelten/ als Actseon getragen; Welches ich ihme alles glaubte / so ein dummer Narr war ich. Hingegen unterhielte mich mein Hofmeister / wenn er allein bey mir war / mit viel einem andern Diseurs, er brachte mich auch in seines Sohns Kundschafft / welcher wie hiebevor ge­ meldet worden / bey der Chur Sächsischen Armee ein Muster­ schreiber war / und weit andere Qualitäten an sich hatte / als meines Obr. Schreiber; dahero mochte ihn mein Obrister nicht allein gerne leiden / sondern er war auch bedacht / ihn von seinemCapitain loß zu handlen/und zu seinem RegimentsSecretario zu machen / auff welche Stell obgemeldter sein Schreiber sich auch spitzete. Mit diesem Musterschreiber / welcher auch wie sein Vatter Ulrich Hertzbruder hiesse / machte ich ein solche Freundschafft / daß wir ewige Brüderschafft zusammen schwuren / Krafft deren wir einander in Glück und Unglück / in Lieb und Leyd / nimmermehr verlassen wollen: Und weil dieses mit Wissen seines Vattern geschahe / hielten wir den Bund desto vester und steiffer / demnach läge uns nichts härter an / als wie wir i liesse Ei2*4 8 Handlhierung E2-4 24 wie fehlt E4 34 Bruderschafft E2

unter E4

u Pagage E4

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meines Narren-Kleids mit Ehren loß werden / und einander rechtschaffen dienen möchten; welches aber der alte Hertz­ bruder / den ich als meinen Vatter ehrete und vor Augen hatte / nicht gut hiesse / sondern außtrücklich sagte: Wenn ich in kurtzer Zeit meinen Stand änderte / daß mir solches ein schwere Gefängnus und grosse Leib- und Lebensgefahr gebären würde: Und weil er auch ihm selbst und seinem [209] Sohn einen grossen bevorstehenden Spott prognofticirte / und dahero Ursach zu haben vermeynte / desto vorsichtiger und behut­ samer zu leben; Als wolle er sich umb so viel desto weniger in einer Person Sachen mischen / deren künfftige grosse Gefahr er vor Augen sehen tonte / dann er besorgte / er möchte meines künfftigen Unglücks theilhafftig werden / wenn ich mich offen­ barte / weil er bereits vorlängst meine Heimlichkeit gewust / und mich gleichsam in- und außwendig getont / meine Be­ schaffenheit aber dem Obristen nicht kund gethan hatte. Kurtz hernach merckte ich noch besser / daß meines Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schröcklich neidete / weil er besorgte / er möchte vor ihme zu der Secretariat-ee/ erfuhr / turnt er ihm auch die Musterschreiber-Stell / und lud ihm eine Bicque aufs / von welcher Zeit an er bey männiglich so veracht wurde / daß ihn die Hund hätten anpissen mögen / dammb er ihme dann offt den Todt wünschete! Sein Vatter aber bekümmerte sich dergestalt darüber / daß er in ein schwere Kranckheit fiel / und sich aufs das Sterben gefast machte. Und demnach er ihme ohne das hiebevor selbst prognosticitl hatte / daß er den 26. Julii Leib- und Lebensgefahr außstehen müste: (welcher Tag bapn nächst vor der Thür war) Als erlangte er bey dem Obristen / daß sein Sohn noch ein­ mal zu ihm kommen dorffte / damit er wegen seiner Verlassen­ schafft mit ihm reden / und seinen letzten Willen eröffnen möchte. Ich wurde bey ihrer Zusammenkunfft nicht außgeschlossen / sondem war der dritte Mitgesell ihres Leyds; Da sahe ich / daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörfft gegen seinem Vatter / weil er seine Art und gute Aufferziehung wol wüste / und dahero seiner Unschuld genugsam versichert war: Er als ein weiser / verständiger und liess- [214]ftnntger Mann ermaß ohnschwer auß den Umbständen / daß Olivier seinem Sohn diß Bad durch den Provosen hatte zurichten lassen / was vermochte er aber wider einen Zauberer? von dem er noch ärgers zu besorgen hatte / wann er sich anders einiger Rach hätte unterfangen wollen; Ubkr diß versähe er sich seines Todts / und wusle doch nicht gemhiglich zu sterben / weil er seinen Sohn in solcher Schand hinder sich lassen solle: In welchem Stand der Sohn desto weniger zu leben getraute / utttb wie vielmehr er ohne das wünschte / vor dem Vatter zu sterben. Es war versichert dieser beyder Jammer so erbärmlich 11 anbissen E4

i» noch! doch E4

19

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anzuschauen / daß ich von Hertzen Wehnen muste! zuletzt war ihr gemeiner einhelliger Schluß / GOtt ihre Sach in Gedult heimzustellen / und der Sohn solle aufs Mittel und Weg gedencken / wie er sich von seiner Compagnia loß würcken / und anderwerts sein Glück suchen fönte; als sie aber die Sach bey dem Liecht besahen / da manglets am Geld / mit welchem er sich bey seinem Capitain loß kausfen solle / und in dem sie betrachteten und bejammerten / in was vor einem Elend sie die Armuth gefangen hielte / und alle Hoffnung abschnitte / ihren gegenwärtigen Stand zu verbessern / erinnerte ich mich erst meiner Ducaten / die ich noch in meinen Esels-Ohren ver­ nähet hatte; Fragte derowegen / wie viel sie dann Gelds zu dieser ihrer Notdurfft haben müsten? der Junge Hertzbmder antwortet / wenn einer käme / und uns hundert Thaler brächte / so getraute ich auß allen meinen Nöthen zu kommen: Ich antwortet / Bruder / wann dir damit geholffen wird / so hab ein gut Hertz / dann ich will dir hundert Ducaten geben: Ach [215] Bruder / antwortet er mir hinwiedemmb / was ist das? bistu dann ein rechter Narr? oder so leichtfertig / daß du uns in unserer äussersten Trübseeligkeit noch schertzest? Nein / nein / sagte ich / ich will dir das Geld Herschiessen; sträiffte darauff mein Wambs ab / und that das eine Esels-ohr von meinem Arm / öffnete es / und ließ ihn selbst 100. Ducaten darauß zehlen und zu sich nemmen / das übrige behielt ich / und sagte: Hiermit will ich deinem krancken Vatter außwarten / wann er dessen bedarff. Hierauff fielen sie mir umb den Hals / küßten mich / und wüsten vor Freuden nicht was sie thaten / wollen mir auch eine Handschrifft zustellen / und mich darinnen versichern / daß ich an dem alten Hertzbruder neben seinem Sohn ein Mit-Erb seyn solle; oder daß sie mich / wann ihnen Gott wieder zu dem Ihrigen hülffe / umb diese Summam sampt dem Interesse wiedemmb mit grossemDanck befriedigen wollen: Deren ich aber keines annam / sondern allein mich in ihre beständige Freundschafft beföhle. Hierauff wolle der junge Hertzbmder verschwören / sich an dem Olivier zu rächen / oder darumb zu sterben! Aber sein Batter verbotte ihm solches / und versichert ihn / daß der jenige / der den Olivier todt schlüg / wieder von mir dem Simplicio den Rest 6 mangeltö E2-4 11 meiner] meine E4 23 meinen E2 28 ein E2 4 29 den E2'4 31 Summa E4 34 wole E2 wolt E4 38 schlug E4 den] dem E4

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kriegen werde; doch / sagte er / bin ich dessen wol vergewissert / daß ihr beyde einander nicht umbbringen werdet / weil keiner von euch durch Waffen umbkommen solle. Demnach hielte er uns an / daß wir Aydlich zusammen schwuren / einander biß in den Todt zu lieben / und in allen Nöthen beyzustehen. Der junge Hertzbruder aber entledigte sich mit dreissig Reichsthalem / darvor ihm sein ©a*[216]jntam einen ehrlichen Ab­ schied gab / verfügte sich mit dem übrigen Geld und guter Gelegenheit nach Hamburg / mondirte sich allda mit zweyen Pferden / und liesse sich unter der Schwedischen Armee vor einen Frey-Reuter gebrauchen / mir indessen unsern Batter befehlende.

Das XXIV. Capitel. €?>©net von meines Obristen Leuten schickte sich besser / dem alten Hertzbruder in seiner Kranckheit abzuwarten / als ich / und weil der Krancke auch mehr als wol mit mir zu frieden war / so wurde mir auch solches Ampt von der Obristin miss» getragen / welche ihm viel Guts. erwiese / und demnach er neben so guter Pfleg auch wegen seines Sohns sattsam er­ quickt worden / besserte es sich von Tag zu Tag mit ihm / also daß er noch vor dem 26. Julii fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte / doch wolt er sich noch inhalten / und kranck stellen / biß bemeldter Tag / vor welchem er sich mercklich entsetzte / vorbey wäre: Indessen besuchten ihn allerhand Ofsicier von beyden Armeen / die ihr künfftig Glück und Un­ glück von ihm wissen wollen / dann weil er ein guter Mathematicus und Nativitäten*@teUei / benebens auch ein vortrefflicher Phisiognomift und Chiromanticue war / fehlte ihm seine Außsag selten; ja er nennete so gar den Tag / an welchem die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschahe / sintemal ihm viel zukamen / denen umb dieselbige Zeit einen gewaltthätigen Todt zu leiden angedrohet war; Die Obristin versichert er / daß sie ihr Kindbett noch im Läger außhalten würde / weil vor Außgang der sechs Wochen [217] Magdeburg an die Unselige nicht übergehen würde: Dem falschen OUvior, der sich gar zutäppisch bey ihm zu machen wüste / sagte er außdrücklich / daß er eines gewaltthätigen Todts sterben müste j

i vergwissert E4 » übrigem E4 ie wol mit] von E2-4 23 bemelder E2 2s Lfficierer E4 28 befehlt« E2-4 2»amE2-4 3v wel­ chen E4 32 Christen E2'4

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und daß ich seinen Todt / er geschehe wann er wolle / rächen / und seinen Mörder wieder umbbringen würde / weßwegen mich Olivier folgender Zeit hoch hielte; mir selbsten aber erzehlet er meinen künfftigen gantzen Lebenslaufs so umbständlich / als wenn er schon vollendet / und er allezeit bey mir gewesen wäre / welches ich aber wenig achtet / und mich jedoch nachgehends vielen Dings erinnert / das er mir zuvor gesagt / nachdem es schon geschehen oder wahr worden / vornemlich aber wamet er mich vorm Wasser / weil er besorgte / ich würde meinen Untergang darinn leiden. Ms nun der 26. Julii eingetreten war / vermahnet er mich und einen Fourierschützen (den mir der Obriste aufs sein Be­ gehren denselben Tag zugegeben hatte) gantz treulich / wir sollen niemand zu ihm ins Zelt lassen: Er lag also allein darinnen / und betet ohn Unterlaß / da es aber umb den Nachmittag wurde / kam ein Leutenant auß dem ReuterLäger daher geritten / welcher nach deß Obristen Stallmeister fragte; Er wurde zu uns / und gleich darauff wieder von uns abgewiesen / er toolte sich aber nicht abweisen lassen / sondern bäte den Fourierschützen mit untergemischten Berheissungen / ihn vor den Stallmeister zu lassen / als mit welchem er noch diesen Abend nothwendig reden müste / weil aber solches auch nicht heissen wolle / fieng er an zu fluchen / mit Donner und Hagel drein zu kollem / und zu sagen / er sehe schon so vielmal dem Stallmeister zu gefallen [218] geritten / und hätte ihn noch niemals daheim angetroffen / so er nun jetzt einmal vor­ handen seye / solle er abermal die Ehr nicht haben / nur ein einig Wort mit ihm zu reden; stiege darauff ab / und liesse sich nicht verwehren / das Zelt selbst auffzuknüpffen / worüber ich ihn in die Hand bisse / aber ein dichte Maulschelle darvor bekam. So bald er meinen Mten sahe / sagte er / der Herr sey gebettelt / mir zu verzeyhen / daß ich die Frechheit brauche / ein Wort mit ihm zu reden: Wol / antwort der Stallmeister / was beliebt dann dem Herrn? Nichts anders / sagte der Leute­ nant / als daß ich den Henn bitten wolle / ob er sich liesse belieben / mir meine Nativität zu stellen? Der Stallmeister antwortet / Ich will verhoffen / mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben / daß ich demselben vor dißmal meiner Kranck30

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heit halber nicht willfahren kan / dann weil diese Arbeit viel Rechnens braucht / wirds mein blöder Kopfs jetzo nicht ver­ richten können / wann er sich aber biß morgen zu gedulden beliebt / will ich ihm verhoffentlich genügsame Satisfaction thun; Herr / sagte hierauff der Leutenant / er sage mir nur etwas dieweil auß der Hand: Mein Herr / antwort der alte Hertzbmder / dieselbe Kunst ist gar mißlich und betrüglich / derowegen bitte ich / der Herr wolle mich damit so weit verschohnen / ich will morgen hergegen alles gerne thun / was der Herr an mich begehrt. Der Leutenant wolle sich doch nicht abweisen lassen / sondem trotte meinem Satter vors Bett / streckt ihm die Hand dar / und sagte: Herr / ich bitt nur umb ein paar Wort / meines Lebens End betreffend / mit Ver­ sicherung / wann solches etwas böses seyn feite / daß ich deß Herm Red als ein $3ar»[219]mmg von GOtt annehmen will / umb mich desto besser vorzusehen / darumb bitte ich umb Gottes willen / der Herr wolle mir die Warheit nicht verschweigen! Der redliche Alte antwortet ihm hierauff kurtz / und sagte: Nun wolan / so sehe sich der Herr dann wol vor / damit er nicht in dieser Stund noch auffgehenckt werde; Was / du alter Schelm / sagte der Leutenant / der eben ein rechten Hundssofs hatte / sollest du einem Cavallier solche Wort vorhalten dörffen? zog damit von Leder / und stach meinen lieben alten Hertzbmder im Bett zu todt! Ich und der Fourierschütz rufften alsbald Leimen und Mordio / also daß alles dem Gewehr zulieffe / der Leutenant aber machte sich unverweilt aufs seinen Schnellfuß / wäre auch ohne Zweifsel entritten / wann nicht eben der Churfürst in Sachsen mit vielen Pferden persöhnlich vorbey geritten wäre / und ihn hätte einholen lassen: Als Derselbe den Handel vernam / wendet er sich zu dem von Hatzfeld / als unserm General / und sagte nichts anders als dieses: Da« wäre ein schlechte Disciplin in einem Räiser-

lichen Läger / wann auch ein Rrancker im Bett vor den Mördern seines Lebens nicht sicher seyn solte! Das war ein scharffer Sentenz, und genugsam / den Leutenant umb das Leben zu bringen; gestalt ihn unser General alsbald an seinen allerbesten Hals auffhencken liesse. 3 gebulten E2-4

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Das XXV. Capitel. IssUß dieser warhafftigen Histori ist zu sehen / daß nicht so ** gleich alle Wahrsagungen zu verwerffen seyen / wie etliche Gecken thun / die gar nichts glauben können. So kan man auch hierauß abnehmen / [220] daß der Mensch sein auffgesetztes Ziel schwerlich überschreiten mag / wann ihm gleich sein Unglück lang oder kurtz zuvor durch dergleichen Weissa­ gungen angedeutet worden. Aufs die Frag / die sich ereignen möchte / obs einem Menschen nötig / nützlich und gut sehe / daß er sich wahrsagen / und die Nativität stellen lasse? Ant­ worte ich allein dieses / daß mir der Alte Hertzbruder so viel gesagt habe / daß ich offt gewünschet / und noch wünsche / daß er geschwiegen hätte / dann die unglückliche Fäll / die er mir angezeigt / hab ich niemals umbgehen können / und die jenige die mir noch bevor stehen / machen mir nur vergeblich graue Haar / weil mir besorglich dieselbige auch / wie die vorige / zu Handen gehen werden / ich sehe mich gleich für denselben vor oder nicht: Was aber die Glücks-Fälle anbelangt / von denen einem geweissaget wird / davon halte ich / daß sie äfftet betrügen / oder auffs wenigste den Menschen nicht so wol gedeyen / als die unglückselige Prophezeyhungen: Was halff michs / daß mir der alte Hertzbruder hoch und theur schwur / ich wäre von Edlen Eltern geboren und erzogen worden / da ich doch von niemand anders wüste / als von meinem Knan und meiner Meüder / die grobe Baurs-Leut im Spessert waren. Item was halffs den von Wallenstein / Hertzogen in Friedland / daß ihm prophezeyt wurde / er werde gleichsam mit Säitenspiel zum König gekrönet werden? weiß man nicht / wie er zu Eger eingewieget worden? Mögen derowegen andere ihre Köpff über dieser Frag zerbrechen / ich komme wieder auss meine Histori. Als ich erzehlter Massen meine beyde Hertzbrüder verloren hatte / verleydet mir das gantze Läger vor [221] Magdeburg / welches ich ohne das nur ein leinene und ströherne Statt / mit irdenen Mauren / zu nennen pflegte. Ich wurde meines Stands so müd und satt / als wenn ichs mit lauter eisernen Kochleffeln gefressen hätte / einmal / ich gedachte mich nicht 2

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mehr von jederman so voppen zu lassen / sondern meines Narrn-Kleids loß zu werden / und solle ich gleich Leib und Leben darüber verlieren. Das setzte ich folgender gestalt sehr liederlich ins Werck / weil mir sonst keine bessere Gelegenheit anstehen wolle. Olivier der Secretariua, welcher nach deß Stilen Hertz­ bruders Todt mein Hofmeister worden war / erlaubte mir offt mit den Knechten aufs Fourage zu reuten / als wir nun einsmals in ein groß Dorff kamen / darinnen etliche den Reutern zuständige Bagage logirte / und jeder hin und wieder in die Häuser gienge / zu suchen was etwan mit zu nehmen wäre / stal ich mich auch hinweg / und suchte / ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte / umb welches ich meine NarrnKappe verdauschen tönte; Aber ich fände nicht was ich wolle / sondem muste mit einem Weiber-Kleid vor lieb nemmen; Ich zöge selbiges an / weil ich mich allein sahe / und warff das meinig in ein (Beeret / mir nicht anders einbildende / als daß ich nunmehr auß allen meinen Nöthen errettet worden. In diesem Auffzug gieng ich über die Gaß gegen etlichen OsficiersWeibern / und macht so enge Schrittlein / als etroon Achilles gethan / da ihn seine Mutter bemLicomedi recommenditte / ich war aber kaum ausser Dach hervor kommen / da mich etliche Fouragierer sahen / und besser springen lernten / dann als sie schryen / Halt / halt! liesse ich nur desto ftär=[222]der / und kam ehender als sie zu obgemeldten Osfieiererin / vor denselben fiele ich auff die Knye nider / und bäte umb aller Weiber Ehr und Tugend willen / sie wollen meine Jungfer­ schafft vor diesen gäilen Buben beschützen! Allda meine Bitt nicht allein statt fände / sondem ich wurde auch von einer Rittmeisterin vor eine Magd angenommen / bey welcher ich mich beholffen / biß Magdeburg / item die Werberschantz / auch Havelberg und Perleberg von den Unfern eingenommen worden. Diese Rittmeisterin war kein Kind mehr / wiewol sie noch jung war / und bematrete sich dermassen in meinen glatten Spiegel und geraden Leib / daß sie mir endlich nach lang­ gehabter Mühe und vergeblicher umbschwaiffender Weitläuffigkeit nur allzu Teutsch zu verstehen gab / wo sie der 3 Da E1'1 io Pagage E34 io Officirerö-Wcibcrn E4 ten E4 37 Weitläufftigkeit E2-1 3» nur] mir E4

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Schuh am meisten drücke; ich aber war damals noch viel zu gewissenhafft / that als wenn ichs nicht merckte / und ließ keine andere Anzeigungen scheinen / als solche / darauß man nichts anders als eine fromme Jungfrau urtheilen mochte: Der Ritt­ meister und sein Knecht lagen in gleichem Spital kranck / derowegen befahl er seinem Weib / sie solle mich besser kleiden lassen / damit sie sich meines garstigen Bauren-Küttels nicht schämen dörffte. Sie that mehr als ihr befohlen war / und butzte mich herauß wie ein Frantzösische Popp / welches das Feuer bey allen dreyen noch mehr schürete / ja es wurde endlich bey ihnen so groß / daß Herr und Knecht eyferigst von mir begehrten / was ich ihnen nit leisten fönte / und der Frauen selbst mit einer schönen Manier verwaigerte. Zuletzt setzte ihm der Rittmeister vor / eine Gelegenheit zu ergreiffen / bey deren er [223] mit Gewalt von mir haben fönte / was ihm doch zu bekommen unmöglich war / solches meldete sein Weib / und weil sie mich noch endlich zu überwinden verhoffte / verlegte sie ihm alle Paß / und liesse ihm alle Ränck ab / also daß er vermeynte / er müsse doll und thöricht darüber werden. Einsmals als Herr und Frau schlaffen war / stund der Knecht vor dem Wagen / in welchem ich alle Nacht schlaffen muste / klagte mir seine Lieb mit heissen Threnen / und bat eben so andächtig umb Gnad und Barmherzigkeit! Ich aber erzeigte mich härter als ein Stein / und gab ihm zu verstehen / daß ich meine Keuschheit biß in Ehestand bewahren wolte; Da er mir nun die Ehe wol 1000. mal anbotte / und doch nichts anders dargegen vernam / als daß ich ihn versicherte / daß es unmöglich sehe / mich mit ihm zu verehelichen / verzweiffelt er endlich gar / oder stellte sich doch auffs wenigst nur so / dann er zöge seinen Degen auß / setzte die Spitz an die Brust / und den Knopfs an Wagen / und thät nicht anderst / als wenn er sich jetzt erstechen wolte: Ich gedachte / der Teuffel ist ein Schelm / sprach ihm derowegen zu / und gab ihm Vertröstung / am morgen frühe einen endlichen Bescheid zu ertheilen / davon wurde er content, und gieng schlaffen / ich aber wachte desto länger / dieweil ich meinen seltzamen Stand betrachtete: Ich befand wol / daß mein Sach in die Länge kein gut thun würde / dann die Rittmeisterin wurde je länger je importuner 9 putzte E4 16 ohnmüglich E4 \i überwunden E4 28 vergli­ chen E4 3i nichts anders E4 38 länger je] länger E2 4

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mit ihren Reitzungen / der Rittmeister verwegener mit seinen Zumuthungen / und der Knecht verzweiffelter in seiner be­ ständigen Liebe / ich wüste mir aber darumb nicht auß solchem Labyrinth zu helffen. Ich muste [224] offt meiner Frau bey Hellem Tag Flöh fangen / nur darumb / damit ich ihre Alabaster-weisse Brüst sehen / und ihren zarten Leib genug be­ tasten solle / welches mir / weil ich auch Fleisch und Blut hatte / in die Läng zu ertragen schwer fallen wolle; ließ mich dann die Frau zu frieden / so quälte mich der Rittmeister / und wenn ich vor diesen beyden bey Nacht Ruhe haben solle / so peinigte mich der Knecht / also daß mich das Weiber-Kleid viel saurer zu tragen ankam / als meine Narrn-Kapp; Damal (aber viel zu spat) gedachte ich fleissig an meines Seel. Hertz­ bruders Weissagung und Warnung / und bildete mir nichts anders ein / als daß ich schon würcklich in der jenigen Gefängnus auch Leib- und Lebensgefahr steckte / davon er mir gesagt hatte / dann das Weiber-Kleid hielte mich gefangen / weil ich darinn nicht außreissen tonte / und der Rittmeister würde übel mit mir gespielet haben / wenn er mich ertönt / und einmal bey seiner schönen Frauen über dem Flöh fangen erdappt hätte. Was soll ich thun? Ich beschloß endlich dieselbe Nacht / mich dem Knecht zu offenbaren / so bald es Tag würde / dann ich gedachte / seine Liebsregungen werden sich alsdann legen / und wenn du ihm von deinen Ducaten spendirest / so wird er dir wieder zu einem Mannskleid / und also in demselbigen auß allen deinen Nöthen helffen. Es wäre wol außgesonnen gewesen / wann nur das Glück gewolt hätte / aber es war mir zu wider. Mein Hans liesse ihm gleich nach Mitternacht tagen / das Jawort zu holen / und fieng an am Wagen zu rapplen / als ich eben anfieng am aller-stärcksten zu schlaffen; Er liess etwas zu laut / Sabina / Sabina / [225] Ach mein Schatz steht aufs / und halt mir euer Versprechen! also daß er den Rittmeister eher als mich darmit erweckte / weil er sein Zelt am Wagen stehen hatte / diesem wurde ohne Zweiffel grün und gelb vor den Augen / weil ihn die Eifersucht ohne das zuvor einge­ nommen / doch kam er nicht herauß unser Thun zu zerstören / sondern stund nur aufs / zu sehen / wie der Handel ablauffen n hatt E‘

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wolle; Zuletzt weckte mich der Knecht mit seiner Importunität / und nötigte mich / entweder auß dem Wagen zu ihm zu kommen / oder ihn zu mir einzulassen / ich aber schalt ihn auß / und fragte / ob er mich dann vor eine Hur ansehe? meine gestrige Zusag sey aufs den Ehestand gegründet / ausser dessen er meiner nicht theilhafftig werden tönte; Er antwort / so solle ich jedannoch auffstehen / weil es anfieng zu tagen / damit ich dem Gesind das Essen bey Zeiten verfertigen tönte / er wolle Holtz und Wasser holen / und mir das Feuer zugleich anmachen; Ich antwortet / wenn du das thun will / so kan ich desto länger schlaffen / gehe nur hin / ich will bald folgen: Weil aber der Narr nicht ablassen wolle / stunde ich aufs / mehr meine Arbeit zu verrichten / als ihm viel zu hofieren / sintemal wie mich deuchte / ihn die gestrige verzweiffelte Thor­ heit wieder verlassen hatte. Ich konte sonst zimlich wol vor eine Magd im Feld passim / dann kochen / dachen und Wäschen hatte ich bey den Croaten gelernet / so Pflegen die SoldatenWeiber ohne das int Feld nicht zu spinnen / was ich aber sonst vor Frauenzimmer Arbeit nicht konte / als wenn ich etwa» der Frauen bürsten / und Zöpff machen solle / das übersähe mir meine Rittmeisterin gern / dann sie wüste wol / daß xäß nicht gelernet. [226] Wie ich nun mit meinen hindersich gestraifften Ermeln vom Wagen herab stiege / wurde mein Hans durch meine weisse Arm so hefftig inflammirt / daß er ihm nicht abbrechen konte / mich zu küssen / und weil ich mich nicht sonderlich wehrte / vermochte es der Rittmeister / vor dessen Augen es geschahe / nicht zu erdulden / sondern sprang mit blossem Degen auß dem Zelt / meinem armen Liebhaber einen Fang zu geben / aber er gieng durch / und vergaß das wieder­ kommen; der Rittmeister aber sagte zu mir / Du Blut-Hur / ich will dich lernen rc. mehrers tonte er vor Zorn nicht sagen / sondem schlug aufs mich zu / als wann er unsinnig gewest wäre; Ich fieng an zu schreyen / darum muste er aufshören / damit er keinen Allarm erregte / dann beyde Armeen / die Sächsische und Käiserliche / lagen damals beyeinander / weil sich die Schwedische unter dem Banier näherte. 5 seye E4

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Das XXVI. Capitel. ALS es nun Tag worden / gab mich mein Herr den ReuterJungen preiß / eben als beyde Armeen völlig auffbrachen; das war nun ein Schwarm von Lumpengesind / und dahero die Hatz desto grösser und erschröcklicher / die ich außzustehen hatte / sie eyleten mit mir einem Busch zu / ihre viehische Begierden desto besser zu sättigen / wie dann diese Teuffels­ kinder im Brauch haben / wann ihnen ein Weibsbild dergestalt übergeben wird: So folgeten ihnen auch sonst viel Bursch nach / die dem elenden Spaß zusahen / unter welchen mein Hans auch war / dieser ließ mich nicht auß den Augen / und als er sahe / daß es mir gelten solte / wolte er mich mit Gewalt erretten / und [227] solte es seinen Kopfs kosten; Er bekam Beyständer / weil er sagte / daß ich sein versprochene Braut wäre / diese trugen ein Mitleiden mit mir und ihm / und be­ gehrten ihm Hülff zu leisten / solches war aber den Jungen / die besser Recht zu mir zu haben vermeynten / und ein so gute Beut nicht auß Händen lassen wollen / allerdings un­ gelegen / derowegen gedachten sie Gewalt mit Gewalt abzu­ treiben / da fienge man an Stöß außzutheilen von beyden Seiten her / der Zulaufs und der Lermen wurde je länger je grösser / also daß es schier einem Turnier gleich sahe / in welchem jeder umb einer schönen Damen willen das beste thut. Ihr schröcklich Geschrey lockte den Rumor-Meister herzu / welcher eben ankam / als sie mir die Kleider vom Leib ge­ rissen / und gesehen hatten / daß ich kein Weibsbild war / seine Gegenwart machte alles stockstill / weil er vielmehr geförcht wurde / als der Teuffel selbst / auch verstoben alle die jenige / die widereinander Hand angelegt hatten / er informitt sich der Sach kurtz / und in dem ich hoffte / er würde mich erretten / nam er mich dargegen gefangen / weil es ungewöhnlich und fast argwöhnische Sach war / daß sich ein Mannsbild bey einer Armee in Weiber-Kleidern solte finden lassen / dergestalt wanderten er und seine Bursch mit mir neben den Regimentem daher (welche alle im Feld stunden / und marchnen wollen) der Meynung / mich dem General Auditor oder General Gewaltiger zu überliefern /

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da wir aber bey meines Obristen Regiment vorbey walten / wurde ich erlernt / angesprochen / schlechtlich durch meinen Obristen bekleidet / und unserm alten Provosen [228] gefäng­ lich überliefert / welcher mich an Hände und Füß in die Eisen schlosse. Es kam mich gewaltig sauer an / so in Ketten und Banden zu marchint / so hätt mich auch der Schmalhans trefflich ge­ quält / wann mir der Secretarius Olivier nicht spendirt hätte / dann ich dorffte meine Ducaten / die ich noch bißher davon bracht hatte / nicht an deß Tages Liecht kommen lassen / ich hätte dann solche miteinander verlieren / und mich noch darzu in grössere Gefahr stecken wollen. Gedachter Olivier communicirte mir noch denselbigen Abend / warumb ich so hart gefangen gehalten wurde / und unser Regiments-Schultheiß bekam gleich Befelch / mich zu examiniren / damit meine Außsag dem General Auditor desto eher zugestellt werden möchte / dann man hielte mich nicht allein vor einen Kundschaffter und Spionen / sondern auch gar vor einen der hexen tönte/ dieweil man kurtz hernach / als ich von meinem Obristen außgetretten / einige Zauberinnen verbrennt / die bekant hatten / und darauff gestorben wären / daß sie mich auch bey ihrer General-Zusammenkunfft gesehen hätten / da sie beyeinander gewesen / die Elb außzutrücknen / damit Magdeburg desto eher eingenommen werden tönte. $)ie Puncten / darauff ich Antwort geben solle / waren diese: Erstlich / ob ich nicht ftudirt hätte / oder auffs wenigste schreibens und lesens erfahren wäre? Zweytens / warumb ich mich in Gestalt eines Narrn dem Läger vor Magdeburg genähert / da ich doch in deß Ritt­ meisters Diensten so wol als jetzt witzig genug sehe? [229] Drittens / auß was Ursachen ich mich in WeiberKleider verstellet? Viertens / ob ich mich nicht auch neben andern Unholden aufs dem Hexentantz befunden? Wo Fünfftens mein Vatterland / und wer meine Eltern gewesen seyen? Sechstens / wo ich mich auffgehalten / ehe ich in das Läger vor Magdeburg kommen? 2

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Wo und zu was End ich Sibendens die Weiber-Arbeit / als Wäschen / dachen / kochen / rc. gelernet? Item das Lauten­ schlagen? Hierauff wolte ich mein gantzes Leben erzehlen / damit die Umbständ meiner seltzamen Begegnussen alles recht erleutern / und diese Fragen mit der Warheit sein verständlich unter­ scheiden tönten; der Regiments-Schultheiß war aber nicht so curios, sondern vom marchuen müd und verdrossen / des­ wegen begehrte er nur eine kurtze runde Antwort aufs das / was gefragt würde. Demnach antwortet ich folgender gestalt / darauß man aber nichts eigentliches und gründliches fassen konte / und zwar Auff die erste Frag / Ich hätte zwar nicht studitt / fönte aber doch Teutsch lesen und schreiben. Auff die Zweyte / weil ich kein ander Kleid gehabt / hätte ich wol im Narrnkleid auffziehen müssen. Auff die Dritte / weil ich meines Narrnkleids müd gewesen / und keine Mannskleider haben können. Auff die Vierte / Ja / ich sey aber wider meinen Willen hin gefahren / könte aber gleichwol nicht zaubern. Auff die Fünffte / mein Vatterland sey der Spessert / und meine Eltern Bauersleut. [230] Auff die Sechste / zu Hanau bey dem Gubernator, und bey einem Croaten Obrist Corpes genant. Auff die Siebende / bey den Croaten hab ich Wäschen / dachen und kochen wider meinen Willen müssen lernen / zu Hanau aber das Lauten schlagen / weil ich Lust darzu hatte. Wie diese meine Außsag geschrieben war / sagte er: Wie kanstu leugnen und sagen / daß du nicht studirt habest da du doch / als man dich noch vor einen Narrn hielte / einem Priester unter währender Meß auff die Wort / Domine, non sum dignus, auch in Latein geantwort / Er dörffte solches nicht sagen / man wisse es zuvor wol? Herr / antwortet ich / das haben mich damals andere Leut gelernet / und mich über­ redet / es sehe ein Gebet / das man bey der Meß sprechen müsse / wann unser Caplan den Gottesdienst verrichte; Ja / ja / sagte der Regim. Schultheiß / ich sehe dich vor den Rechten an / dem man die Zung mit der Folter lösen muß. Ich ge-

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dachte / so helff GOtt! wanns deinem närrischen Kopfs nach­ gehet. Am andern Morgen früh kam Befehl vom General Auditor an unfern Provosen / daß er mich wol in acht nehmen solte / dann er war gesinnt / so bald die Armeen still lägen / mich selbst zu examiniten / aufs welchen Fall ich ohne Zweifsel an die Folter gemüst hätte / wann es Gott nicht anders gefügt. In dieser Gefangenschafft dachte ich stetigs an meinen Pfarrer zu Hanau / und den verstorbenen alten Hertzbruder / weil sie beyde wahr gesagt / wie mirs ergehen würde / wenn ich wieder auß meinem Narrnkleid käme.

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Das XXVII. Capitel.

Abend / als wir uns kaum gelägert hatten / wurde ich zum General Auditor geführt / der hatte meine Außsag sampt einem Schreib-zeug vor sich / und sieng an mich besser zu examiniten; ich hingegen erzehlte meine Händel / wie sie an sich selbst waren / es wurde mir aber nicht geglaubt / und tonte der General Auditor nicht wissen / ob er einen Narrn oder außgestochenen Bößwicht vor sich hatte / weil Frag und Antwort so artlich fiele / und der Handel an sich selbst seltzam war; Er hiesse mich eine Feder nehmen und schreiben / zu sehen was ich tönte / und ob etwan meine Handschrifft bekant / oder doch so beschaffen wäre / daß man etwas darauß abnehmen möchte? Ich ergriff Feder und Papier so geschicklich / als einer der sich täglich damit übte / und fragte / was ich schreiben solte? bet General Auditor [welcher vielleicht unwillig war / weil sich mein Examen tieff in die Nacht hinein verzog) antwortet: Hey schreib deine Mutter die Hur! Ich setzte ihm diese Wort dahin / und da sie gelesen wurden / machten sie meinen Handel nur desto schlimmer / dann der General Auditor sagte / jetzt glaube er erst / daß ich ein rechter Vogel sey; Er fragte den Provosen / ob man mich vifitirt / und ob man nichts von Schrifften bey mir funden hätte? Der Provos antwortet / Nein / was solt man an ihm vilitirn / weil ihn der Rumormeister gleichsam nackend zu uns gebracht: Aber Ach! das halff nichts / der Provos 7 anderst E4

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muste mich in Gegenwart ihrer aller besuchen / und indem er solches mit Fleiß verrichtet / findet er / O Unglück! meine [232] beyde Eselsohren mit den Ducaten / umb meine Arm herumb gemacht. Da hieß es / was dörffen wir ferner Zeug­ nus? Dieser Verräther hat ohne Zweiffel ein groß Schelm­ stück zu verrichten auff sich genommen / dann warumb solte sich sonst ein Gescheider in ein Narrnkleid stecken? oder ein Mannsbild in ein Weiberkleid verstellen? warumb vermeynt man wol / zu was End er sonst mit einem so ansehenlichen Stück Geld versehen sehe / als etwas grosses zu verrichten? Sagt er nicht selbst / er habe bey dem Gubernator zu Hanau den aller-verschlagnesten Soldaten in der Welt lernen auff der Lauten schlagen? Was vermeynt ihr Herren wol / was er sonst bey denselben Spitzköpffen vor lifti9e Practiquen ins Werck zu setzen begriffen habe? der nächste Weg ist / daß man morgen mit ihm auff die Folter / und wie ers verdient haben wird / dem Feur zueyle / Massen er sich ohne das bey den Zauberern befunden / und nichts bessers werth ist. Wie mir damals zu Muth gewesen / kan sich jeder leicht einbilden / ich wüste mich zwar unschuldig / und hatte ein starckes Vertrauen zu Gott; Aber dennoch sahe ich meine Gefahr / und bejammerte den Verlust meiner schönen Ducaten / welche der General Auditor zu sich steckte. Aber ehe man diesen strengen Process mit mir ins Werck setzte / geriethen die Banierische den Unserigen in die Haar / gleich anfänglich kämpfften die Armeen umb den Vorthel / und gleich darauff umb das schwere Geschütz / dessen die Unserige stracks verlustigt wurden: Unser Provos hielte zwar zimlich weit mit seinen Leuten und den Gefangenen hinder der Battalia, gleichwol aber waren wir unser Brigade so [233] nahe / daß wir jeden von Hinderwerts an den Kleidern erkennen tonten; und als eine Schwedische Esquadron auff die unserige troff / waren wir so wol als die Fechtende selbst in Todtsgefahr / dann in einem Augenblick flöge die Lufft so häuffig voller singenden Kugeln über uns her / daß es das Ansehen hatte / als ob die Salve uns zu gefallen gegeben worden wäre / darvon duckten sich die Forchtsame / als ob sie sich in sich selbst hätten verbergen wollen; die jenige aber / 3 umb] und E2-34 12 aller-verschlagencsten E4 22 welcher E4 hinter E4 31 hinterwerts E4 34 Todesgefahr E4 37 duckten fehlt E4 29

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so Courage hatten/und mehr bey dergleichen Schertz gewesen/ liessen solche ohnverblichen über sich hin streichen; Im Treffen selbst aber / suchte ein jeder seinem Todt mit Nidermachung deß Nächsten / der ihm auffstieß / vorzukommen / das greuliche schiessen / das gekläpper der Harnisch / das krachen der Biquen / und das Geschrey beydes der Verwandten und Angreiffenden/ machten neben den Trompeten / Trommeln und Pfeiffen ein erschröckliche Mufic! da sahe man nichts als einen dicken Rauch und Staub / welcher schiene / als wolte er die Abscheulichkeit der Verwandten und Todten bedecken / in demselbigen hörete man ein jämmerliches Weheklagen der Sterbenden / und ein lustiges Geschrey der jenigen / die noch voller Muth stacken / die Pferd selbst hatten das Ansehen / als wenn sie zu Berthedigung ihrer Herrn je länger je frischer würden / so hitzig erzeigten sie sich in dieser Schuldigkeit / welche sie zu leisten genötiget waren / deren sahe man etliche unter ihren Herrn todt darnider fallen / voller Wunden / welche sie unverschuldter Weis zu Vergeltung ihrer getreuen Dienste empfangen hatten; andere fielen umb gleicher Ursach willen auff ihre Reuter / und hatten also in ihrem Todt die [234] Ehr / daß sie von den jenigen getragen wurden / welche sie in währendem Leben tragen müssen; wiederumb andere / nachdem sie ihrer hertzhafften Last / die sie commandirt hatte / entladen worden / verliessen die Menschen in ihrer Wut und Raserey / rissen auß / und suchten im weiten Feld ihr erste Freyhet: Die Erde / deren Gewonheit ist / die Todteü zu bedecken / war damals an selbigem Ort selbst mit Todten überstreut / welche auff unterschiedliche Manier gezeichnet waren / Köpff lagen dorten/ welche ihre natürliche Herren verloren hatten / und hingegen Leiber / die ihrer Köpff mangleten; etliche hatten grausamund jämmerlicher Weis das Jngeweid herauß / und andern war der Kopfs zerschmettert / und das Hirn zerspritzt; da sahe man / wie die entseelte Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet / und hingegen die lebendige mit fremdem Blut beflossen waren/ da lagen abgeschossene Aerm / an welchen sich die Finger noch regten / gleichsam als ob sie wieder mit in das Gedräng wollen / hingegen rissen Kerles auß / die noch keinen Tropffen Blut ver­ gossen hatten / dort lagen abgelöste Schenckel / welche ob sie 3 seinen E34 s Geläpper E4 i fcen] der E2-4 13 Verthetigung E4 14 wurden E2*4 25 in E4 ihre E4 Freyheit E2 4 30 man­ gelten E4 35 Arm E2 4

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wol der Bürde ihres Cörpers entladen / dannoch viel schwerer worden waren / als sie zuvor gewesen; da sahe man zerstümmelte Soldaten umb Befördemng ihres Todts / hingegen andere umb Quartier und Verschohnung ihres Lebens bitten. Summa Summarum, da war nichts anders als ein elender jämmerlicher Anblick! Die Schwedische Sieger trieben unsere Überwundene von der Stell / darauff sie so ünglücklich ge­ fochten / nachdem sie solche zuvor zertrennt hatten / sie mit ihrer schnellen Verfolgung vollends zerstreuende. [235] Bey welcher Bewandnus mein Herr Provos mit seinen Gefangenen auch nach der Flucht griffe / wiewol wir mit einiger Gegen­ wehr umb die Überwinder keineFeindseeligkeit verdient hatten/ und inbente er Provos uns mit dem Todt bedrohete / und also nötigte sampt ihm durchzugehen / jagte der junge Hertzbruder daher mit noch fünff Pferden / und grüste ihn mit einer Pistoln: Sehe da / du alter Hund / sagte er / ists noch Zeit / junge Hündlein zu machen? Ich will dir deine Mühe bezahlen! Aber der Schuß beschädigt den Provosen so wenig / als einen stählernen Amboß; Oho bistu der Haar? sagt Hertzbruder / ich will dir nicht vergeblich zu gefallen herkommen seyn / du must sterben / und wäre dir gleich die Seel angewachsen / nötigt darauff einen Mußquetierer von deß Provosen bey sich ge­ habter Wacht / daß er ihn / bösem er anderst selbst Quartier haben wolle / mit einer Axt zu todt schlug. Also bekam der Provos seinen Lohn / ich aber wurde von Hertzbruder erkant / welcher mich meiner Ketten und Band entledigen / aufs ein Pferd setzen / und durch seinen Knecht in Sicherheit führen liesse.

Das XXVIII. Capitel. KH Leich wie mich nun meines Erretters Knecht auß fernerer Gefahr führete / also liesse sich sein Herr hingegen erst durch Begierd der Ehr und Beut recht hinein treiben / allerMassen er sich so weit Verhauen / daß er gefangen wurde. Demnach die sieghasfte Überwinder die Beuten theilten / und ihre Todten begruben / mein Hertzbruder aber manglete / erbte dessen Rittmeister mich mit sampt seinem Knecht und Pfer[236]den / bey welchem ich mich vor einen Reuterjungen muste > i wir] mir E4 12 hätten L" 34 theilen E2-4 35 mangelte E4

13 belrobetc E2 37 einem E4

17 Hmdlcin E2

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gebrauchen lassen / worvor ich nichts hatte / als diese Promessen / wenn ich mich wol hielte / und ein wenig besser meiner Jugend entgienge / daß er mich alsdann auffsetzen / das ist / zu einem Reuter machen wolte / wormit ich mich dann also dahin gedulden muffe. Gleich hernach wurde mein Rittmeister zum Obr. Leutenant vorgestellt / ich aber bekam dasAmpt bey ihm / welches David vor alten Zeiten bey dem König Saul vertretten / dann in den Quartieren schlug ich aufs der Lauten / und im marchiren muste ich ihm seinen Küriß nachführen / welches mir ein be­ schwerliche Sach war; Und ob zwar diese Massen / ihren Träger vor feindlichenBüffenzu beschützen/erfunden worden/ so befände ich jedoch allerdings das Miderspil / weil mich meine eigene Jungen / die ich außheckte / unter ihrem Schutz desto sicherer verfolgten / darunter hatten sie ihren stehen Paß / Spaß und Tummelplatz / so daß es das Ansehen hatte / als ob ich den Harnisch ihnen und nicht mir / zur Beschützung antrüge / sintemal ich mit meinen Armen nicht darunter kommen / und keinen Streifs unter sie thun tonte. Ich war aufs allerhand Stratagemata bedacht / wie ich diese Armada vertilgen möchte / aber ich hatte weder Zeit noch Gelegenheit sie durchs Feuer (wie in den Bach-öfen geschicht) noch durchs Wasser / oder durch Gisst (Massen ich wol wüste / was das Quecksilber vermochte) auszurotten; viel weniger vermochte ich die Mittel / sie durch ein ander Kleid oder weisst Hemder abzuschaffen / sondem muste mich mit ihnen schleppen / und Leib und Blut zum besten [237] geben / wenn sie mich dann so unter dem Harnisch plagten und nagten / so wischte ich mit einer Pistoln herauß / als ob ich hätte Kuglen mit ihnen wechseln wollen / nam aber nur den Ladstecken / und stiesse sie damit von der Kost; endlich erfand ich die Kunst / daß ich einen Beltzsleck darumb wickelte / und ein örtlich Klebgam vor sie zurichtete / wann ich dann mit diesem Lauß-Angel unter den Harnisch fuhr / fischte ich sie Dutzetweis auß ihrem Bortet / welchen ich miteinander die Häls über das Pferd abstürtzte / es mochte aber wenig erklecken. Einsmals wurde mein ObristLeutenant commandirt / eine Cavalcada mit einer starcken Parthey in Westphalen zu thun / 5

gedultcn E2-4

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eine E4

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Kugeln E4

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und wäre er damals so starck an Reutem gewesen / als ich an Läusen / so hätte er die gantze Welt erschreckt / weil solches aber nicht war / muste er behutsam gehen / auch solcher Ur­ sachen halber sich in der Gemmer Marck (das ist ein so genanter Wald zwischen Ham und Soest) heimlich halten; Damals wars mit den meinigen auffs höchste kommen / sie quälten mich so hart mit Miniren / daß ich sorgte / sie möchten sich gar zwischen Fell und Fleisch hinein logiten. Kein Wunder ists / daß die Brasilianer ihre Läus auß Zorn und Rachgier fressen / weil sie einen so drängen! Einmal / ich getraute meine Pein nicht länger zu gedulden / sondem gienge als theils Reuter fütterten/ theils schlieffen / und theils Schildwacht hielten / ein wenig beyseits unter einen Baum / meinen Feinden eine Schlacht zu liefern / zu solchem End zog ich den Hämisch auß / unan­ gesehen andere denselben anziehen / wann sie fechten wollen / und fienge ein solches Würgen und [238] Morden an / daß mir gleich beyde Schwerder an den Daumen von Blut triefften/ und voller todten Cörper / oder vielmehr Bälg hiengen / welche ich aber nicht umbbringen mochte / die verwiese ich ins Elend / und ließ sie unter dem Baum herümb spatzieren. So offt mir diese Rencontre zu Gedächtnus kompt / beist mich die Haut noch allenthalben / natürlich als ob ich noch mitten in der Schlacht begriffen wäre. Ich dachte zwar / ich solle nicht so wider mein eigen Geblüt teilten / vornemlich wider so getreue Diener / die sich mit einem hencken und radbrechen liessen / und aufs deren Menge ich offt im freyen Feld auff harter Erde sanfft gelegen wäre; aber ich fuhr doch in meiner Tyranney so unbarmhertzig fort / daß ich auch nicht gewahr wurde / wie die Käiserl. meinen Obrist Leutenant chargirten / biß sie end­ lich auch an mich kamen / die arme Läus entsetzten / und mich selbst gefangen namen / dann diese scheuten meine Mannheit gar nicht / vermittelst deren ich kurtz zuvor viel 1000. erlegt / und den Titul eines Schneiders (sieben auff einen Streich) überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner / und die beste Beut die er von mir hatte / war meines Obrist Leutenants Küris / welchen er zu Soest / da er im Quartier lag / dem Commandanten zimlich wol Verkaufste. Mso wurde er im Krieg mein sechster Herr / weil ich sein Jung seyn muste. i an Reutern fehlt E4 s wäre E4 e dem E4 11 geduldten E4 20 den E4 2i Gedächtnüß E4 23 so fehlt E4 26 und auff] und auch E2-4 36 Beute E4 Oberist E2

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Das XXIX. Capitel. ItSKfere Wirthin / wolte sie nicht / daß ich sie und ihr gantzes Hauß mit meinen Völckern besetzte / so muste sie mich auch darvon entledigen; sie machte ihnen den Procels kurtz und gut / steckt meine Lumpen [239] in Bach-ofen / und brennet sie so sauber auß wie eine alte Tabackpfeiffe / also daß ich wieder diß Unziefers halber wie in einem Rosengarten lebte I ja es kan niemand glauben / wie mir so wol war / da ich auß dieser Qual war / in welcher ich etlich Monat wie in einem Ameißhauffen gesessen; hingegen hatte ich gleich ein ander Creutz aufs dem Hals / weil mein Herr einer von den jenigen Soldaten war / die in Himmel zu kommen getrauen / er liesse sich glatt an seinem Sold genügen / und betrübte im übrigen kein Kind / sein gantze Prosperität bestünde in dem was er mit wachen verdienet / und von seiner wöchentlichen Lehnung erkargte / solches wiewol es wenig war / Hube er höher aufs / als mancher die Orientalische Perlen / einen jeden Blomeuser nähete er in seine Kleider / und damit er deren einige in Vorrath kriegen möchte / muste ich und sein armes Pferd daran sparen helffen / darvon kams / daß ich den treugen Pumpernickel gewaltig beissen / und mich mit Wasser / oder wanns wol gieng / mit dinn Bier behelffen muste / welches mir ein abgeschmacke Sach war / massen mir meine Keel von dem schwachen truckenen Brod gantz rauch / und mein gantzer Leib gantz mager wurde; wolt ich aber besser fressen / so mochte ich fielen / aber mit außtrücklicher Bescheidenheit / daß er nichts darvon innen würde: ©einet halben hätte man weder Galgen/ Esel / Hencker / Steckenknecht noch Feldscherer bedörfft / auch keine Marquetender noch Trommelschläger / die den Zapfen­ streich gethan hätten / dann sein gantzes Thun war fern von Fressen / ©aussen / Spielen und allen Duellen / wann er aber irgends hin aufs Convoy / Partey / oder sonst einen Anschlag [240] commandirt wurde / so schlendert er mit dahin / wie ein alt Weib am Stecken. Ich glaube auch gär;tzlich / wann dieser gute Dragoner solche heroische SoldatenTugenden nicht an sich gehabt / daß er mich auch nicht gefangen bekommen hätte / dann er wäre ja meinem Obrist Leutenant

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nachgerennt. Ich hatte mich keines Kleids bey ihm zu getrosten / weil er selbst über und über zerflickt daher gieng / gleichsam wie mein Einsidel; So war sein Sattel und Zeug auch kaum drey Batzen werth / und das Pferd von Hunger so hinfällig / daß sich weder Schweb noch Heß vor seinem dauerhaften nach­ jagen zu förchten hatte. Solches alles bewegte seinen Hauptmann / ihn ins Paradeis / ein so genantes Frauen-Closter / auff Salvaguardi zu legen / nicht zwar / als wäre er viel nutz darzu gewesen / sondern damit er sich begrasen / und wieder mondiren solte / vornemlich aber auch / weil die Nonnen umb einen frommen / gewissenhaften und stillen Kerl gebetten hatten. Also ritte er dahin / und ich gieng mit / weil er leyder nur ein Pferd hatte: Botz Glück Simbrecht, (dann er tonte den Nahmen Simplicius nicht behalten) sagte er unterwegs / kommen wir in das Paradeis / wie wollen wir fressen! Ich antwortet / der Nahm ist ein gut Omen, Gott geb daß der Ort auch so beschaffen sehe; Freylich / sagte er / (dann er verstünde mich nicht recht) wenn wir alle Tag zwey Ohmen von dem besten Bier fmissen tonten / so wirds uns nicht abgeschlagen / halt dich nur wol / ich will mir jetzt bald ein braven neuen Mantel machen lassen / alsdann hastu den alten / das gibt dir noch einen guten Rock; Er nennet [241] ihn recht den alten / dann ich glaub / daß ihm die Schlacht tiorPavia noch gedachte / so gar Wetter-färbig und abgeschaben sahe er auß / also daß er mich wenig damit erfreute. Das Pacadeis fanden wir / wie wirs begehrten / und noch darüber / an statt der Engel / schöne Jungfrauen darinnen / welche uns mit Speiß und Tranck also tractirten / daß ich in Kürtze wieder einen glatten Balg bekam / dann da setzte es das fetteste Bier / die beste Westphalische Schincken und Knackwürst / wolgeschmack und sehr delicat Rindfleisch / das man auß dem Saltzwasser kochte / und kalt zu essen Pflegte; da lernete ich das schwartze Brod Fingers dick mit gesaltzenem Butter schmieren / und mit Käß belegen / damit es desto besser rutschte / und wann ich so über einen Hamelskolben kam / der mit Knoblauch gespickt war / und ein gute Kanne Bier dar­ neben stahn hatte / so erquickte ich Leib und Seel / und ver­ gaffe all meines außgestandenen Leyds. In Summa / diß 3 mein] ein E2*34 8 ein so] so ein E2-4 14 Potz E4 E4 29 bekam fehlt E1-2-4 37 stehen E4

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und fehlt

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Paradeis schlug mir so wol zu / als ob es das rechte gewest wäre; kein ander Anligen hatte ich / als daß ich wüste / daß es nicht ewig währen würde / und daß ich so zerlumpt daher gehen muste. Aber gleich wie mich das Unglück Hauffenweiß überfiele / da es anfieng mich hiebevor zu reuten / also bedunckte mich auch jetzt / das Glück walte es wieder Wett spielen: Dann als mich mein Herr nach Soest schickte / seine Bagage vollends zu holen / fand ich unterwegs einen Pack / und in demselben etliche Ehlen Scharlach zu einem Mantel / sampt rothem Sammet zum Futter / das nam ich mit / und verdauschte es zu Soest mit einem Tuch-Händler / irntb gemein grün [242] wüllen Tuch zu einem Kleid / sampt der Außstaffierung / mit dem Geding / daß er mir solches Kleid auch machen lassen / und noch darzu einen neuen Hut auffgeben solle; und demnach mir nur noch ein Par neuer Schuh und ein Hemd abgieng / gab ich dem Krämer die silberne Knöpff und Galaunen auch / die zu dem Mantel gehörten / worvor er mir dann schaffte was ich noch brauchte / und mich also Nagelneu herauß butzte. Also kehrte ich wieder ins Paradeis zu meinem Herrn / welcher gewaltig kollerte / daß ich ihm den Fund nicht gebracht hatte / ja er sagte mir vom Brügeln / und hätte ein geringes ge­ nommen (wann er sich nicht geschämt / und ihm das Kleid gerecht gewesen wäre) mich außzuziehen / und das Kleid selbst zu tragen / wiewol ich mir eingebildet / gar wol gehandelt zu haben. Indessen muste sich der karge Filtz schämen / daß sein Jung besser gekleidet war als er selbsten / derowegen ritte er nach Soest / borgte Geld von seinem Hauptmann / und mondirte sich damit auffs beste / mit Versprechen / solches von seinen wöchentlichen Salvaguardi Geldern wieder zu erstatten / welches er auch fleissig thät / er hätte zwar selbsten noch wol so viel Mittel gehabt / er war aber viel zu schlau sich anzugreiffen / dann hätte ers gethan / so wäre ihm die Bernhaut entgangen / aufs welcher er denselbigen Winter im Paradeis ligen tonte / und wäre ein anderer nackender Kerl an seine statt gesetzt worden / mit der Weis aber muste ihn der Haupt­ mann wol ligen lassen / toolte er anders sein außgeliehen Geld 3 wurde E2 e anfienge E34 12 Tuch-Händler E2 13 willen E4 30 darmit E2>4 31 wöchentlichen E4 Salvaquardi Geliern E4

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wieder haben. Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben von der Welt / in welchem Siegten un»[243]fer oller« gröste Arbeit war / wann ich meines Dragoners Klepper gestriegelt / gefüttert und getränckt hatte / so trieb ich das Junckern-Handwerck / und gieng spatzieren; Das Closter war auch von den Hessen unserm Gegentheil / von der Lippstatt auß / mit einem Mußquetier lalvaguardht / derselbe war seines Handwercks ein Kürschner / und dahero nicht allein ein Meister-Sänger / sondem auch ein trefflicher Fechter / und damit er seine Kunst nicht vergösse / übte er sich täglich mit mir vor die lange Weil in allen Gewehren / worvon ich so fix wurde / daß ich mich nicht scheute ihm Bescheid zu thun wann er wolte; mein Dragoner aber kegelte an statt deß Fechtens mit ihm / und zwar umb nichts anders / als wer über Tisch das meiste Bier außsauffen muste / damit gieng eines jeden Verlust übers Closter. Das Stifft vermochte ein eigene Wildbahn / und hielte da­ hero auch einen eigenen Jäger / und weil ich auch grün ge­ kleidet war / gefettete ich mich zu ihm / und lemete ihm den­ selben Herbst und Winter alle seine Künste ab / sonderlich was das kleine Waidwerck angelangt. Solcher Ursachen halber / und weil der Nahm Simpliciua etwas ungewöhnlich / und den gemeinen Leuten vergeßlich / oder sonst schwer außzusprechen war / nennete mich jederman dar Iäjerken; darbeh wurden mir alle Weg und Steg betont / welches ich mir hernach trefflich zu Nutz machte; Wann ich aber wegen üblen Wetters in Wäldern und Feldem nicht herumb tonte schwermen / so läse ich allerhand Bücher / die mir deß Closters Verwalter lehhete. So bald aber die Adeliche Closterfrauen gewahr wurden / daß ich neben meiner [244] guten Stimm auch aufs der Lauten / und etwas wenigs aufs dem Instrument schlagen tonte / ermassen sie auch mein Thun desto genauer / und weil eine zimliche Seibd-Proportion und schönes Angesicht darzu kam / hielten sie alle mein Sitten / Wesen / Thun und Lassen vor Adelich / dergestalt nun muste ich ohnversehens ein sehr beliebter Juncker seyn / über welchem man sich ver­ wundert / daß er sich bey einem so liederlichen Dragoner behülffe. i allerfaulste EJ-‘ 2 Kegeln E4i * * 3 Dragoner E2-4 s spatziern E2 4 7 salvaguaditt E2-4 io damit er] damit E2-4 vergaste E4 übte er] übte E4 n warvon E2 17 eine E4 hielt E4 20 .Sumst E4 21 anbelangt E4 24 Jägerken E4 26 übtet) K‘ 32 dermassen E2-4 34 meine E4 37 bey fehlt E2-4

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Als ich nun solcher gestalt denselben Mnter in aller Wollust hingebracht hatte / wurde mein Herr abgelöst / welches ihm miss das gute Leben so and that / daß er darüber erkranckte / und weil auch ein starckes Fieber darzu schlug / zumalen auch die alte Mucken / die er sein Lebtag im Krieg auffgefangen / darzu kamen / machte ers kurtz / allermassen ich in drey Wochen hernach etwas zu begraben hatte / ich machte ihm diese Grabschrifft:

Der Schmalhans liget hier / ein dapfferer Soldat / Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat. Von Rechts und Gewonheit wegen hätte der Hauptmann Pferd und Gewehr / der Führer aber die übrige Verlassen­ schafft zu sich nehmen und erben sollen / weil ich aber damals ein frischer auffgeschossener Jüngling war / und Hoffnung gäbe / ich würde mit der Zeit meinen Mann nicht fürchten / wurde mir alles zu überlassen angebotten / wenn ich mich an meines verstorbenen Herrn statt unterhalten lassen wolte; ich nams umb so viel desto lieber an / weil mir bekant / daß mein Herr in seinen alten Hosen ein zim-^245^>liche Anzahl Ducaten eingenähet verlassen / an welchen er sein Lebtag zusammen gekratzt hatte / und als ich zu solchem End meinen Nahmen / nemlich Simplicius Simpliciflimus angab / der Muster­ schreiber (welcher Cyriacus genant war) solchen aber nicht Orthographie^ schreiben fönte / sagte er: Es ist kein Teuffel in der Höll / der also Heist; und weil ich ihn hierauff geschwind fragte / ob dann einer in der Höll wäre / der Cyriacus hiesse? er aber nichts zu antworten wüste / ob er sich schon klug zu seyn dünckte / gefiel solches meinem Hauptmann so wol / daß er gleich im Anfang viel von mir hielte.

Das XXX. Capitel. SJgSil dem Commandanten in Soest ein Kerl im Stall mangelte / wie ich ihn einer zu seyn gedünckte / sahe er nicht gern / daß ich ein Soldat worden war / sondern unter­ stunde sich / mich noch zu bekommen / messen er meine Jugend vorwandte / und mich vor keinen Mann passiren lassen wolte; und als er solches meinem Herm vorhielte / schickte er auch 4 zumaln E4 10 alle E4 E4 27 er sich^ ich E2-4

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Hölle

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nach mir / und sagte: Hör Jägergen / du solst mein Diener werden; Ich fragte / was dann meine Verrichtungen seyn sotten? Er antwort / du solst meiner Pferd helffen warten; Herr / sagte ich / wir sind nicht voreinander / ich hätte lieber einen Herrn / in dessen Diensten die Pferd aufs mich warten / weil ich aber keinen solchen werde haben können / will ich ein Soldat bleiben; Er sagte / dein Bart ist noch viel zu klein! O Nein / sagte ich / ich getraue einen Mann zu bestehen der achtzig Jahr alt ist / der Bart schlägt keinen Mann / sonst würden die Böck hoch aeftimirt [246] werden; Er sagte / wann die Courage so gut ist / als das Maul-Leder / so will ich dich noch passim lassen; Ich antwortet / das kan in der nächsten Occafion probirt werden / und gab damit zu verstehen / daß ich mich vor keinen Stallknecht wolte gebrauchen lassen. Mso ließ er mich bleiben der ich war / und sagte / das Merck würde den-Meister loben. Hierauff wischte ich hinder meines Dragoners alte Hosen her / und nachdem ich dieselbe anatomirt hatte / schaffte ich mir auß deren Jngeweid noch ein gut Soldaten-Pferd / und das beste Gewehr so ich kriegen konte / das muste mir alles gläntzen wie ein Spiegel: Ich liesse mich wieder von neuem grün kleiden / weil mir der Nahm Jäger sehr beliebte / mein altes Kleid aber gab ich meinem Jungen / weil mirs zu klein worden / also ritte ich selb ander daher wie ein junger Edel­ mann / und dünckte mich fürwahr keine Sau zu seyn; ich war so kühn / meinen Hut mit einem dollen Federbusch zu zieren wie ein Officier / dahero bekam ich bald Neider und Miß­ gönner / zwischen denselben und mir setzte es zimlich empfind­ liche Wort / und endlich gar Ohrfeigen: Ich hatte aber kaum einem oder drey gewiesen / was ich im Paradeis vom Kürsch­ ner gelernet hatte / da ließ mich nicht allein jederman zu frieden / sondern es suchte auch ein jeglicher meine Freund­ schafft. Darneben liesse ich mich beydes zu Roß und Fuß auffs Partey gehen gebrauchen / dann ich war wol beritten / und schneller aufs den Füssen als einer meines gleichen / und wenn es etwas mit dem Feind zu thun gab / warff ich mich Herfür / wie das Böß in einer Wannen / und wolte allzeit vom dran seyn / davon wurde ich in kurtzer Zeit [247] bey Freunden 27

Officierer E4

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allezeit E4

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und Feinden bekant / und so berühmt / daß beyde Theil viel von mir hielten / allermassen mir die gefährlichste Anschlag zu verrichten / und zu solchem End gantze Parteyen zu commanditett anvertraut wurden / da fienge ich an zuzugreiffen wie ein Böhm / und wann ich etwas namhafftes erschnappte / gab ich meinen Officiern so reiche Part darvon / daß ich selbig Handwerck auch an verbottenen Orten treiben dorffte / weil mir überall durch geholffen wurde. Der General Graf von Götz hatte in Westphalen drey feindliche Guarnisonen übrig gelassen / nemlich zu Dorsten / Lippstatt und Coeßfeld / denen war ich gewaltig moleft, dann ich lag ihnen mit geringen Partheyen bald hier bald dort schier täglich vor den Thoren / und erhaschte manche gute Beut / und weil ich überall glück­ lich durch kam / hielten die Leut von mir / ich fönte mich unsichtbar machen / und wäre so vest wie Eisen und Stahl / davon wurde ich geförcht wie die Pest / und schämten sich 30. Mann vom Gegentheil nicht / vor mir durchzugehen / wann sie mich nur mit 15. in der Nähe wüsten. Zuletzt kam es dahin/ wo nur ein Ort in Contribution zu setzen war / daß ich solches alles verrichten muste / davon wurde mein Beutel so groß als mein Nahm / meine Officier und Cameraden liebten ihren Jäger / die vornehmste Parteygänger vom Gegentheil entsetzten sich / und den Landmann hielt ich durch Forcht und Liebe miss meiner Seiten / dann ich wüste meine Widerwertige zu straffen / und die so mir nur den geringsten Dienst thäten / reichlich zu belohnen / allermassen ich bey nahe die Helffte meiner Beuten wieder verspendirte / und auff Kundschafften außlegte. Solcher Ursachen [248] halber gieng keine Partey / keine Convoy / noch keine Räis auß deß Gegentheils Posten / deren Außfahrt mir nicht zu wissen ward gethan / alsdann conjecturitt ich ihr Vorhaben / und macht meine Anschläg darauff / und weil ich solche mehrentheils durch Beystand deß Glücks wol ins Werck setzte / verwunderte sich jedweder über meine Jugend / so gar / daß mich auch viel Officier und brave Soldaten vom Gegentheil nur zu sehen wünschten / darneben erzeigte ich mich gegen meinen Gefangenen überauß dilcret, also daß sie mich offt mehr kosteten / als meine Beuten werth waren / und wann ich einem vom Gegentheil / sonderlich den Officierern E4 davon E4 u fönte E4 19 nun E2-4 Gon­ 2i Officierer E4 30 wird E4 33 verwundert E4 34 Officierer E4 36 erzeige E2*4 6

tribution E2

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Officiem / ob ich sie schon nicht kante / ohne Verletzung meiner Pflicht, und Herrndienst ein Courtoisie thun tonte / unter­ liesse ichs nicht. Durch solch mein Verhalten wäre ich zeitlich zu Officien befördert worden / wanns meine Jugend nicht verhindert hätte / dann welcher in solchem Mter als ich trug / ein Fähnlein haben wolte / muste ein guter von Adel seyn / zu dem tonte mich mein Hauptmann nicht befördem / weil keine ledige Stellen bey seiner Comp, waren / und keinem andern mochte er mich gönnen / weil er an mir mehr als eine melckende Kühe verloren hätte / doch wurde ich ein Gefreyter. Diese Ehr / daß ich alten Soldaten vorgezogen wurde / wiewol es ein geringe Sach war / und das Lob / das man mir täglich verliehe / waren gleichsam wie Sporn / die mich zu höhern Dingen antrieben: Ich fpeculirte Tag und Nacht / wie ich etwas anstellen möchte / mich noch grösser zu machen / ja ich tonte vor solchem närrischen Nachsinnen offt nicht schlaffen: Und weil ich sahe / daß mirs an Gelegenheit [249] manglete / int Wenk zu erweisen / was ich vor einen Muth trüge / be­ kümmerte ich mich / daß ich nicht täglich Gelegenheit haben solle / mich mit dem Gegentheil in Waffen zu üben / ich wünschte mir offt den Trojanischen Krieg / oder eine Be­ lagerung wie zu Ostende / und ich Narr gedachte nicht / daß der Krug so lang zum Bmnnen gehet / biß er einmal zerbricht. Es gehet aber nicht anders / wann ein junger unbesonnener Soldat Geld / Glück und Courage hat / dann da folget Uber« muth und Hoffart / und auß solcher Hoffart hielte ich an statt eines Jungen zween Knecht / die ich trefflich herauß staffierte / und beritten machte / Womit ich mir aller Officierer Neid auffbürdete.

Das XXXI. Capitel. c>CH muß ein Stücklein oder etliche erzehlen / die mir hin v und wieder begegnet / ehe ich wieder von meinen Dra­ gonern kam / und ob sie schon nicht von importanz seyn / sind sie doch lustig zu hören / dann ich nam nicht allein grosse Mng vor / sondern verschmähet auch die geringe nicht / wann ich nur muthmassete / daß ich Ruhm bey den Leuten dardurch

i Officierern E* käut« Ei2 * 2 kan E2-4 E2 14 Sporen E4 1» mangelte E2-4 32 etlich E4

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das] Lob / däs 25 nichts E2

Zweytes Buch.

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erwecken möchte. Mein Hauptmann wurde mit etlich und fünfftzkg Mann zu Fuß in das Best von Recklinckhusen commanditt / einen Anschlag daselbst zu verrichten / und weil wir gedachten / wir würden / ehe wir solchen ins Merck setzen fönten / einen Tag oder etlich uns in den Büschen heimlich halten müssen / nam jeder aufs acht Tag Proviant zu sich / demnach aber die reiche Caravana, deren wir auffpaßten / die bestimpte Zeit nicht ankam / gieng uns das Brod auß / welches [250] wir nicht rauben dorfften / wir hätten uns dann selbst verrathen / und unser Vorhaben zu nichts werden lassen wollen / dahero uns der Hunger gewaltig preßte / so hatte ich auch diß Orts keine Kunden / wie anderswo / die mir und den Meinigen etwas heimlich zutrugen / derowegen musten wir / Fütterung zu bekommen / miss andere Mittel bedacht seyn / wenn wir anders nicht wieder läer heim wollen; Mein Camerad / ein Lateinischer Handwercks-Gesell / der erst kirch­ lich auß der Schul entloffen / und sich unterhalten lassen / seufftzete vergeblich nach den Gersten-Suppen / die ihm hiebevor seine Eltern zum besten verordnet / er aber verschmähet und verlassen hatte / und als er so an seine vorige Speisen gedachte / erinnert er sich auch seines Schul-sacks / bey welchem er solche genossen: Ach Bruder / sagte er zu mir / ists nicht eine Schand / daß ich nicht so viel Künste erstudirt haben soll / vermittelst deren ich mich jetzund füttern könte / Bruder / ich weiß revera, wann ich nur zum Pfaffen in jenes Dorff gehen dörffte / daß es ein trefflich Convivium bey ihm setzen solte! Ich überliess diese Wort ein wenig / und ermaß unsern Zu­ stand / und weil die jenige so Weg und Steg wüsten / nicht hinauß dörfften / dann sie wären sonst erkant worden / die Unbekante aber keine Gelegenheit wüsten / etwas heimlich zu stehlen oder zu fmissen / als machte ich meinen Anschlag miss unsern Studenten / und hielte die Sach dem Hauptmann vor / wiewol nun dasselbige Gefahr auff sich hatte / so war doch sein Vertrauen so gut zu mir / und unsere Sach so schlecht bestellt / daß er darein consentitte. Ich verwechselte meine Kleider mit einem andern / [251] und zottelt mit meinem Studenten besagtem Dorff zu durch einen weiten Umbschweiff / wiewol es nur ein halbe Stund i mochte Ei2-4* und fehlt E4 4 ehe nur] ehe mir E2 8 auf?] auf E4 15 nur] mir E2 4 i? Schuel E2 is den] dem E2 ] der E4 20 an fehlt E2 4 23 ein E4 29 waren E2 4 31 macht E2 4 35 ge­ stellt E4 darinn E4 37 Studenden E2

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

von uns lag / in demselben erkanten wir das nächste Hauß bey der Kirch vor deß Pfarrers Wohnung / weil es auff Stättisch gebaut war / und an einer Mauer stunde / die umb den gantzen Psarrhof gieng: Ich hatte meinen Cameraden schon instruitt / was er reden solle / dann er hatte sein abgeschaben StudentenKleidlein noch an / ich aber gab mich vor einen Mahler-Ge­ sellen auß / dann ich gedachte / ich würde dieselbe Kunst im Dorfs nicht üben dörffen / weil die Bauren nicht bald gemahlte Häuser haben. Der Geistliche Herr war höflich / als ihm mein Gesell ein Liesse Lateinische Reverenz gemacht / und einen Haussen daher gelogen hatte / was gestalt ihn die Soldaten auff der Räis geplündert / und aller seiner Zehrung beraubt hätten / botte er ihm selbst'ein Stück Butter und Brod / neben einem Trunck Bier an / ich aber stellte mich / als ob ich nicht zu ihm gehörte / und sagte / ich wolle im Wirthshauß etwas essen / und ihm alsdann ruffen / damit wir noch denselben Tag ein stück Wegs hinder sich legen könten: Also gieng ich dem Wirthshauß zu / mehr außzuspehen was ich dieselbe Nacht holen wolte / als meinen Hunger zu füllen / hatte auch das Glück / daß ich unterwegs einen Bauren antraff / der seinen Bach-ofen zuklaibte / welcher grosse Pumpernickel darinnen hatte / die 24. Stund da sitzen und außbachen sollen. Ich machts beym Wirth kurtz / weil ich schon wüste wo Brod zu bekommen war / kauffte etliche Stutten / (das ist ein so ge­ nantes weiß Brod) solche meinem Hauptmann zu bringen / und da ich in Pfarr-Hof käme / meinen [252] Cameraden zu mahnen / daß er gehen solte / hatte er sich auch schon gekröpfft / und dem Pfarrer gesagt / daß ich ein Mahler sey / und in Holland zu wandern Vorhabens wäre / meine Kunst daselbsten vollends zu perfectionirett; der Pfarrherr hiesse mich sehr Willkomm seyn / und bat mich / mit ihm in die Kirch zu gehen / da er mir etliche Stück weisen wolte / die zu repariteit wären: Damit ich nun das Spiel nicht verderbte / muste ich folgen: Er führte uns durch die Küchen / und als er das Nachtschloß an der starcken eychenen Thür auffmachte / die auff den Kirch­ hof gieng / 6 mirum! da sahe ich / daß der schwache Himmel auch schwartz voller Lauten / Flöten und Geigen hienge / ich vermeyne aber die Schincken / Knackwürst und Speckseiten \ 4

Cammerrathen E4

fehlt E4 then E4

12 geplindert E2

20 sein E4 21 zu glaibte E2-4 27 mahnen] machen E2*4

17 können E4 26 im E2*4

19 holen

Cammerra­

Zweytes Buch.

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die sich im Kamin befanden; diese blickte ich trostmüthig an / weil mich bedünckte / als ob sie mit mir lachten / und wünschte sie / aber vergeblich / meinen (Sameraben in Wald / dann sie waren so hartnäckig / daß sie mir zu Trotz hangen blieben / da gedachte ich aufs Mittel / wie ich sie obgedachtem BachOfen voll Brod zugesellen möchte / tonte aber so leicht keines ersinnen / weil / wie obgemeldt / der Pfarrhof umbmauret / und alle Fenster mit eisernen Gittern genugsam verwahret waren / so lagen auch zween ungeheure grosse Hund im Hof / welche / wie ich sorgte / bey Nacht gewißlich nicht schlaffen würden / wann man das jenige hätte stehlen wollen / daran ihnen auch zu Belohnung ihrer getreuen Hut zu nagen ge­ bührte. Wie wir nun in die Kirch kamen / von den Gemählden aller­ hand dilcurirten / und mir der Pfarrer etliche Stück außzubessem verdingen wolte / ich aber [253] allerhand Außflücht suchte / und meine Wanderschafft vorwandte / sagte der Meß­ ner od?r Glöckner: Du Kerl / ich sehe dich ehe vor einen verloffenen Soldaten-Jungen an / als vor einen Mahler-Gesellen! Ich war solcher Reden nicht mehr gewöhnet / und solle sie doch verschmirtzen / doch schüttelt ich nur den Kopfs ein wenig / und antwortet ihm: O du Kerl / gib mir nur geschwind Bensel und Farben her / so will ich dir in Huy einen Narm daher gemahlt haben / wie du einer bist; Der Pfarrer machte ein Gelächter darauß / und sagte zu uns beyden / es gezieme sich nicht an einem so heiligen Ort einander wahr zu sagen; gab damit zu verstehen / daß er uns beyden glaubte / ließ uns noch einen Trunck langen / und also dahin ziehen. Ich aber liesse mein Hertz bey den Knackwürsten. Wir kamen noch vor Nacht zu unfern Gesellen / da ich meine Kleider und Gewehr wieder nam / dem Hauptmann meine Verrichtung erzehlet / und sechs gute Kerl außlase / die das Brod heim tragen sotten helffen / wir kamen umb Mittemacht ins Dorff / und huben in aller Stille das Brod auß dem Ofen / weil wir einen bey uns hatten / der die Hund bannen tonte / und da wir bey dem Pfarrhof vorüber wolten / tonte ichs nicht übers Hertz bringen / ohne Speck weiters zu passim; Ich stund einsmals still / und bettachtete mit Fleiß / ob nicht

i Ln Ei2-4* blückte E2 3 Cammerrathen E4 8 Gütern E4 12 gebührete E4 14 Gemahlen E2 4 17 Mößner E4 i8 Kerle E2 4 21 verschmertzen E4 23 Narren E4 24 gemahlet E4 32 Kerle E4 36 konte / unb] fönte / und E4 38 einmalö E2 ob ich E2 4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

in deß Pfaffen Küchen zu kommen seyn möchte? sahe aber keinen andem Eingang als das Kamin / welches vor dißmal meine Thür seyn mujle; Wir trugen Brod und Gewehr auff den Kirchhof ins Beinhauß / und brachten ein Laiter und Sail auß einer Scheur zuwegen / und weil ich [254] so gut als ein Schornsteinfeger in den Kaminen 'auff und ab steigen tonte / (als welches ich von Jugend auff in den holen Bäumen gelernet hatte) stiege ich selb ander auffs Dach / welches von holen Ziegeln doppelt belegt / und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebaut war: Ich wickelt meine lange Haar über dem Kopfs auff einen Büschel zusammen / ließ mich mit einem End deß Sails hinunder zu meinem geliebten Speck / und band einen Schincken nach dem andern / und eine Speckseite nach der andem an das Sail / welches der auff dem Dach fein ordentlich zum Dach hinauß fischete / und den Andem in das Beinhäußlein zu tragen gäbe: Aber potz Unstern! da ich aller­ dings Feyrabend gemacht hatte / und wieder übersich wolle / brach eine Stange mit mir / also daß der arme Simplicius hemnder fiele / und der elende Jäger sich selbst / wie in einer Maußfallen gefangen befände: Meine Cameraden auff dem Dach liessen das Sail hemnder / mich wieder hinauff zu ziehen / aber es zerbrach / ehe sie mich vom Boden brachten. Ich gedachte / nun Jäger / jetzt must du eine Hatz außstehen / in welcher dir selbst / wie bemActaeon, das Fell gewaltig zerrissen wird werden / dann der Pfarrer war von meinem Fall erwacht / und besohl seiner Köchin / alsbald ein Liecht anzuzünden: Sie kam im Hemd zu mir in die Küchen / hatte den Rock über der Achsel hangen / und stunde so nahe neben mich / daß sie mich damit rührte; sie griff nach einem Brand / hielte das Liecht daran / und fieng an zu blasen / ich aber bliese viel stärcker zu / als sie selbsten / davon das gute Mensch so erschrack / daß sie Feur und Liecht fallen liesse / und sich zu ihrem Herm [255] retiritte; Also bekäme ich Lufft / mich zu bebenden / durch was Mittel ich mir darvon helffen möchte / es wolle mir aber nichts einfallen: Meine Cameraden gaben mir durchs Kamin hemnder zu verstehen / daß sie das Hauß auffstossen / und mich mit Gewalt herauß nemmen wollen / ich gabs ihnen aber nicht zu / sondem besohl / sie sollen ihr 9 ^ttglen E2-4 dopplet E1 io nudelte E4 is fischte E4 ro Cam­ merrathen 2i herunter E* 34 mich E* 36 herunter E4

Zweytes Buch.

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Gewehr in acht nemmen / und allein denSpring-ins-feld oben bey dem Kamin lassen / und erwarten / ob ich ohne Lermen und Rumor darvon kommen fönte / damit unser Anschlag nicht zu Wasser würde / wofern aber solches nicht seyn möchte / sollen sie alsdenn ihr bestes thun; Interim schlug der Geistliche selbst ein Liecht an / seine Köchin aber erzehlte ihm / daß ein greulich Gespenst in der Küchen wäre / welches zween Köpff hätte (dann sie hatte vielleicht meinen Büschel Haar aufs dem Kopfs gesehen / und auch vor einen Kopfs gehalten) das hörete ich alles / machte mich derowegen mit meinen schmutzigen Händen / darinn ich Aschen / Ruß und Kohlen riebe / im Angesicht und an Händen so abscheulich / daß ich ohn Zweisfel keinem Engel mehr (wie hiebevor dieCloster-Frauen im Paradeis sagten) gleich sahe; und der Meßner / wann ers gesehen / mich wol vor einen geschwinden Mahler hätte passiren lassen. Ich fienge an in der Küchen schrocklich zu Poldern / und allerley Küchen-Geschirr untereinander zu werffen / der Kessel-Ring gerieth mir in die Händ / den hängte ich an den Hals / den Feuer-Hacken aber behielt ich in den Händen / mich damit aufs den Nothfall zu wehren; Solches liesse sich aber der fromme Pfaff nicht irren / dann er kam mit seiner Köchin ProceüionS» weis daher / [256] welche zwey Wachsliechter in den Händen / und einen Weyhwasser-Kessel am Arm trug / er selbsten aber war mit dem Chor-Rock bewaffnet / sampt den Stollen / und hatte den Sprengel in der einen / und ein Buch in der andern Hand / auß demselben fienge er an mich zu exorciten / fra­ gende: Wer ich seye / und was ich da zu schaffen hätte? Weil er mich dann nun vor den Teuffel selbst hielte / so gedachte ich / es wäre billich / daß ich auch wie der Teuffel thäte / daß ich mich mit Lügen behülffe / antwortet derowegen: Ich bin der Teuffel / und will dir und deiner Köchin die Häls umbdrähen! Er fuhr mit feinem Exorcilmo weiter fort / und hielte mir vor / daß ich weder mit ihm noch seiner Köchin nichts zu schaffen hätte / hiesse mich auch mit der allerhöchsten Beschwömng wieder hinfahren / wo ich herkommen wäre; Ich aber antwortet mit gantz förchterlicher Stimm / daß solches un­ möglich seye / wenn ich schon gern wolle. Indessen hatte Spring-ins-feld / der ein abgefäumter Ertz-Vogel war / und 3 tonte E2-4

12 ohne E4

i» hänckt E2-4 ai den Hals E4

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Deß Abentheurl. SimpliciTsimi

kein Latein verstünde / seine seltzame Tausendhändel miss dem Dach / dann da er hörete / umb welche Zeit es in der Küchen war / daß ich mich nemlich vor den Teuffel außgab / mich auch der Geistliche also hielte / wixte er wie eine Eul / bellete wie ein Hund / wiherte wie ein Pferd / plehckte wie ein Geißbock / schrye wie ein Esel / und liesse sich bald durch den Kamin herunder hören wie ein Haussen Katzen / die im Hornung rammeln; bald wie eine Henne die legen wolle / dann dieser Kerl tonte alle Thier Stimme nachmachen / und wann er wolle / so natürlich heulen / als ob ein gantzer Haussen Wölfs beyeinander f.etoefen wäre. [257] Solches ängstigte den Pfarrer und fttne Köchin aufs das höchste / ich aber machte mir ein Gewissen / daß ich mich vor den Teuffel beschwören liesse / vor welchen er mich eigentlich hielte / weil er etwan gelesen oder gehöret hatte / daß sich der Teuffel gern in grünen Kleidern sehen lasse. Mitten in solchen Aengsten / die uns beyderseits umbgeben hatten / wurde ich zu allem Glück gewahr / daß das NachtSchloß an der Thür / die aufs den Kirch-Hof gienge / nicht eingeschlagen / sondern der Rigel nur vorgeschoben war: Ich schob denselben geschwind zurück / wischte zur Thür hinauß auff den Kirch-Hof (da ich dann meine Gesellen mit auffgezogenen Hanen stehen fände) und ließ den Pfaffen Teuffel beschwören / so lang er immer wolle. Und demnach Spring-ins-feld mir meinen Hut von dem Dach gebracht / wir auch unser Proviant auffgesackt hatten / giengen wir zu unserer Bursch / weil wir im Dorff nichts mehr zu verrichten hatten / als daß wir die ent­ lehnte Satter sampt dem Sail wieder hätten heim tiefem sollen. Die gantze Partey erquickte sich mit dem jenigen das wir ge« stolen hatten / und bekam doch kein einiger den Klucksen bar« von / so gesegnete Leut waren wir! Auch hatten alle über diese meine Farth genugsam zu lachen / nur dem Studenten wolle es nicht gefallen / daß ich den Pfaffen bestolen / der ihm das Münckelspiel so grandig besteckt hatte / ja er schwur auch hoch und theur / daß er ihm seinen Speck gern bezahlen wolle / wenn er die Mittel nur bey der Hand hätte / und frasse doch nichts desto weniger mit / als ob ers verdingt hätte. Also lagen wir noch zween [258] Tag an selbigem Ort / und erwarteten

4 ein E4 7 herunter E1 » nllerbanb E4 15 hätte E4 >» hatte E1-2-4 20 nur] mir E4 24 mir] mit E2-4 34 befleckt E2-4

Zweytes Buch.

