Geographische Studien: Festschrift Johann Solch zur Vollendung des Fünfundsechzigsten Lebensjahres [Reprint 2020 ed.] 9783112319055, 9783112307786


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German Pages 224 [252] Year 1951

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Table of contents :
Hochverehrter Herr Professor!
Inhaltsverzeichnis
Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran
Die Raxlandschaft in den östlichen Gailtaler Alpen
Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge
Karsterscheinungen in den peruanischen Anden
Erlauf, ötscher und Salza
Venedig
Dresden im Wandel der Zeiten
Beobachtungen über Talformen und Glazialbildungen im Einzugsgebiet des Po
Glaziäre Erscheinungen im Gebiete der Côtes lorraines und der Woëvre
Die Großformung im oberen steirischen Murgebiet
Die Transporterleichterung
Die Einteilung der Ostalpen in Berggruppen und Talschaften
Tatsachen und Gedanken zur Klimatypenlehre
Zur Morphogenese der Gesäuseberge
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Geographische Studien: Festschrift Johann Solch zur Vollendung des Fünfundsechzigsten Lebensjahres [Reprint 2020 ed.]
 9783112319055, 9783112307786

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GEOGRAPHISCHE

STUDIEN

FESTSCHRIFT JOHANN SÖLCH ZUR VOLLENDUNG DES 65. LEBENSJAHRES

GEOGRAPHISCHE STUDIEN

FESTSCHRIFT ZUR VOLLENDUNG DES FÜNFUNDSECHZIGSTEN LEBENSJAHRES VON

PROF. DR. JOHANN SOLCH ÜBERREICHT VON SEINEN SCHÜLERN, FREUNDEN UND MITARBEITERN.

HERAUSGEBER

GEOGRAPHISCHE GESELLSCHAFT

GEOGRAPHISCHES INSTITUT

IN WIEN

DER UNIVERSITÄT WIEN

W I E N 1951

In meinem Namen und im Namen meines Institutes sende ich Ihnen

Herr Professor Johann S o l c h die herzlichsten Gratulationen und Glückwünsche zu Ihrem fünfundsechzigsten Geburtstag. Wir sprechen unsere Würdigung und Bewunderung aus für Ihre großen Anteile auf dem Forschungsgebiet der Geographie, für die Energie und den Erfolg, mit dem Sie ihre wichtigen Aufgaben verrichtet haben, auch in schweren und prüfenden Zeiten. Wir wünschen Ihnen eine fortfahrende erfolgreiche Wirksamkeit in dem internationalen Dienst der Wissenschaft.

Hans W;on A h l m a n n , Stockholm, im Oktober 1948.

Vorstand des geographischen Institutes der Universität Stockholm.

Hochverehrter Herr Professor! Ihren Freunden und Schülern war es ein aufrichtiges Bedürfnis, Ihnen zum 65, Geburtstage, am 16. Oktober 1948, ihre Dankbarkeit und Verehrung zu bezeugen. Aus diesem Anlaß wurde Ihnen mit unseren herzlichsten Glückwünschen eine Sammlung von Manuskripten überreicht, deren Themen wohl vorwiegend physiogeographische Fragen behandeln, jedoch im ganzen dem Gesamtgebiet der Geographie entstammen. Aus der inhaltlichen Vielfalt der zum vorliegenden Bande vereinigten Festgabe ersehen wir ein getreues Spiegelbild zu Ihrem bisherigen Lebenswerk, das nahezu alle Zweige unserer Wissenschaft umfaßt und durch die im Erscheinen begriffene Länderkunde der Britischen Inseln eine vorläufige Krönung erfahren wird. Aus zeitbedingten Gründen konnte die Drucklegung der Manuskripte erst im Jahre 1950 erfolgen. Sie wurde ermöglicht durch eine Subvention, welche der Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs zur Verfügung stellte. Die Firma M. Salzers Söhne in Wien stiftete das notwendige Papier. Einen weiteren Druckkostenbeitrag gewährte das Bundesministerium f ü r Unterricht, wo Herr Sektionsrat Dr. W. S t u r m i n g e r unseren Wünschen stets ein freundliches Gehör geschenkt hat. Hierfür sei den Genannten der ergebenste Dank ausgesprochen. Die gebotene Beschränkung des Umfanges machte es leider unmöglich, alle zu Worte kommen zu lassen, welche gerne zu dieser Festschrift einen Beitrag geliefert hätten. Die Arbeit von H. H a s s i n g e r „Österreichs Wesen und Schicksal im Spiegel seiner geographischen Lage", ist inzwischen in den Wiener Geographischen Studien erschienen. Pd. Dr. Konrad W i c h e .

Herausgegeben und verlegt von der Geographischen Gesellschaft in Wien und dem Geographischen Institut der Universität Wien. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Austria. Druck von Ferdinand Berger, Horn, Niederösterreich.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in B o b e k, Wien

Iran. Von Prof.

Dr.

Hans 9

Die Raxlandschaft in den östlichen Gailtaler Alpen. Von Dr. Elisabeth C z e r m a k , Wien

31

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge. Von Prof. Dr. Gustav G ö t z i n g e r , Wien

36

Karsterscheinungen in den peruanischen Anden. Von Prof. Dr. Hans K i n z 1, Innsbruck

52

Erlauf, ötscher und Salza. Von Hon.-Doz. Dr. Hans K 1 i m p t, Wien

.

69

Venedig. Stadt und Hafen seit dem Ende der Markusrepublik. Von Dr. Josef Matznetter,

Wien

77

Dresden im Wandel der Zeiten. Von Prof. Dr. Ernst N e e f , Dresden

95

Beobachtungen über Talformen im Einzugsgebiet des Po. Von Prof. Dr. Fritz und N u ßGlazialbildungen b a u m , Bern

114

Glaziäre Erscheinungen im Gebiete der Cotes lorraines und der Woevre. Von Prof. Dr. Heinrich S c h m i t t h e n n e r , Marburg . . •

120

Die Großformung im oberen steirischen Murgebiet. Von Prof. Dr. Hans S p r e i t z e r , Graz .

132

Die Transporterleichterung. Ein Beitrag zur Therorie der Erosion. Von Pd. Dr. Gustav S t r a t i l - S a u e r , Wien . . . . . .146 Die Einteilung der Ostalpen in Berggruppen und Talschaften. Dr. Walter S t r z y g o w s k i , Wien .

Von

Tatsachen und Gedanken zur Klimatypenlehre. T r o l l , Bonn

Carl

Von Prof. Dr.

167

Zur Morphogenese der Gesäuseberge. Von Pd. Dr. Konrad W i c h e , Wien

184 203

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran. Von Hans Bobek. Mit 4 Tafeln. Die Lage des iranischen Hochlandes, quer über den ganzen altweltlichen Trockengürtel hinweg, bringt es mit sich, daß die iranische Landwirtschaft vorzüglich mit ariden und semiariden Klimaverhältnissen rechnen muß. Sie ist daher in der Hauptsache eine Bewässerungswirtschaft, wobei ihr zugute kommt, daß zahlreiche hohe und ausgedehnte Gebirgszüge als Niederschlagssammler dienen, die von ihrem Reichtum durch ausdauernde oder periodische Wasserläufe und Grundwasserströme an die Umgebung abgeben können. Man muß gestehen, daß der persische Bauer aus der E r f a h r u n g vieler Jahrhunderte gelernt hat, mit der knappen Gottesgabe Wasser sparsam umzugehen, sie selbst dort noch aufzuspüren und zu fassen, wo sie scheinbar schon endgültig von der Bildfläche verschwunden ist, um sie in kunstvollen, mühsam angelegten und unterhaltenen unterirdischen Leitungen (Kariz, Kanat) ans Tageslicht der Wüste zu bringen und aus den bescheidenen Wasserfäden kleine Paradiese der Fruchtbarkeit in die Ödnis zu zaubern. Es war, wie angesichts mancher Fehlurteile betont werden muß, nicht die Schuld dieser Bauern, die nicht weniger fleißig und hingebungsvoll sind als andere Diener der Erde, sondern der o f t trostlosen politischen Verhältnisse und einer korrupten Verwaltung, wenn viele bewunderungswürdige Wasserbauten vergangener Generationen immer wieder verfielen und so noch heute alljährlich kostbares Wasser nutzlos im Wüstensand versickert oder die Kawire speist. Nur südlich des Kaspischen Meeres besitzt Persien Landstriche, in denen eine „Feuchtlandwirtschaft" (im Sinne C h r i s t i a n s e n - W e n i g e r's) 1 ) möglich ist. Es ist das Verdienst der ganzjährig vorherrschenden Nordwinde, daß von den rund 470 Milliarden Kubikmetern jährlichen Verdunstungswassers des Kaspischen Meeres ein Großteil dem persischen U f e r zugute kommt. Hier fallen Niederschläge von 800—1500, im Gebirge wohl bis über 2000 mm. Hier besteht teilweise das Problem übergroßer Feuchtigkeit, die z. B. in Gilan den Getreidebau f a s t ganz ausschließt. Hier ist Wasserzulauf genug vorhanden, um den nassen Reisbau in großem Stile zu betreiben, während alle übrigen Feld- und Baumfrüchte mit dem übers ganze J a h r verteilten Regen auskommen 2 ). Darüber hinaus gibt es aber auch im Hochland und an dessen anderen Abfällen breite Gebiete, in denen der Niederschlag des feuchten Halbjahrs (Winter 1 ) F. C h r i s t i a n s e n - W e n i g e r : Die Grundlagen, des türkischen Ackerbaus. Leipzig 1934, S. 161. 2 ) H. B o b e k : Die Landschaftsgestaltung des südka^pischen Küstentieflands. Festschrift f. Norbert Krebs, S t u t t g a r t 1936. (Hier weitere Literatur.)

Hans Bobek.

10

und Frühling) f ü r den Anbau hauptsächlich von Getreide 8 ), gelegentlich auch einiger weniger anderer Früchte wie z. B. Mohn oder Erbsen ausreicht. Dieser Anbau hat mit der Trockenheit des Sommerhalbjahrs, die bald früher, bald später einsetzt, und mit den großen Schwankungen in der Menge der Niederschläge zu kämpfen. E r muß diese Unsicherheiten, die das Ernteergebnis natürlich stark beeinflussen, entweder auf sich nehmen oder sie mit geeigneten Maßnahmen zu verringern trachten. Man kann daher diese Art Anbau als „Trockenlandwirtschaft" der eben erwähnten Feuchtlandwirtschaft gegenüberstellen, während beide zusammen als Regenfeldbau (persisch „Deimi") im gemeinsamen Gegensatz zum Bewässerungsbau („Äbi") stehen. Dieser Gegensatz bedeutet aber, wie schon am Beispiel des kaspischen Küstenlands erwähnt, durchaus nicht gegenseitige räumliche Ausschließung. Wenn man schon im Bereich der kaspischen Feuchtlandwirtschaft künstliche Bewässerung f ü r eine bestimmte Spezialkultur (Reis) heranzieht, so ist dies noch viel stärker im Rahmen der Trockenlandwirtschaft der Fall. Hier mangelt es niemals an Quellen, mindestens periodisch fließenden Wasserläufen oder Grundwasservorräten, die dazu verwendet werden können, und man bedient sich ihrer gerne, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen. Dazu gehört z. B. die Unlust oder Unfähigkeit einer nomadischen Bevölkerung oder die Behinderung durch eine solche. Mit Hilfe der Bewässerung kann man vor allem den E r t r a g vor den Launen der Witterung sichern; darüber hinaus aber auch ausgesprochene Sommerfrüchte anbauen, die sonst der Trockenheit wegen ausgeschlossen wären. So t r i f f t man in solchen Gebieten meist eine Zweiteilung der Feldflur in einen bewässerten und einen unbewässerten Teil; im ersteren werden die anspruchsvolleren Gewächse, im letzteren vor allem das Getreide gebaut. Je weiter gegen die Wüste man vorrückt, desto mehr treten natürlich die Trockenfelder in ihrer Ausdehnung und Bedeutung zurück. Man kann sagen, daß der Trockenfeldbau — von den natürlichen Waldgebieten abgesehen — soweit möglich ist, als die eigentliche Steppe herrscht und dort endet, wo deren 3

) Weicher Weizen (Triticum vulgare) in zahlreichen Variationen, die immer in vielfältigen Gemengen auftreten; Hartweizen (Tr. durum) ist selten und anscheinend immer bewässert; Emmer (Tr. dicoccum) wird in Ostpersien gelegentlich und anscheinend nur bewässert angebaut. Der Same soll aber aus Kurdistan dahin gebracht worden sein, wo er alteinheimisch ist und in Wildformen vorkommt. Ferner Gerste (Hordeum distichum und polystichum in verschiedenen Variationen). Roggen (Seeale cereale) wird in Azerbeidschan vermutlich auch im Trockenfeld gebaut, so wie dies in Ostanatolien der Fall ist, wo er auch als Wildform vorkommt, während er in Ostpersien stets nur in bewässerten Weizenfeldern als Verunreinigung auftritt und oft die Hälfte des Bestandes ausmacht. (Vgl. C h r i s t i a n s e n - W e n i g e r : Bericht über eine Studienreise durch das ostanatolische Hochland. Z. f. Züchtung. Reihe A, XVIII 1933, S. 101 f.; E. G. ö e r n j a k o v s k a j a : Khorassan und Sistan. Bull, of Applied B o t a n y . . . Leningrad 1931 [Russisch] S. 113 f f . ; B. G i l l i a t h S m i t h and W. B: T u r r i l l : A contribution to our knowledge of the Flora of Azerbaïdjan. Bull, of Mise. Information, Kew 1930, No. 7, S. 288.)

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

11

Grenze (im Sinne G r a d m a n n s) 4 ) überschritten ist. Angesichts der Schwierigkeit, diese Grenze zu bestimmen, kann man auch den Spieß umdrehen und die „Steppe" soweit reichen lassen, als noch Trockenfeldbau möglich ist' oder, im Sinne J a e g e r s, die Wüste als „Gebiet unmöglichen Regenfeldbaus" definieren 5 ) . In der Türkei kommt der Trockenlandwirtschaft hervorragende Bedeutung zu. Besitzt sie doch nicht nur große natürliche Waldgebiete und — entgegen vielfachen früheren Anschauungen — überhaupt keine echte, klimatische Wüste innerhalb ihrer Grenzen. Trockenfelder rücken, wie ich mich selbst bei Flügen über das innere Hochland überzeugen konnte, bis an den Rand der versalzten Pfanne des Tuzgöl vor. Anders in Persien. Zwar sind auch hier die natürlichen Waldgebiete erheblich größer, als man nach den heute noch vorhandenen Resten annehmen möchte, wobei es sich vor allem um Trockenwälder handelte 6 ). Aber die wüstenhaften Flächen sind ungeheuer ausgedehnt. Sie nehmen insgesamt zweifellos mehr Raum ein als ursprünglicher Wald und Steppe 7 ) zusammengenommen. Dazu kommt noch die gegenüber der Türkei erheblich gesteigerte Schwankungsbreite der jährlichen Niederschlagsmengen. Sie beträgt z. B. in Tabriz (7 Jahre) 70 vH., in Teheran (27 J . ) 77 vH., in Meschhed (16 J . ) und Isfahän (27 J . ) 81 vH., in Jask (28 J . ) 98 vH. und in Buschir (45 J . ) 100 vH. Im letzten Fall bewegen sich z. B. die festgestellten Jahreswerte zwischen 676 mm (1894) und 0 mm (1877) 8 ). Schon diese natürlichen Momente drängen den Trockenfeldbau in eine sekundäre Rolle neben dem Bewässerungsanbau. Dazu kommen aber noch gesellschaftliche Momente. Bis heute nimmt das Nomadentum in Iran breite Flächen gerade in den steppenhaften Gegenden sowie im natürlichen Waldgebiet als Weideland in Anspruch. Wenn auch die Seßhaftwerdung und damit der Feldbau beträchtliche Fortschritte gemacht hat, so wird doch dadurch der verfügbare Raum noch sehr erheblich eingeschränkt. Weite Teile Irans sind ferner so dünn besiedelt, daß mit dem bewässerten Feld leicht das Auslangen gefunden werden kann. In solchen Gebieten greift man auf den immer prekären Trockenfeldbau oft gar hicht zurück, trotzdem er an sich möglich wäre. Nach alledem kann ihm in Iran keinesfalls eine überragende Bedeutung zuerkannt werden. Es sind nur wenige Gegenden, in denen ihm die erste Stelle zukommt, überall sonst spielt er nur eine ergänzende und zusätzliche Rolle. In 4 ) R. G r a d m a n n : Die Steppen des Morgenlandes. Geogr. Abhandlungen III. Reihe, Heft 6, Stuttgart 1934. 5 ) F. J a e g e r : Trockengrenzen in Algerien. Peterm. Mitteil., Erg.-Heft 223. 1936. 6 ) H. B o b e k : Die natürlichen Wälder und Baumsteppen Irans. 1950. (Noch unpubliziert.) 7 ) Die iranische Steppe war von Natur aus, soweit Berggelände unterhalb der Baumgrenze in Frage kommt, eine Baum- und Strauchsteppe. 8 ) Für Tabriz: H. R i e b e n : Contribution à la Géologie de l'Azerbeidjan Persan. Thèse Univ. Neuchatel. Bull. Soc. Neuchateloise des Sciences naturelles, t. 59, 1934, S. 140. Die übrigen nach H. H. C l a y t o n : World Weather Records. Washington 1927.

12

Hans Bobek.

guten J a h r e n k a n n er freilich den Gesamtgetreideertrag des Landes beträchtlich heben, in schlechten stark abfallen lassen, wie z. B. aus den folgenden Gesamte r t r a g s z i f f e r n f ü r Weizen hervorgeht: 1936: 2,16 Millionen t, 1937: 1,4 Mill. t. Im ganzen sind die Gebiete, in denen er stärker vertreten ist — das ist vor allem der Nordwesten und Nordosten — auch die Hauptkornkammern Irans. So unzweifelhaft jedes Bemühen, die iranische Landwirtschaft zu heben, in erster Linie bei der feuchten und bewässerten W i r t s c h a f t einzusetzen h a t , auf denen das Schwergewicht r u h t , so sicher ist es andrerseits doch, daß in der Trockenlandwirtschaft noch Reserven schlummern. Dies b e t r i f f t nicht allein die mögliche Ausdehnung der Flächen; sondern es könnte die stärkere Herausnahme des Getreidebaues aus der Bewässerungswirtschaft diese f ü r andere Produkte freimachen, die f ü r die Industrie des Landes oder f ü r seine A u s f u h r wesentlich sind. Die unvermeidlichen Ertragsschwankungen des Trockenfeldbaues müßten dann durch eine V o r r a t s w i r t s c h a f t ausgeglichen werden. So verdienen die im Trockenfeldbau ruhenden Möglichkeiten auch in I r a n , trotz der von der N a t u r gezogenen Beschränkungen, volle Aufmerksamkeit und nähere P r ü f u n g . Die nachfolgende Studie will einen kleinen Beitrag dazu liefern, indem sie seine Verbreitung und Grenzen auf Grund des bisher vorliegenden Materials und eigener Beobachtungen einer Untersuchung unterzieht. Freilich sind die Unterlagen f ü r eine solche Untersuchung noch sehr mangelh a f t . E s fehlt nicht n u r an einer geschlossenen topographischen A u f n a h m e des Landes, sondern auch die vorhandenen K a r t e n lassen es an einer Ausscheidung des Kulturlands f e h l e n 9 ) . Die iranische Ackerbaustatistik macht bei ihren Angaben keinen Unterschied zwischen bewässerten und unbewässerten Anbauf l ä c h e n 1 0 ) . Wir sind also zur E r m i t t l u n g der Verbreitung des Trockenfeldbaues zur Gänze auf sonstige Quellen angewiesen: Reisebeschreibungen, L u f t b i l d e r 1 1 ) und eigene Beobachtungen, welch letztere sich auf den Nordwesten I r a n s beschränken. In der überaus umfangreichen Reiseliteratur, die ich nicht vollständig durcharbeiten konnte, finden sich leider f a s t immer n u r gelegentliche Hinweise, da die wenigsten Reisenden diesem Gegenstand Beachtung zuwandten. Die Schwierigkeiten werden aber nicht geringer, wenn es sich um die Einpassung des so gewonnenen, sehr lückenhaften Bildes in den naturräumlichen Rahmen handelt. Noch steht unsere klimatologische Kenntnis des Landes auf sehr schwachen Füßen. Längere Beobachtungsreihen bestehen n u r von einer Handvoll Stationen. Der von Rezä Shäh Patilavi eingeführte meteorologische Beobachtungsdienst mit einer großen Anzahl von Stationen war bis zur Be9

) Das einzige großmaßstäbige Kartenwerk des ganzen Landes ist die K a r t e 1 : 253.440 (Quarter Inch-Karte), die vom Britischen W a r Office und vom ehemaligen Britisch-indischen Survey herausgegeben wurde. Die Blätter beruhen aber nur zum geringeren Teil auf wirklicher Aufnahme. Seit dem letzten Krieg ist eine teilweise verbesserte Neuauflage vom U. S. A r m y Service herausgebracht worden. Bezüglich weiterer Karten siehe H. B o b e k : Das Kartenwesen von I r a n . Mitteil. d. Reichsamts f. Landesaufnahme, Berlin 1936/3, S. 112—126. 10) Mir liegt nur die Ausgabe f ü r 1310 (1931/2) vor. n ) Vor allem E. F . S c h m i d t : Flights over ancient Cities of I r a n , Chicago 1940; f e r n e r verschiedene Luftbilder von Junkers-Piloten, f e r n e r solche der F i r ma Julius Berger von der einst geplanten Bahntrasse Teheran—Hamadän, u. a.

Die Verbreitung' des Regenfeldbaues in Iran.

13

Setzung des Landes 1941 über die Kinderkrankheiten kaum hinausgekommen. Aus dem mir vorliegenden M a t e r i a l 1 2 ) können n u r wenige und recht unzuverlässige Ein-Jahresreihen gewonnen werden. Nach der Besetzung scheint der Dienst größtenteils eingestellt worden zu sein. E r d ü r f t e sich jetzt in Reorganisation befinden. Bezüglich der Vegetation des Landes k a n n ich mich u. a. auf eine eigene Untersuchung der Wald- und Gehölztypen I r a n s 13 ) stützen. Über die Bodenverhältnisse ist so gut wie g a r nichts Näheres bekannt. Unter solchen Umständen k a n n es sich um nicht mehr als den ersten Versuch eines Überblicks handeln, wobei es auf die Herausstellung der Gebiete ankommt, in denen der Regenfeldbau verbreitet, bzw. klimatisch möglich ist. Der Trockenfeldbau stellt aber daneben auch noch bestimmte Anforderungen an den Boden und zwar umso mehr, je mehr er von einem gewöhnlichen Regenfeldbau zu einem wirklichen Trockenfeldbau wird. In jedem Fall handelt es sich um eine Brachwirtschaft, bei der zwischen die A n b a u j a h r e jeweils ein oder auch mehrere B r a c h j a h r e eingeschoben werden. Wenn die Brache beim gewöhnlichen Regenfeldbau vor allem den Zweck der E r n e u e r u n g der Bodenfruchtbarkeit hat, so t r i t t bei der eigentlichen Trockenwirtschaft bekanntlich die Anspeicherung der Bodenfeuchtigkeit in den Vordergrund. Besser als durch einfache Grünbrache wird dieses Ziel durch Schwarzbrache mit mehrmaliger Bodenbearbeitung erzielt, die den kapillaren Aufstieg und damit die Verdunstung des Bodenwassers hemmt. Diese Brachbearbeitung wird nach meinen Beobachtungen auch von den iranischen Bauern geübt, wenn auch vielleicht nicht überall, wo sie vorteilhaft wäre. Die Wasserspeicherung setzt einen tiefgründigen, feinkörnig-porösen Boden voraus, wie er in I r a n in den Fußregionen der Gebirge, auf s a n f t e r e n Hängen und gelegentlich auch auf höher gelegenen Verflachungen nicht selten a n z u t r e f f e n ist. E r ist einesteils das Ergebnis der Verwitterung geeigneter mergeliger Schichten, anderenteils das Produkt der Abschwemmung von Detritus und von Staubaufwehungen. Sandig-schottrige Ablagerungen und flachgründige Skelettböden, aber auch schwere Tonböden sind dazu nicht geeignet und kommen daher f ü r unbewässerten Anbau nur dort teilweise in Betracht, wo J a h r f ü r J a h r genügend Niederschläge fallen. Gegen die klimatischen Grenzen des Trockenfeldbaues hin spielt natürlich die günstige Bodenbeschaffenheit eine immer entscheidendere Rolle. Das Offenhalten der Felder während der Brachzeit k a n n sich aber auch sehr schädlich auswirken. Abgesehen von der allzuschnellen Humusverbrennung drohen Abspülung und Windabtragung des Bodens. Viele der felsig-dürren Gebirge I r a n s liegen noch im klimatischen Bereich der Steppe oder g a r des Waldes und mögen ihren Charakter erst infolge unvorsichtiger landwirtschaftlicher Nutzung erhalten haben. Heute sind sie nicht mehr fähig, Felder zu tragen. Man kann h ä u f i g genug die fortschreitende Bodenvernichtung an Hängen durch Rinnenbildung und flächige Abspülung heute noch beobachten. Ansätze zu einer roh und flüchtig a u s g e f ü h r t e n zusätzlichen Bewässerung aus Quellen oder Bächen oder durch Zuleitung von Hangwasser sind nicht selten. Auf den kurdischen Bergen sah ich die abgeernteten Felder durch ein p a a r schlangenförmig gewundene Furchen aufgerissen. Sie sollen die zur P f l u g a r b e i t 12 ) Bis 1941. Ich verdanke die mühevollen Auszüge H e r r n Dr. U. S e g n e r (Peine). 13 ) Siehe Anm. 6.

14

Hans Bobek.

nötige Durchfeuchtung des im Sommer verhärteten Feldes durch den ersten Herbstregen erleichtern und stehen gelegentlich mit einem ebenso flüchtig eingerissenen Hanggraben in Verbindung, der das vom Hang abfließende Wasser abfangen soll. Über die Anbau- bzw. Aussaatzeiten im Regenfeldbau ist derzeit ein Überblick noch nicht zu gewinnen. Sie scheinen sich so wie in Anatolien über einen weiten Spielraum vom Herbst bis zum F r ü h j a h r zu erstrecken. C e r n j a k o v s k a j a (A. a. O. siehe Anm. 14) gibt f ü r Khorassan Februar bis März als üblich an, ich selbst fand im Nordwesten (im türkisch-persischen Grenzgebiet) sowohl Herbst- als auch Frühjahrsaussaat angewandt, wobei die letztere in hohen Lagen erst im nächsten Jahre zur Entwicklung und Reife kommt. Ähnlich wie in Europa seinerzeit das Getreide der Reutfelder, so steht in Iran die Fechsung der Trockenfelder wegen ihrer vorzüglichen Qualität in besonderem Ansehen. Das „Xb-e rahmat", das „Wasser der Gnade" (— Regenwasser) läßt sich eben nicht so ohne weiteres durch die Bewässerung ersetzen. Als Mengenertrag wurde mir im Elburz das 5—12fache Korn genannt. Nach C e r n j a k o v s k a j a 1 4 ) wird in Khorassan bei guten Ernten sogar das 20 bis 30fache, in Bakharz angeblich selbst das 30—50fache Korn geerntet, während in trocknen Jahren kaum das Saatkorn zurückkommt. K. S a n d j a b i gibt als Mittel f ü r das Trockenfeld das 5—8fache, f ü r das bewässerte Feld das 10—25fache a n 1 5 ) . Die Rechtsformen, unter denen Regenfeldbau getrieben wird, scheinen sich von denen des Bewässerungsanbaus nicht wesentlich zu unterscheiden. Neben freiem Eigentum (bzw. Nutzungsrecht) an der bebauten Scholle (das vermutlich noch seltener als im Bewässerungsbau vorkommt) herrscht sicherlich der Teilbau bei weitem vor, während die Geldpacht noch mehr als im bewässerten Land zurücktreten dürfte. Im allgemeinen sind die vom Trockenfeld zu leistenden Abgaben geringer als diejenigen, die vom bewässerten Feld genommen werden. C e r n j a k o v s k a j a 1 8 ) erwähnt aus Ostpersien K. S a n d j a b i 1 7 ) aus K«rmanshah ebensoviel als Anteil des Grundeigners, während vom bewässerten in der Regel mehr genommen wird. Das Trockenfeld ist von der Grundsteuer befreitls). Noch so gut wie völlig unbekannt sind die Flurordnungen, die in Iran den Anbau, sei es im trockenen, sei es im bewässerten Feld regeln. Eigene Beobachtungen und Luftbilder beweisen, daß es deren sehr verschiedene gibt, die aber noch gar nicht untersucht sind. So konnte ich im Elbursgebirge vielfach blockförmige Trockenfelder mit einer leichten Terrassierung an den Berghängen beobachten, die anscheinend von selbst durch die Hangabwärtsbewegung der Erde bei der Bearbeitung allmählich entsteht. Dies setzt Stabilität der Feldeinteilung während langer Zeiträume voraus. Andernorts, wie z. B. zwischen Aräq und Hamadän oder in Garrus, ist von solcher Terrassierung nichts zu bemerken 14 ) E. G. C e r n j a k o v s k a j a : Khorassan und Sistan. Bull, of Applied B o t a n y . . . Vol. XXIII. Leningrad 1931. (Russisch) S. 119. 15 ) K. S a n d j a b i : Essai sur l'Economie rurale et le Régime agraire de la Perse. Thèse, Paris 1934, S. 23. 16 ) C e r n j a k o v s k a j a : A. a. O., S. 39. " ) S a n d j a b i : A. a. O., S. 203. 18 ) C e r n j a k o v s k a j a : A. a. O., S. 39.

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

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und man hat oft den Eindruck, als ob die bearbeiteten Feldstücke immer neu und unregelmäßig, gleichsam nach Belieben aus der Steppe herausgeschnitten würden. Wieder an anderen Stellen macht sich eine streng gleichmäßige, riemenförmige Feldaufteilung innerhalb gewannartiger Komplexe bemerkbar. Im erstgenannten Fall muß eine feste Aufteilung der entsprechenden Teile der Steppe seit langem erfolgt sein, im zweiten scheint ihre ackerbauliche Nutzung weitgehend ins Belieben einzelner daran Interessierter (oder Berechtigter) gestellt zu sein und im dritten handelt es sich um eine planmäßige, aber anscheinend oft nur flüchtige Aufteilung eines bestimmten Ausschnitts unter eine bestimmte Gruppe Gleichberechtigter. Blockflur und gewannartig gegliederte Streifenflur kommen aber auch im Bewässerungsland vor. Die Klärung ihrer Entstehung bedarf noch eingehender Untersuchungen. Wir wenden uns nun unserer Übersicht zu (hiezu Tafel I). Die hochgelegenen Ebenen Ostanatoliens, die noch unterhalb der natürlichen Waldgrenze liegen 1 9 ), erlauben nach meiner Kenntnis überall den Trockenfeldbau und er hat seit der Vertreibung der Armenier auch auf altem Bewässerungsland Raum gewonnen 20 ). Man kann ihn rings um den Vansee (1720 m) beobachten, im Becken von Karaköse (1650 m) und Aleijkirt und erst recht auf geeigneten Hängen der dazwischen gelegenen Gebirge sowie derjenigen des Vilayets Hakkäri. Auf den tischebenen Platten des zerschnittenen Beckens von Ba?kale liegen riesige unbewässerte Felder in 2100—2300 m. Schon von 2200 m aufwärts benötigt hier das Wintergetreide fast das volle Jahf zum Ausreifen und in 2400—2500 m, also im Bereich der natürlichen Obergrenze des Waldes, dürfte auch die Obergrenze des Anbaues erreicht sein 2 1 ). In den südwärts anstoßenden, tief zerschnittenen und bewaldeten Gebirgen des Äußeren Osttaurus und seiner südlichen Vorlagen nützt man die wenigen zum Anbau geeigneten Flächen f a s t ausschließlich mit Bewässerung, obwohl die Niederschläge noch bis tief ins südliche Vorland f ü r den Regenfeldbau ausreichen. Dessen Untergrenze wird also auf türkischem Boden hier nirgends erreicht, wohl aber dürften die Ostufer des Vansees (1720 m) wie auch der tiefste Grund des Beckens von Ho?ap (2000 m) mit seiner trockenen Artemisiasteppe ihr sehr nahe kommen. Am Ostabfall dieses Gebirgslandes gegen das Becken von Iranisch-Azerbeidjän tritt der Feldbau sehr stark zurück, da hier noch einige vollnomadische Kurdenstämme ihre Sommerweiden haben. In dem Beckenzug von Mergävar und Tergävar gibt es Siedlungen kurdischer Halbnomaden, die ihre wenigen Felder bewässern, was bei der Fülle des verfügbaren Wassers keine Schwierigkeiten macht. Die Steppe ist hier bis gegen 1500 m herab dicht geschlossen, gras- und kräuterreich, so daß mindestens bis zu dieser Höhe Trockenfeldbau möglich wäre. 19 ) H. L o u i s : Das natürliche Pflanzenkleid Anatoliens. Geogr. Abhandl. III. Reihe, Heft 12. Stuttgart 1939, bringt auf Tafel 4 diese Waldgrenze. 20 ) H. W i n z : Zur Kulturgeographie des Vanseegebietes (Osttürkei). Zeitschr. Gesellsch. f. Erdk. Berlin 1939. 21 ) H. B o b e k : Forschungen im zentralkurdischen Hochgebirge zwischen Van- und Urmiasee. Peterm. Mitteil. 1938. S. 226.

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Hans Bobek.

In 1700—1800 m ist die natürliche Untergrenze des heute f a s t ganz beseitigten Waldes anzusetzen 2 2 ). Dieselbe Höhe von rund 1500 m scheint im ganzen inneren Azerbeidjän als Untergrenze des trockenen Anbaues Gültigkeit zu haben, so daß f a s t n u r die eigentliche Uferebene des Sees von Rezäiyeh (1300 m) samt ihren verschiedenen Ausbuchtungen herausfällt, unabhängig von ihrer teilweise starken Versalzung. Die reichen Gartendörfer südwestlich von Tabriz bauen ihr Getreide auf den unteren Terrassen des Sahand-Schuttmantels von 1460 m a u f w ä r t s in Trockenkultur an, obwohl die Unterlage recht wasserdurchlässig ist. Hier k a n n m a n die klimatische Grenze des Trockenfeldbaues recht gut f a s s e n : Tabriz in 1360 m h a t 283 mm Jahresniederschlag (Mittel aus 7 J a h r e n , nach H. R i e b e n ) 2 3 ) bei Mai-Maximum. Trockenfeldbau ist hiebei noch nicht möglich, während e r 100 m höher einsetzt. Van andrerseits, das in 1750 m am Ostufer des Vansees gerade etwas über der Trockengrenze liegt, empfängt 349 mm (6 J a h r e ) , ebenfalls mit Mai-Maximum 2 4 ). Hieraus ergeben sich rund 300 mm als Grenze (bei vorwiegenden F r ü h j a h r s r e g e n ) . Auf der Nordseite des Sahand (3690 m ) , der eine Vulkanruine darstellt, f a n d ich Trockenfelder a u f w ä r t s bis 2800 m. Ende J u n i wurden hier überall die Brachfelder gepflügt, während die Saatfelder 1934 nach zwei J a h r e n des Mißwachses eine gute E r n t e versprachen (Abb. 3, Tafel I I I ) . Auf der Paßhöhe zwischen Tabriz und Marand dehnen sich zwischen 1800 bis 2000 m bei Yam schöne Trockenfelder, soweit das talartige Gelände feinerdige Abschwemmungen vom Mishou-Dagh t r ä g t . Sie steigen aber auch nordw ä r t s auf allen nicht erodierten Hangteilen bis zur Sohle des Beckens von Marand (1400 m) hinab, wo bewässerte Felder einsetzen. Nach S t a h l liegen südöstlich von D j u l f a Trockenfelder, etwa von 1200 m a u f w ä r t s 2 5 ) . Dieses Absteigen der Untergrenze zum Arastal hin steht im E i n k l a n g mit dem Auftreten von Wald auf der Nordflanke des Karadagh. Der Aras-Kanyon selbst ist aber wiederum arid, hier müssen alle Felder bewässert werden. Dies ist auch noch bei Djebrail der Fall, das in 600 m Höhe am jenseitigen U f e r weiter talab gelegen i s t 2 6 ) . Der Aras-Kanyon verbindet also die n u r dem Bewässerungsbau zugänglichen Steppen beiderseits des unteren A r a s (Mughan- und Mil-Karabägher Steppe) mit den ebenfalls zu trockenen Ebener am Mittellaufe des A r a s von Ordubäd bis Eriwan. Hier und am Arpa-Öai scheint die Untergrenze des Regenfeldbaues ebenfalls um 1500 m zu liegen und dem entspricht, daß am A r a r a t (5165 m) von 1200—1400 m a u f w ä r t s bis gegen 2200 m eine durch massenhaftes A u f t r e t e n von wildem Bergroggen (Seeale montanum) und, 22

) H. B o b e k : A. a. O. 1938, 1950; H. L o u i s : A. a. O. 1939. ) H. R i e b e n wie in Anm. 8. 24 ) H. L e m b k e : Eine neue K a r t e des Jahresniederschlags in Vorderasien. Peterm. Mitteil. 1940. S. 222. Karte. 25 ) A. S t a h l : Reisen in Nord- und Westpersien. Peterm. Mitteil. 1907. K a r t e 1 : 840.000. 2 «) G. R a d d e : Karabagh. Peterm. Mitteil. Erg.-H. 100, 1890. S. 23. 23

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Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

über 1900 m, von wildem Hafer gekennzeichnete Steppenzone beobachtet werden kann 27 ). Sie spiegelt die natürliche Stufe des Trockenfeldbaues wieder. Die Obergrenze des erfolgreichen Getreidebaues kann man im zentralen Karabägh auf etwa 2200 m ansetzen. In der Flur des höchsten Dorfes Bazärcai erfriert das Getreide so häufig, daß der Ort schon mehrmals verlassen wurde 2 8 ). In gleicher Höhe liegt hier auch die natürliche obere Waldgrenze. Das Becken von Ar debil (1350 m) ist im tiefsten Grunde versalzen und hat nur bewässerten Anbau, der in der Fußregion des Savelan (4500 m) bis 2000 m ansteigt. Möglich ist der Trockenfeldbau aber auch hier schon von etwa 1500 m aufwärts, wie sich am Südrande des Beckens zeigt. Die herrliche, wiesenartige Bergsteppe des Savelängebirges, z. T. ehemaliges Waldgelände, ist dem mächtigen Stamme der Shähsevan als Sommerweide vorbehalten und ermangelt daher der Felder. Aber nach Süden zu zieht sich, nach der Beschreibung von S a r r e 2 ' ) zu urteilen, der Trockenfeldbau über wellige Hochflächen bis zum Kizil Uzun und auch noch jenseits von dessen Kanyon über die Vorhöhen des Tarom-Gebirges 30 ). Ganz entsprechend zieht sich Trockenfeldbau vom Ostfuß des Sahand durch das Becken von Hädji Aghä (1800 m) längs der Teheräner Straße bis Turkmancai (bei Miäneh) auf etwa 1500 m herab. Das Talbecken von Miäneh (1200 m) hat wie das ganze untere Kizil Uzuntal nur Bewässerungsbau. S t a h l 3 1 ) gibt allerdings am Nordwestfuße des Kaflänkuh noch in schätzungsweise 1300 m Trockenkulturen an, von denen ich aber nichts gesehen habe. Dagegen setzen auf der Nordseite des Tarom-Gebirges bereits in 1300 m Trockenfelder ein und im Durchbruch des Safidrud senkt sich die Untergrenze des unbewässerten Feldbaues beiderseits Rudbar rasch noch tiefer ab, um im Becken von Rustamäbäd auf die Talsohle in 200 m zu treffen. Damit ist hier der Anschluß an die Feuchtlandwirtschaft des kaspischen Küstenlandes erreicht, die im übrigen durch hohe Gebirgskämme vom Trockenbereich geschieden ist. Auf der anderen, südwestlichen Seite des ganzen Hochlandes steigt der Regenfeldbau bis tief ins Vorland hinab. Seine Grenze quert südlich Mosul den Tigris und streicht, 40 km südwestlich Kirkuk, in südöstlicher Richtung weiter, dem Rande der niedrigen Vorlandsschwellen folgend. Im Gebiet von Kasr Shirin bzw. Khanekin schmiegt sie sich enger an den Gebirgsabfall an, dem sie entlang des Pusht-e Kuh in nicht genauer bekannter Höhe, jedenfalls unter der natürlichen Waldgrenze (900 m), f o l g t 3 2 ) . 27 ) M. R i k l i : Beiträge zur Pflanzengeographie und Florengeschichte des Kaukasus und Hocharmeniens. Natur- und Kulturbilder aus den Kaukasusländern und Hocharmenien. Zürich 1914. S. 225. —- Leider waren mir. eine Reihe neuerer russischer Arbeiten über diese Gebiete nicht zugänglich. 28 ) G. R a d d e wie Anm. 26. 29 ) F. S a r r e : Reise von Ardebil nach Zendjan im nordwestlichen Persien. Peterm. Mitteil. 1899. S. 215 f f . Karte. 30 ) Unter Tarom-Gebirge verstehe ich den Höhenzug zwischen Kizil Uzun und der Längsfurche von Zendjän, der die Südgrenze der alten Landschaft Tarom bildete. 31 ) A. S t a h l wie Anm. 25. 32 ) H. H a n d e l - M a z e t t i : Die Vegetationsverhältnisse von Mesopotamien und Kurdistan. Ann. K. K. Naturhist. Hofmuseums X X V I I I . 1914. — So-

Festschrift Johann Solch.