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die jenige / denen wir schon so lang auffgepaßt hatten / wir verloren keinen einigen Mann im Angriff / und bekamen doch über dreissig Gefangene / und so herrliche Beuten / als ich jemals theilen helffen: Ich hatte doppelt Part / weil ich das beste gethan / das waren drey schöner Frießländischer Hengst mit Kauffmanns-Wahren beladen / was sie in Eyl fort tragen möchten / und wann wir Zeit gehabt / die Beuten recht zu suchen / und solche in Salvo zu bringen / so wäre jeder vor sein Theil reich genug worden / Massen wir mehr stehen lassen / als wir darvon brachten / weil wir mit dem was wir fort bringen tonten / sich in schnellster Eyl dumlen musten / und zwar so retirirten wir uns mehrer Sicherheit halber aufs Rehnen / da wir fütterten / und die Beuten theilten / weil unsers Bolcks da lag. Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen / dem ich den Speck gestolen hatte; der Leser mag dencken / was ich vor einen verwegenen / freveln und ehrgeitzigen Kopfs hatte / in dem mirs nicht genug war / daß ich den frommen Geistlichen bestolen / und so schröcklich geängstiget / sondern ich wolle noch Ehr darvon haben; derowegen nam ich einen Sapphier in einen güldenen Ring gefast / den ich aufs selbiger Partey erschnappt hatte / und schickte ihn von Rehnen auß durch einen gewissen Botten meinem Pfarrer/ mit folgendem Briefflein: MrOl-Ehrwürdiger / rc. Wenn ich dieser Tagen im Wald noch etwas von Speisen zu leben gehabt hätte / so hätte ich nicht Ursach gehabt / E. Wol-Ehrw. ihren Speck zu steten / worbey Sie vermuthlich sehr erschröckt worden. Ich bezeuge beym Höch-s259jsten / daß Sie solche Angst Wider meinen Willen eingenommen / hoffe derowegen die Vergebung desto ehender: Was aber den Speck selbst anbelangt / so ists billich / daß selbiger bezahlt werde / schicke derohalben an statt der Be­ zahlung gegenwärtigen Ring / den die jenige hergeben / umb welcher willen die Wahr aufgenommen werden müssen / mit Bitt / E. Wol-Ehrw. belieben damit vor lieb zu nehmen; ver­ sichere darneben / daß dieselbe im übrigen aufs alle Begeben­ heit einen dienstfertigen und getreuen Diener hat an dem / den dero Meßner vor keinen Mahler hält j welcher sonst genant wird Der Jäger. io davon E* 30 den) der E‘

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196

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25

Deß Abenth. Simpl. II. Buch.

Dem Bauren aber / welchem sie den Bach-Ofen außgeläert hatten / schickte die Partey auß gemeiner Beut 16. Reichs­ thaler / dann ich hatte sie gelemet / daß sie solcher gestalt den Landmann miss ihre Seite bringen müssen / als welche einer Partey offt auß allen Nöthen helffen / oder hingegen eine andere verrathen / verkauften / und umb die Hals bringen fönten. Von Rehnen giengen wir aufs Münster / und von dar aufs Ham / und heim nach Soest in unser Quartier / allwo ich nach wenig Tagen ein Antwort von dem Pfaffen empfieng / die also lautet: KDter Jäger / rc. Wann der jenige / dem ihr den Speck ^ gestolen / hätte geteuft / daß Ihr ihme in teufflischer Gestalt erscheinen würdet / hätte er sich nicht so offt gewünscht / den Land-beruffenen Jäger auch zu sehen: Gleich wie aber das geborgte Fleisch und Brod viel zu theuer bezahlt worden / also ist auch der eingenommene Schrecken desto leichter zu verschmirtzen / vornemlich weil er von einer so berührn-s260j ten Person wider ihren Willen verursacht worden / deren hiemit allerdings verziehen wird / mit Bitt / dieselbe wolle ein ander mal ohne Scheu zusprechen / bey dem der sich nicht scheuet / den Teuffel zu beschwören. Vale. Wso machte ichs aller Orten / und überkam dardurch einen grossen Ruft / und je mehr ich außgabe und verspendirte / je mehr flössen mir Beuten zu / und bildet ich mir ein / daß ich diesen Ring / wiewol er bey 100. Reichsthaler werth war / gar wol angelegt hätte. Aber hiemit hat dieses Zweyte Buch ein Ende.

ENDE deß H. Buchs.

i ben] dem E* e eine E‘ c mp stetige E‘ 12 ihm E4 teufflicher E4 16 Schrecken viel E4 verschmertzen E4

[261]

Abentheurlicher

Simpliciffimus Teutsch: Das Dritte Sud). Inhalt deß III. Buchs. Das 1. Capitel. Wie der Jäger zu weit auff die lincke Hand gehet. Das 2. Capitel. Der Jäger von Soest schafft den Jäger von werte ab. Das 3. Capitel. Der grosse Gott Jupiter wird gefangen / und er« öffnet der Götter RathschlLg. Das 4. Capitel. von dem Teutschen Helden / der die gantze Welt bezwingen / und zwischen allen Völckern Fried stifften wird. Das 5. Capitel. Wie er die Religionen miteinander vereinigen / und in einen Model giessen wird. [262] Das 6. Capitel. Wa» die Legation der Flöh beym Jove verrichtet. Das 7. Capitel. Der Jäger erjaget abermals Ehre und Beuten.

198

Inhalt

Das 8. Capitel. wie er bet) Teuffel im Trog gefunden / Springins-felb aber schöne Pferd erwischt.

e

Das 9. Capitel. Ein ungleicher Rampff / in welchem der Schwächste obsteget / und der Überwinder gefangen wirb. Das 10. Capitel. Der General Felb-Zeugineister schencket bem Jäger da« Leben / und macht ihm sonst gute Hoffnung.

io

is

Das 11. Capitel. Hält allerhand Sachen in sich / von geringer Wich­ tigkeit und grosser Einbildung. Das 12. Capitel. Das Glück thut bem Jäger unversehens eine Abe­ liche Verehrung. Das 13. Capitel. Simplicii seltzame Grillen und Lvfftgebäu / auch wie er seinen Schatz verwahrt.

20

Das 14. Capitel. wie der Jäger vorn Gegentheil gefangen wirb. Das 15. Capitel. Mir welchen Conditionibus der Jäger wieder lost worben.

25

[263] Das 16. Capitel. wie Simplicius ein Freyherr wirb. Das 17. Capitel. Womit der Jäger die sechs Monat hinzubringen gebenckt / auch etwa« von der Wahrsagerin.

deß Dritten Buchs.

199

Das 18. Capitel.

Wie der Jäger anfahrt zu bulen / und «in Handwerck darauß macht. Das 19. Capitel.

Durch wa» Mittel ihm der Jäger Freund gemacht / und was vor Andacht er bey einer Predigt hatte.

S

Das 20. Capitel.

Wie er dem treuheryigen Pfarrer ander werck an die Aunckel legte / damit er sein Epicurisch Leben zu comgiren vergesse.

10

Das 21. Capitel.

wie der Jäger unversehens zum Ehmann wird. Das 22. Capitel.

Wie e« bey der Hochzeit ablieff / und was er weiter anzufangen sich vorgestellt.

15

Das 23. Capitel.

Simplicius kompt in eine Statt / die er zwar nur pro forma Löln nennet / seinen Schatz abzuholen. Das 24. Capitel.

Der Jäger fängt einen Hasen mitten in einer Statt.

8 den E4

20

200

[264]

Deß Abentheurl.

Simplicissimi

Das Erste Capitel.

^Er günstige Leser wird in vorhergehendem Buch bet« standen haben / wie Ehr«geitzig ich in Soest worden / und daß ich Ehr / Ruhm und Gunst in Handlungen suchte und auch gefunden / die sonst bey andem wären Straff-würdig gewesen: Jetzt will ich erzehlen / wie ich mich meine Thorheit weiter verleiten lassen / und dadurch in stetiger Leib- und Lebens­ gefahr gelebt; Ich war / wie ich bereits erwehnet hab / so beflissen Ehr und Ruhm zu erjagen / daß ich auch nicht darvor schlaffen tonte / und wann ich so Grillen hatte / und manche Nacht lag / neue Fünd und List zu ersinnen / hatte ich wunder­ liche Einfäll; daher» erfand ich ein Gattung Schuh / die man das hinderst zu vorderst anziehen tonte / also daß die Absätz unter den Zähen stunden / deren liesse ich aufs meinen Kosten bey dreissig unterschiedliche Paar machen / und wann ich solche unter meine Bursch außtheilete / und damit aufs Partey Qienge / wars unmöglich uns außzuspüren / dann wir trugen bald diese / und bald unsere rechte Schuh an den Füssen / und hingegen die übrige im Rantzen / und wann jemand an einen Ort tarn / da ich die Schuh verwechseln lassen / sahe es nicht anders in der Spur / als wann zwo Partey allda zusammen tommen / und miteinander auch wieder verschwun­ den wären; behielte ich aber meine letze Schuh an / so sahe es / als ob ich erst hingangen wäre / wo ich schon gewesen / oder als ob ich von dem [265] Ort herkäme / dahin ich erst gienge: So waren ohne das meine Gäng / wann es eine Spur hatte / viel verwirrter als in einem Irrgarten / also daß es den jenigen / die mich vermittelst der Spur hätten außtündigen/ oder sonst nachjagen sollen / unmöglich gefallen wäre / mich zu stiegen. Ich war offt allemächst bey denen vom Gegentheil / die mich in der Ferne solten suchen / und noch öffters etliche Meil Wegs von dem jenigen Busch / den sie jetzt umbstellten und durchstreifften / mich darinn zu fangen / und gleich wie ichs machte mit den Parteyen zu Fuß / also thät ich ihm auch / i GapttuI E2 6 micfi fehlt K‘ 7 steter E* 22 mttanber E4 23 mein E4 letzte E1-2-4 33 durchstreiften E2-4

Drittes Buch.

201

wann ich zu Pferd darauß war / dann das war mir nichts seltzams / daß ich an Scheid- und Creutzwegen ohnversehens absteigen / und den Pferden die Eisen das hinderst zu vörderst auffschlagen liesse; die gemeine Vörtel aber / die man brauchet/ wann man schwach auff Partey ist / und doch vor starck auß der Spur judicirt / oder wenn man starck ist / und doch vor schwach gehalten werden will / waren mir so gemein / und ich achte sie so gering / daß ich selbige zu erzehlen / nicht werth achte. Darneben erdachte ich ein Instrument, mit welchem ich bey Nacht / wann es Windstill war / ein Trompet auff drey Stund Wegs von mir blasen / ein Pferd auff zwo Stund schreyen / oder Hunde bellen / und auff eine Stund weit die Menschen reden hören konte / welche Kunst ich sehr geheim hielte / und mir damit ein Ansehen machte / weil es bey jederman ohnmüglich zu seyn schiene / bey Tag aber war mir be­ sagtes Instrument, (welches ich gemeiniglich neben einem Perspectiv im Hosensack trug) nit so viel nutz / es wäre dann an einem einsamen stillen Ort gewesen / [266] dann man muste von den Pferden und dem Rindvieh an / biß auff den geringsten Vogel in der Lufft / oder Frosch im Wasser alles hören / was sich in der gantzen Gegend nur regte / und ein Stimm von sich gab / welches dann nicht anderst lautet / als ob man sich (wie mitten auff einem Marck) unter viel Men­ schen und Thieren befände / deren jedes sich hören löst / da da man vor deß einen Geschrey den andern nicht verstehen kan. Ich weiß zwar wol / daß auff diese Stund Leut seyn / die mir dieses nicht glauben / aber sie mögen es glauben oder nicht / so ists doch die Warheit: Ich will einen Menschen bey Nacht / der nur so laut redet als seine Gewonheit ist / an der Stimm durch ein solches Instrument erkennen / er sey gleich so weit von mir / als ihn einer durch ein gut Perspectiv bey Tag an den Kleidern erkennen mag. Ich kan aber keinen verdencken / wann er mir nicht glaubt / was ich jetzund schreibe / dann es wolte mir keiner glauben von den jenigen / die mit ihren Augen sahen / als ich mehrbedeut Instrument ge­ brauchte / und ihnen sagte: Ich höre Reuter reuten / dann die Pferd seyn beschlagen; ich höre Baurn kommen / dann die Pferd gehen barfuß; ich höre Fuhrleut / aber es sind nur 2 23

seltzames E4 5 vor fehlt E4 6 jndicirt E4 Marck)] Marck) sich E1-2-4 37 Bauren E4

n von] an E2-4

202

Deß Abentheurl. Simpliciüimi

Baum / ich lernte sie an bet Sprach; es kommen Mußquetier / ungefähr so viel / dann ich höre es am Geklapper ihrer Bande­ lier; es ist ein Dorff umb diese oder jene Gegend / ich höre die Hanen krähen / Hund bellen / rc. dort geht eine Herd Vieh / ich höre Schaf plehcken / Mhe schreyen / Schwein kmntzen / und so fortan: Meine eigene Cameraden hielten an­ fangs diese Reden vor Auffschneiderey / und als sie im Werd befanden / [267] daß ich jederzeit wahr sagte / muste alles Zauberey / und mir / was ich ihnen gesagt / vom Teuffel und seiner Mutter offenbart worden seyn: Wso / glaub ich / wird der günstige Leser auch gebenden. Nichts desto weniger bin ich dem Gegentheil hierdurch offtmals wunderlich entronnen / wann er Nachricht von mir kriegte / und mich auffzuheben kam; halt auch davor / wann ich diese Wissenschafft offenbart hätt? / daß sie seither sehr gemein worden wäre / weil sie denen im Stieg trefflich zu statten käme / sonderlich in Beläge­ rungen: Ich schreite aber zu meiner Histori. Wann ich nicht auff Partey dorffte / so gieng ich sonst auß zu fielen / und dann waren weder Pferd / Mhe / Schwein noch Schaf in den Ställen vor mir sicher / welche ich auff etlich Meil Wegs holete; Rindviehe und Pferden wüste ich Stiffel oder Schuh anzulegen / biß ich sie auff eine gänge Straß brachte / damit man sie nicht spüren tonte / alsdann schlug ich den Pferden die Eisen hinderst zu vörderst auff / oder wanns MH und Ochsen wam / that ich ihnen Schuh an die ich darzu gemacht hatte / und brachte sie also in Sicherheit; die grosse fette Schweins-Personen / die Faulheit halber bey Nacht nicht räisen mögen / wüste ich auch meisterlich fort zu bringen / wann sie schon gmntzten / und nicht dran walten / ich machte ihnen mit Meel und Wasser einen wolgesaltzenen Brey / liesse solchen einen Baderschwamm in sich sauffen / an welchen ich ein stanken Bindfaden gebunden hatte / ließ nachgehends die jenige umb welche ich leffelte / den Schwamm voll Muß fressen / und behielt die Schnur in der Hand / worauff sie ohne ferneren Wortwechsel gedultig mit giengen / und mir die [268] Zech mit Schinden und Würsten bezahlten / und wann ich so was heim brachte / theilte ich so wol den Officiem als meinen Cameraden getreulich mit / daher» dorffte ich ein.

i Mußquetirer E‘ 23 brächte E4 25 waren E4 warauff E8 37 theilet« E4 Officierern E4

34

31

einer E8-4

Drittes Buch.

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ander mal wieder hinauß / und da mein Diebstal verrathen oder außgekundschafstet wurde / halsten sie mir hübsch durch: Im übrigen dünckte ich mich viel zu gut darzu seyn / daß ich die Arme befielen / oder Hüner fangen / und andere geringe Sachen hätte mausen sollen. Darbey fieng ich an / nach und nach mit Fressen und Sausten ein Epicurisch Leben zu führen / weil ich meines Einsidlers Lehr vergessen / und niemand hatte / der meine Jugend regierte / oder aufs den ich sehen dorffte / dann meine Officier machten selbst mit / wann sie bey mir schmarotzten / und die mich hätten straffen und abmahnen sollen / rechten mich vielmehr zu allen Lastern / darvon wurde ich endlich so gottloß und verrucht / daß mir kein Schelmstück / solches zu begehen / zu groß war. Zuletzt wurde ich auch heimlich geneidet / zumal von meinen Cameraden / daß ich ein glücklichere Hand zu fielen hatte / als ein anderer; von meinen Officiern aber / daß ich mich so doll hielte / glücklich aufs Parteyen handelte / und mir ein grössern Nahmen und Ansehen machte / als sie selbst hatten. Ich halte auch gäntzlich darvor / daß mich ein oder ander Theil zeitlich auffgeopffert hätte / wenn ich nicht so spendirt hätte.

Das II. Capitel. ALS ich nun so fort hausete / und im Werck begriffen war / ** mir einige Teuffels-Larven und darzu gehörige schröckliche Kleidungen mit Roß-und [269] Ochsenfüssen machen zu lassen / vermittelst deren ich die Feind erschrecken / zumal auch den Freunden als unerkant das Ihrige zu nehmen / darzu mir dann die Begebenheit mit dem Speck-stehlen Anlaß gäbe / bekam ich Zeitung / daß ein Kerl sich in Werke auffhielte / welcher ein trefflicher Parteygänger sehe / sich grün kleiden lassen / und hin und her aufs dem Land / sonderlich aber bey unfern Contribuenten / unter meinem Nahmen mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien ver­ übte / masten dahero greuliche Klagen aufs mich einkamen / dergestalt / daß ich übel eingebüst hätte / da ich nicht außtrücklich dargethan / daß ich in den jenigen Zeiten / da er ein und ander Stücklein aufs mich verrichtet / mich anderswo be3 dazu E4 9 Officierer E4

30 aber fehlt E4

3« ausdrücklich E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

funden. Solches gedacht ich ihm nicht zu schencken / viel weniger zu leiden / daß er sich länger meines Nahmens be­ dienen / unter meiner Gestalt Beuten machen / und mich da­ durch so schänden solle. Ich liesse ihn mit Wissen deß Comman­ danten in Soest aufs einen Degen oder paar Pistoln ins freye Feld zu Gast laden / nachdem er aber das Hertz nicht hatte zu erscheinen / ließ ich mich Vernehmen / daß ich mich an ihm revangiten wolle / und soll es zu Werke in desselbigen Com­ mandanten Schos geschehen / als der ihn nicht drumb straffte: Ja ich sagte öffentlich / daß / so ich ihn aufs Partey erdappte / er als ein Feind von mir tractiit werden solle! Das machte / daß ich meine Larven ligen liesse / mit denen ich ein grosses anzustellen vor hatte / sondem auch mein gantz grünes Kleid in kleine Stück zerhackte / und in Soest vor meinem Quartier öffentlich verbrennet / unangesehen allein meine Kleider / ohne Federn und Pferdgezeug / [270] über die 100. Ducaten werth wäre; ja ich fluchte in solcher Wuth noch drüber hin / daß der nächste / der mich mehr einen Jäger nenne / entweder mich ermorden / oder von meinen Händen sterben müsse / und solle es auch meinen Hals kosten! Woll auch keine Partey mehr führen (so ich ohne das nicht schuldig / weil ich noch kein Officier war) ich hätte mich dann zuvor an meinem Widerpart zu Weile gerochen. Also hielte ich mich ein / und thät nichts Soldatisch mehr / als daß ich meine Wacht versähe / ich wäre dann ab­ sonderlich irgends hin commandirt worden / welches ich jedoch alles wie ein anderer Bemheuter / sehr schläfferig verrichtet. Diß erscholl gar bald in der Nachbarschafft / und wurden die Parteyen vom Gegentheil so kühn und sicher davon / daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen / so ich in die Läng auch nicht ertragen konte. Was mir aber gar zu unleidenlich fiele / war diß / daß der Jäger von Werke noch immerzu fort fuhr / sich vor mich außzugeben / und zimliche Beuten zu machen. Indessen nun / als jederman vermeynte / ich hätte mich aufs eine Bernhaut schlaffen gelegt / von deren ich so bald nicht wieder auffstehen würde / kündigte ich meines Gegen­ theils von Werle Thun und Lassen auß / und befand / daß er mir nicht nur mit dem Nahmen und in den Kleidem nach9 darumb E2-4

fehlt E1-2-4

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I- alle E4 ia nennet E4 ander E4 ss meine E2-4

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2° ich

Drittes Buch.

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äffte / fonbern auch bey Nacht heimlich zu stehlen pflegte / wann er etwas erhaschen kante / derhalben erwachte ich wieder ohnversehens / und machte meinen Anschlag darauff: Mein beyde Knecht hatte ich nach und nach abgericht wie die Wachtel­ hund / so waren sie mir auch dermassen getreu / daß jeder aufs den Nothfall für mich durch [271] ein Feur geloffen wäre / weil sie ihr gut Fressen und Sauffen bey mir hatten / und treffliche Beuten machten: Deren schickte ich einen nach Werle zu meinem Gegentheil / der wandte vor / weil ich / als sein gewesener Herr / nunmehr anfienge zu leben wie ein ander Coujon, und verschworen hätte / nimmermehr aufs Partey zu gehen / so hätte er nicht mehr bey mir bleiben mögen / sondern sey kommen ihm zu dienen / weil er an seines Herrn statt ein Jägerkleid angenommen / und sich wie ein rechtschaffener Soldat gebrauchen lasse; er wisse alle Weg und Steg im Land / und fönte ihm manchen Anschlag geben / gute Beuten zu machen / rc. Mein guter einfältiger Narr glaubte meinem Knecht / und ließ sich bereden / daß er ihn annam / und aufs eine bestimpte Nacht mit seinem Cameraden und ihm aufs eine Schäferey gienge / etliche fette Hämmel zu holen / da ich und Spring-ins-feld mit meinem andern Knecht schon auffpaßten / und den Schäfer bestochen hatten / daß er seine Hund an­ binden / und die Ankömmling in die Scheur unverhindert miniren lassen solte / so wolte ich ihnen das Hamelfleisch schon gesegnen. Da sie nun ein Loch durch die Wand gemacht hatten / wolte der Jäger von Werle haben / mein Knecht solte gleich zum ersten hinein schlieffen; Er aber sagte Nein / es möchte jemand drinn auffpassen / und mir eins vorn Kopfs geben / ich sehe wol / daß ihr nicht recht mausen könt / man muß zuvor visituen; zog darauff seinen Degen auß / und henckte seinen Hut an die Spitz / stiesse ihn also etlich mal durchs Loch / und sagte / so muß man zuvor sehen / ob Bläsy zu Hauß sey oder nicht? Als solches geschehen / war der Jäger von Werle selbst [272] der erste so hinein kroch; Aber Springins-feld erwischte ihn gleich beym Arm / darinn er seinen Degen hatte / und fragte ihn / ob er Quartier wolte? Das höret sein Gesell / und wolt durchgehen / weil ich aber nicht wüste / welches der Jäger / und geschwinder als dieser miss

mir fehlt E4 in-feld E2-4 5

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Deß Abenthcurl. Simplicissimi

den Füssen war / eylet ich ihm nach / und erdappt ihn in wenig Sprüngen; Ich fragte / was Volcks? Er antwortet / Käiserisch; Ich fragte / was Regiments? Ich bin auch Käiserisch / ein Schelm der sein Herm verleugnet! Jener antwort / wir seyn von den Dragonern auß Soest / und kommen ein Par Hämel zu holen / Bruder ich hoffe / wann ihr auch Käise­ risch seyd / ihr werdet uns passiren lassen: Ich antwortet / wer seyd ihr denn auß Soest? jener antwort / mein Camerad im Stall ist der Jäger; Schelmen seyd ihr! sagte ich / warumb plündert ihr denn euer eigen Quartier? der Jäger von Soest ist so kein Narr / daß er sich in einem Schafstall fangen löst: Ach von Werke wolt ich sagen / antwort mir jener wiederumb; und in dem ich so disputiite / kam mein Knecht und Springins-feld mit meinem Gegentheil auch daher; Sihe da / du ehrlicher Vogel / kommen wir hier zusammen? wenn ich die Käiserliche Waffen / die du wider den Feind zu tragen auffgenommen hast / nicht refpectitte / so wolt ich dir gleich eine Kugel durch den Kopfs jagen! Ich bin der Jäger von Soest bißhero gewesen / und dich halt ich vor einen Schelmen / biß du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst / und den andern miss Soldaten Manier mit mir missest! In dem legte mein Knecht (der so wol als Spring-ins-feld ein abscheuliches Teuffels-Kleid mit grossen Bockshörnern an hatte) [273] uns zween gleiche Degen vor die Füß / die ich mit auß Soest ge­ nommen hatte / und gab dem Jäger von Werle die Wahl / einen darvon zu nemmen welchen er wolle; davon der arme Jäger so erschrack / daß es ihm gienge wie mir zu Hanau / da ich den Tantz verderbte / dann er hofierte die Hosen so voll / daß schier niemand bey ihm bleiben tonte / er und seinCamerad zitterten wie nasse Hund / sie fielen rüder miss die Knye / und baten umb Gnad! Aber Spring-ins-feld kollerte wie auß einem holen Hafen herauß / und sagte zum Jäger: Du must einmal muffen / oder ich will dir den Hals brechen! Ach hoch­ geehrter Herr Teuffel / ich bin nicht rauffens halber her kommen / der Herr Teuffel überhebe mich dessen / so will ich hingegen thun was du will; In solchen verwirrten Reden gab ihm mein Knecht den einen Degen in die Hand / und mir den andern / er zitterte aber so sehr / daß er ihn nicht halten i ertappet E2-4

8 antwortet E4

so Hund /] Hund El

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Drittes Buch.

tonte: Der Mond schiene sehr hell / so daß der Schäfer und sein Gesind alles auß ihrer Hütten sehen und hören tonten / Ich raffte demselben / herbey zu kommen / damit ich einen Zeugen dieses Handels hätte / dieser als er tonte / stellte sich / als ob er die zween in den Teusfels-Kleidem nicht sehe / und sagte / was ich mit diesen Kerlen lang in seiner Schäserey zu zancken / wenn ich etwas mit ihnen hätte / solle ichs an einem andern Ort außmachen / unsere Händel giengen ihn nichts an / er gebe monatlich sein Konterbission / hoffte darumb bey seiner Schäserey in Ruhe zu leben. Zu jenen Zweyen aber sagte er / warumb sie sich nur so von mir geheyen liessen / und mich nicht nider schlügen? Ich sagte / du Flegel / sie haben dir deine Schaf wollen stehlen; Der [274] Baur antwortet / so woll ich / daß sie mich und meine Schaf müsten im Hindern lecken; und gienge damit hinweg. Hierauff drang ich wieder aufs das fechten / mein armer Jäger aber tonte schier nicht mehr vor Forcht aufs den Füssen stehen / also daß er mich daurete / ja er und seinCamerad brachten so bewegliche Wort vor / daß ich ihm endlich alles verziehe und Vergabe: Aber Spring-ins-feld war damit nicht zu frieden / sondem zwang den Jäger / daß er 3. Schaf (denn so viel hatten sie fielen wollen) muste im Hindern küssen / und zerkratzte ihn noch dazu so abscheulich im Gesicht / daß er außsahe / als ob er mit den Katzen gefressen hätte / mit welcher schlechten Rach ich zu frieden war. Aber der Jäger verschwand bald auß Werke / weil er sich viel zu sehr schämte / dann seinCamerad sprengte aller Orten auß / und betheurets mit hefftigen Flüchen / daß ich warhafftig zween leibhafftiger Teusfel hätte / die mir aufs den Dienst warteten / darumb ich noch mehr gefürchtet / hin­ gegen aber desto weniger geliebt wurde.

Das III. Lapirel. (3s£)ldE)e8 wurde ich bald gewahr / derhalben stellte ich mein

>e/ vorig gottlos} Leben allerdings ab / und beflisse mich allein der Tugend und Frömmigkeit; ich gienge zwar wie zuvor / wieder aufs Partey / erzeigte mich aber gegen Freunden und Feinden so Leutselig und discret, daß all die jenige / 3 ruffete E34 21 hatten nur als Kustode E4 23 daß et] daß es E4 28 leibhafftig E2-4

22 in E4

darzu E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

so mir unter die Hand kamen / ein anders glaubten / als sie von mir gehört hatten / über das hielt ich auch mit den über­ flüssigen Verschwendungen innen / und samlete mir viel schöne Ducaten und Cleinodien / welche ich hin [275] und wieder in der Soestischen Böerde aufs dem Land in hole Bäum verbarg / weil mir solches die betonte Wahrsagerin zu Soest riethe / und mich versicherte / daß ich mehr Feind in derselben Statt und unter meinem Regiment / alKausserhalb und in den feindlichen Guamilonen hätte / die mir und meinem Geld nachstellten. Und in dem man hin und her Zeitung hatte / daß der Jäger aufgerissen wäre / fasse ich denen / die sich damit kützelten / wieder ohnversehens aufs der Hauben / und ehe ein Ort recht erfühl / daß ich an einem andern Schaden gethan / empfände dasselbige schon / daß ich noch vorhanden war; denn ich führe herumb wie ein Windsbraut / war bald hie bald dort / also daß man mehr von mir zu sagen wüste als zuvor / da sich noch einer vor mich aufgab. Ich fasse einsmals mit 25. Feur-Röhren nicht weit von Dorsten / und paßte einer Convoy mit etlichen Fuhrleuten aufs/ die nach Dorsten kommen solle; Ich hielte meiner Gewonheit nach selbst Schildwacht / weil wir dem Feind nahe waren; da kam ein einziger Mann daher / sein ehrbar gekleidet / der redte mit ihm selbst / und hatte mit seinem Meer-rohr / das er in Händen trug / ein seltzam Gefecht; Ich tonte nichts anders verstehen / als daß er sagte: Ich will einmal die Welt straffen / e« wolle mirs dann da» grosse Numen nicht zugeben! Woraus ich muthmassete / es möchte etwan ein mächtiger Fürst seyn / der so verkleidter Weis herumb gienge / seiner Underthanen Leben und Sitten zu erkundigen / und sich nun vorgenommen hätte / solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu straffen: Ich ge­ dachte / ist dieser Mann vom [276] Feind / so setzts ein gute Ranzion, wo nicht / so wiltu ihn so höflich tractiren / und ihm dardurch das Hertz dermassen abstehlen / daß es dir künfftig dein Lebtag wol bekommen soll / sprang derhalben hervor / praesentirt mein Gewehr mit auffgezogenem Hanen / und sagte: Der Herr wird ihm belieben lassen / vor mir hin in Busch zu gehen / wofern er nicht als Feind tractiri seyn will; 19

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Dörsten EM 32 eine E2-4

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Unterthanen E2-4 erkundigen E4 30 nur er E4 35 derohalben E4 38 als ein E4

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Drittes Buch.

Er antwortet sehr ernsthafftig: Solcher Iraetation ist meines gleichen nit gewohnt. Ich aber bummelt ihn höflich fort / und sagte: Der Herr wird ihm nicht zu wider seyn lassen / sich vor dißmal in die Zeit zu schicken / und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht / und die Schildwachten wieder besetzt hatte / fragte ich ihn / wer er sehe? Er antwortet gar großmütig / es würde mir wenig daran gelegen seyn / wenn ichs schon wüste / Er sey auch ein Grosser GOtt! Ich gedachte / er möchte mich vielleicht kennen / und etwan ein Edelmann von Soest seyn / und so sagen mich zu hetzen / weil man die Soester mit dem grossen Gott und seinem güldenen Fürtuch zu vexireu pflegt / wurde aber bald innen / daß ich an statt eines Fürsten einen Phantasten gefangen hätte / der sich über» studirt / und in der Poöteret) gewaltig verstiegen / denn da er bey mir ein wenig erwärmte / gab er sich vor den Gott Jupiter auß. Ich wünschte zwar / daß ich diesen Fang nicht gethan / weil ich den Narrn aber hatte / must ich ihn wol behalten / biß wir von dannen rückten / und demnach mir die Zeit ohne das zimlich lang wurde / gedachte ich / diesen Kerl zu stimmen / und mir seine Gaben zu nutz zu machen / sagte derowegen zu ihm: Nun dann [277] mein lieber Jove, wie kompts doch / daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verkäst / und zu uns ausf Erden steigt? vergebe mir / 6 Jupiter, meine Frag / die du vor fürwitzig halten möchtest / dann wir seynd den himmlischen Göttern auch verwandt / und eitel Sylvani, von benFaunis und Nimphis geboren / denen diese Heim­ lichkeit billich ohnverborgen seyn solle; Ich schwöre dir beym Styx, antwortet Jupiter, daß du hiervon nichts erfahren sottest / wenn du meinem Mundschenken Ganymede nicht so ähnlich sehest / und wenn du schon Pans eigener Sohn wärest / aber von feinet wegen communicire ich dir / daß ein groß Geschrey über der Welt Laster zu mir durch die Wolcken ge­ drungen / darüber in aller Götter Rath beschlossen worden / ich fönte mit Billichkeit / wie zu Lycaons Zeiten / den Erd­ boden wieder mit Wasser außtilgen / weil ich aber dem mensch­ lichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin / und ohne das allezeit lieber die Güte / als eine strenge Verfahrung 18 muste E4 baonS E4

32 communicirte E2-4

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Deß Abentheurl. Simplicitfimi

brauche / vagire ich jetzt herum / der Menschen Thun und Lassen selbst zu erfünbigen / und obwol ich alles ärger finde / als mirs vorkommen / so bin ich doch nicht gesinnt / alle Menschen zugleich und ohne Unterscheid außzureuten / foitbem nur die jenige zu straffen / die zu straffen sind / und hernach die übrige nach meinem Willen zu ziehen. Ich muste zwar lachen / verbisse es doch so gut als ich tonte / und sagte: 91d) Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorg« lich allerdings umbsonst seyn / wenn du nicht wieder / wie vor diesem / die Welt mit Wasser / oder gar mit Feur heim­ suchest; dann schickest du einen Krieg / so lauffen alle böse ver­ wegene Buben [278] mit / welche die friedliebende fromme Menschen nur quälen werden; schickest» eine Theurung / so ists ein erwünschte Sach vor die Wucherer / weil alsdann den­ selben ihr Korn viel gilt; schickstu aber ein Sterben / so haben die Geitzhäls und alle übrige Menschen ein gewonnen Spiel / in dem sie hemach viel erben; wirst derhalben die gantze Welt mit Butzen und Stil außrotten müssen / wenn du anders straffen wilt.

Das IV. Capitel. TUpiter antwortet / du redest von der Sach wie ein notüt*

J

licher Mensch / als ob du nicht wüstest / daß uns Göttem möglich sey / etwas anzustellen / daß nur die Böse gestrafft / und die Gute erhalten werden; ich will einen Teutschen Helden erwecken / der soll alles mit der Schärffe deß Schwerds voll­ enden / er wird alle verruchte Menschen umbbringen / und die fromme erhalten und erhöhen; Ich sagte / so muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben / und wo man Soldaten braucht / da ist auch Krieg / und wo Krieg ist / da muß der Unschuldig so wol als der Schuldig herhalten! Seyd ihr irdische Götter denn auch gesinnt wie die irdische Menschen / sagte Jupiter hierauff / daß ihr so gar nichts verstehen könnet? Ich will einen solchen Helden schicken / der keiner Soldaten bedarff / und doch die gantze Welt reformiten soll; in seiner GeburtStund will ich ihm verleyhen einen wolgestalten und stärckern Leib / old Hercules einen hatte / mit Fürsichtigkeit / Weisheit und Verstand überflüssig geziert / hierzu soll ihm Venus geben

i brauchte Ki2-4 13 Theuerung E2 14 eine E4 15 schickest du E4 i» anderst E4 2 s Schwerd E2 31 gefinntt E4

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Drittes Buch.

ein schön Angesicht / also daß er auch Narcislum, Adonidem, und meinen Ganymedem selbst übertreffen solle / sie [279] soll ihm zu allen seinen Tugenden ein sonderbare Zierlichkeit / Auffsehen und Anmütigkeit vorstrecken / und dahero ihn bey aller Welt beliebt machen / weil ich sie eben der Ursachen halber in feinet Nativitöt desto freundlicher anblicken werde; Mercurius aber soll ihn mit unvergleichlich-sinnreicher Vernunfft begaben / und der unbeständige Mond soll ihm nicht schädlich / sondern nützlich seyn / weil er ihm eine unglaubliche Geschwin­ digkeit einpflantzen wird; biePallas soll ihn aufs bemParnalTo aufferziehen / und Vulcanus soll ihm in Hora Martis seine Waffen / sonderlich aber ein Schwerd schmiden / mit welchem er die gantze Welt bezwingen / und alle Gottlosen nider machen wird / ohne fernere Hülff eines einigen Menschen / der ihme etwan als ein Soldat beystehen möchte / er soll keines Beystands bedörffen / ein jede grosse Statt soll von seiner Gegenwart erzittern / und ein jede Vestung / die sonst unüberwindlich ist / wird er in der ersten Viertelstund in seinem Gehorsam haben / zuletzt wird er den grösten Potentaten in der Welt befehlen / und die Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen / daß beydes Götter und Menschen ein Wolgefallen darob haben sollen. Ich sagte / wie kan die Nidermachung aller Gottlosen ohne Blutvergiessen / und das Commando über die gantze weite Welt ohne sonderbaren grossen Gewalt und starcken Arm beschehen / und zu wegen gebracht werden? 6 Jupiter, ich be­ kenne dir unverholen / daß ich diese Ding weniger als ein sterblicher Mensch begreiffen kan! Jupiter antwortet / das gibt mich nicht Wunder / weil du nicht weist / was meines Helden Schwerd vor ein seltene Krafft an sich haben [280] wird / Vulcanus wirds auß denen Materialien verfertigen / darauß er mir meine Donnerkeil macht / und dessen Tugenden dahin richten / daß mein Held / wenn er solches entblösset / und nur einen Streich damit in die Lufft thut / einer gantzen Armada, wenn sie gleich hinder einem Berg eine gantze Schweitzer-Meilwegs weit von ihm stünde / aufs einmal die Köpf herunder hauen kan / also daß die arme Teuffel ohne Köpff da ligen müssen / ehe sie einmal wissen wie ihnen ge10 den E2-4 11 soll ihm in] sott im E4 eine E2-4 37 herunter E4

E4

15

ihm E4

16 bedürften

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

schehen! Wenn er denn nun seinem Laufs den Anfang macht / und vor eine Statt oder Vestung kompt / so wird er deß Tamerlani Manier brauchen / und zum Zeichen / daß er Friedens halber / und zu Beförderung aller Wolfahrt vor­ handen sehe / ein weisses Fähnlein auffstecken / kommen sie dann zu ihm herauß / und bequemen sich / wol gut, wo nicht / so wird er von Leder ziehen / und durch Krafft mehrgedachten Schwerds / allen Zauberern und Zauberinnen / so in der gantzen Statt seyn / die Köpff herunder hauen / und ein rothes Fähnlein auffstecken; wird sich aber dennoch niemand einstellen / so wird er alle Mörder / Wucherer/ Dieb / Schelmen/ Ehebrecher / Huren und Buben auff die vorige Manier umbbringen / und ein schwaches Fähnlein sehen lassen / wofern aber nicht so bald die jenige / so noch in der Statt übrig blieben/ zu ihm kommen / und sich demütig einstellen / so wird er die gantze Statt und ihre Inwohner als ein halsstarrig und un­ gehorsam Volck außrotten wollen / wird aber nur die jenige hinrichten / die den andern abgewehrt haben / und ein Ursach gewesen / daß sich das Volck nicht ehe ergeben. Also wird er von einer Statt zur andern ziehen / einer jeden Statt ihr [281] Theil Lands umb sie her gelegen / im Frieden zu regieren übergeben / und von jeder Statt durch gantz Deutschland zween von den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nemmen / auß denselben ein Parlament machen / die Stätt miteinander auff ewig vereinigen / die Leibeigenschafften sampt allen Zöllen / AcciTert / Zinsen / Gülten und Umbgelten durch gantz Teutschland auffheben / und solche Anstalten machen / daß man von keinem Fronen / Wachen / Contribuireit / Gelt geben / Kriegen / noch einiger Beschwerung beym Volck mehr wissen / sondern viel seeliger als in den Elysischen Feldern leben wird: Alsdann (sagt Jupiter ferner) werde ich offtmals den gantzen Chorum Deorum nemmen / und herunder zu den Teu^chen steigen / mich unter ihren Weinstöcken und Feigenbäumen zu ergötzen / da werde ich den Helicon mitten in ihre Grentzen setzen / und die Musen von neuem darauff pflantzen / ich werde Deutschland höher segnen mit allem Überfluß / als das glückselige Arabia, Mesopotamiam, und die Gegend umb Damafco; die Griechische 12 Ehrbrecher E2

30 sonder E2

35 ihren E4

37 allen E4

Dritte- Buch.

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Sprach werde ich alsdenn verschwören / und nur Teutsch reden / und mit einem Wort mich so gut Teutsch erzeigen / daß ich ihnen auch endlich / wie vor diesem den Römem / die Beherrschung über die gantze Welt zukommen lassen werde. Ich sagte / Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Heim darzu sagen / wenn sich der künfftige Held unterstehet / ihnen das Ihrig so unrechtmässiger Weis abzunehmen / und den Stätten zu unterwerffen? werden sie sich nicht mit Gewalt widersetzen / oder wenigst vor Göttern und Menschen dar­ wider proteltiien? Jupiter antwortet / hierumb wird [282] sich der Held wenig bekümmern / er wird alle Grosse in drey Theil unterscheiden / und die jenige / so ohn-exernplansch und verrucht leben / gleich den Gemeinen straffen / weil seinem Schwert» kein irdischer Gewalt widerstehen mag / denen übrigen aber wird er die Wahl geben / im Land zu bleiben oder nicht; was bleibt / und sein Vatterland liebet / die werden leben müssen wie andere gemeine Leut / aber das Privat­ leben der Teutschen wird alsdann viel vergnügsamer und glückseeliger seyn / als jetzund das Leben und der Stand eines Königs / und die Teutsche werden alsdenn lauter Fabricii seyn / welcher mit dem König Pyrrho sein Königreich nicht theilen wolle / weil er sein Vatterland neben Ehr und Tugend so hoch liebte / und das seyn die zweyte; die dritte aber / die Ja-Herrn bleiben / und immerzu herrschen wollen / wird er durch Ungarn und Italic» in die Moldau / Wallachey / in Macedoniam, Thraciam, Graeciam, ja über den Hellefpontum in Asiarn hinein führen / ihnen dieselbe Länder ge­ winnen / alle Kriegsgurgeln in gantz Teutschland mit geben / und sie alldort zu lauter Königen machen; Alsdenn wird er Constantinopel in einem Tag einnehmen / und allen Türcken / die sich nicht bekehren oder gehorsamen werden / die Köpff vor den Hindern legen / daselbst wird er das Römisch Käiserthumb wieder auffrichten / und sich wieder in Teutschland begeben / und mit seinen Parlaments-Henen (welche er / wie ich schon gesagt habe / auß allen Teutschen Stätten paarweis samblen / und die Vorsteher und Vätter seines Teutschen Vatterlands nennen wird) eine Statt mitten in Teutschland bauen / welche viel grösser seyn wird / als Manoah in America, [283] und

i werd E4 e Herren E4 io protestcrn E4 i& überigen E4 i» vergnügsamen E2-4 r« ja Herren E4 25 Ungern E2-4

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Deß Abentheurl. Simplicistimi

Goldreicher als Jerusalem zu Salomons Zeiten gewesen / deren Wäll sich dem Tyrolischen Gebürg / und ihre Wasser­ gräben der Breite deß Meers zwischen Hifpania und Africa vergleichen soll / er wird einen Tempel hinein bauen von lauter Diamanten / Rubinen / Smaragden und Saphiren; und in der Kunst-Kammer die er auffrichten wird / werden sich alle Raritäten in der gantzen Welt versamblen / von den reichen Geschencken / die ihm die Könige in China / in Persia / der Grosse Mogor in den Orientalischen Indien / der Grosse Tartar Cham / Priester Johann in Africa, und der Grosse Czar in der Moscau schicken; der Türckische Käiser würde sich noch fleissiger einstellen / wofern ihm bemeldter Held sein Käiserthum nicht genommen / und solches dem Römischen Käiser zu Lehen gegeben hätte. Ich fragte meinen Jovem, was dann die Christlichen Könige bey der Sach thun würden? er antwortet / der in Engeland / Schweden und Dennemarck werden / weil sie Teutschen Ge­ blüts und Herkommens: der in Hispania / Franckreich und Portugal! aber / weil die Alte Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regiert haben / ihre Kronen / Kö­ nigreich und incorporirte Länder / von der Teutschen Nation auß freyen Stücken zu Lehen empfahen / und alsdenn wird / wie ju Augufti Zeiten / ein ewiger beständiger Fried zwischen allen Völckern in der gantzen Welt seyn.

Das V. Capitel. ^Pring-ins-feld / der uns auch zuhörete / hätte ben Jupiter schier unwillig gemacht / und den Han-s284sdel bey nahe verderbt / weil er sagte: Und alsdann wirds in Teutschland hergehen wie im Schlauraffenland / da es lauter Muscateller regnet / und die Creutzer-Pastetlein über Nacht wie die Pfiffer­ ling wachsen! da werde ich mit beyden Backen fressen müssen wie ein Drescher / und Malvasier faussen / daß mir die Augen übergehen. Ja freylich / antwortet Jupiter, vornemlich wenn ich dir die Plag Erifichtonis anhencken würde / weil du / wie mich blinden will / meine Hoheit verspottest; Zu mir aber sagte er / ich habe vermeynt / ich sey bey lauter Sylvanis, 9 Mager E* 36 fette E4

12 bemelder E2

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Drittes Buch.

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so sehe ich aber wol / daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe; Ja man solte solchen Verräthern das was der Himmel beschlossen / offenbaren / und so edle Perlen vor die Säu werffen / ja freylich / aufs den Buckel geschissen vor ein Brust-tuch! Ich gedachte / diß ist mir wol ein vilierlicher und unflätiger Abgott / weil er neben so hohen Dingen auch mit so weicher Materi umbgehet. Ich sahe wol / daß er nicht gern hatte / daß man lachte / verbiß es derowegen so gut als ich immer fönte / und sagte zu ihm: Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgotts Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten / wie es weiter in Deutschland hergehen wird? O Nein / antwortet er / aber befehle zuvor diesem Theoni, daß er seine Hipponacis Zunge fürterhin im Zaum halten solle / ehe ich ihn (wie Mercurius benBattum) in einen Stein verwandele; Du selbst aber gestehe mir / daß du mein Ganymedes seyest / und ob dich nicht mein eyfersichtige Juno in meiner Abwesenheit auß dem himmlischen Reich gejaget habe? Ich versprach ihm alles zu erzehlen / da ich zuvor ge-s285Wrt haben würde / was ich zu wissen verlangte: Darauff sagte er / Siebet Ganymede, (leugne nur nicht mehr / dann ich sehe wol daß du es bist) es wird alsdenn in Deutschland das Gold-machen so gewiß und so gemein werden / als das Hafner-Handwerck / also daß schier ein jeder Roßbub den Lapidem Philosophorum wird umbschleppen! Ich fragte / wie wird aber Deutschland bey so unterschiedlichenReligionen ein so langwierigen Frieden haben können? werden so unterschiedliche Pfaffen nicht die Ihrige hetzen / und wegen ihres Glaubens wiederumb einen Krieg an­ spinnen? O Nein! sogt Jupiter, mein Held wird dieser Sorg weislich vorkommen / und vor allen Dingen alle Christliche Religionen in der gantzen Welt miteinander vereinigen; Ich sagte / 6 Wunder / das wäre ein groß Werck! wie müste das zugehen? Jupiter antwortet / das will ich dir hertzlich gern offenbaren: Nachdem mein Held ben Univerfal-grteben der gantzen Welt verschafft / wird er die Geist- und Weltliche Vor­ steher und Häupter der Christlichen Völcker und unterschied­ lichen Kirchen mit einer sehr beweglichen Sermon anreden / und ihnen die bißherige hochschädliche Spaltungen in den i oder Zoilum fehlt E4 eyfersichtiger E1-2-4

17

2 Verrathet E4 i weicher^ welcher E2-4 herum schleppen E4

24

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Deß Abentheurl. Simplicillimi

Glaubens-sachen trefflich zu Gemüth führen / sie auch durch hochvernünfftige Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahin bringen / daß sie von sich selbst eine allgemeine Ber­ einigung wünschen / und ihme das gantze Merck / seiner hohen Bernunfft nach zu dirigint / übergeben werden: Alsdann wird er die aller-geistreichste / gelehrteste und frömmste Theo­ log! von allen Orten und Enden her / auß allen Religionen zusammen bringen / und ihnen einen Ort / wie vor [286] diesem Ptolomaeus Philadelphua den 72. Dolmetschen ge­ than / in einer lustigen und doch stillen Gegend / da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen kan / zurichten lassen / sie daselbst mit Speiß und Tranck / auch aller anderer Nothwendigkeit versehen / und ihnen aufflegen / daß sie so bald immer möglich / und jedoch mit der aller-reiffsten und fleissigsten Mol-erwegung die Strittigkeiten / so sich zwischen ihren Religionen enthalten / erstlich beylegen / und nachgehends mit rechter Einhelligkeit die rechte / wahre / Heilige und Christliche Religion, der H. Schufst / der uhralten Tra­ dition, und der probirten H. Bätter Meynung gemäß / schrifftlich verfassen sollen: Umb dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hindern Ohren kratzen / weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen wird / ja er wird allerley Fünd und List erdencken / ein Que darein zu machen / und die Sach / wo nicht gar zu hindertreiben / jedoch solche ad infinitum oder indefinitum zu bringen / sich gewaltig be­ mühen; er wird sich unterstehen / einem jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand / sein geruhig Leben / sein Weib und Kind / sein Ansehen / und je so etwas / das ihm seine Opinion zu behaupten einrathen möchte j vorzumahlen: Aber mein dapfferer Held wird auch nicht feyren / er wird / so lang dieses Concilium währet / in der gantzen Christenheit alle Glocken läuten / und damit das Christlich Bolck zum Gebet an das höchste Numen ohnablässig anmahnen / und umb Sendung deß Geistes der Warheit bitten lassen: Wenn er aber mercken würde / daß sich einer oder ander von Plutone einnemmen läst / so wird er die gantze Congregation, wie in einem Conclave, [287] mit Hunger quälen / und wenn sie noch nicht dran wollen / ein so hohes Werck zu befördern / so wird er 25 in definitum E4

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daran

E4

Drittes Buch.

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ihnen allen vom Hencken predigen / oder ihnen sein wunderbarlich Schwerd weisen / und sie also erstlich mit Güte / endlich mit Emst und Bedrohungen dahin bringen / daß sie ad rem schreiten / und mit ihren halsstarrigen falschen Meynungen / die Welt nicht mehr wie vor Alters foppen: Nach erlangter Einigkeit wird er ein groß Jubelfest anstellen / und der gantzen Welt diese geläuterte Religion publicitett / und welcher als­ dann darwider glaubt / den wird er mit Schwefel und Bech martyrisiten / oder einen solchen Ketzer mit Buxbaum be­ stecken / und dem Plutone zum Neuen Jahr schencken. Jetzt weistu / lieber Ganymede, alles was du zu wissen begehrt hast / nun sage mir aber auch / was die Ursach ist / daß du den Himmel verlassen / in welchem du mir so manchen Trunck Nectar eingeschenckt hast?

Das VI. Capitel. Eh gedachte bey mir selbst / der Kerl dörffte vielleicht kein Narr seyn wie er sich stellte / sondem mirs kochen / wie ichs zu Hanau gemacht / umb desto besser von uns durch zu kommen; gedacht ihn derowegen mit dem Zom zu probiten / weil man einen Narrn am besten bey solchem erkennet / und sagte / die Ursach / daß ich auß dem Himmel kommen / ist / daß ich dich selbst darinn manglete / nam derowegen deß Daedali Flügel / und flog aufs Erden dich zu suchen / wo ich aber nach dir fragte / fand ich / daß man dir aller Orten und Enden ein schlechtes Lob verliehe / dann Zoilus und Moscus haben dich und alle andere [288] Götter / in der gantzen weiten Welt vor so verrucht / leichtfertig und stinckend außgeschryen / daß ihr bey den Menschen allen Credit ver­ loren; du selbst / sagen sie / seyest ein Filtzlausiger Ehebreche­ rischer Hurenhengst / mit was vor Billichkeit du dann die Welt wegen solcher Laster straffen mögest? Vulcanus sey ein gedultiger Hanrey / und habe den Ehebruch Martis ohne sonder­ bare nahmhaffte Rach müssen hingehen lassen / was der hinckende Gauch dann vor Waffen werde schmiden können? Venus sey selbsten die verhaßte Vettel von der Welt / wegen ihrer Unkeuschheit / was sie denn vor Gnad und Gunst einem

3

3 Bedrohung E34 den] schneiden E4

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andern werde mittheilen können? Mars sey ein Mörder und Räuber; Apollo ein unverschämter Huren-Jäger; Mercurius ein unnützer Plauderer / Dieb und Kuppler / Priapus ein Unflat /Hercules einHirnschälliger Wüterich / und in Summa die gantze Schaar der Götter sey so verrucht / daß man sie sonst nirgends hin als in befcAugei Stall logüen solle/ welcher ohne das durch die gantze Welt stinckt. Ach! sagte Jupiter, wäre es ein Wunder / wenn ich meine Güte beyseit setzte / und diese heyllose Ehrendieb und Gottsschändende Verleumder mit Donner und Blitz verfolgte? Was dünckt dich mein ge­ treuer und allerliebster Ganymede? Soll ich diese Schwätzer mit ewigem Durst plagen wie den Tantalum? oder soll ich sie neben den muthwilligen Plauderer Daphitas aufs dem 93et0Therace auffhencken lassen? oder sie mitAnaxarcho in einem Mörsel zerstossen? oder soll ich sie zu Agrigento in Phalaris glühenden Ochsen stecken? Nein / Nein Ganymede! diese Straffen und Plagen sind alle miteinander viel zu gering; ich will [289] der Pandora Büchse von neuem füllen / und selbe den Schelmen aufs die Köpsf außläeren lassen / die Nemesis soll die Alecto, Megaera unbThefiphone erwecken / und ihnen über den Hals schicken / und Hercules soll den Cerberum vom Pluto entlehnen / und diese böse Buben damit hetzen wie die Wölfs / wenn ich sie dann dergestalt genug gejagt und geplagt haben werde / so will ich sie erst neben den Hefiodum und Homerum in das höllisch Hauß an ein Säul binden / und sie durch die Eumenides ohn einige Erbarmung ewiglich abstraffen lassen. In dem Jupiter so drohete / zog er in Gegenwart meiner und der gantzen Partey die Hosen herunder ohn einige Scham / und stöbert die Flöh darauß / welche ihn / wie man an seiner sprencklichten Haut wol sahe / schröcklich tribulitt hatten: Ich fönte mir nicht einbilden / was es abgeben solle / biß er sagte: Schert euch fort ihr kleine Schinder / ich schwöre euch beym Styx, daß ihr in Ewigkeit nicht erhalten soll / was ihr so sorgfältig sollicitirt! Ich fragte ihn / was er mit solchen Worten meyne? Er antwortet / daß das Geschlecht der Flöhe / als sie vernommen / daß er aufs Erden kommen seye / ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten / ihne zu complimentiren: Diese hätten ihm darneben angeAuger E2-4 18 Büsche E2-4 20 und fehlt E2-4 24 erst fehlt E4 Sail E4 29 ohne E4 einigen E4 baraufl herauß E2 4 34 solicirt E2-4 6

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Drittes Buch.

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bracht / ob er zwar ihnen die Hunds-Häut zu bewohnen affignirt / daß dennoch zu Zeiten wegen etlicher Eigenschafften / welche die Weiber an sich hätten / theils auß ihnen sich verirreten / und den Weibern in die Beltz geriethen; solche ver­ irrte arme Tropffen aber würden von den Weibern übel tractirt / gefangen / und nicht allein ermordt / sondern auch zuvor zwischen ihren Fingern so elendiglich gemartert und äet*[290]rieben / daß es einen Stein erbarmen möchte: Ja / (sagte Jupiter ferner) sie brachten mir die Sach so beweglich und erbärmlich vor / daß ich Mitleiden mit ihnen haben muste / und also ihnen Hülff zusagte / jedoch mit Vorbehalt / daß ich die Weiber zuvor auch hören möchte; sie aber wandten vor / wenn den Weibern erlaubt würde / Widerpart zu halten / und ihnen zu widersprechen / so wüsten sie wol / daß sie mit ihren gifftigen Hunds-zungen entweder meine Frömmigkeit und Güte beteuben / die Flöh selbsten aber überschreyen / oder aber durch ihre liebliche Wort und Schönheiten mich bethören / und zu einem falschen Urtheil verleiten würden; mit fernerer Bitt / ich todte sie ihrer underthänigen Treu gemessen lassen / welche sie mir allezeit erzeigt / und ferner zu leisten gedächten / in dem sie allezeit am nächsten darbey gewesen / und am besten gewust hätten / was zwischen mir und der Jo, Califto, Eu­ ropa, und andern mehr Vorgängen / hätten aber niemal nichts auß der Schul geschwätzt / noch bei: Juno, wiewol sie sich auch bey ihr pflegten auffzuhalten / einiges Wort gesagt / Massen sie sich noch solcher Verschwiegenheit beflissen / wie dann kein Mensch biß dato (ohnangesehen sie sich gar nahe bey allen Bulschafften finden liesse) von ihnen / wie Apollo von den Raben / etwas dergleichen erfahren hätte: Wenn ich aber je zulassen todte / daß die Weiber sie in ihrem Bann jagen / fangen / und nach Waidmanns Recht metzlen dörfften / so wäre ihr Bitt / zu verschaffen / daß sie hinfort mit einem heroischen Todt hingerichtet / und entweder mit einer Axt wie Ochsen nidergeschlagen / oder wie Wildpret gefället würden / und nicht mehr so [291] schimpfflich zwischen ihren Fingern zerquetschen und radbrechen solten / wordurch sie ohne das ihre eigene Glieder / damit sie ofst was anders berührten / zu Henckers-Inltrumenten machten / welches allen ehrlichen i zwar tfmen] ihnen zwar E4 gen E2-4 22 Ioh. Calisto E4

16 überstreuen E2 19 untertäni­ dado E4 34 gefällt E4

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Deß Abentheurl. Simpliciüimi

Mannsbildem ein Schand wäre! Ich sagte / ihr Herren müst sie greulich quälen / weil sie euch so schröcklich tyrannifiten? Ja wol / gaben sie mir zur Antwort / sie sind uns sonst so neidig / und villeicht dammb / daß sie sorgen / wir sehen / hören und empfinden zu viel / eben als ob sie unserer Ver­ schwiegenheit nicht genugsam versichert wären. Was wolts seyn? können sie uns doch in unserm eigenen Territorio nit leiden / gestalt manche ihr Schoshündlein mit Bürsten / Kämmen / (Baissen / Laugen und andern Dingen dermassen durchstreifst / daß wir unser Vatterland nothdringlich quittiren/ und andere Wohnungen suchen müssen / ohnangesehen sie solche Zeit besser anlegen / und etwan ihre eigene Kinder von den Läusen säubern tönten: Darauff erlaubte ich ihnen / bey mir einzukehren / und meinen menschlichen Leib ihre Beywohnung / Thun und Lassen empfinden zu machen / damit ich ein Urtheil darnach fassen tönte; da fieng das Lumpengesind an / mich zu geheyen / daß ich sie / wie ihr gesehen habt / wieder ab­ schaffen müssen: Ich will ihnen ein Privilegium aufs die Ras hofieren / daß sie die Weiber verrieblen und vertrieblen mögen/ wie sie wollen / ja wenn ich selbst so ein schlimmen Kunden erdappe / will ichs ihm nicht besser machen.

Das VII. Capitel. HVJr dorfften nicht rechtschaffen lachen / beydes weil wir sich still halten musten / und weils der [292] Phantast nicht gern hatte / worvon Spring-ins-feld hätte zerspringen mögen. Eben damals zeigte unsere Hohewacht an / die wir aufs einem Baum hatten daß er in der Feme etwas kommen sehe; Ich stieg auch hinauff / und sahe durch mein Perspectiv, daß es zwar die Fuhrleute seyn müsten / denen wir auffpaßten / sie hatten aber niemand zu Fuß / sondem ohngesähr etlich und dreissig Reuter zur Convoy bey sich / dahero tonte ich mir die Rechnung leicht machen / daß sie nicht oben durch den Wald / darin wir lagen / gehen / sondem sich im freyen Feld behelffen würden l da wir ihnen nichts hätten abgewinnen mögen / wiewol es daselbst einen bösen Weg hatte / der ungefähr 600. Schritt von uns / und etwan 300. Schritt vom End deß i eine E4 r euch] auch E4 s unsere E2-4 13 säuberen E4 u ihrer E4 17 rote] will E2 ] weil E4 re Phandast E2 r« wir] war E2-4 31 zu E4 34 hätten fehlt E4

Drittes Buch.

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Walds oder Bergs durch die Ebne vorbey gieng. Ich wolle ungern so lang daselbst umbsonst gelegen / oder nur einen Narrn erbeutet haben / machte derhalben geschwind einen anbetn Anschlag / der mir auch angienge. Von unserer Lägerstatt gientze ein Wasser-runtze in einer Klammen hinunder (die bequem zu reuten war) gegen dem Feld warts / deren Außgang besetzte ich mit 20. Mann / nam auch selbst meinen Stand bey ihnen / und ließ den Springins-seld schier an dem Ort / wo wir zuvor gelegen wam / sich in seinem Vortheil halten / befahl auch meiner Bursch / wenn die Convoy hin komme / daß jeder seinen Mann gewiß nemmen solle / sagte auch jedem / wer Feuer geben / und welcher seinen Schuß im Rohr zum Borrath behalten solle. Etliche alte Kerl sagten / was ich gedächte? und ob ich wol vermeynte / daß die Convoy an diesen Ort kommen würde / da sie nichts zu thun [293] hätten / und dahin wol in 100. Jahren kein Bauer kommen sehe? Andere aber / die da glaubten / ich könne zaubern / (Massen ich damals deßwegen in einem grossen Ruff war) gedachten / ich würde den Feind in unsere Händ bannen. Aber ich brauchte hierzu keine Teuffels-Kunst / sondern nur den Spring-ins-seld / dann als dieConvoy / welche zimlich Trouppen hielte / recta gegen uns über vorbey pasliren wolle / fieng Spring-ins-seld auß meinem Befelch so schröcklich an zu brüllen wie ein Ochs / und zu wiehem wie ein Pferd / daß der gantze Wald einen Widerschall darvon gab / und einer hoch ge­ schworen hätte / es wären Roß und Rinder vorhanden: So bald dieConvoy das hörte / gedachten sie Beuten zu machen / und an diesem Ort etwas zu erschnappen / das doch in der­ selben gantzen Gegend nicht anzutreffen / weil das Land zimlich eröset war; sie ritten sämptlich so geschwind und un­ ordentlich in unsern Halt / als wenn ein jeder der erste hätte seyn wollen / die beste Schlappe zu holen / welche es dann so dichte setzt / daß gleich im ersten Willkomm / den wir ihnen gaben /13. Nittel geläert / und sonst noch etliche auß ihnen gequetscht wurden; Hierauff liesse Spring-ins-seld gegen ihnen die Klamme hemnder / und schrye: Jäger / hieher! darvon die Kerl noch mehr erschreckt / und so irr wurden / daß sie weder hindersich / sürsich / noch neben auß reuten tonten / waren E2-4 u gedächte E2 is da] daß E2-4 n fönt« E1 kante E4 r i zimlich« E2-4 22 über fehlt E4 24 wühern E4 ro er­ läset E2-4 ritten] eilten E4 32 Schlawpe E2 Schlampe E4 9

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Deß Abentheurl. Simpliciffimi

absprangen / und sich zu Fuß darvon machen walten: Aber ich bekam sie alle sibenzehen / sampt dem Leutenant der sie commanditt hatte / gefangen / und gieng damit aufs die Wägen laß / spannete 24. Pferd auß / und bekam nur etliche wenige Seidenwahr und Holländisch Tuch / dann [294] ich dorffte nicht so viel Zeit nehmen / die Todte zu plündern / geschweig die Wägen recht zu durchsuchen / weil sich die Fuhrleut zu Pferd bald auß dem Staub gemacht / als die Action angienge / durch welche ich zu Dorsten hätte verrathen / und unterwegs wieder auffgehebt werden können. Da wir nun auffgepackt hatten / liesse Jupiter auch auß dem Wald / und schrye uns nach / ob ihn dann Ganymedes verlassen wolte? Ich ant­ wortet ihm ja / wenn er den Flöhen das begehe Privilegium nicht mittheilen wolte: Ich wolte lieber (antwortet er wieder) daß sie miteinander im Cocyto legen! Ich muste lachen / und weil ich ohne das noch läere Pferd hatte / liesse ich ihn auffsitzen / demnach er aber nicht besser reuten tonte / als eine 9Zu§ / muste ich ihn ausfs Pferd binden lassen / da sagte er / daß ihn unser Scharmützel an die jenige Schlacht gemahnt hätte / welche bieLapithae hiebevor mit den Centhauris bey deß Pirithoj Hochzeit angefangen hätten. Wie nun alles vorüber war / und wir mit unfern Gefangenen davon postirten / als ob uns jemand jagte / bedachte erst der gefangene Leutenant / was er vor ein groben Fehler be­ gangen / daß er nemlich ein so schönen Trouppen Reuter dem Feind so ohnvorsichtig in die Händ geführt / und 13. so brave Kerl aufs die Fleischbanck geliefert hätte / fienge derowegen an zu defperiten / und kündete mir das Quartier wieder aufs / das ich ihm selbsten gegeben hatte / ja er wolte mich gleichsam zwingen / ich solle ihn todt schiessen lassen / denn er gedachte nicht allein / daß dieses Übersehen ihm eine grosse Schand seyn / und unverantwortlich fallen / sondern auch an seiner künfftigen [295] Beförderung verhinderlich seyn würde / wofern es anders nicht gar darzu käme / daß er den Schaden mit seinem Kopfs bezahlen müste: Ich aber sprach ihm zu / und hielte ihm vor / daß manchem rechtschaffenen Soldaten das unbeständige Glück seine Tück bewiesen / ich hätte aber dammb noch keinen gesehen / der deßwegen verzagt / oder bcn E4 18 sagt E4 23 gebachte E2-4 24 einen E4 26 unvor­ sichtig E4 28 desperirn E4 29 gegeben] gebeten E4 32 Schande E4 38 oder] der E2-4 2

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Drittes Buch.

gar verzweiffelt sehe / sein Beginnen sey ein Zeichen der Kleinmütigkeit / dapffere Soldaten aber gedächten / die empfangne Schäden ein ander mal wieder einzubringen; mich würde er nimmermehr dahin bringen / daß ich das Cartel verletzte / oder ein so schändliche That wider alle Billichkeit / und löblicher Soldaten Gewonheit und Herkommen begienge. Da er nun sahe / daß ich nicht dran wolte / fienge er an mich zu schmähen / in Meynung / mich zum Zorn zu bewegen / und sagte: Ich hätte nicht aufstecht und redlich mit ihm ge­ fochten / sondern wie ein Schelm und Strauch-Mörder ge­ handelt / und seinen bey sich gehabten Soldaten das Leben als ein Dieb abgestolen; worüber seine eigene Bursch / die wir gefangen hatten / mächtig erschracken / die meinige aber eben so sehr ergrimmten / also daß sie ihn wie ein Sieb durch­ löchert hätten / wann ichs nur zugelassen / Massen ich genug abzuwehren bekäme. Ich aber bewegte mich nicht einmal über seine Reden / sondern nam beydes Freund und Feind zum Zeugen dessen was da geschahe / und liesse ihn Leutenant binden / und als einen Unsinnigen verwahren; versprach auch / ihn Leutenant / so bald wir in unfern Posten kämen / und es meine Officier zulassen wollen / mit meinen eigenen Pferden und Gewehr / worunter er dann die Wahl haben solte / außzustaf-s296Men / und ihme öffentlich mit Pistolen und Degen zu weisen / daß Betrug im Krieg wider seinen Gegentheil zu üben / in Rechten erlaubt seye / warumb er nicht bey seinen Wägen geblieben / darauff er bestellt gewesen; oder da er ja hätte sehen wollen / was im Wald stecke / warumb er dann zuvor nicht rechtschaffen hätte recognosciten lassen / welches ihm besser angestanden wäre / als daß er jetzund so unsinnige Narrenpossen anfienge / daran sich doch niemand kehren würde. Hierüber gaben mir beydes Freund und Feind recht / und sagten: Sie hätten unter hundert Parteygängern nicht einen angetroffen / der auff solche Schmähewort nicht nur den Leutenant todt geschossen / sondern auch alle Gefangene mit der Leich geschickt hätte. Also brachte ich meine Beuten und Gefangene den andern Morgen glücklich in Soest / und bekam mehr Ehr und Ruhm von dieser Partey / als zuvor nimmer / jeder sagte: Diß gibt wieder ein jungen Joh. de Werd! Welches 4 nimmer E4

28 cognosciren E2-4

32 hatten E2-4

35

hatte E2-4

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Deß Abentbeurl. Simplicißimi

mich trefflich kützelte; aber mit dem Leutenant Kugeln zu wechseln oder zu muffen / wolle der Commandant nicht zu­ geben / dann er sagte / ich hätte ihn schon zweymal über­ wunden. Je mehr sich nun dergestalt mein Lob wieder ver­ mehrte / je mehr nam der Neid bey denen zu / die mir ohne das mein Glück nicht gönneten.

Das VIII. Capitel. Hl» Eines Jupiters tonte ich nicht loß werden / dann der Commandant begehrte ihn nicht / weil nichts an ihm zu ropffen war / sondern sagte / er wolle mir ihn schencken; Mso bekam ich einen eigenen Narm / und dorffte keinen kauffen / Wietool ich das Jahr zu-s297)vor selbst vor einen mich hatte gebrauchen lassen müssen. So wunderlich ist das Glück / und so veränderlich ist die Zeit! Kurtz zuvor tribulieiten mich die Laus / und jetzt habe ich den Flöhe-Gott in meinem Gewalt; vor einem halben Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner vor einen Jungen; nunmehro aber ver­ mochte ich zween Knecht / die mich Herr hiessen; es war noch kein Jahr vergangen / daß mir die Buben nachlieffen / mich zur Hur zu machen / jetzt wars an dem / daß die Mägdlein selbst auß Liebe sich gegen mir vemarrten: Also wurde ich bey Zeiten gewahr / daß nichts beständigers in der Welt ist / als die Unbeständigkeit selbsten. Dahero muste ich sorgen / wann das Glück einmal seine Mucken gegen mich außlasse / daß es mir meine jetzige Wolfahrt gewaltig einbänden würde. Damals zöge der Graf von der Wahl / als Obrister Guber­ nator deß Westphälischen Eräises / auß allen Guamifonen einige Völcker zusammen / eine Cavalcada durchs Stifft Münster gegen der Vecht / Meppen / Singen / und der Orten zu thun / vornemlich aber zwo Compagnien Hessische Reuter im Stifft Paderbom außzuheben / welche zwo Meilen von Paderbom lagen / und den Unseligen daselbsten viel Dampffs anthäten; ich wurde unter unsern Dragonem mit commandirt / und als sich einige Trouppen zum Ham gesamblet / giengen wir schnell fort / und berenneten bemeldter Reuter Quartier / welches ein schlecht-verwahrtes Stättlein war / biß 2 roott E4 13 mich fehlt E4 >5 jktze K2 22 nickt E1 st ha lisch cn E4 Quorntfonen E4 as brenneten E4

27 Weit­

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Dritte- Buch.

die Unselige hernach tarnen; Sie unterstunden durch zu gehen/ wir sagten sie aber wieder zurück in ihr Nest / es wurde ihnen angebotten / sie ohne Pferd und Gewehr / [298] jedoch mit dem was der Gürtel beschliesse / passiren zu lassen; Aber sie wolten sich nicht darzu verstehen / sondern mit ihren Carbinem wie Mußquetierer wehren: Mso kams darzu / daß ich noch dieselbe Nacht probieren muste / was ich vor Glück in Stürmen hätte / weil die Dragoner vorn an giengen / da gelung es mir so wol / daß ich sampt dem Spring-ins-feld glejchsam mit den ersten gantz ohnbeschädigt in das Stättlein kam / wir läerten die Gassen bald / weil nidcrgemacht wurde / was sich im Gewehr befände / und sich die Burger nicht hatten wehren wollen / also gieng es mit uns in die Häuser / Spring-ins-feld sagte: Wir müsten ein Hauß vornehmen / vor welchem ein grosser Haussen Mist lege / dann in denselben pflegten die reichste Kautzen zu sitzen / denen man gemeiniglich die Officier einlogirte / darauff griffen wir ein solches an / in welchem Spring-ins-feld den Stall / ich aber das Hauß zu vifitiren vor name / mit dieser Abred / daß jeder das jenige was er bekäme / mit dem andern Parten solle; Also zündet jeder seinen Waxstock an / ich raffte nach dem Satter int Hauß / kriegte aber kein Antwort / weil sich jederman versteckt hatte / geriethe indessen in eine Kammer / fände aber nichts als ein läerBett darinnen / und einen beschlossenen Trog / den hämmert ich auff / in Hoffnung etwas kostbares zu finden / aber da -ich den Deckel auffthät / richtet sich ein kohlschwartzes Ding gegen mir auff / welches ich vor den Lucifer selbst ansähe: Ich kan schwören / daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin / als eben damals / da ich diesen schwartzen Teuffel so unversehens erblickte; Daß dich dieser und jener erschlag / sagte ich gleichwol in solchem Schrecken / [299] und zuckte mein Aextlein / damit ich den Trog auffgemacht / und hatte doch das Hertz nicht / ihm solches in Kopfs zu hauen; er aber knyete nider / hub die Hand auff / und sagte: Min leve Heer / ick bitte j» dorr Gott / fchinckt tm min Levent! Da hörete ich erst / daß es kein Teuffel war / weil er von Gott redet / und umb sein Leben bat; sagte demnach / er solle sich auß dem Trog geheyen / das that er / und gieng mit mir so nackend / wie ihn GOtt erschaffen hatte.

io dem E4 io Officirer E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Ich schnitte ein Stück von meinem Wachs / und gabs ihm mir zu leuchten / das that er gehorsamlich / und führet mich in ein Stüblein / da ich den Haußvatter fände / der sampt seinem Gesind diß lustige Spectacul ansähe / und mit Zittern umb Gnad bäte! Diese erhielte er leicht / weil wir den Bur­ gern ohne das nichts thun dorfften / und er mir deß Ritt­ meisters Bagage, darunter ein zimlich wolgespickt verschlossen Felleisen war / einhändigte / mit Bericht / daß der Ritt­ meister und seine Leut / biß aufs einen Knecht und gegen­ wärtigen Mohren / sich zu wehren aufs ihre Posten gangen wären; indessen hatte der Spring-ins-feld besagten Knecht auch mit sechs gesattelten schönen Pferden im Stall er­ wischt / die stellten wir ins Hauß / verrigelten solches / und liessen den Mohren sich anziehen / den Wirth aber aufftragen / was er vor seinen Rittmeister zurichten müssen. Als aber die Thor geöffnet / die Posten besetzt / und unser General Feld­ zeugmeister Herr Graf von der Wahl eingelassen wurde / nam er sein Logiment in eben demselben Hauß darinn wir uns befanden / darumb musten wir bey finsterer Nacht wieder ein ander Quartier suchen. Das fanden wir bey un-s3(Wern Cameraden / die auch mit Sturm ins Stättlein kommen waren / bey denselbigen liessen wir uns wol seyn / und brachten den übrigen Theil der Nacht mit Fressen und Sauffen zu / nachdem ich und Spring-ins-feld miteinander unsere Beuten getheilt hatten / ich bekam vor mein Theil den Mohren und die zwey beste Pferd / darunter ein Spanisches war / miss welchem ein Soldat sich gegen seinem Gegentheil dorffte sehen lassen / mit dem ich nachgehends nicht wenig prangte / auß dem Felleisen aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ring / und in einer güldenen Cappel mit Rubinen besetzt/ deß Printzen von Uranien Conterfäit / weil ich dem Spring-ins-feld das übrige alles liesse / kam also / wenn ich alles halber hinweg hätte schencken wollen / mit Pferden und allem über die 200. Ducaten / vor den Mohren aber / der mich am allersaursten ankommen war / wurde mir vom Gen. Feldzeug­ meister / als welchen ich ihm praefentirte / nicht mehr als zwey Dutzet Thaler verehrt. Bon dannen giengen wir schnell an die Embs / richteten aber wenig auß / und weil sichs eben 4 das E4 6 dörfften E4 i Pagage E4 12 Pferden^ Pferden auch E1-2-4 18 in eben demselben^ eben in dernselbigen E4 20 an­ der fehlt E4 23 und fehlt E4

Drittes Buch.

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traff / daß wir auch gegen Recklinghausen zukamen / nam ich Erlaubnus / mit Spring-ins-feld meinem Pfaffen zuzu­ sprechen / dem ich hiebevor den Speck gestohlen hatte / mit demselben machte ich mich lustig / und erzehlte ihm / daß mir der Mohr den Schrecken / den er und seine Köchin neulich empfunden / wieder eingetränckt hätte / verehrte ihm auch ein schöne schlagende Hals-Uhr zum freundlichen Valete; so ich auß deß Rittmeisters Felleisen bekommen hatte / pflegte also aller Orten die jenige zu Freunden zu machen / so sonsten Ursach gehabt hätten / mich zu hassen.

[301]

Das IX. Capitel.

Ost} (Sitte Hoffart vermehrte sich mit meinem Glück / darauß 1 endlich nichts anders als mein Fall erfolgen kitte; Un­ gefähr ein halbe Stund von Rehnen campirtett wir / als ich mit meinen bestenEameraden Erlaubnus begehrte / in dasselbe Stättlein zu gehen / etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen / so wir auch erhielten. Weil aber unser Meynung war / sich einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen / kehrten wir im besten Wirtshauß ein / und liessen Spilleut kommen / die uns Wein und Bier hinunder geigen musten: Da giengs in floribus her / und blieb nichts unterwegen / was nur dem Geld wehe thun möchte / ja ich hielte Bursch von andern Regimentern zu Gast / und stellte mich nicht anders / als wie ein junger Printz / der Land und Leut vermag / und alle Jahr ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero wurde uns auch besser / als einer Gesellschafft Reuter / die gleichfalls dort zehrte / auffgewartet / weils jene nicht so doll hergehen liessen / das verdroß sie / und fiengen an mit uns zu kippeln: woher kompts / sagten sie untereinander / daß diese Stigelhupffer (dann sie hielten uns vor Mußquetierer / Massen kein Thier in der Welt ist / das einem Mußquetierer gleicher sihet als ein Dragoner / und wenn ein Dragoner vom Pferd fällt / so stehet ein Mußquetierer wieder aufs) ihre Heller so weisen? Ein anderer antwortet / jener Säugling ist gewiß ein StrohJuncker / dem seine Mutter etliche Milch-Pfenning geschickt / die er jetzo seinen Eameraden spendirt / damit sie ihn künfftig 19 wir] sie E2*4

36 ihm E2-4

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

irgendswo auß dem Dreck / oder etwan durch ein [302] Graben tragen sollen. Mit diesen Worten zieleten sie aufs mich / dann ich wurde vor einen jungen Edelmann bey ihnen angesehen. Solches würd mir durch die Kellerin hinderbracht / weil ichs aber nicht selbst gehört / tonte ich anders nichts darzu thun / als daß ich ein groß Bierglas mit Wein einschencken / und solches miss Gesundheit aller rechtschaffenen Mußquetierer herumb gehen / auch jedesmal solchen Allarm darzu machen liesse / daß keiner sein eigen Wort hören tonte; das verdroß sie noch mehr / derowegen sagten sie öffentlich: Was Teuffels haben doch die Stigelhüpffer vor ein Leben? Spring-ins-feld antwortet / was gehts die Stisfelschmierer an? Das gieng ihm hin / dann er sahe so gräßlich drein / und machte so grausame und bedrohliche Minen / daß sich keiner an ihn reiben dorffte. Doch stieß es ihnen wieder aufs / und zwar einen ansehnlichen Kerl / der sagte: Und wenn sich die Maurenscheisser auch aufs ihrem Mist (er vermeynte / wir lägen da in der Guarnison, weil unsere Kleidungen nicht so Wetterfärbig außsahen / wie der jenigen Mußquetierer / die Tag und Nacht im Feld ligen) nicht so breit machen dörfften / wo wollen sie sich dann sehen lassen? man weiß ja wol / daß jeder von ihnen in offenen Feldschlachten unser Raub seyn muß / gleich wie die Daub eines jeden Stoß-Falcken! Ich antwortet ihm: Wir müssen Stätt und Vestungen einnehmen / und solche werden uns auch zu verwahren vertrauet / dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Ratten-Nest keinen Hund auß dem Ofen locken könnet; wammb wolten wir sich dann in dem / was mehr unser als euer ist / nicht dörffen lustig machen? Der Reuter antwortet / [303] wer Meister im Feld ist / dem folgen die Vestungen / daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen / folget auß dem / daß ich so drey Kinder / wie du eins bist / mit sampt ihren Mußqueten nicht allein nicht förchten / son­ dern ein paar darvon aufs den Hut stecken / und den dritten erst fragen wolle / wo deiner noch mehr wären? und fasse ich nur bey dir / sagte er gar Hönisch / so wolte ich dem Junckern zu Bestetigung der Warheit ein Par Dachteln geben! Ich antwortet ihm / ob ich zwar vermeyne / ein so gut Par Pistolen zu haben als du / wiewol ich kein Reuter / sondern 8 jebeäma()l6 E4 12 gcbctS E4 ausfallen E4 33 davon E4

17 Quarmfon E4

>s außsahen]

Drittes Buch.

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nur ein Zwidder zwischen ihnen und den Mußquetierern bin / schau! so hat doch ein Kind das Hertz / mit seiner Mußqueten allein / einem solchen Praler zu Pferd / wie du einer bist / gegen all seinem Gewehr im freyen Feld / nur zu Fuß zu erscheinen. Ach du Coujon, sagte der Kerl / ich halte dich vor einen Schelmen / wenn du nicht wie ein redlicher von Adel alsbald deinen Worten eine Krafft gibst. Hierauff warff ich ihm einen Handschuh zu / und sagte: Sihe da / wenn ich diesen im freyen Feld durch meine Mußquete nicht zu Fuß wieder von dir bekomme / so habe genügsame Macht und Gewalt / mich vor den jenigen zu halten und außzuschreyen / wie mich deine Vermessenheit gescholten hat. Hierauff zahlten wir den Wirth / und der Reuter machte seinen Carbiner und Pistolen / ich aber meine Mußquete fertig / und da er mit seinen Cameraden von uns an den bestimpten Ort ritte / sagte er zu meinem Spring-ins-feld: Er solte mir nur allgemach das Grab bestellen; Dieser aber antwortet ihm / er möchte solches auff ein Vorsorg seinen eigenen Cameraden / vor ihn selbst zu be­ stellen / [304] anbefehlen; mir aber verwiese er meine Frech­ heit / und sagte unverholen / Er besorge / ich werde auß dem letzten Loch pfeiffen. Ich lachte hingegen / weil ich mich schon vor längst besonnen hatte / wie ich einem motmonditten Reuter begegnen müsse / wann mich einmal einer zu Fuß mit meiner Mußquete im weiten Feld feindlich angreiffen solte. Da wir nun an den Ort kamen / wo der Betteltantz angehen solte / hatte ich meine Mußquet bereits mit zweyen Kuglen geladen / frisch Zindkraut auffgerührt / und den Deckel auff der Zindpfannen mit Unschlit verschmiert / wie vor­ sichtige Mußquetierer zu thun Pflegen / wenn sie das Zindloch und Pulver auff der Pfannen im Regenwetter vor Wasser ver­ wahren wollen. Ehe wir nun auffeinander giengen / bedingten beyderseits Cameraden miteinander / daß wir uns im freyen Feld an­ greiffen / und zu solchem End der eine von Ost / der ander aber von West / in ein umbzäuntes Feld einbetten solten / und alsdann möge ein jeder sein bestes gegen dem andern thun / wie ein Soldat thun soll / welcher dergestalt seinen Feind vor Augen kriegt; Es solte sich auch weder vor / in / 3 solchem E2 bezäunteö E4

4 allen E34 in E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

noch nach dem Kampfs / keiner von beyden Parteyen unter­ stehen / seinem Cameraden zu helffen / noch dessen Todt oder Beschädigung zu rächen. Als sie solches einander mit Mund und Hand versprochen hatten / gaben ich und mein Gegner einander auch die Händ / und verziehe je einer dem andern seinen Todt: In welcher aller-unsinnigsten Thorheit / welche je ein vemünfftiger Mensch begehen kan / ein jeder hoffte / seiner Gattung Soldaten das Pr» zu erhalten / gleichsam als ob deß einen oder andem Theils Ehr und Repu-[305]tation an dem Außgang unseres teufflischen Beginnens gelegen ge­ west wäre. Da ich nun an meinem bestimpten Ende mit doppelt­ brennendem Lunden in angeregtes Feld trotte / und meinen Gegentheil vor Augen sahe / stellte ich mich / als ob ich das alte Zindkraut im Gang abschüttete / ich thäts aber nicht / sondern rührte Zindpulver nur aufs den Deckel meiner Zindpfannen / bließ ab / und baßte mit zweyen Fingern aufs der Pfann miss / wie bräuchlich ist / und ehe ich meinem Gegen­ theil / der mich auch wol im Gesicht hielte / das Weisse in Augen sehen fönte / schlug ich miss ihn an / und brennte mein falsch Zindkraut miss dem Deckel der Pfannen vergeblich hinweg; mein Gegner vermeynte / die Mußquet hätte mir versagt / und das Zündloch wäre mir verstopfst / sprengte derowegen / mit einer Pistol in der Hand / gar zu begierig recta aufs mich dar / in Meynung / mir meinen Frevel zu bezahlen; Aber ehe er sichs versähe / hatte ich die Pfann offen / und wieder an­ geschlagen / hiesse ihn auch dergestalt Willkomm seyn / daß Knall und Fall eins war. Ich retirirte mich hierauff zu meinen Cameraden / die mich gleichsam küssend empfiengen / die seinige aber entledigten ihn auß seinem Stegraiff / und thäten gegen ihm und uns / wie redliche Kerl / Massen sie mir auch meinen Handschuh mit grossem Lob wieder schickten. Aber da ich meine Ehr am grösten zu seyn schätzte / kamen 25. Mußquetier auß Rehnen / welche mich und meine Cameraden gefangen namen: Ich zwar wurde alsbald in Ketten und Band geschlossen / und der Generalität überschickt / weil alle Duell bey Leib- und Lebensstraff bet« botten waren.

sie fehlt E2-34 10 unsers E2-4 11 mit fehlt E2-4 12 meinem E4 abschittete E4 1« paßte E4 17 Pfannen E4 18 in] im E4 is brennete E2-4 21 Mußqucle E4 22 Zindloch E4 23 recte fehlt E4 26 hiesse ich E4 31 Handschuch E2-4 33 Mußquetierer E4 36 alle] aber E2-4 3

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Drittes Buch. [306]

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Das X. Capitel.

I^Emnach unser General Feldzeugmeister strenge KriegsDisciplin zu halten pflegte / besorgte ich die Verlierung meines Kopffs; Hingegen hatte ich noch Hoffnung darvon zu kommen / weil ich bereits in so blühender Jugend jederzeit mich gegen dem Feind wol gehalten / und einen grossen Ruff und Nahmen der Dapfferkeit erworben. Doch war solche Hoffnung ungewiß / weil dergleichen täglichen Händel halber die Notdurfft erfordert / ein Exempel zu statuiert. Die Unserige hatten eben damals ein vestes Ratten-Nest berennet und aufffordern lassen / aber ein abschlägige Antwort be­ kommen / weil der Feind wüste / daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen ruckte unser Graf von der Wahl mit dem gantzen Corpo vor besagten Ort / begehrte durch einen Trom­ peter abermal die Übergab / und drohete zu stürmen / es er­ folgte aber nicht anders / als dieses nachgesetzte Schreiben: AOch-Wolgeborner Graf / rc. Auß E. Gräfl. Excell. an ** mich abgelassenem habe vernommen / was Dieselbe im Nahmen der Röm. Käis. Maj. an mich gesinnen: Nun wissen aber Euer Hoch-Gräfl. Excell. Dero hohen Vernunfft nach / wie übel-anständig / ja unverantwortlich einem Soldaten fallen würde / wann er einen solchen Ort / wie dieser ist / dem Gegen­ theil ohne sonderbare Noth einhändigte: Dessentwegen Die­ selbe mich dann verhoffentlich nicht verdencken werden / wann ich mich befleissige zu verharren / biß die Waffen Euer Excell. dem Ort zusprechen. Kan aber E. Excell. meine Wenigkeit [307] ausserhalb Herren-Diensten in ichtwas zu gehorsamen die Gelegenheit haben / so werde ich seyn E. Excell. Aller-dienstwilligster Diener N. N. Hierauff wurde in unserm Läger unterschiedlich von dem Ort discuritt / dann solches ligen zu lassen / war gar nicht rathsam / zu stürmen ohn eine Presse / hätte viel Blut gekostet / und wäre doch noch mißlich gestanden / ob mans übermeistert hätte oder nicht? hätte man aber erst die Stück und alle Zu­ gehör von Münster oder Ham her holen sollen / so wäre gar 9

erfobert E2

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34

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21 an in übel-anständig nur als

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Viel Mühe / Zeit und Unkosten darauff geloffen. In dem man nun bey Grossen und Kleinen rathschlagte / fiel mir ein / ich solle mir diese Occasion zu nutz machen / umb mich zu er­ ledigen; Mso gebot ich meiner Witz zusammen / und bedachte mich / wie man den Feind betrügen möchte / weils nur an den Stücken mangelte. Und weil mir gleich zufiele / wie der Sach zu thun seyn möchte / ließ ich meinen Obrist Leutenant wissen / daß ich Anschlag hätte / durch welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre / wenn ich nurPerdon erlangen / und wieder aufs freyen Fuß gestellt werden fönte. Etliche alte und versuchte Soldaten lachten darüber / und sagten / Wer hangt / der langt; der gut Gesell gebend! sich loß zu schwätzen! Aber der Obrist Leutenant selbst und andere die mich kanten / namen meine Reden an wie einen Glaubens-Articul: Weßwegen er selbsten zum General Feldzeugmeister gienge / und demselben mein Vorgeben anbrachte / mit Erzehlung vieles Dings / das er von mir zu sagen wüste: Weil dann nun der Graf Hie-s308sbevor auch vom Jäger gehört hatte / liesse er mich vor ihn bringen / und so lange meiner Band entledigen; Der Graf hielte eben Tafel / als ich hin käme / und mein Obrist Leutenant erzehlte ihm / als ich verwichenen Frühling mein erste Stund unter S. Jacobs Pforten zu Soest Schild­ wacht gestanden / sey unversehens ein starcker Platzregen mit grossem Donner und Sturmwind kommen / deßwegen sich jederman auß dem Feld und den Gärten in die Statt lalvirt / und weil das Gedräng beydes von lauffenden und reutenden zimlich dick worden / hätte ich schon damals den Verstand gehabt / der Wacht ins Gewehr zu ruffen / weil in solchem Geläufs eine Statt am besten einzunehmen sehe; zuletzt (sagte der Obrist Leutenant ferner) kam ein altes Weib gantz tropffnaß daher / die sagte / eben als sie beym Jäger vorbey paslirte: Ja / ich hab diß Wetter schon wol 14. Tag in meinem Rucken stecken gehabt! Als der Jäger solches höret / und eben einen Stecken in Händen hatte / schlug er sie damit übern Buckel / und sagte: Du alte Hex / hastus dann nicht ehe herauß lassen können? hastu eben müssen warten / biß ich anfahe Schild­ wacht zu stehen? Da ihm aber sein Officier abwehrte / ant­ wortet er: Es geschicht ihr recht / das alte Raben-Aaß hat 3 umb] und E3 4 8 Anschlag E4 u ein E4 fehlt E2-4 37 stehn E2 antwort E2-4

25

salvitte E2-4

32

wol

Drittes Buch.

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schon vor vier Wochen gehört / daß jederman nach einem guten Regen geschryen / warum hat sie ihn den ehrlichen Leuten nicht ehe gegönnet? so wäre vielleicht Gerst und Hopffen besser gerathen. Worüber der General Feldzeugmeister / wiewol er sonst ein ernsthasster Herr war / trefflich lachte: Ich aber ge­ dachte / erzehlt der Obrist Leutenant dem Grafen solche Narrnpossen / so hat er ihm gewißlich auch [309] nicht verschwiegen / was ich sonst angestellt habe. Ich aber wurde vorgelassen. Als mich nun der Gen. Feldzeugmeister fragte / was mein Anbringen wäre? Antwortet ich / Gnädiger Herr / rc. Ob zwar mein Verbrechen und E. Excell. rechtmässig Gebot und Ver­ bot / mir beyde das Leben absprechen; So heisset mich jedoch meine aller-underthänigste Treu (die ich Dero Röm. Käis. Maj. meinem Allergnädigsten Herrn biß in Todt zu leisten schuldig bin) ein weg als den andern meines wenigen Orts dem Feind einen Abbruch thun / und erst-Allerhöchstgedachter Röm. Käis. Maj. Nutzen und Kriegswaffen befördern; Der Graf fiele mir in die Red / und sagte / hastu mir nicht neulich den Mohren gebracht? Ich antwortet / Ja Gnädiger Herr; Da sagte er / Wol / dein Fleiß und Treu möchte vielleicht meritim / dir das Leben zu schencken / was hastu aber vor ein Anschlag / den Feind auß gegenwärtigem Ort zu bringen / ohne sonder­ baren Verlust der Zeit und Mannschafft? Ich antwortet / weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen kan / so hält meine Wenigkeit darvor / der Feind würde bald accordim / wann er nur eigentlich glaubt / daß wir Stück bey uns haben; Das hätte mir wol ein Narr gesagt / antwortet der Graf / wer wird sie aber überreden / solches zu glauben? Ich antwortet / ihre eigene Augen; Ich habe ihre hohe Wacht mit einem Perspectiv gesehen / die kan man betrügen / wann man nur etliche Plöcher / den Brunnen-Teichlen gleich / aufs Wägen ladet / und dieselbe mit einem starcken Gespann in das Feld führet / so werden sie schon glauben / es seyen grobe Stück / vornemlich wann E. Gräfl. Excell. ir-[310]gendswo im Feld etwas auffwerffen läst / als ob man Stücke dahin pflantzen wolte; Mein liebes Bürschlein / antwortet der Graf / es seyn keine Kinder drinnen / sie werden diesem Spiegelfechten nicht glauben / sondern die Stück auch hören wollen / und wenn 2 ihn aber E4 3 gönnet E4 6 Narrpossen E2 13 aller-unterthänigste E2-4 14 meinen E4 25 wird E2-4 28 aber fehlt E2 4 ?9 eigne E4 Macht E2 4 31 Brunnen-Teichlein E2 33 seyn E4 36 Burschlein E2 37 darinnen E4 38 Stuck E2 4

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Deß Abentheurl. Simplicifsimi

der Poß dann nicht angehet / sagte er zu den umbstehenden Officiem / so werden wir von aller Welt verspottet! Ich ant­ wortet / Gnad. Herr / ich will schon Stücke in ihren Ohren lassen klingen / wann man nur ein paar Doppelhacken und ein zimlich groß Faß haben kan / allein wird ohne den Knall sonst kein Effect vorhanden seyn; solle man aber ja wider Berhoffen nur Spott damit erlangen / so werde ich der In­ ventar, weil ich ohne das sterben muß / solchen Spott mit mir dahin nemmen / und denselben mit meinem Leben auffheben. Ob nun zwar der Graf nicht daran wolle / so persuaditte ihn jedoch mein Obrist Leutenant dahin / dann er sagte / daß ich in dergleichen Sachen so glückseelig sehe / daß er im wenigsten zweiffele / daß dieser Poß nicht auch angehen werde. Derowegen besohl ihm der Graf die Sach anzustellen / wie.er vermeynte / daß sichs thun liesse / und sagte im Schertz zu ihm: Die Ehr / so er damit erwürbe / solle ihm allein zu­ stehen. Also wurden drey solcher Plöcher zu wegen gebracht / und vor jedes 24. Pferd gespannt / wiewol nur zwey genug gewest wären / diese führten wir gegen Abend dem Feind ins Ge­ sicht / indessen aber hatte ich auch drey Doppelhacken / und ein Stück-Faß / so wir von einem Schloß bekamen / unter­ handelt / und richtete ein und anders zu / wie ichs haben wolle / das wurde bey Nacht zu unserer vilierlichen ArtoUcre^ [311] verschafft; den Doppelhacken gäbe ich doppelte Ladung / und liesse sie durch berührtes Faß (deine der vordere Boden benommen war) loß gehen / gleich ob es drey Losung-Schüsse hätten sehn sollen / das donnerte dermassen / daß jederman Stein und Bein verschworen hätte / es wären QuartierSchlangen / oder halbe Carthaunen gewesen; unser Gen. FeldZeugmeister muste der Gauckelfuhr lachen / und ließ dem Feind abermal einen Accord anbieten / mit dem Anhang / wann sie sich nicht noch diesen Abend bequemen würden / daß es ihnen morgen nicht mehr so gut werden solle: Daraus] wurden als­ bald beyderseits Geisel geschickt / der Accord geschlossen / und uns noch dieselbige Nacht ein Thor der Statt eingegeben. Welches mir trefflich zu gut käme / dann der Graf schenckte mir nicht allein das Leben / das ich Krafft seines Berbotts 2 Officiercrn E4 13 auch fehlt E4 meuster E4 36 dieselbe E4

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gab E4

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Feld-Aeug-

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verwürckt hatte / sondem ließ mich noch selbige Nacht aufs stehen Fuß stellen / und besohl dem Obrist Leutenant in meiner Gegenwart / daß er mir das erste Fähnlein / so ledig würde / geben solle: Welches ihm aber ungelegen war / dann er hatte der Settern und Schwäger so viel / die auffpaßten / daß ich vor denselben nicht zugelassen werden fönte.

Das XL Capitel. flrCH hatte zwey schöne Pferd / die waren alle meine Freud / die ich selbiger Zeit in der Welt genösse; alle Tag ritte ich mit denselben aufs die Reit-schul / oder sonst spatzieren / wann ich sonst nichts zu thun hatte; nicht zwar / als hätten die Pferd noch etwas bedörfft zu lernen / sondem ich thäts darumb / damit die Leut sehen sollen / daß die schöne Creatoren mir zugehörten. Wann ich dann so durch eine Gasse daher prangte/ oder vielmehr das Pferd mit mir dahin tantzte / und das albere Bold zusähe / und zu-einander sagte: Sehet / das ist der Jäger! Ach welch ein schön Pferd! Ach wie ein schöner Federbosch! oder / Min God / war vor e» prave Rerl is mi dar! so spitzte ich die Ohren gewaltig / und liesse mirs so sanfft thun / als ob mich die Königin Nichaula dem Weisen Salomon in seiner höchsten Majestät sitzend / [317] verglichen 6 umb] itnb E4

11

so fehlt E2-4 33 te*[435]ner obligim / seinen ohne das getreu-verbundenen / anjetzo aber aller-elendesten und verlassenen 8. Simpliciffimum. So bald er solches gelesen / ließ er mich zu ihm hinein kommen / sagte er: Landsmann / wo ist der Kerl / der euch diß Schreiben gegeben? Ich antwort / Herr / er ligt in hiesiger Vestung gefangen; Wol / sagt er / so gehet zu ihm / und sagt / ich woll ihm darvon helffen / und solt er schon den Strick an Hals kriegen. Ich sagte: Herr / es wird solcher Mühe nit bedörffen / ich bin der arme Simplicius selbsten / der jetzt kompt / demselben so wol vor die Erlösung bey Witt­ stock zu dancken / als Ihn zu bitten / mich wieder von der Mußquet zu erledigen / so ich wider meinen Willen zu tragen gezwungen würde. Er liesse mich nit völlig außreden / sondern bezeugte mit umbfahen / wie geneigt er sehe / mir zu helffen; In Summa / er thät alles was ein getreuer Freund gegen dem andern thun solle / und ehe er mich fragte / wie ich in die Vestung / und in solche Dienstbarkeit gerathen? schickte er seinen Diener zum Juden / Pferd und Kleider vor mich zu kauffen; indessen erzehlte ich ihm / wie mirs ergangen sint sein Vatter vor Magdeburg gestorben / und als er vernam / daß ich der Jäger von Soest (von dem er so manch rühmlich Soldatenstück gehöret) gewesen / beklagte er / daß er solches nit ehe gewust hätte / denn er mir damals gar wol zu einer Compagni hätte verhelffen können. Als nun der Jud mit einer gantzen Taglöhner-Last von allerhand Soldaten-Kleidem daher kam 15 sagt E4

18

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läse er mir das

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beste herauß / ließ michs anziehen / und nam mich mit ihm zum Obristen / zu dem sagte er: Herr / [436] ich hab in seiner Guarnison gegenwärtigen Kerl angetroffen / dem ich so hoch berobligirt bin / daß ich ihn in so nidrigem Stand / wenn schon seine Qualitäten keinen bessern meritirten / nit lassen kan; Bitte derowegen den Herr Obristen / er wolle mir den Gefallen erweisen / und ihn entweder besser accommodiren / oder zulassen / daß ich ihn mit mir nemme / umb ihm bey der Armee fort zu helffen / worzu villeicht der Herr Obriste hier die Gelegenheit nit hat. Der Obrist vercreutzigte sich vor Verwunderung / daß er mich einmal loben hörte / und sagte: Mein hochgeehrter Herr vergeb mir / wenn ich glaube / ihm beliebe npr zu probiren / ob ich ihm auch so willig zu dienen sey / als er dessen wol werth ist / und wofern er so gesinnet / so begehre er etwas anders / das in meinem Gewalt steht / so wird er meine Willfährigkeit im Merck erfahren: Was aber diesen Kerl anbelangt / ist solcher nicht eigentlich mir / sondern seinem Vorgeben nach / unter ein Regiment Dragoner ge­ hörig / darneben ein solch schlimmer Gast / der meinem Provosen / sint er hier ist / mehr Arbeit geben / als sonst ein gantze Compagni, so daß ich von ihm glauben muß / er könne in keinem Wasser ersauffen. Endet damit seine Red lachend / und wünschte mir Glück ins Feld. Diß war meinem Hechbruder noch nicht genug / sondern er bat den Obristen auch / Er wolte sich nicht zu wider seyn lassen / mich mit an seine Tafel zu nemmen / so er auch erhielt; er thäts aber zu dem Ende / daß er dem Obristen in meiner Gegenwart erzehle / was er in Westphalen nur dilcurfent von dem Grafen von der Wahl und dem Commandanten in Soest von mir gehöret hätte: Welches alles er nun der-[437] gestalt herauß striche / daß alle Zuhörer mich vor einen guten Soldaten halten musten; darbey hielt ich mich so bescheiden / daß der Obrist und seine Leut / die mich zuvor gekant / nicht anders glauben fönten / als ich wäre mit andern Kleidern / auch ein gantz anderer Mensch worden. Und demnach der Obrist auch wissen wolte / woher mir der Nahm Doctor zu­ kommen wäre? erzehlt ich ihm meine gantze Räis von Pariß auß biß nach Philipsburg / und wie viel Bauern ich betrogen / 2 sagt E4 4 niedrigen E4 8 umb] und E4 i7 diesem E4 20 hie E2-4 22 könne] könne E2 ] konnte E4 so gehört E4 er fehlt E4 38 Bauren E2-4

Viertes Buch.

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mein Maulfutter zu gewinnen / darüber sie zimlich lachten. Endlich gestund ich unverholen / daß ich willens gewest / Ihn Obristen mit allerhand Boßheiten dergestalt zu perturbim und abzumatten / daß er mich endlich auß der Guamison hätte schaffen müssen / dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe vor mir leben wollen. Darauff erzehlte der Obrist viel Bubenstücklein / die ich begangen / so lang ich in der Guamison gewest / wie ich nemlich Erbsen gesotten / oben mit Schmaltz übergössen / und solche vor eitel Schmaltz verkaufst; item gantze Sack voll Sand für Saltz / in dem ich die Sack unden mit Sand / und oben mit Saltz gefüllt / so dann / wie ich einem hie / dem andern dort einen Beern angebunden / und die Leut mit Pasquillen vexirt. Also daß man die gantze Mahlzeit nur von mir zu reden hatte; hätte ich aber keinen so ansehenlichen Freund gehabt / so wären alle meine Thaten straffwürdig gewesen. Darbey nam ich ein Exempel / wie es bey Hof hergehen müsse / wenn ein böser Bub deß Fürsten Gunst hat. Nach geendigtem Imbiß hatte der Jud kein Pferd / so meinem Hertzbruder vor mich gefallen wolle / weil [438] er aber in solcher ^Eftimation war / daß der Obrist seine Gunst schwerlich entberen fönte / als verehrte er ihm eins mit Sattel und Zeug auß seinem Stall / aufs welches sich Herr Simplicius setzte / und mit seinem Hertzbruder Freudenvoll zur Bestung hinauß ritte / theils seiner Sameraben liessen ihm nach / Glück zu Bruder / Glück zu! theils aber auß Neid: Je grösser Schalck / je grösser Glück.

Das XIII. Capitel. ItNterwegs redete Hertzbruder mit mir ab / daß ich mich vor seinen Vetter außgeben solle / damit ich desto mehr geehrt würde / hingegen wolle er mir noch ein Pferd sampt einem Knecht verschaffen / und mich zum NeunEckischen Regiment thun / bey deme ich mich als ein Freyreuter auffhalten tönte / biß ein Officier-Stelle bey der Armee ledig würde / zu deren er mir helffen fönte. Also wurde ich in Eyl wieder ein Kerl / der einem braven Soldaten gleich sahe / ich that aber denselben Sommer wenig 2 Ihn / den E4 3 pertubiren E2-4 is ansehnlichen E4 Schalck] Glück E4-2>4 3i roolt E4 33 Freureuter E4>

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Thaten / als daß ich am Schwartzwald hin und wieder etliche Kühe stehlen halffe / und mir das Brißgäu und Elsas zimlich bekant machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern / denn nachdem mir mein Knecht sampt dem Pferd bey Kentzingen von den Weymarischen gefangen wurde / muste ich das ander desto härter strapezirn / und endlich gar hinreuten / daß ich mich also in den Orden der Merode-Brüder begeben muste. Mein Hertzbruder hätte mich zwar gern wieder mondirt / weil ich aber so bald mit den ersten zweyen Pferden fertig worden / hielte er zurück / und gedachte mich zappeln zu lassen / [439] biß ich mich besser vorzusehen lernte; so be­ gehrte ich solches auch nit / denn ich fand an meinen MitConsorten eine so angenehme Gesellschaft / daß ich mir biß an die Winter-tznartier keinen bessern Handel wünschte. Ich muß nur ein wenig erzehlen / was die Merode-Brüder vor Leut sind / weilen sich ohn Zweifel etliche finden / sonder­ lich die KriegsUnerfahrne / so nichts davon wissen: So hab ich bißher noch keinen Scribenten angetroffen / der etwas von ihren Gebräuchen / Gewonheiten / Rechten und Privi­ legien / seinen Schrifften einverleibt hätte / ohnangesehen es wol werth ist / daß nit allein die jetzige Feldherrn / sondem auch der Baursmann wisse / was es vor ein Zunft seye. Betreffend nun erstlich ihren Nahmen / will ich nit hoffen / daß es dem jenigen dapffern Cavallier, unter dem sie solchen bekommen / ein Schimpfs sey / sonst todte ichs nit einem jeden so öffentlich aufs die Ras binden: Ich hab eine Art Schuh gesehen / die hatten an statt der Löcher krumme Näht / damit sie desto besser durch den Koth stampffen sotten; solte nun einer deßwegen den Mansfelder selbst vor einen Pechfartzer schelten / den wolte ich vor einen Phantasten halten. Eben so muß man diesen Nahmen auch verstehen / der nicht abgehen wird / so lang die Teutsche kriegen / es hat aber ein solche Beschaffenheit damit: Als dieser Cavallier einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee brachte / waren die Kerl so schwacher baufälliger Natur / wie die Frantzösische Britanier / daß sie also das Marchint und ander Ungemach / das ein Soldat im Feld außstehen muß / nit erleiden tonten / derowegen denn ihre Brigade zeitlich so schwach wurde / [440] 3 hatt E34 4 dem] den E4 6 desto härter fehlt E4 i6 ohne E4 die fehlt E2-4 Feldherren E4 22 eine E4 26 öffentlich E4

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Viertes Buch.

daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konte / und wo man einen oder mehr Krancke und Lahme aufs dem Marck / in Häusern und hinder den Zäunen und Hecken antraff / und fragte / Was Regiments? so war gemeiniglich die Antwort / von Merode! Davon entsprang / daß man endlich alle die jenige / sie wären gleich fremd oder gesund / verwundt oder nit / wenn sie nur ausserhalb der Zug-Ordnung daher zottelten / oder sonst nicht bey ihren Regimentern ihr Quartier im Feld namen / Merode-Brüder nante / welche Bursch man zuvor Säusenger und Jmmenschneider geheissen hatte; denn sie sind wie die Brumser in den Jmmenfässern / welche / wenn sie ihren Stachel verloren haben / nicht mehr arbeiten noch Honig machen / sondern nur fressen können; Wann ein Reuter sein Pferd / und ein Mußquetier seine Gesundheit verleurt / oder ihm Weib und Kind erstandst und zuruck bleiben will / so ists schon anderthalb par Merode-Brüder / ein Gesindlein / so sich mit nichts besser als mit den Zügeinern ver­ gleicht / weil es nicht allein nach seinem Belieben vor / nach / neben und mitten unter der Armee herumb streicht / sondern auch demselben beydes an Sitten und Gewonheit ähnlich ist / da sihet man sie Hauffenweis beyeinander (wie die FeldHüner im Winter) hinder den Hecken / im Schatten / oder nach ihrer Gelegenheit an der Sonnen / oder irgends umb ein Feur herumb ligen / Taback zu sauffen und zu faullentzen / wenn unterdessen anderwerts ein rechtschaffener Soldat beym Fähnlein Hitz / Durst / Hunger / Frost / und allerhand Elend überstehet. Dort geht eine Schaar neben dem March her aufs die Mauserey / wenn indessen manch armer [441] Soldat vor Mattigkeit unter seinen Waffen versincken möchte. Sie fpoliren vor / neben und hinder der Armee alles was sie an­ treffen / und was sie nicht gemessen können / verderben sie / also daß die Regimenter / wenn sie in die Quartier oder ins Läger kommen / offt nicht einen guten Trunck Wasser finden / und wenn sie alles Ernstes angehalten werden / bey der Bagage zu bleiben / so wird man offt bey nahe dieselbe stärcker finden / als die Armee selbst ist; Wenn sie aber Gesellen­ weis marchiren / quartiren / campiren und hausiren / so haben sie keinen Wachtmeister / der sie commandirt / keinen 17 bessert* E4 ein E4

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Feldwaibel oder Schergianten / der ihnen das Wambs außklopfft / keinen Corporal, der sie wachen Heist / feinen Tam­ bour, der sie deß Zapffenstreichs / der Schaar- und Tagwacht erinnert / und in Summa niemand / der sie an statt befc Adju­ tanten in Battaglia stellt / oder an statt deß Fouritä einlogitt / sondem leben vielmehr wie die Frey-Herren. Wenn aber etwas an Commiss der Soldatefca zukompt / so sind. sie die erste / die ihr Theil holen / ob sie es gleich nit verdient. Hingegen sind die Rumormeister und General Gewaltiger ihr allergröste Pest / als welche ihnen zu Zeiten / wenn sie es zu bundt machen / eiserne Silbergeschirr an Hand und Fuß legen / oder sie wol gar mit einem hänffinen Kragen zieren / und an ihre allerbeste Hals auffhencken lassen. Sie wachen nicht / sie schantzen nicht / sie stürmen nicht / und kommen auch in keine Schlacht-ordnung / und sie ernehren sich doch! Was aber der Feldherr / der Landmann / und die Armada selbst / bey deren sich viel solches Gesinds befindet / vor Schaden darvon habe / ist nicht zu beschreiben. Der heylloseste Reuter-s442]Jung / der nichts thut als fouragiren / ist dem Feld-Herrn nutzer / als 1000. Merode-Brüder / die ein Handwerck drauß machen / und ohne Noth aufs der Bern­ haut ligen / sie werden vom Gegentheil hinweg gefangen / und von den Baurn an theils Orten miss die Finger geklopfft / dadurch wird die Armee gemindert / und der Feind gestärckt / und wenn gleich ein so liederlicher Schlingel (ich meyne nicht die arme Krancke / sondern die unberittene Reuter / die un­ achtsamer Weis ihre Pferd verderben lassen / und sich auff Merode begeben / damit sie ihre Haut schohnen können) durch den Sommer darvon kompt / so hat man nichts anders von ihm / als daß man ihn auff den Winter mit grossem Kosten wieder monditen muß / damit er künfftigen Feldzug wieder etwas zu verlieren habe / man sötte sie zusamm kuppeln wie die Windhund / und sie in den Guarnisonen kriegen lernen / oder gar auff die Galleern schmiden / wenn sie nit auch zu Fuß im Feld das ihrige thun wolten / biß sie gleichwol wieder Pferd kriegten. Ich geschweige hier / wie manches Dorff durch sie so wol unachtsam- als vorsetzlicher Weis verbrennt wird / wie manchen Kerl sie von ihrer eigenen Armee abi Scherganten Ei2-4 2 Heist / feinen] Heist / keine E4 E4 26 sondern die] sondern E2 4 28 ihrer E4

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Bauren

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Viertes Buch.

setzen / plündern / heimlich bestehlen / und wol gar nider machen / auch wie mancher Spion sich unter ihnen auffhalten kan / wenn er nemlich nur ein Regiment und Compagni auß der Armada zu nennen weiß. Ein solcher ehrbarer Bruder nun war ich damals auch / und verbliebs biß den Tag vor der Wittenweyrer Schlacht / zu welcher Zeit das HauptQuartier in Schüttern war / denn als ich damals mit meinen Cameraden in das Geroltzeckische gieng / Kühe oder Ochsen zu ftelH443]ten / wie unser Gewonheir war / wurde ich von den Weymarischen gefangen / die uns viel besser zu traotiren wüsten / denn sie luden uns Mußqueten aufs / und stiessen uns hin und wieder unter die Regimenter / ich zwar kam unter das Hattsteinische.

Das XIV. Capitel. (>Ch konte damals greiffen / daß ich nur zum Unglück ge^ boren / denn ungefähr 4. Wochen zuvor / ehe das gedachte Treffen geschahe / hörete ich etliche Götzische gemeine Officier von ihrem Krieg discuritett / da sagte einer: Ohngeschlagen gehets diesen Sommer nicht ab! Schlagen wir dann den Feind / so müssen wir den künfftigen Winter Freyburg und die Waldstätt einnehmen; kriegen wir aber Stoß / so kriegen wir auch SBinter-Quartier. Aufs diese Prophezey machte ich meinen richtigen Schluß / und sagte bey mir selbst: Nun freue dich Simplici, du wirst künfftigen Früling guten See- und Neckerwein trincken / und gemessen / was die Weymarische verdienen werden. Aber ich betrog mich weit / denn weil ich nunmehr Weymarisch war / so war ich auch praedeftinirt / Breysach belagern zu helffen / Massen solche Belagerung gleich nach mehrbemeldter Wittenweyrer Schlacht völlig ins Werck gesetzt wurde / da ich denn wie andere Mußquetier Tag und Nacht wachen und schantzen muste / und nichts davon hatte / als daß ich lernte / wie man mit den Approchen einer Vestung zusetzen muß / darauff ich vor Magdeburg wenig Ach­ tung geben. Im übrigen aber war es lausig bey mir bestellt / weil je zwo oder drey auffeinander fassen / der Beutel war läer / Wein / Bier und Fleisch [444] ein Rarität / Aepffel und halb Brod genug mein bestes Wildpret. 18

Ohngeschlagen] Ohngeacht E4

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Wahlstätt E4

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dem E4

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

Solches war mir sauer zu ertragen / Ursach / wenn ich zurück an die Egyptische Fleischtöpff / das ist / an die Westphälische Schincken und Knackwürst zu L. gedachte. Ich ge­ dachte niemal mehr an mein Weib / als wenn ich in meinem Zelt lag / und vor Frost halb erstarrt war / da sagte ich denn offt zu mir selber: Huy Simplici, meynstu auch wol / es ge­ schehe dir unrecht / wenn dir einer wieder Wett spielte / was du zu Pariß begangen? Und mit solchen Gedancken quälte ich mich wie ein ander eyfersichtiger Hanrey / da ich doch meinem Weib nichts als Ehr und Tugend zutrauen fönte; zuletzt wurde ich so ungedultig / daß ich meinem Capitain eröffnete / wie meine Sachen bestellt wären / schrieb auch aufs der Post nach L. und erhielte vom Obristen de S. A.unb meinem Schwehrvatter / daß sie durch ihre Schreiben bey dem Fürsten von Weymar zu wegen brachten / daß mich mein Capitain mit einem Paß muste lauffen lassen. Ungefähr eine Woch oder vier vor Weyhnachten / marchirt ich mit einem guten Feur-rohr vom Läger ab / das Brißgäu hinunder / der Meynung / selbige Weyhnacht-Meß zu Straß­ burg 20. Thaler / von meinem Schwehr Übermacht / zu empfahen / und mich mit Kauffleuten den Rhein hinunder zu begeben / da es doch unterwegs viel Käiserl. GuamiTonen hatte: Als ich aber bey Endingen vorbey palsirt / und zu einem einigen Hauß kam / geschah ein Schuß nach mir / so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt / und gleich darauff sprang ein starcker vierschrötiger Kerl auß dem Hauß aufs mich loß / der schrye / ich [445] solte das Gewehr ab­ legen; Ich antwort / bey Gott Landsmann dir zu gefallen nicht / und zog den Hanen über / Er aber wischte mit einertr Ding von Leder / das mehr einem Henckers-Schwerd als Degen gleich sahe / und eylete damit aufs mich zu: Wie ich nun seinen Emst spürte / schlug ich an / und traff ihn der­ gestalt an die ©tim / daß er herurnb durrnelte / und endlich zu Boden fiel; dieses mir zu Nutz zu machen / rang ich ihm geschwind sein Schwerd auß der Faust / und wolts ihm in Leib flössen; da es aber nicht durch gehen wolte / sprang er wieder unversehens aufs die Füß / erwischte mich beym Haar / und ich ihn auch / sein Schwerd aber hatte ich schon weg ge9 anderer E4 eiversüchtiger E2-4 is mein fehlt E4 E2-4 2i hinunter E2 4 28 antwortet E2 4



hinunter

Viertes Buch.

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worffen / darauff fiengen wir ein solch ernstlich Spiel mit­ einander an / so eines jeden verbitterte Stärck genugsam zu erkennen gab / und kont doch keiner deß andern Meister werden/ bald lag ich / bald er oben / und im Huy kamen wir wieder aufs die Füß / so aber nicht lang dauerte / weil je einer deß andern Todt suchte; das Blut / so mir häuffig zu Ras und Mund herauß liesse / speyte ich meinem Feind ins Gesicht / weil ers so hitzig begehrte / das war mir gut / denn es hinderte ihn am sehen. Also zogen wir einander bey anderthalbe Stund im Schnee herumb / darvon wurden wir so matt / daß allem Ansehen nach deß einen Unkräfften deß andern Müdigkeit / allein mit den Fäusten nicht völlig überwinden / noch einer den andern auß eigenen Kläfften und ohne Waffen vollends zum Todt hätte bringen mögen. Die Ring-Kunst / darinn ich mich zu L. offt übte / kam mir damals wol zu statten / sonst hätte ich ohne Zweisfel ein* gebüst / dann mein Feind war viel stärcker [446] als ich / und über das Eisen-vest. Als wir einander fast tödtlich abgemattet / sagte er endlich: Bruder / hör aufs / ich ergeb mich dir zu eigen! Ich sagte / du sollest mich anfänglich haben passiren lassen; Was hastu mehr / antwortet jener / wenn ich gleich sterbe; Und was hättestu gehabt / sagte ich / wenn du mich hättest nider geschossen / sintemal ich kein Heller Geld bey mir hab! Darauff bat er umb Verzeyhung / und ich mich er­ weichen / und ihn auffstehen ließ / nachdem er mir zuvor theur geschworen / daß er nit allein Frieden halten / sondern auch mein treuer Freund und Diener seyn wolle. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut / wenn mir seine ver­ übte leichtfertige Handlungen betaut gewest wären. Da wir nun beyde auff waren / gaben wir einander die Händ / das alles was geschehen / vergessen seyn solte / und verwunderte sich einer über den andern / daß er seinen Meister gefunden / dann jener meynte / ich seye auch mit einer solchen Schelmenhaut / wie er / überzogen gewesen; ich ließ ihn auch darbey bleiben / damit / wenn er sein Gewehr bekäme / sich nicht noch einmal an mich reiben dörffte. Er hatte von meinem Schuß ein grosse Beul an der Stirn / und ich hatte mich sehr verblutet / doch klagte keiner mehr als den Hals / 2 gnugsam E2-4 28 eine E2-4

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grosses E2 4

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welche so zugerichtet / daß keiner den Kopfs auffrecht tragen fönte. Weil es dann gegen Abend war / und mir mein Gegentheil erzehlen that / daß ich biß an die Kintzig weder Hund noch Katz / viel weniger einen Menschen antreffen würde / er aber hingegen ohnweit von der Straß in einem abgelegenen Häußlein ein gut stück Fleisch und einen Trunck zum besten hätte. Also ließ [447] ich mich überreden / und gieng mit ihm / da er dann unterwegs offt mit Seufstzen bezeugte / wie leyd ihm sehe / daß er mich beleydigt habe.

Das XV. Capitel. resoluter Soldat / der sich darein ergeben / sein Leben ^ zu wagen / und gering zu achten / ist wol ein dummes Vieh! Man hätte tausend Kerl gesunden / damnter kein einiger das Hertz gehabt hätte / mit einem solchen / der ihn erst als ein Mörder angegriffen / an ein unbekant Ort zu Gast zu gehen: Ich fragt ihn aufs dem Weg / was Volcks er sey? da sagte er / Er hätte vor dißmal keinen Herrn / sondern kriege vor sich selbst / und fragte zugleich / was Volcks denn ich sey? Ich sagte / daß ich Weymarisch gewesen / nunmehr aber mein Abschied hätte / und gesinnet wäre / mich nach Hauß zu be­ geben; Darauff fragte er / wie ich hiesse? und da ich ant­ wortet / Simplicius, kehrt er sich umb (denn ich ließ ihn voran gehen / weil ich ihm nit traute) und sahe mir steift ins Gesicht; Heistu nicht auch Simplicisfimus? Ja / antwortet ich / der ist ein Schelm der seinen Nahmen verleugnet / Wie Heist aber du? Ach Bruder / antwortet er / so bin ich Olivier, den du wol vor Magdeburg wirst gekaut haben; Warsf damit sein Rohr von sich / und fiel aufs die Knye nider / mich umb Verzeyhung zu bitten / daß er mich so übel gemeynt hätte / sagend / er tönte sich wol einbilden / daß er keinen bessern Freund in der Welt bekomme / als er an mir einen haben würde / weil ich nach deß Alten Hertzbruders Prophecey seinen Todt so dapffer rächen solle: Ich hingegen wolle mich über ein so seltzame Zusammenkunsft verwundern / Er aber [448] sagte / das ist nichts neues / Berg und Thal kompt nit zu­ r fönte E2

fönt E4

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Viertes Buch.

sammen / das ist mir aber seltzam / daß wir beyde uns so verändert haben / sintemal ich auß einem Secretario ein Waldfischer / du aber auß einem Narrn zu einem so dapffern Soldaten worden! Sey versichert Bruder/ wenn unserer zehen­ tausend wären/ daß wir morgenden Tags Breysach entsetzen/ und endlich uns zu Herren der gantzen Welt machen wolten. In solchem Diseurs paffitten wir / da es eben Nacht worden / in ein klein abgelegen Taglöhner-häußlein; und ob mir zwar solche Pralerey nit gefiel / so gab ich ihm doch recht / vornemlich weil mir sein schelmisch falsch Gemüt bekant war / und ob ich ihm zwar int geringsten nichts Guts zutraute / so gieng ich doch mit ihm in besagtes Häußlein / in welchem ein Baur eben die Stub einhitzte / zu dem sagte er: Hastu etwas gekocht? Nein / sagt der Baur / ich hab ja den gebratenen Kalbsschlegel noch / den ich heute von Waldkirch brachte; Nun dann / antwort Olivier, so gehe / und lang her was du hast / und bringe zugleich das Fäßlein Wein mit. Als der Baur fort war / sagte ich zu Olivier: Bruder / (ich nennt ihn so / damit ich desto sicherer vor ihm wäre) du hast einen willigen Wirth! Das danck (sagte er) dem Schelmen der Teuffel / ich ernähr ihn ja mit Weib und Kind / und er macht noch darzu vor sich selbst gute Beuten / ich lasse ihm alle Kleider / die ich erobere / solche zu seinem Nutzen anzu­ wenden: Ich fragte / wo er denn sein Weib und Kind hätte? da sagte Olivier, daß er sie nach Freyburg geflehnt / die er alle Woch zweymal besuche / und ihm von dort auß so wol die Victualia als Kraut und Loth zubringe. [449] Ferner berichtet er mich / daß er diese Freybeuterey schon lang ge­ trieben / und ihm besser zuschlage / als wenn er einem Herrn diene / er gedächte auch nit auffzuhören / biß er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte. Ich sagte / Bruder / du lebest in einem gefährlichen Stand / und wenn du über solcher Rauberey ergriffen würdest / wie meynstu wol / daß man mit dir umbgieng? Ha / sagte er / ich höre wol / daß du noch der alte Simplicius bist; ich weiß wol / daß der jenige so kegeln will / auch aussetzen muß / du must aber das wissen / daß die Herren von Nürnberg keinen hencken lassen / sie haben ihn dann: Ich antwortet / gesetzt aber Bruder / du werdest nicht erdappt / 5 Brysach E2-4 6 und fehlt E1-2-4 sagt E4 19 nennet E4 20 sagt E2 30 gedachte E4

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nicht E2 4 sagt E2

25

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13 Stuben E4 26 besucht E4

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das doch sehr mißlich stehet / denn der Krug gehet so lang -um Brunnen / biß er einmal zerbricht / so ist dannoch ein solch Leben / wie du führest / das aller-schändlichste von der Welt / daß ich also nit glaube / daß du darin zu sterben be­ gehrest; Was / (sagte er) das schändlichste? mein dapfferer Sinlplici, ich versichere dich / daß die Rauberey das allex* Adelichste Exercitium ist / das man dieser Zeit aufs der Welt haben kan! Sag mir / wie viel Königreich und Fürstenthümer sind nicht mit Gewalt ertaubt und zu wegen gebracht worden? Oder wo wirds einem König oder Fürsten aufs dem gantzen Erdboden vor übel auffgenommen / wenn er seiner Länder Intraden geneust / die doch gemeinlich durch ihrer Vorfahren verübten Gewalt zu wegen gebracht worden? Was fönte doch Adelicher genennet werden / als eben das Handwerck / dessen ich mich jetzt bediene? Ich mercke dir an / daß du mir gern vorhalten woltest / das ihrer viel wegen Mordens / Raubens und Stehlens seyen gerädert / gehenckt und ge-s450Mpfft worden? das weiß ich zuvor wol / dann das befehlen die Ge­ setze / du wirst aber keine andere als arme und geringe Dieb haben hencken sehen / welches auch billich ist / weil sie sich diser vortrefflichen Übung haben unterfangen dörffen / die doch niemanden als hertzhafften Gemütern gebührt und vor­ behalten ist: Wo hastu jemals eine vornehme Stands-Persohn durch tue Jultitiam straffen sehen/umb daß sie ihr Land zu viel beschwert habe? ja was noch mehr ist / wird doch kein Wucherer gestrafft / der diese herrliche Kunst heimlich treibt / und zwar unter dem Deck-Mantel Christlicher Lieb / warumb wolte denn ich straffbar seyn / der ich solche öffentlich / auff gut AltTeutsch / ohn einige Bemäntelung und Gleißnerey übe? Mein lieber Simplici, du hast den Machiavellum noch nicht gelesen; Ich bin eines recht auffrichtigen Gemüts / und treibe diese Manier zu leben / frey öffentlich ohne allen Scheu; Ich fechte / und wag mein Leben darüber / wie die Alte Helden / weiß auch / daß die jenige Handierungen / dabey der so sie treibt / in Gefahr stehen muß / zugelassen sind; weil ich denn mein Leben in Gefahr setze / so folgt unwidersprechlich / daß mirs billich und erlaubt sey / diese Kunst zu üben. allerschändlichst E34 4 nicht E2*4 daran E4 6 versichre E4 Könige E2-4 17 seyn E4 22 niemand E4 25 haben E4 28 öf­ fentlich E4 32 loben E2-4 33 alten E4 34 Handthierung E4 3

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Hierauf antwortet ich / gesetzt / Rauben und Stelen sey dir erlaubt oder nicht / so weiß ich gleichwol / daß es wider das Gesetz der Natur ist / das da nicht will / daß einer einem andern thun solle / das er nicht will / daß es ihm geschehe; So ist solche Unbilligkeit auch wider die Weltliche Gesetz / welche befehlen / daß die Dieb gehenckt / die Räuber geköpfft / und die Mörder geradbrecht werden sollen; Und letztlich so ist es auch wider Gott / so das fümehmste ist / weil er [451] keine Sünde ungestrafft läst. Es ist / wie ich vor gesagt / (ant­ wort Olievier) du bist noch Simplicius, der den Machiavellum noch nit Itudirt hat / fönte ich aber aufs solche Art eine Monarchiam aufsuchten / so wolle ich sehen / wer mir alsdenn viel darwider predigte. Wir hätten noch mehr mit­ einander difputirt / weil aber der Baur mit dem Essen und Trincken kam / fassen wir zusammen / und stillten unsere Mägen / dessen ich denn trefflich hoch vonnöthen hatte.

Das XVI. Capitel. ItNser Essen war weiß Brod / und ein gebratener kalter Kalbsschlegel / dabey hatten wir einen guten Trunck Wein / und ein warme Stub; Gelt Simplici, sagt Olivier, hier ists besser / als vor Breysach in den Lauffgräben? Ich sagte / das wol / wenn man solch Leben mit gewisser Sicherheit und bessern Ehren zu gemessen hätte; Darüber lachte er über­ laut / und sagte / sind dann die arme Teuffel in den Lauff­ gräben sicherer als wir / die sich all Augenblick eines Außfalls besorgen müssen? Mein lieber Simplici, ich sihe zwar wol / daß du deine Narm-Kapp abgelegt / hingegen aber deinen närrischen Kopfs noch behalten hast / der nicht begreisfen kan / was gut oder büß ist / und wenn du ein anderer / als der jenige Simplicius wärest / der nach deß Alten Hertzbmders Wahrsagung meinen Todt rächen solle / so wolle ich dich be­ kennen lernen / daß ich ein edler Leben führe / als ein Frey­ herr. Ich gedachte / was will das werden / du must ander Wort hervor suchen / als bißher / sonst möcht dich dieser Un­ mensch / so jetzt den Baum fein zu Hülff hat / erst caput machen / sagte derhalben: Wo ist sein Tag je er-[452]hört 7 letzlich E2-4 12 ein E4 is gebratner E4 30-jemg E2-4 36 derohalben E4

27 Narrn-Kappen E4

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worden / daß der Lehrjung das Handwerck besser verstehe / als der Lehrmeister? Bruder / hastu ein so edel glückseelig Leben wie du vorgibst / so mache mich deiner Glückseligkeit auch theilhafftig / sintemal ich eines guten Glücks hoch von­ nöten. Darauff antwort Olivier, Bruder sey versichert / daß ich dich so hoch liebe als mich selbsten / und daß mir die Beleydigung / so ich dir heut zugefügt / viel weher thut / als die Kugel / damit du mich an meine ©tim troffen / als du dich meiner wie ein dapfferer rechtschaffener Kerl erwehrtest / warumb wolte ich dir denn etwas versagen können? wenn dirs beliebt / so bleibe bey mir / ich will vor dich sorgen / als vor mich selbsten / hastu aber keinen Lust bey mir zu seyn / so will ich dir ein gut stück Geld geben / und begleiten / wohin du toilt: Damit du aber glaubest / daß mir diese Wort von Hertzen gehen / so will ich dir die Ursach sagen / warumb ich dich so hoch halte: Du weist dich zu erinnern / wie richtig der Alte Hertzbruder mit seinen Prophezeyhungen zugetroffen / schaue / derselbe hat mir vor Magdeburg diese Wort geweissagt / „die ich bißhero fleissig im Gedächtnus behalten: Olivier, „sihe unsern Narrn an wie du tollt'/ so wird er dannoch durch „seine Dapfferkeit dich erschröcken / und dir den grösten Possen „erweisen / der dir dein Lebtag je geschehen wird / weil du „ihn darzu vemrsachest in einer Zeit / darinn ihr beyde ein„ander nicht erkennet gehabt J doch wird er dir nit allein „dein Leben schencken / so in seinen Händen gestanden / son­ dern er wird auch über ein Zeit lang hernach an das jenig „Ort kommen / da du erschlagen wirst / daselbst wird er glück„seelig deinen Todt rächen. Dieser [453] Weissagung halber / liebster Simplici, bin ich bereit mit dir das Hertz im Leib zu theilen / dann gleich wie schon ein Theil davon erfüllt / in dem ich dir Ursach geben / daß du mich als ein dapfferer Soldat vor den Kopfs geschossen / und mir mein Schwerd genommen / (das mir freylich noch keiner gethan) mir auch das Leben gelassen / da ich unter dir lag / und gleichsam im Blut erstickte; Also zweiffle ich nicht / daß das übrige von meinem Todt auch fehl schlagen werde. Auß solcher Rach nun / liebster Bruder / muß ich schließen / daß du mein getreuer Freund seyest / dann dafern du es nicht wärest / so würdestu 2 edel fehlt E4 18 geweissaget E2-4 nen E2-4 so darvon E4 31 dir] die E4

20

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solche Rach auch nicht über dich nehmen; da hastu nun die concepta meines Hertzens / jetzt sag mir auch / was du zu thun gesinnet seyest? Ich gedachte / trau dir der Teufsel / ich nicht! nimm ich Geld von dir aufs den Weg / so möchtestu mich erst nidermachen / bleib ich dann bey dir / so muß ich sorgen / ich dörffte mit dir geviertheilt werden; setzte mir demnach vor / ich wolt ihm eine Ras drähen / bey ihm zu bleiben / biß ich mit Gelegenheit von ihm kommen könte / sagte derhalben / so er mich leiden möchte / wolte ich mich ein Tag oder acht bey ihm auffhalten / zu sehen / ob ich solche Art zu leben gewöhnen könte / gefiel mirs / so solte er beydes einen getreuen Freund und guten Soldaten an mir haben / gefiel mirs nit / so sey allezeit gut voneinander scheiden. Darauff setzt er mir mit dem Trunck zu / ich getraute aber auch nicht / und stellte mich voll ehe ichs war / zu sehen / ob er vielleicht an mich wolte / wenn ich mich nicht mehr defenditen könte. Indessen plagten mich die Müllerflöhe trefflich / deren ich eine zimliche Quantität von Breysach mit [454] mir gebracht hatte / dann sie wolten sich in der Wärme nicht mehr in meinen Lumpen behelffen / sondern spazirten herauß / sich auch lustig zu machen. Dieses nam Olivier an mir gewahr / und fragte / ob ich Laus hätte? Ich sagte / ja freylich / mehr als ich mein Lebtag Ducaten zu bekommen getraue; So mustu nit reden / sagte Olivier, wenn du bey mir bleibest / so kaust du noch wol mehr Ducaten kriegen / als du jetzt Läus hast; Ich ant­ wortet / das ist so unmöglich / als ich jetzt meine Läus ab­ schaffen kan: O ja / sagte er / es ist beydes möglich / und besohl gleich dem Baurn / mir ein Kleid zu holen / das unfern vom Hauß in einem holen Baum stack / das war ein grauer Hut / ein Koller von Elend / ein paar rother scharlachner Hosen / und ein grauer Rock / Strümpff und Schuh wolte er mir morgen geben. Da ich solche Gutthat von ihm sahe / getraute ich ihm schon etwas bessers zu / als zuvor / und gieng frölich schlaffen.

Hertzen E2-4* 4 möchtstu E2 e dörffte] möchte E4 gevier­ theilet E2-4 7 ein E4 io ihn E4 13 allzeit E2 4 20 meinem E4 24 getraue] zu getraue E4 25 bleibst E2 4 27 unmöglich E4 28 möglich E4 2

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Das XVII. Capitel. QISDl Morgen gegen Tag sagte Olivier: Stuff Simplici, wir

wollen in GOttes Nahmen hinauß / zu sehen / was etwan zu bekommen seyn möchte: Ach GOtt / gedacht ich / soll ich dann nun in deinem hochheiligen Nahmen aufs die Rauberey gehen? und bin hiebevor / nachdem ich von meinem Einsidel kam / nit so kühn gewesen / ohne Erstaunen zuzuhören / wenn einer zum andern sagte: Komm Bruder / wir wollen in Gottes Nahmen ein Maß Wein miteinander sauffen; weil ichs vor eine doppelte Sünd hielte / wenn einer in deinem Nahmen sich voll söffe. O himmlischer Vatter / wie hab ich mich ver­ ändert! O getreuer [455] GOtt / was wird endlich auß mir werden / wenn ich nicht wieder umbkehre? Ach hemme meinen Laufs / der mich so richtig zur Höllen bringt / da ich nit Buß thue! Mit dergleichen Worten und Gedancken folgete ich Olivier in ein Dorff / darinnen kein lebendige Creatur war / da. stiegen wir deß fernen Außsehens halber aufs den Kirchthurn; Aufs demselben hatte er die Strümpff und Schuh ver­ borgen / die er mir den Abend zuvor versprochen / darneben 2. Laib Brod / etlich Stück gesotten dörr Fleisch / und ein Fäßlein halb voll Wein im Vorrath / mit welchem er sich allein gern 8. Tag hätte behelffen können. In dem ich nun meine Verehrung anzöge / erzehlt er mir / daß er an diesem Ort Pflege äuffzupassen / wenn er eine gute Beut zu holen gedächte / deßwegen er sich dann so wol proviantkt / mit dem Anhang / daß er noch etlich solcher Oerter hätte / die mit Speiß und Tranck versehen wären / damit wenn Bläsy an einem Ort nicht zu Hauß wäre / er ihn am andern finden könte. Ich muste zwar seine Klugheit loben j gab ihm aber zu verstehen / daß es doch nicht schön stünde / ein so heiligen Ort / der Gott gewidmet sey / dergestalt zu beflecken; Was / sagte er / beflecken? die Kirchen / da sie reden tönten / würden gestehen / daß sie das jenige / was ich in ihnen begehe / gegen denen Lastern / so hiebevor in ihnen begangen worden / noch vor gar gering auffnehmen müssen; Wie mancher und wie manche meynstu wol / die sint Erbauung dieser Kirch herein getretten seyen / unter dem Schein / GOTT zu dienen / da n söffe E2-4 erzehlt E2 4

16 darinn E2-4 21 f)ölb] bald E2 4 23 erzehlt er] pflegt E2 4 32 sagt E4 33 begehe] begehr E2-4

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sie doch nur her kommen / ihre neue Kleider / ihre schöne Gestalt / ityrePraeeminenz und sonst so etwas sehen zu lassen? da kompt einer zur Kirchen [456] wie ein Pfau / und stellt sich doch vorm Altar / als ob er den Heiligen die Füß abbeten wolte; dort stehet einer in einem Eck zu seufftzen wie der Zöllner im Tempel / welche Seufftzer aber nur zu seiner Liebsten gehen / in deren Angesicht er seine Augen weydet / umb derent willen er sich auch eingestellt: Ein ander kompt vor / oder Wenns wol geräth / in die Kirch mit einem Gebund Briefs / wie einer der ein Brandsteur samblet / mehr seine Zinsleut zu mahnen / als zu beten; hätte er aber nit gewust / daß seine Debitores zur Kirch kommen misten / so wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen blieben: Ja es geschicht zu Zeiten / wenn theils Obrigkeiten einer Gemeind im Dorff etwas anzudeuten hat / so muß es der Bott am Sonntag bey der Kirchen thun / daher sich mancher Bauer vor der Kirch ärger / als ein armer Sünder vor dem Richthauß förchtet: Meynestu nicht / es werden auch von den jenigen in die Kirch begraben / die Schwerd / Galgen / Feuer und Rad verdient hätten? Mancher tönte seine Bulerey nicht zu End bringen / da ihm die Kirch nit beförderlich wäre; Ist etwas zu verkauffen oder zu verleyhen / so wirds an theils Orten an die Kirchthür geschlagen; Wenn mancher Wucherer die gantze Woche keine Zeit nimmt / seiner Schinderey nachzusinnen / so sitzt er unter währendem Gottesdienst in der Kirch / und dichtet / wie der Judenspieß zu führen sehe; da sitzen sie hier und dort unter der Meß und Predigt miteinander zu discurim / gerat) als ob die Kirch nur zu dem End gebauet wäre / da werden denn offt Sachen berathschlagt / deren man an Privat-Oertern nicht gedenckendörffte; theils sitzen dort / und schlaffen / als ob sie es verdingt hätten; Etliche [457] thun nichts anders als Leut außrichten / und sagen: Ach wie hat der Pfarrer diesen oder jenen so artlich in seiner Predigt ge­ troffen ! Andere geben fleissig Achtung auff deß Pfarrers Vor­ bringen / aber nit zu dem End / daß sie sich darauß bessern / sondem damit sie ihren Seelsorger / wenn er nur im geringsten anstösst (wie sie es verstehen) durchziehen und tadlen möchten; Ich geschweig hier der jenigen Historien/ so ich gelesen/was vor Proeminenz E2 * Proeminenz E4 9 Geband E4 18 Meynst 24 Woch E4 25 unter fehlt E4 37 anstösst fehlt E1-2-4 Schottes Erwägung (l.Aufl.): irret tadeln E2*4 38 jenigen] 2

du E4

einigen E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Bulschafften durch Kupplerey in den Kirchen hin und wieder ihren Anfang und End genommen / so fällt mir auch / was ich von dieser Materi noch zu reden hätte / jetzt nicht alles ein: Diß mustu doch noch wissen / daß die Menschen nit allein in ihrem Leben die Kirchen mit Lastern beschmitzen / sondern auch nach ihrem Todt dieselbe mit Eitelkeit und Thorheit er­ füllen / so bald du in eine Kirche kommest / so wirstu an den Grabsteinen und Epitaphien sehen / wie die jenige noch prangen / die doch die Würm schon längst gefressen / sitzest du dann in die Höhe / so kommen dir mehr Schild / Helm / Waffen / Degen / Fahnen / Stifel / Sporn und dergleichen Ding ins Gesicht / als in mancher Rüstkammer / daß also kein Wunder / daß sich die Bauern diesen Krieg über an etlichen Orten auß den Kirchen / wie auß Vestungen / umb das Ihrige gewehrt: Warumb solte mir nicht erlaubt seyn / mir sage ich / als einem Soldaten / daß ich mein Handwerck in der Kirchen treibe? da doch hiebevor zween Geistliche Vätter in einer Kirch nur deß Vorsitzes halber ein solch Blut-Bad angestellt / daß die Kirch mehr einem Schlacht-Hauß der Metzger / als heiligen Ort gleich gesehen: Ich zwar liesse es noch unterwegen / wenn man nur den Gottesdienst zu ver-s458)richten her käme / da ich doch ein Weltmensch bin; jene aber / als Geistliche / respectirten doch die Hohe Majestät deß Römischen Käisers nicht. Warumb solte mir verbotten seyn / meine Nahrung vermittelst der Kirche zu suchen / da sich doch sonst so viel Menschen von der­ selben emehren? Isis billich / daß mancher Reicher umb ein Stück Geld in die Kirche begraben wird / sein und seiner Freundschafft Hoffart zu bezeugen / und daß hingegen der Arme (der doch so wol ein Christ als jener / ja vielleicht ein frömmerer Mensch gewesen) so nichts zu geben hat / ausser­ halb in einem Winckel verscharret werden muß; es ist ein Ding wie mans macht / wenn ich hätte gewust / daß du Be­ drucken trügest / in der Kirch aufzupassen / so hätte ich mich bedacht / dir anderst zu antworten / indessen nimm ein Weil mit diesem vor lieb / biß ich dich einmal anders berede. Ich hätte dem Olivier gern geantwort / daß solches auch liederliche Leut wären / so wol als er / welche die Kirchen verunehren / und daß dieselbige ihren Lohn schon drumb 7 Kirchen E4 8 Grabensteinen E4 sen E2-4 36 den E4 38 darum E4

13 Bauren E4

33 anzupas­

Viertes Buch.

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finden würden; Weil ich ihm aber ohne das nicht traute / und ungem noch einmal mit ihm gestritten hätte / ließ ich Ihn recht haben. Hernach begehrte er/ ich wolte ihm erzehlen/ wie mirs ergangen / sint wir vor Witstock voneinander kom­ men / und dann warumb ich Narrn-Kleider angehabt / als ich im Magdeburgischen Läger angelangt? Weil ich aber wegen Hals-schmertzen gar zu unlustig / entschuldigte ich mich/ mit Bitt / er wolte mir doch zuvor seinen Lebens-lauff er­ zehlen/ der vielleicht possierliche Schnitz in sich hielte; Ditz sagte er mir zu / und stetig sein ruchlos Leben nachfolgender gestalt an zu erzehlen. [459] Das XVIII. Capitel. Batter / sagte Olivier, ist unweit der Statt Aach * von geringen Leuten geboren worden / derowegen er dann bey einem reichen Kauffmann / der mit dem KupfferHandel schacherte / in seiner Jugend dienen muste / bey dem­ selben hielt er sich so fein / daß er ihn schreiben / lesen und rechnen lernen liesse / und ihn über seinen gantzen Handel setzte / wie Potiphar den Joseph; Diß schlug auch beyden Theilen wol zu / dann der Kauffmann wurde wegen meines Vattern Fleiß und Vorsichtigkeit je länger je reicher / mein Vatter selbst aber / der guten Tag halber / je länger je stöltzer / so gar / daß er sich auch seiner Eltern schämte / und solche ver­ achtete / das sie offt vergeblich beklagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr seines Alters erreichte / starb der Kauff­ mann / und verliesse sein alte Wittib sampt deren einzigen Tochter / die kirchlich in ein Pfann getretten / und ihr von einem Gaden-Hengst ein Junges zweigen lassen / selbiges aber folgte seinem Großvatter am Todten-Reyhen bald nach: Da nun mein Vatter sahe / daß die Tochter Vatter- und Kinderaber nicht Geld loß worden / achtet er nicht / daß sie keinen Krantz mehr tragen dorffte / sondern erwog ihren Reichthum / und machte sich bey ihr zutäppisch / so ihre Mutter gern zuliesse / tut allein / damit ihre Tochter wieder zu Ehren käme / sondern weil mein Vatter umb den gantzen Handel alle Wissenschafft hatte / zumalen auch sonst mit betn Judenspieß trefflich fechten tonte. Also wurde mein Vatter durch solche 2/ließ ich Ihn recht haben fehlt E1-2-4 4 vor] von E4 5 NarrenKlcider E4 6 aber von E4 i zu fehlt E2 4 23 verachtete] vernich­ tete E4 26 seine E4 30 Vatter- und Kinder-] Vatter und Kinder E4 35 del in Handel nur als Kustode E4 36 sonst fehlt E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Heurath unversehens ein reicher Kauffmann / ich aber sein erster Erb / den er wegen [460] seines Überflusses zärtlich auffziehen liesse / ich wurde in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann / in Essen wie ein Freyherr / und in der übrigen Wartung wie ein Graf / welches ich alles mehr dem Kupffer und Galmey / als dem Silber und Gold zu dancken. Ehe ich das sibende Jahr völlig überlebte / erzeigte sich schon / was auß mir werden wolle / dann was zur Nessel werden soll / brennt bey Zeiten; kein Schelmstück war mir zu viel / und wo ich einem tonte einen Possen reisten / unter­ ließ ichs nicht / dann mich weder Vatter noch Mutter hierumb straffte; ich terminkte mit meines gleichen bösen Buben durch dinn und dick aufs der Gassen herumb / und hatte schon das Hertz / mit stärckern als ich war / herumb zu schlagen / kriegte ich dann Stöß / so sagten meine Eltern / Was ist das? soll so ein grosser Flegel sich mit einem Kind schlagen? über­ wand denn ich (masten ich kratzte / biß und warff) so sagten sie / Unser Oliviergen wird ein braver Kerl werden! Davon wuchs mir der Muth / zum beten war ich noch zu klein / wenn ich aber fluchte wie ein Fuhrmann / so hieß / ich verstünde es nicht: Also wurde ich immer ärger / biß man mich zur Schul schickte / was denn andere böse Buben auß Boßheit ersannen / und nicht practicken dorfften / das setzte ich ins Merck. Wenn ich meine Bücher verklettert oder zerrisse / so schaffte mir die Mutter wieder andere / damit mein geitziger Vatter sich nit erzürnte. Meinem Schulmeister thät ich grossen Dampfs an / dann er dorfste mich nit hart halten / weil er zimliche Verehrungen von meinen Eltern bekam / als deren unziem­ liche Affen-Liebe gegen mir ihm wol betont wäre; Im Sommer fieng ich Feldgrillen / und setzte sie fein [461] heim­ lich in die Schul / die uns ein lieblich Gesang machten / im Winter aber stahl ich Nießwurtz / und stäubte sie an den Ort / da man die Knaben zu caftigiten pflegt / wann sich dann etwan ein Halsstarriger wehrte / so stöbe mein Pulver herumb / und machte mir ein angenehme Kurtzweil / weil alles niesten muste. Hemach dünckte ich mich viel zu gut seyn / nur so gemeine Schelmstück anzustellen / sondern all mein Thun gieng miss obigen Schlag; ich stahl offt dem einen etwas / und steckte 2 den] dann E4

22 ersonnen E2-4

23 nit E2

4

32 staubte E4

Viertes Buch.

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es einem andern in Sack / dem ich gern Stöß angerichtet / und mit solchen Griffen tonte ich so behutsam umbgehen / daß ich fast niemals darüber erdappt wurde. Von den Kriegen / die wir damals geführt / bey denen ich gemeiniglich ein Obrister gewesen / item von den Stössen die ich offt bekommen/ (denn ich hatte stets ein zerkratzt Gesicht / und den Kopfs voll Beulen) mag ich jetzt nichts sagen / es weiß ja jederman ohne das wol / was die Buben offt anstellen. So kanst du auch an oberzehlten Stücken leicht abnehmen / wie ich mich sonst in meiner Jugend angelassen.

Das XIX. Capitel. figStlen sich meines Vattern Reichthum täglich mehrte / als bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwäntzer / die meinen guten Kopfs zum Studiren trefflich lobten / sonsten aber alle meine Untugenden verschwiegen / oder auffs wenigst zu entschuldigen wüsten / denn sie spürten wol / daß der jenige so solches nicht thät / weder bey Vatter noch Mutter wol dran seyn tönte / derowegen hatten meine Eltern ein grössere Freud über ihren Sohn / als die [462] Grasmuck / die einen Guckuck auffzeucht. Sie dingten mir einen eigenen Prseceptorem, und schickten mich mit dem­ selben nach Lüttich / mehr daß ich dort Welsch lernen / als studiren solle / weilen sie keinen Theologum, sondern einen Handelsmann auß mir ziehen motten; Dieser hatte Befelch / mich bey Leib nicht streng zu halten / daß ich kein forchtsam knechtisch Gemüt überkäme / Er solle mich fein unter die Bursch lassen / damit ich nit Leut-scheu würde / und gedencken / daß sie keinen Mönchen / sondern einen Weltmann auß mir machen wolten / der wissen müsse / was Schwach oder Weiß sehe. Ermeldter mein Praeceptor aber war dieser Instruction unbedürfftig / sondern von sich selbsten auff alle Büberey geneigt j was hätte er mir denn solche verbieten / oder mich umb meine geringe Fehler hart halten sollen / da er selbst gröbere begieng; Auffs Bulen und Sauffen war er am meisten geneigt / ich aber von Natur auffs Balgen und Schlagen / daher gieng ich schon bey Nacht mit ihm und seines gleichen 15 meine nur als Kustode E4 Pursch E- 4 30 sey E--4

20

Guckguck E4

22

Littich E4

27

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Deß Abentheurl. Simplicifsimi

gassatim / und Iernete ihm in Kürtze mehr Untugenden als ab. So viel das Studim anbelangt / verließ ich mich auff mein gut Gedächtnus und scharpffen Verstand / und war deßwegen desto fahrlässiger / im übrigen aber in allen Lastern / Bubenstücken und Muthwillen ersoffen / mein Gewissen war bereits so weit / daß ein grosser Heu-Wagen hindurch hätte fahren mögen: Ich fragte nichts darnach / wenn ich in der Kirch unter der Predigt den Bernium Burchiellum oder den Aretinum läse / und hörte nichts liebers vom gantzen Gottesdienst / als wenn man sagt: Ite miffa eit. Darneben dünckte ich mich keine Sau zu [463] seyn / sondem hielte mich recht Stutzerisch / alle Tag war mirs Martins-Abend oder Faßnacht / und weil ich mich dergestalt hielte wie ein ge­ machter Herr / und nicht nur das / so mein Vatter zur Nothdurfft reichlich schickte / sondern auch meiner Mutter fette Milchpfenning dapffer durchgehen liesse / lockte uns auch das Frauenzimmer an sich / sonderlich meinen Praeceptorem, bey diesen Schleppsäcken lernete ich leffeln / bulen und spielen; hadern / balgen und schlagen konte ich zuvor / und mein Praeceptor wehrte mir das Fressen und Sauffen auch nicht / weil er selbsten gern mit machte. Es währte dieses herrliche Leben anderthalb Jahr / ehe es mein Vatter erfuhr / welches ihn sein Factor zu Lüttich / bey dem wir auch anfangs zu Kost giengen / berichtet; der bekam hingegen Befelch / auff uns genauer Achtung zu geben / benPraeceptorn abzuschaffen/ mir den Zügel fürterhin nicht mehr so lang zu lassen / und mich ferner mit Geld-geben genauer zu halten. Solches ver­ droß uns alle beyde / und ob schon er Praeceptor geurlaubt wurde / so stacken wir jedoch ein als den andern Weg Tag und Nacht beyeinander / demnach wir aber nit mehr wie hiebevor spendiren tonten / gefetteten wir uns zu einer Bursch / die ben Leuten deß Nachts auff der Gassen die Mäntel ab­ zwacken / oder sie gar in der Maaß ersäufften / was wir dann solcher gestalt mit höchster Gefahr eroberten / verschlemmten wir mit unsern Huren / und liessen das Studiren bey nahe gantz unterwegen. Als wir nun einsmals / unserer Gewonheit nach / bey der Nacht herumb schlingelten / den Studenten ihre Mäntel hin-

Latein

2 studiren E4 io Ita E2-4 12 mir E4 16 liessen E4 i8 lernte E4 löffeln E2'4 28 er] ber E4 31 gesellten E4 Pursch E2 4 37 eins-

Viertes Buch.

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weg zu vulpinim / wurden wir übet* [464] tounben / mein Praeceptor erstochen / und ich neben andern fünffeit / die rechte Spitzbuben waren / erdappt und eingezogen: Als wir nun den folgenden Tag examinirt wurden / und ich meines Stottern Factor nennete / der ein ansehenlicher Mann war / wurde derselbe beschickt / meinetwegen befragt / und miss seine Verbürgung loß gelassen / doch daß ich biß auff weitern Be­ scheid in seinem Hauß im Arrest verbleiben solte; indessen wurde mein Praeceptor begraben / jene sünss als Spitzbuben / Räuber und Mörder gestrafft / mein Vatter aber berichtet / wie mein Handel stünde / der kam eyligst selbst aufs Lüttich / richtete meine Sach mit Geld auß / hielte mir eine scharsse Predigt / und verwiese mir / was ich ihm vor Creutz und Unglück machte / item daß sich meine Mutter stelle / als ob sie wegen meines Übel-verhaltens verzweisseln wolte / bedrohete mich auch / dafern ich mich nit besserte / daß er mich enterben / und vom Teuffel hinweg jagen wolte. Ich ver­ sprach Besserung / und ritte mit ihm nach Hauß; und also hat mein studirn ein End genommen. Das XX. Capitel. mich mein Vatter heim brachte / befand er / daß ich ^ in Grund verderbt wäre; Ich war kein ehrbarer Domine worden / als er wol gehofft hatte / sondern ein Difputitet und Schnarcher / der sich einbildete / er verstehe trefflich viel! Ich war kaum ein wenig daheim erwärmt / als er zu mir sagte: Höre Olivier, ich sihe deine Esels-Ohren je länger je mehr Herfür ragen / du bist ein unnütze Last der Erden / ein Schlingel / der nirgends zu mehr taug! ein Handwerck zu lernen bistu zu groß / einem Herrn zu dienen / [465] bistu zu Flegelhafftig / und meine Handierung zu begreiffen und zu treiben / bistu nichts nutz. Ach was hab ich doch mit meinem grossen Kosten / den ich an dich gewendet / außgericht? Ich hab gehofft / Freud an dir zu erleben / und dich zum Mann zu machen / so hab ich dich hingegen jetzt auß deß Henckers Händen kauffen müssen: Pfuy der Schand! Das beste wirds seyn / daß ich dich in eine Kelmüß-Mühl thue / und Miferiam cum aceto schmeltzen lasse / biß dir ohne das ein besser Glück i culpinirn E4 4 examenirt E2-4 8 im] in E4 n eilend E4 Littich E4 12 eine] ein E4 scharpffe E2 15 Übeln Verhaltens E4 25 ermannet E2 4 27 ragen] reichen E4 28 nirgends zu] zu nir­ gends E1 so Handthierung E4 begreiffen] begrüssen E4 34 zu fehlt E2 4 jetzt] jetzt auch E4 36 Kelmiß-Mühl E4

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

auffstößt / wenn du dein übel Verhalten abgebüst haben würdest. Solche und dergleichen Lectiones muste ich täglich hören / biß ich zuletzt auch ungedultig wurde / und zu meinem Vatter sagte: Ich wäre an allem nit schuldig / sondern er und mein Praeceptor, der mich verführet hätte; daß er keine Freud an mir erlebe / wäre billich / sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht zu erfreuen / als die er gleichsam im Bettel verhungern lasse: Er aber erdappte einen Prügel / und wolle mir umb meine Wahrsagung lohnen / hoch und theur sich verschwörend / er wolte mich nach Amsterdamb ins Zuchthauß thun. Da gieng ich durch / und verfügte mich selbige Nacht auff seinen unlängst erkaufften Meyerhof / sahe meinen Vortel auß / und ritte seinem Meyer den besten Hengst auff Cöln zu / den er im Stall hatte. Denselben versilberte ich / und kam abermal in eine Gesell­ schafft der Spitzbuben und Diebe / wie ich zu Lüttich eine verlassen hatte / diese erlernten mich gleich am Spielen / und ich sie hinwieder / weil wirs beyderseits so wol tonten; Ich verfügte mich gleich in ihre Zunfft / und halff bey Nacht einfahren wo ich zukom-f466^men möchte / demnach aber kurtz hernach einer auß uns erdappt wurde / als er einer vor­ nehmen Frauen auff dem Alten Marckt ihren schweren Beutel doll machen wolte / zumal ich ihn einen halben Tag mit einem eisern Hals-Kragen am Pranger stehen / ihm auch ein Ohr abschneiden / und mit Ruthen außhauen sahe / erleidet mir das Handwerck / ließ mich derowegen vor einen Soldaten unterhalten / weil eben damals unser Obrist / bey dem wir vor Magdeburg gewesen / sein Regiment zu verstärkn / Knecht annam. Indessen hatte mein Vatter erfahren V wo ich hinkommen / schrieb derhalben feinem Factor zu / daß er mich außkundigen solte / diß geschahe eben als ich bereits Geld auff die Hand empfangen hatte; bei Factor berichtet solches meinen Vatter wieder / der besohl / er solte mich wieder ledig kauffen / es koste auch was es wolle; da ich solches hörte / fürchtete ich das Zucht-Hauß / und wolt einmal nicht ledig seyn. Hierdurch vemam mein Obrister / daß ich eines reichen Kaufs-Herrn Sohn wäre / spannete derhalben den Bogen gar 6 verführt E4 kein E4 E4 33 Factor fehlt E4

io unrö] mirö E4 21 demnach^ damit meinem E4 35 wolte E2-4

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Viertes Buch.

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zu hoch / daß mich also mein Satter liesse wie ich war / der Meynung / mich im Krieg ein Weil zappeln zu lassen / ob ich mich bessern möchte. Nachgehends stunde es nicht lang an / daß meinem Obristen sein Schreiber mit todt abgieng / an dessen statt er mich zu sich nam / Massen dir betonst: Damal fienge ich an hohe Gedancken zu machen / der Hoffnung / von einer Staffel zur andern höher zu steigen / und endlich gar zu einem General zu werden: Ich lemete von unserm Secretario, wie ich mich halten solle / und mein Vorsatz groß zu werden verursachte / daß ich mich ehrbar und rexutirlich einstellte / und nit [467] mehr / wie hiebevor. meiner Art nach / mich mit Lumpen­ bossen schleppte; Es wolte aber gleichwol nicht hotten / biß unser Secretarius starb / da gedacht ich / du must sehen / daß du dessen Stell bekommst; ich spendirte wo ich fönte / denn als meine Mutter erfuhr / daß ich anfienge gut zu thun / schickte sie mir noch immer Geld. Weil aber der junge Hertz­ bruder meinem Obristen gar ins Hemd gebacken war / und mir vorgezogen wurde / trachtet ich / ihn auß dem Weg zu räumen / vornemlich da ich innen wurde / daß der Obrist gäntzlich gewillet / ihm die Secretariat-ftette zu geben. In Verzögerung solch meiner Beförderung / die ich so hefftig suchte / würd ich so ungedultig / daß ich mich von unserm Provosen so tieft als Stahl machen liesse / deß Willens mit dem Hertzbruder zu duellifiren / und durch die Kling hinzu­ richten; Aber ich fönte niemals mit Manier an ihn kommen; So wehrete mir auch unser Provos mein Vorhaben / und sagte / wenn du ihn gleich auffopfferst / so wird es dir doch mehr schad- als nützlich seyn / weil du deß Obristen liebsten Diener ermordt haben würdest / gäbe mir aber den Rath / daß ich etwas in Gegenwart deß Hertzbruders stehlen / und ihm solches zustellen solle / so wolte er schon zu wegen bringen / daß er deß Obristen Gnad verliere. Ich folgte / nam bey deß Obristen Kindtauff seinen übergüldtew Becher / und gab ihn dem Provosen / mit welchem er dann den jungen Hertzbruder abgeschafft hat; Als du dich dessen noch wol wirst zu erinnern wissen / als er dir in deß Obristen grossen Zelt die Kleider auch voll junger Hündlein gauckelte. lange E4 13 hotten] botten E2 ] borten E4 ie anfieng E4 18 gepacken E4 22 mein E2-4 29 nützlich E4 34 übergulbten E2-4

4

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Deß Abentheurl. Simplicistimi

Das XXL Capitel.

flr© wurde mir grün und gelb vor den Augen / als ich auß

Oliviera eigenem Maul hören muste / wie er mit meinem allerwerthesten Freund umbgangen / und gleichwol keine Rach vornehmen dorffte / ich muste noch darzu mein Anligen Ver­ beissen / damit ers nit merckte / sagte derowegen / er sötte mir auch erzehlen / wie es ihm nach der Schlacht vor Wittstock ferner ergangen wäre? In demselben Treffen [sagte Olivier) hielt ich mich nicht wie ein Federspitzer / der nur auff das Tintenfaß bestellt ist / sondem wie ein rechtschaffener Soldat / denn ich war wol beritten / und so tieft als Eisen / zumal in keine Squadron eingeschlossen / ließ derhalben meinen Valor sehen / als einer der durch den Degen hoch zu kommen oder zu sterben gedenckt / ich vagirte umb unsere Brigade herumb wie eine Windsbraut / mich zu exerciten / und den Unsern zu weisen / daß ich besser zu den Waffen als zu der Feder tauge; Aber es halff nichts / das Glück der Schweden überwand / und ich muste der Unfern Unglückseeligkeit theilhafftig werden / allermassen ich Quartier nemmen muste / wiewol ich es kurtz zuvor keinem geben toolte. Also wurde ich nun wie andere Gefangene unter ein Regi­ ment zu Fuß geflossen / welches sich wieder zu erholen in Pommern gelegt wurde / und demnach es viel neugeworbene Bursch gab / ich aber ein treffliche Courage verspüren liesse / wurde ich zum Corporal gemacht; Aber ich gedacht da nit lang Mist zu machen / sondern bald wieder unter die Käis. zu kommen / als deren Partey ich besser affectionirt war / da ich doch ohne Zweiffel bey den Schweden bessere Beför-[469] derung gefunden hätte. Mein Außreissen setzte ich folgender gestalt ins Merck: Ich wurde mit sieben Mußquetiern außgefchickt / in unsern abgelegenen Quartiern die außständige

Contribution zu erpressen / als ich nun über 800. Gülden zu wegen gebracht / zeigte ich meinen Burschen das Geld /und machte ihre Augen nach demselben lüsterend / also daß wir deß Handels miteinander eins wurden / solches unter uns zu theilen / und damit durch zu gehen; Als solches geschehen /

perluaditt ich ihrer drey / daß sie mir halssen die andere vier 4 kein E4 9 sagt E2-4 12 in] ist E4 14 gebende E4 20 es fehlt E2-4 24 Pursch E2-4 30 Mußquetieren E4 32 Gülten E4 33 Putschen E2-4 34 nach demselben] darnach E4 37 ihre E2 4

Viertes Buch.

353

todt schiessen / und nach solcher Verrichtung theilten wir das Geld / nemlich jedem 200. Gülden / damit marchirten wir gegen Westphalen; unterwegs überredt ich noch einen auß denselben dreyen / daß er auch die zween übrige nider schiessen halff / und als wir das Geld abermal miteinander theilen sollen /^erwürgte ich den letzten auch / und kam mit dem Geld glücklich nach Werke / allwo ich mich unterhalten liesse / und mit diesem Geld zimlich lustig machte. Ms solches aufs die Neige gieng / und ich ein als den cmbettt Weg gern banquetirt hätte / zumaln viel von einem jungen Soldaten in Soest hörte rühmen / was treffliche Beuten / und grossen Nahmen er ihm damit machte / wurde ich an­ gefrischt / ihm nachzufolgen; man nennete ihn wegen seiner grünen Kleidung den Jäger / derhalben ich auch eins machen liesse / und stal aufs ihn in seinen und unsern eignen Quar­ tiren / mit Verübung sonst allerhand Exorbitanten der­ massen / daß uns beyden das Partey gehen nidergelegt werden wolte; jener zwar blieb daheim / ich aber mausete noch immer­ fort in seinem Nahmen / so [470] viel ich fönte / also daß besagter Jäger umb solcher Ursach willen mich auch herauß fordern liesse / aber der Teuffel hätte mit ihm fechten mögen / den er auch / wie mir gesagt wurde / in Haaren sitzen hatte / er würde mir meine Vestigkeit schön auffgethan haben. Doch tonte ich seiner List nicht entgehen / denn er practicirte mich mit Hülff seines Knechts in eine Schäferey / sampt meinem Cameraden / und wolte mich zwingen / ich solle daselbst beym Mondenschein / in Gegenwart zweyer leibhaffter Teuffel / die er als Secundanten bey sich hatte / mit ihm muffen; Weil ichs aber nicht thun wolte / zwangen sie mich zu der spöttlichsten Sach von der Welt / so mein Camerad unter die Leute bracht / darvon ich mich dergestalt schämte / daß ich von dort hinweg auff Lippstatt liesse / und bey den Hessen Dienst nam / ver­ bliebe aber auch daselbst nicht lang / weil man mir nit traute / sondern trabte fürters in Holländ. Dienste / allwo ich zwar richtigere Bezahlung: aber einen langweiligen Krieg vor mein Humor fände / dann da wurden wir eingehalten wie die Mönche / und [ölten züchtig leben als die Nonnen. 2 Gülten E4 13 nennet E4 is eigenen E4 23 hatt E" schon E2*4 30 sportlichen E4 31 Leut E4 3s Holländer E4 38 Nonne E2

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Deß Abentheurl. Simplicifsimi

Weil ich mich dann nun weder unter Käiserl.-Schwedischnoch Hessischen nicht mehr dorffte sehen lassen / ich hätte mich dann muthwillig in Gefahr geben wollen / in dem ich bey allen dreyen außgerissen / zumal unter den Holländern nicht länger zu bleiben hatte / weil ich ein Mägdlein mit Gewalt entunehrt hatte / welches allem Ansehen nach in Bälde seinen Außbruch nemmen würde / gedachte ich meine Zuflucht bey den Spanischen zu haben / der Hoffnung / von denselben heim zu gehen / und zu sehen / was meine [471] Eltern machten. Aber als ich solches ins Merck zu setzen außgieng / wurde mir der Compasa so verrückt / daß ich unversehens unter die Bayrische gerieth / mit denselben marchitte ich unter den Merode-Brüdern auß Westphalen biß ins Brißgäu / und ernehrte mich mit spielen und stehlen / hatte ich etwas / so lag ich bey Tags damit ausf dem Spielplatz / und bey Nacht bey den Marquetentem / hatte ich aber nichts / so stal ich hinweg was ich kriegen fönte / ich stal offt auff einen Tag zwey oder drey Pferd / beydes von der Waid und auß den Quartiern / verkauffte und verspielte hinwieder / was ich löste / und minirte alsdenn bey Nacht den Leuten in die Zelt / und zwackte ihnen ihr bestes unter den Köpffen Herfür. War es aber auff dem March, so hatte ich an den engen Pässen ein wachtsames Aug auff die Felleisen / so die Weiber hinder sich führten / die schnitte ich ab / und brachte mich also durch / biß das Treffen vor Wittenweyer vorüber gieng / in welchem ich gefangen / abermal unter ein Regiment zu Fuß gestossen / und also zu einem Weymarischen Soldaten gemacht wurde / es wolte mir aber im Läger vor Breysach nicht gefallen / darumb quitirte ichs auch bey Zeiten / und gieng davon vor mich selbst zu kriegen / wie du dann sitzest / daß ich thue. Und sey versichert Bruder / daß ich seithero manchen stoltzen Kerl nider gelegt / und ein herrlich Stück Geld profperiret habe / gedencke auch nicht auffzuhören / biß daß ich sehe / daß ich nichts mehr bekommen kan. Jetzund nun wirds an dir seyn / daß du mir auch deinen Lebenslaufs erzehlest.

i mich fehlt E4 Kaiser!.-] Kaiser!. E1-2-4 n daß] deß E4 die Merode-Brüder E4 24 schnitt E2*4 29 quitirt E2 4

13

Viertes Buch. [472]

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Das XXII. Capitel.

Qfgg Olivier seinen Diseurs dergestalt vollführete / tonte ich mich nicht genugsam über die Göttliche Vorsehung bet« wundem! Ich fönte greiffen / wie mich der liebe Gott hiebevor in Westphalen bor diesem Unmenschen nit allein bätterlich bewahret / sondern noch darzu berschen hatte / daß er sich bor mir entsetzt: Damals sahe ich erst / was ich dem Olivier bor ein Possen erwiesen / darbon ihm der Alte Hertzbruder prophezeiet / welches er Olivier aber selbst / wie hiervon im 16. Capitel zu sehen / zu meinem grossen Borte! anders auß« gelegt / dann solte diese Bestia gerauft haben / daß ich der Jäger bon Soest gewesen wäre / so hätte er mir gewißlich wieder eingetränckt / was ich ihm Hiebebor aufs der Schäserey gethan; ich betrachtete auch / wie weislich und obscur Hertz­ bruder seine Weißsagungen geben / und gedachte bey mir selber / ob zwar seine Wahrsagungen gemeinlich unsehlbar ein­ zutreffen pflegten / daß es dennoch schwer fallen würde / und seltzam hergehen müste / da ich eines solchen Todt / der Galgen und Rad betbient hätte / rächen solte; ich befand auch / daß mirs trefflich gesund gewesen / daß ich ihm meinen Lebens­ laufs nicht zu erst erzehlt / denn mit der Weis hätte ich ihm ja selber gesagt / womit ich ihn Hiebebor beleydigt. In dem ich nun solche Gedancken machte / wurde ich in Oliviers An­ gesicht etlicher Ritz gewahr / die er bor Magdeburg noch nit gehabt / bildete mir derhalben ein / dieselbe Narben seyen noch die Wahrzeichen deß Spring-ins-feld / als er ihm Hiebe­ bor in Gestalt eines Teuffels das Angesicht so zerkratzte / fragte ihn [473] derhalben / Woher ihm solche Zeichen kämen? mit dem Anhang / ob er mir gleichwol seinen gantzen Lebenslaufs erzehle / daß ich jedoch ohnschwer abnemmen müsse / er bet« schweige mir das beste Theil / weil er mir noch nicht gesagt / wer ihn so gezeichnet hätte; Ach Bruder / antwortet er / wenn ich dir alle meine Bubenstück und Schelmerey erzehlen solte / so würde beydes mir und dir die Zeit zu lang werden / damit du aber gleichwol sehest / daß ich dir von meinen Begegnussen nichts berhele / so will ich dir Hiebon auch die Warheit sagen / ob es schon scheinet / als gereiche es mir zum Spott. 3 gnugsam E2-34 15 Weissagung E4 E2-4 34 ju] so E4 36 auch fehlt E4

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ohnbeschwer E4

33

all

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Deß Abentheurl. SimplicLssimi

Ich glaube gäntzlich / daß ich von Mutterleib an zu einem gezeichneten Angesicht praedeJstiniret gewesen sehe / dann gleich in meiner Jugend wurde ich von meines gleichen Schüler-Jungen so zerkratzt / wenn ich mit ihnen ropffte; so hielte mich auch einer von denen Teuffeln / die dem Jäger von Soest auffwarteten / überauß hart / Massen man seine Klauen wol 6. Wochen in meinem Gesicht spürte / aber solches heylete ich wieder alles sauber hinweg / die Striemen aber / die du jetzt noch in meinem Angesicht sihest / haben einen andern / und zwar diesen Ursprung: Als ich noch unter den Schweden in Pommern in dem Quartier lag / und eine schöne Matresse hatte / muste mein Wirth auß seinem Bett weichen / und uns hinein ligen lassen / seine Katz / die auch alle Abend in demselbigen Bette zu schlaffen gewohnt war / kam alle Nacht / und machte uns grosse Ungelegenheit / in dem sie ihre ordentliche Ligerstatt nit so schlechtlich entberen wolte / wie ihr Herr und Frau gethan; solches verdroß meine Matresse (die ohne das keine Katz [474] leiden fönte) so sehr / daß sie sich hoch verschwur / sie wolte mir in keinem Fall mehr Liebs erweisen / biß ich ihr zuvor die Katz hätte abgeschafft; Wolte ich nun ihrer Freundlichkeit länger gemessen / so gedachte ich ihr nit allein zu willfahren / sondern mich auch dergestalt an der Katz zu rächen / daß ich auch einen Lust daran haben möchte / steckte sie derhalben in einen Sack / nam meines Wirths beyde starcke Bauren-Hunde (die den Katzen ohne das zimlich grämisch / bey mir aber wol gewohnt waren) mit mir und der Katzen im Sack miss ein breite lustige Wiese / und gedachte da meinen Spaß zu haben / dann ich vermeynte / weil kein Baum in der Nähe war / auff den sich die Katz retiriten tonte / würden sie die Hund eine Weil auff der Ebne hin und wieder jagen / wie einen Hasen raumen / und mir eine treffliche Kurtzweil anrichten / Aber potz Stern! es gieng mir nit allein Hunds-übel / tote man zu sagen pflegt / sondern auch Katzen-übel (welches Übel wenig erfahren haben werden / dann man hätte sonst ohne Zweifsel vorlängsten auch ein Sprüchwort darauß gemacht) Massen die Katz / so bald ich den Sack auff thäte / nur ein weites Feld / und auff demselbigen ihre zwey starcke Feind / und nichts hohes vor ihr sahe / dahin i6 nicht E2-4 2i ihre E4 36 Sprichwort E4

24 einem E4

27 eine E4

33 nicht E2-4

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sie ihre Zuflucht hätte nehmen können: Derowegen wolte sie sich nicht so schlechtlich in die Nidere begeben / und ihr das Fell zerreissen lassen / sondern sie begab sich auff meinen eigenen Kopfs / weil sie keinen höhem Ort wüste / und als ich ihr wehrte / fiel mir der Hut herunder; je mehr ich sie nun herunder zu zerren trachtete / je heftet schlug sie ihre Nägel ein / sich zu halten: Solch unserm Gefecht tonten beyde [475] Hunde nicht lang zusehen / sondern mengten sich mit ins Spiel / sie sprangen mit offenem Rachen hinden / dornen und zur Seiten nach der Katz / die sich aber gleichwol von meinem Kopfs nicht hinweg begeben wolte / sondern sich beydes so wol in meinem Angesicht als sonsten auff dem Kopfs / mit Einschlagung ihrer Klauen hielte so gut sie tonte / thät sie aber mit ihrem Dorn-Handschuh einen Fehlstreich nach den Hunden / so troff mich derselbe gewiß / weil sie aber auch bißweilen die Hund auff die Nase schlug / beflissen sich dieselbige / sie mit ihren Talpen herunder zu bringen / und gaben mir damit manchen unfreundlichen Griff ins Gesicht / wenn ich aber selbst mit beyden Händen nach der Katz tastete / sie herab zu reissen / bisse und kratzte sie nach ihrem besten Vermögen: Also wurde ich beydes von den Hunden und von der Katz zugleich bekriegt / zerkratzt und dergestalt schröcklich zugerichtet / daß ich schwerlich einem Menschen mehr gleich sahe / und was das allerschlimste war / muste ich noch darzu in der Gefahr stehen / wann sie so nach der Katz schnappten / es möchte mir etwan einer ohngefähr die Nase / oder ein Ohr erwischen / und gantz hinweg beissen; Mein Kragen und Koller sahe so blutig auß / als wie vor eines Schmidts Nothstall an S. Steffans-Tag / wann man den Pferden zur Ader löst; und wüste ich gantz kein Mittel zu ersinnen / mich auß diesen Aengsten zu erretten; zuletzt so muste ich von freyen Stücken auff die Erde nider fallen / darmit beyde Hund die Katz er­ wischen tönten / wolte ich anderst nicht / daß mein Capitolium noch länger ihr [476] Fechtplatz seyn solle / die Hund er­ würgten zwar die Katz / ich hatte aber bey weitem keinen so herrlichen Spaß darvon als ich gehofft / sondern nur Spott / und ein solch Angesicht / wie du noch vor Augen sihest. Dessent­ wegen wurde ich so ergrimmt / daß ich nachgehends beyde herunter E4 6 nun fehlt E4 16 Hunde E2 4 20 bestehen E2 28 so fehlt E2 4 6

Hund E4 io Seiten] Zeit E2-4 25 so fehlt E4 schnappeten E2 4

8

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Hund todt schosse / und meine Matrefs, die mir zu dieser Thorheit Anlaß geben / dergestalt abprügelte / daß sie hätte Del geben mögen / und darüber von mir hinweg liesse / weil sie ohn Zweiffel keine so abscheuliche Larve länger lieben fönte.