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Zwischen dieser Grenze einerseits und dem schon angedeuteten Kontakt mit dem Bereich der kaspischen Feuchtlandwirtschaft andrerseits scheint das ganze Hochland mit vermutlich geringen Ausnahmen für Regenfeldbau geeignet zu sein. In diesem riesigen Gebiet, das im wesentlichen die alten Provinzen Khamseh, Kazwin, Hamadän, Kurdistan, Luristän und einige kleinere neben Teilen des Irak umschließt, sind drei große natürliche Zonen zu unterscheiden: Zunächst die steppenhafte Vorlandzone, die nach Süden zu recht schmal wird; dann die breite natürliche Waldzone, d. h. der Zagros-Eichenwald in seiner ursprünglichen Ausdehnung; schließlich eine breite innere Übergangszone, in der der Wald in eigentümlicher Weise ausklingt und als natürlicher Unterwuchs im allgemeinen eine gute, grasreiche Steppe herrscht. Das Ausklingen geschieht in der Weise, daß der Eichenwald bzw. seine bestandbildenden Gehölze sich einerseits (so wenigstens im Nordwesten) auf die Höhen, andrerseits aber in die grundwasserfeuchten und windgeschützten Talgründe und Hangtälchen zurückziehen, während auf den Berghängen eine gegen Trockenheit resistentere Gesellschaft von Pistazienbäumen und Mandelsträuchern oder -bäumen mit einigen weiteren Begleitern erscheint. Freilich sind die Hanggehölze fast überall schon längst vernichtet und die Taldickichte weitgehend zu Fruchtbaumoasen umgewandelt 33 ). In der äußeren (Vorland-) Steppenzone entziehen sich, von kleineren Steilhängen abgesehen, wohl nur bestimmte Böden dem trockenen Anbau: Zu schotterige und allzu tonige. In der natürlichen Waldzone verhindert höchstens das Relief, in Lichtungen unbewässerten Anbau zu treiben. Eine klimatische Untergrenze ist hier nicht vorhanden: Auf den meisten Tal- und Beckenebenen dieses Gebiets kann man neben dem vorwiegenden Bewässerungsbau auch trockene Felder sehen. (Vgl. die Luftbilder aus Luristän und Kurdistan bei E. F. S c h m i d t ) 3 4 ) . Wohl aber treten an der unteren Waldgrenze (gegen das Vorland) und an der binnenwärtigen, wo die Waldvernichtung besonders ausgedehnte Gebiete erfaßt hat, Abspülungsschäden in weiter Verbreitung auf. Kahle, felsige Berghänge stehen dann in seltsamem Gegensatz zu den üppig-steppenhaften oder angebauten Talgründen und den mannigfachen Zeugen ehemaliger Waldverbreitung. Die Gegend um Kermänshäh und nordöstlich oder südöstlich davon bietet hiefür beste Belege. Natürlich sind solche Abspülungsschäden erst recht auch in der inneren Übergangszone verbreitet. Dennoch lassen die vorwiegend flacheren Hänge und die statt der Kalke stärker beteiligten Schiefer und vulkanischen Gesteine sie im ganzen eher etwas zurücktreten. Hier haben wir es aber wieder mit einer Untergrenze des Trockenfeldbaues zu tun, die die tieferen Teile des Hochlands ausschließt. Sie liegt, wie schon erwähnt, an der Nordseite des Tarom-Gebirges cieté des Nations: Question de la frontière entre la Turquie et l'Irak. Rapport présenté au Conseil par la Commission etc. 1925. Carte No. 10: Terrains cultivés et incultes, forêts et paturages. Die Nachweise bzgl. der Waldgrenze in B o b e k 1950 (Anm. 6). 33 ) Für diese Übergangszone in ihrem vermutlichen Naturzustand würde der Begriff „Waldsteppe" sehr nahe liegen. Er wird hier gleichwohl vorläufig noch vermieden. 3 4 ) E. F. S c h m i d t: Flights over ancient Cities of Iran. Spec. Publ. Orient. Inst. Univ. Chicago. Chicago 1940.

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Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

in 1300 m ; bei Kazwin dürfen wir sie in rund 1500 m ansetzen, denn am Kazwiner P a ß gibt es Trockenfelder. Im südlichen Azerbeidjän mag sie in gleicher Höhe liegen (vgl. bei Miäneh). Aber aus dem Inneren dieser Zone fehlen uns Anhaltspunkte. Manche Gegenden des nordwestlichen Hochlands gemahnen durch die Geschlossenheit ihres Felderteppichs geradezu an humide Landschaften, so die Umgebung der sassanidischen Ruinenstadt Takht-e Suleimän (westlich des oberen Kizil Uzun) oder von Senandadj (Senna) (Luftbilder bei E. F. S c h m i d t 1940, s. Abb. 1, Taf. I I ) . Andere Gegenden sind auch hier als Weideland ausgespart, so sah ich z. B. im Längstal von Zendjan (1900 m) kaum Trockenfelder in der Steppe. F ü r die Obergrenze des Regenfeldbaues fehlen ebenfalls sichere Anhaltspunkte. Um Takht-e Suleimän d ü r f t e n die Felder 2300 m erreichen. Im TaromGebirge f a n d ich die höchsten Felder bei einer Querung gegen Zendjän in 2200 m, doch d ü r f t e damit die Obergrenze noch keineswegs erreicht sein. Wie v e r l ä u f t nun die östlich-binnenwärtige Begrenzung dieses ausgedehnten Regenfeldbaubereichs? Die Vorposten des vollariden inneren Hochlands von I r a n sind landschaftlich deutlich gekennzeichnet durch die langen Maulwurfshügelreihen der Kanate. Es sind die Buchten von Kazwin (1270 m ) , Säweh (930 m ) , Kum (975 m ) , Aräq (1880 m ) . Das Bergland Karaghän, das zwischen diesen Buchten liegt, wird von J . D. R e e s , der es kreuz und quer durchzog, als f r u c h t bar und wasserreich geschildert, bedeckt von unbewässerten Feldern, die gute E r t r ä g e l i e f e r n 3 5 ) . In den Talgründen ziehen sich bewässerte Felder und Obstgärten hin. Ganz ähnlichen Charakter zeige auch die Gegend zwischen Aräq und Gulpaigän. Damit ist die Ostgrenze unseres Gebietes angedeutet. Die kritische Höhe, in der sich der Übergang von dieser f r u c h t b a r e n Regenfeld-Landschaft zur ariden Steppe mit reinem Bewässerungsbau vollzieht, läßt sich bei Aräq näher bestimmen: Nur wenig höher liegen westwärts dieser Stadt schon Regenfelder. Wir dürfen also hier rund 1900 m als Untergrenze annehmen. Das große Becken von Hamadän (1800 m ) , das in seinen tieferen Teilen bis u n t e r 1600 m absinkt, liegt also unter dieser Grenze. Es ist auch voll von Kanaten und h a t reinen Bewässerungsanbau. Aber die niedrigen Höhen zwischen Malayar und Hamadän tragen z. B. wieder Regenfelder, ebenso die Hänge am P a ß von Asädäbäd (2200 m). Niederschlagsmäßig können wir diese Grenze aus Mangel an Stationen nicht schärfer fassen. Aräq empfing im Winter 1939/40 (November bis Mai) etwa 370 mm, wobei dies aber ein besonders niederschlagsreicher Winter gewesen zu sein scheint. Das normale Jahresmittel wird m a n vielleicht bei 300 mm zu suchen haben, was zu seiner Lage an der Grenze des Regenfeldbaugebietes gut passen würde. Im ganzen ergibt sich also ein Ansteigen der Untergrenze des Regenfeldbaues von Azerbeidjän bzw. von Kazwin bis Aräq von 1500 m auf 1900 m. Denkt man sich diese Grenzfläche noch etwas ansteigend nach Osten verlängert, so werden noch einige Gebirge von ihr geschnitten. Vor allem im Kohrudgebirge (3660 m) südlich Kum müßte demnach in über 2000 m noch Regenfeldbau klimatisch möglich sein. Entsprechende Beobachtungen seitens eines Reisenden sind mir jedoch nicht bekannt. E s ist möglich, daß es hier an geeigneten, feinerde35

) J . D. R e e s : Journey f r o m Kazwin to H a m a d a n across the K a r a g h a n Country. Madras 1885. Mir waren nur die kurzen Notizen in Proc. Roy. Geogr. Soc. 1886 S. 394 zugänglich. 2*

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bekleideten Hängen völlig mangelt, während in den Talgründen natürlich bewässerter Anbau vorgezogen wird. Das geschilderte Regenfeldbaugebiet setzt sich mit allen seinen drei Zonen nach Südosten f o r t . Die Vorlandsteppe gewinnt in der Bucht von Dizful und Shus h t a r zunächst wieder größere Breite, verschmälert sich aber dann vor dem vorspringenden Gebirge neuerlich und geht schließlich in das niedrige Hügelland am Persischen Golf über. Sie ist von N a t u r eine Busch- und Baumsteppe, in der die f ü r das Garmsir charakteristischen saharo-sindischen Florenelemente dominieren. Von der Möglichkeit des Regenfeldbaues wird anscheinend kein großer Gebrauch gemacht. Selbst in dem sommersüber recht w ü s t e n h a f t erscheinenden unmittelbaren Hinterland von Buschir k a n n Regenfeldbau getrieben werden, der in feuchten J a h r e n g u t g e r ä t 3 e ) . Buschir e m p f ä n g t im längeren Mittel 266 mm 3 7 ). Dasselbe gilt von den niedrigen Vorbergen von Südfars, soweit der Boden geeignet ist: Hier treiben die Qashqai in ihren Winterquartieren Regenfeldbau 3 8). Ob dies auch noch weiter im Osten, in Läristän möglich ist, muß mangels Beobachtungen derzeit fraglich bleiben. Es erscheint jedoch wenig wahrscheinlich, da die Zone des Eichenwaldes südwestlich Shir.iz ihr Ostende erreicht, was auf eine Abnahme der Niederschläge im ostwärts anstoßenden Gebiet, auch im Vorhügelland, schließen läßt. E s stehen hier nur fragmentarische Niederschlagsbeobachtungen zur V e r f ü g u n g : Daräb (1215 m) Winter 1937/8 180—190 mm, Winter 1938/9 90—100 m m ; Djahrom (1010 m) Winter 1937/8 ca. 150 mm, 1938/9 132 mm, während Kazerun, das ebenfalls in einem Becken in 800 m, aber noch unterhalb des Eichenwaldes liegt, 1938/9 rund 220 mm empfing. Östlich der Eichenwaldzone, in der die vorwiegend nomadische Bevölkerung der Bakhtiyaren, Kuh-Giluyeh, Mamasani, Qashqai die Möglichkeit des Anbaues, auch des bewässerungslosen, n u r sporadisch wahrnimmt, zieht jenseits der Firstlinie des Gebirges, im Bereich der hochgelegenen, aber s a n f t e r geformten Wasserscheidenregion wiederum eine Zone reichen Steppenwuchses entlang. Sie ist die auf 80—100 km verschmälerte Fortsetzung jener breiten, regenfeldbaureichen nordwestlichen Hochlandregion. Auch hier kann überall, wo es der Boden zuläßt, trockner Feldbau getrieben werden, und die vorgenannten Stämme, die hier ihre Sommerweiden haben, bedienen sich seiner neben dem bewässerten Anbau. Die Binnengrenze dieses Streifens v e r l ä u f t von Gulpaigän über Dumbeni südostwärts, buchtet westlich I s f a h ä n stark ein und hält sich weiterhin anscheinend in rund 20—30 km Abstand westlich der Schiräzer Straße. Mit A n n ä h e r u n g an die Provinz F a r s gewinnt diese Zone der mit Laubhölzern vermischten Pistazien- und Mandelhaine und Buschbestände an Breite in dem 36) Nach dem Zeugnis des einstigen deutschen Konsuls von Buschir, W a s s m u s s, zitiert nach W. I v e n : Das Kulturland Persiens. Unveröff. Diss. Berlin '1922. S. 60. Vgl. auch Christ. S y k e s : Wassmuss, le Lawrence Allemand, P a r i s 1936, S. 228 f. 87 ) Nach neueren Berechnungen auf Grund von 39 J a h r e n im ehem. Reichsamt f ü r Wetterdienst Berlin. F r ü h e r e Mittelwerte hielten sich über 300 mm. 38 ) Nach Aussage zweier Söhne des damaligen Ilkhani der Qashqai anläßlich ihres Aufenthaltes in Berlin 1942. Vgl. auch A u c h e r E l o y : Relations des voyages en Orient de 1830 ä 1838, P a r i s 1843, S. 506 und 516, f ü r die i n t r a kollinen Ebenen von K a m a r e d j und F a r r a s h b a n d .

Die Verbreitung des Eegenfeldbaues in Iran.

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Maße, als sich die Waldzone verschmälert, um diese schließlich ganz zu ersetzen und — ihrerseits s t a r k verschmälert — bis zu den Kermäner Gebirgen vorzustoßen. Aber es erscheint zweifelhaft, ob in F a r s und Kermän im Bereich dieser Zone noch Trockenfeldbau getrieben wird. Sichere Beobachtungen liegen aus F a r s nicht v o r 3 9 ) . Shiräz (1580, nach L ö w e 4 0 ) 1435 m) empfing im Winter 1938/9 355 m m ; in seiner unmittelbaren Umgebung herrscht nur bewässerter Anbau, zum Teil aus Karizen. Wenn hier vielleicht auch noch Regenfeldbau auf günstigen Hangböden möglich wäre, so scheinen doch die weiter binnenwärts gelegenen Becken und Talebenen, die auf 1400—1800 m eingesenkt und von Gebirgen abgeschirmt sind, h i e f ü r zu trocken zu sein. In den Gebirgen aber, die mehr Niederschlag erhalten, hat, nach Luftbildern zu schließen, die Abspülung der einst wohl vorhandenen Bodendecken schon riesiges Ausmaß erreicht. Aus den Kermäner Gebirgen liegt eine einzige Angabe von Trockenfeldbau vor: Halbwegs zwischen der Ebene von Mashiz (2000 m, sw. von Kermän) und dem P a ß Khän-e Surkh (2588 m) f a n d K. H. R e c h i n g e r auf flachem Hange Regenfelder, schätzungsweise von 2200 m a u f w ä r t s 4 1 ). Da die Ebenen um Kermän in 1700—2000 m keinerlei Regenfeldbau aufweisen, d ü r f t e diese Höhenlage der klimatischen Untergrenze ziemlich nahekommen. Sie f ä l l t auch einigermaßen mit der Untergrenze der Pistazien-Mandel-Ahorn-Haine der südlichen Kermäner Gebirge zusammen. Am Kuh-e Djamal Bariz liegt sie in 2000 m. Von Aräq bis zu den Kermäner Gebirgen scheint also die Untergrenze des Trockenfeldbaues von 1900 m auf rund 2000—2200 m anzusteigen. Dies erscheint wenig, wird aber verständlich, wenn man berücksichtigt, daß hier größere abschirmende Gebirge fehlen. Kermän (1720 m) h a t im Mittel kurzfristiger Beobachtungen 105 mm Niederschlag e m p f a n g e n 4 2 ) . E s entspricht damit u n g e f ä h r Isfahän. E i n zweiter S t r a n g von Regenfeldbaugebieten zieht dem nördlichen Randgebirge entlang bis Khorässän. E r zerfällt in zwei große Glieder, das Elburzgebirge und Khorässän. Auf der Nordflanke des Elburzgebirges steigt im Bereich des kaspischen Feuchtwaldes auch die feuchte Landwirtschaft bis etwa zur Obergrenze dieses Waldes empor, d. i. 2400—2600 m. In gewissen Südauslagen werden Felder und Wiesen auch auf dieser Seite bewässert, zur Steigerung des E r t r a g s , ohne daß es unbedingt nötig wäre. Südlich der Zone des Kaspischen Waldes, der nicht überall bis zur Wasserscheide reicht, sie aber auch stellenweise etwas überschreitet, zieht sich innerhalb der natürlichen Region des Wacholder-Trockenwaldes ein Streifen hin, in dem Regenfeldbau möglich ist und auch vielerorts betrieben wird. In der Kaziwiner Gegend t r i t t dieser Streifen als Folge der tiefen Einwalmung beiderseits des Safidrud-Durchbruches bis an den Rand des Hochlandes heraus. Weiter nach Osten hin wird der Südrand des Gebirges 3Ö ) Die oben (siehe Anm. 38) erwähnten Söhne des Ilkhani der Qashqai erklärten, daß in ihren Sommerquartieren in Nord- und Mittelfars n u r Bewässerungsanbau herrsche. 40 ) F . L ö w e : Ergebnisse von Studienflügen nach und in Persien 1928. Beit r ä g e z. Physik d. freien Atmosphäre XVII. 1931. S. 173. 41 ) K. H. R e c h i n g e r (Wien), mündliche Mitteilung. 42 ) Gh. R. K u r o s : I r a n s Kampf um Wasser. Berlin 1943, S. 28.

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dagegen meines Wissens nicht mehr erreicht. Viel Trockenfeldbau wird z. B. im oberen Talaghänbecken und seinen Quelltälern betrieben, da besonders im Becken breite, feinerdebedeckte Terrassen und sanfte Hänge zur Verfügung stehen, die nicht sämtlich bewässert werden können. Auch in den anstoßenden Gebirgstälern werden viele geeignete Gehängeteile und höhere Terrassen, soweit sie eine entsprechende Bodendecke tragen, von Trockenfeldern eingenommen, während die bewässerte Flur sich hauptsächlich in den Talsohlen erstreckt. Hier ist die ideale Form der gegenseitigen Ergänzung von bewässerter und unbewässerter Flur verwirklicht. Weite Teile des Gebirges sind aber auch unbesiedelt und unbebaut, obwohl sie dafür geeignet wären und in anderen Teilen z. T. bereits eine gewisse Übervölkerung eingetreten ist. Sie sind als Sommerweiden für Nomadengruppen reserviert, die den Winter in der Gegend von Kazwin, südlich Teheran, in Khär usw. zubringen, und dort auch begütert sind. Dazu gehört z. B. das obere Largebiet, bestimmte Striche am Tar-See, nördlich des Tocäl usw. Die Trocken- bzw. Untergrenze des unbewässerten Anbaues im Elburzgebirge kann noch nicht zuverlässig bestimmt werden. Bei Kazwin dürfte sie, wie schon erwähnt, in etwa 1500 m liegen. Im Talaghanbecken steigen Trockenfelder bis unter 2000 m herab, doch liegt die Talsohle selbst schon in 1800—2000 m. Sw. des Passes von Ibrahimäbäd, der aus dem Talaghäntal zum Hochland halbwegs zwischen Kazwin und Teheran herausführt, sah ich Trockenfelder noch in 1800 bis 1900 m. Im inneren Keredj-(Lora)Tal scheinen sie ebenso weit herabzugehen und fehlen anscheinend dem äußeren Talabschnitt vollkommen. Nördlich des Tocäl habe ich Trockenfelder kaum gefunden, dagegen spielen solche eine große Rolle auf den Ost- und Nordosthängen des Damavand, während südlich des Bergzuges von Imämzadeh Hashim (Tar-e Mumadj-Gebirge) nur mehr Bewässerungsbau vorhanden zu sein scheint. Auch entlang der Striße nach Firuzkuh sowie im Hablerudtal sind Trockenfelder nicht zu sehen. Im Querschnitt des Damavand, in dem sich das Gebirge stark verbreitert, scheint also der ganze Teil südlich der Wasserscheide für Regenfeldbau zu trocken zu sein, vielleicht von höheren Lagen (über 2000 m) abgesehen. In der ganzen Umgebung von Teheran (1200 m), das 245 mm Jahresnierschlag h a t 4 3 ) bis zum Bergfuß bei Shimrän (1600 m) fehlt jedenfalls unbewässerter Anbau und auch die Abfälle des Tocäl zeigen heute bis gegen 2400 m Höhe halbwüstenhafte Vegetation, während hier noch im vorigen Jahrhundert Reste des Wacholderwaldes standen. Beispiel der ruinösen Wirkung einer größeren Siedlung auf die Pflanzendecke! Aber auch die Umgebung von Keredj (1300 m), das 250 mm Niederschlag erh ä l t 4 4 ) , weist keinen Regenfeldbau auf und wir müssen annehmen, daß das Niederschlagsminimum für Trockenfeldbau bei 300 mm oder etwas darüber liegt. Ein Teil der natürlichen Wacholderwaldregion des Elburz scheint nicht mehr für ihn geeignet zu sein. 4 3 ) Mittel aus 37 Jahren, nach neueren Berechnungen des ehem. Reichsamtes für Wetterdienst in Berlin. Das Maximum liegt im Januar, ein sekundäres im März. 4 4 )Vierjähriges Mittel, nach Bornmüller und Gauba: Florulae Keredjensis fundamenta. Fedde's Rep. 39, 1935, S. 75.

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

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Die Obergrenze des Regenfeldbaues liegt im oberen Talaghängebiet in 2600 bis 2750 m, an der NO-Flanke des Damavand (bei Melär) sogar erst in 2900 m. Allerdings waren hier wie auch anderwärts in hohen Lagen die Felder nicht mehr in Benützung, eine Folge der stärkeren Verkehrsaufschließung des Gebirges. Besondere Ausdehnung erlangt die Deimi-Kultur wiederum in Khorässän, das der zweite Schwerpunkt des unbewässerten Getreidebaues in Iran neben den nordwestlichen Provinzen ist. Zwar fehlt den khorässänischen Gebirgen (die dort einsetzen, wo die Umbiegung der Streichrichtung der Ketten in die Südostrichtung und zugleich eine Aufspaltung in mehrere Züge beginnt) der für das Elburzgebirge so bezeichnende Gegensatz zwischen einer feuchten und einer trockenen Abdachung, doch tritt an seine Stelle eine deutliche Feuchtigkeitsabnahme in der Längsrichtung von NW nach SO. Bis in das Gebiet von Budjnurd reichen die letzten, schon isolierten Ausläufer des feuchten Kaspischen Waldes, dann übernimmt der Wacholderwald in den Gebirgen, die Steppe in den Ebenen die Herrschaft als natürliche Vegetation. Zunächst sind dem Wacholderwald noch Laubhölzer beigemengt (vor allem Ahorn), dann ziehen sie sich mehr und mehr in die Taleinschnitte zurück. Am Kuh-e Bizg bei Turbat-e Sheikh Djäm liegt der südöstlichste Ausläufer dieses Trockenwaldtyps auf persischem Boden, schon unterlagert von der südwärts anschließenden Pistazien-Mandel-Baumsteppe. An der Nordflanke des Kopetdagh darf man die Untergrenze des trockenen Anbaues auf 500—700 m ansetzen. Das Plateau von Kelät-e Nädiri in rund 700 m Höhe ist reich bedeckt von ergiebigen Regenfeldern, während die eingeschnittenen Täler zu Bewässerungsoasen ausgestaltet sind 4 5 ). Askhäbäd, das in 220 m am Fuße des Gebirges liegt, hat 230 mm Jahresniederschlag, Kizil Arwat, in 125 m weiter im NW gelegen, 206 mm; beide zeigen ein Märzmaximum 45 *). Auch sonst zeigen die welligen Hochflächen des Kopetdagh, die in 1500—2000 m Höhe liegen und von fast nackten Kalkbergzügen überragt werden, ausgedehnten Regenfeldbau 45 b). Die obere Grenze ist mit 2000 m noch keineswegs erreicht. Im Khorässänischen Längstal dringt der Regenfeldbau von Westen weit herein. Budjnurd (1050 m), liegt in einer der reichsten Getreidebaulandschaften Khorässäns, ebenso Shirwän (1150 m) aber auch Kucän (1250 m) ist noch vollständig von Regenfeldern umgeben, wenn auch die künstliche Bewässerung daneben eine Rolle zu spielen beginnt 4 6 ). Dieses Gebiet des Deimi-Anbaues endet jenseits der Wasserscheide noch vor der Wegmitte nach Meshhed in 1200 m Meereshöhe. Meshhed in 950 m hat nur bewässerten Anbau. Erst gegen 1500 m zeigen sich an den beiderseitigen Gebirgsrändern wieder Trockenfelder, um in den Gebirgen selbst, je nach den Bodenverhältnissen, wieder größere Bedeutung zu erlangen 4 7 ). Zu dieser höheren Lage der Untergrenze tragen offenbar die ) ö e r n j a k o v s k a j a : A. a. O. S. 61 ff. — G. C. N a p i e r : Diary of a Tour in Khorässän. Geogr. Journal XLVI. 1876, S. 77. «a) K ö p p e n - G e i g e r , Peterm. Mitteil. 1927, S. 274. 45b) Vgl. M i n k e v i c h , R e c h i n g e r , wie in Anm. 46. 46) P r e l l b e r g : Persien, eine historische Landschaft. Mitteil. d. Vereins f. Erdk. Leipzig, 1890. — G. C. N a p i e r : A. a. O. — Y a t a: Khorässän and Sistan. London. 1900. — G. K. M i n k e v i c h : Reise nach Meschhed. Globus 70. 1896, S. 318. — K. H. R e c h i n g e r : Mündliche Mitteilung. 47) ö e r n j a k o v s k a j a : A. a. O. S. 60. — K. H. R e c h i n g e r : Mündliche Mitteilung. 45

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schotterig-kiesigen Bodenverhältnisse der Fußebenen bei. Meshhed hat 281 mm Jahresniederschlag mit dem Maximum im März oder A p r i l 4 8 ) . Ahmedäbäd (1500 m) nördlich Meshhed empfing in dem feuchten J a h r 1939/40 427 mm, F a r i m ä n (1390 m) im gleichen J a h r rund 200 mm. Es liegt bereits südlich der zweiten Gebirgskulisse. Hier ist in den Ebenen nirgends mehr Regenfeldbau möglich, ebensowenig in den Ebenen, die sich gegen den Herirud hinab senken. Der dritte Gebirgszug (nördlich Turbat-e Haidäri) bildet die südliche Grenze der khorässänischen Artemisiasteppen gegen die eigentliche Wüste, die aber westlich und östlich davon allerdings wieder bis zum zweiten Gebirgszug vordringt. F ü r die L a n d s c h a f t Bakharz am Ostende dieses Gebirgszuges gibt Ö e r n j a k o v s k a j a noch Deimi-Anbau an, ohne nähere Lokalisierung 4 9 ). Es muß sich natürlich um Orte im Gebirge handeln. Auch der vielverzweigte ostpersische Gebirgsstock zwischen L u t und der persisch-afghanischen Grenzfurche, der h ä u f i g als Kuhistän bezeichnet wird, weist auf seinen Höhen noch Regenfeldbau a u f . Nach Ö e r n j a k o v s k a j a herrscht er in den Höhen über 1700—1800 m sogar vor. E s handelt sich um eine echte Gebirgslandschaft mit Hochflächen und Pässen in über 2000 m, engen Tälern, verhältnismäßig bach- und quellenreich, einst mit waldartigen Beständen von Pistazien und Mandeln sowie verschiedenen anderen Sträuchern bedeckt und von Grundwassergehölzen gesprenkelt, die heute z. T. in Oasen umgewandelt s i n d 5 0 ) . Die Osthälfte unterscheidet sich von der Westhälfte dadurch, daß die Berge weicher geformt, die Täler breiter sind und die Hänge noch mehr feinerdige Bodendecken tragen, die von Getreide-, aber auch Erbsen- und Gemüsefeldern im Regenanbau bedeckt sind. Dieser reicht im Osten, zu Füßen des Shäh Äskuh (2875 m), bis auf 1300 m herab, während um B i r d j a n d (1560 m) und südostwärts' davon, bei Mud und Sarbisheh, der Trockenfeldbau erst um 1700 m auft r i t t 5 1 ) . Zwischen B i r d j a n d und Kain gibt es auf den Hochflächen um 2000 m ebenfalls Regenfeldbau 5 2 ). Im Gunäbäder Gebirgssporn finden sich nach ö e r n j a k o v s k a j a (S. 118) Deimifelder auf der Abdachung gegen F i r d a u s (Tun) erst in über 1870 m. Dieses Absinken der Untergrenze von W nach O ist sehr bemerkenswert, da die Ostseite j a eigentlich im Lee der regenbringenden winterlichen Westwinde steht. E s ist aber andererseits auch kaum anzunehmen, daß die im Winter durch die Herirud-Lücke eindringenden kontinentalen Kaltluftmassen von sich aus zu Stauniederschlägen am Ostrand f ü h r e n . Dazu sind sie, südwärts sich erwärmend, wohl zu trocken. Wohl aber m a g es an der Aufgleitfläche der feuch48

) Wie Anm. 37. ) Ö e r n j a k o v s k a j a : A. a. O. S. 119. 50 ) Ö e r n j a k o v s k a j a : A. a. O. S. 76 f f . — A. v. B u n g e: Die russische Expedition nach Chorässän in den J a h r e n 1858 und 1859. Peterm. Mitteil. 1860, S. 205—226. — A. G a b r i e 1: Durch Persiens Wüsten. S t u t t g a r t 1935, S. 168 f f . — G. S t r a t i l - S a u e r : Birdjand, eine ostpersische Stadt. Mitteil. Geogr. Gesellsch. Wien 92. 1950. S. 106 f f . 51 ) Ö e r n j a k o v s k a j a : A. a. O. S. 76—78, 80. — G a b r i e l : A. a. O. S. 172. 52 ) K. H. R e c h i n g e r : Mündliche Mitteilung. — G. S t r a t i l - S a u e r : A. a. O. 49

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

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teren und wärmeren Westluft über den Kaltluftkeil der persisch-afghanischen Grenzfurche im Winter urid F r ü h j a h r zu mehr Niederschlägen kommen als an der Westseite des Berglands, die gegen die K a l t l u f t stärker abgeschirmt ist und auch gegenüber den Westwinden eine genügende Luvwirkung erst in größerer Höhe erzielen d ü r f t e . Doch ist dies natürlich n u r ein Versuch einer E r k l ä r u n g der genannten auffälligen Tatsache. Bezüglich der Obergrenze des Trockenfeldbaues sind folgende E r w ä h n u n g e n von Regenfeldbau durch c e r n j a k o v s k a j a (S. 115) von Belang: Bei Deremiyäneh 2400 m, Budjgaz 2500 m, Durukhsheh 2800 m. Diese Orte liegen sämtlich ostwärts B i r d j a n d im Umkreis des Kuh-e Muminäbäd. Niederschlagsmessungen sind aus dem ganzen Kuhistän nicht bekannt und wir sind daher darauf angewiesen, umgekehrt aus der Möglichkeit des Regenfeldbaues auf Niederschlagswerte um 300 mm, wohl auch darüber, in entsprechenden Höhenlagen zu schließen. E s muß nun noch ein Blick auf den Südostteil Irans, auf Persisch- Balocistän geworfen werden. Auch hier gibt es ausgedehnte Hochflächen ( S a r h a d d ) , ketten- und stockförmige Gebirge von bedeutender Höhe und viel niedriges, stark zerschnittenes Bergland neben weiten Ebenen. Über 1500 m im Norden, 1300 bis 1500 m im Süden herrscht auf den Berghängen die Pistazien-Mandel-Baumsteppe, d a r u n t e r verschiedene Baum- und Strauchfluren des Garmsir. Besondere Üppigkeit und Ausdehnung erlangen die Grundwassergehölze. Auch in der höchsten Gebirgsgruppe Balocistäns, dem Kuh-e T a f t ä n (3973 m ) , dessen Täler eine reiche Baum- und Strauchvegetation und viele alte Siedlungsspuren bergen, findet der Anbau nach allen Beschreibungen 53 ) in der Hauptsache mit künstlicher Bewässerung statt. Doch darf man nach Bildern von S k r i n e (z. B. S. 326) sowie auch nach mündlichen Auskünften G a b r i e l s annehmen, daß daneben auch der Regenfeldbau eine gewisse ergänzende Rolle spielt, was bei der Höhenlage, wesentlich über 2000 m, sowie angesichts der reichlichen Vegetation nicht verwunderlich ist. Auch die Steppe ist hier nach G a b r i e l „erstaunlich dicht", z. T. sogar wiesenartig. Aus den niedrigeren Berggruppen sind mir keinerlei Anzeichen von Regenfeldbau bekannt geworden, dagegen finden sich alte, heute größtenteils außer Funktion gesetzte steinerne Staudämme, die als „gorbasta" ( = „giaurbasta", „Damm der Ungläubigen") bezeichnet werden, in vielen Teilen Balocistäns zerstreut 5 4 ). Die Regenmengen der Balocistäner Gebirge kennen wir nicht, doch d ü r f t e n sie 200, ja 300 mm erreichen und in höheren Lagen vielleicht sogar übersteigen. J e weiter südlich, desto ausschließlicher fallen sie in wenigen, unregelmäßig über Winter und F r ü h j a h r verteilten Güssen von außerordentlicher Gewalt und E r giebigkeit. I. V. H a r r i s o n berichtet aus Mäkrän von einem derartigen Regenfall, der allein 50 mm l i e f e r t e 5 5 ) . Es ist begreiflich, daß solche Platzregen im 53 ) C. P. S k r i n e : The Highlands of Persian Baluchistan. Geogr. Journal LXXVIII 1931, S. 321—340. — A. G a b r i e l : Aus den Einsamkeiten Irans. S t u t t g a r t 1939, S. 129 f f . 54 ) A. G a b r i e l : Rückzugsgebiete in Südiran. Mitteil. Geogr. Gesellsch. Wien 85, 1942, S. 366. 55 ) J . V. H a r r i s o n : Coastal Mäkrän. Geogr. Journal 1941. S. 1—17.

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Gebirge wohl kaum die Erde genügend durchtränken können, um Regenfeldbau zu ermöglichen, ganz abgesehen davon, daß sie eminent abspülend wirken müssen. Dagegen soll nach den Angaben eines anscheinend recht zuverlässigen Beobachters, H a d j i 'Abd un Nubi aus Kabul, im Küstenland von Mäkrän ostw ä r t s von Djask bis Gwatar der Getreideanbau hauptsächlich auf dem Regenfall b e r u h e n 5 6 ) . Dies ist a u f f ä l l i g da die in Djask gemessene Niederschlagsmenge im Mittel von 37 J a h r e n nur 121 mm b e t r ä g t 5 7 ) . Es sind ausgesprochene Winterregen. Dabei w a r die größte in 28 J a h r e n ermittelte Jahresmenge 195,3, die geringste 5,6 mm. Es mag zwar eine gewisse Zunahme nach O hin stattfinden, doch kann sie nicht sehr bedeutend sein. Wenn also die genannte Angabe von Regenfeldbau in der Küstenebene der Wirklichkeit entspricht, sind wir gezwungen, eine bedeutende Mitwirkung der hohen, auch im Sommer unverändert anhaltenden Luftfeuchtigkeit anzunehmen, f ü r die die Golfküste bekannt und berüchtigt i s t 5 7 a ) . Buschir h a t z. B. im J a n u a r 68, im Juli 62, im Jahresmittel ebenfalls 62 v. H. relative Luftfeuchtigkeit. Sie äußert sich in häufigen Nebeln und starken Taufällen und kann dadurch sehr wohl einen, k r ä f t i g e n Zuschuß liefern. Dieses feuchtheiße Regime ist auf die Küstenebene selbst beschränkt. Dazu kommt, daß die Regengüsse des Winters der Ebene voll zugute kommen. J . V. H a r r i s o n schildert die starke D u r c h t r ä n k u n g des Bodens, die jeden Fahrzeugverkehr unmöglich macht und erwähnt auch Wälle und Mauern, durch die die schichtf l u t a r t i g abfließenden Wassermassen zurückgehalten w e r d e n 5 8 ) . Daneben sind längs den Flüssen natürlich auch normale Bewässerungsfluren vorhanden. Regenfeldbau an der Golfküste bezeugt übrigens auch O. St. J o h n. In seiner eindrucksvollen Beschreibung der Hungersnot von 1870—71 erwähnt er, daß 1870 in den Ebenen nahe der Küste, „wo künstliche Bewässerung nicht geübt werde", die Getreideernte völlig versagt habe, während die Dattelernte ungewöhnlich reich gewesen s e i 5 9 ) . Ein Überblick über die Gesamtverbreitung des Regenfeldbaues in I r a n (Tafel I) gestattet einige interessante Feststellungen. Natürlich gehorcht auch der Regenfeldbau dem physiogeographischen Grundgesetz des Iranischen Hochlands von den feuchten Außenfassaden und dem trockenen Inneren. Da Persien nur die westliche H ä l f t e des Hochlands einnimmt, so kommen hiebei n u r der westliche, nördliche und südliche Rand in Betracht. Diese Ränder zeigen nun hinsichtlich des A u f t r e t e n s von Regenfeldbau große und sehr bezeichnende 56

) R. L e e c h : Notes taken on a tour through p a r t s of Baluchistan in 1838 and 1839 by H a j e e Abdun Nubee of Kabul, translated by . Journal of the Asiat. Society of Bengal XIII, 1844, S. 788, 791, 796. 57 ) Nach neueren Berechnungen des ehemaligen Reichsamts f ü r Wetterdienst in Berlin. 57a ) G. S c h o t t : Ozeanographie und Klimatologie des Persischen Golfes und des Golfes von Oman. Beilage zu Annalen d. Hydrographie u. maritimen Meteorologie, Berlin 1918. 58 ) J . V. H a r r i s o n : wie Anm. 55. 59 ) 0 . St. J o h n: Narrative of a journey through Baluchistan and SouthPersia. In F. J. G o 1 d s m i d: Eastern Persia, London 1876, S. 96.