Das XXIII. Capitel. c>Ch hette über dieser deß Olieviera Erzehlung gern gelacht / und müste mich doch mitleidenlich erzeigen; und als ich eben auch anfienge meinen Lebens-Laufs zuerzehlen / sahen wir eine Kutsche sampt zweyen Reutem das Land herauff kommen / derohalben stiegen wir vom Kirch-Thurn / und setzten uns in ein Hauß das an der Straß lag / und sehr bequem war die vorüber Reisende anzugreiffen / mein Rohr muste ich zum Vorrath geladen behalten /Olivier aber legte mit seinem Schuß gleich den einen Reuter und das Pferdt / ehe sie unserer innen wurden / weßwegen dann der ander gleich durchgienge / und in dem ich mit übergezognem Hanen den Kutscher halten / und absteigen gemacht / sprang Olivier aufs ihn dar / und spaltete ihm mit seinem breiten Schwerdt den Kopfs von ein­ ander biß aufs die Zähn hinunter / wolle auch gleich darauff das Frauenzimmer und die Kinder metzgen / die in der Kutschen fassen / und bereits mehr den todten Leichen / als den Lebenden gleich sahen; ich aber wolle es rund nicht ge­ statten / sondern [477] sagte / wofern er solches ja ins Merck setzen wolle / müste er mich zuvor erwürgen / Ach! sagte er / du närrischer Simplici, ich hätte mein Tage nicht gemeinet / daß du so ein heiloser Kerl wärest / wie du dich anlast: Ich antwortet / Bruder / was wilst du die unschuldige Kinder zeihen / wanns Kerl wären die sich wehren köndten / so wärs ein anders / was / antwortet er / Eyer in die Pfannen / so werden keine Junge drauß; Ich kenne diese junge Blutsauger wol / ihr Vatter der Major ist ein rechter Schindhund / und der ärgste Mambsklopffer von der Welt? und mit solchen Worten wolle er immer fortwürgen / doch enthielte ich ihn so lang j biß er sich endlich erweichen liesse; es waren aber eines Majors Weib / ihre Mägd / und drey schöne Kinder / die mich von Hertzen daureten / diese sperreten wir in einen 24

muste E2-4

so daraus E2-4

34 erweigen E4

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Keller / auff daß sie uns so bald nicht verrathen solten / in welchem sie sonst nichts als Obs und weisse Rüben zu beissen hatten / biß sie gleichwol widerumb von jemanden erlößt würden; demnach plünderten wir die Kutschen / und ritten mit siben schönen Pferden in Wald wo er zum dicksten war. Als wir solche angebunden hatten / und ich mich ein wenig umbschauete / sahe ich ohnweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen / solchen wise ich dem Olivier, und vermeinte es wäre sich vorzusehen; ha Narr! antwortet er / es ist ein Jud / den hab ich hingebunden / der Schelm ist aber vorlängst erfroren und verreckt / und in dem gieng er zu ihm / klopffte ihm mit der Hand unten ans Kinn / und sagte / ha! du Hund hast mir auch viel schöne Ducaten gebracht / und als er ihm dergestalt das Kinn bewegte / [478] rollten ihm noch etliche Duplonen zum Maul herauß / welche der arm Schelm noch biß in seinen Todt davon bracht hatte / Olivier griff ihm darauff in das Maul / und brachte zwölff Duplonen und einen köstlichen Rubin zusammen / diese Beut (sagte er) hab ich dir Simplici zu dancken / schenckte mir darauff den Rubin / stieß das Geld zu sich / und gieng hin seinen Bauren zu holen / mit Befelch / ich solle indessen bey den Pferden verbleiben / solte aber wol zusehen / daß mich der todte Jud nicht beisse / womit er mir verwiese / daß ich kein solche Courage hätte wie er. Als er nun nach dem Bauren auß war / machte ich indessen sorgsame Gedancken / und betrachtete / in was vor einem ge­ fährlichen Stand ich lebte; Ich nam mir vor / auff ein Pferd zu sitzen und durch zu gehen / besorgte aber / Olivier möchte mich über der Arbeit erdappen / und erst nider schiessen / denn ich argwohnte / daß er meine Beständigkeit vor dißmal nur Probire / und irgends stehe mir auffzupassen; bald gedacht ich zu Fuß davon zu lauffen / muste aber doch sorgen / wann ich dem Olivier gleich entkäme / daß ich nichts desto weniger den Baurn auff dem Schwartzwald / die damals im Ruff waren / daß sie den Soldaten auff die Hauben klopfften / nicht entrinnen würde können; nimmstu aber / gedacht ich / alle Pferd mit dir / auff daß Olivier kein Mittel hat / dir nachzujagen / und würdest von den Wetzmarischen erwischt / 3 hätten E34 jemand E4 5 tm E4 arme E4 ie seinem E4 is sagt E4 34 die] die dann E4

8 einen E4 12 ihn E4 15 26 einen E2-4 31 probirte E4

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so wirst» als ein überzeugter Mörder auffs Rad gelegt. In Summa / ich wüste kein sicher Mittel zu meiner Flucht zu ersinnen / vornemlich da ich mich in einem wilden Wald be­ fand / und weder Weg noch Steg wüste; über das wachte mir mein Gewissen auch [479] aufs / und quälte mich / weil ich die Gutsch auffgehalten / und ein Ursach gewesen / daß der Gutscher so erbärmlich umbs Leben kommen / und beyde Weibsbilder und unschuldige Kinder in Keller versperrt wor­ den / worinnen sie vielleicht / wie dieser Jud / auch sterben und verderben müsten; bald wolte ich mich meiner Unschuld getrösten / weil ich wider Willen angehalten würde / aber mein Gewissen hielt mir vor / ich hätte vorlängsten mit meinen andern begangenen bösen Stücken verdient / daß ich in Gesell­ schafft dieses Ertz-Mörders in die Händ der Justitz gerathe / und meinen billichen Lohn empfange / und vielleicht hätte der gerechte Gott versehen / daß ich solcher gestalt gestrafft werden solle: Zuletzt fienge ich an ein bessers zu hoffen / und bat die Güte GOttes / daß sie mich auß diesem Stand erretten wolte / und als mich so eine Andacht ankam / sagte ich zu mir selber: Du Narr / du bist ja nicht eingesperrt oder ange­ bunden / die gantze weite Welt steht dir ja offen / hastu jetzt nit Pferd genug / zu deiner Flucht zu greiffen? oder da du nicht reuten wilt / so seyn deine Füsse ja schnell genug / dich darvon zu tragen? In dem ich mich nun selbst so martert und quälte / und doch nichts entschließen fönte / kam Olivier mit unserm Baum daher / der führte uns mit den Pferden miss einen Hof / da wir fütterten / und einer umb den andem ein paar Stund schlieffen / nach Mittemacht ritten wir weiters / und kamen gegen Mittag an die äusserste Grentzen der Schweitzer / allwo Olivier wol betont war / und uns stattlich aufsteigen liesse / und dieweil wir uns lustig machten / schickte der Wirth nach zweyen Juden / die uns die Pferd gleichsam nur umb halb [480] Geld abhandelten: Es war alles so nett und just bestellt / daß es wenig Wortwechselns brauchte / der Juden grosse Frag war / ob die Pferd Käiserisch oder Schwe­ disch gewesen? und als sie vemamen / daß sie von den Weymarischen herkämen / sagten sie / so müssen wir solche nicht nach Basel / sondern in das Schwabenland zu den Bayrischen 2

sicher] sich E2 ] recht E‘ 3 einen E4 24 davon E4

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reuten. Uber welche grosse Kundschafft und Vertraulichkeit ich mich verwundern muste. Wir banquetirten Edelmännisch / und ich liesse mir die gute Wald-Forellen und köstliche Krebs daselbst wol schmecken; Wie es nun Abend wurde / so machten wir uns wieder auff den Weg / hatten unfern Baurn mit Gebratens und andern Victualien wie einen Esel beladen / damit kamen wir den andern Tag auff einen einzeln Baurn-Hof / allwo wir freundlich bewillkommt und auffgenommen wurden / und uns wegen un­ gestümmen Wetters ein paar Tag auffhielten / folgends kamen wir durch lauter Wald und Abweg wieder in eben das jenige Häußlein / dahin mich Olivier anfänglich führte / als er mich zu sich bekam. Das XXIV. Capitel. HÜLJe wir nun so da fassen / unserer Leiber zu Pflegen und außzumhen / schickte Olivier den Baurn auß / Essen­ speiß sampt etwas von Kraut und Loth einzukauffen; Als selbiger hinweg / zöge er seinen Rock auß / und sagte zu mir: Bruder / ich mag das Teuffels-Geld nit mehr allein so herumb schleppen / band demnach ein paar Würste oder Willst / die er auff blossem Leib ttug / herunder / warff sie auff den Tisch / und sagte ferner: Du wirst dich hiemit bemühen müH481]jen / biß ich einmal Feyerabend mache / und wir beyde genug haben / das Donners-Geld hat mir Beulen getruckt! Ich antwortete: Bruder / hättest du so wenig als ich / so würde es dich nit ttücken; Was? fiel er mir in die Red / was mein ist / das ist auch dein / und was wir ferner miteinander erobem / soll gleiche Part gelten. Ich ergriff beyde Wülste / und befände sie trefflich gewichtig / weil es lauter Goldsorten warn; Ich sagte / es sey alles gar unbequem gepackt / da es ihm gefiel / wolle ichs also einnähen / daß einen das tragen nit halb so sauer ankäme. Als er mirs heim stellte / gieng ich mit ihm in einen holen Eichbaum / allda er Scheer / Nadel und Faden vermochte / da machte ich mir und ihm ein Scapulier oder Schulter-kleid auß einem paar Hosen / und versteppte manchen schönen rothen Batzen darein / und demnach wir solche unter i reiten E2 * Uber] Und E2 5 wir] mir E2 is so fehlt E4 is un­ sere E2 is sagt E2 20 Wülste E2 21 herunter E4 24 gedruckt E2 28 ergreiff E2 29 waren E4 30 sey] wär E2 gehackt E2 31 nicht E2 84 vermochte (vgl. Schölte)] machte E1-2-4 85 Schulderkleid E2

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die Herüber anzogen / war es nicht anders / als ob wir vorn und hinden mit Gold bewaffnet gewest wären: Und demnach mich Wunder nam / und fragte / warum er kein Silber-Geld hätte? bekam ich zur Antwort / daß er mehr als 1000. Thaler in einem Baum ligen hätte / auß welchem er den Baum Hausen liesse / und urnb solches nie kein Rechnung begehrt / weil er solchen Schafmist nicht hoch achte. Als diß geschehen / und das Geld eingepackt war / giengen wir nach unserm Logiment, darinn wir dieselbe Nacht über kochten / und uns beym Ofen außbäheten: Und demnach es eine Stund Tag war / kamen / als wir uns dessen an wenigsten versahen / sechs Mußquetier sampt einem Corpora! / mit fertigem Gewehr und auffgepaßten Lunden ins Häußlein / stiessen die Stubenthür aufs / und schryen: Wir sotten [482] uns gefangen geben! 9lbet Olivier (der so wol als ich jederzeit seine'gespannte Mußquete neben sich ligen / und sein scharff Schwerd allzeit an der Seiten hatte / und damals eben hinderm Tisch fasse / gleich wie ich hinder der Thür beym Ofen stunde) antwortet ihnen mit einem paar Kuglen / durch welche er gleich zween zu Boden fällte / ich aber erlegte den dritten / und beschädigte den vierten durch einen gleichmässigen Schuß; darauff wischte Olivier mit seinem nothvesten Schwerd / welches Haar schüre / und wol deß Königs Arturi in Eng­ land Calibum verglichen werden möchte / von Leder / und hieb den fünfften von der Achsel an biß aufs den Bauch hinunder / daß ihm das Jngeweid herauß / und er neben dem­ selben dawider fiel / indessen schlug ich den sechsten mit meinem umbgekehrten Feur-rohr aufs den Kopfs / daß er alle vier von sich streckte; einen solchen Streich kriegte Olivier von dem sibenden / und zwar mit solchem Gewalt / daß ihm das Him herauß spritzte / ich aber traff denselben / ders ihm gethan / wiederumb dermassen / daß er gleich seinen Cameraden am Todten-Reyhen Gesellschafft leisten muste; Als der beschädigte/ den ich anfänglich durch meinen Schuß getroffen / dieser Püff gewahr wurde / und sahe / daß ich ihm mit umbgekehrtem Rohr auch ans Leder wolte / warsf er sein Gewehr hinweg / und fieng an zu lauffen / als ob ihn der Teuffel selbst gejagt hätte. Und dieses Gefecht währte nit länger / als eines Vatter 5 welchen E2 Bauren E2 8 eingehackt E2 11 am E4 u schreyen E4 solle E2 16 Mußqueten E2 19 welcher E4 36 umbgekehrten E4 38 währt nicht E2

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unsers Länge / in welcher kurtzen Zeit diese siben dapffere Soldaten ins Gras bissen. Da ich nun solcher gestalt allein Meister aufs dem Platz blieb / beschaute ich den Olivier, ob er vielleicht [483] noch einen lebendigen Athem in sich hätte / da ich ihn aber gantz entseelet befände / dünckte mich ungereimt zu seyn / einem todten Cörper so viel Golds zu lassen / dessen er nit vonnöthen / zog ihm derwegen das gülden Fell ab / so ich erst gestern gemacht hatte / und henckte es auch an Hals zu dem andern. Und demnach ich mein Rohr zerschlagen hatte / name ich Oliviers Mußquete und Schwerd zu mir / mit demselben ver­ sähe ich mich (mff allen Nothfall / und machte mich auß dem Staub / und zwar auff den Weg / da ich wüste / daß unser Baur darauff herkommen müste / ich setzte mich beyseit an ein Ort / seiner zu erwarten / und mich zugleich zu bedencken / was ich ferner anfangen wolte. Das XXV. Capitel. (>Ch saß kaum ein halbe Stund in meinen Gedancken / so ^ kam unser Baur daher / und schnaubte wie ein Beer / er liess von allen Kräfften / und wurde meiner nit gewahr / biß ich ihm auff den Leib kam; Warumb so schnell / (sagte ich) was neues? Er antwort / geschwind macht euch abweg! es kompt ein Corporal mit 6. Mußquetiern / die sollen euch und den Olivier auffheben / und entweder todt oder lebendig nach Liechteneck liefern / sie haben mich gefangen gehabt / daß ich sie zu euch führen solte / bin ihnen aber glücklich entronnen / und hieher kommen/euch zu warnen: Ich gedachte / O Schelm/ du hast uns verrathen / damit bit Oliviers Geld / so im Baum ligt / zu theil werden möge / liesse mich aber doch nichts mercken / weil ich mich seiner als eines Wegweisers gebrauchen wolte / sondem sagte ihm / daß beydes Olivier [484] und die jenige so ihn hätten fangen sollen / todt wären; da es aber der Bauer nit glauben wolte / war ich noch so gut / und gieng mit ihm hin / daß er das Elend an den sieben Cörpern sehen konte / den siebenden / die uns fangen sollen / sagte ich / habe ich lauffen lassen / und wolte Gott / ich fönte auch 5 hatte L? 16 fernem E4 ben E4 33 nicht E2

is meinem E4

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den Leib] daö Le­

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diese wieder lebendig machen / so wolte ichs nit unterlassen! Der Bauer erstaunte vor Schrecken / und sagte / Was Raths? Ich antwortet / der Rath ist schon beschlossen / unter dreyen Dingen gib ich dir die Wahl / entweder führe mich alsbald durch sichere Abweg über den Wald hinauß nach Villingen / oder zeige mir Oliviers Geld / das im Baum ligt / oder stirb hier / und leiste gegenwärtigen Todten Gesellschafft! Führestu mich nach Villingen / so bleibt dir Oliviers Geld allein / wirstu mirs aber weisen / so will ichs mit dir theilen / thustu aber deren keines / so schieß ich dich todt / und gehe gleichwol meines Wegs. Der Baur wäre gern entloffen / aber er forchte die Mußquete / fiele derhalben auff die Knye nider / und erböte sich / mich über Wald zu führen: Also wanderten wir eylend fort / giengen denselben Tag und folgende gantze Nacht / weil es zu allem Glück trefflich hell war / ohne Essen / Trincken und einige Ruhe immer hin / biß wir gegen Tag die Statt Villingen vor uns ligen sahen / allwo ich meinen Baurn wieder von mir liesse. Auff diesem Weg trieb den Baurn die Todtesforcht / mich aber die Begierde / mich selbst und mein Geld davon zu bringen / und muß fast glauben / daß einem Menschen das Gold grosse Kräfsten mittheilet / denn ob ich zwar schwer genug daran trug / so empfand ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit. [485] Ich hielte es vor ein glücklich Omen, daß man die Pfort eben öffnete / als ich vor Villingen kam / der Officier von der Wacht examinirte mich / und als er vernam / daß ich mich vor einen Freyreuter außgab / von dem jenigen Regiment / wobey mich Hertzbruder gethan / als er mich zu Philipsburg von der Mußquete erlöste / wie auch / daß ich auß dem Läger vor Breysach von den Weymarischen her käme / unter welche ich vor Wittenweyr gefangen und untergestossen worden / und nunmehr wieder zu meinem Regiment unter die Bayrische begehrte / gab er mir einen Mußquetierer zu / der mich zum Commandanten führte. Derselbe lag noch in seiner Ruhe / weil er wegen seiner Geschäfften mehr als die halbe Nacht wachend zugebracht hatte / also daß ich wol anderthalbe Stund vor seinem Quartier auffwarten muste / und weil eben die Leut auß der Frühmeß giengen / einen 7

gegmvärtgen E2 Todtsforcht E2

19

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wir] nur E2 is wieder ~ Baurn fehlt E2 Müdigkeit] Müdigkeit E2 34 führet E2

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grossen Umbstand von Bürgern und Soldaten bekam / die alle wissen wollen / wie es vor Breysach stünde? Von welchem Geschrey der Commandant erwachte / und mich vor ihn kommen liesse: Er fieng an mich zu examinirett / und meine Außsag war wie unterm Thor; Hernach fragte er mich sonderliche Particularitäten / von der Belagerung und sonsten / und damit bekennete ich alles / wie daß ich nemlich ein Tag oder vier­ zehen mich bey einem Kerl auffgehalten / der and) durch gangen / und mit demselben eine Gutsche angegriffen und geplündert hätte / der Meynung / von den Weymarischen so viel Beuten zu holen / daß wir uns darauß beritten machen / und rechtschaffen mondiett wieder zu unsern Regimentern kommen möchten / wir seyen aber erst gester [486] von einem Corporal mit noch sechs andern Kerlen / die uns auffheben sollen / überfallen worden / dadurch mein Camerad mit noch sechsen vom Gegentheil auff dem Platz geblieben / der siebend aber so wol als ich / und zwar jeder zu seiner Partey / entloffen seye; von dem aber / daß ich nacher L. in Westphalen zu meinem Weib gewolt / und daß ich zwey so wolgefütterte Hinder- und Vorderstück an hatte / schwieg ich stockstill / und zwar so machte ich mir auch kein Gewissen darumb / daß ichs verhelete / dann was giengs ihn an? Er fragte mich auch nit einmal darumb / sondern verwunderte sich vielmehr / und wolts fast nit glauben / daß ich und Olivier solten 6. Mann nider gemacht / und den siebenden verjagt haben / ob zwar mein Camerad mit eingebüst. Mit solchem Gespräch gabs Ge­ legenheit von Oliviers Schwerd zu reden / so ich lobte / und an der Seiten hatte / das gefiel ihm so wol / daß ichs ihm / wolte ich anders mit guter Manier von ihm kommen / und Paß erlangen / gegen einem andem Degen / den er mir gab / überlassen muste; in Warheit aber / so war dasselbe trefflich schön und gut / es war ein gantzer ewigwährender Calender darauff geetzet / und lasse ich mir nicht außreden / daß es nicht in Hora Martis von Vulcano selbst geschändet / und allerdings zugerichtet worden seye / wie im Heldenschatz eins beschrieben wird / worvon alle andere Klingen entzwey springen / und die behertzteste Feinde und Löwen-Gemüter j 3

ihm E2

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Regiment E4

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nicht E2

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so fehlt E2

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wie forchtsaine Hasen entlauffen müssen. Nachdem er mich nun entliesse / und befohlen / einen Paß vor mich zu schreiben / gierige ich den nächsten Weg ins Wirthshauß / und wüste nit / ob ich am ersten schlaffen oder essen solle? denn es [487] war mir beydes nöthig; doch wolt ich zuvor meinen Magen stillen / liesse mir derhalben etwas zu essen / und einen Trunck langen / und machte Gedancken / wie ich meine Sachen an­ stellen möchte / daß ich mit meinem Geld sicher nach L. zu meinem Weib kommen möchte / denn ich hatte so wenig im Sinn zu meinem Regiment zu gehen / als den Hals abzufallen. In dem ich nun so fpeculirte / hinckte ein Kerl in die Stub / an einem Stecken in der Hand / der hatte einen verbundenen Kopfs / einen Arm in der Schlinge / und so elende Kleider an / daß ich ihm kein Heller darumb geben hätte; so bald ihn der Haußknecht sahe / wolte er ihn außtreiben / weil er übel stunde / und so voll Läus kröche / daß man die gantze Schwa­ benhaid damit besetzen tönte; er aber bat / man wolte ihm doch umb Gottes willen zulassen / sich nur ein wenig zu wärmen / so aber nichts halff; demnach ich mich aber seiner erbarmte / und vor ihn bat / wurde er kümmerlich zum Ofen gelassen: Er sahe mir / wie mich dünckte / mit begierigem Appetit und grosser Andacht zu / wie ich drauff hiebe / und ließ etliche Seufftzer lauffen / und als der Haußknecht gieng / mir ein stück Gebratens zu holen / gieng er gegen mir zum Tisch zu / und reichte ein irden Pfennig-Häfelein in der Hand dar / als ich mir wol einbilden fönte / warumb er käme? nam derhalben die Kanne / und goß ihme seinen Hafen voll / ehe er hiesche; Ach Lreund / sagte er / umb Hertzbruders willen gebt mir auch zu essen! Da er solches sagte / gieng mirs durchs Hertz / und befand / daß es Hertzbruder selbsten war / ich wäre bey nahe in Ohnmacht gesunden / da ich ihn in einem so elenden Stand sahe / doch erhielt ich mich / [488] fiel ihm umb den Hals / und setzte ihn zu mir / da uns denn beyden / mir auß Mitleiden und ihm auß Freud / die Augen über giengen.

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Das XXVI. Capitel. lINser unversehens Zusammenknifft machte / daß wir fast weder essen noch trincken tonten / nur fragte einer den andern / wie es ihm ergangen / sind wir das letzte mal beysamm gewesen / dieweil aber der Wirth und Haußknecht stets ab und zu gieng / tonten wir einander nichts verträulichs erzehlen / der Wirth wunderte / daß ich ein so lausigen Kerl bey mir übte / Ich aber sagte / solches sey im Krieg unter rechtschaffenen Soldaten / die Cameraden wären / der Brauch. Da ich auch verstünde / daß sich Hertzbruder bißher im Spital auffgehalten / vom Almosen sich emehrt / und seine Wunden liederlich verbunden worden / dingte ich dem Wirth ein sonder­ lich Stüblein ab / legte Hertzbrudern in ein Bett / und ließ ihme den besten Wund-Artzt kommen / den ich haben tonte / wie auch einen Schneider und eine Näherin / ihn zu kleiden / und den Läusen auß den Zähnen zu ziehen; ich hatte eben die jenige Duplonen / so Olivier einem todten Juden auß dem Maul bekommen / bey mir in einem Säckel / dieselbe schlug ich aufs den Tisch / und sagte / dem Wirth zu Gehör / zu Hertzbrudern: Schau Bmder / das ist mein Geld / das will ich an dich wenden / und mit dir verzehren; davon der Wirth uns brav auffwartete / dem Barbier aber wiese ich den Rubin / der auch deß bedeuten Juden gewesen / und unge­ fähr 20. Thaler werth war / und sagte: Weil ich mein wenig Geld / so ich hätte / vor uns zur Zehrung / und meinem [489] Cameraden zur Kleidung aufswenden müste / so wolt ich ihm denselben Ring geben / wenn er besagten meinen Cameraden in Bälde von Grund auß davor curiren todte / dessen er denn wol zu frieden / und seinen besten Fleiß zur Cur an­ wendete. Also pflegte ich Hertzbrudern / wie meinem andern Ich / und ließ ihm ein schlecht Kleidlein von grauem Tuch machen / zuvor aber gieng ich zum Commandanten wegen deß Passes / und zeigte ihm an / daß ich einen übel-beschädigten Cameraden angetroffen hätte / aufs den todte ich warten / biß er vollend heylete / denn ihn hinder mir zu lassen / getraute ich bey meinem Regiment nicht zu verantworten; der Commandant io auch] aber E2 n von E4 is eine] ein E2 27 besagtes E2 darvor E4 31 pflegt E2 ss getraue E2 37 meinen E2

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lobte meinen Fürsatz / und gönnete mir zu bleiben / so lang ich wolle / mit fernerm Anerbieten / wenn mir mein Camerad würde folgen können / daß er uns beyde alsdenn mit genüg­ samem Paß versehen wolle. Demnach ich nun wieder zu Hertzbrudern kam / und allein neben seinem Bett bey ihm fasse / bat ich ihn / er wolle mir unbeschwert erzehlen / wie er in einen so armseeligen Stand gerathen wäre? denn ich bildete mir ein / er möchte vielleicht wichtiger Ursachen / oder sonst eines Ubersehens halber / von seiner vorigen Dignität verflossen / unredlich gemacht / und in gegenwärtig Elend gesetzt worden seyn; Er aber sagte: Bruder du weist / daß ich deß Grafen von Götz fac totum und allerliebster geheimster Freund gewesen / hingegen ist dir auch genugsam betont / was die verwichene Campagne unter feinem Generalat und Commando vor ein unglückselige End­ schafft erreicht / in dem wir nicht allein die Schlacht bey Wittenweyr verloren / sondern noch darzu das belägerte Breysach [490] zu entsetzen nit vermöcht haben: Weil denn nun deßwegen hin und wieder vor aller Welt sehr ungleich geredt wird / zumalen wol-ermeldter Graf / sich zu verant­ worten / nach Men citirt worden / so lebe ich beydes vor Scham und Forcht / freywillig in dieser Nidere / und wünsche mir offt / entweder in diesem Elend zu sterben / oder doch wenigst mich so lang verborgen zu halten / biß mehr-wolbesagter Graf seine Unschuld an Tag gebracht / dann so viel ich weiß / ist er dem Röm. Käiser allezeit getreu gewesen / daß er aber diesen verwichenen Sommer so gar kein Glück gehabt / ist meines Erachtens mehr der Göttlichen Vorsehung (als welcher die Siege gibt wem er will) als deß Grafen Über­ sehen beyzumessen. Da wir Breysach zu entsetzen im Merck waren / und ich sahe / daß es unser feite so schläfferig hergieng / armitte ich mich selbst / und gieng dergestalt auff die Schiffbrücke mit an / als ob ichs allein hätte vollenden wollen / da es doch damals weder mein Profession noch Schuldigkeit war; Ich thäte aber den andern zum Exempel / und weil wir den vergangenen Sommer so gar nichts außgericht hatten / das Glück / oder vielmehr das Unglück wolte mir / daß ich unter den ersten 3 genügsamen E2-4

u Campagne E2

26 allzeit E4

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Angängern dem Feind auch am ersten auff der Brücken das Weiß in Augen sahe / da es denn scharff her gieng / und gleich wie ich im Angriff der erste gewesen / also wurde ich / da wir der Frantzosen ungestümbem Ansetzen nicht mehr wider­ stunden / der allerletzte / und kam dem Feind am ersten in die Hände: ich empfieng zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm / und den andern in Schenckel / also daß ich weder außreissen / noch meinen Degen mehr gebrauchen [491] bitte / und als die Enge deß Orts und der grosse Emst nit zuliesse / viel vom Quartier geben und nehmen zu parlementireit / kriegte ich einen Hieb in Kopfs / davon ich zu Boden fiel / und weil ich fein gekleidet war / von etlichen in der Furi außgezogen / und vor todt in Rhein geworffen wurde. In solchen Nöthen schrye ich zu Gott / und stellete alles seinem heiligen Willen heim / und in dem ich unterschiedliche Ge­ lübde thät / spürte ich auch seine Hülff / der Rhein warff mich ans Land / allwo ich meine Wunden mit Moß verstopffte / und ob ich zwar bey nahe erfröre / so verspürte ich jedoch eine absonderliche Krafft davon zu kriechen / Massen mir Gott halff / daß ich (zwar jämmerlich verwundet) zu etlich Merode-Brüdern und Soldaten-Weibem kam / die sämptlich ein Mitleiden mit mir hatten / ob sie mich zwar nit kanten. Diese verzweiffelten bereits an einem glücklichen Entsatz der Bestung / das mir weher thät als meine Wunden / sie erquickten und bekleideten mich bey ihrem Feur / und ehe ich ein wenig meine Wunden verbände / muste ich sehen / daß sich die Uns enge zu einem spöttlichen Abzug rüsteten / und die Sach vor verloren gaben / so mich trefflich schmirtzete / refolvitte derhalben bey mir selbsten / mich niemand zu offenbaren / damit ich mich keines Spotts theilhafftig machte / Massen ich mich zu etlichen Be­ schädigten von unserer Armee gesellet / welche einen eigenen Feldscherer bey sich hatten / denen gab ich ein gülden Creutzlein / das ich noch am Hals darvon gebracht / vor welches er mir biß hieher meine Wunden verbunden. In solchem Elend nun / werther Simplici, hab ich mich bißher beholffen / gedencke mich auch keinem Menschen zu offenbaren / biß ich zuvor sehe / wie [492] deß Grafen von Götz seine Sach einen Außgang gewinnet. Und demnach ich deine Guthertzigkeit und io parlementim E4

15 underschiedliche E4

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gülden E4

370

6

io

Deß Abenth. Simpl. IV. Buch.

Treu sehe / gibt mir solches einen grossen Trost / daß der liebe Gott mich noch nit verlassen / Massen ich heut morgen / als ich auß der Frühmeß kam / und dich vor deß Comman­ danten Quartier stehen sahe / mir eingebildet / Gott hätte dich an statt eines Engels zu mir geschickt / der mir in meiner Armseeligkeit zu Hülfs kommen solte. Ich tröstete Hertzbmdem so gut ich konte / und vertraute ihm / daß ich noch mehr Geld hätte als die jenige Duplonen die er gesehen / welches alles zu seinen Diensten stünde; und in dem erzehlte ich ihm auch Olieviers Untergang / und was gestalt ich seinen Todt rächen müssen. Welches sein Gemüt dermassen erquickte / also daß es ihm auch an seinem Leib wol zu statten kam / gestalten es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte.

ENDE deß IV. Buchs.

Abentheurlicher

[493]

Simplicifjimus

Teutsch: Das Lünffce Buch. Inhalt deß V. Buchs. Das 1. Capitel.

wie Simpliciue ein Pilger wird / und mit Hertz brudern wallen gehet. Das 2. Capitel.

Simplicius bekehrt sich / nachdem er zuvor von dem Teuffel erschreckt worden. Das 3. Capitel.

Wie beyde Freund den Winter hinbringen. Das 4. Capitel.

Was Massen Hertzbruder und Simplicius abermal in Rrieg / und wieder darauß kommen. Das 5. Capitel.

Simplicius laufft Botten-weis / und vernimmt in Gestalt Mercurii von dem Jove, was er eigentlich wegen deß Rriegs und Friedens im Sinn habe. [494]

Das 6. Capitel.

Erzehlung eines Possen / den Simplicius im Säurbrunnen angestellt. i Abenbtheurliche E2

io Simplicio E2

is Mercuri E2

Das 7. Capitel. Hertzbrvder stirbt / und Simplicius fängt wieder an zu bulen. Das 8. Capitel.

Simplicius gibt sich in die zweyte Ehe / trifft seinen Rnan an / und erfährt / wer seine Eltern gewesen. Das 9. Capitel. Welcher gestalt ihn die Rindswehe angestossen / und wie er wieder zu einem Witwer wird. Das 10. Capitel.

Relation etlicher Baursleut / von dem wunder­ baren Mummel-See. Das 11. Capitel. Ein unerhörte Dancksagung eines Patienten / die bey Simplicio fast heilige Gedancken verursacht. Das 12. Capitel. Wie Simplicius mit den Sylphis in das Centrum Terrae fährt. Das 13. Capitel. Der Printz über den Mummel-See erzehlet die Art und das herkommen der Sylphorum. Das 14. Capitel. wa« Simplicius ferner mit diesem Fürsten unter­ wegs discurift / und was er vor verwunderliche und abentheurliche Sachen vernommen. [495] Das 15. Capitel. was der Röntg mit Simplicio, und Simplicius mit dem Röntg geredet. 23 diesen E* aa redet E*

deß Mufften Buchs.

373

Das 16. Capitel.

Etliche neue Zeitungen auß der Liesse deß uner­ gründlichen Meers Mare del Zur, oder das friedsame stille Meer genant. Das 17. Capitel.

Zuruckräi» auß dem Mitteltheil der Erden / feltzame Grillen / Lufftgebäu / Lalender / und gemachte Zech ohne den Wirth. Das 18. Capitel.

Simplicius verkettet feinen Saurbrunnen an einem unrechten Ort. Das 19. Capitel.

Etwa» wenig» von den Ungarischen Widertäuffern / und ihrer litt zu leben. Das 20. Capitel.

Hält in sich einen kurtzweiligen Spazierweg / vom Schwarywald biß nach Moscau in Reussen. Das 21. Capitel.

Wie es Simplicio weiters in der Moscau ergieng. Das 22. Capitel.

Durch was vor einen nahen und lustigen Weg er wiederumb heim zu seinem Rnan kommen. Das 23. Capitel.

Ist gar ein fein kurtz Capitel / und gehet nur Simplicium an. [496]

Das 24. Capitel.

Ist da» allerletzte / und zeiget an / warumb und welcher gestalt Simplicius die Welt wieder verlassen.

2 Zeitung E2 22 seinen E2

374

Deß Abentheurl. Simplicilsimi

Das Erste Capitel. A>Achdem Hertzbmder wieder allerdings erstarckt / und an % seinen Wunden gehehlt war / vertraute er mir / daß er in den höchsten Nöthen eine Wallfahrt nach Einsidlen zu thun gelobt; Weil er dann jetzt ohne das so nahe am Schweitzer­ land wäre / so wolte er solche verrichten / und solle er auch dahin bettlen! Das war mir sehr angenehm zu hören / derhalben botte ich ihm Geld und meine Gesellschafft an / ja ich wolte gleich zween Klepper kauffen / auff selbigen die Räis zu verrichten; nicht zwar der Ursach / daß mich die An­ dacht darzu getrieben / sondern die Aydgnoßschafft / als das einige Land / darinn der liebe Fried noch grünete / zu be­ sehen: So freute mich auch nit wenig / daß ich die Gelegenheit hatte / Hertzbrudern auff solcher Räis zu dienen / Massen ich ihn fast höher als mich selbst liebte; Er aber schlug beydes meine Hülff und meine Gesellschafft ab / mit Vorwand / seine Wallfahrt müste zu Fuß / und darzu auff Erbsen geschehen; Solte ich nun in seiner Gesellschafft seyn / so würde ich ihn nicht allein an seiner Andacht verhindern / sondern auch mir selbst wegen seines langsamen mühseeligen Gangs grosse Un­ gelegenheit auffladen. Das redete er aber mich von ihm zu schieben / weil er sich ein Gewissen machte / auff einer so heiligen Räis von dem jenigen Geld [497] zu zehren / das mit Morden und Rauben erobert worden; über das wolte er mich auch nicht in allzugrosse Unkosten bringen / und sagte unverholen / daß ich bereits mehr bey ihm gethan / als ich schuldig gewesen / und er zu erwidem getraute / hierüber geriethen wir in ein freundlich Gezänck / das war so lieblich / daß ich dergleichen noch niemals hab hören hadern / denn wir bxatyten nichts anders vor / als daß jeder sagte / er hätte gegen dem andern noch nicht gethan / was ein Freund dem andern thun solte / ja bey weitem die Gutthaten / so er vom andern empfangen / noch nit wett gemacht. Solches alles aber wolte ihn noch nicht bewegen / mich vor einen Räisgeferten zu gei Capital E4

23

jenigen] jungen E2

27

er fehlt E1-2-4

30

nicht E2

Fünfftes Buch.

375

dulden / biß ich endlich merckte / daß er beydes an Oliviers Geld und meinem gottlosen Leben / ein Eckel hatte / derhalben behalff ich mich mit Lügen / und überredet ihn / daß mich mein Bekehrungs-Vorsatz nach Einsidlen triebe / solte er mich nun von einem so guten Merck abhalten / und ich darüber sterben / so würde ers schwerlich verantworten können. Hier­ durch perfuaditt ich ihn / daß er zuliesse / den heiligen Ort mit ihm zu besuchen / sonderlich weil ich (wiewol alles erlogen war) eine grosse Reu über mein böses Leben von mir scheinen liesse / als ich ihn denn auch überredete / daß ich mir selbst zur Buß auffgelegt hätte / so wol als er aufs Erbsen nach Einsidlen zu gehen. Dieser Zanck war kaum vorbey / da geriethen wir schon in einen andern / denn Hertzbruder war gar zu gewissenhafft; er wolte kaum zugeben / daß ich einen Paß vom Comman­ danten nam / der nach meinem Regiment lautete: Was / (sagte er) haben wir nit im Sinn / unser Leben zu bessern / und nach Einsidlen [498] zugehen? und nun sihe umb Gottes willen / du roilft den Anfang mit Betrug machen / und den Leuten mit Falschheit die Augen verkleiben / wer mich vor der Welt verläugnet / den will ich auch vor meinem himm­ lischen Batter verlaugnen / sagt Christus! Was seyn wir vor verzagte Maulaffen? wann alle Märtyrer und Bekenner Christi so gethan hetten / so weren wenig Heilige im Himmel! lasse uns in Gottes Nahmen und Schutzempfehlung gehen wohin uns unser heiliger Vorsatz und Begierden hintreiben / und im übrigen Gott walten / so wird uns Gott schon hin­ führen wo unsere Seelen Ruhe finden; Als ich ihm aber vor­ hielte / man müßte Gott nicht versuchen / sondern sich in die Zeit schicken / und die Mittel gebrauchen / deren wir nicht entbehren könten / vornemlich weil das Wallfahrten gehen bey der Soldatesca ein ungewöhnlich Ding sehe / und wenn wir unser Vorhaben entdeckten / eher vor Außreisser als Pilger gehalten würden / das uns denn grosse Ungelegenheit und Gefahr bringen tönte / zumalen auch der H. Apostel Paulus / dem wir noch bey weitem nicht zu vergleichen / sich wunderbarlich in die Zeit und Gebräuch dieser Welt geschickt; ließ er endlich zu / daß ich einen Paß bekam / nach meinem Regiment i biß] daß Ei2 38 ich in E2

22

verleugnen E4

25

Schutze empfehlung E4

376

Deß Abentheurl. Simplicilsimi

zu gehen / mit demselben gierigen wir bey Beschliessung deß Thors sampt einem getreuen Wegweiser auß der Statt / als wollen wir nach Rotweil / wandten uns aber kurtz durch Neben-Weg / und kamen noch dieselbige Nacht über die Schweitzerische Grentze / und den folgenden Morgen in ein Dorff / allda wir uns mit schwartzen langen Röcken / PilgerStäben und Rosenkräntzen mondirten / und den [499] Botten mit guter Bezahlung wieder zurück schickten. Das Land käme mir so frembd vor gegen anbetn Teutschen Ländem / als wenn ich in Brasilia oder in China gewesen wäre / da sahe ich die Leute in dem Frieden handlen und wandlen / die Ställe stunden voll Viehe / die Baurn-Höf liessen voll Hüner / Gans und Endten / die «Straffen wurden sicher von den Räisenden gebraucht / die Wirthshäuser fassen voll Leute die sich lustig machten / da war gantz keine Forcht vor dem Feind / keine Sorg vor der Plünderung / und keine Angst / sein Gut / Leib noch Leben zu verlieren / ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum / und zwar gegen anbetn Teutschen Ländern zu rechnen / in lauter Wollust und Freud / also daß ich dieses Land vor ein irdisch Paradis hielte / wiewoln es von Art rauch genug zu seyn schiene. Das machte / daß ich aufs dem gantzen Weg nur hin und her gaffte / wenn hingegen Hertzbruder an seinem Rosenkrantz betete / deßwegen ich manchen Filtz bekam / dann er wolte haben/ich solle/ wie er / an einem Stück beten / welches ich aber nicht gewöhnen tonte. Zu Zürch kam er mir recht hinder die Briefs / und dahero sagte er mir die Warheit auch am tröcknesten herauß / denn als wir zu Schafhausen (allwo mir die Füß von den Erbsen sehr weh thäten) die vorig Nacht geherbergt / und ich mich den künfftigen Tag wieder aufs den Erbsen zu gehen fürchtete / ließ ich sie kochen / und thäts wieder in die Schuh; deßwegen ich dann wol zu Fuß nach Zürch gelangte / er aber sich gar übel gehube / und zu mir sagte: Bruder / du hast grosse Gnad von Gott / daß du unangesehen der Erbsen in den [500] Schuhen / dennoch so wol fort kommen tonst; Ja / sagte ich / liebster Hertzbruder / ich hab sie gekocht / sonst hätte ich so weit nit darauff gehen können; Ach daß Gott erbarm / ant» 12 wandeln EJ

u gebrauchet E2

35 der) den E2

FünffteS Buch.

377

»ortet er / was hastu gethan? du hättest sie lieber gar auß den Schuhen gelassen / wenn du nur dein Gespött darmit treiben wilt / ich muß sorgen / daß Gott dich und mich zugleich straffe; halte mir nichts vor ungut Bmder / wenn ich dir auß brüderlicher Liebe Teutsch herauß sage / wie mirs umbs Hertz ist / nemlich diß / daß ich besorge / wofem du dich nit anderst gegen Gott schickest / es stehe deine Seeligkeit in höchster Gefahr / ich versichere dich / daß ich keinen Menschen mehr liebe / als eben dich / leugne aber auch nit / daß / wofem du dich nit bessern würdest / ich mir ein Gewissen machen muß / solche Liebe zu continuiren. Ich verstummte vor Schrecken / daß ich mich schier nit wieder erholen tonte / zuletzt betaute ich ihm frey / daß ich die Erbsen nit auß Andacht / sondern allein ihm zu gefallen in die Schuh gethan / damit er mich mit ihm aufs die Räis genommen hätte. Ach Bmder / ant­ wortet er / ich sihe / daß du weit vom Weg der Seeligkeit bist / wenn gleich die Erbsen nit wären / Gott verleyhe dir Bessemng / denn ohne dieselbe tan unser Freundschafst nicht bestehen. Von dieser Zeit an folgte ich ihm traurig nach / als einer den man zum Galgen führt / mein Gewissen fieng mich an zu drücken / und in dem ich allerley Gedancken machte / (Mieten sich alle meine Bubenstück vor Augen / die ich mein Lebtag je begangen / da beklagte ich erst die verlorne Un­ schuld / die ich auß dem Wald gebracht / und in der Welt so vielfältig ver-j501Mertzt hatte / und was meinen Jammer vermehrte / war dieses / daß Hertzbruder nit vielmehr mit mir redete / und mich nur mit Seufftzen anschaute / welches mir nit anders vor kam / als hätte er meine Verdammnus gewust / und an mir bejammert.

Das II. Capitel. (ÖsDIdjer gestalt langten wir zu Einsidlen an / und kamen eben in die Kirch / als ein Priester einen Besessenen exoroiliret/das war mir nun auch etwas neues und seltzams / derowegen ließ ich Hertzbrudern knyen und beten / so lang er mochte / und gieng hin / diesem Spectacul auß Fürwitz 32

Einsideln E2

378

Deß Abentheurl. SimpliciXsimi

zuzusehen; Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert / da schrye der böse Geist auß dem armen Menschen: Oho / du Kerl / schlägt dich der Hagel auch her? ich hab vermeynt / dich zu meiner Heimkunfft bey dem Olivier in unserer höl­ lischen Wohnung anzutreffen / so sehe ich wol / du last dich hier finden / du ehebrecherischer mörderischer Huren-Jäger / darffst du dir wol einbilden / uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen/ nemmt ihn nur nicht an / er ist ein Gleißner und ärgerer Lügner als ich / er foppt sich nur / und spottet beydes GOtt und der Religion! Der Exorcist besohl dem Geist zu schwei­ gen / weil man ihm als einem Ertz-Lügner ohne das nit glaube; Ja ja / antwortet er / fragt dieses abgesprungenen Mönchs Räisgesellen / der wird euch wol erzehlen können / daß dieser Atheist sich nit gescheuet / die Erbsen zu kochen / auff welchen er hieher zu gehen versprochen. Ich wüste nit / ob ich auff dem Kopfs oder Fuß stunde / da ich dieses alles hörete / und mich jederman ansähe; Aber der Priester straffte den Geist / und [502] machte ihn still schweigen / tonte ihn aber denselben Tag nicht außtreiben. Indessen kam Hertz­ bruder auch herzu / als ich eben vor Angst mehr einem Todten als Lebendigen gleich sahe / und zwischen Hoffnung und Forcht nit wüste / was ich thun solte / dieser tröstete mich so gut als er tonte / versicherte darneben die Umbstehende / und sonderlich die Patres, daß ich mein Tage nie kein Mönch ge­ wesen / aber wol ein Soldat / der vielleicht mehr böses als gutes gethan haben möchte / sagte darneben / der Teuffel wäre ein Lügner / wie er denn auch das von den Erbsen viel ärger gemacht hätte / als es an sich selbst wäre; ich war aber in meinem Gemüt dermassen verwirret / daß mir nicht anders war / als ob ich allbereit die höllische Pein selbst empfände; Also daß die Geistlichen genug an mir zu trösten hatten / sie vermahnten mich zur Beicht und Communion, aber der Geist schrye abermal auß dem Besessenen: Ja ja / er wird fein beichten / er weiß nit einmal was beichten ist / und zwar was wolt ihr mit ihm machen / er ist einer Ketzerischen Art / und uns zuständig / seine Eltern seyn mehr Widertäufferisch als Calvinisch gewesen / rc. Der Exorcist besohl dem Geist abermal still zu schweigen / und sagte zu ihm: So wird dichs ii als fehlt Kustode E2 33

E2 18 machte nur als Kustode E1-4 mactye nur als ihn fehlt E1-2-4 ihn] ich E4 20 einen E4 27 war E2 abermals E2 37 befahl E2

379

Fünfftes Buch.

nur desto mehr verdriessen / wenn dir das arme verlorne Schäflein wieder auß dem Rachen gezogen / und der Herd Christi einverleibt wird; darauff fieng der Geist so grausam an zu brüllen / daß es schröcklich zu hören war. Auß welchem greulichen Gesang ich meinen grösten Trost schöpffte / dann ich gedachte / wenn ich keine Gnad von GOtt mehr erlangen fönte / so würde sich der Teuffel nicht so übel geheben. [503] Wiewol ich mich damals aufs die Beicht nicht gefast gemacht / auch mein lebtag nie in Sinn genommen zu beichten / sondern mich jederzeit auß Scham darvor geförchtet / wie der Teuffel vorm H. Creutz / so empfände ich jedoch in selbigem Augenblick in mir eine solche Reu über meine Sünden / und ein solche Begierde zur Busse und mein Leben zu bessern / daß ich alsobalden einen Beichtvater begehrte / über welcher gehlingen Bekehrung und Besserung sich Hertzbruder höchlich erfreuete / weil er wahrgenommen und wol gewußt / daß ich bißher noch keiner Religion beygethan gewesen / demnach bekante ich mich öffentlich zu der Katholischen Kirchen / gieng zur Beicht / und communicitte nach empfangener Abso­ lution; Worauff mir dann so leicht und wol umbs Hertz wurde / daß ichs nicht außsprechen kan / und was das ver­ wunderlichste war / ist dieses / daß mich der Geist in dem Besessenen fürterhin zu friden liesse / da er mir doch vor der Beicht und Absolution unterschidliche Bubenstück die ich be­ gangen gehabt / so eigentlich vorgeworffen / als wann er aufs sonst nichts / als meine Sünden anzumercken / bestellt gewesen wäre; doch glaubten ihm als einem Lügner die Zuhörer nichts / sonderlich weil mein erbarer Pilgerhabit ein anders vor die Augen (Miete. Wir verbliben vierzehen gantzer Tag an diesem gnaden­ reichen Ort / allwo ich Gott umb meine Bekehrung danckte / und die Wunder so allda geschehen / betrachtete; welches alles mich zu zimlicher Andacht und Gottseeligkeit reitzete / doch währete solches auch so lang als es mochte; dann gleich wie meine Bekehrung ihren Ursprung nicht auß Liebe zu [504] Gott / genommen: sondern auß Angst und Forcht verdampt zu werden; also wurde ich auch nach und nach wider gantz lau und trag / weil ich allgemählich deß Schreckens vergaß / 9 Lebentag E4 38 lau] faul E4

is

Begierd E4

29

stellte E4

34

möchte E4

380

Deß Abentheurl. Simplicillimi

den mir der böse Feind eingejagt hatte; und nach dem wir die Reliquien der Heiligen / die Ornat, und andere sehens würdige Sachen deß Gotteshauses genungsam beschauet / be­ gaben wir uns nach Baden / alldorten vollends außzuwintern. Das III. Capitel.

Ach meiner Ankunfft wurde ich gewahr / daß es sich mit Hertzbrudern mehr gebösert als gebessert hatte / wiewol ihn die Doctores und Apothecker strenger als eine fette Gans gerupfft; über das käme er mir auch gantz kindisch vor / und konte kümmerlich mehr recht gehen / ich ermuntert ihn zwar so gut ich konte / aber es war schlecht bestellt / er selbst merckte an Mnehmung seiner Kräfften wol / daß er nit lang mehr würde dauren können / sein größer Trost war / daß ich bey ihm seyn solte / wenn er die Augen würde zu thun. Hingegen machte ich mich lustig / und suchte meine [520] Freud / wo ich solche zu finden vermeynte / doch solcher gestalt / daß meinem Hertzbruder an seiner Pfleg nichts manglete. Und weil ich mich einen Witwer zu seyn wüste / reihten mich die gute Täg und meine Jugend wiederum zur Bulerey / deren ich dann trefflich nachhienge / weil mir der zu Einsidlen eingenommene Schrecken wieder allerdings ver­ gessen war. Es befand sich im Sauerbrunnen eine schöne Dame / die sich vor eine von Adel außgab / und meines Er­ achtens doch mehr mobilis als nobilis war / derselben Manns­ fallen wartet ich trefflich auff den Dienst / weil sie zimlich glatthärig zu seyn schiene / erhielte auch in kurtzer Zeit nicht allein einen freyen Zutritt / sondern auch alle Vergnügung / 2 Mithin] Mit ihm E4 6 Vergünstigung E2-4 ie Hertzbruder E2-4 gebösert] geärgert E4 n ein E2-4 18 geropfft E4 19 gehen] geben E2-4 ermunter E4 27 mangelte E4

392

Deß Abentheurl. Simpliciüimi

die ich hätte wünschen und begehren mögen / aber ich hatte gleich ein Abscheuen ab ihrer Leichtfertigkeit / trachtet bei» halben / wie ich ihrer wieder mit Manier laß werden fönte / dann wie mich dünckte / so gieng sie mehr darauff umb / meinen ©edel zu scheren / als mich zur Ehe zu bekommen / zu dem übertrieb sie mich mit liebreitzenden feurigen Blicken und andem Bezeugungen ihrer brennenden Affection, wo ich gieng und stunde / daß ich mich beydes vor mich und sie schämen muste. Neben dem befand sich auch ein vornehmer reicher Schweitzer im Bad / dem wurde nicht nur sein Geld / sondern auch seines Weibs Geschmuck / der in Gold / Silber / Perlen und Edel­ gesteinen bestünde / entfremdet; Weil dann nun solche Sachen eben so ungeme verloren werden / als schwer sie zu erobern seyn / derhalben suchte bemeldter Schweitzer allerhand Rath und Mittel / dadurch er selbige wieder zur Hand bringen möchte / Massen er den berühmten Teuffelsbanner [521] auß der Geißhaut kommen liesse / der durch seinen Spiritum familiärem den Dieb dergestalt tribulirte / daß er das ge» stolene Gut wieder in eigener Person an seine Gehörde liefern muste / deßwegen der Hexenmeister dann 10. Reichsthaler zur Verehrung bekam. Diesen Schwartzkünstler hätte ich gern gesehen / und mit ihm conferirt / es mochte aber / wie ich darvor hielte / ohne Schmälerung meines Ansehens (dann ich dünckte mich damals keine Sau seyn) nit geschehen / derhalben stellte ich meinen Knecht an / mit ihm denselben Abend zu sauffen / weil ich vernommen / daß er ein Außbund eines Weinbeissers seyn solle / umb zu sehen / ob ich vielleicht hierdurch mit ihm in Kundschafft kommen möchte / dann es wurden mir so viel seltzame Sachen von ihm erzehlt / die ich nit glauben tonte / ich hätte sie dann selbst von ihm vemommen; ich verkleidete mich wie ein Landfahrer / der Salben feil hat / setzte mich zu ihm an Tisch / und wolle vemehmen j ob er errathen / oder ihm der Teuffel eingeben wurde / wer ich wäre? aber ich tonte nit das geringste an ihm spüren / dann er soff immer hin / und hielte mich vor einen / wie meine Kleider anzeigten / also daß er mir auch etliche Gläser zubrachte / und doch meinen Knecht 2 ob E4 4 braust E4 12 Geschmack E4 den fehlt E1-2-4 3i nicht E2-4

is Spiritum familiärem

FünffteS Buch.

393

höher als mich refpectirte / demselben erzehlte er vertraulich / wann der jenige so den Schweitzer bestolen / nur das geringste darvon in ein fliessend Wasser geworffen / und also dem leydigen Teuffel auch Pariern geben hätte / so wäre unmüglich gewesen / weder den Dieb zu nennen / noch das verlorne wieder zur Hand zu bringen. Diese närrische Possen hörte ich an / und verwundert mich / daß der heimtückische und tausendlistige [522] Feind den armen Menschen durch so geringe Sachen in seine Klauen bringt. Ich konte leicht ermessen / daß dieses Stücklein ein Theil deß Pacts sey / den er mit dem Teufsel getroffen / und konte wol gedencken / daß solche Kunst den Dieb nichts helffen würde / wenn ein anderer Teuffelsbanner geholt würde / den Diebstal zu offenbaren / in dessen Pact diese Clauful nicht stünde; besohl demnach meinem Knecht / (welcher ärger fielen konte als ein Böhm) daß er ihn gar voll sauffen / und ihm hernach seine zehen Reichsthaler fielen / alsobalden aber ein paar Batzen darvon in die Rench werffen solte. Diß thät mein Kerl gar fleissig; Als nun der Teuffelsbanner am Morgen frühe sein Geld mangelte / begab er sich gegen der Wüsten Rench in einen Busch / ohne Zweiffel seinen Spiritum familiärem deßwegen zu besprechen / er wurde aber so übel abgefertigt / daß er mit einem blauen und zerkratzten Angesicht wieder zurück kam; Weßwegen mich dann der arme alte Schelm dergestalt daurte / daß ich ihm sein Geld wieder geben / und darbey sagen liesse / weil er nunmehr sehe / was vor ein bezüglicher böser Gast der Teuffel sehe / fönte er hinfort dessen Dienst und Gesellschafft wol auffkünden / und sich wieder zu GOtt bekehren. Aber solche Vermahnung bekam mir wie dem Hund das Gras / dann ich hatte von dieser Zeit an weder Glück noch Stern mehr / Massen mir gleich hernach meine schöne Pferd durch Zauberey hinfielen? und zwar was hätte davor seyn sollen? ich lebte gottlos wie ein Epicurer / und besohl das meinige niemal in Gottes Schutz / warumb hätte sich dann dieser Zauberer nicht wiedemm an mir sollen rächen können?

4 Patrem E4

21 einem E4

33 darvor E2-4

35 Iäuberer E4

394 [523]

Deß Abentheurl. Simplicillimi

Das VII. Capitel.

Sauerbrunnen schlug mir je länger je besser zu / weil sich nit allein die Bad-Gäste gleichsam täglich mehrten / sondern weil der Ort selbst und die Manier zu leben / mich anmuthig seyn dünckte: Ich machte mit den Lustigsten Kund­ schafft / die hin kamen / und fienge an courtoife Reden und Complimenten zu lernen / deren ich mein Tag sonst niemal viel geachtet hatte. Ich wurde vor einen vom Adel gehalten / weil mich meine Leut Herr Hauptmann nenneten / sintemal dergleichen Stellen kein Soldat von Fortun so leichtlich in einem solchen Alter erlangt / darinnen ich mich damals befand; Dannenhero machten die reichen Stutzer mit mir / und hin­ gegen ich hinwiederumb mit ihnen nicht allein Kund- sondern auch gar Brüderschaft / und war alle Kurtzweil / Spielen / Fressen und ©aussen meine allergröste Arbeit und Sorg / welches aber manche schöne Ducat hinweg nam / ohne daß ichs sonderlich wahr genommen und geachtet hätte / dann mein Seckel von dem Olivierischen Erbgut war noch trefflich schwer. Unterdessen wurde es mit Hertzbrudern je länger je ärger / also daß er endlich die Schuld der Natur bezahlen muste / nachdem ihn die Medici und Aertzt verlassen / als sie sich zuvor genugsam an ihm begraset hatten; Er bestetigte nachmalen sein Testament und letzten Willen / und machte mich zum Erben über das jenige / so er von seines Vattern seel. Ver­ lassenschafft zu empfahen / hingegen ließ ich ihn gantz herrlich begraben / und seine Diener mit [524] Trauer-Kleidern und einem Stück Geld ihres Wegs lausten. Sein Abschied thät mir schmertzlich wehe / vornemlich weil ihm vergeben worden / und ob ichs zwar nit endern tonte / so enderts doch mich / dann ich flöhe alle Gesellschafften / und suchte nur die Einsamkeit / meinen betrübten Gedancken Audienz zu geben / zu dem Ende verbarg ich mich etwan irgends in einen Busch / und betrachtete nit allein was ich vor einen Freund verloren / sondern auch daß ich mein Lebtag seines gleichen nit mehr bekommen würde; Mithin machte ich auch von Anstellung meines künfftigen Lebens allerhand Anschläg / und beschloß doch nichts gewisses; bald wolt ich wieder s Lustigen E4

ii erlanget E4

22 begraset E2-4

395

Fünfftes Buch.

in Krieg / und unversehens gedacht ich / es hättens die geringste Baurn in selbiger Gegend besser / als ein Obrister / dann in dasselbe Gebürg kamen keine Parteyen / so tonte ich mir auch nit einbilden / was eine Armee darin zu schaffen haben mäste / dieselbe Lands-Art zu rühmen / Massen noch alle Baurn-Höf gleich als zu Friedenszeiten in trefflichem Bau / und alle Stall voll Viehe waren / unangesehen auff dem ebenen Land in den Dörffern weder Hund noch Katz anzutreffen. Als ich mich nun mit Anhörung deß lieblichsten Vogel­ gesangs ergetzte / und mir einbildete / daß die Nachtigal durch ihre Lieblichkeit andere Vögel banne still zu schweigen / und ihnen zuzuhören / entweder auß Scham / oder ihr etwas von solchem anmuthigen Klang abzustehlen; da näherte sich jenseit dem Wasser eine Schönheit an das Gestad / die mich mehr bewegte / (weil sie nur den Habit einer Baurn-Dirne antrug) als eine stattliche Damoifelle sonst nit [525] hätte thun mögen / diese hub einen Korb vom Kopff / darin sie einen Ballen frische Butter trug / solchen im Sauerbrunnen zu verkauffen / denselben erfrischte sie im Wasser / damit er wegen der grossen Hitz nicht schmeltzen solte / unterdessen setzte sie sich nider ins Gras / warff ihren Schleyer und Baurn-Hut von sich / und wischte den Schweiß vom Angesicht / also daß ich sie genug betrachten / und meine vorwitzige Augen an ihr weyden tonte / da dünckte mich / ich hätte die Tag meines Lebens kein schöner Mensch gesehen / die Proportion deß Leibs schiene vollkommen und ohne Tadel / Arm und Hände Schneeweiß / das Angesicht frisch und lieblich / die schwache Augen aber voller Feur und Liebreitzender Blick; Als sie nun ihre Butter wieder einpackte / schrye ich hinüber: Ach Jungfer / ihr habt zwar mit euren schönen Händen eure Butter im Wasser abgekühlt / hingegen aber mein Hertz durch eure klare Augen ins Feur gesetzt! So bald sie mich sahe und hörte / liess sie darvon / als ob man sie gejagt hätte / ohne daß sie mir ein Wörtlein geantwort hätte / mich mit all den jenigen Thorheiten beladen hinderlassend / damit die verliebte Phan­ tasten gepeinigt zu werden pflegen. Aber meine Begierden j von dieser Sonne mehr beschienen zu werden / liessen mich nit in meiner Einsamkeit / die ich 5 Bauren-Höf E4 13 nährte E4 scheine E4 86 gepeiniget E4

is in E2-4

24 fönte E4

26

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Deß Mbentheml. Simplicissimi

mir außerwehlt / sondem machten / daß ich das Gesang der Nachtigallen nit höher achtete / als ein Geheul der Wölfs; derhalben trollte ich auch dem Saurbrunnen zu / und schickte meinen Jungen voran / die Butter-Verkäusferin anzupacken / und mit ihr zu marcken / biß ich hernach käme; dieser that das (einige / und ich nach meiner Ankunfft auch [526] das meinige; aber ich fände ein steinern Hertz / und eine solche Kaltsinnigkeit / dergleichen ich hinder einem Baum-Mägdlein nimmermehr zu finden getraut hätte / welches mich aber viel verliebter machte / ohnangesehen ich / als einer der mehr in solchen Schulen gewesen / mir die Rechnung leicht machen können / daß sie sich nit so leicht bethören lassen würde. Damals hätte ich entweder einen strengen Feind / oder einen guten Freund haben sollen; einen Feind / damit ich meine Gedancken gegen demselbigen hätte richten / und der närrischen Lieb vergessen müssen / oder einen Freund / der mir ein anders gerathen / und mich von meiner Thorheit / die ich vornam / hätte abmahnen mögen: Aber Ach leyder / ich hatte nichts als mein Geld das mich verblendete / meine blinde Begierden die mich verführten / weil ich ihnen den Zaum schiessen liesse / und meine grobe Unbesonnenheit / die mich verderbte / und in alles Unglück stürtzte / ich Narr hätte ja auß unfern Kleidungen / als auß einem bösen Omen judiciren sollen / daß mir ihre Lieb nit wol außschlagen würde / dann weil mir Hertzbruder / diesem Mägdlein aber ihre Eltem gestorben / und wir dahero alle beyde in Trauer-Kleidem auffzogen / als wir einander das erste mal sahen / was hätte unsere Bulschafft vor eine Frölichkeit bedeuten sollen? Mt einem Wort / ich war mit dem Narmsail rechtschaffen ver­ strickt / und derhalben gantz blind und ohne Verstand / wie das Kind Cupido selbsten / und weil ich meine viehische Be­ gierden nicht anders zu sättigen getraute / entschloß ich / sie zu heuraten; Was / gedacht ich / du bist deines Herkommens doch nur ein Baurn-Sohn / und wirst dein Tag kein Schloß be-[527]sitzen / diese Revier ist ein edel Land / das sich gleich­ wol diß grausame Kriegs-wesen hindurch gegen anbetn Orten zu rechnen / im Wolstand und Flor befunden; über das hast du noch Geld genug / auch den besten Baurn-Hof in dieser 28

unser E4 37 in E4

Fünsftes Buch.

397

Gegend zu bezahlen / du wilst diß ehrliche Baurn-Gretlein heuraten / und dir einen geruhigen Herrn-Handel mitten unter den Bauren schaffen / wo woltestu dir eine lustigere Wohnung außsehen können als bey dem Sauerbrunnen / da du wegen der zu- und abräisenden Bad-Gäst gleichsam alle 6. Wochen ein neue Welt sehen / und dir dabey einbilden sanft / wie sich der Erdkräis von einem Saeculo zum andern verändert. Solche und dergleichen mehr tausendfältige Gedancken machte ich / biß ich endlich meine Geliebte zur Ehe begehrte / und (wiewol nicht ohne Mühe) das Jawort erhielte. Das VIII. Capitel.

liesse trefflich zur Hochzeit zurüsten / denn der Himmel ^ hieng mir voller Geigen; das Bauren-Gut / darauff meine Braut geboren worden / löste ich nit allein gantz an mich / sondern fieng noch darzu einen schönen neuen Bau an / gleich als ob ich daselbst mehr Hof- als Haußhalten hätte wollen / und ehe ich die Hochzeit vollzogen / hatte ich bereits über dreissig Stück Vieh da stehen / weil man so viel das Jahr hindurch aufs demselben Gut erhalten fönte; in Summa / ich bestellte alles aufs das beste / auch so gar mit köstlichem Haußrath / wie es mir nur meine Thorheit eingab. Aber die Pfeiff fiel mir bald in Dreck / dann da ich nunmehr vermeynte mit gutem Wind in England zu schiffen / kam ich wider alle Zuversicht in Holland / [528] und damals / aber viel zu spat / wurde ich erst gewahr / was Ursach mich meine Braut so ohngerne nemmen wollen / das mich aber am aller­ meisten schmirtzte / war / daß ich mein spöttlich Anligen keinem Menschen klagen dorffte. Ich tonte zwar wol erkennen / daß ich nach dem Maaß der Billichkeit Schulden bezahlen muste / aber solche Erkantnus machte mich darumb nichts desto gedultiger / viel weniger frömmer / sondern weil ich mich so betrogen befände / gedachte ich meine Betrügerin wieder zu betrügen / Massen ich anfienge grasen zu gehen / wo ich zu­ kommen konte / über das stack ich mehr bey guter Gesellschafft im Saurbrunnen / als zu Hauß; In Summa / ich liesse meine Haußhaltung allerdings ein gut Jahr haben / anhexn theils eeineE4 18 StuckL" E4 sportlich E2

Viehes

26tmgemeE4

27 schmertzte

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Deß Abentheurl. SimpliciTfimi

war meine Frau eben so liederlich / sie hatte einen Ochsen / den ich ins Hauß schlagen lassen / in etlidje Körb eingesaltzen; und als sie mir aufs ein Zeit eine Span-Sau zurichten sötte / unterstunde sie solches wie einen Vogel zu ropffen / wie sie mir dann auch Krebs aufs dem Rost / und Forellen an einem Spieß braten wollen; Bey diesen paar Exempeln kan man ohnschwer abnehmen / wie ich im übrigen mit ihr bin ver­ sorgt gewesen / nicht weniger tranck sie auch das liebe Weingen gern / und theilet andern guten Leuten auch mit / das mir dann mein künfftig Verderben prognofticitte. Einsmals spazierte ich mit etlichen Stutzern das Thal hinunder / eine Gesellschafft im andern Bad zu besuchen / da begegnet uns ein alter Baur / mit einer Geiß am Strick / die er verkauffen wolle / und weil mich dünckte / ich hätte dieselbe Person mehr gesehen / fragte ich ihn / wo er mit dieser Geiß her käme? Er [529] aber zöge sein Hütlein ab / und sagte: Gnädiger Hearr / eich darffs auch Werlich neit sahn; ich sagte / du wirst sie ja nicht gestolen haben? Nein / antwort der Baur / sondem ich bring sie auß dem Stüttgen unden im Thal / welches ich eben gegen dem Herrn nicht nennen darff / dieweil wir vor einer Geiß reden: Solches bewegte meine Gesellschafft zum lachen / und weil ich mich im An­ gesicht entfärbte / gedachten sie / ich hätte ein Verdruß / oder schämte mich / weil mir der Baur so artlich eingeschenckt; Aber ich hatte andere Gedancken / dann an der grossen Wartzen / die der Baur gleichsam wie das Einhorn mitten miss der Stirn stehen hatte / wurde ich eigentlich versichert / daß es mein Ältern auß dem Spessert war / wolte derhalben zuvor einen Wahrsager agirett / ehe ich mich ihm offenbaren / und mit einem so stattlichen Sohn / als damals meine Kleider außwiesen / erfreuen wolle / sagte derhalben zu ihm: Mein lieber alter Vatter / seht ihr nicht im Spessert zu Hauß? Ja Hearr / antwort der Baur; da sagte ich / Haben euch nicht vor un­ gefähr 18. Jahren die Reuter euer Hauß und Hof geplündert und verbrennt? Ja / Gott erbarms / antwortet der Baur / es ist aber noch nicht so lang; Ich fragte weiter / habt ihr nicht damals zwey Kinder / nemlich eine erwachsene Tochter / und einen jungen Knaben gehabt / der euch der Schaf gehütet? 2i vor] von E2-4

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Fünfstes Buch.

Herr / antwortet mein Knan / die Tochter war mein Kind / aber der Bub nicht / ich hab ihn aber an Kindes statt auffziehen wollen; Hierauß verstünde ich wol / daß ich dieses groben Knollfincken Sohn nicht sey / welches mich eins theils erfreute / hingegen aber auch betrübte / weil mir zugefallen / ich müste sonsten ein [530] Banckert oder Findling seyn; fragte derowegen meinen Knan / wo er dann denselben Buben auffgetrieben? oder was er vor Ursach gehabt / denselben an Kinds statt zu erziehen? Ach / sagte er / es ist mir seltzam mit ihm gangen / der Krieg hat mir ihn geben / und der Krieg hat mir ihn wieder genommen. Weil ich dann besorgte / es dörffte wol ein facit herauß kommen / das mir wegen meiner Geburt nachtheilig seyn möchte / verwendet ich meinen Diseurs wieder auff die Geiß / und fragte / ob er sie der Wirthin in die Küche verkaufst hätte? das mich befremde / weil die Saurbrunnen-Gäst kein alt Geissenfleisch zu gemessen pflegten; Ach nein Herr / antwort der Baur / die Wirthin hat selber Geissen genug / und gibt auch nichts vor ein Ding / ich bring sie der Gräfin die im Sauerbmnnen badet / und ihr der Doctor Hans in allen Gassen etliche Kräuter geordnet / so die Geiß essen muß / und was sie dann vor Milch darvon gibt / die nimmt der Doctor, und macht der Gräfin noch so ein Ertzney drüber / so muß sie die Milch trincken / und wieder gesund darvon werden / man saht / es mangel der Gräfin am Gehenck / und wenn ihr die Geiß hilfst / so vermag sie mehr als der Doctor und seine Abdecker miteinanger. Unter währender solcher Relation besann ich / auff was Weis ich mehr mit dem Baurn reden möchte / hotte ihm derhalben einen Thaler mehr umb die Geiß / als der Doctor oder die Gräfin darum geben wolten; solches gieng er gleich ein (dann ein geringer ©etoinperfuadirt die Leut bald anders) doch mit dem Beding / er sötte der Gräfin zuvor anzeigen / daß ich ihm ein Thaler mehr darauff gebotten / wolte sie dann so viel drumb geben als ich / [531] so solte Sie den Vorkauff haben / wo nicht / so wolte er mir die Geiß zukommen lassen / und wie der Handel stünde / auff den Abend anzeigen. Also gieng mein Knan seines Wegs / und ich mit meiner Gesellschafft den unserigen auch / doch tonte und mochte ich 6 sonst E4 22 Artzney E4 24 davon E4 saht] sagt E4 miteinanger] Apothecker miteinander E4

20

Abdecker

400

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35

Deß Abentheurl. Simpliciffimi

nit länger bey der Compagni bleiben / sondem drehte mich ab / und gierig hin / wo ich meinen Knan wieder fand / der hatte seine Geiß noch / weil ihm andere nicht so viel als ich drumb geben wollen / welches mich an so reichen Leuten wunderte / und doch nit kärger machte; Ich führte ihn miss meinen neu-erkaufften Hof / bezahlte ihm seine Geiß / und nachdem ich ihme einen halben Rausch angehenckt / fragte ich ihn / woher ihm der jenige Knab zugestanden wäre / von dem wir heut geredet? Ach Herr / sagte er / der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschehrt / und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen; Ich sagte / das muß wol ein lustige Histori seyn / mit Bitt / weil wir doch sonst nichts zu reden hätten / er wolle mirs doch vor die lange Weil erzehlen: Darauff fieng er an / und sagte / als der Mansfelder bey Höchst die Schlacht verlor / zerstreute sich sein flüchtig Volck weit und breit herum / weil sie nit alle wüsten / wohin sie sich retiriteit sotten / viel kamen in Spessert / weil sie die Büsch suchten / sich zu verbergen / aber in dem sie dem Todt aufs der Ebne entgiengen / fanden sie ihn bey uns in den Bergen / und weil beyde kriegende Theil vor billich achteten / einander aufs unserm Gmnd und Boden zu berauben und nider zu machen / griffen wir ihnen auch aufs die Hauben / damals gieng selten ein Bauer in den Büschen ohne Feurrohr / weil wir zu Hauß bey unsern Hauen [532] und Pflügen nit bleiben fönten; In demselben Tumult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald ein schöne junge Edelfrau / sampt einem stattlichen Pferd / als ich zuvor nit weit darvon etliche Büchsenschuß gehört hatte / ich sahe sie anfänglich vor einen Kerl an / weil sie so männlich daher ritte / aber in dem ich sie beydes Händ und Augen gegen dem Himmel auffheben sahe / und miss Welsch mit einer erbärmlichen Stimm zu Gott ruffen hörte / ließ ich mein Rohr / damit ich Feur aufs sie geben wolle / finden / und zog den Hanen wieder zurück / weil mich ihr Geschrey und Geberden versicherten / daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre; mithin näherten wir uns einander / und da sie mich sahe / sagte sie: Ach! wann ihr ein ehrlicher Christen-Mensch seht / so bitte ich euch umb GOttes und seiner Barmhertzig25

nit] nicht E2-4

37 sagt E2*4

Fünfftes Buch.

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feit / ja umb deß Jüngsten Gerichts willen / vor welchem wir alle umb unser Thun und Lassen Rechenschafft geben müssen / ihr wollet mich zu ehrlichen Sßeibem führen / die mich durch Göttliche Hülfs von meiner Leibes-Bürde ent­ ledigen helfsen! Diese Wort / die mich so grosser Ding er­ innerten / sampt der Holdseeligen Außsprach / und zwar be­ trübten doch überauß schönen und anmuthigen Gestalt der Frauen / zwangen mich zu solcher Erbärmde / daß ich ihr Pferd beym Ziegel nam / und sie durch Hecken und Stauden / an den allerdicksten Ort deß Gesträuchs führte / da ich selbst mein Weib / Kind / Gesind und Viehe hin geflehnt hatte / daselbst genaß sie ehender als in einer halben Stund / deß jenigen jungen Knaben / von dem wir heut miteinander ge­ redet haben. [533] Hiemit beschloß mein Kn an feine Erzehlung / weil er eins tranck / dann ich sprach ihm gar gütlich zu / da er aber das Glaß außgelehret hatte / fragte ich / und wie ists damach weiter mit der Frauen gangen? Er antwortet / als sie der­ gestalt Kindbetterin worden / bat sie mich zu Gevattem / und daß ich das Kind ehistes zum Tauff fürdem wolle / sagte mir auch ihres Manns und ihren Nahmen / damit sie möchten in das Tauffbuch geschriben werden / und in dem that sie ihr Felleysen miss / darinnen sie wol köstliche Sachen hatte / und schenckte mir / meinem Weib und Kind / der Magd und sonst noch einer Frauen so viel / daß wir wol mit ihr zu friden seyn können / aber in dem sie so damit umbgieng / und uns von ihrem Mann erzehlte / starb sie uns unter den Händen / als sie uns ihr Kind zuvor wol befohlen hatte: weil es dann nun so gar ein grosser Sennen im Land war / daß niemand bey Hauß bleiben tonte / vermachten wir kaum ein Pfarrherrn / der bey der Begräbnuß wäre / und das Kind tauffte / da aber endlich beydes geschehen / wurde mir von unserm Schultzen und Pfarrherm befohlen / ich solle das Kind auffziehen biß es groß würd / und vor meine Mühe und Kosten der Frauen gantze Verlassenschaft behalten / ausgenommen etliche Pater Nolter, Edelgestein und so Geschmeiß / welches ich vor das Kind auffbehalten solle; Also emehrte mein Frau das Kind mit Gaiß-Milch / und wir behielten den Buben gar 3 muffen Ei s 37 meine E4

4

Leibü-Bürde E34

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

gern und dachten / wir wollen ihm / wann er groß würde / unser Mädgen zur Frauen geben / aber nach der Nördling. Schlacht habe ich beydes das 2JZägb=[534]tein und den Buben verlohren / sampt allem dem was wir vermochten. Ihr habt mir / sagte ich zu meinem Knan / ein artliche Geschicht erzehlt / und doch das best vergessen / dann ihr habt nicht gesagt weder wie die Frau / noch ihr Mann oder das Kind geheissen: Herr / antwortet er / ich hab nicht gemeint / daß ihrs auch gern hettet wissen mögen; die Edelfrau hiesse Sulanna Ramfi, ihr Mann Capitäin Stemfelß von Fuchs­ heim / und weil ich Melchior hiesse / so liesse ich den Buben bey der Tausfe auch Melchior Stemfelß von Fuchsheim nennen / und ins Tauffbuch schreiben. Hierauß vernam ich umbständlich / daß ich meines Einsidlers und deß Gubernators Ramfay Schwester leiblicher Sohn gewesen / aber ach leider viel zu spat / dann meine Eltem waren beyde todt / und von meinem Vetter Ramfay kondte ich anders nichts erfahren / als daß die Hanauer ihn mit sampt der Schwedischen Guamifon außgeschafft hetten / weßwegen er dann vor Zom und Ungedult gantz unsinnig worden wäre. Ich deckte meinen Pettern vollends mit Wein zu./ und liesse den andem Tag sein Weib auch holen / da ich mich ihnen nun offenbahrte / wollen sie es nicht ehe glauben / biß ich ihnen zuvor einen schwartzen haarigen Flecken auffgewisen / den ich somen aufs der Brust hatte.

Das IX. Capitel. i^Hnlängst hernach nähme ich meinen Pettem zu mir / und that mit ihm einen Ritt hinunder in Spessert / glaub­ würdigen Schein und Urkund mei«[535]ne§ Herkommens und ehelicher Geburt halber zu wegen zu bringen / welches ich ohnschwer auß dem Taufs-Buch und meines Pettem Zeugnus erhielte. Ich kehrte auch gleich bey dem Pfarrer ein / der sich zu Hanau auffgehalten / und meiner angenommen / derselbe gab mir einen schriftlichen Beweiß mit / wo mein Vatter seel. gestorben / und daß ich bey demselben biß in seinen Todt / 2 jut] zu E1 ] zu einer E4 7 ober] noch E2-4* u umbständlich E2 17 Datier E2-4 19 Quomtfon E4 28 Pfettern E4 3i etli­ cher E2-4 32 und] UM E4 Pfettem E4 35 gäbe E2 4

Fünfftes Buch.

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und endlich unter dem Nahmen Simplici eine Zeitlang bey Herrn Ramsay dem Gubernator in Hanau gewesen wäre / ja ich liesse über meine gantze Histori auß der Zeugen Mund durch einen Notarium ein Instrument aufsuchten / dann ich gedachte / wer weiß / wo du es noch einmal brauchest / solche Räis kostet mich über 400. Thaler / dann aufs dem ZurückWeg wurde ich von einer Partey erhascht / abgesetzt und ge­ plündert / also daß ich und mein Knan oder Petter allerdings nackend 1 und kaum mit dem Leben darvon kamen. Indessen giengs daheim auch schlim zu / dann nachdem mein Weib vernommen / daß ihr Mann ein Juncker sey / spielte sie nit allein der grossen Frauen / sondem verliederlicht auch alles in der Haußhaltung / welches ich / weil sie grosses Leibs war / stillschweigend übertmg / über das war mir ein Unglück in den Stall kommen / so mir das meiste und beste Biehe hingerafft. Dieses alles wäre noch zu verschmutzen gewesen / aber 6 mirum! kein Unglück allein / in der Stund / darinn mein Weib genäse / wurde die Magd auch Kindbetterin / das Kind zwar so sie brachte / sahe mir allerdings ähnlich / das aber so mein Weib gebar / sahe dem Knecht so gleich / als wenns ihm auß dem [536] Gesicht geschnitten worden wäre; zu dem hatte die jenige Dame / deren oben gedacht / in eben derselben Nacht auch eins vor meine Thür legen lassen / mit schufst Bericht / daß ich der Natter wäre / also daß ich aufs einmal drey Kinder zusammen brachte / und war mir nit anders zu Sinn / als es würde auß jedem Winckel noch eins Herfür kriechen / welches mir nit wenig graue Haar machte! Aber es gehet nit anders her / wann man in einem so gottlosen und verruchten Leben / wie ich eins geführt / seinen viehischen Begierden folget. Nun was halffs? ich muste tauffen / und mich noch darzu von der Obrigkeit rechtschaffen straffen lassen / und weil die Herrschafft damals eben Schwedisch war / ich aber hiebevor dem Käiser gedient / wurde mir die Zech desto höher gemacht / welches lauter Praeludia waren meines abermaligen gäntzlichen Verderbens. Gleich wie mich nun so vielerley unglück­ liche Zufäll höchlich betrübten / also nam es andern theils mein Weibgen nur auff die leichte Achsel / ja sie trillete mich noch 6 Zurick-Weg E2 8 Pfetter E4 io dann fehlt E2 4 i? verschmertzen E4 19 genäse E4 24 schriftlicher E4 27 hervor E4 37 betrüben E2 4 nam] man E2 4

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Deß Abentheurl. Simpliciüimi

darzu Tag und Nacht / wegen deß schönen Funds / der mir vor die Thür geleget / und daß ich umb so viel Gelds gestrafft worden wär; hätte sie aber gewust / wie es mit mir und der Magd beschaffen gewesen / so würde sie mich noch wol ärger gequält haben / aber das gute Mensch war so auffrichtig / daß sie sich durch so viel Geld / als ich sonst ihrentwegen hätte Straff geben müssen / bereden liesse / ihr Kind einem Stutzer zuzuschreiben / der mich das Jahr zuvor unterweilen besucht / und bey meiner Hochzeit gewesen / den sie aber sonst weiters nicht gekant / doch muste sie auß dem Hauß / dann mein Weib [537] argwohnet / was ich ihrentwegen vom Knecht gedachte / und darfst doch nichts anden / dann ich hätte ihr sonst vor­ gehalten / daß ich in einer Stund nicht zugleich bey ihr und der Magd seyn können. Indessen wurde ich mit dieser An­ fechtung hesftig gepeiniget / daß ich meinem Knecht ein Kind auffziehen / und die Meinige nicht meine Erben seyn solten/ und daß ich noch darzu still schweigen / und froh seyn müste / daß gleichwol sonst niemand nichts darvon wüste. Mit solchen Gedancken martert ich mich täglich / aber mein Weib delectirte sich stündlich mit Wein / denn sie hatte ihr das Känngen sint unserer Hochzeit dergestalt angewehnt / daß es ihr selten vom Maul / und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne ein zimlichen Rausch schlaffen gieng / darvon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab / und entzündet ihr selbsten das Gehenck dergestalt / daß es ihr auch bald hernach entfiele / und mich wiederum zu einem Witwer machte / welches mir so zu Hertzen gienge / daß ich mich fast stand hierüber gelacht hätte.