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran.

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Unterschiede, die wir nochmals hervorheben wollen. Sie hängen ebenso mit der unterschiedlichen Oberflächengestaltung wie mit den verschiedenen klimatischen Regimen zusammen, die den drei Abschnitten eigen sind. Im Westen ist der Streifen möglichen Regenfeldbaues 200—500 km breit. Im Randgebirge verankert, dehnt er sich doch weit ins Hochland auf der einen Seite, ins Vorland auf der anderen. Hier handelt es sich um eine Überwehung des Randgebirges durch feuchte Luftströmungen, die im Gefolge von Depressionen auf der Zugstraße V d 2, südlich der Taurusketten, vom Mittelmeer und Atlantik herandringen. Die lebhafte Stauwirkung im Gebirgsknick genügt, um dem Vorland weit hinaus ausreichende Regen zu sichern, doch ist das Randgebirge gerade hier in Iranisch-Kurdistän auch wieder niedrig genug, um einem Teil der Tiefdruckwirbel den Weg quer über das Hochland zu gestatten, während der Rest abgelenkt wird und dem Gebirge entlang zum Golfe w a n d e r t 6 0 ) . So kommt es, daß in Nordwestiran eine f a s t vollständige Brücke des Regenfeldbaues über das Hochland hinweg vorhanden ist, das hier auch als Bergland von bedeutender Höhe a u f t r i t t . Wo dagegen die westlichen Luftmassen örtlich tief absteigen müssen, können sie keine Feuchtigkeit mehr abgeben. Daher erscheint hier die Regenfeldbauregion als Höhenstufe über den tiefer eingesenkten trockeneren Becken, so wie es, in noch größerer Höhe und daher nur mehr inselhaft, auch die binnenwärtigen Ausläufer des Waldes tun. Ihre Begrenzung ist daher hier sehr unübersichtlich, f r a n s e n h a f t aufgelöst und von Inseln durchbrochen, was unsere Kartenskizze infolge ihres kleinen Maßstabs und auch mangels eingehenderer Kenntnis nur andeutungsweise wiedergeben kann. Besonders groß sind diese Inseln fehlenden Regenbaues im Windschatten des massigen ostanatolischen Hochlandes in Azerbeidjän und am A r a s im Bereich der großen tektonischen Senkungsfelder. Sie sind auch gegen Nordosten durch die Gebirge beiderseits des unteren A r a s abgeschirmt. Nach Süden zu verschmälert sich der westliche Streifen beträchtlich. Die Schrumpfung im Hochland vollzieht sich, obwohl dieses südlich Isfahän wieder an Höhe zunimmt. Es ist die Folge der Abschirmung durch die gewaltigen Viertausender-Ketten, die diesen Teil des Randgebirges auszeichnen. Die Verschmälerung des Vorlands beruht auf der abnehmenden Stauwirkung des Gebirges und dem Umstände, daß sich die ganze Region schon sehr weit in den großen Trockengürtel vorschiebt. Im ganzen ist f ü r diese westliche Region charakteristisch, daß nirgends, auch nicht auf der am stärksten benetzten Außenflanke des Randgebirges, eine eigentliche Feuchtlandwirtschaft a u f t r i t t . Sie wird durch das strenge und überdies bereits kontinental abgewandelte Winterregenregime verhindert. Aus dem gleichen Grunde kommt es hier auch nur zur Ausbildung eines Trockenwaldes (Zagros-Eichenwald). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem nördlichen Streifen des Regenfeldbaues, der überdies durch seine große Schmalheit a u f f ä l l t . Sie ist durch die geringe Breite des Gebirgsgürtels vorgezeichnet. N u r in Khorässän werden 100 km Breite überschritten. Im Elburz erreicht die Befeuchtung der 6°) W e i c k m a n n : L u f t d r u c k und Winde im östlichen Mittelmeergebiet. Zum Klima der Türkei I. 1923. S. 99. — G. B a u e r : Luftzirkulation und Niederschlagsverhältnisse in Vorderasien. Gerlands Beiträge z. Geophysik 45, 1935.

H a n s Bobek.

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Außenfassade unter dem Anhauche des Kaspi ein Maximum und die Üppigkeit der natürlichen Vegetation spiegelt sich in einer durchaus humiden Landwirtschaft wieder. Da aber die wasserdampfbeladenen Luftwellen, ob sie nun den vorherrschenden Nordwinden oder der lokalen Zirkulation des Sees angehören, eine ausgesprochene Bodenströmung darstellen, die nur durch den Anstau größere Mächtigkeit gewinnt, bleibt dieses ganzjährige feuchte Regime streng auf die Nordflanken des Gebirges und dessen unmittelbares Vorland beschränkt. Die südw ä r t s überfallende L u f t bringt es nur mehr zu Morgennebeln und T a u f a l l in abgeschlossenen Gebirgsbecken. Im übrigen scheint der binnenwärts anschließende Streifen möglichen Trockenfeldbaues im wesentlichen auf die von Westen herang e f ü h r t e Feuchtigkeit angewiesen zu sein, deren Niederschlagsspende durch vereinzelte F r ü h j a h r s - und Sommergewitter wertvoll ergänzt wird. In Khorässän klingt der kaspische Einfluß allmählich aus, damit schwindet auch die feuchte Landwirtschaft. Eine Bevorzugung der Nordflanke ist n u r mehr darin zu erkennen, daß der Trockenfeldbau hier tiefer herabsteigt, ohne aber das bereits wüstenhafte Vorland zu berühren. Seine Untergrenze hebt sich dementsprechend gegen Osten. Ganz anders wiederum scheinen sich die Dinge, soweit wir bislang beurteilen können, auf der südlichen, dem Persischen Golf und Arabischen Meer zugewandten Fassade zu verhalten. Hier liegen, infolge des Mangels stärkerer auflandiger Winde, Land und Meer ohne größere gegenseitige Einflußnahme nebeneinander, ausgenommen n u r das unmittelbare Küstenland, das von der feuchtwarmen Golfluft beherrscht wird. Deren E i n f l u ß reicht kaum höher als 100 m 6 1 ) , sie begünstigt aber doch durch Herabsetzung der Verdunstung und Taufall gelegentlichen Regenfeldbau. Das bergige Hinterland ist nur auf die von Westen zugeführten Winter-Niederschläge angewiesen, die allem Anschein nach n u r im westlichen Abschnitt bis zu einer nicht näher bekannten Grenze, die Läristän vermutlich schon ausschließt, einen prekären Regenfeldbau zulassen. Weiter ostwärts bleibt dieser, so wie auch sonst im Binnenland, auf die höheren Berggruppen entlang der Wasserscheide beschränkt. Wie nicht anders zu erwarten, steigt die Untergrenze des Regenfeldbaues im Binnenland von Nordwesten nach Südosten beträchtlich a n : Von 1500 m in Azerbeidjän hebt sie sich auf rund 1900 m bei Aräq und etwa 2200 m südlich Kermän. In gleicher Höhe oder etwas niedriger mag sie im Kuh-e T a f t ä n liegen. Von einer hypothetischen Mittelachse, die vielleicht noch etwas höhere Werte erreicht, senkt sie sich nicht n u r gegen Südwesten bis ins Niveau des irakischen Tieflands, sondern auch nordwärts, wobei am Kaspi wiederum der Seespiegel erreicht wird. Diese Absenkung ist erkennbar im Aras-Kanyon, im SafidrudDurchbruch, im Atrektal. Am Innenrand der nördlichen Gebirge finden wir rund 1200 m bei D j u l f a (am A r a s ) , 1300 m am Kizil Uzun, 1500 bei Kazwin, 1800 bis 2000 m im mittleren Elburzgebirge. Interessant ist der Querschnitt in Ostpersien, wo wir auf der Westseite des Kuhistäner Berglands etwa 1800, auf dessen Nordostseite aber nur 1300 m feststellen, nordwestlich Meshhed 1200 m, am Nordrand des Kopetdagh 600—700 m. So selbstverständlich das steile Abbiegen gegen das humide Kaspigebiet ist, so a u f f ä l l i g ist die sogar nordostwärts gerichtete Absenkung gegen die Herirudbucht. H i e f ü r wurde oben eine E r k l ä r u n g zu geben versucht, die mit der im F r ü h j a h r nordostwärts zurückweichenden und absin61

) F. L ö w e : A. a. O. S. 172.

Die Verbreitung des Eegenfeldbaues in Iran.

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kenden Aufgleitfläche der West- oder Südwest-Luft auf die kontinentale Kaltl u f t operiert. Es könnte sich aber natürlich auch um Einbrüche polar-maritimer Luftmassen auf der Rückseite von Zyklonen handeln, die während des Rückzugs des zentralasiatischen Hochdruckgebiets nördlich vorbei wandern 6 2 ). Das vollständige Bild der Regenfeldbau-Brücke, die das Iranische Hochland über den ganzen altweltlichen Trockengürtel spannt, wird freilich erst dann deutlich, wenn man auch die Osthälfte des Hochlands ins Auge f a ß t . E s zeigt sich dann, daß ein f a s t vollständiges nördliches Band besteht, das nur am Herirud auf etwa 200 km unterbrochen ist. Das südliche weist allerdings eine Lücke von über 700 km a u f . Denn erst in den Gebirgen südwestlich Kelät (um Washuk und P a n d j g u r ) in Pakistanisch-Balocistän setzt wieder Regenfeldbau e i n 6 3 ) , der sich nordwärts fortsetzt, um sich im Gebiet des Hindukush mit dem nördlichen Streifen zu vereinigen. Zur E r m i t t l u n g einer Klimaformel f ü r die Trockengrenze des Regenfeldbaues im Bereich des Iranischen Hochlands, wie sie z. B. F . R. F a l k n e r ö 4 ) f ü r A f r i k a ermittelt hat, fehlen uns noch die klimatologischen Grundlagen. Wen1 1 N+ —N det m a n die F a l k n e r sehen Formeln N + — N — T — 12 bzw. _ _ _ _ § _ = 15 3 t f ü r die p a a r Stationen mit längeren Beobachtungen an, so zeigt sich, daß sie f ü r unser Gebiet keine Gültigkeit besitzen: Meshhed, Teheran und Tabriz würden danach noch tief im natürlichen Bereich des Regenfeldbaues liegen, was aber höchstens f ü r Tabriz z u t r e f f e n könnte. Buschir würde genau an die Grenze zu liegen kommen, was mit den wirklichen Verhältnissen wohl zu vereinbaren wäre. Es ist möglich, daß die im Norden und Nordwesten s t a r k vertretenen F r ü h jahrsregen die F a 1 k n e r'sche Formel hier unanwendbar machen. Die verbesN serte F. J a e g e r sehe Formel f ü r winterkalte Gebiete + ot_ > 15 (wobei t veg x veg — das Temperaturmittel der Vegetationspeit darstellt) ergibt f ü r Teheran richtig 12, f ü r Meshhed aber 16,8, was ebenfalls zu hoch i s t 6 4 a ) . Vorläufig müssen wir uns mit dem näherungsweisen Grenzwert von 300 mm Niederschlag begnügen, der nur an der Golfküste mit ihren besonderen Verhältnissen nicht gilt. 62 ) Hiezu vgl. H. v. F i c k e r : Die Ausbreitung kalter L u f t in Rußland und Nordasien. Sitz. Ber. Math. nat. Kl. Ak. Wiss. Wien II a CXIX. 1910. — Derselbe: Untersuchung über Temperaturverteilung, Bewölkung und Niederschlag in einigen .Gebieten des mittleren Asiens. Geogr. Annalen, Stockholm 1923, S. 351 f f . — Leider sind mir einige neuere russische Arbeiten über dieses Gebiet noch nicht zugänglich gewesen, so vor allem die „Klimabeschreibung des südlichen Streifens von Mittelasien", Moskau-Leningrad 1937 und S a r y m s a k o v D j o r d j o - B u g a j e v : Statistische Kennzeichnung synoptischer Wetterlagen in Westturkestan f ü r das Winterhalbjahr, Izwest. Akad. Nauk SSSR, Ser. geogr. i geofiz. 11/6, 1947. «8) L. L e e c h : A. a. O., S. 675, 678. 64 ) F. R. F a l k n e r : Die Trockeiigrenze des Regenfeldbaues in A f r i k a . Peterm. Mitteil. 1938, S. 213 f. — Derselbe: Beiträge zur Agrargeographie der afrikanischen Trockengebiete. Geogr. Abh. I I I / l l , S t u t t g a r t 1939. 64a ) F. J a e g e r : Die klimatischen Grenzen des Ackerbaus. Denkschr. Schweiz. Naturforsch. Gesellsch. LXXVI/1, 1946, S. 39.

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H a n s Bobek. — Die Verbreitung des Regenfeldbaues in I r a n .

Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf das Verhältnis des Regenfeldbaues zu den natürlichen Vegetationsformationen, soweit sie derzeit bekannt sind. E s ist zu erwarten, daß die eigentlichen Wälder sämtlich in den Bereich des Regenfeldbaues fallen. Dies ist auch bei allen Typen der Fall mit einziger Ausnahme des Wacholderwaldes, der anscheinend im mittleren Elburz etwas darüber hinausgreift. Doch ist an dieser Stelle derzeit weder die Grenze des Regenfeldbaues noch die des Wacholderwaldes so sicher bestimmbar, daß man aus dieser Inkongruenz irgendwelche Schlüsse ziehen dürfte. Die Baumsteppen dagegen haben sämtlich eine über die Regenfeldbaugrenze hinausreichende Verbreitung, was schon aus ihrem teilweise halbwüstenhaften Unterwuchs k l a r hervorgeht und was mich auch veranlaßt, s t a t t von Baumsteppen lieber allgemeiner von Baumfluren zu sprechen 6 5 ). N u r der eigentümliche Übergangstyp der Pistazien-Mandel-Ahorn-Hainsteppe scheint sich weitgehend mit dem Regenfeldbaugebiet bzw. seiner Trockengrenze dort zu decken, wo dieser Typus a u f t r i t t . E r ist zugleich das Verbreitungsgebiet der gut entwickelten, gras- und kräuterreichen Bergsteppe Westirans, die seinen natürlichen Unterwuchs darstellt. E s muß derzeit noch offen bleiben, ob auch die Steppengebiete Azerbeidjäns ursprünglich dem gleichen Typ zugehörten. Das Hochlandsgebiet außerhalb der Trockengrenze des Regenfeldbaues zeigt noch mehrere Abstufungen von einer verhältnismäßig dichten Trockensteppe, die hauptsächlich von Artemisiaarten gebildet wird, über verschiedene Typen von Wüstensteppe und Halbwüste — zum Teil mit Baum- und Strauchbeständen (Pistazien-Mandeln, bzw. -Typen des Garmsir) — bis zur völligen Wüste. Manuskript abgeschlossen Herbst 1950. Zeichenerklärung zur Tafel I: Die

V e r b r e i t u n g des Regenfe1dbaues von H a n s B o b e k .

in

Iran

1: Trockengrenze des Regenfeldbaues. 2 : Hypothetischer Verlauf der Trockengrenze des Regenfeldbaues. 3. Feuchtlandwirtschaft im natürlichen Bereich des kaspischen bzw. kolchischtranskaukasischen Feuchtwaldes. 4 : Regenfeldbau im natürlichen Bereich des halbfeuchten Eichen-WeißbuchenAhorn-Mischwaldes. 5: Regenfeldbau im natürlichen Bereich des Zagros-Eichenwaldes und des Eichen-Wacholderwaldes Nordwestirans und Ostanatoliens. 6: Regenfeldbau im natürlichen Bereich des Wacholderwaldes. 7: Regenfeldbau im natürlichen Bereich der Pistazien-Mandel-Ahorn-Hainsteppe („Übergangsregion"). 8: Natürlicher Bereich der Pistazien-Mandel-Baum- und -Strauchfluren. 9: Natürlicher Bereich der Baum- und Strauchfluren des Garmsir (saharosindische Florenelemente). 10: Steppen, Halbwüsten und Wüsten. Außerhalb Irans: Meist unbearbeitet. 11: Golfküstenregion mit sporadischem Regenfeldbau. 12: Kawire (Salz-Ton-Wüsten). 65) H. B o b e k : A. a. O. 1950.

Zeichenerklärung siehe gegeni

Tafel I

Die Verbreitung des Regenfeldbaues in Iran, entworfen von Hans B o b e k

gegenüberstehende Seite unten!

T a f e l II

Abb. 1: Von R e g e n f e l d e r n bedeckte B e r g l a n d s c h a f t um die sassanidische RuinenStätte T a k h t - e S u l a i m a n in N W - I r a n in 2000—2300 m. (Aus E. F . Schmidt: F l i g h t s over ancient Cities of I r a n , 1940, T a f e l 87).

Üy

Anfn. H.

lJobck

28. 9. 1934.

Abb. 2: R e g e n f e l d b a u l a n d s c h a f t im G e b i r g s z u g sw. K e r m a n s h a h ( n a t ü r l i c h e s E i c h e n w a l d g e b i e t des Z a g r o s g e b i r g e s ) . Dunkel erscheinen die f r i s c h u m g e b r o chenen Feldblöcke. Typische Siedlung von kurdischen H a l b n o m a d e n : Links vorne das W i n t e r d o r f , im H i n t e r g r u n d die s o m m e r ü b e r b e n u t z t e Zeltsiedlung, die sich nun wieder dem Dorf g e n ä h e r t h a t ; dazwischen der a u s g e d e h n t e Dreschplatz.

Tafel III

A u f n . H . B o b c k 22. 6. 1934.

Abb. 3: Die höchstgelegenen Trockenfelder am Sahand (3696 m, Azerbeidjän) in 2800 m. Brachbearbeitung.

A u f n . II. Bobok 7. 8. 1934.

Abb. 4: Trockenfelder auf den Berghängen um die bewässerte Flur von Dizän (Oberes Talaghän-Gebiet, Elburzgebirge) in 2200—2500 m, im Bereich des natürlichen Wacholderwaldes.

Tafel IV

A u f n . II. Bobok 11. S. 1931.

Abb. 5: Trockenfeld, halbgeerntet, an den Hängen des Asalak-Berges bei Mehrän (Oberes Talaghangebiet, Elburzgebirge) in rd. 2500 m. Beachte den schütteren Stand des Getreides zwischen natürlichem Steppenwuchs, bzw. reicher Brachfeldvegetation. Rechts Abspülungsfläche.

A u f n . H . B o b e k 11. 8. 1934.

Abb. 6: E r n t e im Trockenfeld. Asalak-Berg bei Mehrän, Oberes Talaghangebiet, Elburzgebirge, rd. 2500 m. Das Unkraut besteht hauptsächlich aus Sophora alopecuroides.

Die Raxlandschaft in den östlichen Gailtaler Alpen. Von Elisabeth Czermak. Die östlichen Gailtaler Alpen sind bisher in einem Maße morphologisch t e r r a incognita geblieben, wie es in Österreich bereits selten ist. Durch das Drautal im N und E, das Gailtal im S und das Gitschtal im W klar begrenzt, umfassen sie geologisch und morphologisch mannigfaltige Gebiete 1 ). An den östlichen Eckpfeiler zwischen Drau und Gail, die Villacher Älpe, lehnt sich im W die Karbonscholle des Nötscher Mittelgebirges an, ein Fremdkörper in der umgebenden Trias. Sie wird von der stark verschuppten Isoklinalkette des Spitzegels abgelöst. Diese g r ü ß t zur nördlich des Weißensees und Weißenbachtales gelegenen, ähnlich gebauten Latschurgruppe hinüber, welche mit der kristallinen Goldeckgruppe zu einer orographischen Einheit verwachsen ist. Zwischen diesen über 2000 m erreichenden Bergketten und -stocken liegen die Schneiden und Rücken des Kobesnocker Mittelgebirges (wie ich es nach seiner höchsten Erhebung nennen möchte). Als pyramidenförmige Berggestalt im K l a g e n f u r t e r Becken weithin sichtbar, hinterläßt die Villacher Alpe von jeder Seite einen ganz anderen Eindruck. Von der Goldeckgruppe aus betrachtet, r a g t sie als gezackte Schneide gegen den Himmel; mächtige, von Schutthalden verhüllte Wandabstürze bietet sie dem Beschauer vom S. In breit hingelagerten S t a f f e l n schiebt sie sich an Villach heran. Die unterste F l u r des P u n g a r t , in 900—1000 m, dacht sich leicht nach N ab. K a r s t f o r m e n mannigfacher A r t , die teilweise von der Grundmoräne des Ferngletschers begraben wurden, lösen die Fläche in ein äußerst unübersichtliches Gewirr von rückläufig gewordenen Muldentälern auf, die durch 40—50 m hohe Kuppen und Rücken voneinander getrennt werden. Dieses ausgedehnte Plateau setzt sich in 900 m, nördlich der breiten Einmuldung der Vellach, in der Heiligengeister Verebnung f o r t , die eindeutig als alter Talbodenrest zu erkennen ist. Ihr Gegenstück bilden jenseits des Weißenbachgrabens die obersten Terrassen von Kadutschen. Mit einem durchschnittlichen Böschungswinkel von 16° schwingt sich der Hang, von einem kleinen Absatz in 1160 m unterbrochen, zur nächsten F l u r empor, die sich zwischen 1240 und 1300 m ausdehnt. Eine höhere, breite, stellenweise völlig ebene Fläche erstreckt sich in 1500 m. Ein stärker aufgelöster und im einzelnen getreppter Abfall von 11° f ü h r t zur Verebnung in 1700 m hinauf. Auffallend steil und geradlinig, durch seichte Mulden n u r wenig gegliedert, steigt dann im W der 200 m hohe, im unteren Teil steil konvexe H a n g zur ebenen Gipfelkuppe des Höhenrains auf. Bei der Bleiberger Alpe (Kote 1795 m) t r i t t der Formenunterschied zwischen dem östlichen und westlichen Abschnitt der Villacher Alpe deutlich in Erscheinung. Auf den öst!) Auf einen ausführlichen Überblick über die Topographie und Geologie muß aus Platzmangel verzichtet werden.

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liehen Hochflächen überschreitet die relative Höhe nirgends 50 m, und die unregelmäßige F o r m u n g wird wesentlich durch das Karstphänomen bestimmt. Im W h a t sich dagegen eine alte Kuppenlandschaft mit viel bedeutenderer Reliefenergie erhalten (Dobratschgipfel—Bärengraben 350 m Höhenunterschied auf eine Horizontaldistanz von 1200 m ) . Der Dobratschgipfel beschließt im W als höchste und westlichste Kuppe die Reihe vom Höhenrain über den Zwölfernock. N. L i c h t e n e c k e r 2 ) hat schon in seiner Länderkunde Österreichs auf diese Kuppenlandschaft hingewiesen und sie als Teil der Raxlandschaft bezeichnet, die auch „am Dobratsch in verschieden hochgehobenen Schollen verfolgt werden" kann. Über die Anzahl der F l u r e n und die A r t ihrer Verstellung h a t er sich nicht geäußert. Die „Hochflächentreppe" der Villacher Alpe h a t vor L i c h t e n e c k e r bereits J . S t i n y 3 ) , nach diesem F . H e r i t s c h 4 ) zur Annahme eines Staffelbruchsystems g e f ü h r t , ohne daß diese näher begründet, noch räumlich darüber hinausgehende morphologische Überlegungen angestellt wurden. Der in den Südwänden der Villacher Alpe aufgeschlossene Gutensteiner und Werfener Horizont k a n n als eindeutiges Kriterium f ü r die Bruchtektonik herangezogen werden. Seine Verfolgung zeigt — ich kann hier auf die Einzelheiten nicht eingehen, — daß entlang von Querbrüchen, die von Gräben m a r k i e r t werden, zumindest vier ostwärts gekippte Schollen bis zu 150 m gegeneinander verstellt wurden, wobei der östliche Block jeweils gegenüber dem westlichen etwas herausgehoben wurde. Die Kuppenlandschaft zieht jedoch ungestört über diese Brüche hinweg — mit einer einzigen Ausnahme, nämlich der V e r w e r f u n g , welche die 1700 m S t a f f e l vom Gipfelplateau trennt. Möglich ist auch, daß die Anlage des Bärengrabens auf der Kuppenlandschaft tektonisch vorgezeichnet wurde. Bei den östlichen Fluren sind Störungen mit so großer Sprunghöhe nicht mehr festzustellen, da das Liegende des Wettersteinkalkes unter den postglazialen Bergsturzablagerungen verschwindet. Diese geologisch nachweisbaren Brüche haben somit f ü r die Hochflächentreppe im allgemeinen keine Bedeutung, und es ist unrichtig von Bruchstaffeln zu reden. Gegen junge Brüche größerer Sprunghöhe spricht außerdem die relativ s a n f t e Böschung der Stufenstirnen, die 16° nie überschreitet, meist aber nur 10—12« beträgt. Damit soll nicht bestritten werden, daß der Wettersteinkalk der Villacher Alpe von zahlreichen Verwerfungen und Klüften durchzogen wird. Ein Aufstieg durch den Alpenlahner zeigt in den Karwänden eine Reihe von teilweise parallelen V e r w e r f u n gen, an denen die Schichtpakete um 20—40 m gegen den Bleiberger Graben hin gesenkt wurden. Ich nehme daher an, daß die S t a f f e l u n g der Villacher Alpe n u r insofern bruchtektonisch bedingt ist, als die Spannungen zwischen den in Hebung begriffenen Gebieten und dem zurückbleibenden K l a g e n f u r t e r Becken durch Abbiegungen und Verwerfungen geringer Sprunghöhe in d e r Zone ausgeglichen wurden, in welcher die beiden Bewegungstendenzen zusammenstießen. E s ist möglich, daß hierbei ältere Störungen gelegentlich wieder aufgelebt sind, dies muß jedoch keineswegs immer der Fall gewesen sein. 2 ) N. L i c h t e n e c k e r : In Klute, Hdb. d. Geogr. Wiss., Bd. Mitteleuropa, Potsdam 1935, S. 101. 3 ) J . S t i n y : Zur Geologie der Umgebung von Warmbad Villach. JbGBA 87, 1937, 57—110. 4 ) F. H e r i t s c h : Die Südalpen. In S c h a f f e r , Geologie der Ostmark, Wien 1943, S. 149.

Die Raxlandschaft in den östlichen Gailtaler Alpen.

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Die große F r a g e ist nun, wie verhält sich das übrige Gebiet der östlichen Gailtaler Alpen zu den S t a f f e l f l u r e n der Villacher Alpe, die soeben durch die etappenweise Höherschaltung des Gebirges e r k l ä r t wurden? Im N steigen Latschur- und Goldeckgruppe zu u n g e f ä h r gleicher Höhe auf wie der Dobratsch. Die erstere ist in ihrem Formenschatz mit der Spitzegelgruppe zu vergleichen, in ihrem zentralen Bereich haben sich keine Flachformen erhalten. Dagegen zeigen die flachen Mügeln der Goldeckgruppe, die auf einem breiten Rücken aufgesetzt sind, unter dem allseits ein Steilrelief beginnt, eine deutliche Verwandtschaft mit den Kuppen des Dobratschgipfelplateaus. N u r teilweise sind durch die glaziale Ausgestaltung der hochgelegenen Quellmulden zu Karen schärfere Hangprofile entstanden. Dieselbe Flachlandschaft, wie sie die östlichen S t a f f e l n der Villacher Alpe kennzeichnet, nimmt auch die Höhen der Erhebungen ein, die zwischen der Goldeckgruppe und der Erzbergkette das D r a u t a l begleiten und dem Kobesnocker Mittelgebirge angehören: auf dem Altenberg in etwas über 1200 m, auf dem Kellerberg in u n g e f ä h r 1160 m und auf der Pöllaner Höhe in über 900 m. Auf dem im Herzen des Kobesnocker Berglandes gelegenen Wiederschwing hat sie sich in 1620—1640 m erhalten. Ein ähnlich kleinkuppiges Gelände bestimmt auch die Höhen des Spitzegelzuges nördlich vom Gitschtal im Bereich der Naggleralm in 1320—1350 m und um den Hühnernock in 1400 bis 1450 m. Die Altlandschaft zieht auch hier über s t a r k aufgerichtete Schichten und endet allseits über steilen Hängen. Im Steilrelief u n t e r der Kuppenlandschaft sind im Kristallin zahlreiche und o f t gut verfolgbare Leisten eingeschnitten, welche die Hänge deutlich horizontal gliedern, im Kalk dagegen sind sie spärlich, fehlen o f t völlig und liegen weit auseinander. Das rostförmige Talnetz mit seinen zahlreichen Flußverlegungen, Strunkpässen und Trockentälern erschwert die Feststellung zusammengehöriger Fluren gleichfalls. Ein Teil des Gebietes, die Isoklinalkette des Spitzegels mit ihren Schichtterrassen sowie das durch selektive Erosion und Denudation tiefergelegte Nötscher Bergland scheiden von vornherein aus. Bei einer Berücksichtigung aller dieser Schwierigkeiten zeigt eine Übersicht über die Verebnungsreste folgendes: In den Formen auffallend übereinstimmende Kammf l u r e n liegen in 1700—1750 m, durch einen Steilhang vom eigentlichen Gipfelbereich getrennt, u. a. in der Goldeckgruppe. Ausgedehnte Verflachungen in 1500 m begleiten das Drautal a u f w ä r t s , ziehen mit breiten Leisten in das Weißenbachtal hinein und verzahnen sich mit der Kuppenlandschaft des Wiederschwinges. Im Hintergrund der Täler der Latschur- und Goldeckgruppe sind Leisten und Gesimse über 1500 m als Reste alter Talböden erhalten. Weiter verbreitete Einebnungen gruppieren sich um die 1200 m Isohypse, obwohl auch hier, ähnlich dem Plateauteil der Villacher Alpe, eine tiefere Leistenfolge in etwa 1160—80 m von einer über 1230 m gelegentlich getrennt werden kann. Als schöner Talsohlenrest wäre in den Südwänden der Villacher Alpe die Kanzel zu erwähnen ( U n t e r r a n d in 1180 m). Die Fluren zwischen 900—1000 m sind dann im wesentlichen bereits auf das D r a u t a l und den unteren Abschnitt der Seitentäler beschränkt. Ein gleiches gilt f ü r die tieferen Terrassen in 40, 60, 80, 100—110, 160—180, 220—240 und 300 m relativer Höhe, die mit der rezenten Schottersohle der Drau f l u ß a b w ä r t s divergieren (570 m bei Oberdrauburg auf 490 m bei Villach). Festschrift Jobann Solch.

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Dieser Überblick hat gezeigt, daß Reste der Kuppenlandschaft in derselben Ausbildung wie auf den östlichen Hochflächen der Villacher Alpe in einem Streifen das Drau- und Gitschtal begleiten und sich hier in tiefer Lage erhalten haben. Daraus ergibt sich, daß dieser Raum erst später in die Hebung des Gebirgskörpers einbezogen wurde. Die tiefe Lage der Kuppenlandschaft auf dem Wiederschwing gegenüber den südlichen und nördlichen Berggruppen, sowie die mit den östlichen Staffeln vergleichbaren Formen deuten ferner darauf hin, daß im Raum des Kobesnocker Berglandes die Raxlandschaft geringere Höhen aufwies als in den nördlichen und südlichen Gebieten. Hier erstreckte sich eine Einwalmungszone, die im E durch die tektonische Linie, welcher schon damals das Drautal folgte, schräg abgeschnitten wurde. Nach W setzte sie sich, wie die Flächen im N des Reißkofels zeigen, drautalaufwärts fort. Dieser Senkungsstreifen blieb auch noch zur Zeit der Hebung der 1700 m Fluren gegenüber den Nachbargebieten zurück. Darauf weisen die genannten Einflächungen hin, die heute über den Kuppen des Wiederschwings liegen. Erst das 1500 m-Niveau ist mit diesen verzahnt. An der Entstehung der Großfaltenmulde dürfte im S die Verwerfung beteiligt sein, die den N-Hang der Spitzegelgruppe durchzieht und durch einen Aufbruch von Grödener Sandstein gekennzeichnet ist. Die Abbeugung der Schichten der Latschurgruppe nach S spricht gleichfalls für diese Hypothese. Auch die weitere Höherschaltung des Gebirges vollzog sich dann noch zusammen mit randlichen Abbiegungen gegen das Drautal hin. Die draunahen Teile der Altlandschaft wurden erst nach der Phase tektonischer Ruhe, in der das 1200 m Niveau entstand, in die Aufwärtsbewegung einbezogen, der Altenberg entlang einer Flexur, der Kellerberg längs einer Verwerfung. Die Pöllaner Höhe wurde sogar erst von der Hebung der 900 m-Flur ergriffen. Diese besprochene Kuppenlandschaft ist, wie die Untersuchungen in den nördlichen Kalkalpen ergaben, aus einer älteren Landschaft mit einem anderen Gewässernetz entstanden, deren Flüsse Quarzschotter hinterließen, die bekannten Augensteine. Wie steht es mit den Bohnerz- und Augensteinfunden in den östlichen Gailtaler Alpen? Bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat K. P e t e r s 5 ) , was inzwischen in Vergessenheit geraten ist, Bohnerze östlich der Dobratschgipfelhütte gefunden und auf die Analogie mit den von Ed. S u e ß im Dachsteingebiet erwähnten Vorkommen aufmerksam gemacht. Auf meinen Begehungen in den Sommern 1947 und 1948 konnte ich nun nicht nur weitere zahlreiche Fundorte von Bohnerzen feststellen, sondern auch erstmalig Augensteine auflesen, die infolge ihrer Kleinheit sich bisher der Beobachtung entzogen hatten. Der eine Fundplatz liegt in 1740 m auf der erwähnten Staffelflur, der andere jedoch direkt auf einer unbenannten Kuppe der Altlandschaft (Kote 2030 m), die unmittelbar dem Dobratschgipfel benachbart ist. In diesem Zusammenhang möchte ich bemerken, daß ich auch erstmalig Bohnerze in der Spitzegelgruppe finden konnte, und zwar am Südhang des Möschacher Wipfels in 1700 m. Das ist ein Hinweis darauf, daß auch hier in den höchsten Teilen dieses Isoklinalzuges Reste der Raxlandschaft, wenn auch stärker umgestaltet als auf der Villacher Alpe, vorliegen. 5 ) K. P e t e r s : 7, 1856, S. 67.

Die Umgebung von Deutschbleiberg in Kärnten. JbGBA

Die Raxlandschaft in den östlichen Gailtaler Alpen.

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Z u s a m m e n f a s s u n g : Die Augensteine deuten darauf hin, daß, wie die Funde am Hochobir und in den Steiner Alpen bereits annehmen ließen, der Zentralalpenkamm schon in der Augensteinlandschaft die Hauptwasserscheide trug. Die Drau kann auf dieser Flachlandschaft u n g e f ä h r in der Richtung der heutigen Möll—Draulinie schon als Geröllschütter f u n g i e r t haben. Wenn man die Augensteine mit den Quarzgeröllen, die im Hangenden der Kohlenflöze von Eisenkappel und Lobnig am Nordrand der Karawanken a u f t r e t e n 6 ) , parallelisiert, dann ist die Augensteinlandschaft ins Helvet zu stellen, ebenso wie dies N. L i c h t e n e c k e r 7 ) f ü r die nordöstlichen Kalkalpen angenommen h a t . Die Hebung und Zerstörung der Augensteinlandschaft ging auch in den östlichen Gailtaler Alpen in Verbindung mit Aufwölbungen und Einwalmungen vor sich. Dabei wurde die west-östliche Einmuldung — das heutige Kobesnocker Bergland — von einer N—S gerichteten Aufbiegung im Räume Spitzegel—Laka— Latschur unterbrochen. Die südliche Hebungsachse wird durch den Spitzegelzug und die Villacher Alpe gekennzeichnet. Die nördliche Aufwölbung in der Goldeck- und Latschurgruppe vollzog sich mehr domförmig, worauf das radiale Gewässernetz zurückgeht. Dieser Großfaltenwurf wirkte bis zur Ausbildung des 1500 m-Niveaus nach. Die Unterbrechungsphasen der Hebung werden durch die S t a f f e l f l u r e n der Villacher Alpe repräsentiert, die Teile einer einst einheitlichen Altlandschaft, nämlich L i c h t e n e e k e r s Raxlandschaft, darstellen. Diese h a t sich auch in einem Senkungsstreifen längs dem Drau- und Gitschtal lange in tiefer Lage erhalten und wurde erst später, teils an Flexuren teils an Brüchen, in die Höherschaltung des Gebirges einbezogen. So ist es möglich, daß einerseits jüngere Verebnungen lokal über der Raxlandschaft liegen, andererseits sich Reste derselben mit Erosionsterrassen zu mehreren Niveaus in 1700, 1500, 1200 und 900 m verbinden. Dabei kann f ü r die Hochflächen der Villacher Alpe angenommen werden, daß diese bei der Ausbildung des jeweiligen Niveaus bis zu einem gewissen Grad d a f ü r die lokale Erosions- und Denudationsbasis gebildet haben. Es ergibt sich f e r n e r , daß der Senkungsraum des K l a g e n f u r t e r Beckens einst weiter nach W gereicht hat, und daß im L a u f e der Hebung des Gebirges die Tiefenzone des Drautales, die sich noch heute im Lurnfeld ausweitet, wie auch die des Gitschtales, allmählich eingeengt wurden. Seit der Ausschaltung des 1200 m-Niveaus erfolgte die Hebung im wesentlichen en bloc. Wie die Einflächungen der Sattnitz und die Verebnungen, welche das Klagenf u r t e r Becken umsäumen, beweisen, wurde seit der Hebung des 900 m-Niveaus, mit Ausnahme kleiner Senkungsfelder, wie des Villacher Beckens, das Klagenf u r t e r Becken selbst zum Großteil in die Hebung einbezogen. Manuskript abgeschlossen F r ü h j a h r 1950.

F r . K a h l e r : Karawankenstudien II. Zbl. f. Min. B. 1929, 247. ) N. L i c h t e n e c k e r : Beiträge zur morpholog. Entwicklungsgeschichte der Ostalpen. I. Die nordöstl. Alpen. G. Jber. a. Österr. XIX, 1938, S. 77 f. 7

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Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge. Von Gustav Götzinger. Mit 2 Tafeln. Im Vergleich zu den Flyschlandschaften von Ober- und Niederösterreich sind einige andere Züge dem Bild der Salzburger Flyschlandschaft eigen. 1. Wohl ist die Gesteinszusammensetzung eine ganz ähnliche, ganz f e h l t nur der f ü r die Wienerwaldbergzüge so charakteristische eozäne Greifensteiner Sandstein; aber der tektonische Rahmen, den bei dem Salzburger Flysch gegen Norden die Schuppe der helvetischen Zone im Oichtener und Trumerseen-Gebiet bildet, ist weiter östlich nicht mehr so deutlich, meist bloß in Rudimenten erkennbar und fehlt meist gänzlich, zumindest im oberflächlichen Ausbiß, so daß dort die Flyschzone direkt an den Schlier des Alpenvorlandes herantritt, diesen tektonisch beeinflussend. Die aus Bayern herüberstreichende helvetische Zone hat oberflächlich nur scheinbare Lücken im Salzburgischen infolge der Bedeckung durch jüngere, vornehmlich q u a r t ä r e Aufschüttungen. Aber sie ist im erwähnten Gebiet so sehr mit dem Flysch tektonisch und auch zum Teil orographisch verschweißt, daß eine Mitbetrachtung derselben in der folgenden Studie gerechtfertigt erscheinen mag. Sie f ü h r t , wie vorausgenommen sei, andersartige Mergel, Tone, Tonschiefer, Sandsteine, Kalksandsteine und Kalke, auch oberkretazischen und eozänen Alters. 2. Die Salzburger Flyschzone ist am meisten durch die eiszeitliche Erosion und Akkumulation beeinflußt worden, während bekanntlich die Vergletscherungen weiter gegen Osten abnahmen und die Talgletscher in den Gebirgstälern steckengeblieben sind. Die morphologische Analyse scheidet daher die von den eiszeitlichen Gletschern nicht mehr beeinflußten Flyschberge und Berggruppen, Nunatakr, welche die eiszeitlichen Gletscher ü b e r r a g t haben, von den Formengruppen der glazialen Erosion im Flysch und der glazialen und fluvioglazialen Aufschüttungen zwischen den Flyschdurchragungen überhaupt. Daraus ergibt sich 3. daß die Salzburger Flyschzone im Gegensatz zu den ober- und niederösterreichischen Zonen in Einzelberge und isolierte Berggruppen aufgelöst erscheint. Orographisch fehlt also f a s t ganz (mit Ausnahme des Tannberges) die zonare Anordnung der auf längere Strecke verfolgbaren Bergkämme und der Längstalzüge, die sonst sehr h ä u f i g dem Schichtstreichen angepaßt sind. J a , trotz des im allgemeinen west-östlichen Schichtstreichens erscheinen manche Berggruppen eben unter dem Einfluß der von zwei Flanken wirksam gewesenen eiszeitlichen Erosion als Querrücken, wofür die Haunsberg- und die Kolomannsberg-Gruppen gute Beispiele bieten. Gliederung der morphologischen Analyse. Die Flyschberge, die durch die Vergletscherung bewirkten Erosionsformen und die an anderen Stellen erfolgten Aufschüttungsformen können daher räum-

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge.

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lieh gegliedert werden nach dem Verlauf und der Eisausbreitung des eiszeitlichen Salzachgletschers und des westlichen Zweiges des Traungletschers, der gerade noch in die Salzburger Flyschzone eintrat (Fuschlseer, Thalgauer und Zellerseer Zweig). Auch beim Salzachgletscher erfolgt die Gliederung räumlich nach den fingerartig sich anordnenden Zweigfurchen, die vom Stammbecken von Salzburg ausstrahlen. Da die Westumrahmung des Salzburger Stammbeckens auch von Flyschberggruppen gebildet wird, welche unter dem Einfluß des mit dem Salzachgletscher verschweißten Saalachgletschers standen, werden diese in Bayern gelegenen Berggruppen (Aufhamer-, Frauenwald und HöglBerge) auch hier in den Kreis der Betrachtung gezogen. Auch sie haben, wie das übrige Gebiet des Blattes Salzburg, durch den Verfasser eine mehrjährige geologische Bearbeitung e r f a h r e n 1 ) . Einige Grundzüge der Geologie der Salzburger Flysch- und helvetischen Zone. D i e F l y s c h z o n e : Gesteinshärte, Gesteinsweichheit sind natürlich auch hier maßgebende Faktoren besonders f ü r die Kleinformung. Von einigen Aufbrüchen der Unterkreide (Kalke, Kalksandsteine, kieselige Sandsteine, Quarzite mit Tonschiefern und Mergeln, Neokom und Gault umfassend, z. B. Tannberg) („Tristelschichten", vergleichbar mit den Wolfpassinger Schichten des Wienerwaldes), besonders am Nordrand der FlyschaufSchiebung auf die helvetische Zone abgesehen, bietet der Salzburger Oberkreideflysch bei einer Mannigfaltigkeit von verschiedenartigen Schichtbänken doch in der Gesamtheit eine gleichartige Gesteinsvergesellschaftung, die aus Kalksandsteinen und Mergeln (mit den bekannten Chondriten, Helminthoideen und anderen Lebensspuren), Mürbsandsteinen, Mergelschiefern und Tonschiefern besteht. Wie grobkörnige und brekziöse Lagen, geben Schichtbänke mit gewissen Lebensspuren, Hieroglyphen oder Konkretionen, sogenannte Mugelbildungen, Wellenfurchen u. dergl. wohl Leithorizonte ab. Es besteht im großen und in der Gesamtheit die Gliederung zurecht, daß die nördlichen Zonen der Oberkreide reicher an Kalksandsteinen und kieseligen Sandsteinen und Sandsteinen bei Zurücktreten der Mergel, die südlichen Zonen hingegen reicher an Mergel sind bei Zurücktreten der Sandsteine. Wie im Wienerwald ist die Fazies der Altlengbacher Schichten ( = Piesenkopfschichten von Bayern) unterscheidbar von der Fazies der mergelreichen Kahlenbergerschichten ( = Zementmergel von Bayern). Diese beiden Fazieszonen bilden wohl wie im Wienerwald je eine Schuppe. Auf Einzelheiten der Schuppung, bzw. Entwicklung von Teildecken braucht hier nicht eingegangen werden, zumal solche tektonische Linien morphologisch nur dann von Bedeutung sind, wenn an ihnen Gesteine verschiedener Beschaffenheit, bzw. Härte aneinander stoßen. Offene Faltung bei Bildung von Anti- und Synklinalen ist häufig wahrzunehmen. Eine Eigentümlichkeit ist die Zickzackfaltung, welche durch das Untertauchen oder Emporheben von Antiklinal- oder Synklinalachsen, gelegentlich auch unter Mitwirkung von Querstörungen, erzeugt wird. Querstörungen treten auch in der Salzburger Flyschzone auf. Teils bestehen sie in schrägen Verwerfern, teils auch in horizontalen Verschiebungen. Über die morphologische l

) Das geologische Kartenblatt Salzburg West 1 : 50 000 ist in Ausdruck.

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Gustav Götzinger.

Bedeutung der Querstörungen gilt ähnliches wie bei den Schuppengrenzen und Überschiebungslinien; nur bei wesentlicher Gesteinsunterschiedlichkeit werden sie morphologisch von Bedeutung. D i e h e l v e t i s c h e Z o n e : Die helvetische Zone ist am Nordsaum des Flysches mit diesem derart verschweißt, daß ältere Autoren die Gesteine der helvetischen Zone als im normalen Schichtverband mit dem Flysch befindlich ansahen. Neuere Untersuchungen und Kartierungen haben die Selbständigkeit dieser Zone und ihren eigenen, vom Flysch getrennten ursprünglichen Sedimentierungsraum kennen gelehrt. Die Gesteine der helvetischen Zone sind in der Oichtenfurche an deren Ostflanke und im Gebiet der Trumer Seen gut aufgeschlossen. E s sind f a s t durchaus weiche, wenig widerstandsfähige Gesteine mit Ausnahme des Lithothamnienund Nummulitenkalkes und -Kalksandsteines. Die Schichtfolge u m f a ß t die Oberkreide und das Eozän, aber in einer vom Flysch verschiedenen Fazies. Die Schichten sind denen der helvetischen Zone von Bayern vollends analog und sind wie diese durch bezeichnende Fossilien charakterisiert. Zu Unterst liegen die L e i s t m e r g e l , dunkelrote Mergel (des Campan), dann folgen durch Übergänge verbunden die P a t t e n a u e r Mergel (Ober-Campan), graue, feinsandige Kalkmergel und gelegentlich dünngebankte Fleckenmergel. Gute Aufschlüsse sind bei Nußdorf im Graben W N W und S von Kletzenberg, im Teufelsgraben nahe der Doppelmühle, westlich des Obertrumer Sees und am Nunerseeberg bei Mattsee. Sie werden überlagert von den G e r h a r d t s r e u t e r Schichten (oberes Campan und Maastricht), schwarze bis dunkelgraue Mergelschiefer mit Glaukonitsandstein-Konkretionen. Sie sind ausgezeichnet aufgeschlossen südlich von Nußdorf im Graben von Mühlhäusl, in den Gräben von Waidach, Oiching und im unteren Teil des Kroisbaches. Die Gerhardtsreuter Schichten gehen in das Paleozän ( S t u f e des T h a n e t ) über, dunkle Tonschiefer und schwarze Mergel, die h ä u f i g Rutschungen auslösen. Aufgeschlossen sind sie im Graben von Kroisbach und im Teufelsgraben unterhalb der Grubmühle. Das Hangende bildet das Eozän (Stufe des L u t e t ) , das eine große Mannigfaltigkeit der Sedimente aufweist: auf kompakte Lithothamnienkalke folgen helle Quarzsande, dann Numinuliten-Kalksandsteine und Kalke mit Bohnerzen (sogen. Roterz), auch dunkle Kalke mit Eisen-Oolithen (sogen. Schwarzerz); glaukonitische Kalkmergel leiten über zum sogenannten Stockletten, einem massigen, graugrünen Kalkmergel. Das Eozän ist ausgezeichnet bei St. Pankraz, im Teufelsgraben und bei Mattsee entwickelt. Die Stockletten beobachtet man in typischer Entwicklung bei Seeham. Alle diese Gesteine sind mürbe und weich mit Ausnahme der Lithothamnien- und Nummulitenkalke und Kalksandsteine, welche gegenüber den weichen Gesteinen umso mehr herauswittern und Wandformen, im Teufelsgraben Wasserfälle verursachen. Tektonisch bilden die Gesteine der helvetischen Zone des westlichen und östlichen Haunsberggebiets eine breite asymmetrische Mulde mit steiler Schichtstellung und Schuppung im Muldenkern, während die Nordflanke flaches Einfallen zeigt. Der dagegen stark gefaltete Flysch ist an einer Überschiebungslinie gegen die helvetische Zone geschoben worden. Die steilstehenden Schicht-

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge.

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rippen bei St. Pankraz bestehen aus Lithothamnien- und Nummulitenkalken, zwischen denen weichere Sande oder Tonschiefer ausgeräumt worden sind. In den von der Oichten bis zum Niedertrumer See verfolgbaren streichenden Zonen treten auch Querstörungen auf. Eine solche ist z. B. direkt in Mattsee zu beobachten, indem die Rippe des Nummulitenkalkes des Schloßberges gegen die Rippe des Wartsteins entlang einer WWN gerichteten Querstörung etwas verschoben ist. In der Salzburger Flyschzone sind aber auch Spuren einer südlichen helvetischen Zone vorhanden, in dem Rest des eozänen Nummulitenkalkes beim Hochstein am Heuberg. Im Profil nördlich des Traunsteins über Gmunden hinaus ist der Flysch gleichfalls von einer nördlichen (Oberweis) und südlichen (Gschliefgraben) helvetischen Zone umrahmt; es handelt sich offenbar um Aufschuppungen des Untergrundes nebst einer Überschiebung und Zusammenfaltung des Flysches. Weiter gegen den Südrand gegen die Kalkalpen zu, scheinen in deren Nordflanke unter dem Hochstaufen, Gaisberg und Schober Reste von einer weiteren schmalen Schubdecke, welche als bajuvarische bezeichnet wird, auf. Flyschberggruppen, Allgemeines. Wenn durch die Tektonik im allgemeinen streichende Elemente des Gebirges erzeugt wurden, so hat die Erosion die tektonischen Zusammenhänge auseinandergerissen und wie erwähnt, isolierte Berge und Berggruppen geschaffen. Die Auflösung in Gruppen ist deutlich hervorgehoben durch die Furchen und Aufschüttungen der letzten Eiszeit. Es ist aber sicher, daß die Gletscher der älteren Eiszeiten in ähnlichem Sinn gewirkt haben und daß wohl auch schon eine präquartäre Anlage bestanden hat durch Talrichtungen quer auf die Flyschzone alpenauswärts. Als nach der letzten großen Alpenfaltung an der Grenze Oligozän-Miozän und Nachschubbewegungen im Mittelmiozän die späteren, besonders in den Kalkhochalpen ausgezeichnet erhaltenen ausgedehnten Verebnungsflächen entstanden, mögen sich diese auch über die damalige Flyschzone erstreckt haben. Da aber die Hauptverebnungsflächen eine spätere Hebung, und zwar alpeneinwärts stärker, erfahren haben, liegen die zu den Kalkhochalpen korrelaten Verebnungsflächen im Flysch an und f ü r sich tiefer. In Bezug z. B. auf die Verebnungsfläche auf dem Gaisbergplateau (1286 m) wären im Flysch nordwärts Verebnungsflächen noch um 1000 m Höhe zu erwarten. Reste der letzteren mögen im Gipfelniveau der Kolomannsberg-Gruppe (Große Plaike 1032 m, Kolomannstaferl 1017 m, Kolomannsberg 1115 m) sich erhalten haben. Die nächsten höheren Berge, wie der Irrsberg (886 m) und der eine ähnliche Höhe einhaltende Haunsberg (833 m) enthalten vielleicht noch Rudimente von zugehörigen Verebnungsflächen. Infolge der vornehmlich postmiozänen Hebungen schnitten dann die Flüsse in die Altflächen stärker ein. [Im Vorland kam es zu lebhafter Schotteraufschüttung schon im Mittelmiozän (kleinkiesige Schotter an der Ostflanke der Oichten sowie am Wachtberg gegenüber Nußdorf). Diese Schotter enthalten noch marine Fossilien.] Noch jünger sind die sehr mächtigen fluviatilen KobernaußerwaldSchotter ( = Hausruckschotter).

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Die präquartären Täler wurden dann von den Gletschern der ersten Eiszeit benützt und ausgeweitet. Da aber der Salzachgletscher während der Mindeleiszeit noch größer war als während der Riß- und Würmeiszeit, mußte schon der Mindelgletscher eine gewaltige ausschürfende Tätigkeit entfaltet haben. Aus der Lage seiner Endmoränen am Adenberg im Innkreis muß mit einem ganz gewaltigen Eisfächer gerechnet werden. Damals mochte die Hauptanlage in der Trennung der Berggruppen und der Hauptfurchen zwischen diesen geschaffen worden sein, zumal anzunehmen ist, daß das Strömungssystem der Gletscher der einzelnen Eiszeiten bei gleichem Einzugsgebiet ein ähnliches gewesen ist wie beim Würmgletscher, der im großen die heutige morphologische Großgestaltung bewirkte. Flyschberggruppen im einzelnen und deren morphologischer Charakter. Die Flyschberge links der Saalach, nördlich vom Hochstaufen (1773 m), gliedern sich infolge des Beckens des eiszeitlichen Saalachgletschers: AufhamAnger (Stoisser Ache) in den Aufhamer- und Frauenwald (über 1000 m Höhe ansteigend) einerseits und in die Höglberge (829 m) andererseits. A u f h a m e r - u n d F r a u e n w a l d : Der Flysch bietet die normale Vergesellschaftung von Mergeln, Kalksandsteinen, auch kieseligen Mergeln und Mergelkalken der Oberkreide; einige Zonen von Mürbsandsteinen schalten sich ein und bilden die größte Höhe des Frauenwaldes (1045 m). Die Schichten streichen W—O bis WSW—ONO und setzen sich jenseits des genannten Zweigbeckens in die Höglberge fort. Außerhalb der Bedeckung der NO-Flanke gegen das Becken zu durch Moränen weisen die Flyschhänge mehrfach Rutschungen (z. B. Unterberg, S Schönberg, SO Viermann) und häufige Moorhänge auf, welche tonigen Boden bzw. Tonschiefer im Flyschuntergrund verraten (S Schönberg). Ein gewaltiger Bergrutsch ging in Oberkreidemergeln am SO-Hang des Teisenberges (1190 m) (bereits außerhalb des Kartenblattes) nieder. Das Bergsturzhaufenwerk liegt bei Rutz, Hochöd und Freyenend. Der Flysch im südlichen Aufhamer Wald gegen den Hochstaufen zu wird von den Moränen des Staufener Lokalgletschers weitgehendst überdeckt. Der Talkessel der Kochalm barg diesen Gletscher, der ostwärts gegen das Becken von Piding mächtige Moränenwälle hinterließ. Rückzugsmoränen umspannen das kleine Becken der Steiner Alm und Koch-Alm, in dessen Hintergehänge der Flysch von einer mächtigen interglazialen Brekzie überlagert wird. Die Jungmoränen des Saalachgletschers bedecken den Flyschsockel am Ostsporn des Aufhamer Waldes. Die höchsten Wallmoränen liegen hier in 900 m SH. Gehängeabwärts sind sie mehrfach gestaffelt und bilden daher Marken für das allmähliche Abschmelzen des Saalachgletschers am Ende der Würmeiszeit. Einen erratischen Riesenblock, wohl den größten des Saalachgebietes, fanden wir am Waldhang westlich des Gehöftes Unterberg (S Aufham). An der Ostflanke des Frauenwaldes hält sich die Moränenbedeckung durchweg unter 700 m Höhe. Größere Moorhänge in den Moränen beobachten wir in der Flur Irlberg bei Roithen sowie oberhalb und unterhalb von Reitmaier (S Anger). Nördlich der Stoisser Ache, die bei Anger in das Becken eintritt, liegen am Stoißberg an der SO-Flanke des Teisenberges Ufermoränen noch in 860 m Höhe.

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge.

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Das schmale Zungenbecken des Saalachgletschers wird N W von Anger von Endmoränen abgeschlossen, welche den Höglwörthersee umschließen, dessen Ausfluß im Ramsaubach bereits nach N gerichtet ist. Mit Toteislöchern besetzte Moränen legen sich bei Anger (560 m) an die dortige interglaziale Nagelfluh an, die wohl in die Mindel-Riß-Interglazialzeit zu reihen ist. Zwischen dem letztgenannten Zweigbecken von A u f h a m und Anger und dem großen Zungenbecken des Salzachgletschers erheben sich die H ö g l b e r g e (829 m ) , als ein kuppiger, im allgemeinen N W verlaufender Querrücken, der also die meist WSW—ONO streichenden Flyschschichten durchschneidet. Sie waren während der älteren Eiszeiten sicher noch eisbedeckt, da kristalline und Quarzgeschiebe noch bis 800 m SH. beobachtet werden. Bis auf eine Moränenterrasse und einen Moränenwall, der von Steinhögl (574 m) OSO bis Hinterreit (637 m) ansteigt und einem U f e r s a u m des Gletschers des Stammbeckens entspricht, ist die sonstige Moränenbedeckung gering, so daß die Steinhögl sich immerhin als eine durchschnittlich 3 km breite Flyscha u f r a g u n g darstellen. Im Flysch sind die gleichen Gesteine wie weiter im Westen und Südwesten anzutreffen. Kalksandsteine und Mergel mit Einschaltungen plattiger Mürbsandsteine bei WSW—ONO Streichen sind vorherrschend. Der m a r k a n t e „Monte Castello" (712 m ) , wie er von Einheimischen benannt wird, SO von Steinhögl, k n ü p f t sich an einen Mürbsandsteinzug, ebenso die höchste A u f r a g u n g (829 m ) . Angesichts des überwiegenden SSO-Fallens ist ein Antiklinalzug gleich N W von Büchein von Interesse. Auch bei dem S davon durchziehenden Waldrücken ( nördlich Bichlbruck) besteht ein antiklinaler Bau, der einen kleinen Flyschhöcker (472 m, SW von Hammerau) auszeichnet. In der nächsten Nachbarschaft haben wir seinerzeit einen ölausbiß festgestellt und später längere Zeit hindurch verfolgt. An der SW-, S- und NO-Flanke t r i t t der steile waldige Flyschhang morphologisch in starken Gegensatz zu Gehängeabflachungen, wohl Schlifframpen, die teils den Flyschuntergrund bloßlegen, teils von Moränen bedeckt sind. Eine breite Schlifframpe in Terrassenform zwischen 500 und 550 m Höhe ist dem Flyschsteilhang von S c h w a i g — S t . Johann (704,6 m) vorgelagert. An der NOSeite der Höglberge ist unter dem Steilhang der Flysch durch glaziale Erosion in den Gegenden von Thundorf, Bach, Rabling abgeebnet. Schlifframpen kombinieren sich hier mit Rücken, welche im Streichen des Flysches zu Rippen herausp r ä p a r i e r t sind. Zwischen Thundorf und Vachenlueg sind aber diese Verflachungen unter dem Flyschsteilhang von Grundmoränen überzogen. N W von Thundorf bei Surr W Gehring erscheinen die ersten typischen W N W gestreckten Drumlins, während der nördlich benachbarte breite Rücken zwischen der Bahn und der Ortschaft Gehring mit WNW-Verlauf bei W—O streichendem Flysch als Felsdrumlin zu bezeichnen ist, der seine Gestaltung unter dem Eise erfuhr, aber aus Flyschfels besteht. In der ausgezeichneten Drumlinlandschaft zwischen Teisendorf, dem Abtsdorfer See und Laufen streichen die Drumlins bereits NW—SO und nahe an Laufen NNW—SSO. Eine Durchragung einer interglazialen Deltanagelfluh, die der Mönchsbergnagelfluh sehr ähnlich ist, liegt bei Neulind und Seeleiten vor; auf ihr sind östlich von Neulind gut erhaltene W N W laufende Gletscherschliffe zu beobachten. Der Flysch bildet im S den Sockel, der bei H ö r a f i n g und Ameis-

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berg an der Bahn aufgeschlossen ist. Der nördlichste Flyschaufschluß liegt im Tale der Sur, NO Teisendorf vor der Punschermühle. Die übrige von Mooren durchzogene Drumlinlandschaft im Surgebiet unterhalb des Zusammenflusses der Saalach und Salzach des Salzburg-Tittmoninger Stammbeckens schließt keinen Flysch mehr auf. E r s t rechts der Salzach erheben sich über das Stammbecken Flyschberggruppen und Einzelberge zu ansehnlichen Höhen. Letztere und deren Verteilung beweisen, daß diese Gebirgsflanke schon außerhalb des NW gerichteten Hauptstromzweiges des Salzachgletschers lag und daß die Zweigbeckenbildung in der Richtung nach NO f ü r deren E r h a l t u n g maßgebend wurde. Wie der kleine Lieferinger Hügel (Oberkreide) — zwischen Salzach und Saalach gelegen — wurde auch der Hügel von Muntigl mit seinem berühmt gewordenen Steinbruch und der langgestreckte Plainerberg vom Eis ganz überschritten. Zumindest der Heuberg (890 m) und der Haunsberg (833 m) r a g t e n darüber schon hinaus, in einem späteren Abschmelzungsstadium auch der Hochgitzen (674 m ) . H e u b e r g. Der Heuberg gehört der südlichsten Partie der Salzburger Flyschzone an; er ist nur durch das schmale, Gnigl-Guggenthaler Zweigbecken des Salzachgletschers von der Kalkalpenfront getrennt (Tafel V, Abb. 1). Die Südlehne dieser Furche bei Guggenthai w a r Schauplatz einer großen Bergrutschung im März 1948 (V, Abb. 2). Die roten Flyschmergelschiefer unter dem Dolomit der tirolischen Decke waren die Ursache der großen Bergrutschung, die bei Kohlhub vom 20.—22. März abging. Sie erfolgte übrigens an der Stelle eines f r ü h e r e n Bergsturzes. Infolge s t a r k e r Durchfeuchtung kamen die roten Schiefer in Bewegung und rissen den hangenden Kalk und Dolomit in gewaltigen Trümmern ab. Auf den Schiefern haben sich ausgezeichnete Rutschflächen gebildet mit Striemen, welche die Richtung der rutschenden Bewegung anzeigen. Es erfolgte im oberen Teil zunächst eine Tiefenbewegung, da die Striemen 50° geneigt sind, worauf die Rutschmasse erst abwärts sich aufbauchte und in die plastische Zunge auslief, welche die Grazer Bundesstraße noch einige Meter hoch überschüttete. Gleich östlich benachbart ging eine zweite Bergrutschung ab, welche gleichfalls infolge Durchfeuchtung der roten Mergelschiefer erzeugt war. Es liegen hier zwei Bergrutschungen mit getrennten Ausrutschnischen vor, deren Zungen sich aber eng berührten. Kalksandsteine, Mergel, Mürbsandsteine und Tonschiefer der typischen Oberkreide setzen den Heuberg mit W—O, bzw. WSW—ONO Streichen zusammen. Der Heubergsporn gegen SW erscheint daher z. T. als Rippe im Schichtstreichen, welche aber, wohl im Streichen weicherer Gesteine, von Schlifframpen verschiedener Höhe (515—520, 565, 620, 625—725 m) besetzt ist. Eine Antiklinalzone verläuft südlich von Hochmais (853 m ) , eine andere oberhalb Ratzenstätt, eine Synklinale gleich oberhalb des Göthebachgrabens südwestlich von Farmleiten. Der Südwest-Sporn des Heuberges bildet die Scheide zwischen dem GniglGuggenthaler- und Söllheimer-Zweig (VI, Abb. 3). E r ist hier frei von Moränen, erst im rückwärtigen und östlichen Teil des Heubergzuges ist ansehnliche Moränbedeckung anzutreffen. Südwestlich Gottsreit (822 m) haben wir es sogar mit Riß-Moränenresten zu tun, zwischen denen das Torfmoor von Gottsreit eingebettet ist. Aus dem breit gewordenen, mit Grundmoränen bedeckten Zungen-

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becken von Hochreit (660 m ) , Pesteig (681 m ) , Edt (670 m) und Schwaighofer (699 m) entwickeln sich Wallmoränen um Unterkoppel und Häring (772 m ) . Die höchsten Moränen liegen bei Schopper und Hochfuchs in über 800 m Höhe. Diese Moränen befinden sich bereits an der N a h t zwischen dem Gnigler- und Söllheimer-Gletscherzweig. Der Gnigler Gletscherlappen hinterließ zahlreiche, sehr große erratische Gosaukonglomerat-Blöcke. Nach diesen Befunden ist also anzunehmen, daß der Heuberg während der W ü r m - und Riß-Eiszeit nur mit seinen obersten Kammteilen über das Eis aufg e r a g t hat. Hangmoore in den Grundmoränen sind mehrfach a n z u t r e f f e n : südlich vom Gniglbauer, bei E d t und oberhalb der Siedlung Göthenbach. Hangmoore im Flysch bezeichnen das Ausstreichen schieferreicher Streifen (Gehängeband bei Daxlueg). Das Zungenbecken des Söllheimer-Zweiges (VI, Abb. 3) des Salzachgletschers trennt den Heuberg von der nächst nördlichen Flyschaufragung, dem P 1 a i nb e r g (530 m) mit seinem NO-Ausläufer, dem Rücken von Sam-Nußdorf. Das vermoorte ebene Becken von Langwied (unterhalb von Söllheim) setzt sich durch die Stufe des Schaizenberges vom oberen flacheren und weiteren, vom Schernbach durchmessenen Zungenbecken von Straß-Eugendorf ab, dessen östliche Fortsetzung in das Becken von Kraiwiesen übergeht; dieses wird von dem Kraimooser Bach begrenzt und bei Ehrenreit von Endmoränen dieses Gletschers abgeschlossen. Infolge starker Erosion der aus der nächsten nördlichen Zweigfurche, aus dem Wallerseegebiet kommenden Fischach in den Flyschsockel — dieses Engtal bietet sehr gute Aufschlüsse — hat der in seiner Erosion belebte Eugenbach das Becken des Kraiwiesener Moores a n g e z a p f t und also den obersten Teil des Zungenbeckens der Fischach tributär gemacht. Auch im Grundmoränengebiet des Söllheimer Zungenbeckens sind massenh a f t sehr große Gosaukonglomeratblöcke abgesetzt worden (Hallwang, Diebering, Kalham, Pebering, Knutzing). Der Plainberg und der Hügel Sam-Nußdorf sind moränenfreie Flyschhöcker, vom Eis modelliert. Die hier mergelreiche Zone des Flysches streicht im westlichen Teil des Plainberges W—O, biegt aber bei Kemerting, Lochner und Gaglham in WNW—OSO-Streichen ein, um an der Kaserner Straße f a s t in N—SStreichen überzugehen. Diese Querstörung mag vielleicht später zur Bildung von glazialen Kolken und zur Annäherung des südöstlichen Teiles des Beckens von Käsern mit dem Becken von Itzling und Söllheim Anlaß gegeben haben. Der Plainberg stellt so im großen eine rundgebuckelte Rippe im Streichen dar, die auf der Südseite, der Stoßseite des Gletschers, s t a r k abgeschliffen ist, während auf der Leeseite der nordwärts gerichteten Strömung des Gletschers durch Ausbrechen und Ausschleifen das Becken von Käsern und Lengfelden geschaffen wurde, in welches die Fischach in ihrem Unterlauf eintritt. Zahlreiche und große Gosaukonglomeratblöcke sind am Plainberg durch den Bau der Autobahn festgestellt worden. Ein Detail eines Flyschrundhöckers mit einer Steinbruchanlage an der Straße nach Käsern zeigt Abb. 4. Südlich davon war im Flysch ein schöner Gletscherschliff bloßgelegt, der S—N-Striemung aufwies. Der Flyschrücken von Sam-Nußdorf ist bereits unter dem Einfluß der Strömungsrichtungsänderung des Söllheimer Zweiges SW—NO gestreckt, wobei

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die im allgemeinen W—O streichenden Flyschschichten schräg durchschnitten werden. Das F i s c h a c h t a l weist bereits in seiner Richtung auf den Wallersee und damit auf das nächste, das Wallerseer Zweigbecken, hin. Diese Gletscherzunge zweigte südlich vom Hochgitzen (674 m) nordöstlich ab und schuf ein Becken erst im Wallersee selbst, der durch das erwähnte tief eingeschnittene Fischachtal über das Becken von Lengfelden sich zur Salzach entwässert. Das Fischachtal und z. T. das Wallerseebecken ist im Flysch eingeschnitten, der in jenem lehrreiche Aufschlüsse darbietet. Die Gesteine sind die f ü r den Muntigler Flysch bezeichnenden, es überwiegen die Mergel gegenüber den Kalksandsteinen und Mürbsandsteinen. Bei Lengfelden stehen die Schichten saiger, bilden unterhalb Maria Sorg eine steile Synklinale (hier wurde seinerzeit eine Tiefbohrung im Flysch niedergebracht); östlich von Viehhausen streicht eine steile Antiklinale durch. Der H o c h g i t z e n ist ähnlich wie der Heuberg in seiner Gipfelregion und an seiner Südseite, also an der Stoßseite des Gletschers, moränenfrei. Im Gegensatz zum allgemeinen W—0 Streichen der Flyschmergel (bei Zurücktreten der Kalksandsteine und Sandsteine) läßt er an seiner Ostflanke mehrere N—S gestreckte Rücken mit dazwischen ausgeschliffenen Gassen erkennen. Tektonisch entspricht die Gipfelpartie gerade einer Synklinale. Auf der SO-Abdachung sind einige Schlifframpen in verschiedener Höhe wahrzunehmen. An der Westseite, unterhalb Korb (570) ging eine Rutschung ab. Der Flyschuntergrund setzt sich im Tal des Ehrenbaches unter den Moränen fort. Diese beginnen im Lee des Hochgitzen bereits auf der Höhe von Hochegg (609 m). Der benachbarte Voggenberg (612 m) ist ein quer auf das W—0 Streichen NO verlaufender, abgeschliffener Flyschhöcker. Gegen Westen zweigt vom Hochgitzen westlich der S—N gerichteten Talung von Kerath ein nördlich verlaufender abgeschliffener Flyschrücken nach Lehen ab (bei W—0 Streichen des Flysches). Hinter dem Hochgitzen war das Eis des Wallerseer- und des Mattseer-Zweiges des Salzachgletschers vereint und floß als breiter Strom über den ziemlich hohen, unter 600 m sich haltenden Flyschsockel hinweg, um bei lokaler Furchung entlang des Mattigbaches (vom Ursprungmoor nordwärts) erst im Gebiet der beiden Trumerseen und des Grabensees tiefere Wannen auszuschürfen. Daß es im Bereich der beiden Trumer Seen erst zu erheblicher Wannebildung kam, ist wohl auf das Durchstreichen der weichen Mergel und Tonschiefer der helvetischen Zone zurückzuführen, während die harten, aber wenig mächtigen Lithothamnien- und Nummulitenkalke zu Rippen herauspräpariert wurden (Wartstein und Schloßberg von Mattsee, Rippe vom Sauloch). Das Becken der Trumer Seen hat also keine Verbindung mit dem Stammbecken. Es entwässert sich durch die Mattig nach Norden und tritt dadurch in Gegensatz besonders zur Oichtener Furche des Oichtener Gletscherzweiges, welche die Verbindung mit dem Stammbecken in ausgezeichneter Weise einhält. Die trennende Schwelle zwischen Stammbecken und dem Becken der Trumerseen ist gegen SW namentlich durch den Antheringer und Achartinger Bach gegliedert. Die beiden Gräben schließen den Oberkreideflysch sehr gut auf. Die Mergel und Kalksandsteine streichen im allgemeinen NO bis ONO. Es sind daher viele der von Grundmoränen überzogenen Höhenzüge zwischen Hochgitzen und dem SO-

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Abfall des Haunsberges durch glaziale Schürfung entstandene Schichtrücken (Trainting, Anzfelden und Dangstätt, Luging). Die nordöstlich sich erstreckenden, meist vermoorten oder v e r t o r f t e n kleineren Wannen zwischen den Rücken bezeichnen die Strömungsrichtung des Eises. Größere Becken sind nördlich vom Ursprung, das Hutzinger und Kraibachmoor, das Becken des Strubbaches, westlich von Dangstätt. Im Antheringer Graben treten bei im allgemeinen SSO—SO-Fallen auch schmale Antiklinalen auf. Am Maunitzbach, einem Nebengraben des Achartinger Baches, streicht eine schmale steile Synklinale und eine ebensolche Antiklinale durch. Eine NW gerichtete Querstörung am Antheringer Bach unterhalb Sperl t r i f f t in der Fortsetzung gleichfalls auf eine Querstörung oberhalb der Hofermühle am Achartinger Bach. Eine NW gerichtete Querstörung (mit Querbeugung) zieht vom Achartinger Bach in das Maunitzbachtal. D a s H a u n s b e r g g e b i e t . NW vom Achartinger Bach mindert sich der Grundmoränenüberzug des Flysches und die in mehrere Stufen gegliederte SO-Flanke des Haunsberges legt den Flysch bloß. Die Mergel (mit etwas Sandstein und Kalksandstein) streichen vorwiegend nordöstlich. Zwischen kurzen Steilhängen schalten sich im Streichen gelegene Schlifframpen ein, die vielleicht aus Gehängebändern hervorgegangen sind. Sie bergen Siedlungen, wie Kirschberg, Gansed, Buchstätt. Die SW-Flanke des Haunsberges zeigt in 460 und 500—510 m SH. Schlifframpen. Von der steilen Südseite des Längshanges der Gabrielsruhe (750 m) gingen größere Rutschungen, bzw. Bergstürze ab. Wie die Süd-, so ist auch die Westflanke des Haunsberges moränenfrei, auf der Stoßseite des Gletschers, der nördlich des Haunsberges zur Oichten einen Zweig schob. Dagegen ist der Gasteiner Graben mit seinen Quellästen nördlich vom Haunsberg mit Moränen bedeckt, so daß der Aufschub des Flysches auf die helvetische Zone nicht a u f g e schlossen ist. Südlich der Kaiserbuche (764 m) reichen die höchsten Moränen als NNO streichende Ufermoränen bis 800 m Höhe. D e r N u ß d o r f e r H ö h e n z u g . So nennen wir den in der Richtung NNO verlaufenden Höhenzug, der bei der Kaiserbuche ansetzt und durchaus mit Moränen bedeckt ist. E r bildet die Naht zwischen dem Mattseer und Oichtener Zweig des Salzachgletschers. Da das Oichtener Becken tiefer eingeschnitten ist als der Obertrumer See und der von verschiedenen Rückzugsmoränenwällen besetzte östliche Abfall zu diesem Seebecken viel flacher ist als der Westabfall zur Oichten, hat die Erosion an der Westseite des Nußdörfer Höhenzuges in zahlreichen kurzen Gräben viel stärker gewirkt und dadurch meist gute Aufschlüsse in der helvetischen Zone geschaffen. Mächtige Moränen der Kammhöhe reichen an der Westseite in die oberen Gräben hinein. Darunter erscheinen zwischen Gastein und Nußdorf die Schichten der helvetischen Zone, hingegen von Irlach nordwärts die Kiese und Schotter des etwa mittelmiozänen marinen Sockels unter den Moränen. Die Schichten der helvetischen Zone sind mit Ausnahme der Lithothamnienkalke und Nummulitenkalke weich. Bei im allgemeinen ONO bis WSW Streichen, also schräg zum Verlauf des Nußdorfer Querrückens, haben sie jedenfalls zur starken glazialen Ausfurchung des Oichtener Beckens beigetragen. Die NNO gestreckte Furche der Oichten b a r g nach dem Rückzug der Würmvergletscherung einen See, der im Becken Seetone hinterließ.

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Zahlreiche Schutt- und Deltakegel werden vom steilen O-Hang in dieses Becken hineingebaut. D a s G e b i e t d e r T r u m e r S e e n . E s ist auffallend, daß das Obert r u m e r Becken an seiner Südseite dort a n f ä n g t , wo der von WSW vom Haunsberg herüberstreichende, allerdings von Moränen bedeckte Flysch aufhört, und nordwärts die Gesteine der helvetischen Zone durchziehen. Die helvetische Zone westlich des Obertrumer Sees ist bloß im Matzinger Graben (Teufelsgraben) bloßgelegt und in einem kleinen Aufschluß bei Eisenharting. Der Seehamer Graben zeigt nur mächtige Moränen. Moränen bedecken die ganze Flanke zwischen der Höhe des Nußdorfer Rückens und dem Obert r u m e r See. Zahlreiche gestaffelte Ufermoränen, dazwischen NO verlaufende Tälchen, Talungen und Moorbecken schaffen eine Gliederung, die mit dem allmählichen Zusammensinken des Mattseer Gletscherzweiges in Beziehung zu bringen ist. In Mattsee (VI u. VII, Abb. 4 u. 5) stößt die steile Rippe von Nummulitenkalk des Wartsteins westwärts als ein Riff in den Obertrumer See. Der Niedertrumer See ist in seinem Verlauf auch durch das Streichen der helvetischen Zone bedingt. Nach den 1917 vom Verfasser vom Eis aus durchgeführten neuen Lotungen verläuft die tiefste Furche im See gerade in der Fortsetzung der NO streichenden weichen P a t t e n a u e r Mergel, die am Kliff des Unerseeberges (524 m) nördlich vom Strandbad Mattsee schön aufgeschlossen sind. Die steile Seeleite am Südufer ist an den Lithothamnien- und Nummulitenkalkzug geknüpft, der aber wohl gegenüber dem gleichen Zug am Schloßberg hier an einer Querstörung nordwärts verschoben erscheint. Die Höhe von Schalkham ist unter Moränen noch von helvetischen Schichten gebildet, nordostw ä r t s schließen dann die kleinkuppigen Endmoränen an, welche das Zungenbecken des Niedertrumer Sees umschließen. Östlich von Schalkham aber scheidet das Längstal des Reithamer Baches die helvetische Zone von dem Flysch der Tannberggruppe. Diese bildet die durch das vermoorte Becken der Egelseen und durch davorgelegene Ufermoränen verdeckte Fortsetzung des Flysches des Buchberges (795 m ) . D e r B u c h b e r g v o n M a t t s e e . Der Buchberg (VII, Abb. 5) bildet einen Nunatak zwischen dem Mattseer- und Wallerseer-Zweig des Salzachgletschers. Seine steile Form besteht aus Oberkreide-Mergeln. Beiderseits lehnen sich zuerst verfestigte Riß-Moränen, darunter wallförmige Würmmoränen an, die sowohl nach Westen wie nach Osten s t a f f e i f ö r m i g e Anordnung aufweisen. Eine Linie südlich vom Buchberg auf das Moränenplateau des Hochfeldes scheidet beide Zweige der Moränenlandschaft. Im W ziehen die Moränenrücken mit ihren Tälern, Talungen und vermoorten Mulden N bis NNW, wogegen im Osten die NO-Richtung der Moränenrücken, Talungen und vermoorten Mulden dominiert (Moränenlandschaften NW vom Wallersee, besonders zwischen Seekirchen und Weng). Die Egelseen liegen aber im Becken des äußersten Gletscherlappens des Wallerseer Zweiges, der bei Obernberg mit dem Mattseer Zweig in Ber ü h r u n g t r a t . Diesem Lappen entsprechen nordwärts verlaufende Ufermoränen zwischen Paltingmoos und Lehen. SO vom Buchberg, in der genannten Moränenlandschaft, haben einige zum Wallersee laufende Quertäler den Flyschsockel angeschnitten (Roiderbach).