Das X. Capitel. ich mich nun wieder solcher gestalt in meine erste Freyheit gesetzt befände / mein Beutel aber von Geld zimlich geläeret / hingegen meine grosse Haußhaltung mit vielem Liehe und Gesind beladen / nam ich meinen Petter Melchior vor einen Vatter / meine Göth / seine Frau / vor meine Mutter / und den Banckert Simplicium, der mir vor die Thür geleget worden / vor meinen Erben an / und übergab 4 wol fehlt E4 6 sich fehlt E4 >r dorffte E2-4 anden] geben E2'4 2i unser E4 23 ohn E4 ri befand E4 sr Pfetter E4

FünffteS Buch.

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diesen beyden Alten Hauß und Hof / sampt meinem gantzen Vermögen / biß auff gar wenig gelbe Batzen und [538] Cleinodien / die ich noch auff die äusserste Noth gespart und hinderhalten hatte / dann ich hatte einen Eckel ab aller Weiber Beywohnung und Gemeinschafft gefast / daß ich mir vornam / weil mirs so übel mit ihnen gangen / mich nicht mehr zu verheuraten / diese beyde alte Eheleut / welche in re msticorum nit wol ihres gleichen mehr hatten / gossen meine Haußhaltung gleich in einen andern Model / sie schafften von Gesind und Biehe ab was nichts nutzte / und bekamen hingegen auff den Hof / was etwas eintrug; Mein alter Knan sampt meiner alten Meuder vertrösteten mich alles Guten / und versprachen / wenn ich sie nur hausen liesse / so wollen sie mir allweg ein gut Pferd auff der Streu halten / und so viel verschaffen / daß ich je zu Zeiten mit einem ehrlichen Bidermann ein Maaß Wein binden tönte: Ich spürete auch gleich / was vor Leut meinem Hof vorstunden / mein Petter bestellte mit dem Gesind den Feld-bau / schacherte mit Viehe und mit dem Hostz- und Hartz-Handel ärger als ein Jud / und meine Göth legte sich auff die Viehzucht / und wüste die Milchpfenning besser zu gewinnen und zusamm zu halten / als zehen solcher Weiber / wie ich eins gehabt hatte. Auff solche Weis wurde mein Bauren-Hof in kurtzer Zeit mit allerhand nothwendigem Borrath / auch groß und kleinem Vieh genugsam versehen / also daß er in Bälde vor den besten in der gantzen Gegend geschätzt wurde / ich aber gieng darbey spazieren / und wartet allerhand Contemplationcn ab / dann weil ich sahe / daß meine Göth mehr auß den Immen an Wachs und Honig vor­ schlug / als mein Weib hiebevor auß Rindvieh / Schweinen und anderm eroberte / tonte [539] ich mir leicht einbilden / daß sie im übrigen nichts verschlossen würde. Einsmals spazierte ich in Sauerbrunnen / mehr einen Trunck frisch Wasser zu thun / als mich meiner vorigen Gewonheit nach / mit den Stutzern betont zu machen / dann ich fieng an meiner Alten Kargheit nachzuöhmen / welche mir nicht riethen / daß ich mit den Leuten viel umbgehen solte / die ihre und ihrer Eltem Haab so unnützlich verschwendeten: Gleichwol aber geriethe ich zu einer Gesellschafft mittet» 4 Hinterhalten E4 « mich] und E2-4 ? Ehleut E4 » gösse E2-4 io Vieh E4 17 Pfetter E4 bestellte mich E4 19 Götel E4 21 zu­ sammen E4 23 Baurn-Hof E4 nothwendigen E4 28 Götel E4 3o mir] mich E2-4 31 sie fehlt E2-4 36 alten E4 3« umbgeben E2 38 einer] jener E2-4

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massigen Stands / weil sie von einer seltenen Sach / nemlich von dem Mummel-See discurirten / welcher unergründlich / und in der Nachbarschafft aufs einem von den höchsten Bergen gelegen sey; sie hatten auch unterschiedliche alte Bauersleut beschickt / die erzehlen misten / was einer oder der ander von diesem wunderbarlichen See gehöret hätte / deren Relation ich dann mit grossem Lust zuhörte / wiewol ichs vor eitel Fabuln hielte / denn es lautete so lügenhafftig / als etliche Schwenck deß Plinii. Einer sagte / wenn man ungerad / es seyen gleich Erbsen / Steinlein oder etwas anders / in ein Nastüchlein binde / und hinein hencke / so verändere es sich in gerad; also auch / wenn man gerad hinein hencke / so finde man ungerad. Ein anderer / und zwar die meiste gaben vor / und bestetigten es auch mit Exempeln / wenn man einen oder mehr Stein hinein würffe / so erhebe sich gleich / GOtt geb wie schön auch der Himmel zuvor gewesen / ein grausam Ungewitter / mit schröcklichem Regen / Schlossen und Sturmwinden. Von diesem kamen sie auch aufs allerhand seltzame Historien / so sich darbey zuge­ tragen / und [540] was sich vor wunderbarliche Spectra von Erd- und Wassermännlein darbey hätten sehen lassen / und was sie mit den Leuten geredet. Einer erzehlte / daß miss ein Zeit / da etliche Hirten ihr Vieh bey dem See gehütet / ein brauner Stier herauß gestiegen / welcher sich zu dem andern Rindvieh gesellet / dem aber gleich ein kleines Männlein nachgefolget / ihn wieder zurück in See zu treiben / er hätte aber nicht pariren wollen / biß ihm das Männlein gewünscht hätte / es sötte ihn aller Menschen Leiden ankommen / wenn er nicht wieder zurück kehre! Aufs welche Wort er und das Männlein sich wieder in den See begeben hätten. Ein anderer sagte / es sey aufs ein Zeit / als der See überfroren gewesen / ein Baursmann mit seinen Ochsen und etlichen Plöchern / darauß man Tihln schneidet / über den See gefahren ohn einigen Schaden / als ihm aber sein Hund nachkommen / sehe das Eiß mit ihm gebrochen / und der arme Hund allein hinunder gefallen / und nicht mehr gesehen worden. Noch ein anderer behauptete bey grosser Warheit / es seye ein Schütz aufs der Spur deß Wilds bey dem See vorüber gangen / der hätte difcuriren E4 12 verändert E2-4 21 hätte E2-4 23 eine E4 kehrte E2 4 30 ben fehlt E4 32 seinem E2 4 Plöchen E2 36 an­ der E4 37 behaupete E2 behaupte E4 2

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auff demselben ein Wassermännlein sitzen sehen / das einen gantzen Echos voll gemüntzte Goldsorten gehabt / und gleichsam damit gespielt hätte; und als er nach demselbigen Feur geben wollen / hätte sich das Männlein geduckt / und diese Stimme hören lassen: Wenn du mich gebetten / deiner Armuth zu hülff zu kommen / so wolte ich dich und die deinige reich genug gemacht haben. Solchen und dergleichen mehr Historien / die mir alle als Mährlein vorkamen / damit man die Kinder auffhält / hörte ich an / verlachte sie / und glaubte nit [541] einmal / daß ein solcher unergründlicher See auff einem hohen Berg seyn könte; Aber es fanden sich noch andere Baursleut / und zwar alte glaubwürdige Männer / die erzehlten / daß noch bey ihrem und ihrer Vätter Gedencken Hohe Fürstl. Personen den besagten See zu beschauen sich erhoben / wie denn ein regie­ render Hertzog zu Würtenberg / rc. einen Floß machen / und mit demselbigen darauff hinein fahren lassen / seine Tieffe ab­ zumessen / nachdem die Messer aber bereits neun Zwirn-Netz (ist ein Maß / das die Schwartzwälder Baurn-Weiber besser als ich oder ein anderer Geometra verstehen) mit einem Senckel hinunder gelassen / und gleichwol noch keinen Boden gefunden / hätte das Floß / wider die Natur deß Holtzes / ansahen zu finden / also daß die so sich darauff befunden / von ihrem Vornehmen abstehen / und sich ans Land salvitett müssen / Massen man noch heut zu Tag die Stücker deß Flosses am Ufer deß Sees / und zum Gedächtnus dieser Geschicht das Fürstl. Würtenberg. Wappen und andere Sachen mehr / in Stein gehauen vor Augen sehe. Andere bewiesen mit vielen Zeugen / daß ein Ertz-Hertzog von Oesterreich / rc. den See gar hätte abgraben lassen wollen / es sehe Ihm aber von vielen Leuten widerrathen / und durch Bitt der Landleute sein Vornehmen Hindertrieben worden / auß Forcht / das gantze Land möchte untergehen und ersauffen: Uber das hätten Höchstgedachte Fürsten etliche Legeln voll Forellen in den See setzen lassen / die seyen aber alle / ehe als in einer Stund / in ihrer Gegenwart abgestanden / und zum Außlauff deß Sees hinauß geflossen / ohnangesehen das Wasser / so unter dem Gebürg / darauff der See [542] lige / durch das 3 gcfptelet E2 8 als ein E34 24 ihren 1^ 4 21 im E4 35 seyn E4 30 Gegenwart] Gegend E2-4 37 geflossen] geflossen E2-4

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Deß Abentheurl. SimpIioiCimi

Thal (so von dem See den Nahmen habe) hinfleust / von Natur solche Fisch hervor bringe / da doch der Außlauff deß Sees in selbig Wasser sich ergiesse.

Das XI. Capitel. ^Jeser Letztem Außsag machte / daß ich denen zu erst bey nahe völligen Glauben zustellte / und bewog meinen Fürwitz / daß ich mich entschloß / den wunderbaren See zu beschauen; Von denen / so neben mir alle Erzehlung gehört / gab einer diß / der ander jenes Urtheil darüber / darauß denn ihre unterschiedliche und widereinander lauffende Meynungen genugsam erhellten; Ich zwar sagte / der Teutsche Nahm Mummel-See gebe genugsam zu verstehen / daß es umb ihn / wie umb eine Malcarade, ein verkapptes Wesen sehe / also daß nicht jeder seine Art so wol als seine Tieffe ergründen könne / die doch auch noch nicht erfunden worden wäre / da doch so Hohe Personen sich dessen unterfangen hätten; gienge damit an den jenigen Ort / allwo ich vorm Jahr mein ver­ storbenes Weib das erste mal sahe / und das süsse Gisst der Lieb einsoffe. Daselbsten legte ich mich aufs das grüne Gras in Schatten nider / ich achtet aber nicht mehr als hiebevor / was die Nachti­ gallen daher pfiffen / sondem ich bettachtete / was vor Ver­ änderung ich seithero erduldet; da stellte ich mir vor Augen / daß ich an eben demselbigen Ort den Anfang gemacht / auß einem freyen Kerl zu einem Knecht der Liebe zu werden / daß ich seithero auß einem Officier ein Bauer / auß einem reichen Bauer ein armer Edelmann / auß einem Sim-[543] plicio ein Melchior / auß einem Witwer ein Ehmann / auß einem Ehmann ein Gauch / und auß einem Gauch wieder ein Witwer worden wäre; Item / daß ich auß eines Baum Sohn / zu einem Sohn eines rechtschaffenen Soldaten / und gleichwol wieder zu einem Sohn meines Knans worden. Da führte ich zu Gemüt / wie mich seithero mein fatmn deß Hertzbruders beraubt/und hingegen vor ihn mit zweyen alten Ehe­ leuten versorgt hätte; ich gedachte an das gottselige Leben und Absterben meines Batters / an den erbärmlichen Todt meiner a ergiesse) ergreiffet E2-4 11 erhellen E2-4 23 mir) mich E4 25 Kerle E2-4 29 Ehemann E2-4 30 einem Baum-Sohn E4 35 gottseelig E4

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Mutter / und dameben auch an die vielfältige Veränderungen / deren ich mein Lebtag unterworffen gewesen / also daß ich mich deß weynens nit enthalten tonte. Und in dem ich zu Gemüth führte / wie viel schön Geld ich die Tage meines Lebens gehabt und verschwendet / zumal solches zu bedauren anfienge / kamen zween gute Schlucker oder Weinbeisser / (denen die Cholica in die Glieder geschlagen / deßwegen sie denn erlahmet / und das Bad sampt dem Saurbrunnen brauchten) die setzten sich zu nächst bey mir nieder / weil es eine gute Ruhestatt hatte / und klagte je einer dem anbetn seine Noth / weil sie vermeyneten allein zu seyn / der eine sagte: Mein Doctor hat mich hieher gewiesen / als einen / an dessen Gesundheit er verzweiffelt / oder als einen / der neben anbetn dem Wirth umb das Fäßlein mit Butter so er ihm neulich geschickt / Satisfaction thun solle / ich wolte / daß ich ihn entweder die Tage meines Lebens niemals ge­ sehen / oder daß er mir gleich anfangs in Sauerbmnnen ge­ rathen hätte / so würde ich entweder mehr Geld haben oder gesünder seyn als jetzt / denn der Sauerbmnnen schlägt mir wol zu. [544] Ach! antwort der ander / ich bände meinem GOtt / daß er mir nicht mehr überflüssig Geld beschehrt hat / als ich vermag / dann hätte mein Doctor noch mehr hinder mir geteuft / so hätte er mir noch lang nicht in Sauerbmnnen gerathen / sondem ich hätte zuvor mit ihm und seinen Apotheckem / die ihn deßwegen alle Jahr schmieren / theilen müssen / und hätte ich darüber sterben und verderben sollen; die Schabhäls rathen unser einem nicht eher an ein so heylsam Ort / sie getrauen denn nit mehr zu helffen / oder wissen nichts mehr an einem zu ropffen; wenn man die Warheit be­ kennen will / so muß ihnen der jenige so sich hinder sie läst / und hinder welchem sie Geld wissen / nur lohnen / daß sie einen kranck erhalten. Diese zween hatten noch viel schmähens über ihre Doctorea, aber ich mags drumb nicht alles erzehlen / dann die Herren Medici möchten mir sonst feind werden / und künfftig eine Purgation eingeben / die mir die Seel außtreiben möchte: Ich melde diß allein deßwegen / weil mich der letztere Patient mit seiner Dancksagung / daß ihm Gott nit mehr Geld be11 »ermegnten E4

19

bann E2-4

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antwortet E*

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

schehret / dergestalt tröstete / daß ich alle Anfechtungen und schwere Gedancken / die ich damal deß Gelds halber hatte / auß dem Sinn schlug. Ich refolvitte mich / weder mehr nach Ehren noch Geld / noch nach etwas anders das die Welt liebt / zu trachten; ja ich name mir vor zu philofophiren / und mich eines gottseligen Lebens zu befleissen / zumalen meine Urtbußfertigkeit zu bereuen / und mich zu befleissen / gleich meinem Vatter seel. aufs die höchste Staffeln der Tugenden zu steigen. [545]

Das XII. Capitel.

J^Je Begierde den Mummelsee zu beschauen vermehrte sich bey mir / als ich von meinem Petter verstünde / daß er auch dabey gewesen / und den Weg darzu wißte / da er aber hörete / daß ich überein auch darzu wolte / sagte er / und was werdet ihr dann darvon tragen / wann ihr gleich hinkompt? der Herr Sohn und Petter wird nichts anders sehen als ein Ebenbild eines Weyers / der mitten in einem grossen Wald ligt / und wann er seinen jetzigen Lust mit beschwer­ lichem Unlust gebüßt / so wird er nichts anders als Reu / müde Füß / (dann man kan schwerlich hin reuten) und den Hergang vor den Hingang darvon haben; Es solle mich kein Mensch hingebracht haben / wann ich nicht hett hinfliehen müssen / als der Doctor Daniel (er wolte Duc (TAnguin sagen) mit seinen Kriegern das Land hinunder vor Philips­ burg zog; hingegen kehrte sich mein Fürwitz nicht an seine Abmahnung / sondern ich bestellte einen Kerl der mich hin­ führen solte; da er nun meinen Ernst sahe / sagte er / weil die Habersaat fürüber / und aufs dem Hof weder zu bauen noch zu ernden / wolte er selbst mit mir gehen / und den Weg weisen; denn er hatte mich so lieb / daß er mich ungern auß dem Gesicht liesse / und weil die Leut im Land glaubten / daß ich sein leiblicher Sohn sehe / prangte er mit mir / und that gegen mir und jederman / wie etwann ein gemeiner armer Mann gegen seinen Sohn thun möchte / den das Glück ohne sein zuthun und Befürderung zu einem grossen Herrn gemacht hette. 4 noch na cf)] oder nach E4 12 Pfetter E4 Pfetter E4 nicht E4 22 hatte E4 28 hauen E1 ] dann E4 35 Beförderung E4

15 34

davon E4 ie den] denn E1-2

411

FünffteS Buch.

Also wanderten wir miteinander über Berg und [546] Thal / und kamen zu dem Mummelsee / ehe wir 6. Stund gegangen hatten / dann mein Petter war noch so kesermässig und so wol zu Fuß als ein Junger; Wir verzehrten daselbst was wir von Speiß und Tranck mit uns genommen / dann der weite Weg und die Höhe deß Bergs / aufs welchem der See ligt / hatte uns hungerig und hellig gemacht; Nachdem wir sich aber erquickt / beschauete ich den See / und fände gleich etliche gezimmerte Höltzer darinn ligen / die ich und mein Knan vor rudera deß Würtenbergischen Flosses hielten; ich nahm oder Masse die Länge und Breite deß Wassers ver­ mittelst der Geometriae, weil gar beschwerlich war umb den See zu gehen / und denselben mit Schritten oder Schuhen zu messen / und bradjte seine Beschaffenheit vermittelst deß verjüngten Maaßstabs in mein Schreibtäfelein / und als ich damit fertig / zumaln der Himmel durchauß hell / und die Lufst gantz windstill / und wol temperirt war / wolte ich auch prodiren was Warheit an der Sagmehr wäre / daß ein Ungewitter entstehe / wann man einen Stein in den See werffe; sintemal ich albereit die Hörsag / daß der See keine Forellen leide / am Mineralischen Geschmack deß Wassers wahr zu seyn befunden. Solche Prob nun ins Merck zu setzen / gierig ich gegen der lincken Hand am See hin / an den jenigen Ort / da das Wasser (welches sonst so hell ist als ein Crystall) wegen der abscheu­ lichen Liesse deß Sees gleichsam kohlschwartz zu seyn scheinet / und deßwegen so fürchterlich außsihet / daß man sich auch nur vorm Anblick entsetzt / daselbst stetig ich an so grosse Stein hinein zu werffen / als ich sie immermehr er* [547] tragen tonte; mein Petter oder Knan wolte mir nicht allein nicht helffen / sondern warnete und bäte mich davon abzustehen so viel ihm immer müglich / ich aber continuiret meine Arbeit embsig fort / und was ich von Steinen ihrer Grösse und Schwere halben nicht ertragen mochte / das Walgert ich herbey / biß ich deren über 30. in See brachte; Da fieng die Lufst an den Himmel mit schwartzen Wolcken zu bedecken / in welchen ein grausames Donnern gehöret wurde; Also daß mein Petter / welcher jenseit deß Sees bey dem Außlauff 3

Pfetter E34 8 beschaute E4 16 zumalen E4 den] die E2-4 30 Pfetter E4 37 welchem E4

19

18 Sach mehr E4 Pfetter E4

38

412

Deß Mentheurl. Simplicissimi

stunde / und über mein Arbeit lamentitte / mir zuschrye / ich solle mich doch falviren / damit uns der Regen und das schröckliche Wetter nicht ergreiffe / oder noch wol ein grösser Unglück betreffe; ich aber antwortete ihm hingegen / Datier ich will bleiben und deß Ends erwarten / und solle es auch Helleparten regnen; Ja / antwortet mein Knan / ihr machts wie alle verwegene Buben / die sich nichts drumb geheyen / wann gleich die gantze Welt untergieng. In dem ich nun diesem seinem Schmelen so zuhörete / ver­ wandte ich die Augen nicht von der Liesse deß Sees / der Meynung / etwan etliche Stottern oder Blasen vom Grund desselbigen auffsteigen zu sehen / wie zugeschehen pflegt / wann man in andere Liesse / so stillstehende als fliessende Wasser Steine wirfst; aber ich wurde nichts dergleichen ge­ wahr / sondern sahe sehr weit gegen den abylfum etliche Kreaturen im Wasser herum fladern / die mich der Gestalt nach an Frösch ermahnten / und gleichsam wie Schwermer­ lein auß einer auffgestiegenen Raquet, die im Lufft ihr Würckung der Gebühr nach vollbringt/ [548] herumb vagirten; und gleich wie sich dieselbige mir je länger je mehr näherten / also schienen sie auch in meinen Augen je länger je grösser / und an ihrer Gestalt den Menschen desto ähnlicher;weßwegen mich dann erstlich eine grosse Verwunderung / und endlich weil ich sie so nahe bey mir hatte / ein Grausen und Ent­ setzen ankam: Ach! sagte ich damal vor Schrecken und Ver­ wunderung zu mir selber / und doch so laut / daß es mein Knan / derj enseit dem See stunde / wol hören tonte (toietoot es schröcklich donnerte) wie seynd die Wunderwerck deß Schöpffers auch so gar im Bauch der Erden / und in der Liesse deß Wassers so groß! Kaum hatte ich diese Wort recht außgesprochen / da war schon eins von diesen Sylphia oben aufs dem Wasser / das antwortet / Sihe: das bekennest du / ehe du etwas davon gesehen hast; was würdest du wol sagen / wann du erst selbsten im centro terrae wärest / und unsere Wohnung / die dein Fürwitz beunruhiget / beschautest? Unter­ dessen kamen noch mehr dergleichen Wasser-Männlein hier und dort / gleichsamb wie die Lauch-Entlein hervor / die mich alle ansahen / und die Stein wieder herauff brachten / 8 ein] in E2-4

7 darum E2-4

von E4

17 Schmermerlein E2 4

Fünfftes Buch.

413

die ich hinein geworffen / worüber ich gantz erstaunte; Der erste und vomehmste aber unter ihnen / dessen Kleidung wie lauter Gold und Silber gläntzte / warff mir einen leuchtenden Stein zu / so groß als ein Dauben-Ey / und so grün und durchsichtig als ein Schmaragd / mit diesen Worten: Nimm hin diß Cleinod / damit du etwas von uns und diesem See zu sagen wissest! Ich hatte ihn aber kaum auffgehoben und zu mir gesteckt / da wurde mir nit anderst / als ob mich die Lufft hätte ersticken oder ersäuffen [549] wollen / derhalben ich mich dann nit länger auffrecht behalten bitte / sondern herumb baumelte wie eine Garnwinde / und endlich gar in See hinunder fiele: So bald ich aber ins Wasser kam / erholte ich mich wieder / und brauchte auß Krafft deß Steins den ich bey mir hatte / im Athmen das Wasser / an statt der Lufft / ich tonte auch gleich so wol als die Wasser-Männlein mit ge­ ringer Mühe im See herumb webem / Massen ich mich mit denselben in Abgrund hinab thät / so mich an nichts anders ermahnte / als wenn sich ein Schaar Vögel mit umbschweiffen auß dem obersten Theil der temperitten Lufft gegen der Erden nider löst. Da mein Knan diß Wunder zum theil (nemlich so viel ober­ halb deß Wassers geschehen) sampt meiner gählingen Ver­ zuckung gesehen / trollte er sich vom See hinweg / und heim zu / als ob ihm der Kopfs brennte / daselbst erzehlte er allen Verlaufs / vornemlich aber / daß die Wassermännlein die jenige Stein / so ich in See geworffen / wieder in vollem Donnerwetter herauff gettagen / und an ihre vorige statt gelegt / hingegen aber mich mit ihnen hinunder genommen hätten: Etliche glaubten ihm / die meiste aber hielten es vor eine Fabul; Andere bildeten sich ein / ich hätte mich wie ein anderer Empedocles Agrigentinus (welcher sich in den Berg uEtnam gestürtzt / damit jederman gebenden solle / wenn man ihn nirgend finde / er wäre gen Himmel gefahren) selbst im See erttänckt / und meinem Batter befohlen / solche Fabuln von mir außzugeben / umb mir einen unsterblichen Nahmen zu machen; man hätte eine Zeitlang an meinem melancholischen Humor wol gesehen / daß [550] ich halber desperat gewest wäre / ic. Andere hätten gern geglaubt /

is Müh L* i7 demselben L" rs ihnen) ihm E* E4 36 Fabeln E4 umb] und E4

rs meisten

414

Deß Abentheurl. Simplicissimi

wenn sie meine Leibskräfften nicht gewust / mein angenom­ mener Vatter hätte mich selbst ermordet / damit er als ein geitziger alter Mann meiner loß würde / und allein Herr aufs meinem Hof seyn möchte; Also daß man umb diese Zeit von sonsten nichts / als von dem Mummel See / von mir und meiner Hinfahrt und von meinem Petter / beydes im Sauer­ brunnen und aufs dem Land zu sagen und zu rathen wüste.

Das XIII. Capitel. pLinius schreibt im End deß zweyten Buchs vom Geometra Dionyfio Doro, daß dessen Freunde einen Briefs in seinem Grab gefunden / den er Dionysius geschrieben / und darinnen berichtet / daß er auß seinem Grab biß in das mittelste

Centrum der Erden sey kommen / und befunden / daß 42000. Stadia biß dahin seyen; Der Fürst über den Mummel-See aber / so mich begleitet / und obiger gestalt vom Erdboden hinweg geholet hatte / sagte mir vor gewiß / daß sie auß dem Centro Terrae biß an die Lufft durch die halbe Erd / just 900. Teutscher Meilen hätten / sie wolten gleich in Teutsch­ land / oder zu deren Antipodibus, und solche Räisen müsten sie alle durch dergleichen See nemmen / deren hin und wieder so viel in der Welt / als Tag im Jahr seyn / welcher Ende oder Abgründe alle bey ihres Königs Wohnung zusammen stiessen. Diese grosse Weite nun paslirten wir ehe als in einer Stunde / also daß wir mit unserer schnellen Räis deß Monds Laufs sehr wenig / oder gar nichts bevor gaben / und dennoch geschahe solches so gar ohne alle [551] Beschwerung / daß ich nicht allein keine Müdigkeit empfände / sondern auch in solchem fmissten Abfahren mit obgemeldten Mummelseer-Printzen allerhand discuriren tonte / denn da ich seine Freundlichkeit vermerckte / fragte ich ihn / zu was Ende sie mich einen so weiten / gefährlichen / und dien Menschen ohngewöhnlichen Weg mit sich nähmen? Da antwortet er mir gar bescheiden / der Weg sey nit weit / den man in einer Stund spazieren könte / und nit gefährlich / dieweil ich ihn und seine Gesellschafst mit dem überreichten Stein bey mir hätte / daß er mir aber ungewöhnlich vor komme / sey sich nichts zu ver6 Pfetter E4

9 von E4

u seyn E4

25 geben E4

32 nehmen

Fünfftes Buch.

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wundern; sonst hätte er mich nicht allein auß seines Königs Befelch / der etwas mit mir zu reden / abgeholt / sondern daß ich auch gleich die seltzame Wunder der Natur unter der Erden und in Wassern beschauen solte / deren ich mich zwar bereits aufs dem Erdboden verwundert / ehe ich noch kaum einen Schatten darvon gesehen. Därauff bäte ich ihn ferner / er wolle mich doch berichten / zu was End der gütige Schöpffer so viel wunderbarliche See erschaffen / sintemal sie / wie mich dünckte / keinem Menschen nichts nutzten / sondern viel ehender Schaden bringen tönten? Er antwortet / du fragst billich umb das jenige / was du nicht weist oder verstehest / diese See sind dreyerley Ursachen willen erschaffen: Denn erstlich werden durch sie alle Meer / wie die Nahmen haben / und sonderlich der grosse Oceanus, gleichsam wie mit Nägeln an die Erde gehefftet; Zweytens werden von uns durch diese See (gleich­ sam als wie durch Teichel / Schläuche oder Stiefeln bey einer Wasser-Kunst / deren ihr Menschen euch gebrauchet) die [552] Wasser auß dem abyfsu deß Oceani in alle Quellen deß Erd­ bodens getrieben / (welches denn unser Geschäfft ist) worvon alsdenn alle Brunnen in der gantzen Welt fliesten / die grosse und kleine Wasserflüß entstehen / der Erdboden befeuchtiget / die Gewächse erquickt / und beydes Menschen und Viehe'getränckt werden; Drittens / daß wir als vernünfftige Creaturen Gottes hierinn leben / unser Geschäffte verrichten / und Gott den Schöpffer in seinen grossen Wunderwercken loben sollen! Hierzu nun seynd wir und solche See erschaffen / und werden auch biß an den Jüngsten Tag bestehen; Wenn wir aber gegen derselben letzten Zeit unsere Geschäfften / darzu wir von Gott und der Natur erschaffen und verordnet sind / auß einer oder andern Ursach unterlassen müssen / so muß auch nothwendig die Welt durchs Feuer untergehen / so aber vermuthlich nit ehender geschehen kan / es sey denn / daß ihr den Mond / (donec auferatur luna, Psal. 71.) Venerem oder Martern, als Morgen- und Abendstern verlieret / denn es müsten die generationes fructu- & animalium erst vergehen / und alle Wasser verschwinden / ehe sich die Erde von sich selbst durch der Sonnen Hitz entzünde / calcinue / und wiederum regenerire; Solches aber gebührt uns nicht zu wissen j ist auch 7 Ende E4

19

dann E2-4

34

Morgen E1-2

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

allein Gott betont / ausser was wir etwan muthmassen / und eure Chymici auß ihrer Kunst daher lallen. Da ich ihn so reden / und die H. Schlifft anziehen hörete / fragte ich / ob sie sterbliche Creaturen wären / die nach der jetzigen Welt auch ein künftiges Leben zu hoffen hätten? oder ob sie Geister seyen / welche so lang die Welt stünde / nur ihre anbefohlene [553] Geschaffte verrichteten? Darauf] antwortet er / wir sind keine Geister / sondem sterbliche Leut­ lein / die zwar mit vemünfftigen Seelen begabt / welche aber sampt den Seibern dahin sterben und vergehen; Gott ist zwar so wunderbar in seinen Werden / daß sie keine Creatur außzusprechen vermag / doch will ich dir / so viel unsere Art an­ belangt / simpliciter erzehlen / daß du darauß fassen sonst / wie weit wir von den andern Creaturen GOttes zu unter­ scheiden seyen: Die heilige Engel sind Geister / zum Ebenbild Gottes gerecht / verständig / frey / keusch / hell / schön / klar / geschwind und unsterblich / zu dem Ende erschaffen / daß sie in ewiger Freude GOtt loben / rühmen / ehren und preisen / in dieser Zeitlichkeit aber der Kirche Gottes hier aufs Erden duff den Dienst Watten / und die Allerheiligste Göttliche Befelch verrichten sollen / deßwegen sie dann auch zu Zeiten Nuncii genant werden / und ihrer seynd auff einmal so viel hundert tausend mal tausend Millionen erschaffen worden / als der Göttlichen Weisheit wolgefällig gewesen; nachdem aber auß ihrer grossen Anzahl unaußsprechlich viel / die sich ihres hohen Adels überhoben / auß Hoffart gefallen / seynd erst eure erste Eltem von GOtt mit einer vernünffttgen und unsterblichen Seel zu seinem Ebenbild erschaffen / und deß­ wegen mit Leidem begabt worden / daß sie sich auß sich selbsten vermehren sotten / biß ihr Geschlecht die Zahl der gefallenen Engel wiedemm erfüllte; zu solchem End nun wurde die Welt erschaffen / mit allen andem Creaturen / daß der irdische Mensch / biß sich sein Geschlecht so weit vermehret / daß die angeregte Zahl der gefallenen Engel damit ersetzt werden tönte / darauff [554] wohnen/GOtt loben / und sich aller anderer erschaffenen Dinge miss der gantzen Erdkugel [als worüber ihn GOtt zum Herm gemacht) zu GOttes Ehren/ und zu seines Nahmng-bedörffttgen Leibs Auffenthaltung

417

Fünfftes Buch.

bedienen solte; damals hatte der Mensch diesen Unterscheid zwischen ihm und den H. Engeln / daß er mit der irdischen Bürde seines Leibs beladen / und nicht wüste was gut und böß war / und dahero auch nit so starck und geschwind als ein Engel seyn fönte; hatte hingegen aber auch nichts gemeines mit den unvernünfftigen Thieren / demnach er aber durch den Sündenfall im Paradeis seinen Leib dem Todt unterwarsf / schätzten wir ihn das Mittel zu seyn zwischen den heiligen Engeln und den unvernünfftigen Thieren / denn gleich wie eine heilige entleibte Seel eines zwar irdischen doch himmlisch­ gesinnten Menschen alle gute Eigenschafft eines heiligen Engels an sich hat / also ist der entseelte Leib eines irdischen Menschen (der Verwesung nach) gleich einem andern Aaß eines unver­ nünfftigen Thiers / uns selbsten aber schätzten wir vor das Mittel zwischen euch und allen andern lebendigen Creaturen der Welt / sintemal / ob wir gleich wie ihr vernünfftige Seele haben / so sterben jedoch dieselbige mit unsern Leibern gleich hinweg / gleichsam als wie die lebhaffte Geister der unver­ nünfftigen Thiere in ihrem Todt verschwinden. Zwar ist uns kündbar / daß ihr durch den Ewigen Sohn Gottes / durch welchen wir denn auch erschaffen / auffs allerhöchste geadelt worden / in dem Er euer Geschlecht angenommen / der gött­ lichen Gerechtigkeit genug gethan / den Zorn Gottes gestillt / und euch die ewige Seeligkeit wiederum erworben / [555] welches alles euer Geschlecht dem unserigen weit vorziehet; Mer ich rede und verstehe hier nichts von der Ewigkeit / weil wir deren zu gemessen nicht fähig seyn / sondern allein von dieser Zeitlichkeit / in welcher der Allergütigste Schöpffer uns genugsam beseeligt / als mit einer guten gesunden Vernunfft / mit Erkantnus deß Allerheiligsten Willens Gottes / so viel uns vonnölhen / mit gesunden Leibern / mit langem Leben / mit der edlen Freyheit / mit genügsamer Wissenschafft / Kunst und Verstand aller natürlichen Dinge / und endlich / so das aller­ meiste ist / sind wir keiner Sünd / und dannenhero auch keiner Straff / noch dem Zorn Gottes / ja nicht einmal der geringsten Kranckheit unterworffen: Welches alles ich dir darumb so weitläufftig erzehlt / und auch deßwegen der H. Engel / irdischen Menschen / und unvernünfftigen Thier gedacht / damit du 2 er] es E2*4* s fönte E2-4 27 genössen E4

auch fehlt E4

i den E4

25 den E4

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

mich desto besser verstehen könnest. Ich antwortet / es wolte mir dennoch nicht in Kopfs; da sie keiner Missethat / und also auch keiner Straff unterworffen / worzu sie denn eines Königs bedörfftig? item / wie sie sich der Freyheit rühmen timten / wenn sie einem König unterworffen wären? item / wie sie geboren werden / und wieder sterben könten / wenn sie gar keinen Schmertzen oder Kranckheit zu leiden geartet wären? Darauff antwortet mir das Printzlein / sie hätten ihren König nicht / daß er Justitiam administriren / noch daß sie ihm dienen solten / sondern daß er wie der König oder Weissel in einem Jmmenstock / ihre Geschäfte dirigite; und gleich wie ihre Weiber in coitu keine Wollust empfänden / also seyen sie hingegen auch in ihren Geburten keinen Schmertzen unterworffen / wel-s556^ches ich etlicher Massen am Exempel der Katzen abnehmen und glauben tönte / die zwar mit Schmertzen empfahen / aber mit Wollust gebären; So stürben sie auch nicht mit Schmertzen / oder auß hohem gebrechlichem Alter / weniger auß Kranckheit / sondern gleichsam als ein Liecht verlesche / wenn es seine Zeit geleuchtet habe / also verschwenden auch ihre Leiber sampt den Seelen; gegen der Freyheit / deren er sich gerühmt / sey die Freyheit deß aller* grösten Monarchen unter uns irdischen Menschen gar nichts / ja nit so viel als ein Schatten zu rechnen / dann sie könten weder von uns noch andern Creaturen getödtet / noch zu etwas unbeliebigem genötiget / viel weniger befängnust werden / weil sie Feuer / Wasser / Lufft und Erde ohn einige Mühe und Müdigkeit (von deren sie gar nichts wüßten) durchgehen könten. Darauff sagte ich / wenn es mit euch so beschaffen / so ist euer Geschlecht von unserm Schöpffer weit höher geadelt und beseitigt / als das unserige; Ach Nein / antwort der Fürst / ihr sündigt wenn ihr diß glaubt / in dem ihr die Güte Gottes einer Sach beschuldiget / die nicht so ist / denn ihr seht weit mehrers beseitigt als wir / in dem ihr zu der seeligen Ewig­ keit / und das Angesicht GOttes unauffhörlich anzuschauen erschaffen / in welchem seeligen Leben eurer einer der seelig wird / in einem einzigen Augenblick mehr Freud und Wonne / als unser gantzes Geschlecht von Anfang der Erschaffung biß an den Jüngsten Tag / geneust. Ich sagte / was haben drum 2 im E4

14 an E4

27 missten E4

20 verschwinden E1-2

33 Ewigkeit^ Ewigkeit E2

25 unbeliebigen E4 ] Einigkeit E4

Fünfstes Buch.

419

die Verdammte darvon? Er antwortet mit mit einer WiederFrag / und sagte: Was kan die Güte Gottes davor / wenn euer einer sein selbst vergisset / sich der Creaturen der Welt / und [557] deren schändlichen Wollüsten sich ergibt / seinen viehischen Begierden den Ziegel schiessen last / sich dardurch dem unvernünfftigen Viehe / ja durch solchen Ungehorsam gegen Gott / mehr den höllischen als seeligen Geistern gleich macht? Solcher Verdammten ewiger Jammer / worein sie sich selbst gestürtzt haben / benimmt drum der Hoheit und bent Adel ihres Geschlechts nichts / sintemal sie so wol als andere / in ihrem zeitlichen Leben die ewige Seeligkeit hätten erlangen mögen / da sie nur aufs dem darzu verordneten Weg hätten wandten wollen.

Das XIV. Capitel. Eh sagte zu dem Fürstlein / weil ich aufs dem Erdboden ohne das mehr Gelegenheit hätte / von dieser Materia zu hören / als ich mir zu nutz machte / so wolte ich ihn ge­ bettelt haben / er wolte mir doch darvor die Ursach erzehlen / warum zu Zeiten ein so groß Ungewitter entstehe / wenn man Stein in solche See werffe? dann ich erinnerte mich von dem Pilatus-See im Schweitzerland eben dergleichen gehört / und vom See Camarina in Sicilia ein solches gelesen zu haben / von welchem die Phrasis entstanden / Camarinam movere; Er antwortet / weil alles das schwer ist / nicht ehe gegen dem centro terrae zu fallen auffhöret / wenn es in ein Wasser geworffen wird / es treffe batm einen Boden an / darauff es unterwegs ligen verbleibe / hingegen diese See alle mit­ einander biß aufs das centrum gantz Bodenloß und offen seynd / also daß die Stein so hinein geworffen werden / noth­ wendig und natürlicher Weis in unsere Wohnung fallen / und ligen bleiben müsten / wenn wir sie nicht [558] wieder zu eben dem Ort / da sie her kommen / von uns hinauß schafften / als thun wir solches mit einer Ungestümme / damit der Muthwill der jenigen / so sie hinein zu werffen pflegen / abge­ schreckt / und im Zaum gehalten werden möge / so dann eins von den vornehmsten Stücken unsers Geschäffts ist / darzu

3

2 darvor E4 11 hätte E4 20 warffc E2 32 von uns fehlt E4 35 eins von den vorrreblnsien] eines von den voreins von den vornchrnsien E4

420

Deß Abentheurl. Simpliciffimi

wir erschaffen. Sölten wir aber gestatten / daß ohne der­ gleichen Ungewitter die Stein eingeschmissen / und wieder außgeschafft würden / so käme es endlich darzu / daß wir nur mit denen muthwilligen Leuten zu thun hätten / die uns täglich von allen Orten der Welt her auß Kurtzweil Stein zusendeten. Und an dieser einzigen Verrichtung die wir zu thun haben / kanstu die Nothwendigkeit unsers Geschlechts abnehmen / sintemal da obiger gestalt die Stein von uns nicht außgetragen / und doch täglich durch so viel dergleichen unterschiedliche See / die sich hin und wieder in der Welt befinden / dem centro terrae, darinnen wir wohnen / so viel zugeschickt würden / so müsten endlich zugleich die Gebände / damit das Meer an die Erde gehefftet und bevestiget / zer­ störet / und die Gänge / dardurch die Quellen auß dem Ab­ grund deß Meers hin und wieder aufs die Erde geleitet / verstopfst werden / das dann nichts anders als ein schädliche Confusion, und der gantzen Welt Untergang mit sich bringen könte. Ich bedanckte mich dieser Communication, und sagte: Weil ich verstehe / daß euer Geschlecht durch solche See alle Quellen und Flüß aufs dem gantzen Erdboden mit Wasser versihet / so werdet ihr auch Bericht geben können / warumb sich die Wasser nit alle gleich befinden / beydes an Geruch / Geschmack / rc. [559] und der Krafft und Würckung / da sie doch ihre Wiederkehrung (wie ich verstanden) ursprünglich alle auß dem Abgrund deß grossen Oceani hernehmen / darein sich alle Wasser wiederum ergiessen; Dann etliche Quellen seynd liebliche Sauerbrunnen / und taugen zu der Gesundheit / etliche sind zwar sauer / aber unfreundlich und schädlich zu trincken; und andere seynd gar tödtlich und vergisst / wie der jenige Brunn in Arcadia, damit Jollae dem Alexandro Magno vergeben haben solle; etliche Brunnenquellen seynd laulicht / etliche siedent-haiß / und andere Eißkalt; etliche fressen durch Eisen / als Aqua fort, wie einer in Zepulio oder der Grafschafft Zips in Ungarn; Andere hingegen heylen alle Wunden / als sich dann einer mTheifalia befinden solle; etliche Wasser werden zu Stein / andere zu Saltz / und etliche zu Victriol: Der See bey Zircknitz in Kämten hat nur 5 heraus Kurtzweil-Stem E4

12 Gebäude E*-4

20 allen E4

Fünfftes Buch.

421

Mnterszeit Wasser / und im Sommer ligt er allerdings trocken; der Brunn bey Aengstlen laufst nur Sommerszeit / und zwar nur zu gewissen Stunden / wenn man das Viehe tränest; der Schändtlebach bey Ober-Mhenheim laufst nicht ehe / als wenn ein Unglück übers Land kommen solle. Und der Fluvius Sabbathicus in Syria bleibt allezeit den sie­ benden Tag gar auß. Worüber ich mich offtermal / wenn ich der Sach nachgedacht / und die Ursach nit ersinnen können / zum allerhöchsten verwundern muste. Hierauff antwortet der Fürst: Diese Dinge alle mitein­ ander hätten ihre natürliche Ursachen / welche dann von den Naturkündigem unsers Geschlechts mehrentheils auß denen unterschiedlichen Gerüchen / Geschmäcken / Kräfften und Würckungen der Wasser [560] genugsam errathen / abge­ nommen / und aufs dem Erdboden offenbart worden wären. Wenn ein Wasser von ihrer Wohnung an biß zu seinem Außlauff / welchen wir die Quelle nenneten / nur durch allerhand Stein lauffe / so verbleibe es allerdings kalt und süß / dafern es aber aufs solchem Weg durch und zwischen die Metalla pasfire, (dann der grosse Bauch der Erden sey innerlich nicht an einem Ort wie am andern beschaffen) als da sey Gold / Silber/ Kupffer / Zinn / Bley / Eisen / Quecksilber / rc. oder durch die halbe Mineralia, nemlich Schwefel / Saltz mit allen seinen Gattungen / als naturale, sal gemmae, sal nativum, sal radicum, sal nitrum, sal armoniacum, sal petrae, &c. weisse / rothe / gelbe und grüne Farben / Victril, marchasita aurea, argentea, plumbea, ferrea, lapis lazuli, alumen, arsenicum, antimonium, risigallum, Electrum naturale, Chrisocolla, Sublimatum, &c. so

nemme es deren Geschmack / Geruch / Art / Krafft und Würckung an sich / also daß es den Menschen entweder heylsam oder schädlich werde. Und eben daher hätten wir so unter­ schiedlich Saltz / dann etliches sey gut / und etliches schlecht; zu Cervia und Comachio ist es zimlich schwach / ju Memphis röthlicht / in Sicilia Schneeweiß / das Oentaropische ist Purpurfärbigt / und das Oappadoeische gelblecht. Betreffend aber die warme Wasser / sagte er / so nehmen dieselbe ihre Hitz von dem Feuer an sich / das in der Erde brennet / welches 2 Mengten E2-4

is verbleibt E4

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Deß Abentheurl. SimpliciHimi

so wol als unsere See / hin und wieder seine Lufftlöcher und Camin hat / wie man am berühmten Berg ASthna in Sicilia, Hecla in Jßland / Gumapi in Banda und andern mehr abnehmen mag. Was aber den Zircknitzer See anlangt / [561] so wird dessen Wasser Sommerszeit bey der Kärntner Antipodibus gesehen / und der Aengstler-Brunn an andern Orten deß Erdbodens zu gewissen Stunden und Zeiten deß Jahrs und Tags anzutreffen seyn / eben das jenige zu thun / was er bey den Schweitzern verrichtet. Gleiche Beschaffenheit hat es mit der Ober-Näheimer Schändtlibach / welche Quellen alle durch unsers Geschlechts Leutlein nach dem Willen und Ordnung Gottes / umb sein Lob dadurch bey euch zu ver­ mehren / solcher gestalt geleitet und geführet werden: Was den Eluvium Sabbathicum in Syria betrifft / Pflegen wir in unserer Wohnung / wenn wir den siebenden Tag feyern / uns in dessen Ursprung und Canal, als das lustigste Ort unsers ganzen Aquaetori, sich zu lägern und zu ruhen / deß­ wegen dann ermeldter Fluß nicht lauffett mag / so lang wir daselbst dem Schöpffer zu Ehren feyerlich verharren. Nach solchem Gespräch fragte ich den Printzen / ob and) müglich seyn fönte / daß er mich wieder durch einen andern als den Mummel-see / auch an ein ander Ort der Erden aüff die Welt bringen fönte? Freylich / antwortet er / warumb das sticht / wenn es nur Gottes Will ist; denn aufs solche Weis haben unsere Vor-Eltern vor alten Zeiten etliche Cananeer / die dem Schwerd Josuse entronnen / und sich auß Defperation in einen solchen See gesprengt / in Americam geführt / Massen deren Nachfömmlinge noch aufs den heutigen Tag den See zu weisen wissen / auß welchem ihre Ur-Eltern anfänglich entsprungetl. Als ich nun sahe / daß er sich über meine Verwunderung verwunderte / gleichsam als ob seine Erzehlung [562] nicht verwunderns würdig wäre j sagte ich zu ihm: Ob sie sich denn nit auch verwunderten / da sie etwas seltenes und ungewöhnliches von uns Menschen sehen? Hierauff antwortet er: Wir verwundern uns an euch nichts mehrers / als daß ihr euch / da ihr doch zum ewigen seeligen Leben / und den unendlichen himmlischen Freuden erschaffen / durch die zeitliche und irdische Wollüste / die doch so wenig 12 umb] und E4

16 lustige E4

21 wieder fehlt E4

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FünffteS Buch.

ohne Unlust und Schmertzen / als die Rosen ohne Dörner sind / dergestalt bethören last / daß ihr dadurch euer Gerech­ tigkeit am Himmel verlieret / euch der frölichen Anschauung deß Allerheiligsten Angesichts GOttes beraubt / und zu den verflossenen Engeln in die ewige Verdammnus stürtzet! Ach möchte unser Geschlecht an eurer Stell seyn / wie würde sich jeder befleissen / in dem Augenblick eurer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit die Prob besser zu halten / als ihr / denn das Leben so ihr habt / ist nit euer Leben / sondern euer Leben oder der Todt wird euch erst gegeben / wenn ihr die Zeitlichkeit verlaßt; das aber was ihr das Leben nennet / ist gleichsam nur ein Moment und Augenblick / so euch verliehen ist / GOtt darin zu erkennen / und ihme euch zu nähern / damit er euch zu sich nemmen möge / dannenhero halten wir die Welt vor einen Probierstein Gottes / auff welcher der Allmächtige die Menschen / gleich wie sonst ein reicher Mann das Gold und Silber probiert / und nachdem er ihren Valor am Strich befindet / oder nachdem sie sich durchs Feuer läutern lassen / die gute und feine Gold- und Silbersorden in seinen himmlischen Schatz leget / die böse und falsche aber ins ewige Feuer wirfst / welches euch dann euer Heyland und unser Schöpffer [563] mit dem Exempel vom Weitzen und Unkraut genugsam vorgesagt und offenbaret hat. Das XV. Capitel. war das End unsers Gesprächs / weil wir uns dem Sitz deß Königs näherten / vor welchen ich ohne Cere­ monien oder Verlust einiger Zeit hin gebracht wurde: Da hatte ich nun wol Ursach / mich über seine Majestät zu ver­ wundern / da ich doch weder eine wolbestellte Hofhaltung noch einiges Gepräng / ja auffs wenigst keinen Eantzler oder ge­ heime Räth / noch einigen Dolmetschen / oder Trabanten und Leibguardi / ja so gar keinen Schalcksnarrn / noch Koch / Keller / Page / noch einigen Favoriten oder Dellerlecker nicht sahe; sondern rings umb ihn her schwebten die Fürsten über alle See / die sich in der gantzen Welt befinden / ein jedweder in der jenigen Lands-Art auffziehend / in welches sich ihr 2 dardurch E4 6 euerer E4 i euerer E4 heimen Rath E4 32 Leibquardi E4

io der fehlt E4

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Deß Abentheurl. Simplicilsimi

unterhabender See von dem Centro Terrae auß erstreckte / dannenhero sahe ich zugleich die Ebenbilder der Chinefer und Africaner, Troglodyten und Novazembler, Tartam und Mexicaner, Samogeden und Moluccenser; ja auch von denen / so unter den Polis arctico und antarctico wohnen / das wol ein seltzames Spectacul war; die zween / so über den wilden und schwachen See die Infpection trugen / waren allerdings bekleidet / wie der so mich convojitt / weil ihre See zunächst am Mummel-see gelegen / zog also der jenige / so über den Pilatus-see die Obsicht trug / mit einem breiten ehrbaren Bart und einem par Bloderhosen aufs / wie ein reputierlicher Schweitzer / und der jenige / so über den obgemeldten See Camarina die Aufsticht hatte / [564] sahe beydes mit Kleidern und Geberden einem Sicilianer so ähnlich / daß einer tausend Ayd geschworen hätte / er wäre noch niemalen auß Sicilia kommen / und fönte kein Teutsches Wort; Also sahe ich auch / wie in einem TrachtenBuch / die Gestalten der Perser / Japonier / Moscowiter / Finnen / Lappen / und aller andern Nationen in der gantzen Welt. Ich bedorffte nit viel Complimenten zu machen / dann der König fienge selbst an fein gut Teustch mit mir zu reden / in dem sein erstes Wort war / daß er fragte: Auß was Ursach hastu dich unterfangen / uns gleichsam gantz muthwilliger Weis so einen Haussen Stein zuzuschicken? Ich antwortet kurtz / weil bey uns einem jeden erlaubt ist / an einer ver­ schlossenen Thür anzuklopffen; Darauff sagte er: Wie / wenn du aber den Lohn deiner fürwitzigen Importunität emp­ fingest? Ich antwortet / ich kan mit keiner grössern Straff belegt werden / als daß ich sterbe / sintemal ich aber seithero so viel Wunder erfahren und gesehen / die unter so viel Millionen Menschen keiner das Glück nit hat / würde mir mein Sterben ein geringes / und mein Todt vor gar keine Straff zu rechnen seyn; Ach elende Blindheit! sagte hierauff der König / und hub damit die Augen auff / gleich wie einer der auß Verwunderung gen Himmel schauet / ferner sagend : Ihr Menschen könt nur einmal sterben / und ihr Christen soltet den Todt nit eher getrost zu überstehen wissen / ihr wäret convoirt E2-4 ie niemaln E2 sein E1 27 sagt E4

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22

FünffteS Buch.

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dann vermittelst eures Glaubens und Liebe gegen Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert / daß eure Seelen das Angesicht deß Höchsten eigentlich anschauen würden / so bald der sterbende Leib die Augen zuthäte: [565] Aber ich habe vor dieses mal weit anders mit dir zu reden. Darauff sagte er / es ist mir referirt worden / daß sich die irdische Menschen / und sonderlich ihr Christen deß jüngsten Tags ehistes versehen / weilen nicht allein alle Weissagung / sonderlich was die Sybillen hinterlassen / erfüllt / sondern auch alles. was aufs Erden lebt / den Lastern so schröcklich ergeben sehe: also daß der Allmächtige Gott nicht länger ver­ ziehen werde / der Welt ihr Endschafft zu geben; Weilen dann nun unser Geschlecht mit sampt der Welt untergehen / und im Feur (wiewol wir deß Wassers gewohnt seyn) verderben muß / als entsetzen wir sich nit wenig wegen Zunahung solcher erschröcklichen Zeit; haben dich derowegen zu uns holen lassen / umb zu vernehmen / was etwan deßwegen vor Sorg oder Hoffnung zu machen seyn möchte? wir zwar können auß dem Gestirn noch nichts dergleichen abnehmen / auch nichts an der Erdkugel vermercken / daß ein so nahe Veränderung abhanden seye; müssen sich derowegen wir von denen benachrichtigen lassen / welchen hiebevor ihr Heyland selbsten etliche Warzeichen seiner Zukunft hinterlassen / ersuchen dich derowegen gantz holdseelig / du wollest uns bekenneü / ob der jenige Glaub noch aufs Erden sey oder nit / welchen der zukünftige Richter bey seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird? Ich antwortet dem König / er hätte mich Sachen gefragt / die mir zu beantworten viel zu hoch seyen / zumahln künfftigs zu wissen: und sonderlich die Ankunft deß Herrn allein Gott bekandt; Nun wolan dann / antwortet der König hinwiderumb / so sage mir dann / wie sich die Stände [566] der Welt in ihrem Berufs halten / damit ich darauß entweder der Welt und unsers Geschlechts Untergang: Oder gleich meinen Worten mir und den meinigen ein langes Leben und glückseelige Regierung conjecturiren fönte / hingegen will ich dich sehen lassen was noch wenig zu sehen bekommen / und hernach mit einer solchen Verehrung abfertigen / deren du dich dein lebtag zu erfreuen haben wirst / wann du mir nur 2

euere E4

13

Geschlecht] Geschicht E4

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die Warheit bekennest; Als ich nun hierauff still schwiege und mich bedachte / fuhr der König ferner fort und sagte / nun dran / dran / fang am höchsten an und beschliesse es am nidersten / es muß doch seyn / wann du anders wider auff den Erdboden wilst. Ich antwortet / wann ich an dem höchsten ansahen soll / so mach ich billich den Anfang an den Geistlichen / dieselbe nun seynd gemeiniglich alle / sie seyen auch gleich was vor Religion sie immer wollen / wie sie Eusebius in einer Sermon beschriben; nemlich rechtschaffene Verächter der Ruhe / Vermeider der Wollüste / in ihrem Berufs begierig zur Arbeit / gedultig in Verachtung / ungedultig zur Ehr / arm an Haab und Geld / reich am Gewissen / demütig gegen ihren Verdiensten / und hochmüthig gegen den Lastern; und gleich wie sie sich allein befleissen GOtt zu dienen / und auch andere Menschen mehr durch ihr Exempel als ihre Wort zum Reich Gottes zu bringen; Also haben die Weltliche hohe Häupter und Vorsteher allein ihr Absehen auff die liebe Justitiam, welche sie dann ohne Ansehen der Person einem jedwedern / Arm und Reich / durch die Banck hinauß schnurgerad ertheilen und widerfahren lassen: Die Theologi sind gleichsam lauter Hieronymi und Bedae, [567] die Cardinäl eytel Borromaei, die Bischöffe Augustini, die Aebbte andere Hylariones und Pachomi, und die übrige Religiösen mit­ einander wie die Congregation der Eremiten in der Thedanischen Wildnus! Die Kauffleute handlen nicht auß Geitz / oder umb Gewins willen / sondern damit sie ihren Neben­ menschen mit ihrer Wahr / die sie zu solchem Ende auß fernen Landen herbringen / bedient seyn können: Die Wirthe treiben nicht deßwegen ihre Wirthschafften / reich zu werden / sondern damit sich der Hungerige / Durstige und Räisende bey ihnen erquicken / und sie die Bewirthung als ein Merck der Barmhertzigkeit an den müden und krafftlosen Menschen üben können: Also sucht der Medicus nicht seinen Nutz / sondern die Gesundheit seines Patienten / wohin dann auch die Apothecker zielen: Die Handwercker wissen von keinen Vörteln/ Lügen und Betrug / sondern befleissigen sich / ihre Kunden mit daurhaffter und rechtschaffener Arbeit am besten zu ver2

bedacht E4

8 seyen] seyn E4

26

handeln E4

Fünfftes Buch.

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sehen: Den Schneidern thut nichts gestolenes im Aug wehe / und die Weber bleiben auß Redlichkeit so arm / daß sich auch keine Mäuß bey ihnen ernehren können / denen sie etwan ein Knaul Garn nachwersfen mästen: Man weiß von keinem Wucher / sondern der Wolhäbige hilfst dem Dürfftigen auß Christlicher Liebe gantz ohngebetten: Und wenn ein Armer nicht zu bezahlen hat / ohne mercklichen Schaden und Abgang seiner Nahrung / so schenckt ihm der Reich die Schuld von freyen Stücken: Man spüret keine Hoffart / denn jeder weiß und bedenckt / daß er sterblich ist: Man mercket keinen Neid / denn es weiß und erkennet je einer den andern vor ein Eben­ bild GOttes / das von [568] seinem Schöpffer geliebet wird: Keiner erzürnt sich über den andern / weil sie wissen / daß Christus vor alle gelitten und gestorben: Man höret von keiner Unkeuschheit / oder unordentlichen fleischlichen Begierden / sondern was so vorgehet / das geschicht auß Begierd und Liebe zur Kinderzucht: Da findet man keine Trunckenbold oder Vollsäuffer / sondern wenn einer den andern mit einem Trunck ehret / so lassen sich beyde nur mit einem Christl. Räuschlein benügen: Da ist keine Trägheit im Gottesdienst / denn jeder erzeigt einen embsigen Fleiß und Eyfer / wie er vor allen andern GOtt rechtschaffen dienen möge / und eben deßwegen sind jetzund so schwäre Krieg auff Erden / weil je ein Theil vermeynt / das andere diene GOtt nicht recht: Es gibt keine Geitzige mehr / sondern Gesparsame; keine Ver­ schwender / sondern Freygebige; keine Kriegs-gurgeln / so die Leut berauben und verderben / sondern Soldaten / die das Vatterland beschirmen; keine muthwillige faule Bettler / sondern Verächter der Reichthum / und Liebhaber der frey­ willigen Armuth; keine Korn- und Wein-Juden / sondern vorsichtige Leut / die den überflüssigen Vorrath auff den besorgenden künfftigen Nothfall vor das Volck zusammen heben. Das XVI. Capitel. CH paulirte ein wenig / und bedachte mich was ich noch ferners vorbringen wolte / aber der König sagte / er hätte bereits so viel gehört / daß er nicht mehrers zu wissen

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begehrte; wann ich walte / so sollten mich die seinige gleich wider an den Ort bringen wo sie mich genommen; walte ich aber (dann ich sihe [569] wol / sagte er / daß du zimlich curioa bist) in seinem Reich eins und anders beschauen / daß meines gleichen ohne zweifel selten seyn würde / so solle ich in seiner Jurisdiction sicher hin begleitet werden / wohin ich nur walte / und alsdann so wolle er mich mit einer Verehrung abfertigen / daß ich damit zu friden seyn fönte; da ich mich aber nichts entschliessen / und ihme antworten fönte / wandte er sich zu etlichen die eben in dem Abgmnd deß Mare del Zur, sich begeben: und dorten beydes wie auß einem Garten / und wie von einer Jagd / Nahrung holen sollen / zu den sagte er / nemmt ihn mit / und bringt ihn bald wider her / damit er noch heut wider aufs den Erdboden gestellt werde; zu mir aber sagte er / ich fönte mich in dessen aufs etwas besinnen / das in seiner Macht stünde / umb solches mir zum Recompens und einer ewigen Gedächtnuß mit aufs den Erd­ boden zu geben; Also wischte ich mit den Sylphis darvon durch ein Loch welches etlich hundert Meil lang war / ehe wir aufs den Grund deß obgedachten fridsamen Meers fönten / darauf] stunden Corallenzincken so groß als die Eichbäum / von welchen sie zur Speise mit sich nahmen / was noch nicht erhärtet und geferbt war / dann sie Pflegen sie zu essen / wie wir die junge Hirschgeweyh / da sahe man Schnecken-Häußlein so hoch als ein zimlich Rondel / und so breit als ein Scheuer­ thor; Item Perlen so dick als Fäuste / welche sie an statt der Eyer offen / und andere viel seltzamere Meerwunder die ich nicht all erzehlen sän / der Boden lag überall mit Smaragden / Türckis / Rubinen / Diamanten / Saphiren und andern der­ gleichen Steinen überstreit / gemeiniglich in der Grosse / wie bey uns [570] Wackenstein / so hin und wider in den fliessenden Bächen ligen; da sahe man hie und dort gewaltige Schroffen viel Meil Wegs hoch in die Hohe ragen / welche vor das Wasser hinauß giengen und lustige Jnsulen trugen; diese waren runb herumb mit allerhand lustigen und wunderbarlichen Meer­ gewächsen geziert / und von mancherley seltzamen kriechenden / stehenden und gehenden Creaturen bewohnet; gleichsam als wie der Erdboden mit Menschen und Thieren / die Fische aber 9 fönte E4 33 hoch

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Fünfftes Buch.

deren wir groß und klein und von unzahlbarer Art ein grosse Menge hin und wider über uns im Wasser herumb vagiren sahen / ermahneten mich allerdings an so vielerley Vögel / die sich Frühlingszeit und im Herbst bey uns in der Lufft erlustiren; und weil es eben Vollmon und ein helle Zeit war (dann die Sonn war damals über unserm Horizont, also daß ich damals mit unsern antipodibus Nacht / die Europeer aber Tag hatten) tonte ich durch das Wasser hinauff den Mond und das Gestirn sampt dem Polo antarctico sehen / dessen ich mich wol verwundern miste; Aber der / dem ich in seine Obhut befohlen war / sagte mir / wann wir so wol den Tag hätten als die Nacht / so würde mir alles noch verwunderlicher vorkommen / dann man fönte alsdann von weitem sehen / wie es so wol in Abgrund deß Meers als aufs dem Land schöne Berg und Thäler abgebe / welches schöner schiene / als die schönste Landschafften miss dem Erdboden; Als er auch sahe / daß ich mich über ihn und alle die so mit ihm waren / verwunderte / daß sie als Peruaner / Brasilianer / Mexicaner und Insulaner de los latronos auffgezogen und dannoch so gut teutsch redeten / da sagte [571] er / daß sie nicht mehr als eine Sprach könten / die aber alle Völcker auff dem gantzen Umbkreiß der Erden in ihrer Sprache verstünden / und sie hingegen dieselbe hinwiderumb: welches daher komme / dieweil ihr Geschlecht mit der Thorheit so bey dem Baby­ lonischen Thurn Vorgängen / nichts zu schaffen hätte. Als sich nun meine Convoy genugsam proviantirt hatte / kehrten wir widerumb durch ein andere Höle auß dem Meer in das Centrum terrae, unterwegs erzehlte ich ihrer etlichen / daß ich vermeint hette / das Centrum der Erden wäre in­ wendig hol / in welchem holen Theil die Pigmei wie in einem KranRad herumb liessen / und also die gantze Erdkugel herum trillten / damit sie überal von der Sonnen / welche nach Aristarchi und Copernici Meynung mitten am Himmel unbeweglich still stünde / beschienen würde; Welcher Einfalt wegen ich schröcklich außgelacht wurde / mit Bericht / ich solte mir so wol obiger beyden Gelehrten Meynung / als meine gehabte Einbildung mir ein eitlen Traum seyn lassen; Ich sollte mich / sagten sie / an statt dieser Gedancken besinnen / s Vollmond E4 gelehrten E4

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was ich von ihrem König vor eine Gab begehren wolle / damit ich nicht mit lehrer Hand wiederumb auff den Erdboden dörffte; Ich antwortete / die Wunder die ich seithero gesehen / hetten mich so gar auß mir selbst gebracht / daß ich mich auff nichts bedencken fönte / mit Bitt / sie wollen mir doch rathen / was ich von dem König begehren sollte; Meine Meynung wäre (sintemal er alle Brunnenquellen in der Welt zu dirigiten hätte) von ihm einen Gesund-Brunnen auff meinen Hof zu begehren / wie der jenige wäre / der [572] neulich von sich selbst in Teutschland entsprungen / der gleichwol doch nur Süßwasser führe / der Fürst oder Regent über das stille Meer und dessen Hülen / antwortet / solches würde in seines Königs Macht nicht stehen / und wann es gleich bey ihm stünde / und er mir gern gratificiren wolle / so hätten jedoch dergleichen Heilbrunnen in die Läng keinen Bestand / rc. Ich bat ihn er wollte mir doch unbeschwert die Ursach erzehlen; da antwortet er / es befinden sich hin und wieder in der Erden läre statte / die sich nach und nach mit allerhand Metallen außfüllen / weil sie daselbst auß einer exhalatione humida, vifcofa & crassa, genemt werden / in dem nun solche Gene­ ration geschihet / schlägt sich zu zeiten durch die Spält der Marchasitae aureae vel argenteae auß dem centro, davon alle Quellen getriben werden / Wasser darzu / welches sich dann umb und zwischen den Metallis so viel hundert Jahr enthält / und der Metallen edle Art und heilsame Eigen­ schafften an sich nimbt / wann sich dann das Wasser auß dem centro je länger je mehr vermehrt / und durch seinen starcken Trieb / einen Außlauff auff dem Erdboden sucht und findet / so wird das Wasser / welches so viel hundert oder tausend Jahr zwischen den Metallen verschlossen gewesen / und dessen Kräffte an sich genommen / zum allerersten außgestossen / und thut alsdann an denen Menschlichen Cörpern die jenige wunderbarliche Würckung / die man an solchen neuen Heil­ brunnen sihet / so bald nun solches Wasser / das sich so lang zwischen den Metallen enthalten / verflossen / so folgt gemein Wasser hernach / welches zwar auch durch dieselbige Gäng passirt / in seinem schnellen Laufs aber keine [573] Tugenden oder Kräfften von den Metallen an sich nemmen / und also 3 antwortet E34 n süß Wasser E4 E1-2*4 3i Kräfften E2-4

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auch nicht wie das erstere heilsam seyn kan; Wann ich (sagte er) die Gesundheit so sehr affectire / so solle ich seinen König ersuchen / daß er mich dem König der Salamandrae, mit welchem er in guter Correspondenz stünde / in eine Cur recommendire; derselbe könne die Menschliche corpora zu­ richten / und durch ein Edelgestein begaben / daß sie in keinem Feuer verbrennen möchten / wie ein sonderbarer Leinwat den wir aufs Erden hätten / und im Feuer zu reinigen pflegten / wann er schmutzig worden were; alsdann setze man einen solchen Menschen wie eine schleimige alte stinckende Tabackpfeiff mitten ins Feur / da verzehrten sich dann alle böse Humores und schädliche Feuchtigkeiten / und komme der Patient wider so jung / frisch / gesund und neugeschaffen hervor / als wann er das Elixier Theophrafti eingenommen hätte; Ich wüste nicht ob mich der Kerl foppt oder obs ihm ernst war / doch bedanckte ich mich der vertraulichen Com­ munications und sagte / ich besorgte / diese Cur sey mir als einem Colerico, zu hitzig; mir würde nichts liebers seyn / als wann ich meinen Mit-Menschen eine heilsame rare Quell mit mir aufs den Erdboden bringen könte / welches ihnen zu nutz / ihrem König aber zur Ehr: mir aber zu einem unsterblichen Nahmen / und ewigem Gedächtnuß gereichen würde; darauff antwortet mir der Fürst / wann ich solches suche / so wolle er mir schon ein gut Wort verleyhen / wiewol ihr König so beschaffen / daß er der Ehr oder Schand so ihm aufs Erden zugelegt werde / gleich viel achte; Mithin kamen wir widerumb in den Mittelpunct der Erden / [574] und vor deß Königs Angesicht / als er und seine Printzen sich eben speisen wollten; Es war ein Jmbs wie die Griechische Nephalia, da man weder Wein noch starck Geträncke brauchte / aber an statt dessen / trancken sie Perlen wie rohe oder weichgesottene Eyer auß / als welche noch nicht erhärtet waren / und treff­ liche Stärcke gaben / oder fütterten wie die Bauren sagen. Da observitte ich / wie die Sonn einen See nach den: andern beschiene / und ihre Stralen durch dieselbige biß in diese schröckliche Liesse hinunder warff / also daß es diesen Sylphis niemal an keinem Liecht nicht mangelte: Man sahe sie in diesem Abgrund so heiter wie aufs dem Erdboden 22 Gedächtnüß E4 unter E2-4

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leuchten / also daß sie auch einen Schatten warff: So daß ihnen den Sylphia die See wie Taglöcher oder Fenster taugten / durch welche sie beydes Helle und Wärme empfiengen / und wenn sich solches nicht überall schickte / weil etliche See gar krumm hinum giengen / wurde solches durch die reflexion ersetzt / weil die Natur hin und wieder in die Winckel gantze Felsen von Crystall / Diamanten und Carfuncklen geordnet / so die Helling hinunder fertigten. Das XVII. Capitel.

Ndessen hatte sich die Zeit genähert / daß ich wieder heim solte / derhalben besohl der König / ich solte mich ver­ 3 nehmen lassen / wormit ich vermeynte / daß er mir einen Gefallen thun könte? Da sagte ich / es tönte mir keine grössere Gnade widerfahren / als wenn er mir einen rechtschaffenen AteckieinalLschen [575] Sauerbrunnen miss meinen Hof zu­ kommen lassen würde; Jsts nur das? antwortet der König / Ich hätte vermeynt / du würdest etliche grosse Smaragd auß dem ^merioanischen Meer mit dir genommen / und gebetten haben / dir solche miss den Erdboden paffuen zu lassen? jetzt sehe ich / daß kein Geitz bey euch Christen ist; Mithin reichte er mir einen Stein von seltzamen varirenden Farben / und sagte: Diesen stecke zu dir / und wo du ihn hin auff den Erd­ boden legen wirst / daselbst wird er ansahen das Centrum wieder zu suchen / und die bequemste Mineralia durchgehen / biß er wieder zu uns kompt / und dir unsert wegen eine herr­ liche Sauerbrunnen-Quell zuschickt / die dir so wol bekommen und zuschlagen soll / als du mit Eröffnung der Warheit umb uns verdient hast. Darauff nam mich der Fürst vom Mummel­ see alsbald wieder in sein Geleit / und passirte mit mir den Weg und See wieder zurück / durch welchen wir herkommen waren / rc. Diese Heimfahrt dünckte mich viel weiter / als die Hinfahrt / also daß ich auff dritthalb-tausend wolgemässener Teutscher Schtveitzer-Meilen rechnete; es war aber gewiß die Ursach / daß mir die Zeit so lang wurde / weil ich nichts mit meiner Convoy redete / als blößlich / daß ich von ihnen vernam / 8 hinunter E2-4

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Fünfstes Buch.

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sie würden biß auff 3. 4. oder 500. Jahr alt / und solche Zeit lebten sie ohne einige Kranckheit. Im übrigen war ich im Sinn mit meinem Saurbrunnen so reich / daß alle meine Witz und Gedancken genug zu thun hatten / zu berathschlagen / wo ich ihn hin setzen / und wie ich mir ihn zu Nutz machen wolte; Da hatte ich allbereit meine Anschlag wegen der an­ sehnlichen ©e*[576]£mu / die ich darzu setzen müste / damit die Badgäste auch rechtschaffen accommoditt seyn / und ich hingegen ein grosses Losament-gelt auffheben möchte; ich ersänne schon / durch was vor Schmiralia ich die Medicos persuadkett wolte / daß sie meinen neuen Wunder-Sauer­ brunnen allen andern / ja gar dem Schwalbacher vorziehen / und mir einen Haussen reiche Badgäst zuschaffen sollen; ich machte schon gantze Berg eben / damit sich die Ab- und Zu­ fahrende über keinen müheseeligen Weg beschwereten; Ich dingte schon verschmitzte Haußknecht / geitzige Köchinnen / vor­ sichtige Bett-Mägd / wachtsame Stallknecht / saubere Badund Brunnen-Verwalter / und sänne auch bereits einen Platz auß / auff welchen ich mitten im wilden Gebürg / bey meinem Hof / einen schönen ebenen Lust-Garten pflantzen /und allerley rare Gewächs darinnen zielen wolte / damit sich die fremde Herren Badgäst und ihre Frauen darinn erspazieren / die Krancke erfrischen / und die Gesunde mit allerhand kurtzweiligen Spielen ergehen und erramlen können. Da musten mir die Medici, doch umb die Gebühr / einen herrlichen Tractat von meinem Brunnen und dessen köstlichen Quali­ täten zu Papier bringen / welchen ich alsdann neben einem schönen Kupfferstück / darein mein Baurn-Hof entworsfen und in Grund gelegt / drucken lassen wolte / auß welchem ein jeder abwesender Krancker sich gleichsam halb gesund lesen und hoffen möchte; ich liesse alle meine Kinder von L. holen / sie allerhand lernen zu lassen / das sich zu meinem neuen Bad schickte / doch dorffte mir keiner kein Bader werden / dann ich hatte mir vorgenommen / meinen Gästen / ob zwar [577] nicht den Rucken / doch aber ihren Beutel dapffer zu schrepffen. Mit solchen reichen Gedancken und über-glückseeligem SinnHandel erreichte ich wiederum die Lufft / Massen mich der vielgedachte Printz allerdings mit trockenen Kleidern auß 15

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seinem Mummel-see ans Land setzte / doch muste ich das Cleinod / so er mir anfänglich geben / als er mich abgeholet / stracks von mir thun / dann ich hätte sonst in der Lufft ent­ weder ersauffen / oder Athem zu holen den Kopfs wieder ins Wasser stecken müssen / weil gedachter Stein solche Würckung vermochte. Da nun solches geschehen / und er denselben wieder zu sich genommen / beschirmten wir einander als Leut / die einander nimmermehr wieder zu sehen würden bekommen / er duckte sich / und fuhr wieder mit den seinigen in seinen Abgrund / ich aber gieng mit meinem Lapide, den mir der König geben hatte / so voller Freuden darvon / als wenn ich das Gülden Fell auß der Insul Colchis darvon gebracht hätte. Aber Ach! meine Freud / die sich selbst vergeblich miss eine immerwährende Beständigkeit gründete / währete gar nicht lang / dann ich war kaum von diesem Wunder-see hinweg / als ich bereits anfienge in dem ungeheuren Wald zu verirren / weil ich nit Achtung geben hatte / von wannen her mein Knan mich zum See-gebracht; Ich gieng ein gut stück Wegs fort / ehe ich meiner Verirrung gewahr wurde / und machte noch immerfort Calender / wie ich den köstlichen Sauerbmnnen aufs meinen Hof setzen / wol anlegen / und mir dabey einen geruhigen Herrnhandel schaffen möchte. Dergestalt kam ich ohnvermerckt [578] je länger je weiter von dem Ort / wohin ich am allermeisten begehrte / und was das schlimste war / wurde ichs nicht eher innen / biß sich die Sonn neigte / und ich mir nit mehr zu heissen wüste / da stunde ich mitten in einer Wildnus wie Matz von Dreßden / beydes ohne Speiß und Gewehr / dessen ich gegen die bevorstehende Nacht wol bedörfftig gewest wäre; Doch tröstete mich mein Stein / den ich mit mir auß dem innersten Jngeweid der Erden herauß gebracht hatte: Gedult / Gedult! sagte ich zu mir selber / dieser wird dich aller überstandenen Noth wiederum ergehen / gut Ding will Weil haben / und vortreffliche Sachen werden ohne grosse Mühe und Arbeit nicht erworben / sonst würde jeder Narr ohne schnauffens und Bart-wischens einen solchen edlen Sauerbrunnen / wie du einen in der Daschen hast / seines Gefallens zu wegen bringen.

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Da ich mir nun solcher gestalt zugesprochen / faßte ich zu­ gleich mit der neuen Resolution auch neue Kräfften / massen ich weit dapfferer als zuvor aufs die Solen tratte / ob mich gleich die Nacht darüber ereylte; der Vollmond leuchtete mir zwar fein / aber die hohe Dannen liessen mir sein Liecht nicht so wol gedeyen / als denselben Tag das tieffe Meer gethan hatte / doch kam ich so weit fort / biß ich umb Mitter­ nacht von weitem ein Feuer gewahr wurde / auff welches ich den geraden Weg zugienge / und von fernen sahe / daß sich etliche Wald-Bauren darbey befanden / die mit dem Hartz zu thun hatten: Wiewol nun solchen Gesellen nit allzeit zu trauen / so zwang mich doch die Noth / und riethe mir meine eigene Courage ihnen zuzusprechen; Ich hinderschlich sie [579] unversehens / und sagte: Tönte Nacht oder guten Tag / oder guten Morgen oder guten Abend ihr Herren! sagt mir zuvor / umb welche Zeit es sehe / damit ich euch darnach zu grüssen wisse? Da stunden und fassen sie alle sechse vor Schrecken zitternd / und wüsten nicht was sie mir antworten sotten / dann weil ich einer von den Längsten bin / und eben damals noch wegen meines jüngst-verstorbenen Weibleins seel. ein schwach Trauer-Kleid an hatte / zumalen einen schröcklichen Prügel in Händen trug / auff welchen ich mich wie ein wilder Mann steurete / kam ihnen meine Gestalt ent­ setzlich vor; Wie? sagte ich / will mir dann keiner antworten? Sie verblieben aber noch ein gute Weil erstaunt / biß sich endlich einer erholte / und sagte:wear ischt dann der Hair? Da hörete ich / daß es ein Schwäbische Nation seyn müste / die man zwar (aber vergeblich) vor einfältig schätzet / sagte derowegen / ich sehe ein fahrender Schüler / der jetzo erst auß dem Venu8-Berg komme / und ein gantzen Haussen wunderliche Künst gelernet hätte; Oho! antwortet der ältste Baur / jetzt glaub ich GOtt Lob / daß ich den Frieden wieder erleben werde / weil die fahrende Schüler wieder anfangen zu räisen. Das XVIII. Capitel. ALso kamen wir miteinander ins Gespräch / und ich genösse so vieler Höflichkeit von ihnen / daß sie mich hiessen zum Feuer nider sitzen / und mir ein Stück schwartz Brod und i fastete E4 4 leuchtet E4 n allezeit E4 terend E4 38 schwartz-Brod E2

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magern Küh-Käß anbotlen / welches ich dann alle beyde acceptitte; Endlich [580] wurden sie so verträulich / daß sie

mir zumutheten / ich solle ihnen als ein fahrender Schüler gute Warheit sagen: Und weil ich mich so wol aufs die Phyfiognomiam als Chiromantiam umb etwas verstünde / fienge ich an einem nach dem andern auffzuschneiden / was ich meynte daß sie contentueit würde / damit ich bey ihnen meinen Credit nicht vertierte / denn es war mir bey dieser wilden Waldbursch nicht allerdings heimlich. Sie begehrten allerhand fürwitzige Künste von mir zu lernen / ich aber ver­ tröstet sie aufs den künfftigen Tag / und begehrte / daß sie mich ein wenig wollen ruhen lassen. Und demnach ich solcher gestalt einen Zigeiner agitt hatte / legte ich mich ein wenig beyseits / mehr zu horchen und zu vernehmen / wie sie gesinnet / als daß ich grossen Mllen (wiewol es am Appetit nicht mangelte) zu schlaffen gehabt hätte; je mehr ich nun schnarchte / je wachtsamer sie sich erzeigten / sie stiessen die Köpff zusammen / und fiengen an umb die Wett zu rathen / wer ich doch seyn möchte? vor keinen Soldaten wollen sie mich halten / weil ich ein schwartz Kleid antrug / und vor keinen Burgers-Kerl konten sie mich nit schätzen / weil ich zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den Leuten in das Mucken-Loch (dann so heisset der Wald) angestochen käme. Zuletzt beschlossen sie / ich müste ein Lateinischer HandwercksGesell seyn / der verirret wäre / oder meinem eigenen Vor­ geben nach / ein fahrender Schüler / weil ich so trefflich wahr­ sagen könte: Ja / fieng denn ein anderer an / und sagte / Er hat drumb nicht alles gewust / er ist etwan ein loser Krieger / und hat sich so verkleidet / unser Vieh und die Schlich im Wald außzukündi-[581]gen / Ach daß wirs wüsten / wir wollen ihn schlaffen legen / daß er das auffwachen vergessen sötte! Geschwind war ein anderer da / der diesem Widerpart hielte / und mich vor etwas anders ansähe. Indessen lag ich dort / und spitzt die Ohren / ich gedachte / werden mich diese Knollfincken angreiffen / so muß mir zuvor einer oder drey ins Gras beissen / ehe sie mich auffopffern. Demnach nun diese so rathschlagten / und ich mich mit Sorgen ängstigte / wurde mir gehling / als ob einer bey 9

willen E4 Waldpursch E2-4

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spitzte E4

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mir lege / der ins Bett bruntzte / dann ich lag unversehens gantz naß / 6 mirum! da war Troja verloren / und alle meine treffliche Anschläge waren dahin / dann ich merckte am Geruch / daß es mein Sauerbrunnen war; Da geriethe ich vor Zorn und Unwillen in eine solche Raserey / daß ich mich bey nahe allein hinder die sechs Baurn gelassen / und mit ihnen herum geschlagen hätte: Ihr gottlose Flegel / (sagte ich zu ihnen / als ich mit meinem schröcklichen Prügel auffgesprungen war) an diesem Saurbrunnen der auff meiner Lägerstatt hervor quillt / fönt ihr mercken / wer ich sey / es wäre kein Wunder / ich straffte euch alle / daß euch der Teuffel holen mochte! weil ihr so böse Gedancken in Sinn nehmen dörffen / machte darauff so bedrohliche und erschröckliche Minen / daß sie sich alle vor mir entsetzten: Doch kam ich gleich wieder zu mir selber / und merckte / was ich vor eine Thorheit begieng / Nein / (gedacht ich) besser ists den Sauer­ brunnen / als das Leben verloren / das du leicht einbüssen sanft / wenn du dich hinder diese Simmel machst: gab ihnen derhalben wieder gute Wort / und sagte / ehe sie sich etwas anders [582] entsinnen fönten: Stehet auff / und versucht den herrlichen rÄuerbrunnen / den ihr und alle Hartz- und Holtzmacher hinfort in dieser Wildnus meinet wegen zu gemessen haben werdet! Sie fönten sich in mein Gespräch nicht richten / sondern sahen einander an wie lebendige Stockfisch / biß sie sahen / daß ich fein nüchtern auß meinem Hut den ersten Trunck thät / da stunden sie nacheinander vorn Feuer auff / darurnb sie gesessen / besahen das Wunder / und versuchten das Wasser / und an statt daß sie mir darum hätten danckbar seyn sollen / fiengen sie an zu lästern / und sagten: Sie toölten / daß ich mit meinem Saurbrunnen an ein ander Ort gerathen wäre / dann solle ihre Herrschafft dessen innen werden / so müste das gantze Ampt Dornstett frohnen / und Weg darzu machen / welches ihnen dann ein grosse Beschwerlichkeit seyn würde. Hingegen (sagte ich) habt ihr dessen alle zu gemessen / eure Hüner / Eyer / Butter / Viehe und anders / fönt ihr besser ans Geld bringen; Nein nein / sagten sie / Nein! die Herrschafft setzt einen Wirth hin / der wird allein reich / und wir müssen seine Narren seyn / ihm Weg und Steg erhalten / 5 ein E4 6 Bauren E4 9 mein Lagerstatt E4 ic gedachte E4 17 entbüssen E4 19 derobalben E4 so andern E4 ss eine E4 38 mästeten E4

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und werden noch kein Danck darzu darvon haben! ZületzL entzweyten sie sich / zween walten den Sauerbrunnen behalten / und ihrer vier wütheten mir zu / ich solte ihn wieder ab­ schaffen; welches / da es in meiner Macht gestanden wäre / ich wol ohne sie gethan haben wolte / es wäre ihnen gleich lieb oder leyd gewesen. Weil dann nunmehr der Tag vorhanden, war / und ich nichts mehr da zu thun hatte / zumalen besorgen müste / wir würden / da es noch lang herum [583] gieng / einander endlich in die Haar gerathen / sagte ich: Wenn sie nicht wollen / daß alle Kühe im gantzen Bayersbrunner Thal rothe Milch geben sotten / so lang der Brunn liesse / so solten sie mir alsobald den Weg in Seebach weisen / dessen sie dann wol zu frieden / und mir zu solchem End zwey mitgaben / weil sich einer allein bey mir förchtete. Also schiede ich von dannen / und ob zwar dieselbe gantze Gegend unfruchtbar war / und nichts als Tannzapffen trug / so hätte ich sie doch noch elender verfluchen mögen / weil ich alle mein Hoffnung daselbst verloren; doch gienge ich still­ schweigend mit meinen Wegweisern fort / biß ich aufs die Höhe deß Gebürgs kam / allwo ich mich dem Geländ nach wieder ein wenig erkennen tonte. Da sagte ich zu ihnen: Ihr Herren könt euch euren neuen Saurbrunnen trefflich zu nutz machen / wenn ihr nemlich hin gehet / und eurer Obrig­ keit dessen Ursprung anzeiget / dann da würde es eine treff­ liche Verehrung setzen / weil alsdann der Fürst selbigen zur Zierde und Nutz deß Lands aufsbauen / und zu Vermehrung seines Interesse aller Welt bekant machen lassen wird; Ja / sagten sie / da wären wir wol Narren / daß wir uns eine Ruth aufs unsern eigenen Hindern machten / wir wolten lieber / daß dich der Teuffel mit sampt deinem Sauerbrunnen holete / du hast genug gehört / warumb wir ihn nicht gerne sehen! Ich antwortet / Ach ihr heyllose Tropffen / solte ich euch nit meineydige Schelmen schelten / daß ihr auß der Art eurer frommen Vor-Eltern so ferne abtrettet! dieselbige waren ihrem Fürsten so getreu / daß er sich ihrer rühmen dörffte / Er wäre so kühn / in eines jeden seiner [584] Underthanen Schos seinen Kopfs zu legen / und darinn sicherlich zu schlaffen; i keinen E4 darzu fehlt E4 Zuletzt E2-4 11 Kuh E4 19 meine E4 24 euerer E4 32 gern E4 34 euerer E4 37 war E4 Unter­ thanen E2-4

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und ihr Maußköpff seht nicht so ehrlich / einer besorgenden geringen Arbeit willen / darurnb ihr doch mit der Zeit wieder ergeht würdet / und deren all eure Nachkömmling reichlich zu gemessen hätten / beydes eurem Hochlöbl. Fürsten zu Nutz / und manchem elenden Krancken zur Wolfahrt und Gesundheit diesen heylsamen Sauerbrunnen zu offenbaren; was solts seyn / wann gleich etwan jeder ein paar Tag darzu frohnte? Was / sagten sie / wir wollen dich / damit dein Sauerbrunnen verborgen bleibe / ehender im Frohn todt schlagen; Ihr Vögel / (sagte ich) es müsten eurer mehr seyn! zuckte darauff meinen Prügel / und jagte sie damit für alle Sanct Velten hinweg / gierig folgends gegen Nidergang und Mittag Berg abwerts / und käme nach vieler Mühe und Arbeit gegen Abend wieder heim aufs meinen Bauren-Hof / im Merck wahr zu seyn be­ findend / was mir mein Knan zuvor gesagt hatte / daß ich nemlich von dieser Wallfahrt nichts als müde Bein / und den Hergang vor den Hingang haben würde. Das XIX. Capitel.