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T a n n b e r g g r u p p e . Der Wallerseer-Zweig staute sich an seinem Nordrand zwischen den Egelseen und Tannham an derrf 784 m hohen Tannberg, der auch während der Riß-Eiszeit über das Eis a u f r a g t e . Deren höchste Moränen liegen bei Schwabenedt (719 m ) , bei Kühberg (722 m ) ; der äußerste westliche Kamm (771 m ) , der durch den Steinbach (Daxen) vom Hauptgipfel getrennt ist, überragte also noch um 50 m das Eis. Durch eine längere Talung sind von den Rißmoränen die tieferen Würm-Endmoränenwälle getrennt. Diese und deren Talungen und vermoorte Mulden verlaufen zwischen Mölkham und SpannswagKöstendorf nunmehr W—O. Während der Riß-Vergletscherung bildete der Tannberg allerdings eine Insel, da er auch an seiner N-Seite vom Eis beider Gletscherzweige umflossen war. Die Rißmoräne vom Ort Tannberg mit Kote 632 stützt diese Feststellung. Die Nordflanke der Tannberggruppe ist durch mehrere tiefe Täler gegliedert. Sie schließen im Norden zunächst Unterkreide-Schichten auf, Neokomkalke und Kalksandsteine, Mergel und Schiefer, mit Brekzien, dann schwarze und graue Schiefer mit Bändersandsteinen und Quarziten, die an den Gault des Wienerwaldes erinnern. Die Schiefer erzeugen mehrfache Bänder der Gehänge und Moorhänge (W Gottswinden). Im Osten der Tannberggruppe vollzog sich der Übergang aus den RißMoränen in die Hochterrasse von Roithwalchen, während der würmeiszeitliche Zweig nahe der Eisenbahnstation Neumarkt-Köstendorf sein Gletschertor h a t t e und seine Schmelzwässer hier die Niederterrasse aufschütteten. Die heute von der Eisenbahn benützte Senke von Steindorf scheidet zugleich die Tannberggruppe von dem nächst östlichen Flyschberg, dem Irrsberg. D e r I r r s b e r g . Dieser ganz bewaldete Einzelberg (837 m) ü b e r r a g t noch den aussichtsberühmten Tannberg. Auch er bildete einen Nunatak, auch während der Riß-Eiszeit, zwischen dem Wallerseer-Zungenbecken des Salzachgletschers und dem vom Traungletscher gespeisten Zellersee-Zweig. Schon während der Riß-Eiszeit, wenn nicht f r ü h e r , bestand eine Lücke zwischen dem Irrsberg und der südlicher gelegenen Kolomannsberggruppe, da sie von Rißmoränen erfüllt ist. Während der Würmeiszeit lagen die Ränder beider Gletscherzweige wohl tiefer. E s h a t t e aber der Traungletscher über dem Zellerseegebiet eine höhere Eisoberfläche als der Wallerseer Zweig, wie die Ufermoränen beider Seiten veranschaulichen. Wenn auch beide Gletscherenden f a s t in gleicher Breite liegen, so war doch die Zunge des Traungletschers steiler und von höheren Ufermoränen flankiert. Der Irrsberg selbst hat ein steileres Nordgehänge, während das Südgehänge flacher ist und in die Sattelzone von Roid (650 m) ausläuft. Im Flysch fehlt hier die kalkige Unterkreide des Tannberges (doch sind Spuren des Gault vorhanden). Ob sie etwa infolge stärkerer Aufschiebung der Oberkreide fehlt oder etwa oberflächlich der Erosion im rißeiszeitlichen Zungenbecken von Irrsdorf und Rattensam zum Opfer gefallen ist, könnte wohl erst durch Bohrungen festgestellt werden. Steile, aber seichte Gräben gliedern die Nordflanke des Berges. Kalksandsteine und Mergel mit Chondriten und Taenidium sprechen f ü r Oberkreide. Im westlichen Teile liegt W—O, sogar OSO-Streichen vor, das sich jenseits der Zellersee-Furche am Koglerberg fortsetzt. Kolomannsberggruppe. Dieser relativ große Flyschstock, die größte isolierte Gruppe der Salzburger Flyschzone, w a r während der Eiszeit von

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verschiedenen Gletscherzweigen umbrandet, im N W und W vom Wallerseer Gletscherzweig, der beim niedrigen Flyschhöcker vom Kirchberg (629 m) mit der Zunge des Söllheimer Zweiges in engste Berührung t r a t . Die Endmoränen des letzteren östlich vom Unzinger Moor treten aber am SW-Rand der Gebirgsgruppe unmittelbar an die Endmoränen des Thalgauer Zweiges des Traungletschers heran (Endmoränen von Enzersberg). Der Thalgauer Gletscher aber, der den Südhang der Gruppe mit Moränen überzog (VIII,Abb.7.u.8), war wiederum am Gebirgssporn des Stein (854 m ) , dem Südostausläufer des Kolomannsberges (1111 m) mit dem Zweig des Zellerseer Traungletschers in Verbindung, wobei jeder der beiden Gletscherzweige seine durch sein Hauptzungenbecken (Thalgauer Becken und Zellersee-Becken) gekennzeichnete Bewegungsrichtung (W bzw. NW und N) einhielt. Die Moränen der rechten Seite des Wallerseer Zweiges sind mit vorherrschendem NO-Streichen in mehreren Staffeln angeordnet. Am W-Fuß des Zifanken, unter 700 m Höhe beginnend, senken sich die äußersten Ufermoränen bis unter 630 m zu dem kleineren Gletschertor von Haslach. Zahlreiche innere Wallsysteme bis zum Wallerseeufer, auf die in Einzelheiten nicht eingegangen werden kann, ziehen gleichfalls nordöstlich. Sie werden in mehrfach gewundenen Tälern von den Gewässern der Nordwestabdachung des Kammes der Großen Plaike durchbrochen. Im Staugebiet der Endmoränen des Söllheimer- und Thalgauer-Gletscherzweiges sind folgende hydrographische Verhältnisse von Interesse: Der Saumfluß der Endmoränen östlich des Unzinger Moores, der Kraimooser Bach geriet östlich von Kirchberg in das Entwässerungssystem zum Wallersee als Gersbach. An den hochgelegenen Endmoränen des Thalgauer Gletschers auf der Höhe vom Enzersberg entstand durch einen Saumfluß am Flyschhintergehänge des Zifanken ein verhältnismäßig breites Tal (N Fuchshof), das durch den Moosbauergraben zum Altenbach (Henndorf) und damit zum Wallersee entwässert wird. Der Thalgauer Gletscher baute am Südhang der Berggruppe eine gewaltige Folge von 0 — W streichenden Ufermoränenwällen auf (Abb. 7 u. 8). Auf der Kindslandlhöhe (833 m) nordöstlich Thalgau setzen die höchsten Ufermoränenwälle an, die westwärts über Starecker und Zeherl auf 700 m abfallen. Das Tal von Thalgauberg wurde dadurch zu einem heute gänzlich vermoorten Seebecken aufgedämmt. Der Abfluß, der Fischbach, wurde durch den Ufermoränenwall (756 m) beeinflußt, zunächst die Westrichtung einzuschlagen, worauf er in einem Engtal bei Irrlach das Becken von Thalgau erreichte. Südwärts des höchsten Ufermoränenwalls folgen zahlreiche (bis 9) Moränenstaffeln bis zum heutigen breiten Talboden von Thalgau. E s sind O—W gerichtete Wälle oder Gehängeterrassen mit längeren W—O verlaufenden vermoorten Talungen und Mulden dazwischen (Sitterberg, südlich Reitling). Der Sporn des Stein, die Stoßseite des sich hier gabelnden Gletschers, blieb aber moränenfrei. Hier kam es zu mannigfacher Gehängefurchung, in der Richt u n g der Gletscherbewegung (z. B. Schwalbenbach, Oehlgraben, O Schinagl) und zu Schlifframpen (Fuchsberg, Riedl). Indem in diesem Teil südlich des Stein das Schichtstreichen mit der alten Gletscherbewegung zusammenfällt, kann man ebenso gut auch von Rippen sprechen.

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge.

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Da der Stein mit seinem Kamm wie in der Flanke zur Zeller Ache noch im Ausschürfungsgebiet lag und hier die Flyschmergel und Sandsteine W N W — N W streichen, kam es hier zur Rippen- und Wannenbildung im Streichen (Leiten) und zu N W verlaufenden Rampen (südlich von Unter-Ellmau). Die Akkumulationsformen der Ufermoränen des Gletschers setzen in schön g e s t a f f e l t e r Ausbildung erst östlich vom Kolomannstaferl (Hochsien) ein. Die würmeiszeitlichen Ufermoränen senken sich hier von 800 m Höhe nordwärts bis 720 m (Wildeneck), dann auf 670 m (oberhalb Ginzing), um am Abfall des Irrsberges durchziehend, •im Becken von Irrsdorf in die Endmoränen ca. 570 m überzugehen. In der Moränenlandschaft an der Westseite des Zellersees läßt sich die ganze ausgezeichnete Gliederung der spätglazialen Abschmelzungsphasen ersehen. Langgestreckte S—N streichende Ufermoränenwälle mit Talungen dazwischen durchziehen diesen H a n g und setzen sich nordwärts über Ginzing, Gegend, Vielweg bis Haslach f o r t . Eine nähere Formenanalyse wurde an anderem Orte gebracht. Außerhalb der skizzierten Gletscherzweige blieb die Kolomannsberggruppe in einer Maximalbreite von 7 km und einer Maximallänge (N—S) von 6—7 km ganz eisfrei. Drei H a u p t ä s t e strahlen von der Höhe des Kolomannstaferls aus: gegen Norden der Hasenkopf-Kamm, gegen Südwesten der Kamm der Großen Plaike und des Zifanken (VIII, Abb. 7 u. 8), gegen Südosten der Kolomannsberg selbst mit dem Sporn des „Steines". Die dem Wallersee zufließenden Gräben der NW-Abdachung schließen in der Moränenlandschaft unterhalb gelegentlich den Flyschsockel auf (GlemeggGraben, Henndorferbach). Auch in der Südabdachung der Kolomannsberggruppe schneiden mehrere Gräben in der Moränenlandschaft gegen das Thalgauer Becken hin in den Flysch ein mit tiefen Rinnen. Die ziemlich kurzen Gräben der Ostabdachung hingegen, die dem Zellersee, bzw. der Zeller Ache zustreben, haben unter den mächtigen Moränenstaffeln den Flysch nicht erreicht. Die Geologie des Flysches in der Kolomannsberggruppe und in deren Umr a h m u n g läßt folgende Züge erkennen: Die Gesteine zeigen wohl die übliche Vergesellschaftung von Kalksandsteinen, Mergeln und Sandsteinen der Oberkreide. Tektonisch treten einige Anor malien zum sonstigen Bau in Erscheinung. Der nordwestlich vom Hasenkopf (980 m) bis Wertham auslaufende Rücken zeigt sowohl im Hennerbach (SO Wertham) wie im Glemeggraben, einem Seitengraben des Wallerbaches, NW—SO streichende Kalksandsteine und Mergel; es liegt also eine Querbeugung der Flyschschichten vor, die vielleicht f ü r den Verlauf des Wallerbaches und des östlichen Rückens richtungsbestimmend gewesen ist. In dem Graben westlich vom Hasenkopf ist die Querstörung allerdigs nicht mehr verfolgbar; hier und westlich vom Kolomannstaferl (1013 m) waltet wieder W—O Streichen vor. Östlich vom Gehöft Kienberg ist eine Antiklinale im Neufahrn-Wald vorhanden, im Zug der Großen Plaike (1033 m) waltet wieder SSO bis SO Fallen vor. Die dünnschichtigen Mergel-Kalksandsteine haben söwohl auf der Höhe der Großen wie Kleinen Plaike ansehnliche Bergrutsche verursacht. Großes H a u f werk eines Bergsturzes ist auch im Flysch gleich östlich Wertham zu beobachten. SO vom Zifanken streicht neuerdings eine Antiklinale in ONO-Richtung durch; ob deren Fortsetzung östlich von der Querstörung von Rauchenschwandt (913 m) beeinflußt wird, ist noch zu überprüfen. Südlich vom Gehängesporn des Stein Festschrift Johann Solch.

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Gustav Götzinger.

verläuft eine Synklinale west-östlich bei Unter-Ellmau. Eine schmale Antiklinale ist nördlich P f a r r h a m (nördlich Thalgau) zu beobachten. Wie erwähnt, ist die Kleinformung besonders bei glazialer Besehürfung h ä u f i g durch das Schichtstreichen beeinflußt. Die über dem Eis gelegenen Flyschrücken und Kuppen zeigen bei der stets wechselnden Lagerung der Mergel und Kalksandsteine eine starke Durchtalung. Da die lokale Erosionsbasis im Gebiet des Zellersees (Spiegel 555 m) am höchsten, im Gebiet des Wallersees (Spiegel 506 m) am tiefsten liegt, im Thalgaubecken den Mittelwert (zwischen 560 und 500 m) einnimmt, erklärt sich im Gegensatz zur Ostflanke die intensivere Durchtalung auf der NW- und Südseite dieser Gebirgsgruppe. Im Bereich der mergel- und schieferreichen Flyschpartien sind, wie bereits erwähnt, einige größere Rutschungen abgegangen. Ähnliche Rutschungsgebiete sind im Wallerbachtale östlich von Haslach und auf der Höhe zwischen Hiesenberg (724 m) und Gaisberg (712 m ) , beim J ä g e r h a u s Lichtentann und beim Gehöft Kienberg. Der wasserundurchlässige Mergel südöstlich dieses Gehöftes h a t einen ausgedehnten Moorhang hier erzeugt. Derlei geneigte Moorhänge beobachten wir über gleichen Gesteinen an mehreren Stellen unterhalb Finkenschwandt im Tal vom Thalgauberg. Selbstverständlich fehlen Moorhänge nicht über tonigen Moränen, so z. B. am H a n g nördlich Thalgau, W und NW von Stollberg (682) und am H a n g gleich oberhalb der Haltestelle Teufelsmühle. In der S-Flanke des Thalgauer Beckens ist der Flysch vollkommen durch Jungmoränen bedeckt, welche wiederum in mehreren W—O streichenden Staffeln bis zum langgestreckten und allmählich gegen Westen abfallenden Moränenkamm des Langholzes bzw. von E g g ansteigen (VIII, Abb 8). Zwischen den Moränenstaffeln sind sogar Ebenheiten in Pseudoterrassen entwickelt, z. B. S von Forsthub und S von Mayerhof (S von Thalgau). Der Moränenzug des Langholzes setzt im Osten schon unterhalb des Schobers an und bildet in der westlichen Fortsetzung über Schnitzhofen, E g g und Engelbrecht eine A r t Mittelmoräne zwischen dem Thalgauer Zweig und dem südlicher gelegenen Fuschlseer Zweig des Traungletschers (VIII, Abb. 8).Letzterer t r a t aus dem durchaus im Kalkgebiet eingesenkten Fuschlseebecken zwischen Waldach und Schwandbauer in die südlichste Flyschzone ein. Flysch durchragt NO von der Vorderen Waldmühle die Moränen, die sonst bis zum erwähnten Mittelmoränenkamm auch im Bereich des Fuschlseer Zweiges ein System verschieden gestaffelter W—O verlaufender Wälle bilden (Gruber, Pichler, Decker) (VIII, Abb. 7 u. 8). Die Fuschler Ache durchbricht in westwärts gerichtetem Lauf die Endmoränen des Fuschler Zweiges und schneidet besonders von der Schwarzmühle an abwärts immer wieder in den Flysch ein. Die wohl bekannte Vergesellschaft u n g von Kalksandsteinen und Mergeln mit seltenen Einschaltungen von grobkörnigen Sandsteinen ist auch in diesem Flyschstreifen zu beobachten. Aber tektonisch bietet der Flysch Streichungsanomalien in einem Streifen von der Schwarzmühle bis zum Hof Decker (nördlich des Schwandbauern) mit NW—SO-Streichen, also einem Streichen, wie es die Kalkalpen des Filblingund Lidaunkammes südlich vom Fuschlsee aufweisen. In dem Durchbruchstal der Ache zwischen Schwarzmühle und Winkl verzeichnen wir jedoch W—O Streichen

Tafel V

HÜ*-"".

PllOl. (t. GölzillilCl1.

Abb. 1. Furche zwischen Gaisberg und Nockstein (Tirolische Decke) links und Heuberg (Flysch) rechts; Zungenbecken des Gnigler Zweiges des Salzachgletschers von den östlichen Endmoränen aus.

Phol.

J.

Leclmer.

Abb. 2. Bergrutsch Guggenthai. Östliche Rutschung'szunge (Ostrand) mit abgerutschtem Wald; im Hintergrund: Ausrutschnischen der zwei benachbarten Bergstürze.

Tafel VI

L'liol.

G.

Gülzinsi'i'.

Abb. 3. Aus dem z. T. vermoorten Becken von Söllheim, Blick auf SW-Sporn des Heuberges (Flysch), dahinter links Nockstein und Gaisberg (mit Verebnungsflache am Gipfel) der Kalkzone.

l'liol.

(i.

Ciölzingor.

Abb. 4. Schliffbuckel im Flyschsandstein mit Steinbruch an der Straße navh Käsern.

Tafel VII

I'liol. (I. (iiilziiifirr. Abb. 5. Vom Obertrumer See zur Rippe des Nummulitenkalksandsteins des Wartsteins (links Mattsee) zum Flysch des Buchbergs.

l'hol. K. (Jölziii^fr. Abb. 6. Mattsee mit Niedertrumer See (rechts), Rippe des Nummulitenkalksandsteins des Wartsteins, rechts der Kirche Schloßberg, links Obei'trumer See, im Hintergrund Moränenumwallung mit Grabensee (rechts).

Tafel VIII

Phot.

G.

Göfzinger.

Abb. 7. Kamm (Flysch) der Gr. Plaike und Zifanken mit Abfall zum Thalgaubecken, Ufermoränenwallzüge des letzteren; vorne Moränen des Langholzes (S Thalgau).

Phot.

G.

Gülzinger.

Abb. 8. Höhenzug Gr. Plaike und Zifanken mit Thalgaubecken; vorne Fuschlseebecken mit Moränenzug des Langholzes, Blick vom Filbling (1306 m) gegen Nordwesten.

Zur Morphologie der Salzburger Flyschberge.

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mit schmalen Antiklinalzügen ONO von Elsenwang und SSW vom Anzenberg (692 m). Durch die Entwicklung dieses Durchbruchtales wird der Ausfluß des Fuschlseer Beckens sogar dem Thalgaubecken tributär; unterhalb von Thalgau vereinigt sich die Ache mit dem Fischbach zur Grießler Ache. Manuskript abgeschlossen zur Feier des 65. Geburtstages von Prof. H. S o l c h , im Okt. 1948. Literaturhinweise : B r ü c k n e r E., Die Vergletscherung des Salzachgebietes. P e n c k s Geogr. Abhdlg. 1/1, 1886. D e l - N e g r o W., Die Beobachtungen in der Flyschzone und am Kalkalpenrand zwischen Kampenwand und Traunsee. Verh. Geol. BA. 1933. E r h a r d t W., Der Staufen. Geol. Aufnahme der Berge zwischen Reichenhall und Inzell. Wissensch. Veröff. d. D. u. Ö. Alpenvereins, 11, 1931. F u g g e r E., Das Salzburger Vorland. Jahrb. Geol. RA. 1899. — Die oberösterreichischen Voralpen zwischen Irrsee und Traunsee. Jahrb. Geol. RA. 1903. G ö t z i n g e r G., Führer f ü r die Quartärexkursionen in Österreich. Band I, 1936. — Aufnahmsber. über Blatt Salzburg. Verh. Geol. BA. 1929—1931, 1934 bis 1939. — Die spätglaziale Abschmelzungsfolge der westlichen Zweige des Traungletschers. Akad. Anz. Akad. Wiss. 1940. Nr. 3. — Neue bemerkenswerte Zeugen und Naturdenkmaie der Eiszeit im Berchtesgadner-, Saalach-, Salzach- und Traungletschergebiete. Ber. d. RA. Î. Bodenforschg. 1942, H. 9—10. 1942, H. 9—10. G ö t z i n g e r K., Zur Kenntnis der helvetischen Zone zwischen Salzach und Alm. Verh. Geol. BA. 1937. P e n c k A. u. B r ü c k n e r E., Die Alpen im Eiszeitalter. 1901—1909. R i c h t e r M. u. M ü l l e r - D e i l e G., Zur Geologie der östlichen Flyschzone zwischen Bergen und der Enns. Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 92, 1940. S e e f e l d n e r E., Zur Morphologie der Salzburger Alpen. Geogr. Jahresber. aus Österreich, 1926, 13. — Geogr. Führer durch Salzburg, Alpen und Vorland. Sammlung geogr. Führer 1929, III. T r a u b F., Geol. und paläontol. Bearbeitung der Kreide und des Tertiärs im östl. Rupertiwinkel, N von Salzburg. Palaeontographica 88, Abt. A, 1938.

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Karsterscheinungen in den peruanischen Anden. Von Hans Kinzl. Mit 2 Tafeln. Karstformen und Karsthydrographie gehören zu den fesselndsten Erscheinungen der Erdoberfläche. Schon lange vor jeder wissenschaftlichen Fragestellung h a t ihr geheimnisvolles Wesen die menschliche Phantasie angeregt. In neuerer Zeit sind sie ein bevorzugter Gegenstand der geographischen Forschung geworden, die ihre Rätsel schon weitgehend gelöst hat. Besondere Verdienste h a t sich dabei die Wiener Geographenschule erworben, der innerhalb der alten Österreichisch-ungarischen Monarchie so großartige Arbeitsgebiete offen standen wie der dinarische und der mährische K a r s t oder die Hochflächen der nördlichen Kalkalpen. Hier sind die Erkenntnisse gewonnen worden, die im wesentlichen noch heute die Grundlage der Karsttheorie sind. Inzwischen sind zwar viele andere, teilweise noch ausgedehntere K a r s t l a n d schaften bekannt geworden, noch immer fehlt es aber an einer weltweiten Übersicht über die Karsterscheinungen; wir wissen insbesondere auch noch immer zu wenig über ihre Verteilung in den verschiedenen Klimazonen und Höhenstufen. U n t e r diesen Umständen m a g den folgenden Beobachtungen aus P e r u ein gewisser W e r t zukommen; sie stammen von Reisen, die während der AndenExpeditionen des Alpenvereins in den J a h r e n 1932, 1936 und 1939/40 unternommen wurden. Daß es auch in den tropischen Anden Karsterscheinungen gibt, weiß m a n schon seit A. von H u m b o 1 d t's Bericht über die große Guacharo-Höhle bei Cumanâ in Venezuela. Die Höhle w a r damals in einer Länge von 472 m bekannt, ohne daß damit das Ende erreicht w a r ; die Höhe wurde mit 20 m angegeben; es kommen Stalaktiten darin vor (Reise in die Äquinoctialgegenden, S t u t t g a r t , 1861, Cotta, Bd. II, S. 116). Aus Columbien beschrieb A. H e t t n e r (Reisen in den columbianischen Anden. Leipzig, 1888, S. 288) die K a r s t l a n d s c h a f t von Vêlez, im Anschlüsse an f r ü h e r e Beobachtungen von M. A n c i z a r . Bei der weiten Verbreitung hochgehobener Kalkstöcke mit flacher Schichtlagerung und mit einem nicht sehr dichten Pflanzenkleid w a r auch in Peru das Vorkommen von Karsterscheinungen zu erwarten. Im geographischen Schrifttum über dieses Land finden sich aber n u r wenige einschlägige Bemerkungen u n d in der allgemeinen K a r s t l i t e r a t u r wurde Peru bisher überhaupt noch nicht genannt, obwohl es viele gut ausgeprägte Karstlandschaften aufweist. Um sie umfassend darzustellen, bedürfte es noch einer genaueren Untersuchung. Im folgenden sollen n u r die einzelnen K a r s t f o r m e n als solche beschrieben werden, soweit sie dem Verfasser zu Gesicht gekommen sind.

Karsterscheinungen in den peruanischen Anden.

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1. Karren und t e r r a rossa. Die häufigste Karsterscheinung sind auch in Peru die Karren. Schon G. S t e i n m a n n (Geologife von Peru, Heidelberg 1929, S. 149 und Bild V I I I ) h a t auf die Zerschrattung der Oberfläche bei den Actaeonellenkalken hingewiesen. K a r r e n finden sich aber auch auf den anderen Kalken. Am häufigsten sind die seichten Rillenkarren mit messerscharfen Rändern, sowohl auf dem anstehenden Fels als auch an einzelnen Blöcken. Sie finden sich auch im Gebiet der spätglazialen Gletscherstände, hingegen noch nicht an den altindianischen Bauwerken, von denen viele aus Kalkstein errichtet sind. Nicht minder h ä u f i g sind tiefe K l u f t k a r r e n mit stumpfen Rändern. Sie bilden an verschiedenen Orten regelrechte Karrenfelder. Stellenweise handelt es sich hier um sehr alte Formen, wie ihre Überdeckung durch t e r r a rossa zeigt. Das beste Beispiel d a f ü r bietet der Kalkrücken, der das Becken von Celendin (2650 m) vom Tal des Rio Maranon trennt. An seiner Westseite kommt im oberen Teil der anstehende Fels zum Vorschein, denn es ist n u r wenig Verwitterungsschutt vorhanden. Im unteren Teil des Gehänges ist die Felsoberfläche von tiefen und breiten K a r r e n zerfurcht, die durch die neue Straße angeschnitten werden. Darüber liegt eine mehrere Meter mächtige Decke von t e r r a rossa von tiefroter bis gelber Farbe. Viele Häuser von Celendin sind mit dieser Roterde angestrichen. Die t e r r a rossa stellt hier wohl einen Verwitterungsrückstand aus dem Tertiär dar. Sie bildet sich nicht mehr weiter, sondern wird im Gegenteil ihrerseits von der Verwitterung angegriffen, was sich an der E n t f ä r b u n g der oberflächlichen Schichten erkennen läßt. Auf den höheren Rücken ist der Kalkfels mit einem schwarz gefärbten Boden überzogen, sei es, daß hier von vornherein keine Roterde vorhanden war, sei es, daß sie durch die nachträgliche Verwitterung wieder zerstört oder e n t f ä r b t wurde. Ein anderes besonders bemerkenswertes Karrenfeld liegt beim Tambo de Vaca (3500 m) am Wege von Muna nach Pozuzo. Tiefe K a r r e n mit abgestumpften Rändern gliedern hier die Oberfläche des anstehenden Kalkes selbst noch auf der Paßhöhe. Die K a r r e n sind vom Ceja-Wald überdeckt, soweit er jetzt nicht gerodet ist. Es ist kaum anzunehmen, daß sie auch unter dieser Walddecke entstanden sind. Wahrscheinlich haben sie sich hier während des Eiszeitalters gebildet, als die Waldgrenze tiefer lag. Andere Karrenvorkommen bieten außer ihrer Höhenlage nichts Besonderes. Im Umkreis der Cordillera Bianca finden sich Rillenkarren noch in Höhen von über 4000 m, so auf der Ostseite des Gebirges auf dem Gipfel von Huanchac Cruz (4475 m) und Llamoc (4246 m ) ; auch in der Cordillera Negra sind besonders bei Cajabamba K a r r e n in über 4000 m Höhe zu finden. Größere Karrenfelder liegen auf den Kalkrücken zwischen Llamellin und San Luis am oberen Maranön. Auf dem Wege von Chaglla gegen Pozuzo t r i f f t man bei San Antonio K a r r e n in einer Höhe von 1900 m an. Das berühmteste Karrenfeld in Peru ist der Kalkfels Kenko bei Cuzco. Eine von N a t u r aus zerschrattete Oberfläche wurde hier von den altindianischen Steinmetzen noch in der mannigfaltigsten Weise durch Stufen und Absätze ausgestaltet. Eine Treppe f ü h r t in unterirdische Gänge und Hohlräume, die im Anschluß an natürliche Höhlen künstliche geschaffen wurden. Die gewundene Rinne, nach der die ganze Anlage ihren Namen h a t (Kenko = das Gewundene), ist ebenfalls künstlicher Entstehung.

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Hans Kinzl.

Der Kenko-Felsen ist wohl das beste Beispiel einer kultischen Ausgestaltung und Verwendung von Karstformen. 2. Dolinen und Poljen. Die eigentlichen Leitformen des Karstes sind die trichterförmigen Dolinen. Als Einzelformen sind sie im peruanischen Hochland nicht selten, stellenweise kommen sie aber auch in größerer Zahl nebeneinander vor. Die eigenartigen Trichter, auf deren Grund das Wasser verschwindet, sind auch der einheimischen Bevölkerung aufgefallen, die d a f ü r entweder die spanische Bezeichnung tragadero oder das Ketschuawort milpu verwendet, was beides Schluckstelle bedeutet. Bedeutender sind große poljenartige Becken, die in die Hochflächen eingesenkt sind. Ihr ebener Grund wird von tonigen Ablagerungen gebildet, ein Zeichen d a f ü r , daß er f r ü h e r von Wasser bedeckt w a r . Teilweise ist das auch heute noch der Fall, an anderen Orten kommt es nur in der Regenzeit zu einer vorübergehenden Überschwemmung. Bisher sind diese Becken noch nirgends in karstgeographischer Hinsicht untersucht worden, obwohl sich gerade an sie besonders fesselnde formenkundliche und flußgeschichtliche F r a g e n knüpfen. Solche Dolinen und Becken finden sich in besonders deutlicher A u s p r ä g u n g im Räume von Celendin in Nordperu. Schon E. W. M i d d e n d o r f (Peru. Berlin, 1895, Bd. III, S. 184) berichtet hier von tragaderos, kleineren oder größeren trichterförmigen Senkungen, in denen sich das Wasser in das Innere der Erde verliert. Die S t r a ß e nach C a j a m a r c a quert bei km 80 eine ausgesprochene Dolinenlandschaft. Die Trichter haben meist eine Tiefe von etwa 10 m und einen Durchmesser von 20—30 m. Dazwischen liegen viele kleinere Gruben. Die Taleinschnitte beginnen hier unvermittelt. Stellenweise schalten sich beckenartige Erweiterungen in den Tälern ein, die nach unten zu durch Felsriegel abgeschlossen sind. Die campiña der Stadt Celendin selbst ist ein großes Karstbecken; daneben sind noch weitere Becken in die aus Kreidekalken bestehende L a n d s c h a f t eingesenkt. Das bedeutendste d a r u n t e r ist das von Huauco, das teilweise von einem See erfüllt ist, dessen Trockenlegung geplant ist. Auf dem Wege nach C a j a m a r c a quert man die P a m p a de la Culebra, deren tischebener Boden aus feinem Ton gebildet wird, anscheinend die Ablagerung eines f r ü h e r e n Sees. Auch verschiedene Becken bei C a j a m a r c a scheinen f r ü h e r von Wasser bedeckt gewesen zu sein. Der ebene Boden des Flugplatzes von Shultin ist noch jetzt in der Regenzeit öfter überschwemmt. Weiter südwärts sind Dolinen ziemlich h ä u f i g im Räume zwischen der Cordillera Blanca und dem Marañón-Flusse. Arnold H e i m (Wunderland Peru, Bern 1948, S. 120) erwähnt Versickerungstrichter zwischen Sihuas und Quiches. W. R ü e g g h a t Bilder von Dolinen in dieser Gegend aufgenommen (noch nicht veröffentlicht). Unmittelbar am Nordostabfall der Cordillera Blanca finden sich Dolinen oberhalb von Jancabamba. Viel größer und zahlreicher sind sie aber im Gebiet zwischen Llamellin und San Luis, so bei Ratacondor und bei Chulincruz. Einige Trichter füllen sich in der Regenzeit mit Wasser. Die große Doline von Chulincruz ist immer wasserlos, doch sieht m a n am Grunde, wo das Wasser versickert, eine feuchte Stelle. Beim schon genannten Tambo de Vaca am Wege von Muña nach Pozuzo finden sich in Verbindung mit den Karrenfeldern auch einige kleinere Becken, die wohl auch als Dolinen bezeichnet werden dürfen. Ihr Grund ist s t a r k ver-

Karsterscheinungen in den peruanischen Anden.

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sumpft. Auch jenseits des Portachuelo f ü h r t der Weg über eine dolinenartige Hohlform hinweg. Die große Grube zwischen dem Rücken von Muna (2055 m) und dem Talhang dürfte auf einen Bergrutsch zurückgehen. Ein Becken besonderer Art ist das Ojonal bei Villarica (am Rio Entaz). Es wird unterirdisch entwässert; sein Grund ist nur in der schönen Jahreszeit trocken. Vielleicht handelt es sich hier um eine Art Einsturzdoline infolge von Auslaugung eines unterirdischen Salzlagers. In der Nähe liegt ja der berühmte Salzberg. Poljenartige Becken zeichnen die Umgebung von Cuzco in Südperu aus, insbesondere am Rio Huaytanay, wo sich ein See findet. Auch die Laguna Huaypo liegt in einem derartigen Becken. Leider war aber in diesem Gebiet keine Gelegenheit zu eingehenderen Beobachtungen. Nach einer Luftaufnahme (Geographical Review, 1932, S. 18) liegen bei Maraspampa in der Nähe von Cuzco einige amphitheaterartig ausgebaute Trichter, vermutlich Dolmen, die künstlich in dieser Weise umgestaltet wurden. 3. Blind endigende Täler. Eine der eigenartigsten Karstlandschaften liegt am Wege von Huanuco Viejo nach Chacabamba am oberen Maranon. Hier überquert man bei Yuracyacu zwei Täler, die in phyllitartigen Schiefern angelegt sind und von starken Bächen mit klarem Wasser durchflössen werden. Die Bäche verschwinden plötzlich am Fuße einer Kalkmauer, die die beiden Täler absperrt. Erst das östlich anschließende Tal bei der Siedlung Milpu setzt sich durch den Kalkzug hindurch fort, wenn auch schluchtartig eng. Auch Karren und grubenförmige Vertiefungen treten hier auf. 4. Höhlen. Im peruanischen Hochland ist die Ortsbezeichnung „Höhle" (cueva im Spanischen, machay im Ketschua) sehr häufig. Meist handelt es sich dabei nur um überhängende Felsen oder auch nur um große Blöcke, die einen dürftigen Wetterschutz bieten und deshalb von Menschen und Tieren gern aufgesucht werden. Viele solcher „cuevas" sind weithin, bekannte Übernachtungsplätze an den Paßwegen. Oft finden sich an solchen Stellen auch altindianische Gräber. Häufig hat man freilich f ü r die Toten auch künstliche Höhlen angelegt. Man darf jedenfalls nicht immer an eine Karsterscheinung denken, wenn in Peru von einer Höhle die Rede ist. Immerhin scheint aber auch die Zahl echter Karsthöhlen nicht selten zu sein. Soweit bekannt, dürfte die bedeutendste die Cueva de lechuzas bei Tingo Maria sein. Die Höhle liegt am rechten Ufer des Rio Monzon, etwa eine Wegstunde vor seiner Einmündung in den Rio Huallaga. In einer Höhe von 25 m über dem Flusse öffnet sich an der steilen Kalkwand ein großes Felstor, das in einen domförmigen Hohlraum führt. Er ist etwa 20 m hoch, 50—60 m lang und f a s t ebenso breit. Auf dem Boden stehen mehrere Gruppen von Tropfsteinen, die bis zu 2 m hoch sind. Sie wachsen jetzt nicht mehr weiter. Auch von der Decke hängen zahlreiche Stalaktiten herunter, im äußeren Teil finden sich schöne vorhangartige Sinterbildungen. Die Höhle setzt sich noch weit in das Innere des Berges fort, doch ist sie noch nicht genauer erforscht. Der dunkle innere Teil des Domes ist eine Zufluchtstätte f ü r unzählige Fledermäuse. Der Boden ist hoch mit Fledermausguano bedeckt, dessen Verwertung als Dünger der Landwirtschaft von Tingo Maria sehr viel nützen könnte.

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Hans Kinzl.

Eine ähnliche Lage scheint eine Höhle unterhalb der Kolonie von Satipo zu haben, von der sich die Campa-Indianer den Kalk zum Cocakauen zu holen pflegten. Als Cueva San Marcos wurde sie vor einigen J a h r e n durch eine Expedition des Museo de Historia N a t u r a l „Javier Prado" in weiteren Kreisen bekannt. Von einer großen Höhle bei C a j a m a r c a , auch einem Schlupfwinkel der Fledermäuse, berichtete M i d d e n d o r f (Peru, III. Bd., S. 172). Die Dampfbadhöhle in Chancos am W e s t f u ß der Cordillera Blanca ist künstlicher Entstehung (A. R a i m o n d i , Ancachs, Lima, 1873, S. 53). Von einer sagenumsponnenen Höhle berichtet R a i m o n d i aus der Gegend von Mallas auf der Ostseite der Cordillera Blanca (S. 209). Auch von Recuay erwähnt er eine Tropfsteinhöhle (S. 84). 5. Karstgletscher. Wie das Regenwasser in den Kalkgebieten alsbald versiegt, die K a r s t g e f ä ß e im Inneren des Gebirges speist und erst tiefer unten in großen Quellen wieder zum Vorschein kommt, so geschieht es auch mit dem Schmelzwasser der Gletscher. Kleinere Gletscher haben in Kalkgebieten überh a u p t keinen oberflächlich sichtbaren Abfluß, bei größeren sind die Gletscherbäche o f t unverhältnismäßig klein und verlieren sich nach kurzem Laufe. E s fehlt daher im Gletschervorfeld das Rauschen des fließenden Wassers, das m a n sonst an einem Gletscher gewohnt ist. Die Stille wird durch die am Eisrand herabfallenden Tropfen eher noch betont als unterbrochen. Solche Gletscher auf Kalkunterlage ohne oberflächlichen Abfluß, die man als Karstgletscher bezeichnen kann, gibt es in Peru mehrere. Ein schönes Beispiel ist der Nevado de Acrotambo (4840 m) östlich vom Rio Marañón. Der Gletscher ist zwar n u r klein und h a t mehr die F o r m einer Firnhaube, er ist aber besonders wichtig, weil man an ihm das starke Absinken der Schneegrenze von der Cordillera Blanca nach Osten zu feststellen kann. E r h a t keinen oberflächlichen A b f l u ß ; das Schmelzwasser versickert im Boden, der von zahlreichen Spalten durchsetzt ist. Außerdem finden sich im Felsboden vor dem Eisrand auch viele Löcher, durch die wahrscheinlich das Wasser abgelaufen ist, als noch das Eis darüber lag. Die Moränenbedeckung des Gletschervorfeldes ist sehr gering, so daß durch sie der Boden nicht abgedichtet wurde. Am Gletscher westlich des Huayhuash-Passes in der Cordillera de Huayhuash versickert das Schmelzwasser gleichfalls großenteils im Kalkboden und kommt erst am Fuße einer hohen Felsstufe wieder zum Vorschein. Auch dem benachbarten großen Raura-Gletscher fehlt weithin ein oberflächlich sichtbarer Abfluß. 6. Tuffablagerungen. Zu den Karsterscheinungen müssen auch die K a l k t u f f lager gerechnet werden, die im peruanischen Hochland in Kalkgebieten besonders h ä u f i g sind. Wo das kalkreiche Wasser am F u ß e der Gehänge herauskommt, ist der Talboden o f t weithin mit einer Tuffdecke überzogen. Dies ist besonders in den Tälern von Mittelperu der Fall. Schon J . A. B r o g g i (Los travertinos de los alrededores de Oroya. Boletín de la Sociedad Geológica del Perú, I, 1925, pp. 61—65) h a t die Verbreitung der K a l k t u f f e in den Tälern des Rio Mantaro und des Rio Yauli untersucht. E r unterscheidet bei diesen Ablagerungen zwischen dem festen Travertin und dem lockeren T u f f . Die F a r b e wechselt von Weiß bis Rot. Bei Saco oberhalb von Oroya h a t der T u f f den Fluß

Karsterscheinungen in den peruanischen Anden.

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überdeckt; die Eisenbahn f ü h r t über diese Naturbrücke hinweg. F r ü h e r wurde der Tuff als Baustein abgebaut, heute wird er n u r bei der E r z v e r h ü t t u n g verwertet. Auch J . V. H a r r i s o n (An Expedition to the Central Andes of Peru. Geographical Journal, April 1940, p. 259) h a t auf diese Ablagerungen hingewiesen und weitere Fundorte genannt. Tatsächlich finden sie sich j a nicht nur im Mantaro-Tal, sondern auch in vielen westlichen Nebentälern. Auf einer langen Strecke geht beispielsweise der Weg von Pachacayo nach Cochas über sie hinweg, insbesondere bei Collpa. Der Boden klingt hier unter der Tuffdecke weithin hohl. Ihre Oberfläche wird an vielen Stellen vom Wasser überrieselt, die T u f f b i l d u n g dauert also auch jetzt noch f o r t . Weiter südlich ist besonders die Gegend von Huancavelica durch viel T u f f lager ausgezeichnet. Die ganze Stadt ist aus diesem Gestein e r b a u t ; es s t a m m t von einem jenseits des Flusses gelegenen Lager, das an eine warme Quelle anschließt. Weitere Vorkommen findet man auf der Strecke nach Mariscal Caceres. An verschiedenen Stellen hängen hier Sintervorhänge von den steilen Felsen herunter. Einige bedeutende Kalktufflager gibt es im Departamento Ancash. Schon A. R a i m o n d i (Ancachs, S. 58) h a t die große Sintermauer bei Salinas südwestlich oberhalb von Ticapampa beschrieben. Das anschließende K a l k t u f f l a g e r reicht bis in die Gegend von Recuay. Die T u f f e schließen an warme Quellen an. Sinterbildungen finden sich auch an der Austrittsstelle' der Schwefelquelle von Chancos und in der benachbarten künstlichen Grotte ( R a i m o n d i , S. 53). Kalktuff liegt auch bei Mullaca nördlich von H u a r a s . Viel bedeutender ist der mächtige Sinterkegel im Tal von Montehuay (4000 m) auf der Südostseite der Cordillera Bianca. E r sperrt das ganze Tal ab, der Bach fließt u n t e r ihm durch. Die Ablagerungen sind teilweise schön weiß, teilweise infolge von Eisenverbindungen lebhaft rot oder gelb gefärbt. Die Sinterbildung geht noch weiter. den Talwänden stürzen Granodioritblöcke auf den Kegel h e r u n t e r und werden allmählich darin eingeschlossen. Man nennt die Ablagerungen hier, wie auch an anderen Stellen, llacllash. An der Ostseite der Cordillera Bianca gibt es auch bei Pompei K a l k t u f f e . Sie wurden f r ü h e r bei der V e r h ü t t u n g der Erze verwendet. Das am tiefsten gelegene K a l k t u f f l a g e r f a n d sich im Huallaga-Tal unterhalb von Muna in einer Meereshöhe von etwa 1800 m, also schon tief u n t e r der Waldgrenze. Daß die K a l k t u f f l a g e r noch weiterwachsen, zeigt die unmittelbare Beobachtung. Teilweise liegen sie auf ehemals vergletscherten Flächen, sind also dort zur Gänze postglazial. Stellenweise mögen sie aber auch schon älter sein. Einige, aber durchaus nicht alle T u f f - und Sinterlager stehen mit warmen Quellen in Verbindung (Huancavelica, Ticapampa, Chancos). Das Klima des peruanischen Hochlandes ist ihrer Bildung sehr förderlich, wobei insbesondere auf die geringe relative Feuchtigkeit der L u f t und auf die starke Sonnenstrahlung hingewiesen werden muß.

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Hans Kinzl. — Karsterscheinungen in den peruanischen Anden.

Schon die wenigen hier mitgeteilten Beobachtungen zeigen uns Peru als ein Land mit zahlreichen Karstformen und ausgedehnten Karstlandschaften. Fast alle aus den klassischen Karstgebieten Europas bekannten Erscheinungen finden sich dort wieder, insbesondere Karren, terra rossa, Dolinen, poljenartige Karstbecken, blind endigende Täler mit Flußschwinden, Höhlen, Karstgletscher und Kalktufflager. Es wäre eine lohnende Aufgabe für die jungen peruanischen Geographen, die Karsterscheinungen in ihrem Lande im einzelnen zu erforschen. Sicher würden sich dabei Ergebnisse gewinnen lassen, die auch für die allgemeine Karstgeographie wertvoll wären. Manuskript abgeschlossen Herbst 1950.

Tafel IX

Aufn. II. Kinzl, 193«. Abb. 1. Rillenkarren bei Paria, Cordillera de Huayhuash.

Abb. 2.

Karrenfeld beim Tambo de Vaca oberhalb Pozuzo, bedeckt.

vom Ceja-Wald

Abb. 3. Karrenfeld am Kenko-Felsen bei Cuzco.

Tafel X

Abb. 4. Doline von Chuiincruz, am oberen Rio M a r a n ö n .

Abb. 5. Blind endigendes Tal mit F l u ß s c h w i n d e bei Y u i a c y a c u a m oberen Rio Maranon.

Abb. 6. K a l k s i n t e r k e g e l

Llacllash im Tal von M o n t e h u a y Cordilleia Bianca.

im

Südosten

der

Erlauf, ötscher und Salza. Von Hans K 1 i m p t. Das H a 111 a 1 folgt ziemlich genau der Puchberg-Mariazellerlinie, einem eingefalteten und überschobenen Streifen der Lachalpendecke. Die Form der Einfaltung ist am besten durch das Zusammenwirken zweier Vorgänge zu erklären: 1. Einen intermittierenden Sog nach unten, der an dieser Linie schon während der vorgosauischen und alttertiären Gebirgsbildungen (Alttektonik) wirkte, dessen Wirkung sich aber auch noch auf die jungtertiäre Großfaltung (Jungtektonik) erstreckte. Diese lokalen „Verschluckungszonen" im Sinne A m p f e r e r s sind viel häufiger und wichtiger als gewöhnlich angenommen wird. 2. Das Vorherrschen der im Alpenstreichen verlaufenden Verschluckungsund Wölbungszonen erfordert aber nach wie vor die Annahme starker Schubbewegungen von S her. Eine Synthese der Unterströmungs- und der Deckenlehre (ohne den etwas zu starren Schematismus von lediglich zwei Hauptverschluckungszonen von K r a u s ) erwies sich f ü r das Mariazeller Gebiet als brauchbarste Arbeitshypothese. Durch die Überkippung der Mulde ist das Schichtfallen vorwiegend nach S gerichtet, das Tal asymmetrisch, als Subsequenzfurche in Werfener Schichten sehr breit und durch Reihen von Rückfallkuppen und Denudationsstufen aus Gutensteiner Kalk auf der N-Seite, aus Dachsteinkalk auf der S-Seite gegliedert. Trotz der ehemaligen Vergletscherung ist es, übrigens wie alle Täler des Mariazeller Gebietes, nicht trogförmig. Im N wird das Halltal von einer Großfalte begleitet, die in dem kleinen Rest der Raxlandschaft auf dem Göller 1761 m erreicht. Die Hauptdolomite des Göllers fallen nach S und zwar auf der S-Seite steiler als im N. Dieses wichtige Zusammenfallen von Wölbungs- und Senkungszonen der Raxlandschaft mit der entsprechenden Lagerung der Schichten wird im folgenden „ k o n g r u e n t e s S c h i c h t f a l l e n " genannt. Vom Göller senkt sich die Raxlandschaft sanft nach W zum Bürgeralpl 1267 m. Sie nähert sich damit einer N—S verlaufenden Walmzone (im folgenden „M a r i a z e l l e r W a 1 m z o n e" genannt). Südlich vom Halltal trägt eine Reihe kleiner Stöcke in flachlagernden Kalken Reste der Raxlandschaft (Wildalpe, Hoher Student, Proles, Königskogel, Tonion, Hohe Veitsch, Wetterin u. Wehrleiten). Im allgemeinen nehmen die Höhen nach N sanft ab. Nur auf der Tonion biegt die Raxlandschaft in einer steileren Flexur 200 m tief zur Tonionalm herunter. Ebenso nehmen die Höhen gegen W ab mit der Annäherung an die Mariazeller Walmzone, die über Wehrleite, Wetterin und zwischen Veitsch und Aflenzer Staritzen nach S zieht. Die zwischen den kleinen Kalkstöcken durchziehenden Tiefenlinien (Freintal, Falbersbachtal) sind größtenteils Subsequenzfurchen in steil eingefalteten Werfener Schiefern und Gösau. Die von C o r n e l i u s gezeichneten Profile dieser Einfaltungen sind kaum anders als durch Verschluckungszonen zu erklären.

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Hans Klimpt.

Wie schon S c h m i d b a u e r 1915 und 1943 F i n k erkannten, ist die Schlucht des untersten Halltales epigenetisch. Es handelt sich um die sehr häufige „Sölch-Epigenese", d. h. die Verstopfung eines alten Tallaufes, die hier durch die ausgedehnten Grus- und Schottermassen jenes Sanders erfolgte, den der ungefähr bei der Walstermündung endende Halltal-Würmgletscher nach W entsandte. Zerrüttungszonen (H a u s e r) spielten beim Einschneiden der neuen Talstrecke keine Rolle. Der auf der Sanderfläche fließende Fluß konnte von den in der Tiefe verborgenen Zerrüttungszonen H a u s e r s nämlich sozusagen „nichts wissen". Die Gesteine der Schlucht sind außerdem nicht mehr zerrüttet als die der Umgebung. Die S a l z a t r i t t nun zwischen der Dolomitschneide der Sauwand und der Tribeinhochfläche in ihr D u r c h b r u c h s t a l . Die Raxlandschaft der Tribein, die weithin den Schichtflächen der Dachsteinkalke folgt, schneidet auch einen Gosaurest. Diese hochgelegenen Gosaureste weisen auf eine einst ziemlich mächtige einheitliche Gosauhülle. Sie allein macht über die mitteloligozäne tektonische Phase hinaus die Vorstellung jener konsequenten Flüsse verständlich, die die Augensteine abgelagert haben sollen. Gegen die schon etwas „orthodox" gewordene Anwendung der Gedankengänge L i c h t e n e c k e r s muß allerdings heute im Geiste L i c h t e n e c k e r s eingewendet werden, daß diese „Augensteinlandschaft" wohl kaum so s a n f t und flach war, wie das meist angenommen wird. Wenn auch durch die Gosauhülle z. T. noch verdeckt und daher verflacht, muß es an den mitteloligozänen Überschiebungslinien und Verschluckungszonen an der Grenze von Kalk- und Gosauflächen ein bewegteres Relief gegeben haben, das allerdings mit dem Einsetzen der Jungtektonik (vermutlich doch im Mittelmiozän in der steirischen Phase) und der weitgehenden A b t r a g u n g der Gosauhülle anderen Formen Platz machte. Mit dem Eintritt der Salza in das Durchbruchstal beginnen jene „ s p i t z e n M ü n d u n g e n " , die S p e n g l e r , S t r z y g o w s k i und F i n k veranlaßten, hier den Oberlauf einer nach N fließenden präglazialen „ U r e r l a u f " anzunehmen. Mit ebensolchen „spitzen Mündungen" bei Erlaufklaus h a t B r ü c k n e r eine nach S fließende „Ursalza" beweisen wollen, woraus sich ergibt, daß das Argument der „spitzen Mündungen" nicht sehr t r a g f ä h i g ist. Die Salza f o l g t hier einer sehr alten Anlage, die sich gegenüber der jungtektonischen Großfaltung der Raxlandschaft behaupten konnte. Im einzelnen folgt die Salza streckenweise Großmulden der Jungtektonik. So verläuft die Talstrecke Gußwerk—Rothmoos größtenteils in der Muldenachse einer WSW streichenden Großmulde, zu der die Schichten beiderseits kongruent einfallen. Die N S streichende Mariazeller Walmzone (die Gollrader Kuppel ist eine Form der Alttektonik) quert diese Längsmulde. Dadurch entsteht die, überdies nicht sehr „spitze Mündung" des Aschbaches. Der spitz mündende Moosbach folgt einer Subsequenzfurche von Kössener- und Gosauschichten. Der auffallende Wechsel von Schluchten und Talweitungen an der Salza berechtigt außerdem nicht zu der Annahme ehemaliger Wasserscheiden ( S p e n g l e r , S t r z y g o w s k i , F i n k ) . Der Zerfall des Salzagletschers bot genug Möglichkeiten f ü r die Bildung von Stauseen und Überflußdurchbrüchen zur Umgehung eisverstopfter Talstrecken, z. B. „in der Klausen" oberhalb Weichselboden und am „Hals" bei Rothmoos. Diesen Toteis-Propfen des Würmgletschers entsprechen die Sand- und Schotterterrassen beim Poldlbauer 800 m und bei Sigmundsherberg 790 m. Auch die vom Eis benützten

Erlauf, ötscher und Salza.

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Talstrecken zeigen jedoch weder Trogform noch hängende Seitentalmündungen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für stärkere Eiserosion fehlte nämlich in diesen Kalkalpentälern: der „dirigierte" Eisstrom. Während in den Schluchten das Eis ziemlich unbewegt lag, entwickelte sich in den weiten Ausräumungsbecken kein deutlicher Stromstrich. Der Hochschwabstock bildet eine ENE streichende Großfalte, deren N-Hänge sich in N fallenden Wettersteinkaiken bis zur Muldenachse bei ca. 1450 m über der Hinteren Hölle senken, um dann jenseits der sekundären Aufwölbung der Zeller Staritzen aus der Greith-Gußwerker Großmulde zur ENE streichenden Großfalte der Zellerhüte in S fallenden Schichten anzusteigen. Diese doppelte Längsmulde des Großfaltenwurfes wird von einer Querwelle abgeschnitten, die als letzter jungtektonischer Ausläufer der Weyrer Bögen vom Hochschwabgipfel zur Kräuterin zieht. Vor ihr bog die Salza zunächst nach S aus, um sie an der, durch Werfener Schiefer begünstigten südlichen Längsmulde in der Brescenyklause zu durchbrechen. Westlich und östlich unter der Kräuterin floß H o c h s c h w a b e i s in großen Massen nach N ab. Der östliche Eisstrom löste sich von den nach E fließenden tieferen Salza-Eismassen bei Rothmoos, floß über den Zeller Sattel 1083 m und beiderseits vom Schwarzkogel 1423 m nach N, bog dann nach E und senkte sich in großartigen Eisbrüchen in das Erlaufsee- und Grünautal hinunter. Der westliche Eisstrom, verstärkt durch Eismassen aus den östlichen Ennstaler Alpen, überfloß das Gipfelgewirr der Baumkögel fast in der ganzen Breite zwischen Fadenkamp und Dürrenstein und senkte sich dann, nach der Vereinigung mit dem östlichen Eisstrom, in das Ybbstal. Schon S p e n g l e r zeigte die starke Moränenfüllung der Täler im Baumkögelgebiet. Auch auf dem Blatt Gaming—Mariazell ist das H ü g e l g e w i r r zwischen N e u h a u s und dem Lassingtal an vielen Stellen von mächtiger Grundmoräne (Dolomitgrus mit Stücken von Wettersteinkalk und Hierlatzkalk) bedeckt. Einer der besten Aufschlüsse liegt 1 km südlich von Neuhaus in dem Talzwiesel „Im Voitl". Die vielen Hügel sind Rundhöcker des F e r n g l e t s c h e r s und bestehen zum größten Teil aus Wettersteindolomit. Die Weiße Ois, der Neuhauser Bach und ihre Seitenbäche fließen in nur 100—150 m tiefen Tälern. Ihr Querprofil zeigt unter den geschliffenen höheren Hangteilen an vielen Stellen 10—30 m tiefe postglaziale Kerben, die nach der Ausgleichsfläche des geringsten Widerstandes geformten Rundhöckerhügel kehren ihre felsigen Leeseiten gegen N und NE. Die Eisoberfläche des Ferngletschers, der eine präglaziale Dolomitschneidenlandschaft überwältigte, kann nicht viel über 1400 m gelegen haben, da die 1420—1450 m hohe Wasserscheide über dem Steinbachkessel ziemlich sicher nicht mehr vom Eis Überflossen wurde. Die auffallende Konstanz der Gipfelhöhen im Hügelgewirr (ca. 1170 m + 100 m) geht natürlich auf die Eisbearbeitung zurück. Aber die Gipfelhöhenkonstanz bestand im Großen auch schon präglazial. Die Dolomitschneiden dieser Großmulde zwischen der Fadenkamp-Zellerhutgroßfalte und der Hochkar-Gemeindealpegroßfalte wurden vor der jungen Erosion und Denudation des Ybbstales durch die riegelgekrönten Härtestufen der Neuhauser- und Oisklause geschützt, die von mittelsteil SW fallenden Oberjurakalken der Neuhauser Überschiebung gebildet werden. Die Konstanz der Gipfelhöhen wird bei Untertaschelbach durch die weiten Wiesenflächen der weichen Liasmergel unterbrochen. Mit einem ebenfalls nur gesteinsbedingten Sprung der Gipfelflur von 200—250 m gelangt man von den Dolomit-

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Hans Klimpt.

hügeln auf jene Dachsteinkalkgipfel der Umgebung hinauf, die unter gleichen Bedingungen standen (Eisbearbeitung, Großmuldenlage), z. B. das Feldwiesplateau 1400—1450 m, von dem östlich und westlich vom Burgriegel 1453 je eine glaziale Durchgangsmulde herabzieht. Sie wurden vor dem Vorstoß oder nach dem Rückzug des Ferngletschers durch Schmelzwässer des Feldwies-Piateaugletschers angelegt. Der H i n t e r e Z e l l e r h u t 1635 m ist bedeutend höher da er im Kreuzungspunkt zweier Großwellen liegt. Auch die Querwelle zeigt sich im Schichtfallen. Alle Schichten (von unten nach oben: Wettersteindolomit, Lunzersandstein mit flacheren Wiesenterrassen, Hauptdolomit und Dachsteinkalk) sinken vom Hinteren Zellerhut sowohl nach W als auch nach E ab. Noch deutlicher zeigt sich das allseitige Abbiegen der flachlagernden Dachsteinkalke und der von ihnen getragenen Raxlandschaft im Großfaltenknoten des D ü r r e n s t e i n s 1878 m. Trotzdem das Absinken nach N ganz s a n f t erfolgt, läßt sich eine Längsmulde zwischen Dürrenstein und Scheiblingstein erkennen. Unterhalb der H ä r t e s t u f e n an der Neuhauser Überschiebung senken sich das Tal der Weißen Ois und des Neuhauser Baches als ganztalige Tröge zunächst sehr rasch bergab. Die Überschiebungslinie der Neuhauser Schuppe bildet mit SW fallenden Oberjurakalken eine 2. Talstufe. Darunter wird der Trogboden immer flacher und gibt bei L a n g a u Raum f ü r eine kleine Talsohle. Die Dachsteinkalke, die die höheren Talhänge des Ybbstales bilden und dadurch möglicherweise die Trogform nur vortäuschen, fallen beiderseits zum Tal ein. Die Raxlandschaft zeigt hier jedoch keine dem Schichtfallen entsprechende NS-Mulde des jungtektonischen Großfaltenwurfes. E s muß sich daher um eine ältere Querf a l t u n g (A m p f e r e r) handeln. Unnötig ist es aber d a f ü r eine eigene „Alpenstauchung", d. h. eine eigene Querfaltungsphase anzunehmen. Die Unterströmungslehre bietet genug Möglichkeiten, sich die Entstehung der alt- und jungtektonischen Querwellen gleichzeitig mit der vorherrschenden Längswellung vorzustellen. Alle Seitengräben des oberen Ybbstales münden stufenlos. Auch das Tal von L a c k e n h o f . Es wurde von einem größeren Gletscher benützt, der aus den NE-Hängen des Ötschers kam. Seine Moränen hat G ö t z i n g e r beschrieben. Sie reichen auf eine schöne Terrasse hinauf, die 100 m über dem Talboden von Dippelleiten zum Freudenthaler zieht. Ihre Deutung und Altersbestimmung war mir nicht möglich. Der östliche Arm des Ferngletschers überschritt die Wasserscheide zwischen dem Zellerhut und der Brunnsteinmauer f a s t in der ganzen Breite und vereinigte sich über die G r ü n a u und das Erlaufseetal mit dem von S kommenden Eis. Entsprechend dem zur Mariazeller Walmzone gerichteten Schichtfallen neigen sich die Fastschichtflächen der Tribein und des Fadenbodens nach N E und kehren die drei gratförmigen Zellerhüte ihre Steilabfälle nach NW. Größere Wände gibt es vor allem im Hintergrund des von Moränen erfüllten, trogähnlichen Hut- und Rehgrabens, an deren Einmündung in die Grünau sich die glazialen Konfluenzweitungeil beim Hechtensee und beim Hubertushof befinden. Von ihnen gelangt man über einen nur 50 m hohen, eisgeweiteten Sattel zum Erlaufsee. Auf der S-Seite des Zellerhutkammes gibt es kleine Felswände nur in dem kleinen Kar unter dem Mittleren Zellerhut. Es besitzt eine kleine Bergschrundwand und wird gegen vorne von einem Schichtkopfriegel aus Dachsteinkalk und einem kleinen Moränenwall abgeschlossen. Im N wird die Grünau von

E r l a u f , Ötscher und Salza.

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niedrigen Dolomitbergen begleitet. Im W wurden diese, z. B. der Hochkogel 1131 m, vom Ferngletscher Überflossen und vollkommen zugerundet. Im E haben der ganz gleich gebaute und einst der gleichen Schneideflur angehörende Große Kainz 1130 m und der Rasingberg 1138 m als spitze Nunataker aus dem Eis g e r a g t . Das Grünautal selbst ist (im Gegensatz zur Darstellung F i n k s) kein Trog. Das unterste Talstück wurde, wie F i n k richtig erkannte, epigenetisch auf der Mariazeller Sanderfläche angelegt. F i n k s Moränen beim Teichbauer habe ich nicht gefunden. In der Nähe der Teichmühle endete aber tatsächlich der Würmgletscher der Grünau, denn die Mariazeller Sanderfläche reicht nicht weiter in das Tal hinein. Der Ferngletscher senkte sich zur Zeit der Maximalvereisung (von den meisten Autoren bei Mariazell als Riß angenommen) von der Brunnsteinmauer (Eisoberfläche ca. 1300 m) auch durch das E r l a u f s e e t a l auf etwas über 1000 m über dem eisüberflossenen Rehsattel 969 m im Ostkamm der Gemeindealpe) und schließlich auf 950—1000 m an der Einmündung in das Mariazeller Paßtal. Die Wanne des Erlaufsees entstand durch den Würm-Ferngletscher. Seine Moränenwälle wurden 1934 unter Leitung L i c h t e n e c k e r s von einem Quartärkurs des Geographischen Instituts der Universität Wien, an dem ich teilnahm, kartiert. Aus der Zeit als dieser Würmgletscher zerfiel, s t a m m t der kleine Aufschluß an der Straße nördlich unter dem Beerkogel. E r zeigt Dolomitg r u s (mit 20° nach N N E geneigt) und kantenrunde Dachsteinkalkblöcke eines Schwemmkegels, den die Schmelzwässer des sich zurückziehenden Zellerhutgletschers ablagerten. Das N S verlaufende P a ß t a l v o n M a r i a z e l l folgt der Mariazeller Walmzone, die die E N E streichenden Großfaltenzüge unterbricht. Die Schichtund Deckengrenzen streichen durch das vorherrschende SSE-Fallen im Großen ebenfalls nach E N E , biegen aber durch die Einwalmung im P a ß t a l etwas nach N aus. Dieses auffallende Weiterleben alttektonischer Züge und Linien in der Jungtektonik ist eines der merkwürdigsten Dinge nicht nur im Mariazeller Gebiet und f ü r die E r k l ä r u n g der gebirgsbildenden Vorgänge von großer Bedeutung. Die Einmuldung der Puchberg—Mariazeller Linie begann nach der Darstellung T r a u t h s schon in der unteren Trias als nordjuvavischer Kanalstreifen zwischen den höheren Riffzügen im N und S, steigerte sich in den vorgosauischen und oligozänen Gebirgsbildungen und f ü h r t e auch noch in der jungtektonischen Großfaltung zu k r ä f t i g e r Einmuldung. Nicht viele „Verschluckungszonen" sind so deutlich und so permanent. Das Vorhandensein permanenter „Verschluckungszonen" und Wölbungsrücken legt aber den Schluß nahe, daß auch die vorgosauischen und oligozänen Gebirgsbildungen ähnlich wie die jungtektonische Großfaltung und die epirogenetischen Bewegungen der Trias in einer Großf a l t u n g des Untergrundes bestanden, allerdings in gewaltiger Steigerung. Wir kennen diese „G r u n d f a l t e n " , auf die schon A r g a n d hingewiesen hat, durch G ö t z i n g e r und V e t t e r s vom Tullner Feld (Comagenischer Rücken etc.). Diese Großfalten des Grundgebirges und noch viel mehr natürlich die Großfaltung und Schollentektonik der Sedimenthaut der Ostalpen sind aber nur das Oberflächenbild jener gewaltigen D ü n u n g , die der Zusammenschub der alpinen Geosynklinale i n d e n G e s t e i n s t r ö m e n der T i e f e ausgelöst hat. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die K r ä f t e , die diese großtektonischen Vorgänge erzeugten, aus der durch die Radioaktivität verschärften

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Hans Klimpt.

ungleichmäßigen Wärmeleitfähigkeit und Abkühlung der Erdkruste stammen (im Sinne von B e m m e l e n s „Undationstheorie" und K i r s c h s „Geomechanik"). Infolge des bewegten Untergrundes waren daher f ü r die in den Oberflächengesteinen auftretenden Gleitdecken keine großen Gleitwinkel nötig. Das Dolomitgebiet der Grünau und des Erlaufseetales setzt sich jenseits der Walmzone fort. Die von der Raxlandschaft ererbte Schneidenflur der Gipfel steigt sanft gegen Ii an. Die zum Paßtal herunterführenden Gräben folgen teilweise dem Schichtstreifen, zum Teil (Nassenbach) dem dünnen Band der Lunzer Schichten zwischen dem Wettersteindolomit im S und dem Hauptdolomit im N. Der Felsgrund des Paßtales besteht daher wahrscheinlich größtenteils aus einem rundgebuckelten Dolomithügelland. Nur im S bei Mariazell gibt es (siehe das Kärtchen H a u s e r s) etwas Gösau, aus der sich rundgebuckelte Härtlinge von Hallstätter- und Dachsteinkalk erheben. Dieser unruhige Talgrund wurde von diluvialen Sandern verschüttet. Die von H a u s e r festgestellten Gerölle auf dem grünen Rücken P 979 und die von S t r z y g o w s k i beschriebene Sandgrube am Fuß des Bürgeralpls sind Eisrandbildungen eines älteren höheren Gletschers, den Strzygowski als Rißgletscher bezeichnet und f ü r dessen Eisoberfläche er den hier brauchbaren Wert von 970 m angibt. Nirgends läßt sich ein Beweis f ü r die von H a u s e r so ziemlich ohne Grund angenommene diluviale Heraushebung des Bürgeralpls finden. Ebensowenig fand ich die von S t r z y g o w s k i beschriebene Blockmoräne bei der Sandgrube. Zutreffend ist dagegen die Darstellung der epigenetischen Laufverlegung am untieren Nassenbach. Der von Sand und Schotter verstopfte alte Taltorso zeigt noch die Höhe der Nassenbachverbauung (950 m) an, die sich ebenfalls dem „Rißgletscher" zuordnen läßt. Das gleiche gilt f ü r die bei 940 m liegende Spitze eines Deltakegels aus Dolomitgrus, der sich vom Hang der Großen Sonnleite unter P 1002 (durch einen Druckfehler auf der Karte P 1102) in einen Eisrandtümpel des „Rißgletschers" vorbaute. Unsere Suche gilt nun dem W ü r m g l e t s c h e r d e s P a ß t a l e s . Beim Krankenhaus, wo S c h m i d b a u e r und S t r z y g o w s k i einen Wallrest annehmen, gibt es nur eine epigenetisch abgetrennte Dolomitkuppe und den in zwei Hälften zerschnittenen jungdiluvialen Nassenbach-Schwemmkegel. Einen weiteren Wallrest erwähnen S t r z y g o w s k i und F i n k beim Mariazeller Bahnhof, ohne die genaue Lage anzugeben. Schon C o r n e l i u s bezweifelt diese Moränen. Am NW-Ende des Bahnhofs konnte ich nur eine aufgelassene Schottergrube feststellen und westlich davon zwei Dellen im Sander, an denen das Wasser zweier Wildbäche des Rasingberges bei Regen in den Sander versickert. Als halbwegs brauchbarer Wallrest kommt auf der rechten Talseite nur ein kurzer und undeutlicher Wallstutz nördlich von dem Wort Gebhardt der Karte 1 : 30.000 in Betracht. Ein deutlicher Wall liegt dagegen südlich vom Fleschhaus. In seinem westlichen Teil überragt er die nördlich von ihm liegende sumpfige Mulde um 6—10 m. Ein kleiner Aufschluß am Weg Fleschhaus—Oberer Feldbauer zeigt kantenrunde Blöcke aus Dolomit, Gosaukonglomerat, Dachstein- und Gutensteinerkalk in ungeschichtetem Grus. Hinter diesem Wall liegt das Rasinger Zungenbecken des Mariazeller Würmgletschers. Die Zungen der Gletscher des Hall-, Grünau- und Erlaufseetales stießen zur Würmzeit noch f a s t mit diesem, auch vom Hochschwab kommenden Gletscher zusammen. Für den „Riß-

Erlauf, Ötscher und Salza.

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gletscher" muß daher das oft bezweifelte Zusammenströmen dieser Gletscher bei Mariazell angenommen werden. Die beherrschende Form im Paßtal von Mariazell ist d i e g r o ß e H a u p t s a n d e r f l ä c h e . Sie beginnt im S beim Lucketen Kreuz in einer Höhe von 895 m und senkt sich als Sander des Halltaler Würmgletschers bis zum Unteren Kogelbauer 820 m nach W. Auch an der Mündung der Grünau senkt sich die Sanderfläche des Grünauer Würmgletschers von 881 m auf ca. 840 m nach E, hinter dem aus Dachsteinkalk bestehenden Riegelberg über der Eisenbahnstation Rasing. Auch dort ist das unterste Talstück epigenetisch verlegt ( F i n k ) . Im Gegensatz zu H a u s e r konnte ich den Sander nicht wesentlich über den P 881 nach W verfolgen. Mariazell selbst liegt auf den jungdiluvialen Schwemmkegeln der Bäche des Bürgeralpls. Sie füllten die Hohlkehle zwischen dem sich zurückziehenden Würmgletscher und dem Talhang in der Höhe der Hauptsanderfläche. Diese Schwemmkegelflächen, die beim Friedhof bis auf 840 m herunterreichen, sind daher flach gegen WSW geneigt. Dementsprechend zeigt auch der Luftschutzstollen im N Abfall des Friedhofs nur wenig geschichtetes lokales Material (Dolomitgrus und Blöcke von Gosaukonglomerat). Nördlich vom Würmwall senkt sich die Hauptsanderfläche als eindeutiger Würmsander des Hochschwab-Salzagletschers nach N. Über diesen Sander gibt es recht weit auseinandergehende Meinungen. S t r z y g o w s k i beschreibt ihn zuerst als Dolomitgrus mit „auflagernder" Moräne. „Auflagernde" Moräne ist jedoch nirgends zu sehen. Sie würde auch zu sehr merkwürdigen Vorstellungen über die Eiswirkung führen. In der Zusammenfassung wird der gleiche „Zeller Grus" als kreuzgeschichtete Seeausfüllung hinter dem das Tal sperrenden Ötschertalgletscher bezeichnet. H a u s e r bezeichnet die gleichen „Terrassensedimente" zuerst als interglazial, später, wie F i n k als fluvioglaziale Schwemmasse. Aus Zusammensetzung und Korngröße schließt H a u s e r mit Recht auf kurzen Transport. Die Hauptsanderfläche ist nur ein ganz kurzes Stück vollerhalten. Die Erlauf hat den Sander in der Talmitte beseitigt und auf die Talränder und Talwinkel zurückgeschnitten. Die postglazialen (nicht „prä Würm-interglazial" wie H a u s e r meint) Mulden der Erlauf und des Nassenbaches haben aus der Sanderfläche den Rücken des „Kälberhaldls" herausgeschnitten (von S t r z y g o w s k i als NS streichender Moränenwall bezeichnet). Der weitere Verlauf der Sanderterrassen und die epigenetischen Talstrecken der Seitengräben werden von S t r z y g o w s k i richtig angegeben. S t r z y g o w s k i hat auch die von Schmidbauer vermuteten nördlichsten Endmoränen der Mariazeller Gletscherkonfluenz nördlich von Mitterbach beim Bucheckerhof gefunden und sie, wahrscheinlich mit Recht, als „Rißmoränen" bezeichnet. Verfehlt ist aber seine Deutung der Hauptsanderfläche. Die Hauptsanderfläche, in der im N die ältere und höhere („Riß") Sanderfläche aufgegangen sein dürfte, senkt sich mit einem gleichbleibenden Gefälle von 6,5°/00 von 860 m an ihrer Wurzel an der Mariazeller Würmmoräne auf 830 m beim Gehöft Vorderhagen im Ötschertal. Es ist ganz unmöglich, dieses gleichbleibende, einem alpinen Sander entsprechende Gefälle durch nachträgliche Einbeziehung einer ursprünglich horizontalen Fläche in den „Abtragungsbereich" der Erlauf zu erklären. S t r z y g o w s k i hat hier allzu bedenkenlos die von L e h m a n n skizzierten Ansichten übernommen. Niemals hat es bei Erlaufklaus eine talsperrende Zunge des Ötschertalgletschers gegeben Festschrift Johann Solch.