A^Ach meiner Heimkunfft hielte ich mich gar eingezogen/mein gröste Freud und Ergetzung war / hinter den Büchern zu sitzen / deren ich mir dann viel beyschaffte / die von aller­ hand Sachen tractirten / sonderlich solche / die ein grosses Nachsinnens bedorfften; das was bie Grammatici und Schul­ füchse wissen müßten / war mir bald erleidet / und eben also [585] wurde ich der Arithmeticae auch gleich überdrüssig / was aber die Musicam anbelangt / haßte ich dieselbe vor­ längst wie die Pest / wie ich dann meine Laute zu tausend Stückern schmisse; die Mathematica und Geometria fand noch platz bey mir / so bald ich aber von diesen ein wenig zu ber Aftronomia geleitet wurde / gab ich ihnen auch Feyer­ abend und hieng dieser sampt der Altrologia ein zeitlang an / welche mich dann trefflich delectirten / endlich kamen sie mir auch falsch und ungewiß vor / also daß ich mich auch nicht länger mit ihnen schleppen mochte / sondern griffe nach der Kunst Raymundi Lullii, fände aber viel Geschrey und wenig Wollen / und weil ich sie vor ritte Topicam hielte / ließ io

euerer E4

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abwartS E2-4

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tractiren E4

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möchte E4

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ich sie fahren und machte mich hinter die Cabalam der He­ breer / und Hieroglyphicas der Egyptier / fände aber die allerletzte und auß allen meinen Künsten und Wissenschafften / daß kein besser Kunst sey / als die Theologia, wann man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtschnur derselbigen erfände ich vor die Menschen eine Art zu leben die mehr Englisch als Menschlich seyn fönte / wann sich nemlich eine Gesellschafft zusammen thäte / beydes von verehlichten und ledigen / so Manns- als Weibspersonen / die aufs Manier der Widertäuffer allein sich beflissen / unter einem verständigen Vorsteher durch ihrer Hand Arbeit ihren leiblichen Unterhalt zu gewinnen / und sich die übrige Zeiten mit dem Lob und Dienst Gottes und ihrer Seelen Seeligkeit zu bemühen; dann ich hatte hiebevor in Ungarn auff den Widertäufferischen Höfen ein solches Leben gesehen / also daß ich / wofern dieselbe gute Leut mit andem falschen / und der allgemeinen [586] Christlichen Kirchen widerwertigen ketze­ rischen Meinung nicht teeren verwickelt und vertiefst gewesen / ich mich von freyen stücken zu ihnen geschlagen / oder wenigst ihr Leben vor das seeligste in der gantzen Welt gescheht hätte / dann sie kamen mir in ihrem Thun und Leben allerdings für wie Josephus und andere mehr / die Jüdische Esseer be­ schrieben; Sie hatten erstlich grosse Schätze und überflüssige Nahrung / die sie aber keines Wegs verschwendeten / kein Fluch / Murmelung noch Ungedult würde bey ihnen gespürt / ja man hörete kein unnützes Wort / da sahe ich die Handwercker in ihren Werckstätten arbeiten / als wann sie es verdingt hätten / ihr Schulmeister instruirte die Jugend / als wann sie alle seine leibliche Kinder gewest wären / nirgends sahe ich Manns- und Weibsbilder untereinander vermischt / son­ dern an jedem bestimbten Ort auch jedes Geschlecht absonder­ lich seine obligende Arbeit verrichten; Ich fände Zimmer / in welchen nur Kindtbetterinnen waren / die ohne Obsorg ihrer Männer durch ihre Mitschwestern mit aller nothwendigen Pfleg sampt ihren Kindern reichlich versehen wurden / andere sonderbahre Säl hatten nichts anders in sich / als viel Wiegen mit Säuglingen / die von hierzu bestirnten Weibern mit Wischen und Speisen beobachtet wurden / daß sich deren 5 33

denselbigen E2-4 8 ein E4 9 so wol E4 welchem E2-4 34 nothwendiger E4

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nirgend E2*4

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Mütter ferners nicht umb sie bekümmern dorfften / als wann sie täglich zu dreyen gewissen Zeiten kamen / ihnen ihre milchreiche Brüste zu bieten: und dieses Geschaffte den Kind­ betterin und Kindern abzuwarten war allein den Wittiben anbefohlen / anderswo sahe ich das Weibliche Geschlecht sonst nichts thun als spinnen / also daß man [587] über die hundert Kunckeln oder Spinnrocken in einem Zimmer bey einander antraff / da war eine ein Wäscherin / die ander eine Bett­ macherin / die dritte Vieh-Magd / die vierte Schüsselwäscherin / die fünfte Kellerin / die sechste hatte das weiß Zeug zu ver­ walten / und also auch die übrige alle / wüste ein jedwedere was sie thun sötte; und gleichwie die Aempter unter dem Weiblichen Geschlecht ordentlich außgetheilet waren / also wüste auch unter den Männern und Jünglinge jeder sein Geschäfte / wurde einer oder eine kranck / so hatte er oder dieselbe einen sonderbahren Kranckenwarter oder Wärterin / auch beyde Theil einen allgemeinen Medicum und Apotecker; wiewol sie wegen löbl. Diset und guter Ordnung selten erkrancken / wie ich dann manchen feinen Mann in hohem gesundem und geruhigem Alter bey ihnen sahe / dergleichen anderswo wenig anzutreffen / sie hatten ihre gewisse Stunden zum Essen / ihr gewisse Stunden zum Schlaffen / aber kein einzige Minut zum spielen noch spatzieren / ausserhalb die Jugend / welche mit ihrem Praeceptor jedes mal nach dem essen der Gesundheit halber ein Stund spatzieren gehen: mithin aber beten / und geistliche Gesänge singen muste / da war kein Zorn / kein Eifer / kein Rachgier / kein Neid / kein Feindschafft / kein Sorg umb Zeitlichs / kein Hoffart / kein Reu! In Summa / es war durchauß eine solche lieb­ liche Harmonia, die aufs nichts anders angestimbt zu seyn schiene / als das Menschlich Geschlecht und das Reich Gottes in aller Erbarkeit zu vermehren / kein Mann sahe sein Weib / als wann er aufs die bestimbte Zeit sich mit derselbigen in seiner Schlafkammer befände / in wel-[588]cher er sein zugerichtes Bett / und sonst nichts darbey als sein Nachtgeschirr neben einem Wasserkrug und weissen Handzwel fände / damit er mit gewaschenen Händen beydes schlaffen gehen / und den Morgen wieder an seine Arbeit auffstehen möchte; Uber das 22 ihre E4 24 jedesmalö E4 28 Zeitliches E4 36 fand E4

26 mithin] mit ihn E4

musten E4

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hiessen sie alle einander Schwestern und Brüder / und war doch eine solche ehrbare Vertraulichkeit keine Ursach unkeusch zu seyn. Ein solch seeliges Leben / wie diese Widertäufferische Ketzer führen / hätte ich gerne auch auffgebracht / dann so viel mich dünckte / so übertraff es auch das Clösterliche: Ich gedachte / köntestu ein solches ehrbares Christliches Thun auffbringen unter dem Schutz deiner Obrigkeit / so wärest du ein anderer Dominions ober Franciscus; Ach / sagte ich offt / föntest du doch die Widertäuffer bekehren / daß sie unsere Glaubensgenossen ihre Manier zu leben lerneten / wie wärest du doch so ein seeliger Mensch! Oder wenn du nur deine Mit-Christen bereden lerntest / daß sie wie diese Widertäuffer ein solches (dem Schein nach) Christliches und ehrbares Leben führten / was hättestu nicht ausgerichtet? Ich sagte zwar zu mir selber: Narr / was gehen dich andere Leut an / werde ein Capucciner / dir sind ohne das alle Weibsbilder erleidet; Aber bald gedachte ich / du bist morgen nicht wie heut / und wer weiß / was du künfftig vor Mittel bedörfftig / den Weg Christi recht zu gehen? heut bistu geneigt zur Keuschheit / morgen aber kanstu brennen. Mit solchen und dergleichen Gedancken gierige ich lang umb / und hätte gerne so einer vereinigten Christlichen Gesellschafft meinen Hof und gantzes [589] Vermögen zum besten ge­ geben / unter derselben ein Mitglied zu seyn. Aber mein Knan propheceyte mir stracks / daß ich wol nimmermehr solche Bursch zusammen bringen würde. Das XX. Capitel. ^Enselbigen Herbst näherten sich Frantzösische / Schwedische ^ und Hessische Völcker / sich bey uns zu erfrischen / und zugleich die Reichs-Statt in unserer Nachbarschafft / die von einem Engländischen König erbaut / und nach seinem Nahmen genennet worden / blocquirt zu halten / deßwegen dann jederman sich selbst sampt seinem Vieh und besten Sachen in die hohe Wälder flehnte; Ich machte es wie meine Nachbarn / und liesse das Hauß zimlich läer stehn / in welches ein Refor­ mierter Schwedischer Obrist logirt wurde; Derselbige fände 16

Capuziener E4

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Pursch E2-4

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stehen E4

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in meinem Cabinet noch etliche Bücher / dann ich in der Eyl nicht alles weg bringen fönte / und unter andern einige Mathematische und Geometrische Abriß / auch etwas vom Fortification-SBefen / wormit vornemlich die Ingenieur urnbgehen / schloß derhalben gleich / daß sein Quartier keinem gemeinen Bauren zuständig seyn müste / fienge derowegen an / sich umb meine Beschaffenheit zu erkündigen / und meiner Person selbsten nachzutrachten / massen er selbsten durch courtoise Zu-entbietungen und untermischte Droywort mich dayin brachte / daß ich mich zu chm auff meinen Hof begab / daselbst tractirte er mich gar höflich / und hielte seine Leut dayin / daß sie mir nichts unnützlich Ver-s590^derben oder umbbringen solten. Mit solcher Freundlichkeit brachte er zu wegen / daß ich chm all meine Beschaffenheit / vornemlich aber mein Geschlecht und Herkommen vertraute. Darauff ver­ wundert er sich / daß ich mitten im Krieg so unter den Baurn wohnen / und zusehen möchte / daß ein anderer sein Pferd an meinen Zaun binde / da ich doch mit bessern Ehren das meinig an eines mtbem binden fönte / ich solte (sagte er) den Degen wieder anhencken / und meine Gaben die mir Gott verliehen hätte / nicht so hinderm Ofen und beym Pflug verschimlen lassen / er wüste / wenn ich Schwedische Dienst an­ nehmen würde / daß mich meine Qualitäten und KriegsWissenschafften bald hoch anbringen würden: Ich liesse mich hierzu gar kaltsinnig an / und sagte / daß die Beförderung in weitem Feld stünde / wenn einer keine Freund hätte / die einem unter die Arm griffen; hingegen replicirte er / meine Beschaffenheiten würden mir schon beydes Freunde und Be­ förderung schaffen / über das zweifle er nicht / daß ich nit Verwandte bey der Schwedischen Haupt-Armee antreffen würde / die auch etwas gelten / dann bey derselben viel vor­ nehme Schottische von Adel sich befänden / ihm zwar (sagte er ferner) sehe vom Torstensohn ein Regiment versprochen / wann solches gehalten würde / woran er denn gar nit zweiffele / so wolte er mich alsbald zu seinem Obrist Leutenant machen. Mit solchen und dergleichen Worten machte er mir das Maul gantz wässerig / und weilen noch schlechte Hoffnung auff den Frieden zu machen war / und ich deßwegen so wol 5 derohalben E4 21 bey E4

10 meinem E4

10 Bauren E4

is Ehren an E4

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fernerer Einquartierung als gäntzlichen Ruins unterworffen / als refolvirt ich mich wiederum mit zu machen / und ver­ sprach [591] dem Obristen / mich mit ihm zu begeben / wofern er mir seine Parol halten / und die Obrist Leutenantstelle bey seinem künfftigen Regiment geben wolle. Also wurde die Qilod gegossen / ich liesse meinen Knan ober Petter holen / derselbe war noch mit meinem Vieh zu Bay­ rischbrunn / dem und seinem Weib verschrieb ich meinen Hof vor Eygenthum / doch daß ihn nach seinem Todt mein Bastart Simplicius, der mir vor die Thür gelegt worden / sampt aller Zugehörde erben solte / weil keine eheliche Erben vor­ handen; folgends holte ich mein Pferd / und was ich noch vor Geld und Cleinodien hatte / und nachdem ich alle meine Sachen richtig / und wegen Aufferziehung erstermeldten meines wilden Sohns Anstalt gemacht / wurde angeregte Blocquada unversehens auffgehoben / also daß wir auffbrechen / und zu der Haupt-Armee marchiren musten / ehe wir sichs versahen; Ich agirete bey diesem Obristen einen Hofmeister / und erhielte mit seinen Knechten und Pferden ihn und seine gantze Haußhaltung mit stehlen und rauben / welches man aufs Soldatisch fouragiren nennet. Die Torstensohnische Promeffen / mit denen er sich aufs meinem Hof so breit gemacht / waren bey weitem nit so groß als er vorgeben / sondern wie mich bedünckte / wurde er vielmehr nur über die Achsel angesehen: Ach! sagte er dann gegen mir / was vor ein schlimmer Hund hat mich bey der Generalität eingehauen / da wird meines Verbleibens nicht lang seyn. Und demnach er argwohnete / daß ich mich bey ihm in die Läng nicht gedulden würde / dichtet er Briefs / als wann er in Liffland / allwo er dann [592] zu Hauß war / ein frisch Regiment zu werben hatte / und überredete mich damit / daß ich gleich ihm zu Wißmar auffsasse / und mit ihm in Liffland fuhr. Da war es nun auch nobis, dann er hatte nicht allein kein Regiment zu werben / sondern war auch sonsten ein Blut-armer Edelmann / und was er hatte / war von seinem Weib da. Ob ich nun zwar mich zweymal betrügen / und so weit hinweg führen lassen / so gieng ich doch auch das dritte mal 7 Pfetter E4 8 meinen] meinem E4 29 gebulten E4

is rollten E4

18 agirte E4

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an / dann er wiese mir Schreiben vor / die er auß der Moscau bekommen / in welchen ihm (seinem Vorgeben nach) hohe Ärieg^Chargen angetragen wurden / massen er mir dieselbige Schreiben so verteutschte / und von richtiger und guter Bezahlung trefflich auffschnitte: Und weilen er gleich mit Weib und Kind auffbrach / dachte ich / er wird ja umb der Gans willen nicht hinziehen; begab mich derowegen voll guter Hoffnung mit ihme auff den Weg / weil ich ohne das kein Mittel und Gelegenheit sahe / vor dißmal wieder zurück in Teutschland zu kehren; So balden wir aber über die Reussische Grentze kamen / und uns unterschiedliche abgedanckte Teutsche Soldaten / vornemlich Officier begegneten / fienge mir an zu graueln / und sagte zu meinem Obristen / Was Teuffels machen wir? wo Krieg ist / da ziehen wir hinweg / und wo es Fried / und die Soldaten unwerth und abgedanckt worden / da kommen wir hin! Er aber gab mir noch immer gute Wort / und sagte: Ich solte ihn nur sorgen lassen / er wisse besser was zu thun sey / als diese Kerl / an denen nicht viel gelegen. [593] Nach dem wir nun sicher in der Statt Moscau an­ kommen / sahe ich gleich daß es gefehlt hatte / mein Obrister conferirte zwar täglich mit den Magnaten, aber viel mehr mit den Metropoliten als den Knesen / welches mir gar nicht Spanisch / aber viel zu Pfäffisch vorkam; so mir auch aller­ hand Grillen und Nachdenkens erweckte / wiewol ich nicht ersinnen tönte / nach was vor einem Zweck er zielte; endlich notificirt er mir / daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre / und daß ihn sein Gewissen treibe die Griechische Religion an­ zunehmen; Sein treuhertziger Rath wäre / weil er mir ohne das nunmehr nicht helffen tonte wie er versprochen / ich solte ihm nachfolgen; Deß Zaarn Mayestät hätte bereits gute Nach­ richt von meiner Person und guten Qualitäten / die würden gnädigst belieben / wofern ich mich accommodiren wolte / mich als einen Cavallier mit einem stattlichen Adelichen Gut und vielen Unterthanen zu begnädigen; Welches allergnädigste Anerbieten nicht außzuschlagen wäre / in deme einem jed­ wedem rathsarner wäre / an einem solchen grossen Monarchen mehr einen allergnädigsten Herrn / als einen ungeneigten 28 Griegische E4

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Groß-Fürsten zu haben; Ich würd hierüber gantz bestürtzt / und wüste nichts zu antworten / weil ich dem Obristen / wann ich ihn an einem andern Ort gehabt / die Antwort lieber im Gefühl als im Gehör zu verstehen geben hätte; muste aber meine Leyer anders stimmen / und mich nach dem jenigen Ort richten / darinn ich mich gleichsam, wie ein Gefangner befände / weßwegen ich dann / ehe ich mich auff eine Ant­ wort refolviten fönte / so lang stillschwi-s594]ge: Endlich sagte ich zu ihm / ich wäre zwar der Meinung kommen / ihrer Zaarischen Mäyestät / als ein Soldat zu dienen / warzu er der Herr Obriste mich daselbst veranlaßt hätte / seyen nun Dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedörfftig / so fönte ichs nicht ändern / viel weniger Derselben Schuld zumessen / daß ich Jhrentwegen einen so weiten Weg vergeblich gezogen / weil sie mich nicht zu Jhro zu kommen beschrieben / daß aber Dieselbe mir ein so hohe Zaarische Gnad allergnädigst wider­ fahren zu lassen geruheten / wäre mir mehr rühmlich aller Welt zu rühmen / als solche allerunterthänigst zu acceptireit und zu verdienen / weil ich mich meine Religion zu mutiren noch zur Zeit nicht entschliessen könne / wünschend / daß ich widerumb am Schwartzwald auff meinem Bauren-Hof sässe / umb niemanden einiges Anligen noch Ungelegenheiten zu machen; Hierauff antwortet er / der Herr thue nach seinem Belieben / allein hette ich vermeinet / wann ihn Gott und das Glück grüsset / so solte er beyden billich dancken / wann er ihm aber ja nicht helffen lassen / noch gleichsam wie ein Printz leben will / so verhoffe ich gleichwol / er werde darvor halten / ich habe an ihm das meinig nach eusserstem Vermögen zu thun keinen Fleiß gespart / daraufhin machte er einen Liessen Bückling / gieng seines Wegs und liesse mich dort sitzen / ohne daß er zulassen wolte / ihme nur biß vor die Thür das Geleit zu geben. Als ich nun gantz perplex dort fasse / und meinen dama­ ligen Zustand betrachtete / hörete ich zween Reussische Wägen vor unserm Losament / sahe ba-[595]rauff zum Fenster hinauß / und wie mein guter Herr Obrister mit seinen Söhnen in den einen / und die Frau Obristin mit ihren Töchtem in den andern einstiege / es waren deß Groß-Fürsten Fuhren 9 ihre E2-4 rührte E2 4

10 Majestät E2*4 22 umb] und E4

worzu E4

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seyn E4

17 ge­

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und Liberey / zumalen etliche Geistliche barbet) / so diesem Ehevolck gleichsam auffwarteten / und allen guten geneigten Willen erzeigten. Das XXL Capitel. 9>Dn dieser Zeit an wurde ich zwar nit öffentlich / sondern heimlich durch etliche Strelizen verwachet / ohne daß ichs einmal gewust hätte / und mein Obrister oder die seinige wurden mir nit einmal mehr zu sehen / also daß ichs nicht wissen fönte wo er hin kommen / damals setzte es / wie leicht zu erachten / seltzame Grillen / und ohne Zweiffel auch viel graue Haar auff meinem Kopfs. Ich machte Kundschafft mit den Teutschen / die sich beydes von Kaufs- und Handwercksleuten in der Moscau ordinari auffhalten / und klagte den­ selben mein Anligen / und welcher gestalt ich mit Gefährden hindergangen worden / die gaben mir Trost und Anleitung / wie ich wieder mit guter Gelegenheit in Teutschland kommen tönte: So bald sie aber Wind bekamen / daß der Zaar mich im Land zu behalten entschlossen / und mich hierzu dringen wolte / wurden sie alle zu Stummen an mir / ja sie äusserten sich auch meiner / und wurde mir schwer / auch nur vor meinen Leib Herberg zu bekommen / dann ich hatte mein Pferd sampt Sattel und Zeug bereits verzehrt / und trennete heut [596] eine / und morgen die andere Ducat auß / die ich hiebevor zum Vorrath so weislich in meine Kleider vernähet hatte. Zuletzt fienge ich auch an / meine Ring und Cleinodia zu ver­ silbern / als der Hoffnung / mich so lang zu enthalten / biß ich eine gute Gelegenheit wieder in Teutschland zu kommen / erharren möchte. Indessen liess ein Viertel-Jahr herumb / nach welchem offtgemeldter Obriste sampt seinem Haußgesind wieder umbgetaufft / und mit einem ansehenlichen Adelichen Gut und vielen Underthanen wieder versehen wurde. Damals gienge ein Mandat auß / daß man gleich wie unter den Jnheimischen / also auch unter den Fremden keine Müssiggänger bey hoher unaußbleiblicher Straff mehr leiden solte / als die den Arbeitenden nur das Brod vorm Maul weg fressen / und was von Frembden nicht arbeiten wolte / das solte das i zumaln Ei2-4* 2 aufwarten E4 23 ander E4 25 Cleinodien E4 Unterthanen E2-4 33 gieng E4 34 Missiggänger E4 30 vor dem E4

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Land in einem Monat / die Statt aber in vier und zwantzig Stunden raumen. Also schlugen sich unserer bey fünfftzig zu­ sammen / der Meynung / unsern Weg in GOttes Nahmen durch Podoliam nacher Teutschland miteinander zu nehmen / wir wurden aber nicht gar zwo Stund weit von der Statt von etlichen Reussischen Reutern wieder eingeholt / mit dem Vorwand / daß Ihr Zaarische Majestät ein groß Mißfallen hätte / daß wir uns frevelhafter Weis unterstanden / in so starcker Anzahl sich zusammen zu rotten / und ohne Paß unsers Gefallens Dero Land zu durchziehen / mit fernerem Anhang / daß Ihr Majestät nicht unbefugt wären / uns unsers groben Beginnens halber nach Syberien zu schicken. [597] Auff betnselbigen Zurückweg erfuhr ich / wie mein Handel beschaffen war / dann der fettige so den Troppen Reuter führte / sagte mir außtrücklich / daß Ihr Zaarische Majestät mich nicht auß dem Land lassen würden / sein treuhertziger Rath wäre / ich sötte mich nach Dero Allergnädigstem Willen accommoditett / mich zu ihrer Religion verfügen / und wie der Obriste gethan / ein solch ansehenlich Adelich Gut nicht verachten / mit Ver­ sicherung / wo ich dieses außschlagen / und bey ihnen nicht als ein Herr leben wolte / daß ich wider meinen Willen als ein Knecht dienen müste; Und würden auch Ihr Zaarische Majestät nicht zu verdencken seyn / daß Sie einen solchen wol-erfahrnen Mann / wie mich der offtgemeldte Obriste beschaffen zu seyn beschrieben / nicht auß dem Land lassen wolten. Ich verringerte mich hierauf / und sagte: Der Herr Obriste würde mir vielleicht mehr Künste / Tugend und Wissenschafften zugeschrieben haben / als ich vermöchte; zwar wäre ich darumb ins Land kommen / Ihrer Zaarischen Maje­ stät und der Löblichen Reussischen Nation / auch mit Dar­ setzung meines Bluts / wider Dero Feinde zu dienen / daß ich aber meine Religion ändern solte / fönte ich mich noch nicht entschliessen / wofern ich aber in einigerley Weg Ihrer Zaarischen Majestät ohne Beschwerung meines Gewissens würde dienen können / würde ich an meinem äussersten Ver­ mögen nichts erwinden lassen. Ich wurde von den andern abgesondert / und zu einem Kauffherm logirt / allwo ich nunmehr öffentlich verwacht / 2 18

fünfftzig E4 Obrige E1

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15 ausdrücklich E2-4 n allergnädigsten E4 Zaarischen E4 29 drum E4

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hingegen aber täglich mit henli-(Machen Speisen und köst­ lichem Getränck von Hof aus; versehen wurde; hatte auch täglich Leut die mir zusprachen / und mich hin und wieder zu Gast luden / sonderlich war einer / dem ich ohne Zweiffel insonder­ heit befohlen war (ein schlauer Mann) der unterhielte mich täglich mit freundlichem Gespräch / denn ich fönte schon zimlich Reussisch reden / dieser discurirte mehrentheils mit mir von allerhand Mechanischen Künsten / item von Kriegs- und andern Machinen / vom Fortification-SBefen / und der Artollerey, &c. zuletzt als er unterschiedlich mal aufs den Busch geklopfft / umb zu Vernehmen / ob ich mich endlich nicht ihres Zaaren Intention nach bequemen wolte / und keine Hoffnung fassen fönte / daß ich mich im geringsten ändern würde / begehrte er / wenn ich ja nicht Reussisch werden wolte / so solte ich doch dem Grossen Zaar zu Ehren / ihrer Nation etwas von meinen Wissenschafften communiciren und mittheilen / ihr Zaar würde meine Willfährigkeit mit hohen Kaiserlichen Gnaden erkennen; Darauff antwortet ich / meine Affection wäre jederzeit dahin gestanden / Ihrer Zaarischen Majestät underthänigst zu dienen / massen ich zu solchem Ende in Dero Land kommen wäre / sehe auch noch solcher gestalt intentionirt / wiewol ich sehe / daß man mich gleichsam wie einen Gefangenen ausfhalte: Ey nicht so Herr / antwortet er / ihr seht nicht gefangen / sondern Ihr Zaarische Majestät lieben euch so hoch / daß Sie eurer Person schier nicht wissen zu entberen; Warum (sagte ich) werde ich dann verwacht? darum / antwortet er / weil Ihr Zaarische Maje­ stät [599] besorgen / es möchte euch etwas Leyds wider­ fahren. Als er nun meine Offerten verstünde / sagte er / daß Ihr Zaarische Majestät Allergnädigst bedacht wären / in Dero Landen selber Salpeter graben / und Pulver zurichten zu lassen / weil aber niemand unter ihnen wäre / der damit umbgehen fönte / würde ich der Zaarischen Majestät einen angenehmen Dienst erweisen / wann ich mich deß Wercks unterfienge / Sie würden mir hierzu Leute und Mittel genug an die Hand schaffen / und er vor seine Person wolte mich auffs treuhertzigste gebetten haben / ich wolte solches Aller20 untertänigst E2-4

25

euerer E4 26 sage E2-4

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gnädigstes Singefinnen, nicht abschlagen / bietoeilen sie bereits genügsame Nachricht hätten / daß ich mich aufs diese Sachen trefflich wol verstünde. Darauff antwortet ich / Herr / ich sage vor wie nach / wann der Zaarischen Majestät ich in etwas dienen kan / ausser daß Sie gnädigst geruhen / mich in meiner Religion palfiten zu lassen / so werde ich an meinem Fleiß nichts erwinden lassen. Hierauff wurde dieser Reuß (welcher einer von den vornehmsten Knesen war) trefflich lustig / also daß er mir mit dem Trunck mehr zusprach / als ein Teutscher. Den andern Tag kamen vom Zaar zween Knesen und ein Dolmetsch / die ein endliches mit mir beschlossen / und von wegen deß Zaaren mir ein köstliches Reussisches Kleid ver­ ehrten. Also fienge ich gleich etliche Tag hernach an SalpeterErde zu suchen / und die jenige Reussen / so mir zugegeben waren / zu lernen / wie sie denselben von der Erden [600] fepariten und läutern solten / und mithin verfertigte ich die Abriß zu einer Pulver-Mühlen / und lehrete andere die Kohlen brennen / daß wir also in gar kurtzer Zeit so wol deß besten Bürsch- als deß groben Stück-Pulvers eine zimliche Quantität verfertigten / dann ich hatte Leut genug / und darneben auch meine sonderbare Diener / die mir auffwarten / oder besser zu sagen / die mich hüten und verwahren solten. Als ich mich nun so wol anlieffe / kam der vielgemeldte Obriste zu mir / in Reussischen Kleidern / und mit vielen Dienern gantz prächtig auffgezogen / ohne Zweiffel durch solche scheinbarliche Herrlichkeit mich zu persuadiren / daß ich mich auch umbtauffen lassen solle; Aber ich wüste wol / daß die Kleider auß deß Zaaren Kleider-Kasten waren / und ihm nur angeliehen / mir die Zähne weiß zu machen / weil solches an dem Zaarischen Hof der aller-gewöhnlichste Brauch ist. Und damit der Leser verstehe / wie es damit pfleget her­ zugehen / will ich ein Exempel von mir selbst erzehlen: Ich war einsmals geschäfftig aufs den Pulver-Mühlen / die ich ausserhalb Moscau an den Fluß bauen lassen / Verordnung zu thun / was der ein und ander von meinen zugegebenen Leuten denselben und folgenden Tag vor Arbeit verrichten solle / da wurde ohnversehens Allarm, weilen sich die Tartarn bereits vier Meilen weit aufs 100000. Pferd starck befanden J io von E4

37 feiten E4

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das Land plünderten / und also immerhin fort avancirteri / da mustert ich und meine Leut sich alsobalden nach Hof be­ geben / aIH601]too wir auß deß Zaaren Rüst-Kammer und Marstall mondirt wurden; Ich zwar wurde an statt deß Küriß mit einem gesteppten seidenen Pantzer angethan / welcher einen jeden Pfeil ausfhielte / aber vor keiner Kugel Schußfrey seyn konte / Stieffel / Sporen / und ein Fürstliche Hauptzierde mit einem Reigerbusch / sampt einem Sebel der Haar schür / mit lauter Gold beschlagen / und mit Edel­ gesteinen versetzt / wurden mir dargeben / und von deß Zaaren Pferden ein solches untergezogen / dergleichen ich zuvor mein Lebtag keins gesehen / geschweige beritten; ich und das Pferdgezeug gläntzten von Gold / Silber / Edelgesteinen und Perlen / ich hatte einen stählernen Streitkolben anhangen / der glitzerte wie ein Spiegel / und war so wol gemacht und so gewichtig / daß ich einen jeden dem ich eins damit versetzte / gar leicht todt schlug / also daß der Zaar selbst besser monditt daher nicht reuten können / mir folgte ein weisser Fahnen mit einem doppelten Adler / welchem von allen Orten und Winckeln gleichsam Volck zuschnye / also daß wir ehe zwey Stund vergiengen / bey viertzig- und nach vier Stunden bey sechtzigtausend Pferd starck waren / mit welchen wir gegen den Tartarn fort ruckten; Ich hatte alle Viertelstund neue münd­ liche Ordre von dem Groß-Fürsten / die nichts anders in sich hielten / als: Ich folte mich heut als ein Soldat erzeigen / weil ich mich vor einen außgegeben / damit Seine Majestät mich auch vor einen halten und erkennen könten: All Augenblick vermehrte sich unser Hauff beydes von Kleinen und Grossen / so [602] Troppen als Personen / und ich konte doch in solcher Eyl keinen einigen erkennen / der das gantze Corpus commandirett / und die Battaglia an­ ordnen folte. Ich mag eben nicht alles erzehlen / dann es ist meiner Histori an diesem Tressen nicht viel gelegen; ich will allein diß sagen / daß wir die Tartarn / so mit müden Pferden und vielen Beuten beladen / urplötzlich in einem Thal oder zimlich dessen Geländ antraffen / als sie sich dessen am allerwenigsten versahen / mb von allen Orten mit solcher Bari darein giengen/ 14 Streitkolb E4 n daher fehlt E4 zuschrye E2-4 38 versehen E4

20

19

welchen E4

allem E4

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daß wir sie gleich im ersten Anfang trennten; Im ersten Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern auff Reussische Sprach: Hun wolan / es thue jeder wie ich! Solches schryen sie ein­ ander alle zu / und damit rennete ich mit verhängtem Zaum an die Feinde / und schlug dem ersten den ich antraff / welcher ein Mirfa war / den Kopfs entzwey / also daß sein Hirn an meinem stählernen Kolben hängen bliebe. Die Reussen folgten meinem heroischen Exempel / so daß die Tartarn ihren Angriff nicht erleiden mochten / sondern sich in eine allgemeine Flucht wendeten: Ich thät wie ein Rasender / oder vielmehr wie einer der auß Defperation den Todt suchte / und nicht finden kan; Ich schlug alles nider was mir vorkam / es wäre gleich Tartar oder Reuß gewesen. Und die so vom Zaaren auff mich bestellt waren / trangen mir so fleissig nach / daß ich allezeit einen sichern Rucken behielte / der Lufft flog so voller Pfeil / als wann Immen oder Bienen geschwermt hätten / worvon mir dann einer [603] in Arm zu theil wurde / dann ich hatte meine Ermel hindersich gestreifft / damit ich mit meinem Sebel und Streit-Kolben desto unverhinderlicher metzlen und todt schlagen könte. Ehe ich den Pfeil aufffienge / lachte mirs Hertz in meinem Leib an solcher Blutvergiessung / da ich aber mein eigen Blut fliesten sahe / verkehrte sich das Lachen in eine unsinnige Wuth. Demnach sich aber diese grimmige Feinde in eine hauptsächliche Flucht wendeten / wurde mir von etlichen Knesen im Nahmen deß Zaarn be­ fohlen / ihrem Käiser die Bottschafft zu bringen / was gestalt die Tartarn überwunden; Also kehrete ich auff ihr Wort zurück / und hatte ohngefähr hundert Pferd zur Nachfolg. Ich ritte durch die Statt der Zaarischen Wohnung zu / und tvurde von allen Menschen mit Frolocken und Glückwünschung empfangen / so bald ich aber von dem Treffen Relation gethan hatte / ob zwar der Groß-Fürst von allem Verlaufs schon Nachricht hatte / muste ich meine Fürstliche Kleider wieder ablegen / welche wiederum in deß Zaaren KleiderBehaltnus auffgehaben wurden / wiewol sie sampt dem Pferd-Gezeug über und über mit Blut besprengt und be­ sudelt / und also fast gar zu nichte gemacht waren / und ich also nicht anders vermeynt hätte / weil ich mich so ritterlich i trenneten E4 2 meinem E4 8 meinen E4 s ein E4 13 Zaarn E2-4 15 der] die E4 is damit] dann E4 20 metzeln E2-4 27 ihre E2 4 34 wiederum] wieder E4 Zaarn E4 37 waren] worden E2 4

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in diesem Treffen gehalten / sie sollen mir zum wenigsten sampt dem Pferd zum Recompens überlassen worden seyn: Konte demnach hierauß wol abnehmen / wie es mit der Reussen Kleider-Pracht beschaffen / deren sich mein Obrister bedient / weil es lauter gelehnte Wahr ist / die dem Zaaren / [604] wie auch alle andere Sachen in gantz Reussen / allein zuständig. Das XXII. Capitel (gD lang meine Wunde zu heilen hatte / wurde ich aller­ dings Fürstlich tractirt, ich gieng allezeit in einem Schlaff-beltz von güldenem Stück mit Zobeln gefüttert / wiewol der Schad weder tödtlich noch gefährlich war / und ich hab die Tag meines Lebens niemals keiner solchen fetten Kuchen genossen als eben damals; solches waren aber alle meine Beuten / die ich von meiner Arbeit hatte / ohne das Lob / so mir der Zaar verlihe / welches mir aber auß Neid etlicher Knesen verbittert winde. Als ich aber gäntzlich heil war / wurde ich mit einem Schiff die Walga hinunter nach Astrachan geschickt / daselbsten wie in der Moscau ein Pulvermacherey anzuordnen / weil dem Zaarn unmüglich war / dieselbe Grentz-Bestungen allezeit von Moscau auß mit frischem und gerechtem Pulver / das man einen so weiten Weg auff dem Wasser durch viel Gefährligkeit hinführen miste / zu versehen; Ich liesse mich gern gebrauchen / weil ich Promeffen hatte / der Zaar würde mich nach Verrichtung solches Geschäfts wiederumb in Hol­ land fertigen / und mir seiner Hochheit / und meinen Ver­ diensten gemäß / ein namhafftes Stück Geld mitgeben; Aber ach! wann wir in unseren Hoffnungen und gemachten Con­ cepten am allersichersten und gewissesten zu stehen vermeinen / so kompt unversehens ein Wind der allen [605] Bettel auff einmal übern Haussen wehet / waran wir so lange Zeit gebauet: Der Gubernator in Astrachan tractirte mich wie seinen Zaarn / und ich stellt alles in Kürtze auff einen guten Fuß / seine verlegene Munition, die allerdings faul und ver­ spürt war / und keinen Effect mehr thun konte / gösse ich gleichsam wider von neuem umb / wie ein Spengler auß dem 4 29

Obriste E4 in fehlt E4

19 32

Walcha E2-4 23 einem E4 woran E2 4 36 konte E2-4

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meinem E4

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alten- neue zinnerne Leffel macht / so bey den Reussen damals ein unerhörtes Ding war / weßwegen und anderer Wissenschafften mehr mich dann theils vor einen Zauberer / andere vor einen neuen Heiligen oder Propheten: und aber andere vor einen anbetn Empedoclem oder Gorgiam Leontinum hielten; Als ich aber im besten Thun war / und mich ausserhalb der Vestung über Nacht in einer Pulvermühl be­ fände / wurde ich von einer Schaar Tartarn diebischer weiß gestohlen und auffgehoben / welche mich sampt andern mehr / so weit in ihr Land hinein führten / daß ich auch das Schaf­ gewächs Borametz nicht allein wachsen sehen tonte / sondern auch darvon essen borffte; diese vertauschten mich mit den Niuchischen Tartarn / umb etliche Chinesische KauffmannsWahren / welche mich hernach dem König in Corea, mit welchem sie eben Stillstand der Waffen gemacht hatten / vor ein sonderbares Praefent verehrten / daselbst wurde ich werth gehalten / weil keiner meines gleichen in Dusecken sich finden liesse / und ich den König lernete / wie er mit dem Rohr auff der Achsel ligend / und den Rucken gegen der Scheiben keh­ rende / dannoch das schwache treffen könde / weßwegen er mir dann auch aufs mein unterthänigs an-^606Halten die Freyheit wieder schenckte / und mich durch Japonia nach Macao zu den Portugesen gefertigt / die aber meiner wenig achteten / gieng derowegen bey ihnen herumb / wie ein Schaf das sich von seiner Heerde verirret / biß ich endlich wunderbarlicher weiß von etlichen Türckischen oder Mahometanischen Meer-Raubern gefangen / und (nach dem sie mich wol ein gantzes Jahr auff dem Meer bey seltzamen frembden Völckern / so die Ost-Indianische Jnsulen bewohnen / herumb geschleppt) von denselben etlichen Kaufs Leuten von Alexandria in Egypten verhandelt wurde / dieselbe namen mich mit ihren Kauffmanns-Wahren mit sich nach Constantinopel / und weil der Türckische Kaiser / eben damaln etliche Galleren wider die Venediger außrüstete / und Mangel an Ruderern erschiene / musten viel Türckische Kauffleut ihre Christliche Sclaven jedoch umb bahre Bezahlung / hergeben / warunder ich mich dann / als ein junger starcker Kerl auch befände / also muste ich lernen rüdem / aber solche schwere Dienstbarkeit wehret nicht über i Löffel Ei2*4* 5 Georgium E2-4 7 über ^ac^t fehlt E4 I8 bcn] t>em E4 iS Scheiden fettete E4 20 Schwach L* fönte E4 21 auch fehlt E4 unterthäniges E4 26 Mahometianischen E4 31 würde E4 34 ausrüstet E4 36 worunder E4 37 müste E4

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Fünfftes Buch.

zween Monat / dann unsere Gallera wurde in Levante von den Venetianern Ritterlich übermannet / und ich sampt allen meinen Gespanen auß der Türcken Gewalt erledigt / als nun besagte Gallera zu Venedig mit reicher Beut und etlichen vor­ nehmen Türckischen Gefangnen ausgebracht wurde / war ich aufs freyen Fuß gestellt / weil ich nach Rom und Loreta Pilgersweiß wolte / selbige Oerter zu beschauen / und Gott umb meine Erledigung zu dancken / zu solchem Ende bekam ich gar leichtlich einen Paß / und von ehrlichen Leuten / son[607]derlich etlichen Teutschen / eine zimliche Steur / also daß ich mich mit einem langen Pilger versehen und meine Räiß antretten könte. Demnach begab ich mich den nechsten Weg aufs Rom / allwo mirs trefflich zuschlug / weil ich beydes von Grossen und Kleinen viel erbettelte / und nach dem ich mich ungefehr 6. Wochen daselbst auffgehalten / name ich meinen Weg mit andern Pilgern darunter auch Teutsche / und sonderlich etliche Schweitzer waren / die wieder nach Hauß wolten / aufs Loreta; von dannen kam ich über den Gottart durchs Schweitzerland wider aufs den Schwartzwald zu meinem Knan / welcher meinen Hos bewahrt / und brachte nichts besonders mit heim / als einen Bart / der mir in der Frembde gewachsen war. Ich war drey Jahr und etlich Monat auß gewesen / in welcher Zeit ich etliche unterschiedliche Meer überfahren / und vielerley Völcker gesehen / aber bey denenselben gemeiniglich mehr böses als gutes empfangen / von welchem allem ein grosses Buch zu schreiben wäre; In dessen war der Teutsche Fried geschlossen worden / also daß ich bey meinem Knan in sicherer Ruhe leben konte / denselben liesse ich sorgen und hausen / ich aber setzte mich wieder hinder die Bücher / welches dann beydes meine Arbeit und Ergözung war. Das XXIII. Capitel. Eh läse einsmals / was Massen bo3 Oraculum Apollinis den Römischen Abgesandten / als sie [608] fragten was 3 sie chun müßen / damit ihre Unterthanen friedlich regirt würden / zur Antwort geben / Nofce teipsum, das ist / es erlediget E34 5 Gefangenen E2-4 31 Ergezung E2 4

3

11

mein E4

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denselben E4

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sollte sich jeder selbst erkennen: Solches machte daß ich mich hindersonne / und von mir selbst Rechnung über mein ge­ führtes Leben begehrte / weil ich ohne das müssig war / da sagte ich zu mir selber / dein Leben ist kein Leben gewesen / sondern ein Todt; deine Tage ein schwerer Schatten / deine Jahr ein schwerer Traum / deine Wollüst schwere Sünden / deine Jugend eine Phantasey / und deine Wolfahrt ein Alchi­ misten Schatz / der zum Schornstein hinauß fährt / und dich verlast / ehe du dich dessen versitzest! du bist durch viel Gefährligkeiten dem Krieg nachgezogen / und hast in dem sel­ bigen viel Glück und Unglück eingenommen / bist bald hoch bald nider / bald groß bald klein / bald reich bald arm / bald frölich bald betrübt / bald beliebt bald verhaßt / bald geehrt und bald veracht gewesen: Aber nun du O mein arme Seel was hastu von dieser gantzen Räiß zu wegen gebracht? diß hast du gewonnen: Ich bin arm an Gut / mein Hertz ist beschwerdt mit Sorgen / zu allem guten bin ich faul / trag und verderbt / und was das allerelendeste / so ist mein Gewissen ängstig und beschwert / du selbsten aber bist mit vielen Sünden überhäufst und abscheulich besudelt! der Leib ist müd / der Verstand verwirret / die Unschuld ist hin / mein beste Jugend verschlissen / die edle Zeit verlohren / nichts ist das mich er­ freuet / und über diß alles / bin ich mir selber feind; Als ich nach meines Vattern seeligen Todt in diese Welt kam / da war ich einfältig und rein / auffrecht und [609] redlich / warhafftig / demütig / eingezogen / mässig / keusch / schamhasftig / fromm und andächtig; bin aber bald boßhafftig / falsch / ver­ logen / hoffärtig / unruhig / und überall gantz gottlos worden / welche Laster ich alle ohne einen Lehrmeister gelernet; Ich nam meine Ehr in acht / nicht ihrer selbst / sondern meiner Erhöhung wegen; Ich beobachtet die Zeit / nicht solche zu meiner Seeligkeit wol anzulegen / sondern meinem Leib zu nutz zu machen; Ich hab mein Leben vielmal in Gefahr geben / und hab mich doch niemal beflissen solches zu bessern / damit ich auch getrost und seelig sterben könte; Ich sahe nur aufs das gegenwärtige und meinen zeitlichen Nutz / und gedachte nicht einmal an das Wnfftige / viel weniger / daß ich dermaleins vor Gottes Angesicht müste Rechenschafft geben! Mit 2 hmtersonne E4 7 eine] ein E4 E4 22 verschlossen E2-4

h

meine E4

17 allen Guten

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solchen Gedancken quälte ich mich täglich / und eben damals kamen mir etliche Schrifften deß Quevarae unter die Hände / darvon ich etwas hieher setzen muß / weil sie so kräfftig waren / mir die Welt vollends zu erleiden. Diese lauteten also:

Das XXIV. Capitel. A Djeu Welt / dann aufs dich ist nicht zu trauen / noch von dir nichts zu hoffen / in deinem Hauß ist das ver­ gangene schon verschwunden / das gegenwärtige verschwindet uns unter den Händen / das zukünfstige hat nie angefangen / das aller-beständigste fällt / das aller-stärckste zerbricht / und das aller-ewigste nimmt ein End; also / daß du ein Todter bist [610] unter den Todten / und in hundert Jahren lästu uns nicht eine Stund leben-?. Adjeu Welt / denn du nimmst uns gefangen / und läst uns nicht wieder ledig / du bindest uns / und lösest uns nicht wieder ouff; du betrübest / und tröstest ritt / du raubest / und gibest nichts wieder / du verklagest uns / und hast keine Ursach / du verurtheilest / und hörest keine Partey; Also daß du uns tobtest ohne Urtheil / und begrübest uns ohne Sterben! Bey dir ist keine Freud ohne Kummer / kein Fried ohne Uneinig­ keit / keine Lieb ohne Argwohn / keine Ruhe ohne Forcht / keine Fülle ohne Mängel / keine Ehr ohne Mackel / kein Gut ohne böß Gewissen / kein Stand ohne Klag / und keine Freund­ schaft ohne Falschheit. Ad]eu Welt / dann in deinem Pallast verheißet man ohne Willen zu geben / man dienet ohne bezahlen / man liebkoset / umb zu tobten / man erhöhet / umb zu stürtzen / man hilfst / umb zu fällen / man ehret / umb zu schänden / man ent­ lehnet / umb nicht wieder zu geben / man strafft / ohne verzeyhen. Behüt dich GOtt Welt / dann in deinem Hauß werden die grosse Herren und Favoriten gestürtzt / die Unwürdige herfür gezogen / die Verräther mit Gnaden angesehen / die Getreue in Winckel gestellt / die Boßhafftige ledig gelassen / und die Unschuldige verurtheilt / den Weisen und Qualificirten gibt man Urlaub / und den Ungeschickten grosse Besoldung / den 3 davon F* hieher] daher E* 4 lautet E3 4 13 ein E4 leben E2-4 21 keine Lieb] kein Lieb E4 35 und fehlt E4

(ebene E1

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Hinderlistigen wird geglaubt / und die Auffrichtige und Red­ liche haben keinen Credit, ein jeder thut was er will / und keiner was er thun soll. [611] Adjeu Welt / dann in dir wird niemand mit seinem rechten Nahmen genennet/den Vermessenen nennet man kühn/ den Verzagten fürsichtig / den Ungestümmen embsig / und den Nachlässigen friedsam; Einen Verschwender nennet man herr­ lich / und einen Kargen eingezogen; einen hinderlistigen Schwätzer und Plauderer nennet man beredt / und den Stillen einen Narrn oder Phantasten; einen Ehebrecher und Jungfrauen-schänder nennet man einen Buler; einen Unflat nennet man einen Hofmann / einen Rachgierigen nennet man einen Eyferigen / und einen Sanfftmütigen einen Phantasten / also daß du uns das giebige vor das ungiebige / und das ungiebige vor das giebige verkauffest. Adjeu Welt / dann du verführest jederman / den Ehrgeitzigen verheissest du Ehr / den Unruhigen Veränderung / den Hochtragenden Gnad bey Fürsten / den Nachlässigen Aempter / den Geitzhälsen viel Schätze / den Fressern und Unkeuschen Freude und Wollust / den Feinden Rach / den Dieben Heimlichkeit / den Jungen langes Leben / und den Favoriten verheissestu beständige Fürstliche Huld. Adjeu Welt / dann in deinem Pallast findet weder Warheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet wird verschämt / wer dir traut wird betrogen / wer dir folgt wird verführt / wer dich förchtet wird am aller-übelsten gehalten / wer dich liebt wird übel belohnt / und wer sich am allermeisten aufs dich verläst / wird auch am allermeisten zu schänden gemacht; an dir hilfst kein Geschenck so man dir gibt / kein Dienst so man dir erweist/keine liebliche Wort so man dir [612] zuredet/ kein Treu so man dir hält / und keine Freundschasft so man dir erzeigt / sondern du betreugst / stürtzest / schändest / be­ sudelst / drohest / verzehrest und vergift jederman; dannenhero weynet / seufftzet / jammect / klaget und verdirbt jeder­ man / und jederman nimmt ein End; bey dir sihet und lernet man nichts / als einander hassen biß zum würgen / reden biß zum lügen / lieben biß zum verzweiffeln / handlen biß zum stehlen /bitten biß zum betrügen/und sündigen biß zum sterben. 4

seinen E4

24 verschämt E4

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trauet E4

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Behüt dich GOtt Welt / dann dieweil man dir nachgehet / verzehret man die Zeit in Vergessenheit / die Jugend mit rennen / lauffen und springen über Zaun und Stiege / über Weg und Steg / über Berg und Thal / durch Wald und Wildnus / über See und Wasser / in Regen und Schnee / in Hitz und Kalt / in Wind und Ungewitter; die Mannheit wird verzehrt mit Ertz schneiden und schmeltzen / mit Stein hauen und schneiden / hacken und zimmern / pflantzen und bauen / in Gedancken dichten und trachten / in Rathschlägen ordnen / Sorgen und Klagen / in Kauffen und Verkauffen / Zancken / Hadern / Kriegen / Lügen und Betrügen; Das Alter verzehrt man in Jammer und Elend / der Geist wird schwach / der Athem schmeckend / das Angesicht runtzlicht / die Länge krumm / und die Augen werden dunckel / die Glieder zittern / die Nase triefst / der Kopfs wird kahl / das Gehör verfällt / der Geruch verliert sich / der Geschmack geht hinweg / er seuffzet und ächzet / ist faul und schwach / und hat in Summa nichts als Mühe und Arbeit biß in Todt. [613] Adjeu Welt / dann niemand will in dir fromm seyn / täglich richtet man die Mörder / viertheilt die Verräther / hencket die Dieb / Strassenräuber und Freybeuter / köpfst Todtschläger / verbrennt Zauberer / strafft Meineydige / und verjagt Auffrührer. Behüt dich GOtt Welt / dann deine Diener haben kein andere Arbeit noch Kurtzweil / als faullentzen / einander vexieren und außrichten / den Jungfrauen hofieren / den schönen Frauen auffwarten / mit denselben liebäuglen / mit Würffeln und Karten spielen / mit Kupplern tractiretx / mit den Nachbarn kriegen / neue Zeitungen erzehlen / neue Fünd erbenden / mit dem Judenspieß rennen / neue Trachten ersinnen / neue List auffbringen / und neue Laster ein­ führen. Adjeu Welt / dann niemand ist mit dir content oder zu frieden / ist er arm / so will er haben; ist er reich / so will er viel gelten; ist er veracht / so will er hoch steigen; ist er injurirt / so will er sich rächen; ist er in Gnaden / so will er viel gebieten; ist er lasterhafftig / so will er nur bey gutem Muth seyn. 13 runtzlicht^ runtzlich E2 ] hutzlich E4 n ächzet E2-4 21 Freubeuter E4 27 liebäuglen / mit] liebäugeln / E4 29 Nachbaren E4

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Adjeu Welt / dann bey dir ist nichts beständiges / die hohe Thürn werden vom Blitz erschlagen / die Mühlen vom Wasser weg geführt / das Holtz wird von den Würmen / das Korn von Mäusen / die Früchten von Raupen / und die Kleider von Schaben gefressen / das Wehe verdirbt vor Alter / und der arme Mensch vor Kranckheit: Der eine hat den Grind / der ander den Krebs / der dritte den Wolfs / der vierte die Frantzosen / der fünffte das Podagram / der sechste die Gicht / der siebende die Wassersucht / der achte den Stein / der neunte das Grieß / der zehende [614] die Lungensucht / der eylffte das Fieber / der zwölffte den Außsatz / der dreyzehende das Hinfallen / und der vierzehende die Thorheit! In dir 6 Welt / thut nicht einer was der ander thut / dann wann einer weynet / so lacht der ander / einer seufftzet / der ander ist frölich; einer fastet / der ander zechet; einer banquetirt / der ander leidet Hunger; einer reutet / der ander gehet; einer redt / der ander schweigt; einer spielet / der ander arbeitet; und wann der eine geboren wird / so stirbt der ander. Also lebt auch nicht einer wie der ander / der eine herrschet / der ander dienet; einer weydet die Menschen / ein anderer hütet der Schwein; einer folgt dem Hof / der ander dem Pflug; einer rätst au ff dem Meer / der ander fährt über Land aufs die Jahr- und Wochen-Märckt; einer arbeit im Feur / der ander in der Erde / einer fischt im Wasser / und der ander fängt Vögel in der Lufft / einer arbeitet härtiglich / und der ander stilet und beraubet das Land. O Welt behüt dich GOTT / dann in deinem Hauß führet man weder ein heilig Leben / noch einen gleichmässigen Todt / der eine stirbt in der Wiegen / der ander in der Jugend aufs dem Bett / der dritte am Strick / der vierte am Schwerd / der fünffte aufs dem Rad / der sechste aufs dem Scheiterhauffen / der siebende int Weinglas / der achte in einem Wassersluß / der neunte erstickt im Freß-Hasen / der zehende erworgt ant Gisst / der eylffte stirbt gähling / der zwölffte in einer Schlacht / der dreyzehende durch Zauberey / und der vierzehende ertränckt seine arme Seel im Dintenfaß. [615] Behüt dich Gott Welt / dann mich verdreußt deine Conversation, das Leben so du uns gibst / ist ein elende 36 sein E2-4

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Pilgerfahrt / ein unbeständigs / ungwisses / hartes / rauhes / hinflüchtiges und unreines Leben / voll Armseeligkeit und Jrrthumb / welches vielmehr ein Tod als ein Leben zu nennen; in welchem wir all Augenblick sterben durch viel Gebrechen der Unbeständigkeit und durch mancherley Weg deß Tods! du last dich der Bitterkeit nicht genügen mit deren du umbgeben und durchsaltzen bist / sondern betreugst noch darzu die meiste mit deinem Schmeicheln / Anreitzung und falschen Ver­ heißungen / du gibst auß dem güldenen Kelch / den du in deiner Hand hast / Bitterkeit und Falschheit zutrincken / und machst sie blind / taub / toll / voll und sinnloß / ach wie wol denen / die dein Gemeinschafft außschlagen: deine schnelle augenblickliche hinfahrende Freud verachten / dein Gesell­ schafft verwerffen / und nicht mit einer solchen arglistigen verlornen Betriegerin zu Grund gehen; dann du machest auß uns einen finstern Abgrund / ein elendes Erdreich / ein Kind deß Zorns / ein stinckendes Aas / ein unreines Geschirr in der Mistgrub / ein Geschirr der Verwesung voller Gestanck und Greuel / dann wann du uns lang mit.Schmeicheln / lieb­ kosen / trauen / schlagen / plagen / martern und peinigen umbgezogen und gequält hast / so überantwortest du den außgemergelten Cörper dem Grab / und setzest die Seel in ein ungewisse Schantz. Dann obwol nichts gewissers ist als der Todt / so ist doch der Mensch nicht versichert / wie / wann und wo er sterben / und (welches das erbärmlichste ist) wo sein [616] Seel hinfahren / und wie es derselben ergehen wird: Wehe aber alsdann der armen Seelen / welche dir 0 Welt / hat gedienet / gehorsambt und deinen Lüsten und Üppigkeiten hat gefolgt / dann nach dem eine solche sündige und unbekehrte arme Seel mit einem schnellen und unversehenen Schrecken auß dem armseeligen Leib ist geschieden / wird sie nicht wie der Leib im Leben mit Dienern und Befreundten umbgeben seyn / sondern von der Schaar ihrer allergreulichsten Feinde für den sonderbahren Richterstul Christi geführt werden; darumb O Welt behüt dich Gott / weil ich versichert bin / daß du dermal eins von mir wirst außsetzen und mich verlassen / nicht allein zwar / wann mein arme Seel vor dem Angesicht deß strengen Richters erscheinen j 1 ungewisses E2-4* s Todes E4 6 du läst dich der Bitterkeit] du last dicb der Bitterkeit deß Todeö / du läst dich der Bitterkeit E1-2-4 ii toll/fehlt E4 13 deine E4 is Bettügerin E4 19 Greul E4 26 seine E4 28 gehorsamer E1 Listen E2 4 32 mit fehlt E4.

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Deß Abentheurl. Simplicisfimi

sondem auch wann das allerschröcklichste Urtheil / Gehet hin ihr Vermaledeyte ins ewige Feuer / rc. gefällt und außgefprochen wird. Adjeu O Welt / O schnöde arge Welt / O stinckendes elendes Fleisch / dann von deinetwegen und umb daß man dir gefolget / gedienet und gehorsamet hat / so wird der gottloß unbußfertig zur ewigen Verdamnus verurtheilt / in welcher in Ewigkeit anders nichts zu gewarten / als an statt der ver­ brachten Freud / Leid ohne Trost / an statt deß zechens / Durst ohne Labung / an statt deß fressens / Hunger ohne fülle / an statt der Herrligkeit und Prachts / Finsternuß ohne Liecht; an statt der Wollüste / Schmertzen ohne Linderung / an statt deß dominirens und triumphirens / heulen / weinen und weheklagen ohne auffhören / Hitz ohne Kühlung / Feuer ohne Leschung / Kalt ohne Maaß / und Elend ohne End. [617] Behüt dich Gott O Welt / dann an statt deiner verheissenen Freud und Wollüste / werden die böse Geister an die unbußfertige verdampte Seel Hand anlegen / und sie in einem Augenblick in Abgrund der Höllen reissen / daselbst wird sie anders nichts sehen und hören / als lauter erschröckliche Gestalten der Teuffel und Verdampten / eitele Finsternuß und Dampfs / Feuer ohne Glantz / schreyen / heulen / Zänklappern und Gottslästern; Alsdann ist alle Hoffnung der Gnad und Milterung auß / kein Ansehen der Person ist verhanden / je höher einer gestigen / und je schwerer einer gesündiget / je tieffer er wird gestürtzt / und je härtere Pein er muß leiden; dem viel geben ist / von dem wird viel ge­ fordert / und je mehr einer sich bey dir / O arge schnöde Welt! hat herrlich gemacht / je mehr schenckt man ihm Qual und Leiden ein / denn also erforderts die göttliche Gerechtigkeit. Behüt dich Gott O Welt / dann obwol der Leib bey dir ein Zeitlang in der Erden ligen bleibt und verfaulet / so wird er doch am jüngsten Tag wider auffstehn / und nach dem letzten Urtheil mit der Seel ein ewiger Höllenbrand seyn müssen; Alsdenn wird die arme Seel sagen: Verflucht seystu Welt! weil ich durch dein Anstifften Gottes und meiner selbst vergessen / und dir in aller Üppigkeit / Boßheit / Sünd und Schand die Tag meines Lebens gefolgt hab; verflucht sey die ii FünsternuS E4 24 vorhanden E4

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hat E2-4

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aufstehen E4

Fünfftes Buch.

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Stund / in deren mich Gott erschuff! verflucht sey der Tag / darinn ich in dir O arge böse Welt geborn bin! O ihr Berg / Hügel und Felsen fallet aufs mich / und verbergt mich vor dem grimmigen Zorn deß Lamms / vor dem Angesicht dessen / der aufs dem Stul sitzet; Ach Wehe und aber Wehe in Ewig­ keit! [618] O Welt! du unreine Welt / derhalben beschwöre ich dich / ich bitte dich / ich ersuche dich / ich ermahne und proteItire wider dich / du wollest kein Theil mehr an mir haben; und hingegen begehre ich auch nicht mehr in dich zu hoffen / dann du weist / daß ich mir hab fürgenommen / nemlich dieses: Posui finem Quris, fpes & fortuna valete. Alle diese Wort erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdencken / und bewogen mich dermassen / daß ich die Welt verliesse / und wieder ein Einsidel ward: Ich hätte gern bey meinem Saurbrunnen im Muckenloch gewohnt / aber die Baurn in der Nachbarschafft wolten es nicht leiden / wiewol es vor mich ein angenehme Wildnus war; sie besorgten / ich würde den Brunnen verrathen / und ihre Obrigkeit dahin ver­ mögen / daß sie wegen nunmehr erlangten Friedens Weg und Steg darzu machen müsten. Begab mich derhalben in eine andere Wildnus / und stetige mein Spesserter Leben wieder an; ob ich aber wie mein Vatter seel. biß an mein End darin verharren werde / stehet dahin. GOtt verleyhe uns allen seine Gnade / daß wir allesampt das jenige von ihm erlangen / woran uns am meisten gelegen / nemlich ein seeliges

ENDE.

2 geboren E4

n Bauren E4

CONTINUATIO dksabmeh«urll«bm

SIMPLICISSIMI Gder

Der Schluß dcMen. Durch German Schleifueim

von Su Isfort,

Momp-Igarr,

Johann Acklon / JdV*

[A 1 b] on] zu CoE4 so blößlich E4 31 verachte Co

triben / mit grosser Mühe zu mir kamen / und mich mit ihren [A 5 bj Verehrungen besuchten / da hatte ich an Brodt /

Butter / Saltz / Keß / Speck / Eyern und dergleichen nit allein keinen Mangel / sonder auch einen Vberfluß; wurde aber darumb nit desto gottseliger / sonder je länger je kälter / saum­ seliger und schlimmer / also daß man mich beynahe einem Heuchler oder heiligen Schalck hett nennen mögen; doch underliesse ich nicht / die Tugenden und Laster zubetrachten / und zugedencken was mir zuthun seyn möchte / wann ich in Himmel wolte; Es geschahe aber alles unordenlich / ohne rechtschaffenen Rath und einen Vesten Vorsatz / hierzu einen Ernst anzulegen / welchen mein Stand und dessen Verbesserung von mir erforderte. Das II. Capitel.

ÄÜLJr lesen daß vor zeiten bey den GOtt ergebenen heiligen Gliedern der Christlichen Kirchen die Mortification oder Abtödtung deß Fleisches / vornemblich in betten / fasten und wachen bestanden; gleichwie nun aber ich mich der ersten beyden Stuck wenig befliesse; also liefe ich mich auch die süsse Betöberung deß Schlaffs stracks überwinden / so offt mir nur zugemuthet ward / solche Schuldigkeit (daß wir dann mit allen Thieren gemein haben) der Natur abzulegen; einmahls faullentzte ich unter einer Thannen im Schatten / vnd gab meinen unnützen Gedancken gehör / die mich fragten / ob der Geitz oder die Verschwendung das gröste oder ärgste Laster sehe? ich habe gesagt meinen unnützen Gedancken! und das sag ich noch! dann lieber was hatte ich mich umb die Ver­ schwendung zubekümmern / da ich doch nichts zu verschwenden vermochte? und was gieng [A 6] mich der Geitz an / in dem mein Stand / den ich mir selbst freywillig erwählet / von mir erfordert / in Armuth und Dörfftigkeit zuleben? aber O Thor­ heit / ich war dannoch so hart verbaist / solches zuwissen / daß ich mir dieselbige Gedancken nicht mehr außschlagen kondte / sonder darüber einschlummerte! womit einer wachent handiert/ damit Pflegt einer gemeiniglich auch traument vexirt zu wer­ den / und solches wiederfuhr mir damals auch! dann so bald 7 unterliesse E4 io unordentlich E4 is dem CoE4 CoE4 27 hätte E4 so erwehlet E4 31 erforderet E4

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ich die Augen zugethan hatte / sahe ich in einer liessen ab­ scheulichen Klingen den höllischen Groß-Fürsten Luciferum zwar miss seinem Regiments-Stul sitzen / aber mit einer Ketten angebunden / daß er seines Gefallens in der Welt nicht wütten köndte; die viele der höllischen Geister mit denen er umbgeben / begnügten durch ihr fleissigs auffwarten / die große seiner höllischen Macht / als ich nun dieses Hoff-Gesind betrachtete / kam ohnversehens ein schneller Postilion durch die Lufft geflogen / der liefe sich born Lucifer nider und sagte / O grosser Fürst / der geschlossene teutsche Frieden hat bey nahe gantz Europam wiederumb in Ruhe gesetzt; das Gloria in excelsis und Te Deum Laudamus erschallet aller Orten gen Himmel / und jedermann wird sich besleissen unter seinem Weinstock und Feigenbaum hinforder GOtt zu dienen; so bald Lucifer diese Zeitung kriegte / erschrack er anfänglich ja so sehr / als hefftig er den Menschen solche Glückseeligkeit miß­ gönnet; in dem er sich aber wieder ein wenig erhollete / und bey ihm selbst ermas / was vor Nachtheil und Schaden sein höllisches Reich am bißhero gewohnten intereffe leyden müste / grießgrammet er schröcklich! [A6b] er knarbelt mit den Zähnen so greulich / daß er weit und breit forchterlich zuhören war / und seine Augen funckelten so grausam vor Zorn und Ungedult / daß ihm schweffellichte Feurflammen gleichsam wie der Plitz herauß schlugen und sein gantze Wohnung erfülleten; also daß sich nicht allein die arme verdambte Menschen und geringe höllische Geister; sonder auch seine vornembste Fürsten und gehaimbste Räth selbst darvor entsetzten; zuletzt liesse er mit den Hörnern wider die Felssen daß die gantze Höll darvon zitterte / und fieng dergestalt an zu wütten und toben / daß die f einige sich nichts anders einbilden kondten / als er würde entweder gar abreisen / oder gantz toll und thöricht werden; Massen sich ein Zeitlang niemand erkühnen dorffte sich zu ihm zu nahen / weniger ein einziges Wörtlein mit ihm zusprechen. Endtlich wurde Belial so keck und sagte / großmächtiger Fürst was seynd das vor Gebärden von einer solchen unver­ gleichlichen Hochheit? wie? hat der gröste Herr seiner selbst vergessen? oder was soll uns doch diese angewöhnliche Weiß

2 klingenden CoE42 * 4 Gefallen E4 i gröste CoE4 9 vor dem E4 io Fried E4 is ermas] erwas Co ]etwas E4 19 an E4 23 ihm] ihm gleichsam CoE4 24 gleichsam] gleich E4 Blitz E4 seine E4 33 einiges E4

[11] 477 bedeuten / die eurer herrlichen Majestät weder nützlich noch rühmlich seyn kan? Ach! antwortet Lucifer, ach! ach wir haben allesambt Verschlüssen und durch unsere oigene Faulheit zugelassen das lema malorum unser liebstes Gewächs / das wir aufs dem gantzen Erdboden hatten / und mit so grosser Mühe gepflantzt: Mit so grossem Fleiß erhalten / und die Früchte davon jeweils mit so grossem Wucher eingesamblet / nunmehr auß den teutschen Gräntzen gereuttet: Auch wann wir nicht anders darzu thun / besorglich auß gantz Europa geworsfen wird! und gleichwohl [A7] ist keiner unter euch allen der solches recht behertzige! Jsts uns nicht allen eine Schand / daß wir die wenige Täglin welche die Welt noch vor sich hat / so liderlich verstreichen lassen? ihr schlässerige Maulaffen / wist ihr nicht daß wir in dieser letzten Zeit unsere reichste Emdt haben sollen? das ist mir gegen dem Endt der Welt aufs Erden schön dominirt, wann wir wie die alte Hund zur Jacht ver­ trösten und untüchtig werden wollen; der Anfang und Fort­ gang deß Kriegs sahe unserm verhassten Fettenschnitt zwar gleich / was haben wir aber jetzt zuhoffen? da Mars Europam biß auff Polen quitiit / dem lema malorum auff dem Fuß nachzufolgen pflegt. Als er diese Meynung vor Boßheit und Zom mehr herauß gedonnert: Als geredet hatte / walte er die vorige Wuth wieder angehen; aber Belial machte daß er sichs noch enthielte / da er sagte / wir müssen deßwegen den Muth nicht finden lassen / noch sich gleich stellen wie die schwachen Menschen die ein wiederwertiger Wind anbläst / weist du nicht / O grosser Fürst / daß mehr durch den Wein als durchs Schwerdt fallen? solle den Menschen / und zwar den Christen / ein geruhiger Fried / welcher den Wollust auff dem Rucken mit sich bringt / nicht schädlicher seyn als Mars? ist nicht gnug bekandt / daß die Tugenden der Braut Christi nie Heller leuchten als mitten in höchstem Trübsal? mein Wunsch und Will aber ist / antwortet Lucifer / daß die Menschen sowohl in ihrem zeitlichen Leben in lauter Unglück: Als nach ihrem Hinsterben in ewiger Qual seyn sollen; dahingegen unsere Saumsahl endlich zugeben wird / daß sie zeitliche Wohlfart geniesten: Und endlich noch darzu die ewige Seeligkeit besitzen [A7b] werden; ha; cmtroortetBelial, 4 Gwächs E4 16 verdrossen E4 29 geruhigen CoE4

sa feite den] feite dein CoE4

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wir wissen ja beyde mein profesfion, vermittelst deren ich we­ nig Feyertäg halten: Sonder mich dergestalt thumlen werde / deinen Willen und Wunsch zuerlangen / das lerna malorum noch länger bey Europa verbleiben: Oder doch diese Dam andere Kletten ins Haar kriegen soll; allein wird deine Hochheit auch bedencken / daß ich nichts erzwingen kan / wann ihr das Numen ein anders gönnet.

Das III. Capitel. io

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J^As fteundlich Gespräch dieser zweyen höllischen Geister war so ungestümm und schröcklich / daß es einen Haubt Lermen in der gantzen Höllen erregte / Massen in einer ge­ schwinde das gantze höllisch Heer zusammen kam / umb zu vernemmen / was etwann zuthun seyn möchte; da erschiene Lucifers erstes Kind / die Hoffart mit ihren Töchtern; der Geitz mit seinen Kindern; der Zorn sambt Neyd und Haß / Rachgier / Mißgunst / Verleumbdung / und ihnen weiters verwandt war / so dann auch Wollust mit seinem Anhang / als Geilheit / Fraß Müssiggang und dergleichen / item die Faul­ heit / die Untreu / der Muthwill / die Lugen / der Fürwitz so Jungfern theuer macht / die Falschheit mit ihrem lieblichen Töchterlein der Schmeicheley die an statt der Windfach einen Fuxschwantz trug / welches alles ein seltzamen Auffzug abgab / und verwunderlich zusehen war / dann jedes kam in sonderbarer aigner Lieberey daher; ein theil war auffs prächtigst herauß gebutzt / das ander gantz bettelhafftig angethan / und das dritte / als die Unschamhafftig und dergleichen / gierig bey nahe überall nackent; ein theil war so fett [A 8] und wohl leidig wie ein Bacchus, das ander so gelb plaich und mager wie ein alte dörre Ackermeer; ein theil schiene so lieblich und anmuthig wie eine Venus, das ander sahe so säur wie Saturnus; das dritte so grimmig wie Mars, das vierdte so tückisch und dockmäusig wie Mercurius, ein theil war starck wie Hercules, oder so gerad und schnell wie Hippomenes, das ander lahm und hinckent wie Vulcanus; also daß man so unterschiedlicher seltzsamen Arten und Auffzüg halber vermeynen hätte mögen es wäre das wüttig Heer gewesen / davon uns die alte soviel 2 tummeln E42 * 12 höllische I? 18 Missiggang E4 22 einen E4 26 Unschamhafftigsie E4 28 bleich E4 Alten E4

19 Lügen E4 wütige E4

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[13] 479 wunderlichs Dings erzehlt haben; und ohne diese obgenannte erschienen noch viel die ich nicht kante noch zu nennen waiß / Massen auch etliche gantz vermummet und verkappt auffzogen. Zu diesem ungeheuren Schwarm that Lucifer eine scharpffe Rede / in welcher er dem gantzen Haussen in genere und einer jeden Person insonderheit ihre Nachlässigkeit vermisse / und allen auffrupffte / daß durch ihre Saumsal lerna malorum Europam raumen müssen; er mustert auch gleich die Faulheit auß / als einen untüchtigen Banckert / der ihm die seinige verderbe / ja er vermisse ihr sein höllisches Reich aufs ewig / mit Befelch daß sie gleichwohl ihren unterschlaiff aufs dem Erdboden suchen solte; Demnach hetzte er die übrige alles Ernsts zu grösserem fleiß / als sie bißhero bezeugt / sich bey den Menschen einzu­ nistelen; betrohetedarbenebenschröcklich/mit was vor Straffen er die jenige ansehen wolte / von welchen er künfftig im geringsten verspüre / daß durch deren Ambts-Geschäffte seiner intention gemäß nicht eyferig genug verfahren worden wäre; er theilet ihnen benebens auch neue in-[A 8 b]ftructiones und memorial auß / und that stattliche promefsen gegen denen die sich tapffer gebrauchen würden. Da es nun sahe / als wann diese Reichs Versamblung sich endigen: Und alle höllische Stände widerumb an ihre Geschäsfte gehen wolten / ritte ein zerlumbter: und von Angesicht sehr blaicher Kerle aufs einem alten schäbigen Wolfs hervor / Roß und Mann sahe so verhungert / mager / matt und hin­ fällig auß / als wann beydes schon ein lange Zeit in einem Grab oder aufs der Schintgruben gelegen wäre! dieser be­ klagte sich über eine ansehenliche Dame, die sich aufs einem neapolitanischen Pferdt von 100. Pistolen werth / tapffer vor ihm tumlete; alles an ihren und deß Pferds Klaidungen und Zierten gläntzte von Perlen und Edelgesteinen / die Stegraiff / die Buckeln / die Stangen / alle Rincken/ das Mundstück oder Gebiß sambt der Kinketten war von purem Gold / die Hueffbeschläg aber an deß Pferdts Füssen von feinem Silber: Dahero man sie auch keine Hueffeysen nennen kan; sie selbst sahe gantz herrlich / prächtig und trotzig auß / blühete darneben im Ange­ sicht wie eine Rose am Stock / oder war doch wenigist anzu1 wunderliches E41 * * 4 schärfte E4 8 raumen müssen] säumen C0E4 13 grösseren E4 14 einzunistelen? Co ] einzunistelen: E4 16 bedrohete darneben E4 16 welchem E4 2i dapffer E4 33 Rincken/] Rincken Co 34 Huffbeschläg E4 36 HuffeisenE4 38 wenigst E4

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sehen / als wann sie einen halben Rausch gehabt hette / müssen sie sich auch sonst in allen ihren Geberdten so frisch stellet; es röche umb sie hemmber so starck nach Haarpulver Balsamb / Bissamb Ambra und anbetn Arommaten / daß wohl einer anbetn als sie war / die Mutter hett rebellisch werden mögen. In Summa es war alles so kostbarlich umb sie bestell / daß ich sie vor die allermächtigste Königin gehalten hette / wann sie nur auch gecrönet gewesen [A 9] wäre / wie sie dann auch eine seyn mueß / weil man von ihr sagt / sie allein herrsche über das Geld und das Geld nit über sie: Gab mich derowegen anfäng­ lich wunder / daß obengedachter eilende Schindhundt aufs dem Wolfs wider sie mutzen dorffte / aber er machte sich mausiger / als ich ihm zugetraut.

Das IV. Capitel. i8

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Und da ich sahe daß es mir so wol gelunge / kam ich mit meiner Erzehlung fast in der gantzen Welt Herumber; da war ich selbst in deß Plinij dicken Wald gewesen / welchen man bißweilen bey den Aquis Curiliis antreffe / denselben aber hernach / wann man ihn mit höchstem Fleiß suche / gleichwol weder bey Tag noch Nacht mehr finden könne; ich hatte selbst von dem lieb­ lichen Wunder-Gewächs Borametz in der Tartarey gessen; und wiewol ich dasselbe mein Tage nicht gesehen / so kondte ich jedoch meinem Wirth von dessen anmüthigem Geschmack der­ massen discuriren / daß ihm das Maul wässerig davon wurde; ich sagte / es hat ein Fleischlein wie ein Krebs / das hat ein Färb wie ein Rubin oder rother Psersig / und einen Geruch der Sich beydes den Melonen und Pomerantzen vergleicht; benebens erzehlte ich ihm auch in was Schlachten / Schälmühlen und Belägerungen ich mein Tage gewesen wär / log aber auch etwas mehrers darzu / [C 7] weil ich sahe daß ers so haben wolle; müssen er sich mit solchen und dergleichen Geschwätz wie die Kinder mit den Mährlein auffziehen liesse / biß er darüber entschliefe / und ich in eine wohl accommodirte Cammer zu Beth geführt wurde / da ich dann in einem sansften Beth ohneingewieget einschliefe / welches mir lange nicht widerfahren war. Ich erwachte viel früher als die Hauß-Genossen selbst / kondte aber drumb nicht auß der Cammer kommen / einen Last abzulegen / der zwar nicht groß / aber doch sehr beschwerlich 9 richtig: Salomons von Golau (d. i. Friedrich von Logau) 25 Sach CoE4 so den fehlt E4 31 in fehlt E4 33 lang E4 36 ei­ ner CoE4

[47] 513 war / ihn über die bestimbte Zeit zutragen; fände mich aber hinder einer Tapezerey mit einem hierzu bestimbten Ort / welchen etliche eine Cantzeley zunennen Pflegen / viel besser versehen / als ich in solcher Noth hat hoffen dörfsen; daselbsthin setzte ich mich eilents zu Gericht / und bedachte wie weit meine edle Wildnus dieser wohlgezierten Cammer vorzuziehen wäre / als in welcher beydes frembt und heimisch an jeden Orten und Enden ohne Erdultung einer solchen Angst und Trangsal / die ich dazumal überstanden hatte / stracks niederhocken köndte; nach Erörtherung der Sach / als ich eben an des Baltanderst Lehr und Kunst gedachte / langte ich auß einem neben mir Hangenden Garvier ein Octav von einem Bogen Pappier / an demselbigen zu exequiren warzu es / neben andern mehr seinen Cammerrathen / contemnitt / und daselbst gefangen war; ach! sagte dasselbige / so muß ich dann nun auch / vor meine treue geleiste Dienste und lange Zeit überstandene vielfältige Peinigungen / zugenöthigte Ge­ fahren / Arbeiten / Aengste / Elend und Jammer / nun ererst / demallgemainen Danck [C 7 b] der ungetreuen Welt erfahren und einnehmen? ach warumb hat mich nit gleich in meiner Jugend ein Funck oder Goll auffgefressen / und alsobald Dreck auß mir gernacht / so hette ich doch meiner Mutter der Erden gleich widerumb dienen: und durch meine angeborne Feistigkeit ihro ein liebliches Waldblümlein oder Kräutlein Herfür bringen helffen können / ehe daß ich einem solchen Landfahrer den Hindern hett wischen: und meinen endlichen Undergang im Scheißhauß nehmen müssen; oder warumb werde ich nicht in eirres Königs von Franckreich Secret gebraucht / dem der von Navara den Arsch wischt? warvon ich dann viel grösser Ehr gehabt hette / als einem entloffenen Monacho zu Dienst zustehen? Ich antwortet / ich höre an deinen Reden wol / daß du ein nichtswertiger Gesell: und keiner andern Begräbnuß würdig seyest / als eben der jenigen / darin ich dich jetzunder senden werde; und wird gleich gelten/ob du durch einen König oder Bettler an ein solchen stinckend Orth begraben wirst / davon du so grob und unhöflich sprechen darffst / dessen aber ich mich hingegen hertzlich gefreuet; hastu aber etwas deiner Unschuld: und dem Menschlichen Geschlecht treugeleister 4 daselbst hinsetzte Co 18 erst E4 27 in E4

12 vielleicht: cahier Heft

23 hinwiederum E4 29 Nanara C0E4

oder fehlt E4

ein] einen E4

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33 darein E4

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20 Untergang E4

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Dienste wegen vorzubringen / so magstu es thun / ich will dir gern / weil noch jederman im Hause schläfst / Audienz geben / und dich nach befindenden Dingen von deinem gegen­ wertigen Untergang und Verderben conferviren. Hierauff antwortet das Scheermesser / meine Voreltern seynd erstlich nach Plinij Zeugnuß lib. 20. cap. 23. in einem Wald / da sie aufs ihrem aignen Erdreich in erster Freyheit wohnten / und ihr Geschlecht außbraiteten / gefunden: in menschliche [C 8] Dienste als ein wildes Gewächs gezwungen und samentlich Hanfs genennet worden; von denselbigen bin ich zu Zeiten Wenceslai in dem Dorff Goldscheur als ein Saamen entsprossen und erziehlt: von welchem Ort man sagt / daß der beste Hanfssaamen in der Welt wachse; daselbst nahm mich mein Erzihler von den Stengeln meiner Eltern / und verkauffte mich gegen dem Frühling einem Krammer der mich unter andern frembden Hanfsamen mischte und mit uns schacherte; derselbe Kramer gab mich folgends einem Bauren in der Nachbarschafft zukauffen / und gewann an jedem Sester einen halben Goldgülden / weil wir unversehens auffschlugen und theuer wurden; war also gemelter Kramer der zweyte so an mir gewann / weil mein Erzihler der mich anfänglich ver­ kaufte / dem ersten Gewinn schon hinweg hatte; der Bauer aber so mich vom Kramer erhandelt / warf mich in einem wolgebauten fruchtbare:: Acker / alwo ich im Gestanck des Roß- Schwein- Kühe- und anders Missts vermodern und er­ sterben miste; doch brachte ich auß mir selbsten einen hohen stoltzen Hanffstengel hervor / in welchen ich mich nach und nach veränderte / und stracks zu mir selbst in meiner Jugend sagte / nun wirstu gleich deinen Urahnen ein fruchtbarer Vermehrer deines Geschlechts werden / und mehr Körnlein Samen hervor bringen / als jemahls einer auß ihnen nicht gethan; aber kaum hatte sich meine Frechheit mit solcher eingebildeten Hoffnung ein wenig gekitzelt / da muste ich von vilen Vorüber­ gehenden hören: Schauet: was vor ein grosser Acker voll Galgenkraut! welches ich und meine Brüder alsobalden vor kein gut Omen vor uns hielten / doch [C 8 b] trösteten uns hinwiderumb / etlicher ehrbaren alten Bauren Reden / wann sie sagten / Sehet! was vor ein schöner treflicher Hanfs ist das? 7 eigenen E4 namentlich

8 ausbreiten E4

io samentlich CoE4 Schölte:

[49] 515 aber leyder! wir wurden bald hernach gewahr / daß wir von den Menschen beydes wegen ihres Geitzes und ihrer arm­ seligen Bedörfftigkeit / nit da gelassen würden / unser Ge­ schlecht ferners zu xropa.ßiren; Allermassen als wir bald Samen zubringen vermeinten / wir von vnderschiedlichen starcken Gesellen gantz unbarmhertziger weiß auß dem Erdreich gezogen: und als gefangene Vbelthäter in grosse Gebund zu­ sammen gekuppelt worden / vor welche Arbeit sie dann ihren Lohn: und also den dritten Gewinn empfingen so die Menschen von vns einzuziehen Pflegen. Damit wars aber noch lang nit genug / sonder unser Leyden und der Menschen Tiranney fieng ererst an; auß uns / einem nahmhafften Gewächs! ein pures Menschen-Gedicht (wie etliche das liebe Bier nennen) zuverkünstlen; dann man schleppte uns in eine tieffe Gruben / packte uns übereinander und beschwerte uns dermassen mit Stainen / gleichsamb als wann wir in einer Preß gestöcken wären; und hiervon kam der vierdte Gewinn den jenigen zu / die solche Arbeit ver­ richteten; folgends liesse man die Gruben voll Wasser lauffen / also daß wir überal überschwembt würden / gleichsamb als ob man uns ererst hette erträncken wollen / unangesehen allbereit schwache Kräfften mehr bey uns waren; in solcher Paisse liesse man uns sitzen biß die Zierde unserer ohne das bereits verwelckten Blätter folgends verfaulte / und wir selbst beynahe erstickten und verdürben; alßdann liesse man ererst das Wasser wider ablauffen / trug uns auß / und setzte uns auff einen [C 9] grünen Wasen / allwo uns bald Sonn / bald Regen / bald Wind zusetzte / also daß sich die liebliche Lufft selbsten ob unseren Ellend und Jammer entsetzte / veränderte / und alles umb uns herumb verstenckerte / daß schier niemand bey uns vorüber gieng / der nit die Nasen zuhielte / oder doch wenigist sagte pfuy Teuffel; Aber gleichwol bekamen die jenige so mit uns umbgiengen demfünsften Gewinn zu Lohn; In solchem Standt misten wir verharren / biß beydes Sonn und Wind uns unserer letzteren Feuchtigkeit beraubt: und uns mit sambt dem Regen wol geblaicht hatten; darauff wurden wir von unseren Bauren / einem Hänffer oder Hanffbereiter umb den sechsten Gewinn verkaufst. Also bekamen wir den 5

unterschiedlichen

Schölte: Presse

12 er erst E4 21 erst E4 23 Paisse C0E4 erst E4 32 wenigstE4 35 letzterem C0E4

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vierten Herrn / seit ich nur ein Samkörnlein gewesen war; derselbe legte uns unter einen Schopfs in eine kurtze Ruhe / nernblich solang biß er anderer Geschafften halber der weil hatte und Taglöhner haben köndte / uns ferners zuquellen; da dann der Herbst und alle andere Feldarbeiten verbey waren / nähme er uns nacheinander hervor / stellte uns zweydutzet weiß in ein kleines Stübel hinder dem Ofen / und heitzte dermassen ein / als wann wir die Frantzosen hetten außschwitzen sollen / in welcher Höllischen Noth und Gefahr ich offt gedachte / wir würden dermal eins sambt dem Hauß in Flammen gen Himmel fahren / wie dann auch offt geschihet; wann wir dann durch solche Hitz viel feuer-fähiger wurden als die beste Schwebel-Höltzlein / überantwortet er uns noch einem strengeren Hencker / welcher uns handvollweiß under die Prech nahm / und alle unsere innerliche Gliedmassen hundert tausendmal kleiner zerstiesse / als man dem ärgsten ErtzMörder mit [C 9 b] dem Rad zuthun pflegt; uns hernach auß allen Kräfften umb einen Stock herumb schlagende / damit unsere zerbrochene Gliedmassen sauber herauß fallen solten / also daß es ein ansehen hatte / als wann er unsinig worden wäre / und ihm der Schweiß: und zu Zeiten auch ein Ding so sich darauff reimet / darüber außgieng; hierdurch wurde dises der sibende / so unsertwegen einen Gewinn hintrug. Wir gedachten / nunmehr köndte nichts mehr ersonnen werden / uns ärger zupeinigen / vornemblich weil wir dergestalt von einander feparitt: und hingegen doch mit einander also conjungut und verwirret waren / daß jeder sich selbst und das seinig nicht mehr kandte; sonder jedweder Haar oder Bast gestehen muste / wir wären gebrachter Hanfs; aber man brachte uns ererst auff eine Plaul / allda wir solcher Massen gestampsft / geflossen / zerquetscht / geschwungen / und mit einem Wort zusagen / zerrieben und abgeplaulet worden / als wann man lauter Amianthum, Asbesten, Biffinum, Seyden / oder wenigst einen zarten Fluchs / auß uns hätte machen wollen; und von solcher Arbeit genoß der Plauler den achten Gewinn / den die Menschen von mir und meins gleichen schöpffen. Noch selbigen Tag wurde ich als ein wohl geplauleter und geschwungner Hanfs ererst etlichen alten

3 halber fehlt E34 6 vorbey E4 u unter E4 24 mehr fehlt E4 30 erst E4 ein E4 se meines E4 38 geschwungener E4 erst E4

[51] 517 Weibern und jungen Lehr-Dirnen übergeben / die mit ererst die allergröste Marter anthätten / als ich noch nie erfahren / dann sie anatomirten mich auff ihren unterschiedlichen Hechten dermassen / daß es nicht aufzusprechen ist; da hechelt man erstlich den groben Kuder / folgends den Spinnhanff und zuletzt den schlechten Hanfs von mir hinweg / biß ich endtlich [C10] als ein zarter Hanfs und feines Kauffmanns-Gut gelobt: und zum Verkaufs zierlich gestrichen: eingepackt und in einen feuchten Keller gelegt wurde / damit ich im Angrieff desto linder: und am Gewicht desto schwerer seyn solle; solcher gestalt erlangte ich abermal eine kurtze Ruhe / und freute mich / daß ich bermaleins durch Uberstehung so vieles Leydts mit) Leydens zu einer Materi worden /die euch Menschen so nöthig und nützlich wäre: Indessen hatten besagte Weibs-Bilder den neunten Lohn von mir dahin / welches mir einen sonderbaren Trost und Hoffnung gab / wir würden / nunmehr (weil wir die neunne als eine Englische und allerwunderbarlichste Zahl erlangt und erstritten hätten) aller Marter überhoben seyn.