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und niemals daher auch jenen Eisstausee, durch dessen Verlandung eine horizontale Fläche über kreuzgeschichteten Zeller Grusmassen entstanden sein soll. S t r z y g o w s k i hat hier übersehen, daß L e h m a n n seine zwei „Moränenblöcke" bei Erlaufklaus, auf denen die ganze Annahme beruhte, f r e i m ü t i g als recht „zweideutig" hingestellt hat. Ähnliche Blöcke aus Dachsteinkalk gibt es mehrfach zwischen Mitterbach und Erlaufklaus (bes. beim Eselgraben- und Kuhgrabenviadukt). Sie sind durchaus nicht durch das Eis an ihre Plätze gelangt, sondern stammen aus der Hauptsanderfläche die einst den ganzen Talgrund verhüllte. Sie verhüllte auch das „Riß"-Zungenbecken von Mitterbach mit seinem Torfmoor, das daher nicht durch Stau vor einer antezedenten Aufwölbung zu erklären ist ( B r ü c k n e r ) . In der Schlucht der Hinteren Tormäuer finden sich keine Sanderreste. Hier konnten sie zu leicht beseitigt werden. Das Vorkommen bei Vorderhagen ( ein im J a h r e 1942 offener Aufschluß 30 m südlich von der Kapelle zeigte geschichteten, flach nach N fallenden Grus und kleine Gerölle aus Kalk und Gösau) zeigt, daß die Schmelzwässer der Mitterbacher Gletscherzunge neben der Tormäuerschlucht auch die seit D i w a 1 d viel diskutierte Talfurche des unteren Webergrabens benützten. Hier, zwischen Mitterbach und Wienerbruck liegt die Schlüsselstelle f ü r die E r k l ä r u n g der Ötscherlandschaft. Sie ergibt sich aus jener wichtigen „Schnittfläche", die zuerst von S t r z y g o w s k i beschrieben aber unrichtig ausgewertet wurde. S t r z y g o w s k i versucht nämlich sonderbarerweise die schöne und angeblich „prä-würmglaziale" Schnittfläche 812 m am N-Ende des Stausees mit dem rezenten (l) E r l a u f b e t t nördlich von Mitterbach 768 m und dann noch mit dem Boden des Zungenbeckens (!) von Rasing 760 m zu verbinden und daraus ein „prä-würmglaziales" Gefälle nach S abzuleiten. In Wirklichkeit steigt vom S-Ende des Stausees bis zu seinem N-Ende eine durchlaufende sehr deutliche und von der Bahn benützte Terrassenfläche von 790 auf 812 m, die an einigen Stellen auch auf der W-Seite des Stausees u n t e r der Sanderfläche sichtbar wird. Vom N-Ende des Sees zieht sie sich nicht in die Tormäuerschlucht hinein, sondern steigt als schmale Leiste durch den unteren Webergraben auf 825 m südlich unter dem Forsthaus Vorderhagen und kommt nordwestlich unter der Sanderfläche von Vorderhagen in breiten Terrassenflächen in 825 m Hohe wieder zum Vorschein. Nach einer scharfen Biegung steigt sie als Talkante durch den untersten Ötschergraben nach E an und erreicht schließlich in der sehr deutlichen Kaiserthronterrasse über dem Elektrizitätswerk Wienerbruck 840 m. Folgende Überlegungen ergeben, daß es sich bei dieser einzigen deutlichen Terrasse des Mariazeller Gebietes um einen p r ä g l a z i a l e n T a l b o d e n handeln muß: Wir müssen aus dem Terrassenverlauf annehmen, daß der Lassingbach einst als U r s a 1 z a über den unteren Ötschergraben nach W floß, zwischen Hinter- und Vorderhagen den Ötscherbach a u f nahm, scharf nach SE umbog und über das heutige obere E r l a u f t a l die heutige Salza bei Rasing erreichte. Die nach S gerichtete Ursalza wurde schon 1891 von M i c h a e l , 1915 von S c h m i d b a u e r und in den zwanziger J a h r e n von L e h m a n n und B r ü c k n e r vermutet. Der Stau der von S heranrückenden Eismassen der ersten Eiszeit muß vorübergehend eipen See gebildet haben, der durch sein Überfließen die damals ca. 860 m hohe Wasserscheide zwischen dem Großen Koller und dem Jodlschopf und die ca. 830 m hohe Nebentalwasserscheide

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zwischen dem Bärenkogel und dem P 980 überwältigte. Seit damals muß die Entwässerung nördlich von Mariazell nach N gerichtet gewesen sein. Die nahe und tiefgelegene Erosionsbasis der nördlichen Erlauf hat schon damals tiefe Schluchten flußaufwärts in ihr neues Einzugsgebiet entsandt. Eine mehrmalige interglaziale Umkehrung der Entwässerung ( S t r z y g o w s k i ) muß dadurch unmöglich geworden sein. Die nach S absinkende Terrasse kann daher nur der präglaziale Talboden der Ursalza sein. Damit fallen aber auch die verschiedenen anderen Auffassungen des unteren W e b e r g r a b e n s ( D i w a l d , der gerne alte Täler quer über rezente konstruiert: Unterer Webergraben — alter Unterlauf des Jodlgrabens und L e h m a n n : Unterer Webergraben — alter Unterlauf des oberen Ötschergrabens, geköpft durch den unteren). Ebenso sanft wie die Dolomit-Schneidenflur nördlich vom Bürgeralpl senkt sich die um ca. 200 m höhere Gipfelflur der nördlich anschließenden Kalkgipfel der Unterberg-Decke nach W zur Mariazeller Walmzone. Hier, wo sich das Schichtfallen besser feststellen läßt, zeigt sich auch die Kongruenz zwischen geologischem Bau und Großfaltenwurf. Vom Sulzberg bis zur B ü c h l e r a l p e , wo die kleinen Reste der Raxlandschaft in gleicher Höhe bleiben, ist das Schichtfallen dem Deckenverlauf entsprechend nach S gerichtet. Von der Büchleralpe 1378 m senkt sich die Raxlandschaft über den Ameisenkogel 1257 m um ca. 100 m. Sofort dreht auch das Schichtfallen in die Winkelsymmetrale zwischen dem S-Fallen in der Decke und dem W-Fallen zur Walmzone, d. h. nach SW. Im N fällt dieser Höhenzug zu der Subsequenzfurche des Eseltales ab, die in Werfener Schiefern nach SW verläuft. Diese Werfener Schiefer trennen eine südliche, höhere T e i l s c h u p p e d e r U n t e r b e r g - D e c k e ab, zu der auch die Seerotte und der Wurzenkogel auf der linken Talseite gehören und an deren Kalken, wie schon S t r z y g o w s k i erkannte, der talein wandernde Kerbenscheitel der Erlaufschlucht abgestoppt wurde. Nördlich von dieser Überschiebungslinie folgt eine mächtige Serie meist WSW fallender grauer Ramsaudolomite, die zusammen mit den Werfener Schiefern, Gutensteiner- und Wettersteinkaiken an ihrer Basis die untere Hälfte der Unterberg-Decke bilden. Aus diesem Schichtpaket besteht jenes bewaldete Dolomit-Hügelland zwischen dem Großen Koller und Mitterbach, das D i w a l d , L e h m a n n und B r ü c k n e r als antezedente Aufwölbung zur Erklärung der Ötscherschluchten herangezogen haben. Die heftige Diskussion um die Arbeit D i w a 1 d s ging seinerzeit hauptsächlich um die Frage, wer als erster die A n t e z e d e n z zur Erklärung der Ötscherschluchten herangezogen habe. Seltsamerweise lassen sich die Ötscherschluchten durch Antezedenz gar nicht erklären. Wie die mächtigen Terrassensedimente im Becken von S t . Ä g y d zeigen, hielt die Großfaltung dort auch noch im Altquartär mit namhaften Beträgen an. Der präglaziale Talboden der Ursalza wurde aber nicht mehr verbogen. Wir können also für das Quartär im Ötschergebiet nur en bloc-Hebungen annehmen. Da die Ötscherschluchten erst am Beginn des Quartärs zu entstehen begannen, können sie nicht durch ältere Aufwölbungen und Antezedenz erklärt werden. Die Schneide des Josefsbergs 1250 m und der kleine Rest der Raxlandschaft auf dem Bärenkogel liegen noch im Muschelkalk. Westlich davon aber herrscht der Ramsaudolomit. Die beiden Bäche, die vor der Anzapfung der Ursalza von dem Rücken Bärenkogel—P 980 nach N und S flössen, folgten zwei Leitrichtungen: den nach SE streichenden Schichtfugen und einem System WSW strei5*

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chender, steilstehender Klüfte, denen auch der unterste Ötschergraben folgt. Begünstigt durch diese Schwächelinien, hatten sie diese Nebentalwasserscheide des Z i n k e n g e b i e t e s präglazial auf ca. 830 m erniedrigt, so daß sie durch den Stausee der ersten Eiszeit leicht überwältigt wurde. Das von W kommende Ö t s c h e r t a l bildet eine breite Lücke in der steilen Abbiegungsfront die von der Tribein im S bis in den Ostkamm des Ötschers zieht. Auf der ganzen Strecke fallen die Schichten kongruent mit der abgebogenen Raxlandschaft zur Mariazeller Walmzone. Die Längs-Großmulde des Ötschertales wird sichtbar in der besonders tiefen Lage der Raxlandschaft im Mittereckkogel 1327 m, in dem steilen Abbiegen der Dachsteinkalke des Ötschers gegen S (bis zu 45° westlich vom Wagenritschkar) und in der Abbiegung der Schichten der Gemeindealpe nach NE. Auch in der Querwellung verhalten sich die beiden Kämme gleich. Über die weiten und stark verkarsteten Mulden der Raxlandschaft auf der „Feldwies" (die die flach gewellten Dachsteinkalke schneidet) steigt die alte Landschaft sanft nach E an und erreicht vor der steilen Abbiegungsfront in der Gemeindealpe 1623 m ihre höchste Stelle. Ähnlich steigt die Raxlandschaft am Ö t s c h e r k a m m flach nach E an. Ihre h ö c h s t e E r h e b u n g lag einst v i e l w e i t e r i m E, jenseits der kleinen Bruchstufe östlich vom Gipfel des Ötschers, über dem kleinen flachen Kar der „Eisgruben", ist aber dort der Karbildung zum Opfer gefallen. "Dort beginnen sich nämlich die Bänke des Hauptdolomits nach E zu senken. In die zwischen den beiden Kämmen gelegene Großmulde schnitt der Ötscherbach sein auffallend breites präglaziales Tal, indem er die Ramsaudolomite der Unterberg-Decke aufschloß und zu einem unübersichtlichen Dolomitbergland zertalte. Selbst die höchsten Gipfel dieses Berglandes, z. B. der Große Eichhorn 1057 m dürften noch mindestens 200 m unter der alten Großmuldenfläche liegen. Während der Eiszeiten wurden die Quelltrichter der Seitenbäche unter beiden Kämmen zu Karen umgewandelt, deren Ausgänge heute zum Teil von schönen Endmoränen abgeschlossen werden (vor dem Spielbüchler, der Hinteren Ötscher Alm und bei der Pinzger Alm, alle durchschnittlich in 900 m Höhe). Besonders schöne End- und Ufermoränen besitzt das Brunnbodenkar. Außerhalb dieser deutlichen Jungmoränen, die der Würmeiszeit entsprechen dürften, liegt Grundmoräne, die stellenweise von Racheln zerschnitten wird. Sie bedeckt den alten Talboden, der als Terrasse die bis fast in den innersten Talwinkel vorgedrungene Schlucht des Ötschergrabens begleitet. Dieses w e i t e Z u r ü c k r e i c h e n d e r Ö t s c h e r g r a b e n s c h l u c h t hat S t r z y g o w s k i auf die wenig festen Dolomite zurückgeführt, gegenüber L e h m a n n , der ohne Beweis hier den größten Gletscher des Ötschergebietes annimmt. S t r z y g o w s k i ist die wichtige Arbeit A m p f e r e r s entgangen, in der dieser die auffallende Geradlinigkeit des Ötschergrabens auf die in ihn „eingefüllten" Werfener Schiefer zurückführt. So abenteuerlich A m p f e r e r s Profile aus dem Ötschergraben zuerst anmuten — sie entsprechen den Verhältnissen an einigen Stellen besser als die Auffassung T r a u t h s, der in den Werfener Schiefern das normal Liegende sieht. Unmittelbar unter dem Sander und der Terrasse bei Hinterhagen ist ein kleiner Streifen Werfener Schiefer scheinbar von oben her so auffallend an steilen Flächen in die Dolomite eingeklemmt, daß man unwillkürlich an eine lokale Verschluckungszone und Reste einer alten Hülle von Werfener Schiefer denkt. Wie immer man sich aber die Entstehung dieser Verhältnisse denkt,—

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auf jeden Fall haben die WSW, genau in der Schluchtrichtung streichenden Brüche und die Werfener Schiefer sowohl die schnelle Regression des Ötscherbaches als auch die Geradlinigkeit der Schlucht verursacht. Obwohl einige Seitenschluchten mit hohen fluviatilen Mündungsstufen münden, geht es nicht an, die Hauptschlucht deswegen als „postglazial" zu bezeichnen ( L e h m a n n ) . Die Eintiefung der Schlucht begann mit der ersten Eiszeit und dauert bis heute an. Östlich vom Großen Eichhorn wird die Wiesenfläche beim Diegruber im E von einem höheren Moränenwall begrenzt, der unter P 995 nur ein kurzes Stück nach NE zieht. E r d ü r f t e dem Maximalstand des Ötschertalgletschers („Riß I " ?) entsprechen. Nur ein kleines Stück dahinter zieht ein deutlicher Wall im Bogen nach N E und erreicht östlich vom Kleinen Eichhorn den Ötschergraben („Riß" I I ? ) . Außerhalb dieser Wälle ist der alte Talboden viel schmäler und ebenso wie die Rippen nördlich unter der Gemeindealpe nicht mehr geschliffen. Die östlich vor den Moränen auffallend schräg verlaufenden jungen Schluchten sind periphere Gerinne der beiden Riß-Gletscherzungen. Da gleich danach die Sanderfläche von Hinterhagen folgt, ist es ziemlich sicher, daß der Ö t s c h e r t a l g l e t s c h e r nie über die beiden Wallreste nach E reichte. Auf der Sonnseite, wo Wallreste fehlen, reichen die geschliffenen Hänge ungefähr ebenso weit nach E. Weiter im E gibt es glatte Hänge nur mehr in den höheren Hangteilen (über 950 m ) , wo die schöne Wiese des „Ochsenbodens" wahrscheinlich das kleine Zungenbecken des Eisgrubengletschers verhüllt. In der Fortsetzung der Ötschertal-Großmulde v e r l ä u f t das L a s s i n g t a l . Der westliche Teil des Tales wird von einem weiten Ausräumungsbecken in Werfener Schiefern gebildet. Der das Tal im N begleitende Kamm (Hochstadl 1267 m, Hennesteck 1332 m und Schoberberg 1113 m) hat in den flachlagernden Gutensteiner und Reiflinger Kalken der Annaberger Decke ziemlich ausgedehnte Reste der Raxlandschaft. Die im Hochstadl noch ziemlich deutliche Großfalte mit kongruenter Abbiegung der Schichten nach N und S verliert sich gegen E. Viel deutlicher wird hier der nächstfolgende Großfaltenzug im S (Gemeindealpe—Sulzberg—Tirolerkogel—Türnitzer Höger—Reisalpe). Auch seine Kalke fallen aber nicht kongruent mit dem Abbiegen der Raxlandschaft gegen die Lassing-Türnitztalung. Die fehlende Kongruenz ergibt sich wahrscheinlich aus jenen Vorgängen der Alttektonik, die zur Bildung der „Fenster" bei Annaberg f ü h r t e n . Auch sonst sind die tektonischen Verhältnisse trotz der vorzüglichen Arbeiten A m p f e r e r s und S p e n g l e r s durchaus noch nicht geklärt. Das gilt besonders f ü r die mächtige Masse der Werfener Schiefer und die in ihr steckenden Schollen von Gutensteiner Kalk. Sie zeigen an der „Langseitrotte" in einer Höhe von 840—850 m eine stark abgeschrägte Kante, die noch in Verbindung mit der präglazialen Kaiserthronterrasse zu bringen ist. Die heutige Wasserscheide zum Angerbach bei Reith liegt viel tiefer (808 m) und wurde beim Bahnbau stark abgegraben. Am Beginn der ersten Eiszeit muß die Wasserscheide, an der sich auch einige Gipsdolinen befinden (denen aber nicht die talgeschichtliche Bedeutung zukommt, die ihnen Lehmann beimaß), um mindestens 60 m höher gewesen sein als heute, sonst wäre der Überfluß des großen Eisstausees hier erfolgt. Bei R e i t h ist in das Lassingtal ein K o n g l o m e r a t eingelagert, dessen Oberfläche bei 820 m, also unter der präglazialen Talkante liegt. Es besteht aus gut gerolltem lokalen Material (hauptsächlich Gutensteiner Kalk) und wurde von L e h m a n n als älter als der Mariazeller

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Sander bezeichnet. Trotz der stärkeren Verfestigung (die aber materialbedingt ist) ist das Reither Konglomerat aber jünger als die Hauptmasse des Sanders. Der Lassingbach t r i t t nämlich knapp vor seiner Mündung in ein gesteinsbedingtes Engtal aus flach talein fallenden Dolomiten. Nach dieser noch flachen Talstrecke fällt der Bach im L a s s i n g f a l l in die Tormäuerschlucht hinunter. Wie schon A m p f e r e r gezeigt hat, biegen dort die Muschelkalke in einer steilen knieähnlichen Plexur nach W a b und werden durch eine steilstehende Schmierschicht aus Werfener Schiefern von den SW bis WSW fallenden Ramsaudolomiten der Tormäuer getrennt. A m p f e r e r sieht in dieser „L a s s i n gS t ö r u n g " , die in der Linie der alttektonischen „Mariazeller Störung" B i 11n e r s und der jungtektonischen Mariazeller Walmzone liegt, eine nach W gekehrte Faltenstirn, vor der die im W gelegene Ötscherdecke gegenüber dem Osten eingesunken sei. Es handelt sich um einen Vorgang der Alttektonik. Wenn man nicht nur ein Wiederaufleben der alten tektonischen Linien, sondern auch eine gewisse Permanenz der Bewegungsrichtungen f ü r wahrscheinlich hält, dann wäre es besser, auch f ü r die Alttektonik hier eine N S streichende Verschlukkungszone anzunehmen, zu der sich W und E-Flügel horizontal hinbewegten. Als nun am Beginn der ersten Eiszeit die Wasserscheide zwischen dem Großen Koller und dem Jodlschopf überwunden wurde, wanderte der Scheitel der jungen und noch wenig tiefen Anzapfungs-Kerbe in das Lassingtal hinein, ohne zunächst die Kalke der Kniefalte aufzuschließen. In den Werfener Schiefern schnitt er sich rasch zurück und erzeugte die Talkante der „ L a n g s e i t r o t t e " , Als die Kerbe aber an die Kalke der Kniefalte geriet, wurde die Eintiefung durch die sich herauspräparierende H ä r t e s t u f e des Lassingfalles gebremst. E r s t zu dieser Zeit entstand das Reither Konglomerat im Zusammenhang mit der Sanderbildung an der Erlauf. Ein Teil der Schluchteintiefung ist also im Gegensatz zu der Meinung L e h m a n n s und S t r z y g o w s k i s auch am Lassingbach bis in die innersten Talwinkel talauf gedrungen. Niemals aber ist der Lassingbach in das Angertal geflossen (D i w a 1 d). Die eigentliche D u r c h b r u c h s s t r e c k e der Erlauf liegt in Ramsaudolomit, der von SW (im S) bis N W (im N) fällt. Dieses Schichtfallen entspricht der durchziehenden Ötscher-Hochstadlgroßfalte, die etwas westlich von der Erlaufschlucht von der Mariazeller Walmzone gequert wird. U n g e f ä h r an dieser Kreuzung h a t t e die alte nördliche Erlauf an den ausstreichenden Werfener Schiefern ihren Quelltrichter präglazial schon sehr weit zurückverlegt. Heute noch sieht man den gewaltigen Unterschied an „verfügbarem Relief" (W. S. G1 o c k) zwischen dem alten hochgelegenen Plußsystem der Ursalza und den tiefgelegenen Talgründen der alten nördlichen Erlauf. Nördlich vom Koller beginnt noch heute eine andere Landschaft. Die Ü b e r f l u ß - u n d A n z a p f u n g s s t e l l e liegt genau in der Verbindungslinie Großer Koller—Ötschergipfel. In einer Höhe von 900 m werden dort die bewaldeten Hänge der alten Wasserscheide von jungen Schluchtwänden unterschnitten, die dort ihre größte Höhe erreichen. U n t e r Berücksichtigung der Hangneigung kann man die Höhe der einstigen Überflußstelle mit ca. 860 m angeben. Nirgends waren hier in den Schluchten A m p f e r e r s Moränen zu finden, sondern nur kleine Bergstürze, Schutthalden und hinabgeworfenes Sandermaterial.

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Hoch über dem A n g e r t a l biegt die Raxlandschaft des Hochstadels sanft nach N ab zu dem ausgedehnten Rest beim „Wastl am Wald", auf dem auch die moorerfüllte Dolinenreihe „auf den Böden" gelegen ist. Die zum Angertal hinabführenden Hänge werden gegliedert durch flache Wiesenterrassen der tektonisch zusammengeschoppten und daher in der Breite stark wechselnden Lunzer Schichten und die bewaldeten und felsdurchsetzten Hänge aus Gutensteiner und Opponitzer Kalk des Gösinger Halbfensters der Lunzer Decke. Sowohl die Kartendarstellung ist teilweise unrichtig, als auch die tektonische Deutung durch A m p f e r e r , T r a u t h und S p e n g l e r noch nicht endgültig geklärt. Das Angertal ist monoklinal gebaut und folgt zwischen den steil SW fallenden Kalken des Schichtkopfs P 907 und den Ramsaudolomit-Schichtkopfhängen des Großen Kollers (der der Schneidenflur angehört) einer Subsequenzzone von Werfener Schiefern, die auch die kleine, von Dolinen durchsetzte Denudationsterrasse nördlich unter dem Gr. Koller bilden. Irgendwo in den tektonisch zusammengeschoppten Werfener Schiefern, die ohne scharfe Grenze in die Lunzer Schichten übergehen, verläuft die Grenze zwischen der Ötscher- und der Lunzer Decke. Trotz der Begünstigung durch das weiche Gestein ist es jedoch dem Angerbach nicht gelungen die Lassing anzuzapfen. Daher ist auch die Anzapfung der Ursalza durch die alte Erlauf kaum durch Regression allein zu erklären. Nirgends gibt es die zahlreichen von D i w a 1 d aufgezählten Leisten und Terrassen. Das E r l a u f t a l wird von der Deckscholle der Brandmauer ( A m p f e r e r , T r a u t h ) überragt, deren harte Wettersteinkalke fast waagrecht liegen, gegen W in Riffkalke übergehen und eine horizontale Schneide bilden. Die Raxlandschaft lag hier einst über 1300 m und überragte durch die harten Kalke die Flächen beim Wastl am Wald um 200 m. D i w a l d s Annahme, daß das teilweise in das Schichtstreichen verzogene Brandgegendtal in seinen obersten Teilen vom Nattersbach geköpft wurde, ist möglich, da der Brandgegend-Bach von der Muschelkalk-Härtestufe an seiner Mündung gebremst wurde. Diese Muschelkalke (zum Teil dolomitisierter Gutensteiner und Reiflinger Kalk) bilden jene mächtige, von Lunzer Schichten bedeckte Platte, die T r a u t h , A m p f e r e r und L a h n als Portsetzung der Annaberger Decke, S p e n g l e r als wenig herausgehobene Tormäuerschuppe der Lunzer Decke bezeichnen, was so ziemlich auf das Gleiche herauskommt. Den Ostran'd dieser Platte bilden Teufelsriegel und Schießwand. Ihre mittelsteil NNW fallenden Kalke und Dolomite ragen im S aus der breiten Subsequenzzone der Werfener Schiefer von Trübenbach, dem tektonisch zusammengeschoppten Gleitmittel an der Grenze zur Ötscher-Decke, im N aus den an der Deckengrenze zur Lunzer-Decke angeschoppten Lunzer Schichten. Die aus den Hinteren Tormäuern kommende Erlauf, zunächst noch beiderseits von Denudationsterrassen der Werfener Schiefer begleitet, durchfließt die in Werfener Schiefern und Lunzer Schichten ausgeräumte Weitung des Erlaufbodens, durchbricht den Teufelsriegel und erreicht damit die Subsequenzzone von Trübenbach (s. o.). In dieser ziehen bis zur Schule von Trübenbach dicht hintereinander eine Reihe von Würm-Moränenwällen herunter, die dem östlichen Ast des „Pfann" -Gletschers angehörten und schon von Ampferer erwähnt wurden. Sowohl innerhalb als außerhalb dieser Wälle werden die mittelsteilen Hängeder Werfener Schiefer von einer postglazialen Gehängebrekzie bedeckt. Vorübergehend muß dieser Arm des „Pfann"-Gletschers die Erlauf im Erlaufboden gestaut haben. Verbauungsschichten waren aber nicht zu finden.

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Der im S aufragende K a m m d e s Ö t s c h e r s gehört der UnterbergDecke an. Der mittelsteile untere Hanggürtel besteht aus Hauptdolomit. Über ihrer mächtigsten Felsbank wurden die Vorformen f ü r das Kar „In der P f a n n " und das Kar am N E - H a n g des Kleinen Ötschers angelegt. Der eigentliche Gipfelkamm des Ötschers besteht aus Dachsteinkalk, der nur östlich vom Gipfel die in A m p f e r e r s Profil Nr. 7 angegebene Lagerung zeigt. Die Brüche im Rauhen Kamm haben nur kleine Sprunghöhen und zeigen damit, daß der primäre Großvorgang die Großfaltung war. Die dabei auftretenden Spannungen wurden durch diese kleinen staffeiförmigen Absitzer ausgeglichen. Da der höchste Punkt der jungtektonischen Ötscheraufbeulung östlich vom Gipfel lag, beginnen die Dachsteinkalke noch in den obersten Teilen des Rauhen Kammes halbkugelförmig nach N, W und S zu fallen. Der von B r ü c k n e r erwähnte kleine Rest der Raxlandschaft auf dem Gipfel wurde zum Teil durch Dolinen zerstört, die sich vor den Schichtköpfen der nach W abbiegenden Dachsteinkalke bildeten. Die auffallend glatten NW- und W-Hänge des Ötschers sind daher, trotz ihrer Steilheit, abgebogene Flächen der Raxlandschaft. Die Einfaltung der gelbgrauen Liasmergel und der bis zum Gipfel reichenden krinoidenreichen Hierlatzkalke zeigt, daß die glatten Hänge die Schichten schneiden und nicht durch Schichtflächen verursacht werden. Auch auf A m p f e r e r s Profil Nr. 31 sieht man das kongruente Abbiegen der Schichten und der Raxlandschaft nach W. Überall nun, wo ein solche Kongruenz zwischen dem Schichtfallen und dem Großfaltenwurf der Raxlandschaft besteht, muß sie zuerst der Jungtektonik zugeschrieben werden. Daraus ergibt sich aber, daß nur die um die morphologisch f e s t gestellten Abbiegungswinkel der Raxlandschaft verminderten (vermehrten) Fallwinkel der Gesteine f ü r die R e k o n s t r u k t i o n d e r A l t t e k t o n i k (altt e r t i ä r e und vorgosauische Gebirgsbildungen) verwendet werden dürfen. E r s t wenn die stellenweise gewaltigen Senkungs- und Hebungsbeträge der J u n g t e k t o n i k (bis über 1000 m im Mur-, Mürz- und Ennstal) a u s d e n P r o f i l e n e l i m i n i e r t sein werden, wird man zu richtigen Modellen der alttertiären und vorgosauischen Tektonik kommen. Eliminiert man in A m p f e r e r s ' P r o f i l Nr. 31 die Jungtektonik, dann bleibt f ü r die Alttektonik zwischen Ötscher und kleinem Ötscher eine ziemlich waagrechte Kalktafel. An der steilen NS streichenden Synklinale des Ybbstales im gleichen Profil ist die Jungtektonik nicht beteiligt. Sie ist also durch die Alttektonik zu erklären. Die N-Hänge des Ötschers stellen aber noch ein anderes Problem. Die Werfener Schiefer der Trübenbacher Subsequenzzone verbergen, worauf A m p f e r e r zuerst hinwies, die unter dem Hauptdolomit liegenden tieferen Teile der Unterbergdecke. Die Unterberg-Decke ist also gegenüber ihrem nördlichen Vorland, der Tormäuerschuppe, von der sie wahrscheinlich durch eine steilstehende bruchähnliche Überschiebung getrennt wird, in dem an der Deckengrenze zusammengeschoppten Gleitmittel der Werfener Schiefer abgesunken. Das scheint wenig zu der behaupteten jungtektonischen Aufbeulung des Ötschers zu passen. Dieses Einsinken oder wahrscheinlich besser — das „A u s s c h i e b e n " d e r T o r m ä u e r s c h u p p e nach oben gegenüber der Unterberg- und Lunzer Decke erfolgte aber schon in der Alttektonik. Die jungtektonische Großfaltung h a t alle drei Decken zusammen mit den an den Bewegungsbahnen angereicherten Gleitmitteln schon als geschlossene Kruste ergriffen. Das zeigt auch, jenseits der Subsequenzzone der Werfener Schiefer, der zu einer Schichtstufe aufgebogene

Erlauf, Ötscher und Salza.

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S-Rand der Tormäuerschuppe, deren Muschelkalke die Aufbeulung mitmachen. Sie fallen daher in der Schießwand nach N N W und drehen ihre Fallrichtung erlaufabwärts bis nach WNW. Auch das alte nördliche E r l a u f t a l folgt also zum Teil einer Einmuldung zwischen dem Ötscher und der Gfälleralpe im S und dem Thurnkogel im N. Die über einem dünnen Rauhwackenband liegenden Muschelkalke der Tormäuerschuppe begleiten von der Schießwand bis Trübenbach mit ihrer Schichts t u f e die Erlauf. Von der „Teufelskirche" an, wo kleine Hanggerinne Höhlen aus der bis zu 5 m mächtigen postglazialen Hangbrekzie ausgeräumt haben, durchbricht sie im Canon der V o r d e r e n T o r m ä u e r die Muschelkalkplatte. Südlich über dem Canon schneidet die Raxlandschaft die Muschelkalke und die normal aufliegenden Lunzer Schichten, die Wiesen und Felder tragen. Kurze konsequente Gräben greifen vom Canon in diese Hochfläche zurück. Der längste ist der N e s t e l b e r g g r a b e n . Durch das isoklinale Schichtfallen (NW) etwas asymmetrisch, zeigt er bis zu seiner Mündung das Querprofil einer vom Eis etwas erweiterten Schlucht. E r wurde sicher von dem großen westlichen A s t des „ P f a n n " -Gletschers benützt. Außer einem kleinen Wall am W-Hang des Solchkogels in 920 m Höhe konnte ich jedoch keine Moränenwälle finden. Auch der H u n d s g r a b e n besitzt keine Moränenwälle mehr, obwohl er in seiner oberen H ä l f t e deutlich Ausweitung durch das Eis zeigt. Sein nördlicher Teil ist eine fluviatile Schlucht. Die Muschelkalke fallen im Hundsgraben flach nach E ein, worin T r a u t h Anzeichen f ü r eine W-Bewegung erblickt. Das E-Fallen beginnt jedoch erst kurz vor dem Hundsgraben und erfolgt vollkommen kongruent mit der Aufbeulung der Raxlandschaft in der Gfälleralpe. Höchstwahrscheinlich ist das H a l b f e n s t e r d e r G f ä l l e r a l p e (Lunzer-Decke) erst durch diese jungtektonische Aufbeulung entstanden. Auf der rechten Talseite der Erlauf reicht die Tormäuerschuppe nur wenig über den Fluß nach N. Knapp vor dem T r e f f l i n g f a l l ist auch dieser schmale Streifen der Denudation zum Opfer gefallen. Die an der Gleitbahn angeschoppten Lunzer Schichten der Lunzer Decke, die von Hohenas bis hierher als Subsequenzzone den N-Rand der Tormäuerschuppe begleiten, reichen aber nur auf ein kurzes Stück zur Erlauf hinunter. Mit einer auffallend glatten Kluftwand treten die mit 20° nach W N W fallenden Muschelkalke wieder auf die N-Seite des Tales über, engen den Fluß auf 1,5 m Breite ein und bilden die H ä r t e s t u f e des Trefflingfalls. Das T r e f f l i n g t a l , das über dieser verzogenen H ä r t e stufe hängt, ist auffallend breit. Da es größtenteils dem Schichtenstreichen folgt ist es von mehreren Denudationsterrassen durchzogen. Die durchstreichenden Lunzerschichten, die eine besonders deutliche Denudationsterrasse unter der Brandmauer bilden, verursachen auch die auffallende Breite des Tales. Ob, wie D i w a 1 d behauptet, das Trefflingtal einst über das Nattersbachtal hinweg weiter nach E reichte, läßt sich nicht mehr recht entscheiden. Jenseits des Trefflingfalls bilden Dachsteinkalke und Juraschichten die weite Raxlandschaft des K l a u s w a l d e s . Südlich unter dem Thurnkogel und bei dem alten Muldental von Hochberneck sieht man deutlich das kongruente Abbiegen der Schichten (SSW-Fallen) von der Thurnkogelgroßfalte zum E r lauftal. Der ganze Steilhang zwischen dem Trefflingfall und dem zum Ederbauern führenden, im Schichtstreichen etwas verzogenen Tal wird durch die steile Wandstufe der Opponitzer Kalke und die Wiesenterrasse der Lunzer

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H a n s Klimpt.

Schichten durchzogen. Dieses Lunzer Band, das in der Breite viel stärker wechselt als die Karte zeigt, zieht nach T r a u t h vom Falkensteiner über den Hundsgraben mit vielen Unterbrechungen um die Gfälleralpe herum. Es d ü r f t e daher am besten sein, die Muschelkalkplatte, die die Erlauf unterhalb vom Wirtshaus Schindlerhütte durchbricht mit A m p f e r e r als selbständige tektonische Einheit aufzufassen. Sie liegt auf einem Erosionsrelief der Lunzer Decke, das z. T. von dem angeschoppten Schmiermittel der Lunzer Schichten ausgefüllt wird. Selbst diese kleine Kalkplatte besitzt aber nach T r a u t h und S p e n g l e r ein Fenster zur Frankenfeiser Decke: Die Neokommergel, in denen das Becken der U rm a n n s a u ausgeräumt wurde. Am oberen Ende dieser Weitung beginnt eine schon von A m p f e r e r erwähnte Konglomeratterrasse. Sie ist ziemlich sicher fluvioglazialer Entstehung, da wir die Enden der nördlichen Ötschergletscher nur ein kurzes Stück weiter talein, bei Trübenbach, an der Mündung des Nestelberggrabens und in der Mitte des Hundsgrabens annehmen müssen. In der Fallrichtung durchbricht die Erlauf die W N W fallenden Opponitzer Kalke und Hauptdolomite des Fensterrahmens und erreicht damit die Kienberger Weitung. Blickt man vom Klauswald nach N, dann sieht man wie sich die Raxlandschaft besonders nördlich über Kienberg und nordöstlich vom J e s s n i t z t a l (das außer den beiden Schluchtstrecken in den Opponitzer und in den Gutensteiner Kalken keine Besonderheiten aufweist) im allgemeinen s a n f t nach N senkt. Sie wird dabei noch von zwei Längs-Großfalten durchzogen. Dann folgt das A l p e n v o r l a n d , dessen Lockermassen Längs-Großfalten des Untergrundes verbergen (Comagenischer Rücken). Jenseits der Donau aber steigt die b ö h m i s c h e M a s s e heraus und — zeigt im Weinsberger Wald und im Ostrong die gleichen Längs- und Querwellen der Großfaltung wie die Alpenlandschaft im S. Die durch den Zusammenschub der Alpen ausgelöste Dünung in den Gesteinsströmen unterhalb der Migmatitfront, deren Oberflächenbild wir Großf a l t u n g nennen, scheint zumindest von der Veitsch bis zum Weinsberger Wald, zeitlich zumindest von den Schwellen und Sedimentationströgen der triassischen Geosynklinale bis zur Gegenwart der beherrschende Grundzug der S t r u k t u r zu sein. Zusammenfassung: 1. Übereinstimmend mit den Ansichten von K i r s c h , van B e m m e l e n , V e n i n g - M e i n e s z , B a i l e y und des Moskauer Geologenkongresses 1937 wurden die verschiedene Wärmeleitfähigkeit und Radioaktivität der Krustenteile als Ursache der tektonischen Bewegungen angesehen. 2. In j e d e r orogenetischen Phase der alpinen Gebirgsbildung wirkten zwei Bewegungen zusammen: a) Der von der Deckenlehre betonte horizontale Zusammenschub. b) Die wahrscheinlich von ihm ausgelöste, bisher zu wenig betonte Großfaltung. Sie ist das Oberflächenbild einer A r t Dünung in den Gesteinsströmen unter der W e g m a n n s c h e n Migmatitfront, die in den höheren Krustenteilen Großwellen und Verschluckungszonen im Sinne A m p f e r e r s erzeugte. Infolge des Zusammenschubs herrschten Längswellen vor. Durch Hindernisse und Interferenz entstanden aber g l e i c h z e i t i g (ohne eine eigene „Knickungsphase" oder „Alpenstauchung") Großwellen anderer Richtung (Weyrer Bögen, Mariazeller Walmzone). Beide Bewegungsarten erreichten ihren

E r l a u f , Ötscher und Salza.

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Höhepunkt in den vorgosauischen Gebirgsbildungen. Die oligozänen Bewegungen waren nur ein stärkeres, alle späteren (jungtektonischen) Bewegungen nur ein schwächeres Nachklingen. Seit dem Beginn der ersten Eiszeit gab es im Mariazeller Gebiet nur mehr kratogene en-bloc-Bewegungen. 3. Die Synthese von Decken- und Unterströmungslehre macht es wahrscheinlich, daß Gleitdeckenbildung und „Ausschiebung" stattgefunden haben. Es ist richtig, daß Ausschiebungsbeträge nicht plötzlich Null werden können ( C o r n e l i u s ) . E s ist aber nicht nötig, anzunehmen, daß „ausgeschobene" Decken f ü r immer über der Ausschiebungsnarbe liegen bleiben müssen. Vielleicht ist die Tormäuerschuppe eine „ausgeschobene" Decke und möglicherweise liegt sie sogar noch über ihrer Auschiebungsnarbe. 4. Schon bei den oligozänen Bewegungen t r a t e n die tangentialen Schubbewegungen gegenüber der Großfaltung zurück. Beide vollzogen sich in den Nördlichen Kalkalpen unter der ausgleichenden Hülle der Gosauschichten. Die folgende Denudationsperiode ebnete die entstandenen Höhenunterschiede ein, indem sie besonders die Gösau von den Erhebungen entfernte und einen Endrumpf schuf. E r bestand aus Kalkflächen und annähernd gleich hohen Gosaulandschaften über den alten vorgosauischen Tiefenlinien. Ohne die ausgleichende Ausfüllung des alten Reliefs durch die Gosauschichten wäre die Entstehung dieser „Augensteinlandschaft" nicht zu erklären. 5. Bei den jungtektonischen Bewegungen (seit der steirischen Phase) t r a t e n die tangentialen Schubbewegungen f a s t ganz zurück. Allerdings nahm auch die Amplitude der Großfaltung ab. Auch in den Kalkalpen ist der primäre Vorgang die Großfaltung. Die junge Bruchtektonik glich nur die dabei auftretenden Spannungen aus. 6. Zu richtigen Modellen der Alttektonik (vorgosauische und oligozäne Gebirgsbildungen) wird man erst gelangen, wenn man die durch die Jungtektonik erzeugten Schichtstörungen aus den Profilen eliminiert ( R ü c k b i e g u n g d e r Fallwinkel). 7. Die meisten Täler folgen den durch die jungtektonische Großfaltung geschaffenen Abdachungen. 8. Es gelang einen der in den Alpen selten erhaltenen präglazialen Talböden zu finden und durch ihn eine nach S fließende Ursalza nachzuweisen. 9. Die Umkehrung der Entwässerung erfolgte am Beginn der ersten Eiszeit. F ü r die verschiedene Länge und Tiefe der Schluchten im Ötschergebiet wurden neue Erklärungsmöglichkeiten gefunden. 10. Ein größerer Ferngletscher strömte vom Hochschwab über Rothwald und Neuhaus in das Ybbs- und Erlaufgebiet. 11. Die Ursache f ü r das Fehlen von Trogtälern in diesem Gebiet der Kalkalpen, wurde in der präglazialen Formung gesucht, die die Bildung durchbewegter und „dirigierter" Eisströme verhinderte. 12. J u n g e Schluchten der Salza im Hochschwabgebiet wurden epigenetisch durch Toteismassen erklärt, die stellenweise das Tal verstopften. Literaturverzeichnis. Abstracts of Papers, Internat. Geol. Congr., Moskau 1937. A m p f e r e r , O.: Geol. E r f a h r u n g e n in der Umgebung und beim Bau des Ybbstal-Kraftwerkes. Jb. Geol. B. A. 1930.

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Hans Klimpt. — Erlauf, Ötscher und Salza.

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Venedig. Stadt und Hafen seit dem Ende der Markusrepublik 1 ) . Von Josef Matznetter. Mit 2 Plänen. Die Lagunenstadt Venedig ist zufolge ihrer L a g e und Entstehung eines der eigenartigsten siedlungsgeographischen Gebilde auf Erden, das auch, ein einzigartiger Fall unter Großstädten, seit einem halben Jahrtausend weder Grund noch Aufriß wesentlich verändert hat. Und sind auch die Grundlagen, die einst zum glanzvollen Aufstieg dieser Stadt und ihres Hafens führten, zum Teil schon seit Jahrhunderten weggefallen oder sogar ins Gegenteil gewandelt worden, so ist doch Venedig seit Ende vergangenen Jahrhunderts — zwar beträchtlich hinter seinem alten Rivalen Genua — wieder Italiens zweitgrößter Hafen und seit zwanzig Jahren der umschlagreichste aller Adriahäfen. A l s im Mai 1797 die Truppen Napoleons dem Bestehen der Markusrepublik ein Ende bereiteten, w a r dies nur mehr ein äußerlicher V o r g a n g an einer an sich schon längst vollzogenen Tatsache. Die Seerepublik Venedig, durch einzigartige Lagegunst ausgezeichnet, einst die monopolartige Beherrscherin des Handels zwischen dem aufsteigenden Mitteleuropa und einer in höchster Blüte befindlichen Levante und Orient, war dieser Rolle seit den überseeischen Entdeckungen, als sich das wirtschaftliche und politische Schwergewicht an den Atlantik verlagert hatte, in wachsendem Maß verlustig gegangen. Schließlich legte sich über das östliche Mittelmeer die Lethargie des von seinem jahrhundertelangem Ringen gegen Europa endlich erschöpften Osmanischen Reiches und nicht zuletzt entstand seit dem A n f a n g des 18. Jahrhunderts in dem österreichischen Triest — dank den Maßnahmen K a r l V I . und seiner Nachfolger — in der A d r i a selbst ein ernster Rivale. Der Territorialbesitz Venedigs — der Besitz in der Levante ging 1718 im Frieden von Passarowitz verloren — mit Istrien, Dalmatien, K o r f u , einigen jonischen Inseln und dem Hinterland der Terra ferma immerhin noch der abgerundete Besitzstand eines Mittelstaates, ermöglichte es das Dasein in den alten staatlichen Formen weiter zu fristen. Gleichermaßen erhielt ihm auch seine unvergleichliche Kunst noch Rang und Namen in Europa, wie überhaupt die Markusstadt im 18. Jhdt. der T r e f f p u n k t der internationalen Gesellschaft war. Über die geschwundene Wirtschafts- und Verkehrsstellung vermochte dies nicht hinwegzutäuschen. Einst nach Paris die volkreichste Stadt Europas, betrug ihre völlig verarmte Einwohnerzahl zu Ende des 18. Jhdts. kaum 90.000, etwa die H ä l f t e ihres Standes im 16. Jhdt. Schlecht ! ) Während vorliegende Abhandlung im Druck w a r erschien die ausführliche Arbeit von Luigi C a n d i d a „II porto di Venezia" als Band I I der vom Geogr. Inst. d. Univ. Neapel hgg. „Memorie di geografia economica"- I I . Jg., Jänner—Juni 1950, auf deren Ergebnisse hier nicht mehr eingegangen werden konnte.