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Das XII. Capitel.

nechsten Marck-Tag trug mich mein Herr in ein Zimmer / welches man eine FaßEammer nennet / wurde ich geschauet / vor gerechte Kaufsmanns-Wahr erkandt und abgewogen / folgends einem Fürkäuffler verhandelt / verzoll / auff einen Wagen verdingt / nach Straßburg geführt / ins Kauffhauß gelieffert abermals geschauet / vor gut erkandt / verzolt und .einen: Kauffherrn verkaufst / welcher mich durch die Kürchelzieher nach Hauß führen und in ein sauber Zimmer auffheben liefe; bey welchem Actu mein gewesener Herr der Hänffer / den zehenden: der Hanfs-Schauer bett elfften: der Wäger den zwölfften: der Zoller den dreyzehenden: der Vorkäuffler den vierzehenden: der Fuhrmann den fünffzehenden: das Kauffhauß den sechszehenden und die Kürchelzieher die mich dem Kauff-[010 d]mann heimführten / den sieben­ zehenden Gewinn bekammen / dieselbe Nahmen auch mit ihrem Lohn den achtzehenden Gewinn hin / da sie mich auff ihren Kärchen zu Schiss brachten / auff welchein ich den Rhein

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1 Lehr-Dienern C0E14 *erst * E4 4 Hecheln E4 12 Leib E4 21 ein E4 nennet /] nennet Co 22 beschauet E4 26 einem E4 31 fünff­ zehenden :] fünffzehenden Co ]fünffzehenden / E4 34 bekammen ~ Gewinn fehlt E4

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hinunter biß nach Zwoll gebracht wurde / und ist mir unmüglich alles zuerzehlen / wer als unterwegs sein Gebür an Zöllen und anderen und also auch einen Gewinn von meinetwegen emp­ fangen / dann ich war dergestalt eingepackt / das ichs nicht wissen kondte. Zu Zwoll genösse ich wiederumb ein kurtze Ruhe / dann ich wurde daselbsten von der Mittlern oder Engländischen Wahr außgesondert / wiederumben von neuem anatomirt und ge­ martert / in der Mitten von einander gerissen / geklopfft und gehechelt / biß ich so rein und zart wurde / daß man wohl reiner Ding als Kloster-Zwirn auß mir hat spinnen mögen / darnach wurde ich nach Ambsterdam gefertigt / alldorten gekaufft und verkaufst und dem Weiblichen Geschlecht übergeben / welche mich auch zu zartem Gam machten / und mich unter solcher Arbeit gleichsamb all Augenblick küsten und leckten; also daß ich mir einbilden müste / alles mein Leyden würde dermal eins sein Endtschafft erraicht haben; aber kurtz hernach wurde ich gewaschen / gewunden / dem Weber unter die Hand geben / gespuhlt / mit einer Schlicht gestrichen / an Weber-Stul gespannet / geweben und zu einem feinen Holländischen Leinwad gemacht / folgends geblaicht und einem Kausfherrn verkaufst / welcher mich wiederumb Elenweiß verhandelte / biß ich aber so weit tarn / erlitte ich viel Abgang; das erste und gröbste Merck so von mir abgieng / wurde zu Lundten gespönnen / in Kuhetreck [C11] gesotten und hernach verbrandt / auß dem andern Abgang spannen die alte Weiber ein grobes Garn / welches zu Zwilch und Sacktaffet geweben wurde / der dritte Abgang gab ein zimblich grobes Garn / welches man Bärdtlen Garn nennet / und doch vor Hänffin verkaufst wurde / auß dem vierten Abgang wurde zwar ein spiner Garn und Tuch gemacht / es mochte mir aber nicht gleichen (ge­ schweige jetzt der gewaltigen Säuler / die auß meinen Cammer­ rathen den anderen Hanffstengelen (darauß man SchleißHanff machte) zugerichtet wurden. Also daß mein Geschlecht den Menschen trefflich nutz / ich auch bey nahe nicht erzehlen kan / was ein und anders vorGewinn von denselbigen schöpffet) den letzten Abgang litte ich selbst / als der Weber ein Par Kneul Garn von mir nach den diebischen Mäusen warffe. ? Engelländischen E4 25 Kühedreck E4 27 Sacktaffel C0E4 Bärdlein E4 30 Spinner-Garn E4 32 meinem E4 33 Hanffstengeln E4 38 warst E4 29

[53] 519 Von obgemeldtem Kauffherren erhandelte mich eine Edel Frau / welche das gantze stück Tuch zerschnitte und ihrem Gesind zum neuen Jahr verehrete / da wurde der jenige Particul davon ich mehrentheils meinen Ursprung hab / der Cammer-Magd zutheil / welche ein Hembt darauß machte / und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich / daß es nicht alle Jungfern seynd die man so nennet / dann nicht allein der Schreiber sonder auch der Herr selbsten wüsten sich bey ihr zu behelffen weil sie nicht heßlich war; solches hatte aber die läng keinen Bestandt / dann die Frau sahe einsmals selbsten / wie ihre Magd ihre Stell vertratt / sie bollert aber deßwegen drumb nicht so gar greulich / sonder that als eine vernünfftige Dame, zahlt ihre Magd auß und gab ihr einen freundlichen Abschied; dem Junckern aber gefiele es nicht beym besten / daß ihm solch [C11 b] Fleisch auß den Zähnen gezogen wurde / sagte derowegen zu seiner Frauen / warumb sie diese Magd abschaffe / die doch ein so hurtig / geschicktes und fleissigs Mensch sehe; sie aber antwortet / lieber Juncker / seht nur ohnbekümmert / ich will hinfort ihre Arbeit schon selber versehen; Hierauff begab sich meine Jungfer mit ihrer Bagage, darunter ich ihr bestes Hembd war / in ihr Heimat nach Cammerich / und brachte einen zimblichen schweren Beutel mit sich / weil sie vom Herrn und der Frauen zimlich viel verdienet und solchen ihren Lohn fleissig zusammen gespart hatte / daselbst fände sie keine so fette Küchen als sie eine ver­ lassen müssen / aber wol etliche Buler die sich in sie vernarreten / und ihr beydes zu Wäschen und zu nähen brachten weil sie ein Profession darauß machte und sich darmit zuernähren gedachte; under solchen war ein junger Schnautzhann dem sie das Seil über die Hörner warff / und sich vor ein Jungfer verkauffte; die Hochzeit wurde gehalten; weil aber nach ver­ flossenem Küßmonat genugsamb erschiene das sich beyder jungen Eheleute vermögen und einkommen nit so weit er­ streckte / sie zu unterhalten / wie sie bißher bey ihren Herrn gewöhnet gewesen / zumahlen eben damahl im Land von Lützemburg Mangel an Soldaten erschiene; als wurde meiner jungen Frauen Mann ein Cornet / villeicht deßwegen / weil Kauffherrn E* Edel-Frau E4 8 wüste E4 11 poltert E4 abschafft E4 fleissigeö E4 30 unter E4 solcher C0E4 32 ver­ kaufst Co 33 beyden Co bey den E4 35 bißhero E4 Herren E4 1

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ihm ein anderer den Raum abgehoben / und Hörner aus­ gesetzt hatte; Damahl fieng ich an zimblich dürr und brechhafftig zuwerden / derowegen zerschnitte mich meine Frau zu Windeln / weil sie ehistes eines jungen Erben gewärtig wär / von demselbigen Ban-[612]ckert wurde ich nachgehends als sie genesen / täglich verunrainigt / und eben so offt wider außgewaschen / welches uns dann endlich so blöd machte / daß wir hierzu auch nichts mehr taugten: Und derowegen von meiner Frauen gar hingeworffen: von der Würthin im Hauß aber (welche gar ein gute Haußhalterin war) wider auffgehoben: außgewäschen und zu andern dergleichen alten Lumpen aufs die obere Bühn gelegt wurden; daselbst musten wir verharren biß ein Kerl von Spinal kam / der uns von allen Orthen und Enden her versamblet / und mit sich heim in eine Papiermühl führte / daselb wurden wir etlichen alten Weibern übergeben / die uns gleichsamb zu lauter Streichpletzen zerrissen / allwo wir dann mit einem rechten JammerGeschrey unser Ellend einander klagten; damit hats aber drum noch kein End / sondern wir wurden in der Papiermühl gleich einem Kinderbrey zerflossen / daß man uns wohl vor kein Hanfs- oder Flachsgewächs mehr hette erkennen mögen / ja endlich eingebeitzt in Kalch und Alaun und gar im Wasser zerflöst / also daß man wphl von uns mit Warheit hette sagen können / wir seyen gantz vergangen gewesen; aber unversehens wurde ich zu einem feinen Bogen Schreibpapier creirt, durch andere mehr arbeiten neben anderen meinen Cameraden mehr erstlich in ein Buch / endlich in ein Riß / und alßdann ererst wider unter die Preß gefürdert / zuletzt zu einen Ballen gepackt und die einstehende Meß nach Zurzach gebracht / daselbst einem Kauffmann von Zürch verhandelt / welcher uns nach Hauß brachte / und das jenige Riß darinn ich mich befände / einem Factor oder Haußhalter eines grossen Herrn wider verkauffte / der ein groß [C 12 b] Buch oder Journal auß mir machte; biß aber solches geschahe / gienge ich den Leuthen wohl sechs und dreissigmahl durch die Hände / seyt ich ein Lump gewesen. Dieses Buch nun / worin ich als ein rechtschaffner Bogen Pappier auch die Stell zweyer Blätter vertratte / liebte der

3 mich] ich CoE34 s war E4 is daselbst E4 21 Hauff-] Hauff E4 24 seyn E4 26 creirt] erküst E4 28 er erst E4 30 verhandelte CoE4 37 rechtschaffener E4

[55] 521 Factor so hoch / als Alexander Magnus den Homerum; es war sein Virgilius, darin Augustus so fleissig ftudirt / sein Oppianus darin Antonius Keysers Severi Sohn so embsich gelesen; seine Commentarij Plinij Iunioris, welche Largius Licinius so werth gehalten; sein Tertullianus, den Cyprianus allzeit in Händen gehabt / seine paedia Cyri, welche ihm Scipio so gemein gemacht; sein Philolaus Pithagoricus daran Plato so grossen Wolgefallen getragen; sein Speusippus den Aristoteles so hoch geliebt; sein Cor­ nelius Tacitus, der dem Kayser Tacitum so höchlich er­ freut / sein Comminaeus den Carolus Quintus vor allen Scribenten hochgeachtet / und in summa summarum seine Bibel / darinnen er Tag und Nacht studirte; zwar nit deß­

wegen / daß die Rechnung auffrichtig und just seyn: sonder daß er seine Diebsgriff bemänteln: seine Untreu und Buben­ stück bedecken: und alles dergestalt setzen möchte / daß es mit dem Journale überein stimme. Nach dem nun bemelkes Buch überschriben war / wurde es hingestellt biß Herr und Frau den Weeg aller Welt giengen / und damit genösse ich ein zimbliche Ruh / als aber die Erben getheilt hatten / wurde das Buch von denselben zerrissen und zu allerhand Pack-Papier gebraucht / bey welcher Occafion ich zwischen einen verprembten Rock gelegt [D1] wurde; damit beydes Zeug imb Possamenten keinen Schaden litten / und also wurde ich hieher geführt / und nach der wider Außbackung an diesen Ort contemnirt, den Lohn meiner: dem Menschlichen Geschlecht treu geleisten Diensten / mit meinem endlichen Untergang und Verderben zuempfangen; warvor du mich aber wohl erretten köndtest. Ich antwortete / weil dein Wachsthum und Fortzihlung auß Feistigkeit der Erden / welche durch die excrementa der animalien erhalten werden muß / ihren Ursprung / Her­ kommen und Nahrung empfangen / zumahlen du auch ohne das solcher Materi gewöhnet: und von solchen Sachen zureden ein grober Gesell bist so ist billich daß du wider zu deinen Ursprung kehrest; warzu dich dann auch dein aigner Herr verdambt hat / damit exequirte ich das Urthel; aber das Scheermesser sagt / gleich wie du jetzunder mit mir procedi6 praedia E4 iö bemäntelt E4 24 Postament E4 25 ich fehlt C0E4 AuSpackung E4 27 Menschliche E4 30 Fortzehlung E4

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rest / also wird auch der Todt mit dir Verfahren / wann er dich nemblich wider zur Erden machen wird / davon du genommen worden bist; und darvor wird dich nichts fristen mögen / wie du mich vor dißmahl hettest erhalten können. 5

Das XIII. Capitel.

den Abend zuvor eine Specification verlohren 3 Ehallerhattemeiner gewissen Künste / die ich etwan hiebevor

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geübet und auffgeschriben hatte / damit ich solche nicht so leichtlich vergessen sötte / es stund aber drumb nit darbey / welcher gestalt und durch was Mittel solche zu practiciren; zum Exempel setze ich den Ansang solcher Verzaichnuß hieher. Lundten oder Zintstrick zu zurichten / daß er nicht rieche / als durch welchen Geruch offt die [D 1 b] Mußquetirer verrathen: und dero Anschlag zu nichts werden; Lundten zu zurichten daß er brenne wann er gleich naß wird. Pulver zu zurichten / daß es nicht brenn / wann man gleich einen glühenden Stahl hinein steck / welches den Vestungen nützlich / die deß gefährlichen Gasts eine grosse quantität Herbergen müssen; Menschen oder Vögel allein mit Pulver zuschiessen / daß sie ein Zeitlang vor todt liegen bleiben / hernach aber ohne allen Schaden wieder auffstehen. Einem Menschen eine doppelte Stärck ohne Ebers-Wurtzel und dergleichen verbottene Sachen zu wegen zubringen. Wann man in Außfällen verhindert wird / dem Feind seine Stück zuvernaglen / solche in eyl zu zurichten / daß sie zerspringen müssen. Einem ein Rohr zu verderben / daß er alles Wildbret damit zu Holtz scheust / biß es wiederumb mit einer andern gewissen Materi außgebutzt wird. Das Schwache in der Scheiben ehender zutreffen / wann man das Rohr aufs die Achsel legt und der Scheiben den Rucken kehrt / als wann man gemeinem Gebrauch nach aufflegt und anschlägt; io

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[57] 523 Ein gewisse Kunst / daß dich keine Kugel treffe. Ein Instrument zu zurichten / vermittelst dessen man / sonderlich bey stiller Nacht / wunderbarlicher Weiß alles hören kan / was in unglaublicher Ferne thönet / oder gered wird (so sonst ohnmenschlich und ohnmüglich) den Schildtwachten: und sonderlich in den Belagerungen sehr nützlich / rc. Solchergestalt waren in besagter Specifica-[D 2]tion viel Künste beschrieben / welche mein Gast-Herr gefunden und auffgehaben hatte; derowegen tratte er selber zu mir in die Cammer / wise mir die Verzaichnus / und fragte / obs wol müglich sey / daß diese Stück natürlicher Weise verrichtet werden köndten; er zwar köndte es schwerlich glauben / doch müsse er gestehen / daß in seinerJugent / als er sich Knabenweiß bey dem Feldmarschalen von Schauenburg / in Jtalia auf­ gehalten / von etlichen außgeben worden wäre / die Fürsten von Savoya seyen alle vor den Kuglen versichert; solches hätte gedachter Feldmarschall an Printz Thomae versuchen wollen / den er in einer Bestung belagert gehalten; dann als sie einsmals beyderseits eine Stundt Stillstandt beliebt / die Todte zubegraben und Unterredung miteinander zupflegen / hätte er einem Corpora! von seinem Regiment / der vor den gewissesten Schützen unter der gantzen Armee gehalten worden / Befelch geben / mit seinem Rohr / damit er auff fünfftzig Schritt ein brennente'Kertzen ohnaußgelescht butzen können / gedachtem Printzen / der sich zur conferenz auff die Brustwehr deß Walls begeben / auff zupassen / und so bald die bestimbte Stundt deß Stillstands verflossen / ihme ein Kugel zu zuschicken; dieser Corpora! hätte nun die Zeit fleissig in acht genommen / und mehr ermeldten Pcintzen die gantze Zeit deß Stillstands fleissig im Gesicht und vor seinem Absehen behalten; auch / als sich der Stillstand mit dem ersten Glockenstreich geendet / und jeder von beyden theilen sich in Sicherheit rettimt / auff ihn loß getruckt; das Rohr hätte ihm aber wider alles Vermuthen versagt / und sehe der Printz / biß der Corpora! wieder gespannt / hinder die Brustwehr [D 2 b] kommen; warauff der Corpora! dem Feldmarschall / der sich auch zu ihm in den Lauffgraben begeben gehabt / einen Schweitzer auß des Printzen Quarti gewisen / auff 1 kein E4 5 ohnmöglich E4 ie seyn E4 Kugeln E4 24 bren­ nende Kertz E4 33 loßgedruckt E4 34 sey E4 35 hinter E4 38 Quarti = Guardi

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welchen er gezielt / und denselben dergestalt getroffen / daß er über und drüber geburtzelt; warauß dann handgreifflich abzu­ nehmen gewesen / daß etwas an der Sach sey / daß nernblichen kein Fürst von Savoya von Büchsen-Schüssen getroffen oder beschädigt werden möge; ob nun solches auch durch dergleichen Künste zugienge oder ob vielleicht dasselbe hohe Fürstl. Hauß ein absonderliche Gnad von Gott habe / weil es wie man sagt / auß dem Geschlecht deß Königlichen Propheten Davids entsprossen / köndte er nicht wissen, Ich antwortet / so weiß ichs auch nicht; aber diß weiß ich gewiß / daß die verzeichnete Künste natürlich und keine Zauberey seyn / und wann er ja solches nicht glauben wolte / so solte er mir nur sagen welche er vor die verwunderlichste und ohnrnüglichste halte / so wolte ich ihm dieselbige gleich probiren doch so ferne es eine sey / die nicht längere Zeit und andere Gelegenheit erfordere / als ich übrig hätte solche ins Merck zusetzen / weil ich gleich fort wandern: und meine vor­ habende Miß befürdem rnüste; darauff sagte er / diß käme ihm am unmöglichsten vor / daß das Büchsen-Pulver nicht brennen soll / wann Feur darzu komme / ich würde dann zuvor das Pulver ins Wasser schütten; wann ich solches natür­ licher Weiß so probiren könne / so wolle er von den andern Künsten allen / deren gleichwol über die 60. waren / glauben was er nicht sehe / und vor solcher Prob nicht glauben könne; ich antwortet / er [D 3] solte mir nur geschwind einen einigen Schuß Pulver und noch eine Materia die ich darzu brauchen rnüste / sambt Feuer herbey bringen / so würde er gleich sehen daß die Kunst just setze; alß solches geschahe liesse ich ihn der gehörde nach procedirett / folgends anzünden; aber da vermochte er nit mehr als etwan nach und nach ein baar Körn­ lein zuverbrennen / wiewol er ein viertel Stund damit umbgieng / und damit nichts anders außrichtete / alß daß er sowol glüende Eysen als Lunden und Kohlen im Pulver selbst über solcher Arbeit außlöschte; ja sagte er zuletzt / jetzt ist aber das Pulver verderbt; ich aber antwortet ihm mit dem Merck / und macht das Pulver ohne einigen Lösten ehender man 16. zehlen kondte / daß es hinbrannte / da ers mit dein Feur kaum an­ rührte; Ach! sagte er / hette Zürch dise Kunst gewüst / so hetten 2 gepurtzelt E4 io Lchö] ich E4 15 länger E4 käme CoE4 27 er fehlt E4 29 noch E4

is befördern E4

[59] 525 sie verwichen so grossen Schaden nit gelitten / als das Wetter in ihren Pulver-Thum schlug. Wie er nun die Gewißheit dieser natürlichen Kunst gesehen / wolte er kurtzurnb auch wissen / durch was Mittel ein Mensch sich vor den Büchsen-Kuglen versichern kondte; aber solches ihm zu communiciren war mir ungelegen; er setzte mir zu mit Liebkossungen und Verheissungen / ich aber sagte / ich bedörffe weder Gelt noch Reichthumb; er wendet sich zu Be­ trohungen / ich aber antwortet / man müste die Pilger nach Einsidlen passiren lassen; er ruckte mir vor die Undanckbarkeit vor empfangne freundliche Bewürthung / hingegen hielte ich ihm vor er hette bereits genug von mir darvor gelernet; dem­ nach er aber gar nicht von mir ablassen wolte / gedachte ich ihn zubetrügen; dann wer solche Kunst von mir ent-[v 3 b]weder mit Lieb oder Gewalt erfahren wölken / hette ein höhere Persohn sehn müssen; und weil ich merckte / daß ers nicht achtete / obs mit Wörtern oder Creutzen zugieng / wann er nur nicht geschossen würde; beschlug ich ihn aufs dem Schlag wie mich Baldanderst beschlagen / damit ich gleichwohl nicht zum Lügner wurde / und er doch die rechte Kunst nit wüste; Massen ich ihm folgenden Zettel darvor gab. Das Mittel folgender Schrifft behüt / daß dich kein Kugel trifft.

Ala, vitom, rahoremarhi, ahe, menalem renah, oremi, nasiore ene, nahores, ore, eldit, ita, ardes, inabe, ine, nie, nei, alomade, fas, ani, ita, ahe, elime, arnam, afa, locre, rahel, nei, vivet, aroleli, ditan, Veloselas, Herodan, ebi, menises, afa elitira, eve, harfari erida, facer, elachimai, nei, elerifa. Alß ich ihm diesen Zettel zustellte / stellte er demselbigen auch Glauben zu / weil es so kauderwelsche Wort waren die niemand verstehet / wie er vermeinete; aber gleichwol würckte ich mich solcher gestalt von ihm loß / und verdiente die Gnad / daß er mir ein baar Thaler ausf den Weeg zur Zehrung mit­ geben wolte / aber ich schlug die Annehmung ab / und liesse mich mehr als geren nur mit einem Früstuck abfertigen. Also marchirte ich den Rhein hinunter auff Eglisau zu / unterwegs aber blibe ich sitzen wo er der Rhein seinen Fall hat / und mit ii empfangene E4 Bewürdung E4 gehen C0E4 Früstück E4

12 wollen E4

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grossen saussen und praussen theils seines Wassers gleichsamb in Staub verwandelt. Damals fienge ich an zubedencken / ob ich der Sach nit zuvil gethan / in dem ich meinen Gast-Herrn / der mich gleichwol so freundlich bewürbet / mit Dargebung der Kunst hinders Liecht geführt; [D4] villeicht / gedachte ich / wird er dise Schrifft und närrische Wörter künfstig seinen Kindern oder sonst seinen Freunden als ein gewisse Sach / communicim, die sich alßdann darauff verlassen: in unnöthige Gefahr geben: und darüber ins Graß beissen werden / ehe sie zeitig / wer wäre alßdann an ihrem frühen Todt anders schuldig als du? wolle derowegen widerumb zurück lauffen / einen Wider­ rufs zuthun / weil ich aber sorgen muste / wann ich ihm wider in die Kluppen käme würde er mich härter als zuvor halten / oder mir doch wenigst den Betrug einträncken; als begab ich mich ferners nach Eglißau / daselbst erbettelt ich Speiß / Tranck / Nachtherberg und einen halben Bogen Pappier / darauff schriebe ich folgends: Edler und frommer hochgeehrter Herr / ich bedancke mich nachmalen der guten Herberg / und bitte GOtt daß ers dem Herrn wieder tausendfältig vergelten wolle / sonst hab ich sorg / der Herr möchte sich vielleicht künfftig zu weit in Gefahr wagen und Gott versuchen / weil er so eine treffliche Kunst von mir wider das Schiessen gelernet; als habe ich den Herren warnen: und ihm die Kunst erläutern wollen / damit sie ihm vielleicht nicht zu unstatten und schaden gereiche; ich hab geschrieben. Das Mittel der folgent Schrifft / behüt daß dich kein Kugel trifft. Solches verstehe der Herr recht / und nehme auß jedem unteutschen Wort / als welche weder zauberisch noch sonst von Kräfften seyn / den mittlern Buchstaben herauß / setze sie der Ortnung nach zusammen so wird es heissen / steh an ein Grt da niemand hinscheist / so bistu sicher. Dem folge der Herr / dencke meiner zum besten / und bezeihe [D4b] mich keines Betrugs / warmit ich uns beyderseyts Gottes Schutz befehle / der allein beschützet welchen er will. dat: rc. Deß andern Tags wolte man mich nicht passiren lassen / weil ich kein Geld hatte / den Zoll zuentrichten / muste derowegen 8 eine E4 communiciren E4 ie Endlißau E4 erbettelte E4 18 schreibe E4 20 HErrn Co 24 Herrn E4 25 ihn E4 27 folgen­ den E4 33 Bei richtiger Auflösung des Buchstabenspiels: hinschevst. Hier vielleicht Druckfehler; möglicherweise aber beabsich­ tigte Zweideutigkeit (Schölte) 86 will.] will Co ]will / E4

[61] 527 wol zwo Stund sitzen bleiben biß ein ehrlicher Mann kam / der die Gebühr umb Gottes-Willen vor mich darlegte Dasselbe muß mir aber sonst niemand als ein Hencker gewesen seyn; dann der Zoller sagte zu ihm / wie dunckt euch Meister Christian / getrautet ihr wol an diesem Kerl einen zeitlichen Feyerabent zu machen? ich weiß nit? antwortet Maister Christian / ich hab meine Kunst noch nie an den Pilgern probirt / wie an euers gleichen Zollern; davon kriegte der Zoller ein lange Naß / ich aber trolte fort Zürch zu; allwo ich auch ererst mein Schreiben zuruck aufs Schaffhausen bestelle / weil mir nit geheur bey der Sach war.

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Das XIV. Capitel. F^Amahl erfuhr ich daß einer nit wol in der Welt fort kombt der kein Geld hatt / wann einer dessen gu seines Lebens Auffenthalt gleich gern entbehren wolte; andere Pilger / die Geld hatten und auch nach Einsidlen wollen / fassen zu Schiff und liefen sich den See hinauff führen / da hingegen muste ich durch Umbweeg zu Fuß fort tantzen / keiner andern Ursachen halber / als weil ich den Fergen nit zubezahlen vermochte; ich liesse mich solches aber mit Nichten anfechten / sonder machte desto kürtzere Tagraisen / und nam mit allen Hörbergen verlieb wie sie mir anstunden / und hette ich auch in einen Bain Häusel übernachten sollen; wann mich aber jrgents [D 5] ein Fürwitziger meiner Seltzamkeit wegen auffnam / umb etwas wunderlichs von mir zuhören / so tractirte ich denselben wie ers haben wolte / und erzehlte ihm allerhand storgen die ich hin und wider auff meinen weiten Raisen gesehen / gehört und er­ fahren zuhaben vorgab; schämte mich auch gar nicht / die Einfall / Lugen und Grillen der alten Scribenten und Poeten vorzubringen / und vor eine Warheit darzugeben / als wann ich selbst überal mit und darbey gewest wäre; Exempels weiß; ich hatte ein Geschlecht der pontischen Völcker / so Thybij genant / gesehen; die in einen Aug zween AugAepffel: in dem andern die Bildnuß eines Pferds haben / und bewise solches mit Philarchi Zeugnus; ich war / beym Vrsprung deß Fluß Gangis / bey den Astomis gewesen / die 2 umb fehlt CoE2 4 * 20 lieste Co

5 getraute CoE4

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gen E4 29 Einfäll Lügen E4 E4 36 den] dem CoE4

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weder essen noch Meüler haben / sonder nach Plinij Zeugnus allein durch die Nase von Geruch sich ernähren; jtem bey den bitischen Weibern in Scythia, und den Tribalis in Illyria die zween Aug Aepffel in jeden Aug haben; Massen solches Appollonides und Hesigonus bezeugen; ich hatte vor etlichen Jahren mit den Einwohnern deß Berg Mili gute Kundschaft gehabt / welche wie Megastenes sagt / Füsse haben wie die Füchs / und an jeden Fuß acht zehen; bey den Troglotidis gegen Nidergang wonhafftig / hatte ich mich auch ein weil auffgehalten / welche wie Ctelias bezeugt / weder Kopfs noch Halß: sonder Augen Maul und Nase auff der Brust stehen haben; nicht weniger bey den Monolcelis oder Sciopodibus / die nur einen Fuß haben / damit sie den gantzen Leib vor Regen und Sonnenschein beschirmen: und dannoch mit solchem einigen grossen Fuß ein Hirsch über­ laufen können; ich hatte gesehen die [D 5 b] Antropophagi in Scythia und die Caffres in Jndia die Menschen Fleisch fressen; die Andabati so mit zugethanen Augen streitten und in den Haussen schlagen; die Agriophani / die Löwen und Panterthier Fleisch fressen; dieArimphei so unter den Bäumen ohn alle Verwahrung sicher hinein schlaffen / die Bactriani / welche sv massig leben / daß bey ihnen kein Laster verhasster ist / als Fressen und Saufen; die Samogeden die hinder der Mofcau unter dem Schnee wohnen / die Insulaner im sinn Perfarum als zu Ormus / die wegen grosser Hitz im Wasser schlaffen; die Grünländer / deren Weiber Hosen tragen; die Berberi / welche alle die so über 50. Jahr leben / schlachten und ihren Göttern opfern; die Indianer hinder der Magelanischen Strassen / am Mare Pacific^ / deren Weiber kurtze Haar die Männer selbst aber lange Zöpff tragen; die Condei, die sich von Schlangen ernähren; die unteutsche hinder Liffland / die sich zu gewisen Zeiten deß Jahrs in Werwölff ver­ wandten / die Gapij welche ihre alte nach erlangten sibenzigsten Jahr mit Hunger hinrichten; die schwache Tartern / deren Kinder ihre Zähn mit auff die Welt bringen; die Geta so alle Ding / auch die Weiber gemein haben; die Himatopodes / welche aufs der Erden kriechen wie die Schlangen / Brasilianer so die frembte mit Wainen: und die Mofineci so ihre Gäst i Pliny Co 2 ernährten E4i * * 6 Bergs E4 9 warhafftig CoE4 18 zugethanenen E4 ie Agrophani E4 20 Panterfleisch E4 22 verhasster C0E4 23 hinter E4 24 linu] Sinn E4 27 Berbeti CoE4 36 haben;] haben CoE4 Hirnatopedes E4 38 fremde E4

[63] 529

mit Prügeln empfangen; ja ich hatte auch die selenitische Weiber gesehen / welche (wie Herodotus behauptet) Eyer legen und Menschen drauß Hecken / die zehenmal grösser werden als wie in Europa. Also hatte ich auch viel wunderbarliche Brunnen gesehen / als am Vrsprung der Weixel einen / dessen [D 6] Wasser zu Stein wird / darauß man Häuser bauet; jtem den Brunnen bey Zepusio in Ungarn / welches Wasser Eisen verzehrt / oder besser zureden / in eine Materiam verendert / auß deren hernach durchs Feur Kupffer gemacht wird / da sich der Regen in Victril verändert; mehr daselbst einen gifftigen Brunnen / dessen Wasser / wo der Erdboden damit gewässert wird / nichts anders als Wolffskraut herfor bringt / welcher wie der Mon ab: und zunimbt / mehr daselbst einen Brunnen / der Winters­ zeit warm: im Sommer aber nichts als lauter Eiß ist / den Wein damit zu kühlen; ich hatte die zween Brünnen in Jrrland gesehen / darinnen das eine Wasser wann es getruncken wird / alt und grau: das ander aber hübsch jung macht; den Brunnen zu Aengstlen im Schweitzerland / welcher nie laufst / als wann das Biehe aufs der Watt zur Träncke kombt; item vnterschiedliche Brunnen in Jßland / da ein heiß: der ander kalt Wasser der dritte Schweffel / der vierte geschmoltzen Wax herfor bringt; mehr die Wasser Gruben zu S. Stephen gegen Sanen Land in der Eidgnosschafft / welche die Leut vor ein Kalender brauchen / weil das Wasser trüb wird / wann es regnen wil / und hingegen sich klar erzaigt / wann schön Wetter obhanden; nicht weniger den Schantlibach bey ober Nähenheimb im Ellsaß / welcher nit ehe fleuß / es solle dann ein groß Unglick / als Hunger / Sterben oder Krieg übers Land gehen; den gifftigen Brunn in Arcadia / der Alexandrum Magnum umbs Leben brachte; die Wasser zu Sibaris, welche die graue Haar wider schwartz machen / die Aquae Suellanae die den Weibern die Unfruchtbarkeit benemmen; die Wasser in der Insul Enaria [D 6 b] welche Grieß und Stein vertreiben / die zu Clytumno, darinn die Ochsen weiß werden / wann man sie damit badet / die zu Solennio, welche die Wunden der Liebe heylen; den Bmnnen Aleos dardurch das Feur der Liebe entzündet wird; den Brunnen in Perfia darauß lauter 3 18

daraus E34

4 wie vielleicht: wir s Materi E4 vielleicht: hübsch und jung 23 Sanct Stephan E4

schafft CoE4 28 eher E4 E4 37 Brunn AlcoS E4

Unglück E4

Mond E4 Eidgrosso gifftigen] künfftigen 13

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Oehl: und einen ohnfern von Cronweissenburg darauß nur Karchsalb und Wagenschmir quitt; die Wasser in der Insul Naxo / darinn man sich kan truncken trincken; den Brunnen Arethusam / darinnen lauter Zucker Wasser; auch wüste ich alle berümbte Palludes / See / Sünpff und Lachen zube­ schreiben / als den See bey Zircknitz in Kärnten / dessen Wasser Fisch zwo Elen lang / hinderläst; folgents wann solche ge­ fangen / von den Bauren besambt / abgemähet und eingeärndet: hernach aber aufs den Herbst wider von sich selbst 18. Ellen tieff mit Wasser angefüllt wird / welches den künfftigen Frühling abermal ein solche Mänge Fisch zum besten gibt; daß Todt Meer in Judea! den See Leomondo in der Landschafft Lennos, welcher 24. Meilen lang und vil Jnsuln: darunter auch eine schwimmende Insul hatt / die mit Viehe und allem was drauff ist / vom Wind hin und her getriben wird; ich wüste zu sagen vom Feder See in Schwaben / vom Bodensee bey Costnütz / vom Pilatus See auff dem Berg Fractmont, vom Camarin in Sicilia, von dem Lacu Bebeide in Thesalia, vom Gigeo in Lydia; vom Marette in Ägypten; vom Stymphalidem Arcadia;öom Lasconio in Bythinia, vom Icomede in vEthiopia; vom Thesprotio in Ambratia; vom Trasimeno in Umbria; vom Meotide in Scythia; und vilen andern mehr. So hatte ich auch alle namhaffte Flüß in der [D 7] Welt gesehen / als Rhein und Thonau in Teutschland / die Elb in Sachsen / die Moldau in Böhmen; den Ihn in Bayern / die Wolgau in Reussen / die Tems in England / den Tagum in Hispannia; den Amphrifum in Thesalia; den Nilum in Ägypten, den Iordan in Iudea; den Hippanim in Scythia; den Bagradam in Africa; den Gangem in India; Rio dela platta in America; den Eurotam in Laconia; den Euphratem in Mesopotamia; die Tyber in Italia; den Cidnum in Cilitia; den Acheloum zwischen AStolia und Arcarnania; den Boristenem in Thracia, und den Sabatticum in Syria, der nur 6. Tag fleust / und den sibenden ver­ schwindet / item in Sicilia einen Fluß / in welchem nach Aristoteli Zeugnuß die erwirgte und erstückte Vögel und Thier wider lebendig werden; so dann auch den Gallum in i nur] mir CoEi4 * *3 Naro E4 5 Sümpff E4 6 Airckmitz CoE4 Vgl. S. 420,38 u. 422,4 i Fisch fehlt CoE4 12 Jugea E4 13 In­ sul E4 14 ein E4 19 Tydia CoE4 20 Lasconia E4 23 Scytsia CoE4 27 Neuffen CoE4 Iems CoE4 Engelland E4 28 den Amphrifum] dem Amphrifum CoE4 34 Sabatsicum CoE4 Vgl. S. 422,14 37 erwürgte E4

[65] 531 Phrygia welcher nach Ovidij Mainung unsinnig macht wann man drauß trinckt; ich hatt auch deß Plinij Brunnen zu Dodona gesehen / und selbst Probiert / daß sich die

brennente Kertzen außleschen: die außgeleschte aber an­ zünden / wann man solche nur daran hält; so war ich auch bey den Brunnen zu Appollonia gewesen / deß Nymphaei Becher genant welcher denen so drauß trincken / wie Theopompus meldet / alles Unglück zuverstehen gibt so ihnen noch begegnen wird. Gleichermassen wüste ich auch von andern wunderbarlichen Dingen in der Welt auff zuschneiden / als von den Calaminischen Wälden / die sich von einem Ort zum an­ dern treiben lassen / wo man sie nur hin haben will; so war ich auch in den Ciminischen Wald gewesen / allwo ich meinen Pilgerstab nit in die Erde stecken dorffte / weil alles was dort [D 7 b] in die Erde kombt strachs einwurtzelt / daß mans nit wider herauß kriegen kan / sonder geschwind zu einen grossen Baum wird; so hatte ich auch die zween Wald gesehen / deren Plinius gedenckt welche bißweilen dreyeckicht / biß weilen viereckicht und biß­ weilen Rund sehnt / nichtweniger den Felsen / den man zu Zeiten mit einem fingen biß weilen aber mit keinen Gewalt bewegen kan; In Summa Summarum ich wüste von seltzamen und velwunderungs würdigen Sachen nit allein etwas daher zulügen / sonder hatte alles selbst mit meinen aignen Augen gesehen / und sollen es auch berühmbte Gebüu als die sieben Wunder-Werck der Welt / der babilonisch Thüren / und der­ gleichen Sachen gewesen seyn / so vor vilen hundert Jahren abgangen; also machte ichs auch / wann ich von Vögeln / Thieren / Fischen und Erdgewächsen zureden kam / meinen behörbergern die solches begehrten die Ohren damit zu grauen / wann ich aber verständige Leut vor mir hatte / so hiebe ich bey weitem nit so weit über die Schnur / und also brachte ich mich nach Einsidlen / verrichtete dort meine An­ dacht / und begab mich gegen Bern zu / nicht allein auch dieselbe Statt zu beschauen / sonder von bar durch Savoya in Italia zugehen. i Ovidy CoE4i * * 2 Pliny Co 7 daraus E4 um fehlt E4 is Er­ den E4 is stracks E4 is einem E4 21 Stund CoE4 22 keinem E4 25 etwas fehlt E4 26 eigenen E4 31 kam; Co 32 Beher­ bergen E4

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Das XV. Capitel.

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ff» glückte mir zimlich auff dem Weeg / weil ich treuhertzige ^ Leut fand die mir von ihrem Überfluß beydes Herberg und Narrung gern mittheylten und daß umb so vil desto Lieber / weil sie sahen daß ich nirgents weder Geld fordert noch an namb / wann man mir gleich ein Angster oder zween geben wolle; in der Statt sahe ich einen noch sehr jungen wolgebutzten Menschen stehen / umb welchen etliche [D 8] Kinder liessen die ihn Batter nenneten / weßwegen ich mich dann verwundern muste / dann ich wüste noch nicht / daß solche Söhn darumb so Jung heyrrathen / damit sie desto ehenter Statts­ Personen abgeben / und desto früher auff die Praefecturen gesetzt werden möchten; diser sahe mich vor etlichen Thüren bettlen / und da ich mit einem liessen Bückling (dann ich tonte keinen Hut vor ihm abziehen weil ich barhäuptig gieng) bey ihm verüber palsiten wolle / ohne daß ich etlicher unverschämbten Bettler Brauch nach ihn auff der Gassen angelofsen hätte / griesfe er in Sack / und sagte / ha: wammb forderst mir kein Allmosen; seh hier da hast du auch ein Lutzer; ich antwortet Herr / ich kondte mir leicht einbilden daß er kein Brodt bey sich trägt / drumb hab ich ihn auch nicht bemühet; so trachte ich auch nicht nach Geld / weil den Bettlern solches zuhaben nicht gebürt; indessen samblete sich ein Umbstandt von aller­ hand Personen / dessen ich dann schon wol gewohnt war / er aber antwortet mir / du magst mir wol ein stoltzer Bettler seyn / wann du das Geld verschmähest; nein Herr / er belieb nur zuglauben sagte ich / daß ich dasselbe darumb verachte damit es mich nicht stoltz machen soll; er fragte / wo wilstu aber Herbergen wann du kein Geld hast? ich antwortet / wann mir GOtt und gute Leut gönnen / unter diesem Schopfs mein Ruhe zunehmen / die ich jetzt trefflich wol bedarff / so bin ich schon versorgt und wol content; er sagte / wann ich wüste daß du keine Läuse hättest / jo wolle ich dich Herbergen und in ein gut Beth legen; ich hingegen antwortet ich hette zwar so wenig Läuß als Heller / wüste aber gleichwol nicht / ob mir rathsam wär in einen Beth zuschlas-[v 8 bjfen / weil mich solches verleckern: und von meiner Gewohnheit hart zuleben /

3 Leute E34 Herberg und Narrung] Nahrung und Herberg E4 ii ehender E4 12 abgelegen C0E4 1« vorüber E4 n ihn fehlt C0E4 iS forderst du an E4 19 da fehlt E4 30 meine E4

[67] 533 abziehen möchte; mit dem kam noch ein feiner reputirlicher alter Herr daher / zu dem sagte der Junge / schauet umb Gottes­ willen einen andern diogenem Cinnam! ey: ey: Herr Vetter / sagt der Alte / was redet ihr / hat er dann schon jemand angebollen oder gebissen / gebt ihm darvor ein Allmosen und last ihn seins Wegs gehen; der Junge antwortet / Herr Vetter er will kein Geld / auch sonst nichts annehmen / was man ihm guts thun will; erzehlte dem Alten darauff alles was ich gered und gethan hatte; ha: sagt der Alt viel Kopfs viel Sinn; gab darauff seinen Dienern Beselch / mich in ein Wirthshauß zu­ führen / und dem Wirth gutzusprechen vor alles was ich dieselbe Nacht verzehren würde; der Junge aber schriehe mir nach / ich sötte bey Leib und Leben morgen frühe wieder zu ihm kommen / er wolte mir ein gute kalte Küch mit aufs beit Weg geben. Also endtranne ich auß meinem Umbstand / da man mich mehr gehetzt / als ich beschreibe; kam aber auß dem Fegfeur in die Hell / dann das Wirthshauß stack voller trunckner und toller Leute / die mir mehr Dampfs anthäten als ich noch nie aufs meiner Pilgerschafft erfahren; jeder wolte wissen wer ich wäre; der eine sagte ich wäre ein Spion oder Kundtschaffter / der ander sagte ich sey ein Widdertauffer / der dritte hielte mich vor einen Narren / der vierdte schätzte nüch vor em heiligen Propheten / die allermeiste aber glaubten ich wäre der ewig Jud / davon ich bereits oben Meldung gethan; als daß sie mich bey nahe dahin brachten auffzuweissen daß ich nicht beschnitten wär; endlich erbarmbt sich der Wirth über [D 9] mich / rüsse mich von ihnen und sagte / last mir den Mann ungehehet / ich weiß nicht ob er oder ihr die gröste Narren seindt / und damit lise er mich schlasfen führen. Den folgenden Tag verfügte ich mich vor deß jungen Herrn Hauß / das versprochen Frühstück zuempfahen; aber der Herr war nicht daheimen / doch kam seine Frau mit ihren Kindern herunter / vielleicht meine Seltzsamkeit zu sehen / davon ihr der Mann gesagt haben möchte; ich verstünde gleich auß ihrem Diseurs (gleichsamb als ob ichs hätte wissen müssen) daß ihr Mann beym Senat wäre / und ohngezweisfelte Hoffnung hätte / denselben Tag die Stell eines Land-Vogts oder Land4 sagte E4 6 seines E4 9 sagte E4 Alte E4 12 nur] nur CoE4 14 gut E4 iS Hätt E4 2i ich wäre ein ~ feilte,fehlt E4 22 eine Mdertauffer E4 23 ein] einen E4 28 rüffe] rüste Co ]risse E4 29 ungeheuer Kustode: heuet E4 30 seyd E4 32 Frühestück E4 33 ihren] den E4 34 mein E4 36 hätt E4

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Ambtmanns zubekommen / ich solte / sagte sie / nur noch ein wenig verziehen / er würde bald wieder daheimen seyn; wie wir nun so miteinander redeten / tritt er die Gassen dort her / und sahe meinem beduncken nach bey weitem so lustig nicht auß als gesterabend; so bald er unter die Thier kam sagte sie zu ihm: Ach Schatz was seyt ihr worden / er aber liesse die Stiegen hinauff / und im vorbey gehen sagte er zu ihr / ein Hundsfutt bin ich worden; da gedachte ich / hie wirds vor dißmal schlechten guten Willen setzen / schlich derowegen allgemach von der Thier hinweg / die Kinder aber folgten mir nach sich über genug zuverwundern / denn es gejetteten sich andere zu / welchen sie mit grossen Freuden rümbten was ihr Vatter vor ein Ehren-Ambt bekommen; ia: sagten sie zu jeglichen das zu ihnen kam / unser Vatter ist ein Hundsfutt worden / welcher Einfalt und Thorheit ich wol lachen muste. Da ich nun merckte / daß es mir in den Städ-[v 9 b]ten bey weiten nicht so wol gieng als aufs dem Land / sätzte ich mir yor auch in keine Stadt mehr zu kommen / wann es anders müglich seyn köndte solche umbzugehen; also behalff ich mich auff dem Land mit Milch / Käß / Ziger / Butter und etwan ein wenig Brod / das mir der Landtmann mittheilete / biß ich bey nahe die Savoysche Cräntzen überschritten hatte; einsmals wandelt ich in selbiger Gegent im Koth daher biß über die Knöchel / gegen einem adelichen Sitz / als K eben regnete / als wann mans mit Kübeln herunter gegossen hätte; da ich mich nun demselben adelichen Hause näherte / sahe mich zu allem Glück der Schloß-Herr selbsten / dieser verwundert sich nicht allein über meinen seltzsamen Auffzug / sonder auch über meine Gedult; und weil ich in solchem starcken RegenWetter nicht einmal unterzustehen begehrte / ohnangesehen ich daselbst Gelegenheit genug darzue hatte / hielte er mich bey nahe vor einen puren Narren; doch schickte er einen von seinen Dienern zu mir herunter / nicht weiß ich ob es auß Mitleyden oder Fürwitz geschahe / der sagte / sein Herr begere zu wissen wer ich sehe / und was es zubedeuten habe / daß ich so in dem grausamen Regenwetter umb sein Hauß daherumb gehe. Ich antwortet / mein Freundt / sagt eurem Herrn widerumb/ ich sehe ein Ball deß wandelbaren Glücks; ein Exemplar der so lustig nicht] nicht so lustig E4 5 gestern Abend E4 Thür E4 sie fehlt Co 10 Thür E4 11 gesellten E4 17 weitem E4 schätzte C0E4 28 meinem E4 31 darzu E4

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[69] 535 Verändemng / und ein Spiegel der Unbeständigkeit deß Menschlichen Wesens; daß ich aber so im Ungewitter wandele / bedeute nichts anders / als daß mich seht es zu regnen angefangen / noch niemand zur Herberg eingenommen; als der Diener solches seinem Herrn wieder hinderbrachte / sagte er / diß seynd keine Wort eines [D10] Narren / zu dem ists gegen Nacht / und so ellend Wetter daß man keinen Hund hinauß jagen solte; liefe mich derowegen ins Schloß und in die Gesind Stuben führen / allwo ich meine Füsse wusch / und meinen Rock wieder tröcknete; Diser Cavalier hatte einen Kerl / der war sein Schaffner / seiner Kinder Praeceptor und zugleich sein Schreiber / oder wie sie jetzt heissen wollen sein Secretarius; der Examminirte mich woher / wohin / was Lands und was Stands? ich aber bekant ihm alles wie mein Sach beschaffen / wo ich nemblich haußhäblich: und auch als ein Einsidler gewöhnet und daß ich nun mehr Willens wäre / die heylige Oerter hin und wider zu besuchen / solches alles hinterbrachte er seinem Herrn widerumb / derowegen liesse mich derselbe beym Nachtessen an seine Dassel sitzen / da ich nit übel tractirt wurde und auff deß Schloß-Herren begehren alles widerhollen muste / was ich zuvor seinem Schreiber von meinen Thun und Wesen erzehlt hatte; er fragte auch allen Particularitäten so genau nach / als wann er auch dort zu Hauß gewesen wäre; und da man mich schlaffen führte / gierig er selbsten mit dem Diener der mir vorleüchte / und führte mich in ein solch wol geristes Gemach / daß auch ein Grafs darin hette verlieb nemmen können; über welche all zu grosse Höfflichkeit ich mich ver­ wunderte und mir nichts anders einbilden konte / als thäte er solches gegen mir auß lauter Andacht/ weil ich meiner Ein­ bildung nach das Ansehen eines gottseeligen Pilgers hätte; aber es stack em ander que darhinter / dann da er mit dem Licht und seinem Diener unter die Thier kam / ich mich auch bereits gelegt hatte / [D 10 b] sagte er; nun wolan Herr Simplici! er schlaffe wol; ich weiß zwar daß er kein Gespänst zu fürchten Pflegt / aber ich versichere ihn / daß die jenige so in disem Zimmer gehen / sich mit keiner Karbatsch verjagen bedeutet E34 6 sind E4 s solte? CoE4 h heissen] genennt E4 exarnenirte E4 23 meinem E4 28 vorlieb E4 31 er fehlt CoE4 33 quae E4 34 Thür E4 3

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lassen; damit schlosse er daß Zimmer zu / und liefe mich in Sorg und Angst ligen. Ich gedachte hin und her und tonte lang rat ersinnen woher mich diser Herr kennen müste / oder getont haben möchte / daß er mich so äigentlich mit meinen vorigen Nammen nennete; aber nach langem Nachdencken fiele mir ein / daß ich einsmals / nach dem mein freund Hertzbruder gestorben / im Saur-Brunnen von den Nachtgeistern mit etlichen Cavallieren und Studenten zu reden kommen; unter welchen zween Schweitzer / so gebrüder gewesen / wunder erzehlt / welcher Gestalt es in ihres Stottern Hause nicht nur bey Nacht sonder auch offt bey Tag romore, denen ich aber Widerpart gehalten / und mehr als vermessen behaubtet / daß der jenige so sich vor Nachtgeistern förchte / sonst ein saiger Tropfs seh; darauff sich der eine auß ihnen weiß angezogen / sich bey Nacht in mein Zimmer practicirt und angefangen zu rumpeln / der Meinung mich zu ängstigen und alsdann / wann ich mich ent­ setzen: und auß Forcht still ligen bleiben würde / mir die Decke zu nemmen / nachgehents aber wann der Poß solcher Gestalt abgehe / mich schrecklich zu vexiren und also meine Vermessen­ heit zustraffen; aber wie diser anfieng zu agiren, also daß ich drüber erwachte / wischte ich auß dem Bette und erdapte ohngefehr eine Karbatsch / Kriegte auch gleich den Geist beym Flügel und sagte / holla Kerl / [D11] wann die Geister weiß gehen / so pflegen die Mägd wie man sagt / zu Weibern zu werden; aber hier wird der Herr Geist jrr seyn gangen / schlug damit tapffer zu / biß er sich entlich von mir entrisse und die Thier traff. Da ich nun an diese Historj gedachte / und meines Gast-Herren lästere Wort betrachtete / tonte ich mir ohnschwer einbilden / was die Glocke geschlagen; ich sagte zu mir selber / haben sie von den forchterlichen Gespänstern in ihres Vatters Hauß die Warheit gesagt / so ligstu ohn zweiffel in eben dem Jenigen Zimmer / darin sie am allerärgsten Poldern; haben sie aber nur vor die lange weil ausgeschnitten / so werden sie dich gewißlich wider Karbaitschen lassen / daß du ein weil dran zu tauen haben wirst; in solchen Gedancken stunde ich auff / der Meinung jrgents zum Fenster hinauß zuspringen / es war aber überall mit Eysen so wol vergittert / daß mirs ohn3 lang fehlt E34 7 Freud E4 19 Paß CoE4 20 schrecklich E4 23 ein E4 dem E4 28 Thür E4 29 Gastherrn E4 31 Gespensten E4 32 ohne E4

[71] 537 müglich ins Werck zusetzen / und was das ärgste war / so hatte ich auch kein Gewähr: Ja auffseusserst auch meinen kräfftigen Pilgerstab nit bey mir / mit welchem ich mich aufs den Nothfall trefflich gewehrt haben wolte; legte mich derowegen wider ins Bette / wiewol ich nicht schlaffen fönte / mit Sorg und Angst erwartende / wie mir dise herbe Nacht gedeyen würde. Als es nun umb Mitternacht wurde / öffnete sich die Thier / wiewol ich sie inwendig wol verrigelt hatte / der erste so hinein tratte / war ein ansehenliche gravitetische Persohn / mit einem langen weissen Bart auff die anti^uitetische Manier mit einem langen Talar von weissen Atlas und güldenen Blummen mit Genet gefüttert / beklaidet; ihm [D11 b] folgten drey auch ansehenliche Männer; und in dem sie eingiengen / wurde auch das gantze Zimmer so hell / als wann sie Fackeln mit sich gebracht hetten / obwollen ich aigentlich kein Liecht oder etwas dergleichen sahe; ich steckte die Schnauppe unter die Decke und behielte nichts Haussen als die Augen / wie ein erschrockenes und forchtsambs Meüßlein daß da in seiner Hole sitzet und auff passet / zu sehen ob es plasy sey oder nicht / hervor zu kommen; sie hingegen tratten vor mein Bette und beschaueten mich wol und ich sie hingegen auch / als solches ein gar kleine weil gewäret hatte / tratten sie mit einander in ein Eck deß Zimmers / huben eine steinene Platten auff / damit der Ort besetzt war / und langten dort alle Zugehör herauß / die ein Barbierer zu brauchen Pflegt / wann er jemand den Bart butzet; mit solchen Instrumenten kamen sie wider zu mir / setzten ein Stul in die mitte deß Zimmers / und gaben mit wincken und deuten zu verstehen / daß ich mich auß dem Bethe begeben: auff dem Stul sitzen: und mich von ihnen parkieren lassen solte; weil ich aber still ligen blieb / griffe der Vornehmbste selbst an das Deckbeth / solches auffzuheben und mich mit Gewalt auff den Stul zu setzen; da kan jeder wol dencken wie mir die Katz den Rucken hinauff geloffen; ich hielte die Decke fest und sagte / ihr Herrn was wolt ihr was habt ihr mich zuscheren? ich bin ein armer Pilger der sonst nichts als seine aigne Haar hatt / seinen Kopfs beydes vor Regen / Wind und Sonnenschein zu beschirmen; zu dem sihe ich euch auch vor kein scherer Gesindel an? drumb last mich ungeschoren; darauff gewehret E4 i Thür E4 io antiquitelifc^c CoE4 is forchtsames E4 20 beschauen CoE4 23 haben E4 29 barbieren E4 34 Herren E4 36 eigene E4 38 ungeschoren;] ungeschoren Co ]ungeschoren / E4

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antwortet der Vornemb-[v 12]ste / wir seynt freylich ErtzSchärer aber du kaust uns helffen / must uns auch zuhelffen versprechen wann du anderst ungeschorn bleiben wilst; ich antwortet / wann euer Hilff in meiner Macht stehet / so versprech ich zuthun alles was mir müglich und zu euer Hilff vonnöthen sey; werdet mir derowegen sagen wie ich euch helffen soll; hierauff sagte der alte / ich bin deß jetzigen SchloßHerrn Vrähne gewesen / und hab mit meinem Vettern von Geschlecht N: umb zwey Dörffer N: N: die er rechtmässig inhatte / einen unrechtmässigen Hader angefangen und durch Arglist und Spitzfindigkeit die Sach dahin gebracht / daß dise drey zu unsern wilkührlichen Richtern erwählet wurden / welche ich so wol durch Verheißung als Betrohung dahin brachte / daß sie mir bemelte beyde Dörffer zuerkanten; darauff fienge ich an / denselbigen Unterthanen dergestalt zu schären / schrepffen und zwagen / daß ich ein mercklich Stück Geld zusammen brachte / solches nun ligt in jenem Eck und ist bißher mein Schärzeüg gewesen / damit mir meine Schärerey widergolten werde; wann nun diß Geld wider unter die Menschen kombt (dann beyde Dorffschafften seynt gleich nach meinem Todt wider an ihre rechtmässige Herrn gelangt) so ist mir so weit geholffen als du mir helffen kanst / wann du nemblich dise Beschaffenheit meinem Vränckel erzehlest / und damit er dir desto besseren Glauben zustelle / so lasse dich Morgen in den so genannten grumten Saal führen / da wirst du mein Conterfeyt finden / vor demselben erzehle ihm / was du von mir gehört hast; da er solches vorbracht hatte / streckt er mir die Hand dar / und begerte ich sötte ihm mit gegebener Hand-Treu versichern / daß [D 12 b] ich solches alles verrichten wolte / weil ich aber vielmal gehört hatte / daß man keinem Geist die Hand geben solte / streckte ich ihm den Zipfel vom Leylachen dar / das brannt alsobald hinweg so weit ers in die Hand kriegte / die Geister aber trugen ihre Scherr-Jnstrumenten wieder an vörigs Ort / deckten den Stein wieder drüber / stellten auch den Stul hin wo er zuvor gestanden / und giengen wieder nach einander zum Zimmer hinauß; indessen schwitzte ich wie ein Braten beym Feur / und war doch noch so kühn in solcher Angst ein zuschlaffen. 3 ungeschoren E34 4 Hülff E4 5 euerer Hülff E4 8 meinen E4 io innen hatte E4 12 unserm C0E4 erwählet E4 13 Bedroung E4 19 wieder vergolten E4 27 gehöret E4 32 also E4 34 an ihr voriges E4

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Das XVI. Capitel. Ä© war schon zimblich lang Tag gewesen / als der Schloß^ Herr mit seinem Diener wieder vor mein Bethe kam; wohl! Herr Simplici, sagte er / wie hats ihm heint Nacht zuge­ schlagen / hat er keine Karbatsch Vonnöthen gehabt? nein Monsieur, antwortet ich / diese so hierinnen zu wohnen pflegen / brauchtens nicht wie der jenige so mich im Saurbrunnen foppen wolte; wie ists aber abgangen? fragte er weiters / fürchtet er sich noch nicht vor den Geistern? ich ant­ wortet / daß es kein kurtzweilig Ding umb die Geister sey / werde ich nimmermehr sagen; daß ich sie darumb eben fürchte werde ich nimmermehr gestehen; aber wie es abgangen / be­ zeugt zum Theil diß verbrennte Leylachen / und ich werde es dem Herrn erzehlen / so bald er mich nur in seinen grünen Saal führet / alwo ich ihm deß Principal Geists / der bißher hierinnen gangen / wahres Conterfeit weisen soll; er sahe mich mit Verwunderung an / und timte sich leicht einbilden / daß [E 1] ich mit den Geistern geredt haben müste / weil ich nicht allein vom grünen Saal zusagen wüste / den ich noch nie sonst von jemand hatte nennen hören / sonder auch weil das verbrennete Leylachen solches bezeugte; so glaubt er dann nun / sagte er / was ich ihm hiebevor im Saur-Brunnen erzehlt hab? ich antwortet / was bedarff ich deß Glaubens / wann ich ein Ding selbst weiß und erfahren habe? ja sagte er weiters / tausend Gulden wolte ich drumb schuldig seyn / wann ich diß Creutz auß dem Hauß hätte; ich antwortet / der Herr geb sich nur zufrieden / er wird darvon erledigt werden / ohne daß es ihn ein Heller kosten solle; ja er wird noch Geld darzu empfangen. Mithin stunde ich aufs / und wir giengen stracks mit einander dem grünen Saal zu / welches zugleich ein Lust-Zimmer und Kunst-Kammer war; unterwegs kam deß Schloß-Herrn Bruder an / den ich im Saurbrunnen karbeitscht hatte / dann ihn sein Bruder meinetwegen von seinem Sitz / der etwann zwo Stund von dannen läge / eylends hollenlassen; und weil er ein zimlich mürrisch außsahe / besorgte ich mich / er sehe etwann auff eine Rach bedacht / doch erzaigte ich im geringsten 3 Dienern E3 4 4 heut E4 E4 12 immermehr CoE4

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keine Forcht / sonder als wir in den gedachten Saal kamen / sahe ich under anderen Kunstreichen Gemähten und Anti­ quitäten eben das jenig Conterfeth das ich suchte; dieser / sagte ich zu beyden Gebrüdern / ist euer Urahne gewesen / und hat dem Geschlecht von N. zwey Dörffer als N. und N. unrechtmässiger Weiß abgetrungen / welche Dörffer aber jetzunder ihre rechtmässige Herrn wieder inhaben; von denselbigen Dörffern hat euer Urähne ein namhafftes stück Geld erhoben / und bey seinen Lebzeiten in dem [E 1 b] jenigen Zimmer darinnen ich heunt gebüst / was ich hiebevor im Saurbrunnen mit der Karbeitsch begangen / einmauren lassen weßwegen er dann sambt seinen Helsfern bißhero in hiesigem Hause so schröcklich sich erzeigt; wolten sie nun daß er zur Ruhe komme und das Hauß hinfort geheur sey / so möchten sie das Geld erheben / und anlegen wie sie vermeinten / daß sie es gegen GOtt verantworten können / ich zwar wolte ihnen weisen wo es lege / und alsdann in GOttes Namen meinen Weg weiters suchen; weilen ich nun wegen der Person ihres Urähne und beyder Dörffer die Warheit geredet hatte ge­ dachten sie wohl ich würde deß verborgenen Schatzes halber auch nicht lügen; verfügten sich derowegen mit mir wiederumb in mein Schlaff-Zimmer / allwo wir das Steinere Platt er­ huben warauß die Geister den Schärer-Zeug genommen und wieder hingesteckt hatten / wir fanden aber anders nichts als zween jrrdene Häfen / so noch gantz neu schienen / davon der eine mit rothem: der ander aber mit weissem Sandt gesült war / weßwegen beyde Brüder die gefaste Hoffnung dieß Orts einen Schatz zufischen / allerdings fallen liessen; ich aber ver­ zagte drumb nicht / sonder freute mich dermaleins die Ge­ legenheit zuhaben / daß ich probieren könde / was der wunderbarliche Theophrastus Paracelsus in seinen Schafften Tom. 9. in Philofophia occulta von der Transmutation der verborgenen Schätze schreibt; wanderte derowegen mit den beyden Häfen und in sich habenden Materien in die Schunde / die der Schloß-Herr im Vor-Hoff deß Schlosses stehen hatte / setzte sie ins Feur / und gab ihnen ihre gebühr­ liche Hitz / wie man sonst zu procediren [E 2] pflegt / wann man Metall schmeltzen will / und nach dem ichs von sich selbsten 2 unter andern E42 * 3 konterfeit E4 6 abgedrungen E4 i innen haben E4 io heut E4 tm] in dem E4 22 steinerne E4 23 war­ auß] varauß Co ^voraus E4 26 aber mit] aber Co 21 dieß] deö E4 29 freuete E4 30 fönte E4 38 man fehlt Co

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erkalten liefe / fanden wir in dern einen Hafen eine grosse Mala Ducaten Gold / in dem anbetn aber einen Glumpen vierzehen Löthig Silber / und kondten also nicht wissen / was es vor Müntze gewesen war; biß wir nun mit dieser Arbeit fertig wurden / kam der Mittag herbey / bey welchem Jmbs mir nicht allein weder Essen noch Trincken schmücken wolte / sonder mir wurde auch so übel / daß man mich zu Beth bringen miste / nicht weiß ich / war es die Ursach / daß ich mich etliche Tag zuvor im Regenwetter gar zu unbescheiden mortificirt oder daß mich die verwichne Nacht die Geister so erschröckt hatten. Ich miste wol zwölff Tag deß Bethes Hütten / und hätte ohne sterben nicht kräncker werden können; ein eintzige Aderläse bekam mir trefflich neben der Gutwartung die ich empfienge; indessen hatten beyde Gebrüder ohne mein Wissen einen Goldschmid Hollen: und die zusammen geschmoltzene Maflatett probiren lassen / weil sie sich eines Betrugs besorgten; nach­ dem sie nun dieselbige just befunden / zumahlen sich kein Ge­ spenst im ganhen Hause mehr mercken liefe / wüsten sie bey nahe nicht zuersinnen / was sie mir nur vor Ehr und Dienst erweisen solten / ja sie hielten mich allerdings vor einen heiligen Mann / dem alle Heimlichkeiten ohnverborgen / und der ihnen von GOtt insonderheit zugeschickt worden wäre / ihr Hauß widerumb in richtigen Stand zusetzen; derowegen kam der SchloßHerr selbst schier nie von meinem Bethe / sonder freute sich wann er nur mit mir discuriten konde / solches wehrete / biß ich meine vorige Gesundheit wieder völlig erlangte. [E 2 b] In solcher Zeit erzehlte mir der Schloß-Herr gantz offenhertzig / das (als er noch ein junger Knab gewesen) sich ein freffler Landstörtzer bey seinem Herrn Vattern angemeldet / und versprochen den Geist zufragen / und dardurch das Hauß von solchem Ungeheuer zuentledigen / wie er sich dann auch zu solchem Ende in das Zimmer / darin ich über Nacht liegen müssen / einsperren lassen; da seyen aber eben die jenige Geister in solcher Gestalt wie ich sie beschrieben hätte / über ihn hergewischt; hätten ihn auß dem Bethe gezogen / miss ein Sessel gesetzt / ihme seines Bedunckens gezwagt / geschoren und bey etlichen Stunden dergestalt tribuliert 8 etlich E4 10 vermiedene E4 u guten Wartung E* ie ge; schmoltzen E4 20 fönte E4 30 Landstürtzer E4 32 solchen E4 34 seyn E4 36 Bett E4

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und geängstigt / daß man ihn am morgen halb todt dort liegend gesunden; es sehe ihm auch Bart und Haar dieselbe Nacht gantz grau worden / wiewol er den Abend als ein dreissig jähriger Mann mit schwachen Haarn zu Bethe gangen sehe; gestünde mir auch darneben / daß er mich / keiner andern Ursachen halber in solches Zimmer gelegt / als seinen Bruder an mir zu revangirert / und mich glauben zumachen / was er vor etlichen Jahren von diesen Geistern erzehlet / und ich nicht glauben wollen; batte mich mithin zugleich umb Verzeihung und obligirte sich die Tag seines Lebens mein getreuer Freund und Diener zusetzn. Als ich nun widerumb allerdings gesundt worden / und meinen Weg ferner nehmen wolte / offerirte er mir die Pferd / Klaydung und ein stück Geld zur Zehrung; weil ich aber alles Rund abschlug / wolte er mich auch nicht hinweg lassen; mit Bitt / ich wolte ihn doch nicht zum aller undanckbarsten Men­ schen in der Welt machen; sonder auffs wenigst [E 3] ein stück Geld mit aufs den Weg annehmen / wann ich je in solchem armseeligen Habit meine Wallfart zu vollenden bedacht wäre; wer weiß sagte er / wo es der Herr bedarff? ich muste lachen / und sagte mein Herr / es gibt mich wunder wie er mich einen Herrn nennen mag / da er doch siehet daß ich mit fleiß ein armer Bethler zuverbleiben suche; wohl: antwortet er / so verbleibe er dann sein Lebtag bey mir / und nehme sein Allmosen täglich an meiner Tafel; Herr / sagte ich hingegen / wann ich solches thät / so wäre ich ein grösserer Herr als er selbsten; wie würde aber alsdann mein thierlicher Leib beste­ hen / wann er so ohne Sorg wie der Reiche Mann aufs den alten Kayser hinein lebte / würden ihn so gute Tage nicht gumpen machen? will mein Herr mir aber je eine Verehrung thun / so bitte ich er lasse mir meinen Rock füttern weil es jetzt aufs den Winter loß gehet: Nun GOtt lob / antwortet er / daß sich gleichwol etwas findet meine Danckbarkeit zubezeugen / darauff liefe er mir einen Schlaffbeltz geben / biß mein Rock gefiltert wurde / welches mit wüllenem Tuch ge­ schahe / weil ich kein ander Futer annehmen wolte; Als solches geschehen / liefe er mich palliren und gab mir etliche 4 Haaren

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8 etlich E4 21 sagt E4 27 E4 wurde E4 30 würde E4 32 füttern C0E4

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E4 E4

[77] 543 Schreiben mit / selbige unterwegs an seine Verwandte zu­ bestellen / mehr mich ihnen zu recommenditen als daß er viel nöthigs zuberichten gehabt hätte. Das XVII. Capitel.

AilLso wandert ich dahin / deß Vorsatzes die allerheiligste und ^ berümbteste Oerter der Welt in solchem Armen Stand zubesuchen / dann ich bildete mir ein daß Gott einen sonder­ baren gnädigen Blick [E 3 b] aufs mich geworffen / ich gedachte er hätte ein Wohlgefallen an meiner Gedult und freywilligen Armut / und würde mir derowegen wol durchhelffen / wie ich dann in gemeltem Schlosse dessen Göttliche Hilff und Gnad handgreifflich verspürt und genossen / in meiner ersten NachtHerberg gefettete sich ein lauffer Botte zu mir / der vorgab / er sehe bedacht eben den Weg zugehen / den ich vor mir hätte / nemblich auff Loretten; weilen ich nun den Weg nicht wüste noch die Sprach recht verstünde / er aber vorgab / daß er kein sonderlicher schneller Lauffer wäre / wurden wir eins / beyeinander zubleiben und einander Gesellschafft zuleisten; dieser hatte gemeiniglich auch an den Enden zuthun / wo ich meines Schloß-Herrn Schreiben abzulegen hatte / allwo man uns dann Fürstl. tractirte, wann er aber in einem Wirthshauß einkehren muste / nöthigte er mich zu ihm und zahlte vor mich auß / welches ich die länge nicht annehmen motte / weil mich leuchte ich würde ihm auff solche weiß seinen Lohn den er so säurlich verdienen muste / verschwenden helffen; er aber sagte / er genieste meiner auch wo ich Schreiben zubestellen habe / als wo er meinetwegen schmarotzen: und sein Geld sparen können; solcher gestalt überwanden wir das hohe Gebürg und kamen miteinander in das fruchtbare Jtalia da mir mein Gefährt ererst erzehlete / daß er von obgedachten Schloß-Herren abgefertigt wäre mich zubegleitten und zehrfrey zuhalten / batte mich derowegen / daß ich ja bey ihm ver­ lieb nehmen / und das freywillige Allmosen das mir sein Herr nachschickte / nit verschmähen: sonder lieber als das jenige geniesten motte das ich ererst von allerhand [E 4] ohnwilligen Leuten erpressen muste; ich verwundert mich über dieses 3 nöthiges E34 ii Hülst E4 19 auch fehlt E4 24 deuchte E4 so erst E4 3i Schloß-Herrn E4 35 erst E4 von fehlt E4

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544 [78] Herren redlich Gemüth / wolte aber drumb nicht / daß der verstelle Bott länger bey mir bleiben: noch etwas mehrers vor mich außlegen solle; mit Vorwandt / daß ich allbereit mehr als zuviel Ehr und Gutthaten von ihme empfangen / die ich nicht zuwidergelten getraute; in Warheit aber hatte ich mir vorgesetzt / allen Menschlichen Trost zuverschmähen / und in niedrigster Demuth / Creutz und Leyden mich allein an den lieben GOtt zulassen; ich hätte auch von diesem Gefährten weder Weg-Weisung noch Zährung angenommen / wann mir belaubt gewest / daß er zu solchem Endt abgefertigt worden wäre; Als er nun sahe daß ich kurtz rund seine Beywohnung nicht mehr haben wolte / sonder mich von ihm wandte / mit Bitt seinen Herren meinetwegen zugrüssen / und ihm nachmahlen vor alle erzeigte Wohlthaten zu dancken; nam er einen trau­ rigen Abscheid und sagt / nun wolan dann werther Simplici, ob ihr zwar jetzt nicht glauben möchtet / wie hertzlich gern euch mein Herr guts thun möchte / so werdet ihrs jedoch er­ fahren / wann euch das Futer im Rock zerbricht / oder ihr denselben sonst außbesseren woll; und damit gieng er darvon als wann ihn der Wind hin jagte. Ich gedachte was mag der Kerl mit diesen Worten andeuten; ich will ja nimmermehr glauben / daß seinen Herren diß Futer reuen werde; nein Simplici, sagte ich zu mir selbst / er hat diesen Botten ein so weiten Weg auff seinen Kosten nicht geschickt / mir ererst hier auffzurupffen / daß er mei-[L 4 b]nen Rock füttern lassen / es stecket etwas anders darhinder; wie ich nun den Rock vif itirte, befand ich daß er unter die Räth eine Ducat an die ander hatte nähen lassen / also daß ich ohne mein Wissen ein groß stück Geld mit mir davon getragen; davon wurde mir mein Gemüth gantz unruhig / also daß ich gewolt / er hätte das seinig behalten; ich machte allerhand Gedancken / worzu ich solches Geld anlegen und gebrauchen wolte / bald gedachte ichs wieder zuruck zutragen / und bald vermeinte ich wider eine Haußhaltung damit anzustellen / oder mir jrgent eine Pfrundt zukauffen; aber endlich beschlösse ich / durch solche Mittel Jerusalem zubeschauen / welche Raiß ohne Geld nicht zuvollbringen. 5 zuwider gelten CoE4 u Herrn E4 16 Abschied E4 20 aus­ bessern E4 davon E4 23 Herrn E4 26 erst E4 27 darhinter E4 29 hätte E4 30 mir fehlt E4 35 mich E4

[79] 545 Demnach begab ich mich den geraden Weg auff Loreten und von dannen nach Rom; als ich mich daselbst ein zeitlang auff gehalten / meine Andacht verrichtet und Kundschafft zu etlichen Pilgern gemacht hatte / die auch gesinnet waren / das heilig Land zubeschauen / gierig ich mit einem Genefer auß ihnen in sein Vatterland; daselbst sahen wir sich nach Gelegen­ heit umb / über das mittelländische Meer zu kommen; troffen auch auff geringe Nachfrag gleich ein geladen Schiff an / welches fertig stunde mit Kauffmans Güttern nach Alexandriam zu fahren / und nur auff gute Wind wartete; ein wunderlichs: ja göttlichs Ding ist umbs Geld bey den Welt­ menschen! der Patron oder Schiffherr hette mich meines eilenden auffzugs halber nit angenommen / wann ich gleich eine güldene Andacht: und hingegen nur pleyern Geld gehabt hette / dann da er mich das erste mal sahe und hörete / schlug er mein Begehren rund ab; so bald ich ihm aber eine [E 5] Handvol Ducaten wise / die zu meiner Raiß employrt werden sollen / war der Handel ohn einigs ferners Bitten bey ihn schon richtig / ohne das wir sich umb den Schifflohn mit einander verglichen; warauff er mich selber inftruirte / mit was vor proviant und andern Notwendigkeit ich mich auff die Raiß versehen solle; ich folgte ihme wie er mir gerathen / und fuhr also in GOttes Nahmen mit ihm dahin. Wir hatten auff der gantzen Fart Ungewitters: oder wider­ wertigen Winds halber keine eintzige Gefahr / aber den Meerraubern / die sich etliche mal mercken liessen und Minen machten uns anzugreiffen / miste unser Schiffherr offt ent­ gehen / Massen er wol wüst / daß er wegen seines Schiffs Geschwindigkeit mehr mit der Flucht: als sich zuwehren / ge­ winnen tönte; und also langten wir zu Alexandria an/ ehender als sichs alle Seefarer auff unserem Schiff versehen hatten / welches ich vor ein gut Omen hielte / meine Raiß glücklich zu vollenden. Ich bezahlte mein Fracht und kehrte bey den Frantzosen ein / die aldorten jeweils sich auffzuhalten Pflegen / von welchen ich erführ / das vor diß mal meine Raiß nach Jerusalem fort zu setzen ohnmüglich sehe / in dem der türckische Bassa zu Damafco eben damals mArmis begriffen und gegen seinem Kayser rebelisch war / also daß keine Carawane sie ii ists E4 Weltmenschen? CoE4 hrcltc; CoE4 35 erfuhr E4

19 dem E4

22 ihm E4

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546 [80] wäre gleich starck oder schwach gewesen / auß Egypten in mögen / sie hette sich dann frevenlich alles zu verliehren in Gefahr geben wollen; Es war damals eben zu Alexandria / welches ohne das ein ungesunden Lufft zuhaben Pflegt / eine [E5b] gifftige

Iudeam pafsiren

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Contagion

eingerissen / weßwegen sich vil von dar anderwertlichen hin reterirten / sonderlich Europäische Kauffleut so das Sterben mehr fürchten als Türcken und Araber; mit io

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einer solchen Compagni® begab ich mich überland auff Rosseten / einen grossen Flecken am Nilo gelegen; daselbst fassen wir zu Schiff und fuhren auff dem Nilo mit völligem Segel auffwerts / biß an ein Ort so ohngefähr ein Stund Wegs von der grossen Statt Alkayer gelegen / auch alt Alkayr genent wird; und nach dem wir alda schir umb Mitternacht außgestigen unsere Hörbergen genommen und deß Tags erwartet / begaben wir uns vollents nach Alkayer der jetzigen rechten Statt / in welcher ich gleichsamb allerhand Nationen antraffe/ daselbst gibt es auch eben so villerley selhameGewächs als Leute / aber was mir am allerseltzambsten vorkam / war dises / daß die Einwohner hin und' wider in darzu gemachten Oefen vil hundert junge Hüner auß brietetten/ zu welchen Eyern nit einmal die Hennen kämmen seht sie solches gelegt hatten / und solchem Geschäfft warten gemeiniglich alte Weiber ab. Ich hab zwar niemalen keine so grosse volckreiche Statt gesehen / da es wohlfeiler zuzehren als eben an disem Ort; gleich wie aber nichts desto weniger meine übrige Ducaten nach und nach zusammen giengen / wans schon nit teur war / also fönte ich mir auch leicht die Rechnung machen / das ich nit erharren würde können / biß sich der Auffruhr deß Baffae von legen: und der Weeg sicher werden würde / meinem vorhaben nach Jerusalem zubesuechen; verhängte derowegen meinen Begirden den Zigel andere Sachen zubeschauen /

Damasco

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warzu [E 6] mich der Vorwitz anraitzte; unter andern war jenseit deß Nili ein Ort da man die Mumia gräbt / das be­ sichtigt ich etlich mal / item an einem Ort die beyde Pyramides Pharaonis und Rodope; machte mir auch den Weeg dahin so gemein / das ich frembde unkennlich alleinig dahin führn 2 freventlich E42 * 5 ungesunde E4 m genennet E4 15 Herbergen E4 16 gewartet E4 Altkair E4 is auch eben] eben auch E4 viel

E4

2i ausbrüteten E4

37 Radope E4

22 vielleicht: solche

38 führen E4

32 zu besuchen E4

[81] 547

borffte; aber es gelang mir zum testen mal nit beim besten; dann als ich einsmals mit etlichen zu den Egyptischen Gräbem Qieng / Mumia zuhollen / warbey auch fünff Pyramides stehen / kamen uns einige Arabische Räuber auff die Haube / welche der Orten die Straussenfänger zufangen außgangen waren / bife kriegten uns bey den Köpfsen und führten uns durch Wiltnussen und Abweeg an das rothe Meer / allwo sie den einen hier den andern dort verkaufften.

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Das XVIII. Capitel.

ch allein blieb überig / denn als vier vornembste Räuber sahen / das die närrische Leute sich über meinen groß­ 3 mächtigen Schweitzer: oder Cappuciner Bart und langes Haar / dergleichen sie zusehen nicht gewohnt waren / ver­ wunderten gedachten sie ihnen sölches zu Nutz zumachen; nahmen mich derowegen vor ihren Part / sönderden sich von ihrer übrigen Gesellschafft / zogen mir meinen Rock auß und bekleydeten mich umb die Scham mit einer schönen Art Moß so in Arabia Fselice in den Wälden an etlichen Bäumen zu wachsen pflegt / und weil ich ohne das barfuß: und barhäubtig zugehen gewöhnet war / gab solches ein überauß seltzames und frembdes Ansehen; solcher Gestalt führten sie mich als einen wilden Mann in den Flecken und [E 6 b] Stätten an rothen Meer Herumber und liessen mich umb Geld sehen; mit vor­ geben / sie hätten mich in Arabia defertae fern von aller menschlichen Wohnung gefunden und gefangen bekommen; ich borffte bey den ßeuten kein Wort reden weil sie mir / wann ichs thun würde / den Tod trauten / welches mich schwer an­ kam / die weil ich albereit etwas wenigs Arabisch lallen könte / hingegen war mirs erlaubt / wann ich mich allein bey ihnen befant; da liesse ich mich dann gegen ihnen vernemmen / das mir ihr Handel wol gefalle / welches ich auch genösse / dann sie unterhielten mich mit Speiß und Tranck so gut als sie es selbst gebrauchten / welches gemeiniglich Reiß und Schafffleisch war; so erhielte ich auch von ihnen / das xd) mich bey Nacht und sonst unter Tags auff der Raiß wann es etwas kalt war / mit i gelung] gieng E4 letzten E4 8 verkauften CoE4 io den Co dann E4 14 solches E4 is sonderten E4 25 Wohnungen E4 27 traueten E4 28 weniges E4 können E4

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meinem Rock beschirmen dorffte / in welchen noch etliche Ducaten stacken. Solcher Gestalt fuhr ich über das rotte Meer / weil meine 4. Herrn den Stätten und Marckflecken die beyderseyts daran gelegen / nachzogen; dise fambleten mit mir in kurtzer Zeit ein grosses Geld / biß wir entlich in eine grosse Handelstatt kämmen / allwo ein türckischer Bassa Hof hält / und sich ein Mänge Leut von allerhand Nationen auß der gantzen Welt befinden / weil aldorten die Indianische Kauffmans-Gütter auß geladen und von dannen über Land nach Aleppo und Alkayr: von dorten aber fürders auff das Mittelländische Meer geschafft werden; daselbsten giengen zween von meinen Herrn nach dem sie Erlaubnus von der Obrigkeit bekommen / mit Schalrneyen an die fürnembste Oerter [E 7] der Statt / und schryen ihrer Gewonheit nach auß / wer einen tollten Mann sehen wolle / der in der Wüsteney deß Steinigen Arabiae gefangen worden wäre / der solle sich da und dahin versiegen; in dessen fassen die andere beyde bey mir im Losament und Zierten mich / das ist / sie kämpelten mir Haar und Bart beim zierlichsten und hatten grössere Sorg darzu als ich meine Tage jemal gethan / damit ja kein Härlin darvon verlohren würde weil es ihnen so vil eintrug; hernach samblete sich das Volck in unglaublicher Menge mit grossem Geträng / unter welchem sich auch Herrn befanden dennen ick an der Klaydung wol ansähe / daß es Europeer waren; Nun / gedachte ich jetz wird deine Erlösung nahen / und deiner Herrn Betrug und Buberey offenbaren; jedoch schwige ich noch so lang still / biß ich etliche auß ihnen hoch: und nider Teutsch / etliche Frantzösisch und ander italiänisch reden hörte; als nun einer diß und der ander jenes Vrthel von mir falte tonte icf) mich nicht länger enthalten / sonder brachte noch so vil verlegen Latein (damit mich alle Nationes in Europa auff einmal verstehen fällen) zusammen / daß ich sagen tonte / ihr Herrn ich bitte euch allesamt) umb Christi unsers Erlösers Willen / das ihr mich auß den Händen bis er Räuber erretten wollet / die schelmischer weiß ein Spectacul mit mir anstellen; so bald ich solches gesagt / wischte einer von meinen Herrn mit dem Sebel herauß / mir das reden zulegen wiewol er mich nicht verstanden; aber die 3 vielleicht: rothe 11 Altkair E34 12 meinem E4 13 Er­ laubtem; Co Erlaubtnuö E4 14 Schalmeyrn E4 is beyde fehlt E4 19 zielten E4 kampeln C0E4 20 dazu E4 mein E4 21 jemahln E4 23 Gedräng E4 24 Herren E4 25 jetzt E4 26 Herren E4 27 schwige ich] schwiege E4 28 und ander] und andere E4 30 fäle E4 32 sollen E4 33 Herren E4 allesammt E4 37 mei­ nem E4

[83] 549 redliche Europeer verhinderten sein Beginnen; darauff sagte ich ferner auff Frantzösisch: ich bin ein Teutscher / und als ich Pilgers Weiß nach Jerusalem walfarten wolte / auch mit genugsamben [E 7 b] Paßbrieffen von den Lallen zu Alexan­ dria und dem zu Alkayr versehen gewesen / aber wegen deß varnaleenischen Kriegs nicht fortkommen möchte / sonder mich ein zeitlang zu Alkayr auffhielte Gelegenheit zuerwarten / meine Raiß zu volenten / haben mich dise Kerl ohnweit besagter Statt neben andern mehr ehrlichen Leuten diebischer Weiß hinweg geführt / und bißher Geld mit mir zusamlen / vil 1000. Menschen betrogen; folgents batte ich die Teutsche / sie wolten mich doch der Landsmanschafft wegen nicht ver­ lassen; interim wolten sich meine unrechtmessige Herrn nicht zu friden geben / weilen aber unterm Umbstand Leut von der Obrigkeit von Alkayr Hervortratten / die bezeugten / daß sie mich vor einen halben Jahr in ihren Vatterland beklaydet gesehen hetten; hierauff berufften sich bie Europeer vor den Basfa / vor welchem zuerscheinen meine 4. Herrn genöttigt worden; von demselben wurde nach gehörter Klag und Antwort auch der beyden Zeugen Aussag zu recht erkant und abge­ sprochen daß ich wider aüff freyen Fuß gestellt: die vier Räuber / weil sie der Bassen Paßbrieff violiert auff die Galleren im mittelländischen Meer verdambt: jhr zusammen gebrachtes Geld halber dem Eileo verfallen seyn: der ander halb Theil aber in zwey Theil getheilt: mir ein Theil vor mein außgestanden Ellend zugestelt: auß dem andern aber die jenige Personen so mit mir gefangen und verkaufst worden / wider außgelöset werden sotten; diß Urtel wurde nicht allein öffent­ lich außgesprochen sonder auch alsobald vollzogen / wardurch mir neben meiner Freyheit mein Rock und ein schöne Summa Gelds zustunde. [E 8] Als ich nun meiner Ketten daran mich die Maußköpff wie einen wilden Mann herumb geschlept / entledigt: mit meinem alten Rock widerumb beklaydet: und mir das Geld das mir der Basfa zuerkant / eingehändigt worden / wolte mich einer jeden Europeischen Nation Vorsteher oder Resident mit sich heimführen; die Holländer zwar darumb weil sie mich vor ihren Landsmann hielten / die übrige aber / weil 5 versehen] zu versehen CoE4 6 Dalma cenischen E4 i zu er­ warten ; CoE4 8 vollenden E4 12 wollen E4 13 Herren E4 16 Hervortratten] hervor CoE4 i8 Herren E4 25 getheilt: ~ Theil fehlt E4 26 zugestelt:] zugestelt Co Zugestellt / E4 28 ausge­ löscht Co 36 Residenz CoE4

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550 [84] ich ihrer Religion zuseyn schiene; ich bedanckte mich gegen allen / vornemblich aber darumb / daß sie mich gesambter Hand so Christlich auß meiner zwar närrischen: aber doch gefärlichen Gefangenschafft entledigt hatten / und bedachte anbey wie ich etwann mein Sach anstellen möchte / weil ich nun mehr auch wider meinen Willen und Hoffnung widerumben vil Geld und Freünd bekommen hatte.

Das XIX. Capitel. QflDSme Lantsleut sprachen mir zu / daß ich mich anders v kleyden liesse / und weil ich nichts zuthun hatte / machte ich Kundschafft zu allen Europeern / die mich beydes auß Christlicher Liebe und meiner wunderbarlichen Bezeugnuß halber geren umb sich hatten und offt zu Gast luden; und dem­ nach sich schlechte Hoffnung erzaigte / daß der varnaleenische Krieg in Syria und Iudea bald ein Loch gewinnen würde / damit ich meine Raiß nach Jerusalem widerumb Vornemmen und vollenden möchte / wurde ich anders Sinns / und entschloß mich mit einer grossen Portugesischen Kracke (so wegfertig stunde mit Kauffmanschatz nach Hauß zu fahren) in Portugal zu begeben / und an statt der Wahlfart nach Jerusalem S. Jacob zu Compoftel zubesuchen / [E8b] nachgehents aber mich jrgents in Rhue zusetzen / Und das jenige so mir GOtt beschert / zu verzehren; und damit solches ohne meinen sonderen Costen (dann so bald ich soviel Geld kriegte / fieng ich an zu kargen) beschehen köndte / überkam ich mit dem Portugesischen OberKauffmann aufs dem Schiff / daß er alles mein Geld an­ nehmen: selbigs in seinen Nutzen verwenden: mir aber solches in Portugal wieder zustellen: und interim an statt interesse mich aufs das Schiff an seine Taffel nehmen / und mit sich nach Hauß führen solte; dahingegen solte ich mich zu allen Diensten zu Wasser und Land wie es die Gelegenheit und deß Schiffs Nothdurfft erfordern würde / unverdrossen gebrauchen lassen; also machte ich die Zech ohne den Wirth / weil ich nicht wüste was der liebe GOtt mit mir zuverschaffen vorhatte; und nahm ich diese weite und gefährliche Raiß umb soviel desto begieriger vor / weil die verwichne aufs dem Mittel­ ländischen Meer so glücklich abgangen. i bedancke CoE4

4 und ~ anbey

fehlt CoE4

6 widerumben]

wiederum E4 13 gern E4 15 Krieg fehlt CoE1 19 vielleicht: Kauffmanschafft Kaufmanns-Schatz E4 22 Ruhe E4 jenig E4 23 sondern E4 24 Geld fehlt E4 27 selbiges E4 36 verwichene E4

[85] 551 Als wir nun zu Schiff gangen / vom Sinn Arabico oder Rothen Meer auff den Oceanum kommen und erwünschten Wind hatten / neunen wir unsern Laufs das Caput bonae fperanzae zu paslirn, segelten auch etliche Wochen so glücklich dahin / daß wir uns kein ander Wetter hätten wünschen können; da wir aber vermeinten / nunmehr bald gegen der Insul Madagascar über zu seyn / erhübe sich gehling eine solche Ungestümme daß wir kaum Zeit hatten dieSegel einzunehmen; solche vermehrte sich je länger je mehr / also daß wir auch die Masst abhauen und das Schiff dem Willen und Gewalt der Wellen lassen musten / dieselbe führten uns in die Höhe gleichsamb an die Wolcken / und im Augenblick [E 9] fernsten sie uns widerumb biß auff den Abgrund hinunder / welches bey einer halben Stund wärete und uns trefflich andächtig betten lernet / endlich warffen sie uns auff eine verborgene Stein Klippe mit solcher stärcke / daß das Schiff mit grausamen Krachen zustücken zerbrach / warvon sich ein jämmerlichs und ellendes Geschrey erhub / da wurde dieselbe Gegent gleichsamb in einem Augenblick mit Kisten Ballen und Trümmern vom Schiff überstreut; da sahe und hörete man hie und dort oben auff den Wellen und unten in der Tieffe die unglückseelige Leut an den jenigen Sachen hangen / die ihnen in solcher Noth am allerersten in die Hände gerathen waren / welche mit ellendem Geheul ihren Untergang bejammerten / und ihre Seelen GOtt befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem grossen Stück vom Schiff / welches etliche ZwerchHöltzer behalten hatte / daran wir sich fest hielten und einander zusprachen; mithin legten sich die grausame Wind allgemach / davon die wüttende Wellen deß zornigen Meers sich nach und nach besanfftigten und geringer wurden; hingegen aber folgte die stickfinstere Nacht mit einem schröcklichen Platz-Regen / daß es das Ansehen hatte / als hätten wir mitten im Meer von oben herab ersäufst werden sollen; das währete biß umb Mitternacht / in welcher Zeit wir grosse Noth erlitten hatten; darauff wurde der Himmel wider klar / also daß wir das Gestirn sehen kondten / an welchem wir vermerckten / daß uns der Wind je länger je mehr von der seiten Africae in das weite Meer gegen Terram Australem incognitam hinein triebe / i Sina CoE4 2 Occanum CoE4 31 stückfinstere E4 33 ersäufst E4

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welches uns beyde sehr bestürtzt machte / gegen Tag wurde es abermal so dunckel / [E9b] daß wir einander nicht sehen kondten wiewol wir nahe beyeinander lagen; in dieser Finster­ nus und erbärmlichen Zustand trieben wir immer fort / biß wir ohnversehens innen wurden / daß wir aufs dem Grund sitzen blieben und stillhielten; der Zimmermann hatte ein Axt in seinem Gürtel stecken / damit visitirt er die Liesse deß Wassers und fände aufs der einen Seiten nicht wol Schuh tieff Wassers / welches uns hertzlich erfreute und ohnzweiffeliche Hoffnung gäbe / GOtt hätte uns jrgends hin an Land geholffen / daß uns auch ein lieblicher Geruch zuverstehen gab / den wir empfanden / als wir wieder ein wenig zu uns selbst kamen; weil es aber so finster und wir beyde gantz abgemattet zumahlen deß Tags ehistes gewertig waren / hatten wir nicht das Hertz sich ins Wasser zulegen und solches Landt zusuchen / ohnangesehen wir allbereit weit von uns etliche Vögel singen zuhören vermeinten / wie es dann auch nicht anders war; so bald sich aber der liebe Tag im Osten ein wenig erzeigte / sahen wir durch die Düstere ein wenig Land mit Böschen bewachsen allernechst vor uns liegen / derowegen begaben wir sich alsobalden gegen demselbigen ins Wasser / welches je länger je seichter wurde / biß wir endlich mit grossen Freuden auff das truckene Land kamen; da fielen wir nieder auff die Knie / lüften den Erdboden und danckten Gott im Himmel / daß er uns so Vätterlich erhalten und ans Land gebracht; und solcher gestalt bin ich in diese Insul kommen. Wir kondten noch nicht wissen ob wir auff einem bewohnten oder unbewohnten: auff einem festen Land: oder nur auff einer Insul waren; Aber das merckten wir gleich / daß es ein trefflicher frucht-[E 10]barer Erdboden seyn müste / weil alles vor uns gleichsamb so dick wie ein Hanfs-Acker mit Büschen und Bäumen bewachsen war / also daß wir kaum dardurch kommen konden; als es aber völlig Tag worden / und wir etwann ein viertel Stundt Wegs vom Gestadt an durch die Büsche geschloffen / und der Orten nicht allein keine eintzige Anzeigung einiger Menschlichen Wohnung verspüren konden / sonder noch darzu hin und wieder viel frembde Vögel / die sich gar nichts vor uns scheuten / ja mit den Händen fangen 15 solches zu E4 19 Büschen E4 31 vor uns fehlt E4 33 tonten E4

24 banden C0E4 30 tonten E4

26 die E4

[87] 553 liefen / antreffen / fonbten wir ohnschwer erachten / daß wir auff einer zwar ohnbekandten: aber jedoch sehr fruchtbaren Insul seyn wüsten; wir fanden Citronen / Pomerantzen / und Coquos, mit welchen Früchten wir sich trefflich wohl erquick­ ten / und als die Sonne auffgienge / kamen wir auff eine Ebne / welche überall mit Palmen (davon man den Vin de Palm hat) bewachsen war; welches meinen Cammerrathen / der denselbigen nur viel zu gern tranck / auch mehr als zuviel erfreute; daselbsthin setzten wir sich nieder an die Sonne / unsere Kleyder zutrücknen / welche wir außzogen: und zu solchem Endt an die.Bäum auff hänckten / vor uns selbst aber in Hembtern herumb spacierten; mein Zimmerman hieb mit seiner Axt in einem Palmiten Baum / und befände das sie Reich von Wein waren / wir hatten aber drumb kein Geschirr solchen aufzufangen / wie wir dann auch beyde unsere Hüt im Schiffbruch verlohrn; Als die liebe Sonne nun unsere Klayder wieder getrücknet / zogen wir selbige an / und stiegen auff das Felsechtige hohe Gebürg so auff der rechten Hand gegen Mitternacht zwischen dieser Ebne und [E 10 b] dem Meer liegt / und sahen sich umb: befanden auch gleich daß wir auf keinen festen Landen sonder nur in dieser Insul waren welche im Umbgraiß über anderhalbe Stund gehens nicht begriffe; und weil wir weder nahe noch fern keine Landtschafft: sonder nur Wasser und Himmel sahen / wurden wir beyde betrübt / und verluhren alle Hoffnung ins künfftig wiederumb Menschen zusehen; doch tröstete uns hinwiederumb / daß uns die Güte GOttes an diesen gleichsamb sichern: und allerfruchtbarsten: und nicht an einen solchen Ort gesändet hatte / der etwann unfruchtbar: oder mit Menschen-Fressern bewohnet gewesen wäre; darauff fiengen wir an zugedencken was uns zuthun oder zulassen seyn möchte; und weil wir gleichsamb wie Gefangne in dieser Insul beyeinander leben musten / schwuren wir einander beständige Treu; das besagte Gebürg fasse und flöhe nicht allein voller Vögel von underschiedlichen Geschlechten / sonder es lag auch so voll Nester mit Eyern / daß wir sich nicht genugsamb darüber verwundern fonbten; wir tranefen deren Eyer etliche auß / und nrnnen noch mehr mit uns das Gebürg herunter / 5 also CoE4 12 Hemdern E4 ie in E4 verlohren E4 n gedrücknet E4 is felsichte E4 23 anderhalb E4 25 verlohren E4 a^2 Gefangene E4 35 unterschiedlichen E4

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an welchem wir die Quell deß süssen Wassers fanden / welches sich gegen Osten so starck / daß es wohl ein geringes Mühl-Rath treiben köndte / in das Meer ergeust / darüber wir abermal eine neue Freud empfiengen / und miteinander beschlossen / bey derselbigen Quell unsere Wohnung anzustellen. Zue solcher neuen Haußhaltung hatten wir beyde keinen andern Hauß-Rath als eine Axt / einen Sessel / drey Messer eine Piron oder Gabel / und eine Scheer / sonst war nichts vorhanden / mein Cam-[E 11]merrath hatte zwar ein Ducat oder dreysig bey sich / welche wir gern vor ein Feurzeug gegeben wann wir nur ein darvor zu kauffen gewüst hätten; aber sie waren uns nirgends zu nichts nutz / ja weniger werth als mein Pulver-Horn / welches noch mit Zintkraut gefüllt / dasselbe dürrete ich (weil es so weich als ein Brey war) an der Sonnen / zettelte davon aufs einen Stein / belegte es mit leichtbrennender Materia deren es von Mos und Baumwoll von den Coquos-93aumen genugsamb gab / strich darauff mit einem Messer durchs Pulver und fieng also Feur / welches uns so hoch erfreute / als die Erlösung auß dem Meer; und wann wir nur Saltz Brod und Geschirr gehabt hätten / unser Getränck hinein zufassen / so hätten wir sich vor die allerglückseeligste Kerl in der Welt geschätzt / obwohl wir vor 24. Stunden unter die unglücklichste gerechnet werden mögen/so gut Getreu und Barmhertzig ist GOtt / dem sey Ehr in Ewigkeit / Amen. Wir fiengen gleich etwas von Geflügel / dessen die Mänge bey vns ohne scheu herumb gienge / rupftens / wäschtens / und stecktens an ein höltzernen Spiß; da fieng ich an braten zuwenden / mein Cammerrath aber schaffte mir indessen Holtz herbey und verfertigte eine Hütte / uns / wann es vielleicht wider regnen würde / vor demselben zubeschirmen weil der Indianische Regen gegen Africa sehr ungesund zuseyn pflegt / und was uns an Saltz abgieng / ersetzten wir mit Citronen-Safft / unser Speisen geschmacksamb zumachen.

Das XX. Capitel. 35

H^Jfes war der erste Jmbs / den wir aufs unserer [E11 b] In­ sul einnahmen; und nach dem wir solchen vollbracht / thäten mir nichts anders / als dörr Holtz zusammen suchen 6 Zur CoE4 neuer E4 n einen E4 u dasselbige E4 n Coquo6-Bäumen E4 is durch CoE4 19 dem] seinem E4 26 rupf; tenö] truptenti CoE4 27 steckenö CoE4 fienge E4 37 wir E4

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unser Feur zu unterhalten; wir hätten gern gleich die gantze Insul vollents besichtigt/ aber wegen überstandener Abmattung trengte uns der Schlaff das wir sich zur Rhue legen musten / welche wir auch continuirten biß an den lichten Morgen; als mir solchen erlebt / giengen wir den Bächlein oder refier nach hinunter / biß an Mund da es sich ins Meer ergeüst / und sahen mit höchster Verwunderung / wie sich eine unsägliche Mänge Fische in der grosse als rnüttelrnässige Salmen oder grosse Karpffen dem siessen Wasser nach ins Flüsslein hinauff zöge / also das es schiene / als ob man eine grosse Härdt Schwein mit Gewalt hinein getriben hette; und weil wir auch etliche Bonanas Battades antraffen so treffliche gute Früchten seyn / sagten wir zusammen / wir hetten Schlau­ raffenland genug / (ob zwar kein vierfiessig Thier verhanden) wann wir nur Gesellschaft hätten / beydes die Fruchtbarkeit: als auch die vorhandene Fisch und Vögel diser edlen Insul gemessen zuhelffen; wir konten aber kein eintzig Merckzeichen spiren / das jemahlen Menschen daselbst gewesen wären. Als wir derowegen anfiengen zuberatschlagen / wie wir unser Haußhaltung ferner anstellen: und wo wir Geschirr nehmen wolten / so wol darinn zukochen als den Wein von Palmen hinein zufangen und seiner Art nach verjähren zu­ lassen / damit wir ihn recht gemessen könten / und im solchem Gespräch so am Uffer herumb spatzierten / sahen wir aufs der weitte deß Meers etwas daher treiben welches wir [E 12] in der ferne nit erkennen konten / wiewol es grösser schiene als es an sich selbsten war; dann nach dem es sich nähret und an unserer Insul gestrandet / war es ein halb todtes Weibsbilde / welches auff einer Kisten lag / und beyde Hände in die Hand­ haben an der Kisten eingeschlossen hatte; wir zogen sie auß Christlicher Liebe auff trucken Land / und demnach wir sie beydes wegen der Klaydung und etlicher Zaichen halber die sie im Angesicht hatte / vor eine Abysiner Christin hielten / waren wir desto geschäftiger sie wider zu sich selbst zu bringen; massen wir sie / jedoch mit aller Erbarkeit / als sich solches mit ehrlichen Weibsbildern in solchen fällen zuthun gezimbt / auff den Kopfs [Mieten / biß ein zimliche menge Wasser von ihr geloffen; und ob wir zwar nichts lebhafftigs zu ferner Er5 mir] wir E4 8 mittelmässige E4 9 siessen] siesten Co ]süsten E4 io ein E4 13 Früchte E4 14 vierfüssig E4 16 vorhandenen ♦E4 18 spühren E4 22 seine C0E4 24 spatzierten; C0E4 27 nä­ heret E4 28 Weiböbild E4 31 drucken E4 38 lebhafftigeö E4

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quickung bey uns hatten / als Citronen / so liessen wir doch nicht nach / ihro die spiritualische Feuchtigkeit die sich in den eussersten Enden der Citeronen Schällen enthält / unter die Nase zutrücken / und sie mit schüttlen zubewegen / biß sie sich entlich von sich selbst regte und Portugesisch anfieng zu reden; so bald mein Cammerat solches hörete / und sich in ihrem Angesicht widerumb ein lebhaffte Färb erzaigte / sagte er zu mir / dise Abyssinerin ist einmal aufs unserm Schiff bey einer vornehmen Portugesischen Frauen eine Magd gewesen / dann ich hab sie beyde wol gekant / sie seynt zu Anacao auffgesessen / und waren willens mit uns in die Insul Annabon zu schiffen; so bald jene disen Reden hörete / erzeigte sie sich sehr frölich / nennete ihn mit Nammen / und erzehlte nit allein ihre gantze Raiß / sonder auch wie sie so [E 12 b] wol daß sie und er noch im Leben / als auch / daß sie als bekante einander aufs Trucknem Land und ausser aller Gefahr wider angetroffen hätten; hierauff fragte mein Zimmerman was wol vor Wahren in der Kisten sein möchten / darauff antwortet sie / es wären etliche chinesische Stück gewant / etliche Gewehr und Waffen / und dann unterschidliche so grosse als kleine Porcelanen Geschirr so in Portugal einen vornehmen Fürsten von ihrem Herrn hette geschickt werden sollen / solches erfreute uns trefflich / weil es lauter Sachen / deren wir am allermaisten bedürfftig waren. Demnach ersuchte sie uns / wir wolten ihro doch solche Leutseeligkeit erweisen / und sie bey uns behalten / sie wolte uns gern mit kochen / Wäschen und andern Diensten als eine Magt an die Hand gehen und uns als ein leibaigne Sclavin unterthänig seyn / wann wir sie nur in unserem Schutz behalten: und ihr den Lebens Unterhalt so gut als es das Glück und die Natur in diser gegent bescherte / neben uns mit zugemessen gönnen wolten. Darauff trugen wir beyde mit grosser Mühe und Arbeit die Kiste an den jenigen Ort / den wir uns zur Wohnung außerkohren hatten; daselbsten öffneten wir sie / und fanden so beschaffene Sachen darinnen / die wir zu unserem damaligen Zustand und Behueff unserer Haußhaltung nimmermehr an­ ders hetten wünschen mögen; wir packten auß und trückneten solche Wahr an der Sonnen / warzu sich unser neue Köchin gar zudrücken E4 io Anacao wohl: Macao 12 fit fehlt Co 19 hinesische C0E4 27 ein leibaigne] eine leibeigene E4 so die] diser C0E4 34 öffneten E4 35 beschaffne E4 so Behufs E4 88 unsere E4 4

[91] 557 fleissig und dienstbar erzaigte; folgents fiengen wir an Ge­ flügel zumetzgen / zu siden und zu braten / und in dem mein [Fl] Zimmerman hingieng / Palm Wein zu gewinnen / füge ich auffs Gebürg vor uns / Eyer auß zunemmen / solche hart zu siden / und an statt deß lieben Brods zubrauchen / unterwegs betrachtete ich mit hertzlicher Dancksagung die grosse Gaben und Gnaden GOttes / die uns dessen barmhertzige Vorsehung so Vätter miltiglich mitgetheilt / und ferners zuge­ messen vor Augen stellete; ich fiele nider auff das Angesicht und sagte mit außgestreckten Armen und erhobenem Hertzen ach! ach! du allergüetigster himmlischer Vatter / nun empfinde ich im Werck selbsten / daß du williger bist uns zu geben / als wir von dir zu bitten! ja allerliebster Herr! du hast uns mit dem Uberflus deiner Göttlichen Reichtümber ehender und mehrers versehen / als wir arme Creaturen bedacht waren / im geringsten etwas dergleichen von dir zubegehren; Ach getreuer Vatter deiner unaußsprechlichen Barmhertzigkeit wolle allergnädigist gefallen / uns zuverleyhen / das wir dise deine Gaben und Gnaden nicht anders gebrauchen / als wie es deinem allerheiligsten Willen und Wolgefallen beliebt / und zu deines grossen unaußsprechlichen Namens Ehr geraicht / damit wir dich neben allen Außerwöhlten hie zeitlich und dort ewig / loben ehren und preisen mögen; mit solchen und viel­ mehr dergleichen Worten / die alle auß dem innersten Grund meiner Seelen gantz hertzlich und andächtig daher flössen / gienge ich umb / biß ich die Nothdurfft an Eyern hatte / und damit widerumb zu unserer Hütten kam / allwo die Abend­ mahlzeit auff der Kisten (die wir selbigen Tag sambt der Köchin auß dem Meer gefischt / und mein Cam-[F 1 b]merrath an statt eines Tisches gebrauchte) bestens bereit stunde. Indessen ich nun umb obige Eyer außgewesen / hat mein Cammerrath (welcher ein Kerl von etlich-wenig-und-zwantzig, Jahren: ich aber über die viertzig Jahr alt gewesen) mit unserer Köchin einen Accord gemacht / der beydes zue seinem und meinem Verderben geraichen sötte; dann nach dem sie sich in meiner Abwesenheit allein befanden / und von alten Geschichten: zugleich aber auch von der Fruchtbarkeit und grosser Nutznießung dieser überauß gesegneten: ja mehr als 4 Gebürg / vor und Eyer E4 11 allergütigster E4 13 bitten? CoE4 18 allergnädigst E4 22 Auserwehlten E4 23 vielmehr fehlt E4 34 zur Co zu E4

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glückseliger Insul miteinander gesprochen / wurden sie so vertreulich daß sie auch von einer Trauung zwischen ihnen beyden zureden begundten / von welcher aber die vermeinte Abissinerin nichts hören wolte / es wäre dann fach daß mein Cammerrath der Zimmerman sich allein zum Herrn der Insul machte und mich auß dem Weg raumbte; es wäre / sagte sie / ohnmüglich daß sie ein friedsambe Ehe miteinander haben können / wann noch ein Unverheurather neben ihnen wohnen solle; er bebende nur selbst / sagte sie ferner zu meinem Cammerrathen / wie ihn Argwohn und Eyfersucht Plagen würde / wann er mich heurathet / und der Alte täglich mit mir conversirt, ob er gleich ihn zum Cornuto zumachen niemal in Sinn nehme; zwar weiß ich einen besseren Rath / wann ich mich je vermählen: und aufs dieser Insul (die wol 1000. oder mehr Personen ernähren kan) das MenschlichGeschlecht vermehren soll; nemblich diesen / daß mich der Alte eheliche; dann wann solches geschehe / so wäre es nur umb ein Jahr oder 12. oder längst 14. zuthun / in welcher Zeit wir eU[F 2]nmn eine Tochter miteinander erzeugen werden / ihme solche verstehe dem Zimmerman ehlich beyzulegen; als­ dann wird er nicht so bey Jahren seyn / als jetzunder der jetzige Alte ist; und würde interim zwischen euch beyden die ohnzweifentliche Hoffnung daß der erste deß andern SchwerVatter: und der ander deß ersten Tochtermann werden solte / allen bösen Argwohn auß dem Weg thun: und mich aller Gefahr / darin ich anderwerths gerathen möchte / befreyen; zwar ists natürlich / daß ein jungs Weibs-Bild wie ich bin / lieber einen jungen: als alten Mann nehmen wird; aber wir müssen sich jetzunder miteinander in die Sach schicken / wie es unser gegenwertiger Zustand erfordert / umb vorzusehen / daß ich und die so auß mir geboren werden möchten / das sichere spielen / durch diesen difcurs der sich weit ein mehrers erstreckte und außeinander zohe / als ich jetzunder beschreibe / wie auch durch der vermeinten Abissinerin Schönheit (so beym Feur in meines Cammerrathen Augen viel vortrefflicher herumb glantzte als zuvor) und ihre hurtige Geberden / wurde mein guter Zimmerman dergestalt eingenommen und bethört / daß er sich entblödete zusagen / er wolte ehe den Alten (mich

io ihn] ihr CoE4 13 nehme? CoE4 gen :] jungen CoE4 36 gläntzte E4

15 Menschliche E4

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[93] 559 Vermeinende) ins Meer werffen und die gantze Insul ruiniten / ehe er eine solche Dame wie sie wäre / überlassen wolle; und hierauff wurde auch oben gedachter Accord zwischen ihn beyden beschlossen; doch dergestalt / daß er mich Hinderrucks oder im Schlaff mit seiner Axt erschlagen sötte / weil er sich sowohl vor meiner Leibs Stärcke als meinen Stab den er mir selbst wie einen Böhmischen Ohrleffel verfertigt / entsetzte. [F 2 b] Nach solchem Verglich zeigte sie meinem Cam­ merrathen zunegst an unserer Wohnung eine schöne Art Hasfner Erde / auß welchem sie nach Art der Jndianisch-Weiber so am Guineischen Gestat wohnen / schön jrrden Geschirr zumachen getraute / thäte auch allerley Vorschläg wie sie sich und ihr Geschlecht auff dieser Insul außbringen: ernähren: und biß in das hunderste Glied ihnen ein geruhigs und vergnügsambes Leben verschaffen wolte; da wüste sie nicht genugsamb zurühmen / was sie vor Nutzen auß den Coquos Bäumen ziehen wolte und auß der Baumwoll so selbige tragen oder hervor bringen / sich und aller ihrer Nachkömmlingen Nachkömmling mit Kleydungen zuversehen. Ich armer Stern kam und wüste kein Haar von diesem Schluß und Laugen-Guß sonder setzte mich zugeniessen / was zuge­ richtet da stunde / sprach auch nach Christlichem und Hochlöb­ lichem Brauch das Benedicite; so bald ich aber das Creutz beydes über die Speisen und meine Mit-Esser machte / und den Göttlichen Seegen anruffte / verschwände beydes unsere Köchin und die Kiste / sambt allem dem was in besagter Kisten gewesen war / und liefe einen solchen grausamen Gestand hinder sich / daß meinem Cammerrathen gantz unmächtig darvon wurde. Das XXI. Capitel.

G>Obald er sich wiederumb erkobert hatte und zu seinen w sieben Sinnen kommen war / kniete er vor mir nieder / faltete beyde Händ und sagte wohl ein halbe Viertelstundt nacheinander / sonst nichts / Als: ach Vatter! ach Bruder; ach Vatter! ach [F 3] Bruder! und fieng darauff an mit Widerholung solcher Wort so inniglich zuwainen / daß er vor Schluchsen kein verständlichs Wort mehr herauß bringen kondte; also 3 ihn] ihr CoE34 6 alö vor E4 14 Hunderte E4 geruhigeö E4 27 einem E4 28 ohnmächtig E4

i Ohrlöffel E4 12 sie fehlt E4 wüste E4 17 wolte fehlt CoE4 31 erobert E4

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daß ich mir einbildete / er müste durch Schröcken und Gestanck seines Verstandts beraubt worden seyn; wie er aber mit solcher weiß nit nachlassen wolte / und mich immerhin umb Ver­ zeihung batte; antwortet ich / liebster Freundt / was soll ich euch verzeihen / da ihr mich doch euer Lebtag niemahl belaidigt habt? sagt mir doch nur wie es euch zuhelffen sey? Verzeihung sagte er / bitte ich: dann ich hab wider Gott: wider euch und wider mich selbst gesündigt! und damit fienge er sein vorige Klag Wider an / continuirte sie auch so lang / biß ich sagte / ich wüste nichts böses von ihm / und dafern er gleichwol etwas begangen / deßwegen er sich ein Gewissen machen möchte / so wolte ichs ihm nicht allein so viel es mich beträffe / von Grundt meines Hertzens verziehen und vergeben haben / sonder auch wann er sich wider GOtt vergriffen / neben ihne dessen Barmhertzigkeit umb Begnadigung anruffen; aufs solche Wort fasste er meine Schenckel in seine Arm: küste meine Knie: und sahe mich so sähnlich und drauff an / daß ich drüber gleichsamb erstummete / und nicht wissen oder er­ rathen kondte / was es doch immermehr mit dem Kerl vor eine Beschaffenheit haben möchte; demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nam und an meine Brust truckte / mit Bitt mir zuerzehlen was ihm anlege und wie ihm zuhelffen seyn möchte / beichtet er mir alles haarklein herauß / was er mit der vermeinten Abissinerin vor ein Diseurs geführt: und über mich / beydes wider GOtt: wider die Na-[E3b]tur: wider die Christliche Liebe / und wider das Gesetz getreuer Freundtschafft / die wir einander solennster geschworen / bey sich selbst beschlossen gehabt hatte; und solches that er mit solchen Worten und Geberden / darauß sein inbrünstige Reu und zerknirschtes Hertz leicht zumuthmassen oder abzunehmen war. Ich tröstete ihn so gut ich immer kondte / und sagte GOtt hätte vielleicht solches zur Warnung über uns verhänckt / damit wir sich künfstig vor deß Teuffels Stricken und Versuchungen desto besser vorsehen: und in stätter Gottesforcht leben sollen; er hätte zwar Ursach seiner bösen Einwilligung halber Gott hertzlich umb Verzeihung zubitten; aber noch ein grössere Schuldigkeit setze es / daß er ihme umb seine Güte i Schrecken E4 3 ritt] mit Co ]mir E4 i sagte er / fehlt E4 9 seine E4 \i ähnlich E4 darauff E4 21 trucke Co druckte E4 36 hatte C0E4 38 sey E4

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und Barrnhertzigkeit bände; in dem er ihn so Vätterlich auß deß leidigen Sathans Lüst und Fallstrick gerissen: und ihn vor seinem zeitlichen und ewigen Fall behüttet hätte; es würde uns vonnöthen seyn vorsichtiger zuwandlen / als wann wir mitten in der Welt unter dem Volck wohneten; dann solte einer oder der ander oder wir alle beyde fallen / so würde niemand vorhanden seyn / der uns wiederumb auffhülffe / als der liebe GOtt / den wir derowegen desto fleissiger vor Augen haben: und ihne an unterlaß umb Hilff und Beystand anflehen müsten. Von solchen und dergleichen zusprechen wurde er zwar umb etwas getrost / er wolte sich aber nichts destoweniger nicht allerdings zufriden geben / sonder batte auffs demütigste / ich wolte ihm doch wegen seines Verbrechens eine Buß aufflegen; damit ich nun sein nider geschlagenes Gemüth nach [F4] Müglichkeit wiederumb etwas auffrichten mögte / sagte ich / dieweil er ohne das ein Zimmerman sehe / und seine Axt noch im Vorrath hätte / so solte er an dem jenigen Ort wo so wohl wir als unsere teufflische Köchin gestrandet am Ufer deß Meers ein Creutz auffrichten / damit würde er nicht allein ein Gott wohlgefällig Bußwerck verrichten / sonder auch zuwegen bringen / daß künfftig der böse Geist / welcher das Zeichen deß H. Creutzes scheue / unsere Insul nicht mehr so leichtlich anfallen würde / ach: antwortet er / nicht nur ein Creutz in die Nidere sonder auch zwey auff das Gebürg sollen von mir verfertigt und ausgerichtet werden; wann ich nur O Vatter: deine Huld und Gnad wider habe / und mich der Verzeihung von GOtt getrösten darff; er gieng in solchem Eyfer auch gleich hin und hörete nicht auff zu arbeiten / biß er die drey Creutz verfertigt hatte / darvon wir eins am Strandt deß Meers und die andere zwey jedes besonder auff die höchste Gipffel deß Gebürgs mit folgender inXcription auffrichteten. GOtt den Allmächtigen zu ehren und den Feind deß Menschlichen Geschlechts zu Vertruß / hat Simon Meron von Lissabon auß Portugal mit Rath und Hilff seines getreuen Freunds Simplici Simplicilsimi eines hochteutschen / diß Zeichen deß Leydens unsers Erlösers / auß Christlicher Wolmeinung verfertigt und hieher ausgerichtet. List E42 * 9 an] ohn E4 Hülff E4 18 hatte C0E4 34 Verdruß E4 30 Freund E4 2

ein E4 16 mögte; C0E4 Listaben C0E4 Hülff E4

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Von daran fiengen wir an etwas Gottseeliger zu leben als wir zuvor gethan hatten / und damit wir den Sabath auch heiligen und feyern möchten / schnitte ich an statt eines Calenders alle Tag eine Kerb aufs ein Stecken und am Sontag ein Creutz; [F 4 b] als dann fassen wir zusammen und redeten miteinander von heiligen und göttlichen Sachen; und dise Weise muste ich gebrauchen / weil ich noch nichts ersonnen hatte mich damit an statt Papiers und Dinten zubehelffen dardurch ich etwas schrifftlichs hette zu unserer Nachricht auffzaichnen mögen. Hier muß ich zum Beschluß dises Capitels einer artlichen Sach gedencken / die uns den Abend als unser feine Köchin von uns abschiede / gewaltig erschröckt und ängstigte / betn wir die erste Nacht nicht wahrgenommen / weil uns der Schlaff wegen überstandener Abmattung und grosser Müdig­ keit gleich überwunden; es war aber dises; als wir noch vor Augen hatten / durch was vor tausent List uns der laidige Teüffel in Gestalt der Abissinerin verderben wollen / und dannenhero nicht schlaffen konten / sonder lang wachent die Zeit: und zwar mehrentheils im Gebett zubrachten / sahen wir so bald es ein wenig finster wurde / umb uns her einen un­ zähligen Haussen der Lichter im Lusft herumb schweben / welche auch einen solchen Hellen Glantz von sich gaben / das wir die Früchte an den Baumen vor dem Laub unterscheydden konten; da vermeinten wir es wäre abermal ein neuer Fund deß Widersachers / uns zu quelen / wurden derowegen gantz still und dusamb / befanden aber entlich daß es eine Art der Johanns Füncklein oder Zintwürmlein (wie man sie in Teutschland nennet) waren / welche auß einer sonderbaren Art faulen Holtzes entstehen so aufs diser Insul wächst; dise leuchten so hell / das man sie gar wol an statt einer hell­ brennenden Kertzen gebrauchen kan; Massen ich nach-[F5]gehents diß Buch mehrentheils dabey geschriben; und wann sie in Europa, Alia, und Affrica, so gemein wären als hier / so würden die Lichter Krümmer schlechte Losung haben.

12 unsere E4 dosam E4

13 erschreckt E4

deren E4

24 Bäumen E4

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[97] 563 Das XXII. Capitel.

weil wir nun sahen daß wir verbleiben musten wo wir ^ waren / ft engen wir auch unsere Haußhaltung anderst an; mein Carnmerad machte von einen schwartzen Holtz / welches sich beynahe dem Eysen vergleicht wann es dürr wird / vor uns beyde hauen und schaufselen / durch welche wir erstlich die obgesetzte drey Creutz eingruben / zweytens das Meer in Gruben laitetten / da es sich / wie ich zu Alexandria in ^Egypten gesehen / in Saltz verwandelt / drittens fiengen wir an einen lustigen Garten zumachen / weil wir den Müssiggang vor den Anfang unsers Verderbens schetzten / viertens gruben wir das Bächlein ab / also daß wir dasselbe nach unserm belieben anderwerts hinwenden: den alten Fluß gantz trucken legen: und Fisch und Krebs so vil wir wolten / gleichsamb mit trucknen Handen und Füssen darauff auffheben tonten; fünfftens fanden wir neben den besagten Flüsslein ein überauß schöne Haffner Erde; und ob wir zwar weder Scheiben noch Rath: zumalen auch kein Bohrer oder andere Instru­ menten hatten / uns dergleichen etwas zuzurichten / umb uns allerhand Geschirr zu trehen / ob wir wol das Handwerck nicht gelernet; so ersonnen wir doch einen Vortel / durch welchen wir zuwegen brachten was wir wolten / dann nach dem mit die Erde geknettet und zubereittet hatten [F 5 b] wie sie seyn solte / machten wir würst darauß in der dicke und lenge wie die Englische Tabacks Pfeiffen seyn / solche kleibten wir schneckenweiß auffeinander und formirten Geschirr drauß wie wirs haben wolten / beydes groß und klein / Haffen und Schüsslen / zum kochen und binden; wie uns nun der erste Brand geriethe / hatten wir keine Ursach mehr / uns über einigen Mangel zubeklagen / dann ob uns wol das Brod abgieng / hatten wir jedoch hingegen dürre Fisch vollauff / die wir vor Brod brauchten / mit der Zeit gieng uns der Vortel mit dem Saltz auch an / also daß wir entlich gar nichts zu klagen hatten; sonder wie die Leut in der ersten güldenen Zeit lebeten; da lehrten wir nach und nach wie wir auß Eyern / dürren Füschen und Citronen Schälen / welche beyde testete Stück wir zwischen zweyen Steinen zu zartem Meel rieben / 11 unsererö E4 12 dasselbige E4 13 drucken E4 u legen; C0E4 15 drucknen Händen E4 20 drehen E4 26 daraus E4 23 Schißlen E4 35 lebten E4 36 Fischen E4 letztere E4

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in Vögel Schrnaltz / sy wir von den Walchen so genanten Vögeln bekamen / an statt deß Brods wolgeschmackte Kuchen dachen solten; so wüste mein Cammerad den Palmwein gar artlich in grosse Haffen zugewinnen / und denselben ein par Tag stehen zulassen biß er verjoren / hernach söffe er sich so voll darin / das er dorckelte / und solches that er aufs die letzte gleichsamb alle Tage / Gott geb was ich darwider redete; dann er sagte / wann man ihn über die Zeit stehen liesse so würde er zu Essig / welches zwar nit ohn ist; antwortet ich ihm dann / er solte aufs einmal nit so vil sonder die blosse Notdurfft gewinnen / so sagte er hingegen / es sehe Sünd / wann man bi£ Gaben GOttes verachte; man müsse den Balmen beyzeiten zu aderlassen / damit sie nit in ihren aignen Blut [F 6] er­ stickten; also muste ich seinen Begirten den Zaum lassen / wolte ich anderst nit mehr hören / ich gönnete ihm nit was wir die Völle umbsonst hätten. Also lebten wir / wie obgemeldet / als die erste Menschen in der güldenen Zeit da der gütige Himmel denselbigen ohne einige Arbeit alles guts auß der Erden hervor wachsen lassen; gleich wie aber in biset Welt kein Leben so süß und glückseelig ist / das nit bißweilen mit Gall deß Leydens verbittert werde / also geschahe uns auch; dann umb wie vil sich täglich unser Kuch und Keller besserte / umb so vil wurden unsere Kley­ dungen von Tag^u Tag je länger je plöder / biß sie uns entlich gar an den Leybern verfaulten; das beste vor uns war dises / das wir bißhero noch niemal keinen Winter: ja nicht die ge­ ringste Kälte innen worden / wiewol wir damal als wir anfiengen nackent zu werden / meinen Kerbhöltzern nach bereits über anderhalbe Jahr aufs diser Insul zugebracht / sonder es war jederzeit Wetter wie es bey den Europeern in May und Iunio zuseyn pflegt / ausser das es ungefähr im Augusto und etwas Zeit zuvor gewaltig starck zu regnen und zu wittern pflegt / so wird auch alhier von einem Solstitio zum andern Tag und Nacht nicht wol über 5. virtel stund länger oder kürtzer / als das andermal. Wiewol wir nun allein sich aufs der Insul befanden / so wollen wir doch nicht wie das unver­ nünftige Vihe nackent: sonder als ehrliche Christen auß Europa beklaidet gehen; hetten wir nun vierfüssige Thier 5 verjaren CoE4 e darein E4 9 ohne E4 13 ihrem E4 u Be­ zirken E4 22 sich fehlt E4 27 Kalt E4 3i ohngefähr E4 38 nur

[99] 565 gehabt / so wäre uns schon geholffen gewesen / ihre Bälg zu Kleidung anzuwenden; in Mangel derselbigen aber / zogen wir dem grossen Geflügel / als den Walchen und Pingwins die Häut [F 6 b] ab und machten uns Niderkleider drauß / weil wir sie aber auß Mangel beydes der Instrumenten und zugehörigen Materialien nicht recht aufs die Taur beraiten tonten / wurden sie hart / unbequem und zerstoben uns von Leib hinweg / ehe wir sich dessen versehen; die Coquos Baume trugen uns zwar Baumwol genug / wir tonten sie aber weder weben noch spinnen / aber mein Cammerad / welcher etliche Jahr in Indien gewesen/ wise mir an denen Stetem fönten an den Spitzen ein Ding wie ein scharffer Dom / wann man selbi­ ges abbricht und am Grad deß Blats hinzeugt/ gleichsamb wie man mit den Bonnen-Scheffen / Phaseoli genant / umbgehet / wann man selbige von ihren Gräthen reinigt / so verbleibt an dem selbigen spitzigen Dorn ein Faden hangen / so lang als der Grad oder das Blad ist / also das man dasselbige an statt Nadel und Faden brauchen kan; solches gab mir Ursach und Gelegenheit an die Hand / daß ich uns auß denselben Blettern Niderkleider machte / und solche mit obgemelten Faden ihres aignen Gewächs zusammen stach. In dem wir nun so mit einander hausten / und unser Sach so weit gebracht / das wir keine Vrsach mehr hatten / uns über einige Arbeitseeligkeit / abgang / Mangel oder Trübsal zubeschwern / zechte mein Cammerad im Palm Wein Immerhin täglich fort wie ers angefangen: und nunmehr gewohnt hatte / biß er entlich Lung und Leber entzüntete und ehe ich michs recht versähe / mich / die Insul und den Vin de Palm durch einen frühzeitigen Todt zugleich quittirte; ich begrübe ihn so gut als ich konte / und in dem ich deß Menschlichen Wesen Unbestän-[F 7]digkeit und anders mehr betrachtete / machte ich ihm folgende Grabschrifst. Daß ich hier: und nicht ins Meer bin worden begraben / Auch nit in d'Höll; macht daß umb mich gestritten haben / Drey Ding! das erste der wüthende Ocean! Das zweit: der grausamb Feind! der höllische Sathan; Diesen entranne ich durch GOttes Hülff auß mein Nöthen Aber vom Palmwein / dem dritten / ließ ich mich tödten. i ihr E4i * * 2 Kleidungen E4 3 grossen fehlt E4 8 CoquoöBäume E4 9 weder fehlt CoE4 21 eigenen E4 22 hausen Co Haussen E4 24 zu beschweren E4 21 entzündete E4 34 in £>’] inder E4 30 zweite E4 grausame E4 37 mein'n E4

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566 [100] Also wurde ich allein ein Herr der gantzen Insul / und fieng widerurnb ein Einsidlerisches Leben an / warzu ich dann nit allein mehr als genügsame Gelegenheit: sonder auch ein fteiffen Willen und Vorsatz hatte; ich machte mir die Güter und Gaben dises Orts zwar wol zunutz / mit hertzlicher Dancksagung gegen GOtt / als dessen Gütte und Almacht allein mir solche so reichlich bescheret hatte; beflisse mich aber dar­ neben / das ich deren Überfluß nicht missbrauchte / ich wünschte offt daß ehrliche Christen Menschen bey mir waren / die anderwerts Armut und Mangel leyden müssen / sich der gegenwer­ tigen Gaben GOttes zugebrauchen; weil ich aber wol wüste / daß GOtt dem Allmächtigen mehr als müglich (dafern es anders sein Göttlicher Will wär) mehr Menschen leichtlicher und wunderbarlicher Weiß hieher zuversetzen / als ich her­ gebracht worden; gab mir solches offt Ursach / ihme umb seine Göttliche Vorsehung: und daß er mich so Vätterlich vor andern vil 1000. Menschen versorgt / und in [F 7 b] einen solchen geruhigen fridsamen Stand gesetzt hatte / demütig zudancken.

Das XXIII. Capitel. etoSin Cammerad war noch keine Woch Todt gewesen / als ich ein Ungeheur umb meine Wohnung herumb vermerckte; nun wolan / gedachte ich / Simplici du bist allein / solt dich nicht der böse Geist zu vexirn unterstehen? vermeinestü nicht diser Schadefro werde dir dein Leben säur machen; was fragstu aber nach ihm / wann du GOtt zum freünde hast? du must nur etwas haben das dich übet / dann sonst würde dich Musiggang und Überfluß zu fall stürtzen; hastu doch ohne disen sonst niemand zum Feind als dich selbsten und diser Insul Überfluß und Lustbarkeit / drumb mach dich nur gefast zu streitten / mit dem jenigen der sich am allerstärcksten zu seyn bedunckt / wird derselbige durch GOttes Hilff überwunden / so würdestu ja ob GOtt will vermittelst dessen Gnad auch dein aigner Meister verbleiben; Mit solchen Gedancken gieng ich ein Par Tag umb / welche mich umb ein zimlichs besserten und andächtig machten; weil ich mich einer Rencontra versähe / die ich ohnzweiffel mit 2 Einsidlericheö CoE42 * i beschehrt E4 9 wären E4 13 wäre E4 23 vexiren E4 2? Müssiggang E4 3i Hülff E4 33 eigener E4 36 ohnezweiffel E4

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betn bösen Geist außstehen müfte / aber ich betrog mich vor diß mal selbsten / dann als ich an einem Abend abermal etwas vermerckte / das sich hören liesse / gierig ich vor meine Hütte / welche zu negst an einen Felsen deß Gebürgs stunde / warunder die haubt Quel deß süssen Wassers / das vom Gebürg durch dise Insul ins Meer rinnet / da sahe ich meinen Cammeraden an der steinen Wand stehen / wie er mit den Fingern [F 8] in deren Spalt grübelte; ich erschrack wie leicht zugedencken / doch faste ich stracks wider ein Hertz / befähle mich mit Bezaichnung deß heiligen Creutzes in GOttes Schutz / und dachte es muß doch einmahl seyn; besser ists heut als morgen / gieng darauff zum Geist / und brauchte gegen ihm die jenige Wort die man in solchen Begebenheiten zureden Pflegt; da verstünde ich alsobalden / daß es mein verstorbener Cammerad war / welcher bey seinen Lebzeiten seine Dueaten dorthin verborgen hatte / der Meinung wann etwan über kurtz oder lang ein Schiff an die Insul kommen würde / daß er alßdann solche wider erheben: und mit sich darvon nehmen wolle; er gab mir auch zuverstehen / daß er auff diß wenige Geld / alß dardurch er wider nach Hauß zukommen verhoffet / sich mehr als auff GOtt verlassen / wessentwegen er dann mit solcher Unruhe nach seinem Todt büssen: und mir auch wider seinen Willen Ungelegenheit machen müssen; ich namb auff sein begehren das Geld herauß / achtete es aber weniger als nichts; welches man mir desto ehenter glauben kan / weil ichs auch zu nichts zugebrauchen wüste; dieses nun war der erste Schröck den ich einnamb seit ich mich allein befände; aber nachgehends wurde mir wol von anderen Geistern zugesetzt als dieser einer ge­ wesen; darvon ich aber weiters nichts melden / sonder nur noch dieses sagen will / daß ich vermittelst Göttlicher Hülff und Gnad dahin kam / daß ich keinen eintzigen Feind mehr spürrete / als meine aigne Gedancken / die offt gar variabel stunden / dann dise seynd nit zollfrey vor GOtt / wie man sonst zusagen pflegt / sonder es wird zu seiner Zeit ihrentwegen auch Rechen­ schafft gefordert werden. [F 8 b] Damit mich nun dieselbige destoweniaer mit Sünden beflecken sollen / beflisse ich mich nit allein außzuschlagen was nichts taugte / sonder ich gab mir selbst alle Tag ein leibliche 3 vermercke CoE34 4 worunter E4 6 Cammerrathen E4 23 sei­ nen E4 25 ehender E4 26 Schreck E4 28 andern E4 32 eigene E4 38 alle Tag fehlt E4 eine E4

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Arbeit miss / solche neben dern gewöhnlichen Gebett zuver­ richten; dann gleich wie der Mensch zur Arbeit wie der Vogel zum fliehen geboren ist / also verursacht hingegen der Müssiggang beydes der Seelen und dem Leib ihre Kranckheiten / und zuletzt wann mans am wenigsten warnimbt / das endlich Verderben / derowegen Pflantzte ich einen Garten dessen ich doch weniger als der Wagen des fünfften Raths bedorffte / weilen die gantze Insul nichts anders als ein lieblicher Lust­ garten hette genant werden mögen; meine Arbeit taugte auch zu sonst nichts / alß daß ich eins und anders in ein wolständigere Ordnung bracht / obwol manchem die natürliche Anordnung der Gewächse wie sie da untereinander stunden / anmuthiger vorkommen seyn möchte; und dann daß ich wie obgemelt / demMüssiggang abschaffte; O wie offt wünschte ich mir / wann ich meinen Leib abgemattet hatte und demselben seine Ruhe geben muste / geistliche Bücher / mich selbst darinn zu­ trösten / zuergötzen und auffzubauen / aber ich hatte solche drumb ritt; Demnach ich aber vor diesem von einem heiligen Mann gelesen / daß er gesagt / die gantze weite Welt sey ihm ein grosses Buch / darinnen er die Wunderwercke GOttes er­ kennen: und zu dessen Lob angefrischt werden möchte; Alß gedachte ich demselbigen nachzufplgen / wiewol ich / so zu­ sagen / nit mehr in der Welt war; die kleine Insul muste mir die gantze Welt seyn / und in derselbigen ein jedes Ding / ja ein jeder Baum! ein Antrieb [F 9] zur Gottseligkeit: und eine Erinnerung zu denen Gedancken die ein rechter Christ haben soll; also! sahe ich ein stachelecht Gewächs / so erinnerte ich mich der dörnen Cron Christi / sahe ich einen Apffel oder Gra­ nat / so gedachte ich an den Fall unserer ersten Eltern und bejammert denselbigen; gewänne ich ein Palmwein auß einem Baum / so bildet ich mir vor / wie mildiglich mein Erlöser am Stammen deß H. Creutzes sein Blut vor mich vergossen; sahe ich Meer oder Berg / so erinnerte ich mich des einen oder andern Wunderzeichens und Geschichten / so unser Heyland an dergleichen Orthen begangen; fände ich einen oder mehr Stein so zum Werffen bequem waren / so stellte ich mir vor Augen / wie die Juden Christum steinigen wolten; war ich in meinem Garten / so gedachte ich an das ängstig Gebett am Oelberg / 5 man E4

6 pflanze CoE4

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i? zu ergehen E4

so demselbigen E4

24 eines jeden E4

[103] 569 ober an das Grab Christi und wie er nach der Auferstehung Mariae Magdalenae im Garten erschinen / rc. Mit solchen und dergleichen Gedancken hanthierete ich täglich; ich asse nie daß ich nicht an das letzte Abendmahl Christi gedachte; und kochte mir niemahl keine Speiß / daß mich das gegenwertige Feur nicht an die ewige Peyn der Höllen erinnert hätte. Endlich fandt ich / daß mit Praesilien Safft deren es vnderschiedliche Gattung aufs dieser Insul gibt / wann solche mit Citronen-Safft vermischt werden / gar wol aufs eine Art grosser Palmblätter zuschreiben sehe / welches mich höchlich erfreute / weil ich nunmehr ordenliche Gebett concipirn und auffschreiben kondte; zuletzt als ich mit hertzlicher Reu meinen gantzen geführten Lebens-Laufs betrachtete / und meine Bubenstück die ich von Jugend auff be*[F 9 d]gangen / mir selbsten vor Augen stellte / und zu Gemüth führete / daß gleich­ wohl der barmhertzige GOtt unangesehen aller solchen groben Sünden / mich bißher nit allein vor der ewigen Verdambnuß bewahrt / sonder Zeit und Gelegenheit geben hat mich zu bessern / zubekehren / Ihn umb Verzeyhung zu bitten / und umb seine Gutthaten zudancken / beschriebe ich alles was mir noch eingefallen/in dieses Buch so ich von obgemelten Blättern gemacht / und legte es sambt obgedachten meines Cammeraden hinderlassenen Ducaten an diesen Orth / damit wann vielleicht über kurtz oder lang Leuth hieher kommen foltert / sie solches finden und darauß abnehmen tönten / wer etwan hiebevor diese Insul bewohnet; wird nun heut oder Morgen entweder vor oder nach meinem Todt jemand diß finden und lesen / denselben bitte ich / dafern er etwann Wörter darinn antrifft / die einem / der sich gern besserte / nit zureden geschweige zu­ schreiben wohl anstehen / er wolle sich darum nit ärgern; sondern gebenden / daß die Erzehlung leichter Händel und Geschichten auch bequeme Wort erfordern solche an Tag zugeben; und gleich wie die Maur-Rauth von keinem Regen leichtlich naß wird / also kan auch ein rechtschaffnes gott­ seliges Gemüth nicht so gleich von einem jebtoebem Diseurs, er scheine auch so leichtfertig als er wolle / angesteckt / ver­ giftet und verderbt werden; ein ehrlich gesinnter Christlicher Leser / wird sich vilmehr verwundern und die Göttliche 3 handthierte E34 s genwärtige E4 7 mit] ich CoE4 Prasilien E4 unterschiedliche E4 8 solch E4 n ordentliche E4 12 ich mich E4 16 solcher E4 18 bewahret E4 34 rechtschaffenes E4 36 auch so] auch Co ]fo E4

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Barmhertzigkeit preysen / wann er findet / daß so ein schlimer Gesell wie ich gewesen / dannoch die Gnad von GOtt gehabt / der Welt zu resignirn, und in einem solchen Standt zu[F 10]leben / darinnen er zur ewigen Glory zukommen / und die seelige Ewigkeit nechst dem heiligen Leyden deß Erlösers zu erlangen verhofft / durch ein seeligs ENTE.

Relation Jean Corneliffen von Harlem eines Holländischen Schiff-Capitains an German Schleiffheim von Sulsfort seinen guten Freund / vom Simplicißimo. Das XXIV. Capitel. weiß sich ohnzweiffel derselbe noch wol zuerinnern / was Massen ich bey unserer Abraiß versprochen / ihme die allergröste Raritet mitzubringen / die mir in gantz Jndia / oder aufs unserer Reiß zustahe; nun habe ich zwar etliche seltzame Meer- oder Erd-Gewächs gesamblet / damit der Herr wohl sein Kunst-Cammer zieren mag; aber was mich am allermehresten Verwunderungs und Aufhebens werth zuseyn beduncket / ist gegenwertiges Buch / welches ein hochteutscher Mann in einer Insul gleichsamb mitten im Meer allein wohnhafftig / wegen Mangel Papiers auß Palmblättern gemacht und seinen gantzen Lebens-Laufs darinn beschriben; wie mir aber solches Buch zuhanden kommen / auch was besagter Teutsche vor ein Mann sehe / und was er vor ein Leben führe / muß ich dem Herrn ein wenig außführlich erzehlen / ob er zwar selbst solches in gemeltem seinem Buche zimblicher Massen an Tag gegeben. Alß wir in den Molluccischen Jusulen unsere Ladung völlig bekommen/und unsern Laufs gegen [F 10 b] dem Capo bonae Efperanzae zunahmen / spürreten wir daß sich unsere Heim­ reise nicht beschleinigen todte / wie wir wol anfangs gehofft; dann die Winde mehrentheils contrari und so variabel 6 feeltged E4 i Carniliffen Co fel E4 16 zustehe E4 hab E4

Carneliffen E4 27

Buch E4

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13 ohne Aweifspornten C0E4

[105] 571 gt engen / daß wir lang umbgetriben und aufgehalten wurden; wessentwegen dann alle Schiff auß der Armada mercklich vil Stande bekamen; unser Admiral that ein Schuß / steckt eine Flacken auß und liesse also alle Capitains von der Flott aufs sein Schiff kommen / da wurde gerathschlagt und beschlossen / daß man such die Insul 8. Helena zuerlangen / und daselbsten die Stande zuerfrischen und anständiges Wetter zuerwarten; Item es foltert (wann die Armada villeicht durch Ungewitter dessen wir uns nit vergebens vorsahen / zertrennt würde) die erste Schiff so an bemelte Insul kamen / eine Zeit von 14. Tagen aufs die übrige warthen / welches dann wol außgesonnen und beschlossen worden; Massen es uns ergieng wie wir besorgt hatten / in dem durch einen Sturm die Flotte dergestalt zerstreut wurde / daß kein einiges Schiff bey dem andern verblibe; alß ich mich nun mit meinem anvertrauten Schiff allein befände / und zugleich mit widerwertigem Wind / Mangel an süssem Wasser und vielen Standen geplagt wurde / muste ich mich kümmerlich mit laviren behelfen / warmit ich aber wenig außrichtete / mehrbesagte Insul Helenae zuerlangen (von deren wir noch 400. Meilen zuseyn schätzten) es hette sich dann der Wind geändert. In solchem umbschweiffen und schlechten Zustand / in dem es sich mit den Standen ärgert / und ihrer täglich mehr wurden / sahen wir gegen Osten weit im Meer hinein unsers bedunckens einen ein£r[F ll]gen Felsen Iigen / dahin richteten toxi unseren Laufs der Hoffnung etwann ein Land der Enden anzutreffen / wiewol wir nichts dergleichen in unseren Mappen angezeigt fanden / so der Enden gelegen / da wir sich nun demselben Felsen auf der Mittnächtigen Seiten näherten / schätzten wir dem Ansehen nach daß es ein steinächtigs hohes unfruchtbares Gebürg seyn muste / welches so eintzig im Meer läge / daß auch an derselben Seiten zubesteigen oder daran anzuländen unmüglich schiene; doch empfanden wir am Geruch / daß wir nahe an einem guten Geländ seyn müsten / bemeltes Gebürg fasse und flöhe voller Vögel / und in dem wir dieselbe be­ trachteten / wurden wir auff den höchsten Gipffelen zweyer Creutz gewahr / daran wir wol abnehmen kondten / daß solche durch Menschliche Händ aufgerichtet worden / und dannenhero auff CoE4 3 einen Schluß E4 6 sich CoE4 Helena E4 vergeben E4 u zerstreuet E4 22 solchen E4 29 Mitternächti­ gen E4 36 Gipffeln E4 2

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das Gebürg wol zubesteigen wäre; derowegen schifften wir offt hinurnb und fanden auff der andern Seiten deß gemelten Gebürgs ein zwar kleines: aber solches lustiges Geländ / der­ gleichen ich mein Tage weder in Ost- noch West-Indien nicht gesehen; wir legten sich 10. Klafftet Liess auff den Stufet / in guten Sandgrund / und schickten einen Nachen mit 8. Mann zu Land / umbzusehen / ob daselbsten keine Erfrischung zube­ kommen. Diese kamen bald wider und brachten einen grossen Überfluß von allerhand Früchten / als Citronen / Pommerantzen / Coquos, Bonanes, Batates: und was uns zum höchsten erfreute / auch die Zeitung mit sich / das trefflich gut Trinckwasser auff der Insul zubekommen; Item / ob sie zwar einen Hochteutschen auff der Insul angetroffen / der [F11 b] allem ansehen nach sich schon lange Zeit alda befunden / so lauffe jedoch der Orth so voller Geflügel / die sich mit den Händen fangen lassen / daß sie den Nachen voll zubekommen und mit Stecken todt zuschlagen getraut hetten; von gemeltem Teut­ schen glaubten sie / daß er irgends auff einem Schiff ein Ubelthat begangen / und dannenhero zur Straff auff dise Insul gesetzt worden; welches wir dann auch barbot hielten; über das sagten sie vor gewiß / daß der Kerl nicht bey sich selbst: sonder ein purer Narr seyn muste / als von welchem sie keine eintzige richtige Red und Antwort haben mögen. Gleichwie nun durch diese Zeittung das gantze Schiff-Volck / insonderheit aber die Krancke hertzlich erfreut wurden / also verlangt auch jederman auffsLand / sich widerumb zuerquicken; ich schickte derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin / nit allein den Krancken ihre Gesundheit wider zuerhollen / sondern auch das Schiff mit frischem Wasser zuversehen / welches uns beydes noth war; also daß wir mehrentheils auff die Insul kamen; da fanden wir mehr ein Indisch Paradeiß als einen öden unbekandten Orth! ich vermerckte auch gleich / daß bemelter Teutsche kein solcher Thor seyn müste / viel weniger ein Vbelthäter / wie die unserige anfangs barbor gehalten; dann alle Bäum / die von Art eine glatte Rinden trugen / hatte er mit Biblischen und anderen schönen Sprüchen gezaichnet / seinen Christlichen Geist dardurch auffzumuntern / und das 4 meine E4 müste E4

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6 in fehlt CoE4 11 BatadeS E4 erfreuet E4 27 verlanget E4

23 pur lauterer E4

[107] 573 Gemüth zu GOTT zuerheben; wo aber keine gantze Sprüche stunden / da befanden sich wenigist die 4. Buchstaben der Über­ schrift Christi am Creutz / als INEI oder der Nahmen JESU und Mariae / [F12] als irgends nur ein Instrument deß Leydens Christi / darauß wir muthmasseten / daß er ohne zweiffel ein Papist seyn müste / weil uns alles so Päbstisch vorkam; da stund memento mori yuff Latein; dorten leschua Hanosrum Melech Haichudim aufs Hebreisch / an einem andern Ort dergleichen etwas aufs griechisch / teutsch / arabisch oder malaisch (welche Sprach durch gantz Indien gehet) zu keinem anderen Ende / als sich der Himmlischen Göttlichen Dinge dabey Christlich zuerinnern; wir fanden auch seines Cammerrathen Grabmal / davon dieser Teutsche selbst in seines Lebens Erzehlung Meldung thut / nicht weniger auch das dritte Creutz / welches sie beyde am Ufer deß Meers miteinander auffgerichtet / wessentwegen dann unser SchiffVolck den Ort (vornemblich weil sie gleichsamb an allen Baumen auch Creutz eingeschnitten funden) die Creutz Insul nannten; doch waren uns alle solche kurtze und sinnreiche Sprüch lauter rätherisch und dunckele Oracula, auß denen wir aber gleichwol abnehmen kondten / daß ihr Author kein Narr: sonder ein sinnreicher Poet: insonderheit aber ein Gottseeliger Christ seyn müste / der viel mit Betrachtung himmlischer Ding umbgehe; folgender Reum den wir auch in einem Baum eingeschnitten fanden / bedunckte unseren siegen Tröster / der mit mir herumb gierig / und viel auff schriebe was er fände / der vornembste zuseyn / vielleicht weil er ihm was neues war / er lautet also. Ach allerhöchstes Gut! du wohnest so im Finstern Liecht! Daß man vor Klarheit groß / den grossen Glantz kan sehen nicht. [F12 d]Dann er / der Siegen Tröster / welcher ein überauß gelehrter Mann war / sagte / so weit kombt ein Mensch auff dieser Welt und nicht höher / es wolle ihm dann Gott das Höchste Gut auß Gnaden mehr offenbaren. Indessen durchstriche meine gesunde Schiff-Bursch die gantze 2 wenigst E42 * 9 teutsch / fehlt E4 18 Bäumen E4 stunden CoE4 2? den vornembsten CoE4

n andern E4 is welche CoE4 umbgebe CoE4 Reim E4

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Insul / allerhand Erfrischung vor sich und die Krancke zusammen zubringen / und bemelden Teutschen zusuchen / den alle Principalen deß Schiffs zu sehen und mit ihme zu conferiren ein groß Verlangen trugen; sie traffen ihn dannoch nicht an / aber wol ein ungeheure Hole voller Wasser im Steinfelsen / darin sie schätzten daß er seyn müste / weil ein zimblicher änger Fußpfadt hinein gienge / in dieselbe kondte man aber wegen deß darin stehenden Wassers und grosser Finsternuß nicht kommen; und wann man gleich Fackeln und Pech-Ring anzündete / sich damit zubehelffen/und die Höle zu vifitiren / so löschte jedoch alles auß / ehe sie ein halben Stein-Wurfs weit hinein kamen mit welcher Arbeit sie viel Zeit umbsonst hinbrachten. Das XXV. Capitel. 9s23 mir nun unsere Leut von dieser ihrer vergeblicher Arbeit relation thäten / und ich selber hingehen wolte / den Ort zubesichtigen / und zusehen was etwan zuthun seyn möchte / damit wir den besagten Teutschen zur Hand bringen köndten; erregte sich nicht allein ein grausamer Erdbidem / das meine Leut vermeinten die gantze Insul würde all Augen­ blick untergehen / sonder ich wurde auch eyligst zum SchiffVolck beruffen / welche sich mehrentheils so viel deren auff dem Land wahren / in einem fast [G1] wunderlichen und'sehr sorgsamen Zustand befanden; dann da stund einer mit plosem Degen vor einem Baum / föchte mit demselbigen und gab vor / er hätte den allergrösten Risen zubestreiten; an einem andern Ort sahe einer mit fröligem Angesicht gen Himmel / und zeigte den andern vor eine gründliche Wahrheit an / er sehe GOtt und das gantze himmlische Heer / in der himmlischen Freud beysammen; hingegen sahe ein anderer auff den Erd­ boden / mit Forcht und Zittern / vorgebende / er sehe in vorsich habender schröcklichen Gruben den leitigen Teuffel sambt seinem Anhang; die wie in einem Abgrund herumb wim­ melten; ein anderer hatte ein Prügel und schlüge umb sich / daß ihm niemand nähern dorffte / und schrye doch / man solte ihm wider die viele Wölff helffen / die ihn zerreissen wollen / 20

Leut fehlt CoE4

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[109] 575 hie fasse einer aufs einem Wasser-Faß (als welche wir zu zurichten und zu füllen an Landt gebracht hatten) gab dem­ selben die Sporen und wolte es wie ein Pferdt tumlen; dort fischte einer aufs trucknem Land mit dem Angel / und zeigte den andern was ihm vor Fische anbeissen würden; in summa / da hiesse es wohl viel Köpff viel Sinn / dann ein jeder hatte seine sonderbare Anfechtung / welche sich mit deß andern im wenigsten nicht vergleicht; es kam einer zu mir geloffen / der sagte gantz ernstlich Herr Capitain ich bitte ihn doch umb hundert tausend GOttes Willen / er wolle Iustitiam admini­ striern / und mich vor den greulichen Kerlen beschützen! Als ich ihn nun fragte / wer ihn dann belaydigt hätte / antwortet er (und wise mit der Hand auff die übrige die eben so närrisch und verzollet in den Köpffen waren als er) diese Tyrannen wollen mich zwingen / [G 1 b] ich soll zwo Tonnen Höring: sechs westphälische Schüncken: und zwölff holländische Käß / sambt einer Tonnen Butter auff einmal auff fressen; Herr Capitain sagte er ferner / wie wolte das Ding seyn können? es ist ja unmüglich und ich müste ja erworgen oder zerbersten! mit solchen und dergleichen Grillen giengen sie umb / welches recht kurtzweilig gewesen wäre / dafern man nur gewiß hätte / daß es auch wider ein End nehmen: und ohne Schaden abgehen würde; aber was mich und die übrige so noch beym Verstand waren / anbelangt / wurde uns rechtschaffen Angst / vornemblichen weil wir dieser verrückten Leute je länger je mehr kriegten und selbsten nicht wüsten / wie lange wir vor solchem seltzsamen Zustand befreyt bleiben würden; Unser Siegen Tröster der ein sanfftmüthiger frommer Mann war / und etliche andere hielten darvor / der offt berührte Teutsche / den die unserige anfänglich auff der Insul angetroffen / müste ein heiliger Mann: und Gottes wohlgefälliger Diener und Freundt seyn; weßwegen wir dann / weil ihm die unserige mit Abhauung der Baum: Erösung der Früchten und Todtschlagung deß Geflügels seine Wohnung ruinirten / mit solcher Straff vom Himmel herab belegt würden; hingegen aber sagten andere officianten / er köndte auch wol ein Zauberer seyn / welcher uns durch seine Künste mit Erdbidtmen und solcher Wohnwitzigkeit plage / umb 4 drucknem E4 5 Fisch E4 9 um so E4 15 Häring E4 ie Schincken E4 19 zerbörsten E4 21 befreyet E4 32 Freunde C0E4 33 Bäum E4 34 Feuchten C0E4

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uns widerumb desto ehender von der Insul zubringen / oder uns gar darauff zuverderben; es wäre am besten sagten sie / daß man ihn gefangen kriegt / und zwinge / den unseligen wider zum Verstand zuhelffen; in solchem Zwyspalt behaubte jedes theil seine [G2] Meinung / die mich beyde ängstigten; dann ich gedachte / ist er ein Freundt GOttes / und diese Straff uns feinet halben zukommen / so wird ihn auch Gott wohl vor uns beschützen; ist er aber ein Zauberer / und kan solche Sachen verrichten die wir vor Augen sehen und in den Leibern empfinden / so wird er ohne zweiffel noch mehr können / daß wir ihn nicht erhaschen mögen; und wer weiß! vielleicht stehet er unsichtbar unter uns? endlich beschlossen wir ihne zusuchen und in unseren Gewalt zubringen / es geschehe gleich mit Güte oder Gewalt; giengen demnach wider mit Fackelen / Bech-Kräntzen / und Liechtern in Laternen in obgenannte Höle / es gierig uns aber wider wie es zuvor den andern er­ gangen war / daß wir nemblich kein Liecht hinein bringen: und also auch selbst vor Wasser / Finsternuß und scharpffen Felsen nicht fürders kommen kondten / ob wir zwar solches offt Probirten; da fienge ein theil an auß uns / zubetten / das andere aber vielmehr zuschweren / und wüsten wir nicht / was wir zu diesen unsern Aengsten thun oder lassen sollen; Da wir nun so in der finsteren Hölen stunden / und wüsten nicht wo auß noch ein / Massen jeder nichts anders thät / als daß er lamentirte / hörten wir noch weit von uns den Teutschen uns folgender Gestalt auß der finstern Höle zuschreyen! ihr Herrn: sagte er / was bemühet ihr euch umbsonst zu mir oder sonst herein zukommen / sehet ihr dann nicht daß es ein pure Unmüglichkeit ist? wann ihr euch mit denen Erfrischungen die euch GOtt aufs dem Land bescheret / nicht vergnügen lassen: sonder an mir / einem nackenden armen Mann / der nichts als das Leben hat / reich werden wollet / so [G 2 b] versichere ich euch / daß ihr leer Stro treschet; darumb bitte ich euch umb Christi unsers Erlösers Willen / last ab von eurem Beginnen / geniesset gleichwohl die Früchte deß Landts zu eurer Er­ frischung / und last mich in dieser meiner Sicherheit / dahin mich euere beynahe tyrannische und sonst betrohenliche Reden 18 schärften E4 22 unseren E4 27 Gestalt; C0E4 finsteren E4 28 sagt E4 33 hat; C0E4 34 dreschet E4 36 Landes E4 euerer E4 38 euerer E4 bedrohenliche E4

[111] 577 (die ich gester in meiner Hütten vernehmen müssen) zu fliehen verursacht / mit frieden / ehe ihr (da der liebe GOtt vor seyn wolle) darüber in Unglück kombt; da war nun guter Rath theuer; aber unser Siechentröster schrye ihm hinwider zu und sagte / hat euch gester jemand molestirt, so ists uns von Grund unsers Hertzens leyd / es ist vom grobem Schiff-Volck geschehen / das von keiner Discretion nichts weiß; wir kommen nicht euch zu plündern noch Beut zu machen / sonder nur umb Rath zubitten / wie den Unserigen wider zuhelffen sey / die mehrentheils auff dieser Insul ihre Sinne verlohren; ohne das wir auch gern mit euch als einen Christen und Landsman reden: euch dem letzten Gebott unsers Erlösers gemeß / alle Lieb / Ehr / Treu und Freundtschafft er Wissen: und wanns euch beliebt / wider mit uns in euer Vatterland heimführen möchten; Hierauff kriegten wir zur Antwort / er hätte gester zwar wohl vernommen / wie wir gegen ihm gesinnet wären; doch wolt er dem Gesetz unsers Heylands zu folg böses mit gutem bezahlen / und uns nicht verhalten wie den unserigen wieder von ihrer Unsinnigen Wahnwitz zuhelffen seye; wir sollen / sagte er / die jenigen so mit solchem Zustand behafftet wären / nur von den Pflaumen darin sie ihren Verstand verfressen / die Kernen essen lassen / [G 3] so würde es sich mit allen in einem Augenblick wider bessern / welches wir ohne seinen Rath an den Pfersigen hätten abnehmen sollen / als an welchen die hitzige Kern / wann man sie mit geniesse / die schädliche Kälte deß Pfersigs selbst hindertreibe; dafern wir auch vielleicht die Bäum so solche Pflaumen trugen nicht kennen würden / so sollen wir nur Achtung geben / an welchem geschrieben stunde / Verwunder dich über meine Natur / Ich mach es wie Circe die Zaubrisch Hur. Durch diese Antwort und deß Teutschen erste Red kondten wir uns wohl versichert halten / daß er von den unserigen / so wir erstmals auff die Insul gesandt / erschreckt: und ge­ mässigt worden / in diese Höle sich zu retiriten; item daß er ein Kerl von rechtschaffnen teutschen Gemüth seyn mäste / weil er uns/ohnangesehen er von den unserigen molestirt worden / i gestern E4i * * 4 ihn E4 ö gestern E4 6 groben E4 ie gestern E4 wolte E4 18 Heilandes E4 24 einen E4 welche C0E4 27 hin­ dertriebe E4 vielleicht fehlt E4 die] der E4 31 Zauberisch E4 36 rechtschaffenen E4 17

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nichts destoweniger anzeigte / durch was die unserige ihre Sinne verlohren und wordurch sie wider zurecht gebracht werden möchten; da bedachten wir ererst mit höchster Reu / was vor böse Gedancken und falsches Urthel wir von ihm gefast / und dessentwegen zu billicher Straff in diese gefährliche finstere Höle gerathen wären; auß welcher ohne Liecht zu kommen unmüglich zu seyn schiene / weil wir uns viel zu weit hinein vertiefst hatten; derowegen erhub unser Siechentröster seine Stimm wiederumb gantz erbärmlich und sagte / ach redtlicher Landsman! die jenige so euch gester mit ihren unge­ schliffenen Reden beleydigt haben / seynd grobe: und zwar die ungeschliffneste Leut von unseren Schiffe gewesen; hin­ gegen stehet jetzt hier der Capitain sambt den vornembsten Officirn euch wi-[0 3 d]derumb umb Verzeihung zubitten / euch freundlich zubegrüssen und zu tractirn auch mit zutheilen was etwan in unserem Vermögen befindlich und euch dienlich seyn möchte; ja wann ihr selber wölt / euch widerumb auß dieser vertrüßlichen Einsambkeit mit uns in Europam zu­ nehmen; aber es wurde uns zur Antwort / er bedanckte sich zwar deß guten Anerbietens sehe aber gantz nicht bedacht / etwas von unseren Offerten anzunehmen; dann gleich wie er vermittelst Göttlicher Gnaden nunmehr über fünffzehen Jahrlang mit höchster Vergnügung aller Menschlichen Hilff und Beywohnung an diesem Ort entbären können / also begere er auch noch nicht wider in Europam zu kehren / umb so thörechter Weiß seinen jetzigen Vergnügsamen Stand durch eine so weite und gefährliche Reise in ein unruhiges jmmerwehrendes Ellend zuverwechslen.

Das XXVI. Capitel. 3o

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A>Ach Vernehmung dieser Meinung wäre uns der Teutsche zwar wol gesessen gewesen / wann wir nur wider auß seiner Hölen hätten kommen können; aber solches war uns unmüglich; dann gleich wie wirs ohne Liecht nicht vermochten / also dorfften wir auch auff keine Hilff von den Unserigen hoffen / welche auff der Insul in ihrer Dollerey noch herumb raseten. Derowegen stunden wir in grossen Aengsten / und Sinn E2 4 * 3 erst E4 io gestern E4 12 unserm E4 verdrießlichen E4 21 unsern E4 22 fünffzehen E4 26 thörichter E4 vergnugsamen E4 32 war fehlt Co

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[113] 579 suchten die allerbeste Wort Herfür / den Teutschen zu persuadirn, daß er uns auß der Hölen helffen solte / welche er aber alle nichts achtete / biß wir endlich (nach dem wir ihm unseren und der unserigen Zustand gar beweglich zu Gemüth geführt / er auch selbst ermasse / daß kein theil dem andern von [G 4] uns ohne seinen Beystand nicht helffen würde können) vor GOtt dem Allmächtigen protestirten / daß er uns auß Hartnäckigkeit sterben und Verderben liefe / und daß er dessentwegen am jüngsten Gericht würde Rechenschafst geben müssen; mit dem Anhang / wolte er uns nicht lebendig auß der Hölen helffen / so müste er uns doch endlich wann wir darin verdorben und gestorben wären / tobt herauß schleppen; wie er dann auch besorglich aufs der Insul Todte genug finden würde / die ewig Rach über ihn zuschreyen Ursach hätten / umb willen er ihnen nicht zuhilffe kommen / ehe sie einander vielleicht / wie zu fürchten / in ihrem unsinnigen Zustand selbsten entleibten; durch diß Zusprechen erlangten wir endlich / daß er versprach uns auß der Hölen zuführen jedoch musten wir ihm zuvor folgende fünff Puncten / wahr / statt / vest und unzerbrüchlichen zuhalten / bey Christlicher Treu und Altteutschem Bidermanns Glauben versprechen. Erstlich daß wir die jenige so wir anfänglich auff die Insul gesändet / wegen dessen damit sie sich gegen ihm vergrieffen / weder mit Worten noch Wercken nicht straffen solten; zweytens daß hingegen auch vergessen todt und ab seyn solte / daß er / der Teutsche / sich vor uns verborgen / und so lange nicht in unser Bitten und Begehren verwilligen wollen; drittens daß wir ihn als eine freye Person die niemand unterworffen / wider seinen Willen nicht müssigen wolten / mit uns wiederumb in Europam zuschiffen / vierdtens daß wir keinen auß den Unserigen auff der Insul hinderlassen wolten / und fünfftens daß wir niemanden weder schrifft: noch münd-[G 4 d]lich vielweniger durch eine Mappa kundt: oder offenbar machen wolten / wo und unter welchem Gradu diese Insul gelegen; nach dem wir nun solches zuhalten betheuert / liesse er sich gleich mit vielen Liechtern sehen / welche auß den Finstern wie die helle Stern hervor gläntzten / wir sahen wol daß es kein Feur war / weil ihm Haar und Bart voll hinge / welches 11 verberben C0E4 15 zuhilffe] zu Hülffe E4 17 versprach unö] uns versprach C0E4 19 unzerbrechlichen E4 21 versprachen C0E4 24 zweyten C0E4 21 Betten E4 Begehrten E4 31 hin­ terlassen E4 35 zuhalten fehlt E4 betheueret E4

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aufs solchen Fall verbrennt wäre; hielten es derowegen vor eytel Carfunckelstein / die wie man sagt / im Finstern leuchten sollen; da stiege er einen Felssen aufs den andern ab / und muste auch an etlichen Orten durchs Wasser Watten / also daß er durch seltzsame ©timte und Umbweg (welche uns unmüglich zufinden gewest wären / wann wir gleich wie er mit solchen Liechtern versehen gewest wären) sich gegen uns nähern muste; es sahe alles mehr einem Traum: als einer wahren Geschichte: der Teutsche selbst aber mehr einem Gespenst: als einem wahrhafftigen Menschen gleich; also daß sich etliche einbildeten / wir wären auch gleich unseren Leuten aufs der Insul mit einer aberwitzigen Wahnsucht behafftet. Als er nun nach einer halben Stund (dann so lange Zeit muste er mit aufs und absteigen zubringen / ehe er zu uns kommen konte) bey uns anlangte / gab er jedem nach teutschen Gebrauch die Hand / hiesse uns freundlich willkommen / und batt wir wollen ihm verzeihen / daß er auß Mißtrauen so lang verzogen hätte / uns wider an Tages-Licht zubringen; reichte darauff jedem eins von seinen Lichtern / welches aber keine Edelgestein: sonder schwache Keffer waren in der grosse als die schrotet [G 5] in Teutschland / dise hatten unten am Hals einen weissen Flecken so groß als ein Pfenning / der leuchtete in der finstere vil heller als ein Kertze / Massen wir durch dise wunderbarliche Lichter mit unserm Teutschen wider glücklich auß der grausammen Höllen kamen. Diser war ein langer starcker wol proportionirter Mann mit geraden Glidern / Lebhaffter schöner Färb / Corallen rothe Lefftzen / lieblichen schwachen Augen / sehr Heller Stimm / und einem langen schwachen Haar und Bart hie und da mit sehr wenigen grauen Haaren besprengt / die Haubthaar hiengen ihm biß über die Hüsfte / und der Bart biß über den Nabel hinunter; umb die Scham hatte er einen Schuch von BalmBlättern und aufs dem Haupt einen breiten Hut auß Bintzen geflochten / und mit einem Gummi überzogen / der ihn wie ein Parasol / beydes vor Regen und Sonnenschein beschützen konte; und im übrigen sahe er beynahe auß / wie die Papisten ihren Sanctum Onoffrium abzumahlen pflegen; er wolte in der Höllen mit uns nit reden / aber so bald er herauß kam / roabenE4 15 tommen fehlte 22 ber] ba Co ]bte E4 leuch­ teten E4 25 tarnen / Co 31 ihn E4 Hiffte E4 33 Hut hatte C0E4 35 Parasol] Tyrisol C0E4 38 herauf E4

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[115] 581 sagte er uns die Vrsach / nemblich das sie dise Art an sich: wann man darinn ein groß Getöß hätte / daß alsdann die gantze Insul daruon erschittere / und einen solchen Erdbidem erzaige / daß die jenige so darauff seyen/ vermeinen sie würde untergehen/ so er bey Lebzeiten seines Cammeraden vil mal probirt hätte / s welches uns erinnerte an das jenige Loch in der Erden ohnweit der Statt Vieburg in Finnland / darvon Johann Raun in seiner Colmographia am 22. Cap. schreibet; er verwise [G 5 b] uns darneben daß wir sich so frevenlich hinein begeben / und erzehlte zugleich daß er und sein Cammerad wol ein gantz io Jahr zugebracht / ehe sie sich deß Weegs hinein erkundigt / welches ihnen aber gleich wol ohne gedachte Seffent / weil sonst alle Feur darin außlöschen / in vilen Jahren nimmermehr müglich gewesen wäre; mithin näherten wir sich zu seiner Hitten / die hatten die unserige Ipolirt und allerdings ruinirt / i s welches mich hefftig vertröste / er aber sahe sie kaltsinnig an / und thät nicht dergleichen / das ihm ein Layd dardurch wider­ fahren wäre; doch tröstet er mich / mit Entschuldigung / daß solches wider mein Willen und Befelch geschehen / GOtt geb auß was Verhängnus oder Befelch / villeicht ihm zuerkennen 20 zugeben / wieweit er sich der Gegenwart und Beywohnung der Menschen / vornemblich aber der Christen und zwar seiner Lnropsischen Landsleut zuersreyen; die beyde so die Zerstöhrer seiner armen Wohnung gemacht hätten / würde über dreyßig Ducaten in specie nit seyn / die er ihnen gern gönne / 2s hingegen wäre der gröste Verlust / den er erlitten / ein Buch das er mit grosser Mühe von seinem gantzen Lebens Laufs: und wie er in dise Insul kommen / beschrieben; doch fönte ers auch leicht verschmirtzen / weil er ein anders verfertigen fönte / wann wir ihm anders die Palm-Bäum nit alle abhauen: 30 und ihm selbst das Leben lassen würden; darauff erinnerte er selbst zueilen / damit wir denen so ihre Vernunfft in den Pflaumen verfressen hatten / fein zeitlich wider zuhilff kommen möchten. Also gelangten wir zu angeregten Baumen [G 6] darbey die 35 unserige beydes krancke und gesunde ihr Läger ausgerichtet; da sahe man nun ein wunderbarlichs abentheurlichs Wesen; kein eintziger unter allen war noch bey Sinnen; die jenige 3 erschütterte E34 einem E4 4 seyn E4 würden E4 7 richtig: Rau Hier vielleicht falscher Dativ. 9 freventlich E4 15 Hütten E4 16 verdrösse E4 is er mich] ich ihn C0E4 22 aber] eherE4 23 zu erfreuen E4 beyde für: beude 29 verschmertzen E4 30 wir] man E4 33 zu Hülst E4 35 Bäumen E4 37 wunderbarlicheö abentheurlicheö E4

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aber so ihr Vernunfft noch hatten / waren zerstoben und von den verrückten entweder aufs das Schiff oder sonsten hin in die Insul geflohen; der erste der uns auffstiesse / war ein Büchsen­ meister / der kröche aufs allen vieren daher / krächstete wie ein Sau / und sagte immerfort / Maltz / Maltz; der Meinung weil er sich einbildete / er wäre zu einer Sau worden / wir sotten ihm Maltz zufressen geben; derohalben gäbe ich ihm auß Rath deß hochteutschen ein Par Kern von denen Pflaumen / darin sie alle ihre Witz verfressen / mit versprechen / wann er solche gessen haben würde / daß solche zusich genommen / also das sie kaum warm bey ihm worden / richtet er sich wider aufs und fieng an vernünfftig zureden; und solcher Gestalt brachten wir alle ehender als in einer Stund wider zurecht / da kan sich nun jeder wol einbilden / wie hoch mich solches erfreute / und was Gestalten ich mich obgedachten Hochteutschen verbunden zu seyn erkennete / seintemal wir ohne sein Hilff und Rath mit allem Bolck sambt dem Schiff und Güttern ohn allen Zweiffel hätten verderben müssen;

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