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Josef Matznetter.

war auch der Zustand der maritimen Einrichtungen, der H a f e n und seine Zufahrtswege teilweise versandet. Vorbei w a r auch die Zeit der großen Wasserbauten, die besonders im 16. Jhdt. mit den umfangreichen Ablenkungsarbeiten an den der Lagune zuströmenden Flüssen einen Gipfelpunkt europäischer Ingenieurleistung dargestellt hatten. Eine Ausnahme bildete bloß die I n a n g r i f f n a h m e der „murazzi" Mitte 18. Jhdt., die die Zerstörung des Lido durch die B r a n d u n g verhindern sollten. Die französische H e r r s c h a f t 1797 und 1805—14, durch Ausplünderung gekennzeichnet, brachte einige Verbesserungen der Hafenanlagen und die E r richtung eines F r e i h a f e n s auf der Insel S. Giorgio Maggiore, wo ein kleines, längliches, heute noch bestehendes Hafenbecken gegen das Bacino di S. Marco zu geschaffen wurde. Die englische Blockade jedoch unterband die letzten bis dahin noch vorhandenen Seeverbindungen. Der gegen Österreich h ä u f i g erhobene Vorwurf während seiner H e r r s c h a f t über Venedig 1797—1805 und 1814—66, dieses gegenüber Triest völlig vernachlässigt zu haben, besteht nicht ganz zu Recht. Triests Reede w a r vorteilh a f t e r f ü r das Ankern großer Schiffe und es lag zudem wesentlich günstiger zu den Kernländern der Monarchie. Diese w a r überdies als ganzer W i r t s c h a f t s körper f a s t ausschließlich kontinental ausgerichtet und schließlich stak in der ersten H ä l f t e des 19. Jhdts. in diesem Teil Europas der Eisenbahnbau und die große Industrialisierungswelle mit ihrem ungeheuren Kohlen- und Rohstoffbedarf noch in den Anfängen. Immerhin wurden von Österreich eine Reihe von Maßnahmen zur F ö r d e r u n g seines neuen H a f e n s getroffen. So wurde z. B. die Freihafenzone 1829 nach dem Muster von Triest über die ganze Stadt, einschließlich der vorgelagerten Inselchen, ausgedehnt. Dem Hauptzweck, der alten ganz darniederliegenden Industrie — vor allem Muranos — hiedurch wieder A u f t r i e b zu verschaffen, w a r allerdings wenig E r f o l g beschieden. W e i t e r g e f ü h r t wurde auch der Bau der „murazzi" und die „Porta di Malamocco", die seit einem J a h r h u n d e r t die Stelle der versandeten kaum mehr 2y 2 m tiefen „Porta di Lido" als H a u p t z u f a h r t s w e g einnahm, durch zwei weit vorspringende Dämme geschützt. Das bedeutendste Ereignis jener Zeit w a r 1847 die Vollendung der „Ferdinandsbahn" nach Mailand. Durch die große Eisenbahnbrücke von Porto Marghera zur Stadt, die sogenannte „Eiserne Klammer", 3500 m lang und mit 220 Bogen, wurde Venedig erstmalig in seiner Geschichte mit dem Festland dauernd verbunden. Der Bahnhof bei Sa. Lucia auf größtenteils aufgeschüttetem Gelände errichtet, lag hier, am Ende des Canal Grande und nahe dem Canale della Giudecca f ü r den städtischen Verkehr günstig; dem H a f e n als solchen vermochte er vorerst wenig zu nützen. Wohl entstanden dort und an der naheliegenden Insel Sa. Chiara einige kleinere Verladekais, doch konnte damit das vordringliche Problem einer direkten Verladung Bahn—Schiff nicht gelöst werden und ungeachtet des verhältnismäßig raschen Ausbaues des oberitalienischen Eisenbahnnetzes — vor 1866 waren auch die Linien nach Udine und Bologna fertiggestellt — blieb die Bahn f ü r Venedig noch auf lange hinaus nur f ü r den Reiseverkehr maßgebend. Verhältnismäßig f r ü h war das Dampfschiff in Venedig erschienen, da der Amerikaner John Allen bereits 1818 einen ständigen Dampfschiffverkehr Triest—Venedig einrichtete. Besondere Bedeutung gewann das Dampfschiff um

Venedig.

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die Mitte des 19. Jhdts. f ü r den Binnenschiffsverkehr von der Lagune aus, als ein 1844 von dem Unternehmer Perelli mit drei kleinen Schleppdampfern nach Mantua geschaffener Dienst durch den „Lloyd" in Triest übernommen wurde. Dieser stellte im Anschluß an seine Linie nach Venedig mit einer Flotte von 12 Dampfern und 44 Schleppkähnen eine Verbindung bis zu den Schweizer Seen her, die von Chioggia ausgehend den Pohauptstrom bei Polesella erreichte und dann über Mantua, Guastalla, Cremona, Piacenza, den Ticino bis Pavia und von hier entlang bestehender alter Kanäle über Mailand nach Sesto Galende und weiter über den Lago Maggiore bis nach Locarno f ü h r t e . Mit dem Verlust Oberitaliens f ü r Österreich endete diese Binnenschiffahrt um bis heute nicht mehr in solchem Ausmaß wieder zu erstehen. Die sieben J a h r e von 1859 —• Verlust der Lombardei — bis zum Heimfall Venetiens 1866 zeitigten dauernd nachträgliche Folgen f ü r die alte Markusstadt, denn in diesem, noch dazu mit wichtigen Eisenbahnbauten erfüllten Zeitraum, vermochte Genua die hochindustrialisierte Lombardei endgültig zu seiner ausschließlichen Domäne zu machen. Ein Zustand, der heute noch besteht. Venedig w a r f ü r Italien in vieler Hinsicht ein Symbol des Anspruchs auf die ganze Adria und auf die noch verbliebene „Terra irredenta". Die Aufgaben, vor die sich jedoch das junge Königreich nach der Inbesitznahme der alten Markusstadt hier gestellt sah, waren überaus schwierig. Italien, selbst eben erst aus verschiedenen politischen Gebilden zusammengeschweißt, war als ganzes wirtschaftlich noch unausgeglichen und besonders in seiner Seestellung schwach. Um nun Venedig den geänderten Verhältnissen einigermaßen anzupassen w a r es notwendig, einen von Grund auf neuen H a f e n zu schaffen, denn der völlig unzulängliche Zustand seiner maritimen Anlagen w a r j a auch jetzt die Ursache seiner darniederliegenden Wirtschaft. Wenn auch keine Aussicht mehr bestand, wieder in den internationalen Durchgangshandel eingeschaltet zu werden und auch entscheidende Einbrüche anderer H ä f e n — Genua und Triest — in das weitere Hinterland stattgefunden hatten, so blieb dieses immerhin noch groß genug, um ihm eine angängige Stellung als Hafenplatz zu sichern. Östliche Poebene, Friulaner Ebene und — wirtschaftlich allerdings f a s t bedeutungslose — Teile der Südalpen. Ein großes, zumeist dicht bevölkertes, agrarisches Gebiet, mit wenigen sich erst entwickelnden Industriekernen, wie um Bologna und einigen anderen Städten, in dessen Küstenbereich von der Staatsgrenze bis Ancona außer einigen Fischerplätzen, wie z. B. Chioggia, jedoch kein anderer H a f e n als Venedig bestand. E s gab allerdings noch ein ernstes Hindernis f ü r einen Wiederaufstieg Venedigs, und zwar die Unmöglichkeit einer Ausbreitung im Sinne der großstädtischen Entwicklungstendenz des 19. Jhdts., da nirgends innerhalb der Lagune Raum f ü r die Schaffung von Industriezonen und Wohnviertel zuströmender Arbeiter gegeben war. Wohl war die Bevölkerung noch immer wesentlich geringer als zur Blütezeit der Stadt und es bestand auch noch in ganz beschränktem U m f a n g die Möglichkeit, an Stelle von Gärten und weniger offener Flächen am Stadtrand, sowie durch Aufschüttungen hier etwas abzuhelfen, doch in keiner Weise so, daß dadurch der E n t f a l t u n g zur modernen Hafen- und Industriestadt hätte Rechnung getragen werden können. Hiezu kam auch noch, infolge der einmaligen besonderen Verhältnisse dieser Stadt, die Schwierigkeit einen neuzeitlichen innerstädtischen Verkehr auszubauen.

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Josef Matznetter.

Das „Bacino di San Marco", jene große Wasserfläche am Zusammenflu vom Canale Grande und Canale della Giudecca, zwischen dem Markusviert« und der Insel San Giorgio, von der im 0 die Fahrrinnen zum „Porto di Lido und „Porto di Malamocco" abzweigen, war nebst angrenzenden Teilen seit dei Mittelalter der Hauptankerplatz der Seeschiffe. Am meisten beansprucht wa hiebei der Zwickel zwischen den beiden Kanälen mit der „Dogana", die „Riv degli Schiavoni" östlich des Dogenpalastes und die Gegend um das Arsenal. Da Handelszentrum lag in der Stadtmitte am' Canal Grande. Die Hauptaufgab bestand nun darin, Hafen und Eisenbahn unmittelbar zu verbinden, wobei e jedoch unmöglich war, die Bahn über Sa. Lucia ostwärts hinauszuführen. Ferne mußte ein Mindestmaß an Raum für Verladeanlagen, Verschubgeleise, Spe; eher usw. erzielt werden. Da damals eine Verlegung aus dem engeren Stadl gebiet noch nicht in Betracht gezogen wurde, so mußten neue Anlagen in Bahn hofsnähe entstehen, wobei nur der Giudecca Kanal als Zufahrtsweg in Frage kan Am Westausgang der beiden Kanäle, ungefähr dort wo in österreichischer Zei der Exerzierplatz war, begann man 1869, dem Jahre der Suezkanaleröffnung mit dem Bau der „Stazione Marittima", einer Anlage, welche die Errichtun, zweier großer, nach SW offener Molen vorsah und gegen N Verbindung zu Eisenbahn erhielt. Erst 1912 endgültig fertiggestellt, wurde 1880 der „Molo ) Die Alpen im Eiszeitalter. Bd. III, p. 721 u. 753. -) Die Alpen im Eiszeitalter. Bd. III. p. 721 u. 753. 8*

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Fritz Nußbaum.

1330 m Höhe gelegenen, neuzeitlichen Dorf Crissolo zu der trogförmigen Talweitung von Pian del Melz hinauf, die s a n f t von 1710 bis zu 1750 m ansteigt. Hier münden mit großen Schuttkegeln einige Wildbäche ein, die sich oberhalb ihrer Ablagerungen sowohl in die Moränen des Talgletschers, wie in den Felsuntergrund eingeschnitten haben. Im gleichen Talgrund finden sich wallförmige Moränen eines Rückzugsstadiums des Pogletschers. Von hier f ü h r t nun eine durch Serpentinfelsen gebildete, über 200 m hohe Stufe zu dem ebenfalls beckenartigen Pian del Re in 2020 m Höhe hinauf, wo Felsrundbuckel und Moränen ein ehemaliges flaches, aber heute verlandetes Seebecken abschließen und wo sich die sog. Quelle des Po, eine sehr ansehnliche Schuttquelle, befindet. Steigt man in westlicher Richtung gegen den Talhintergrund hinauf, so stößt man oberhalb 2180 m aufs neue auf gut ausgeprägte Moränenwälle eines letzten Rückzugsstadiums des Gletschers, der seinen U r s p r u n g in dem Kargebiet des 3171 m hohen M. Granero genommen hatte. Östlich von diesem Gebiet lag ein großer Kargletscher am Südabhang eines 2733 m hohen Berges, und seine wallförmige Endmoräne läßt sich in 2250 m Höhe feststellen. Der bis unterhalb Crissolo reichende, 10 km lange Pogletscher erhielt damals ohne Zweifel noch n a m h a f t e Zuflüsse von dem unmittelbar südlich des Potales mit auffallender Steilheit aufragenden M. Viso und aus dessen nächster Umgebung. Dieser 3841 m hohe Berggipfel präsentiert sich als mächtige und sehr steile Pyramide, welche die benachbarten Gipfel um 600 bis 800 m ü b e r r a g t und die wegen ihrer sehr ausgedehnten, uneingeschränkten Fernsicht von den Bergsteigern mit Vorliebe bestiegen wird. Im Gegensatz zu vielen andern Alpengipfeln r a g t sie demnach als ein Einzelberg über das allgemeine Gipfelniveau, die Gipfelflur, empor. Man ist daher geneigt, sie als eine Art Monadnock oder Härtling anzusehen, eine Bezeichnung, die derart aufragenden Erhebungen von W. M. D a v i s und anderen Morphologen gegeben wurde und unter der man Berge versteht, die infolge ihrer H ä r t e den abtragenden Vorgängen stärkeren Widerstand leisteten und daher ihre Höhe bewahrt haben. Wenn der M. Viso, wie bereits angedeutet wurde, von einigen Autoren als aus Gabbro a u f g e b a u t betrachtet worden ist, so wäre f ü r ihn die Bezeichnung Monadnock angebracht. Ed. S u e s s h a t erkannt, daß er aus Serpentin b e s t e h e 3 ) . Dieses, dem eingangs erwähnten Ophiolithzug angehörende Gestein kann nicht zu den sehr widerstandsfähigen Gesteinen gerechnet werden, da es von zahlreichen Kluftflächen durchzogen ist. Immerhin heben sich in den Cottischen Alpen die aus jenen Grünsteinen aufgebauten Kämme durch ihre Höhe und ihre steilen und zackigen Formen von den Erhebungen ab, die in der Nähe aus kristallinen Schiefern bestehen. Die zur Serpentinzone des M. Viso gehörenden, scharfgeformten Kämme sind teils schmale Grate, teils relativ hohe spitzige Gipfel; zu ihnen sind im N des M. Viso der 3171 m hohe M. Granero und der nur um 70 m niedrigere M. Meidasso zu rechnen. In dem gegen S gerichteten Kamm erheben sich die 3154 m hohe P u n t a Michelis und die Cima Lobbie, diese mit 3015 m Höhe. Bei Anlaß einer Besteigung des M. Viso konnte nun festgestellt werden und zwar durch Dr. F. G y g a x, daß der Gipfel des M. Viso in ca. 3600 m Höhe von einer leicht westwärts einfallenden, gegen 100 m mächtigen Gabbrobank durchsetzt wird, während das übrige, sehr stark verwitternde Gestein Serpentin ist. Ferner 3

) Ed. S u e s s , Das Antlitz der Erde.

Beobachtungen ü. Talformen u. Glazialbildungen im Einzugsgebiet d. Po.

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zeigte sich, daß diese Gabbrobank im westlichen, etwas niedrigeren Gipfel an Mächtigkeit zunimmt, so daß offenbar doch der ganze Berg durch die Gabbrointrusion eine sehr bedeutende Verstärkung seiner Widerstandsfähigkeit erfahren hat und er als H ä r t l i n g bezeichnet werden kann. Eine ähnliche Gestalt mit f a s t gleichen geologischen Verhältnissen t r i t t uns auch im Matterhorn im Wallis entgegen. Auch die Umgebung des M. Viso bietet dem Beobachter allerlei morphologisch Interessantes. Der vom Pian del Re in südlicher Richtung nach der Anstiegsroute des M. Viso angelegte Weg f ü h r t über verschiedene Stufen und Terrassen bis zu dem in 2593 m Höhe gelegenen Rifugio Quint-Sella hinauf. Über einer ersten 90 m hohen Stufe gelangt man zu dem in schmalem Trogtal gebetteten Lago Fiorenza, an dessen Westseite sich eine sehr steile Felswand 200 m hoch erhebt. Über derselben dehnt sich eine aus Rundbuckeln bestehende Felsterrasse aus, auf welcher in einem vom Gletschereis ausgeschliffenen Becken der Lago Superior in 2313 m liegt. Der Weg f ü h r t jedoch östlich von diesem Becken über eine zweite Stufe nach einer anderen karartigen Verflachung hinauf, die über und über von blockreichen Moränen bedeckt ist. Solche ziehen in Wallformen bis auf 2100 m hinab, während andere in 2261 m Höhe einen flachen Bergsee, den Lago Chiaretto abschließen. Diese Moränen dürften dem letzten Rückzugsstadium der Eiszeit in dieser Gegend angehören. Denn unmittelbar oberhalb des genannten Bergsees steigt der P f a d an der Steilböschung der mächtigen Endmoräne eines rezenten kleinen Hängegletschers am Nordabhang des M. Viso empor. Die Kante dieser Moräne unter der der Gletscher zum größten Teil begraben ist, liegt in ca. 2450 m Höhe. Damit sind wir unmittelbar am Ostf u ß der steilen Felspyramide des M. Viso angelangt, wo große Schutthalden von der starken mechanischen Verwitterung des anstehenden Gesteins zeugen. Von dem in der Nähe erstellten Refugio Q. Sella aus gelangt man dann durch ein Couloir über den 2991 m hohen Passo Sagnette nach der etwas weniger steil abfallenden und daher leichter ersteigbaren Südseite des M. Viso, an welcher sich ebenfalls ein kleiner Hängegletscher mit mächtiger Endmoräne entwickelt hat. Diese Moräne liegt in 3100 m Höhe, und sie weist in dem vorherrschend aus Serpentingesteinen bestehenden Material nun auch ziemlich viele Blöcke aus Gabbro auf. Etwa 50 m unterhalb dieser Moräne dehnt sich eine Felsterrasse aus, deren Oberfläche deutliche Gletscherabschleifung zeigt und daneben von älteren Moränen bedeckt ist. Auffallend gering erscheint demnach am M. Viso die rezente Gletscherentwicklung. Diese ist wohl zu einem Teil durch die Steilheit und die Isoliertheit dieses Gipfels bedingt; andererseits d ü r f t e auch die südliche Lage im Alpengebiet hierbei eine Rolle spielen. Entsprechend den Expositionsverhältnissen liegen die Enden der beiden Hängegletscher verschieden hoch, auf der Nordseite in 2450 m und auf der Südseite in 3100 m; daher sind auch die Schneegrenzhöhen verschieden; im Mittel wohl über 3200 m, auf der Südseite sicher nicht unter 3300 m. Es ist anzunehmen, daß auch während der letzten Eiszeit die Schneegrenze hier bedeutend höher gelegen h a t als in den-nördlicheren Alpengegenden, wo sie in 1300 bis 1350 m Höhe angenommen werden muß, während sie nach A. P e n c k im M. Visogebiet im Mittel in 2000 m Höhe lag. Diesem Wert d ü r f t e auch die geringe Entwicklung der Talgletscher, so wie wir sahen, des Pogletschers, ent-

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Fritz Nußbaum.

Beobachtungen ü. Talformen u. Glazialbildungen im Einzugsgebiet d. Po. 119 sprechen. Dagegen zeigen auch die Berggegenden in der Nähe des M. Viso alle Spuren einer recht lebhaften lokalen Vergletscherung. E s geht dies auch aus den folgenden Beobachtungen hervor. Am Ostfuße der M. Bisokette zieht sich ein längliches Hochtal in nordsüdlicher Richtung hin, in welchem mehrere Bergseen liegen. Von diesen ist der ca. 500 m lange Lago Grande der größte. E r entwässert vorerst in südlicher Richtung und sein Abfluß füllt noch drei weitere, aber sehr flache Seen, von denen jeder durch Moränen gestaut wird. Es sind die Lagos Sagnette, die sich in 2450 m bis 2500 m Höhe befinden. Beim untersten See wendet sich der Abfluß ostwärts und durchfließt ein stufenförmig abfallendes Tal, das ebenfalls reich an Moränen ist. Weiter südlich ziehen sich Moränenwälle aus einem breiten Kar, das an der Ostseite der Cima Lobbie liegt. Ältere Moränen dieses Gletschers lassen sich durch das muldenförmige Tal der Alpe Bulé bis in die Gegend von Oncino, nämlich bis gegen 1300 m Höhe, hinab verfolgen. So entwickelten sich bei einer Schneegrenze von 2000 m im Südosten des M. Viso selbständige Gletscher von 6 bis 8 km Länge, die den Hauptgletscher im Tal des Po nicht zu erreichen vermochten. Diesem gingen aber Eismassen zu, die sich vom M. Viso in nördlicher und nordöstlicher Richtung hinab bewegten. Alle diese Gletscher haben auf ihrem langsamen Rückzug nach der maximalen Ausdehnung während der letzten Eiszeit in ihren Hochtälern besonders mächtige und blockreiche Moränen zurückgelassen, die kleine Seen abdämmen. Die vorstehenden Ausführungen sind ein kleiner Beitrag zur Kenntnis von Talformen und Glazialbildungen in den italienischen Alpen, und sie zeigen, daß in dieser Hinsicht noch viel Tatsachenmaterial zusammenzutragen wäre, das geeignet scheint, die F r a g e n der Gestaltung von Tal- und Bergformen im Zusammenhang mit den talbildenden Vorgängen der Diluvialzeit näher zu klären. Manuskript abgeschlossen im Herbst 1948.

Glaziäre Erscheinungen im Gebiete der Côtes lorraines und der Woëvre 1 ). Von Heinrich S c h m i t t h e n n e r. Mit 4 Profilen. Während des ersten Weltkrieges beobachtete ich in den Côtes lorraines und in der Woëvre eigentümliche Bodenbildung, die ich in meiner Arbeit „Die Oberflächenformen der Stufenlandschaft zwischen Maas und Mosel" ( P e n c k s Geogr. Abh. 2. R. S t u t t g a r t 1923) kurz beschrieben habe und zu deuten versuchte. Die Fortschritte der Forschung ermöglichen nun eine bessere Deutung dieser und nicht veröffentlichter Beobachtungen. Im E der Côtes lorraines und in großen Teilen der Woëvreebene kommen eigenartige Verwitterungs- und Schuttmassen vor, die aus dem Kalk der Côtes lorraines bestehen und die Plateaus über der Landstufe, Teile des Stufenhanges, besonders der Stufenrandtälchen und der Talauen, Hügelwellen und breiten Dellenzüge in der Landterrasse der Woëvre überziehen. Die Böden der Hochfläche der Côtes lorraines sind meist tiefgründige Felsgerüstböden aus braunem und rötlichem Lehm (s. S. 19). Manche Profile zeigen jedoch einen dreimaligen Wechsel der bodenbildenden Bedingungen. Unter dem rezenten gelbbraunen Waldboden oder einer Rendzinadecke f o l g t geschichteter Kalkschutt, bei dem heute kein Zweifel mehr sein kann, daß man es hier mit dem Produkt einer bestimmten A r t des Bodenflusses zu tun hat, der in einer der Eiszeiten geherrscht haben muß. Der darunter liegende und in die Gesteinsklüfte eindringende rote Ton ist dagegen als Ergebnis einer Wärmezeit anzusehen und muß wahrscheinlich ins Tertiär oder in die große Zwischeneiszeit gestellt werden. Die meisten Hänge weisen einen wenig örtssteten Boden auf. Besonders dort, wo unter dem Korallenkalk die mergelig-tonigen Schichten des Oxfordien angeschnitten sind. Aber trotzdem sind am Stufenrande und an den Hängen der tiefen Hochflächentäler Bodenbildungen zu finden, die mit den von der Hochfläche beschriebenen schichtigen Schuttmassen in irgendeinem Zusammenhang stehen (S. 20 f.) und die man o f t bis in die Hintergründe der Stufenrandtälchen, gelegentlich auch am Gehänge zwischen den letzten Verzweigungen der Talungen t r i f f t . Es sind im Sinne der Hangneigung geschichtete, bis zu 20 m mächtige Kalkgruslagen aus eckigen, flachen, pfennig- bis markstückgroßen Kalkscherben, *) Unter glaziär werden die K r ä f t e und Bildungen charakterisiert, die mit Eis und Schnee und überwiegendem F r o s t zusammenhängen. Unter glaziären Zeiten außerhalb der diluvialen Gletschergebiete verstehe ich also diejenigen Zeitspannen, in denen Bodenfluß wirkte und Dauergefrornis oder die Tendenz zu deren Bildung vorhanden waren und in denen Frostwirkungen morphologisch beherrschend hervortraten. Wo auch in den Glazialzeiten keine die mophologischen Vorgänge beherrschenden Frost- und Eiswirkungen vorhanden waren, kann man wohl von glazialen Perioden sprechen, nicht aber von glaziären, da eben in ihnen auch in den Eiszeiten das Glaziäre fehlte.

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die oft wie schuppen übereinander liegen, sodaß die obere über die untere Scherbe übergreift. In den Quelltrichtern konnte ich sie nicht beobachten. Aus dieser Lage ist zu ersehen, daß die Kalkgrusbildungen zerschnitten worden sind und einst eine viel größere Verbreitung hatten. Es ist wahrscheinlich, daß große Teile der Winterhänge, vielleicht auch der Sommerhänge, damit bedeckt und daß die Stufenrandtälchen möglicherweise auch an ihren Sohlen damit ausgepolstert waren. An den der Sonne besser exponierten Hängen und in nach S und SW

A

B.

A : Mäfitg steUer Hang, Höhe 1:200, Länqe 1-500 B: F/och&r Hancj; 7:50 C'•BreiterebenerTölboden. 1:250. Fig. 1 schauenden Talschlüssen fehlen diese Bildungen meist. Eine Zeit starker Schuttentstehung muß in einer der Eiszeiten die Stufenrandtälchen mit einer verhältnismäßig dicken Schuttdecke verhüllt haben, die später wieder zerschnitten und zum großen Teile ausgeräumt wurde, vor allem an den besser der Sonne exponierten Hängen. Die Aufarbeitung des kreidigen nicht von Korallenstöcken durchsetzten Gesteines in kleine, ziemlich gleich große Scherben muß durch den Frost geschehen sein. Die geschichtete Anordnung, der Neigung des Untergrundes angepaßt, muß sich durch schiebende Bewegungen infolge einer bestimmten Art des Bodenflusses entwickelt haben. Kleine Faltungen in den Schichten sprechen deutlich für die Mitwirkung des gefrierenden und auftauenden Wassers. Andererseits zeigt aber die Tatsache, daß die kleinen, meist nur wenige, höchstens bis

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zu 20—30 cm messenden Verfaltungen von ungefaltetem, geschichtetem Schutt überlagert sind, daß stets nur eine dünne Decke unter der Oberfläche in Bewegung und der Schutt in der Tiefe f e s t war. Der Kalkgrus muß ziemlich trocken gewesen sein, der Bodenfluß vollzog sich nur oberflächlich, wohl in den Übergangszeiten im F r ü h j a h r und Herbst. Zum großen Teile müssen die Gesteinsscherben über den Hang abgerutscht sein, denn bei freiem Herabrollen müßte eine Sortierung nach der Größe zu beobachten sein. Aber gerade das Gleichmäßige der Schuttmassen von oben bis unten am Hange ist das Charakteristische. Das Wasser in den Schuttdecken muß spärlich gewesen sein, da es zu keinen größeren Aufstauchungen des Schuttes kam und die Massen selbst an recht steilen Hängen nicht durch Bodenfließen in die Talsohle abwanderten. Die ganze Erscheinung ist die einer s t a r k gebremsten trockenen Schüttung, die keine Sortierung aufkommen ließ. Aufarbeitung des Anstehenden und Bewegung des Feinschuttes geschah in den Jahreszeiten des Frostwechsels. Während der f r o s t f r e i e n Zeit konnte aus dem porösen Mantel das eingedrungene Wasser völlig in die Spalten des Kalkes absickern. Beim Wiedergefrieren war nur wenig Wasser in den Poren, das aber genügte, den neu enstandenen und frisch zugewanderten Schutt an der Oberfläche festzuhalten. Zu Beginn der wärmeren Zeit w a r der Schnee schon zum großen Teil abgetaut, ehe der gefrorene Boden locker wurde. Auch das brachte ihm also keine stärkere Durchtränkung. E r geriet nur langsam und oberflächlich in Bewegung. Nur bei gelegentlich stärkerer Durchfeuchtung und schärferem Wiedergefrieren entstanden die kleineren Verknetungen. Die Kalkgrusdecken der Winterhänge sprechen somit gegen das Vorhandensein eines Dauerfrostbodens, aber trotzdem f ü r eine beträchtliche Mitwirkung des Bodenfrostes. An den stärker besonnten Hängen waren diese Bildungen schwächer. Sie konnten in den nachglaziären Perioden zum größten Teile wieder entfernt werden, umsomehr, als sich hier im F r ü h j a h r Schneeschmelze und A u f tauen des Bodens rascher und tiefgreifender durchsetzten. Die Kalkscherben sind wohl nicht alle an den Hängen entstanden, sondern es ist möglich, daß auch Schutt der Hochflächen infolge des Bodenschubes über die Kanten der Talhänge hinabgeriet. Zwischen den geschichteten Schuttdecken der Plateauhöhen und denen am H a n g scheint ein genetischer Zusammenhang zu bestehen, den m a n nur im glaziären Klima zu finden vermag. Auch die viel weniger mächtigen, horizontal geschichteten Gruslagen der Hochfläche sind aus zerfrorenem Gestein gebildet. Die horizontale Schichtung müssen sie beim Gefrieren und Wiederauftauen der Bodenmassen angenommen haben, soweit sie nicht aus der ursprünglichen, f a s t horizontalen Schichtung des Anstehenden stammt. A u f t r a g u n g , wie an den Kalkgruslagen der Hänge kann nur eine untergeordnete Rolle spielen. Verfaltungen konnte ich nicht beobachten. Die Bewegungen müssen sich bei dem sehr geringen Gefälle verhältnismäßig langsam vollzogen haben, waren dabei aber doch so stark, daß die roten älteren tonigen Böden überwandert wurden, wobei deren Plastizität Vorschub geleistet haben mag. Verknetungen mit ihnen waren nirgends zu beobachten, der Übergang ist stets verhältnismäßig scharf. Ich glaube aus diesen Beobachtungen schließen zu können, daß vor allem dort, wo die alte Verwitterungsdecke fehlte, die feinen Klüfte des Anstehenden nicht durch Eis geschlossen waren, so daß in den Auftauzeiten meistens eine ziemlich vollständige Absickerung des Bodenwassers möglich gewesen ist. In

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lockeren Massen aus Kalktrümmern und kreidig-mergeligem Füllmaterial wird beim Gefrieren des Bodenwassers durch die festen feinen und groben Bestandteile die durch den Gefrierungsvorgang freiwerdende Wärme stark angezogen, während umgekehrt die zum Tauen verbrauchten Kalorien dem Gesteinsmaterial entzogen werden können. Dadurch wird ein kräftiger Frostschub der Lockermassen hervorgerufen, ohne daß sich in der Tiefe eine Dauergefrornis bildete. Eine Tendenz zu ihrer Entstehung mag allerdings vorhanden gewesen sein, konnte sich aber nicht durchsetzen. Im Bereiche des Quellhorizontes, der sich über den die Kalke des Korallien unterlagernden Knollenmergeln gebildet hat, fehlen die Kalkgrusmassen ganz. Im Bereiche der Quellaustritte im Hintergrunde der Tälchen sind stets sehr mächtige Schuttmassen vorhanden (Beschreibung s. S. 20). Die rezenten Bewegungen in den Schuttmassen und im ausgehenden Fels konnten an Unterständen und Kampfstollen gut beobachtet werden aber die Bildung der Gesamtmasse muß in eine glaziäre Zeit fallen, in der gewaltige Felsblöcke ziemlich weit abwärts wandern konnten. Da unter der Hochfläche der Cotes kein Dauerfrostboden vorhanden war, muß über und bei den Quellen in glaziären Zeiten die Zerstörung des Gesteins und die Bewegung durch gefrierendes, aus dem Berginnern hervortretendes Wasser sehr groß gewesen sein. Auch die Auftautiefe war sicherlich recht beträchtlich unterstützt durch die unterirdische Tauwirkung des austretenden Gesteinswassers. Große Quelleisbildungen müssen mit zur Entstehung der mächtigen Schuttdecken in den' Talschlüssen beigetragen haben. Beim Gefrieren erstarrte zunächst die Schicht unterhalb des Quellwasserhorizontes in dem von Sickerwasser durchtränkten Boden. Es bildete sich eine Dauergefrornis aus Quelleis, die allmählich bis zum Quellhorizont und darüber hinaus emporwuchs, so daß das Gesteinswasser mit seiner höheren Temperatur sich durch Aufstauung im Gesteinskörper weiter oben Ausgang zu verschaffen suchte, bis es überhaupt in den alten Quelltrichtern zu fließen aufhörte und seitlich neue Austrittsstellen bildete. In der Tauzeit konnte sich an den Quellen, besonders den überfallenden, durch das angestaute Gesteinswasser auch von innen her Abschmelzungsarbeit geltend machen. So mußte es an schwächeren Stellen des perennierenden Quelleises der Quelltrichter zu Quellwasserausbrüchen kommen, die das anstehende Gestein und den Schutt darüber in starkem Maße bewegte und in die obersten Bachrinnen brachte, in denen das langsam zerfrierende Material in die Woevre hinausgetragen wurde. Mit diesen Vorgängen mag auch die Lage der Quellen an den Bergnasen zwischen zwei Quelltrichtergebieten zusammenhängen, für die ich bereits 1923 eine Erklärung versucht habe (S. 49). Heute glaube ich, daß auch glaziäre Vorgänge bei der Entstehung dieser Erscheinung mitbeteiligt waren. Die perennierenden Quelleisbildungen in den Talhintergründen müssen das Gesteinswasser in erhöhtem Maße seitlich abgeleitet haben. Es bewegte sich in dem nicht gefrorenen Gestein abwärts und Weitete und spülte die Sickerbahnen aus, die an den Bergnasen enden und die noch heute benutzt werden. Hier an den Bergnasen konnten sich auch keine so mächtigen Quelleisbildungen entwickeln, da die Schuttmassen leichter nach abwärts wandern. Bei den überfallenden Schichtquellen kann sich dieses Phänomen nicht herausstellen, da sich hier das Wasser zu den Bergnasen der Schichtneigung entsprechend, aufwärts hätte bewegen müssen.

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Im Bereiche des stark tonig verwitternden Knollenmergels sind an den Ursprüngen zwischen den Tälchen nirgends größere Schuttmassen zu finden. Wenn hier einst solche vorhanden waren, sind sie später restlos e n t f e r n t worden. Man t r i f f t überall unter dem gelben Lehmboden in geringer Tiefe das Anstehende. Da dieses undurchlässig und der Boden sehr rutschig ist, ist es wahrscheinlich, daß sich hier in glaziären Zeiten mächtigere Schuttdecken überhaupt nicht bildeten, da die Verwitterungsmassen in den Tauperioden abwandern konnten. Auch hier scheint kein Dauerfrostboden vorhanden gewesen zu sein, wohl deshalb, weil das Wasser nicht tief genug in den Boden eindrang, und das A u f t a u e n stets die ganze durchfeuchtete und gelockerte Masse erfaßte. Ähnlich aber viel mächtiger ist der Verwitterungsboden in den Oxfordtonen der flachen Landterrasse der Woevre (s. S. 24). Aber im Gebiet der Orne und der Rupt de Made t r i t t noch eine andere Erscheinung hinzu, die mit den glaziären Kalkgrusmassen an den Talhängen der Cötes in Zusammenhang stehen muß. Hier ist die Woevre oberflächlich mit Kalkgrus bedeckt (S. 25). Mit dem Übergang zu den höheren Teilen der Landterrasse, die dann in die Hochflächen der Hayelandschaft, des Yarnessy und des Brieplateaus übergeht, verschwindet dieser Kiesschleier zumindest auf den Höhen. Auf den Talböden dieser Landschaften konnte der Kalkkies nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden. E r scheint aber am Aufbau einer untersten, sich höchstens bis 2 m über der heutigen Talaue erhebenden Terrasse beteiligt zu sein. Der Kies auf den Rücken und Platten ist deutlich an die im Oxfordton ausgebildete Woevreebene gebunden. Ob eine Bindung an die in die Cotes hineinreichenden Einzugsgebiete der Orne und den Rupte de Made vorhanden ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Der Kalkkies erinnert in seinem Habitus an die Grusmassen der Hänge und die schichtigen Schuttböden der Cötes Hochfläche. Es überwiegen die Bestandteile aus kreidigem Kalk. Sie zeigen keine Rollung. Ihre Oberfläche ist staubig, unscharf, im ganzen eckig, jedoch chemischer Zersetzung entsprechend mit rundlichen Kanten. Auch in der Größe sind die Bestandteile denen der Grusdecken ähnlich. Nur die Korallenkalkstücke sind größer, wenn auch selten über handtellergroß, mit angedeuteter Rollung. E s ist unverkennbar, daß man es hier mit Massen zu tun hat, die einen, wenn auch nur kurzen Weg im fließenden Wasser mitgemacht haben. Es ist auffällig, daß nur die festeren Bestandteile Abrollung erkennen lassen, die erdigeren haben diese nachträglich durch Ablaugung und Zerfrierung eingebüßt. Diese Schotter können nur in glaziären Perioden entstanden sein und müssen während der Ablagerung ein starkes Durchfrieren mitgemacht haben. Wo in nördlichen Teilen des Ornebereiches in der Woevre der unterste Oxfordton faziell in den Etainkalk übergeht und sich eine ganz unbedeutende Landterrasse und Landstufe bildet, sind die Kiese am besten erhalten und erreichen eine durchschnittliche Mächtigkeit von 2, gelegentlich von 5 m. Sie sind Träger eines lokalen Grundwassers. Kleine Quellen treten a u f , wo die mächtigeren Kiesdecken über dem Etainkalk an den Tal- oder sekundären Stufenhängen ausstreichen. Im Bereiche des Etainkalkes ist deutlich zwischen zwei Niveaus des Kalkkieses zu unterscheiden, von denen das obere auf den Platten des E t a i n kalkes, das untere in den breiten Tälern und Dellen liegt. Wo die Landschaft sich ein Schutzmantel bildet. Im flachen Gelände kommt nun gerade deshalb die

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Fuße der Côtes, ist diese Trennung nicht so deutlich, da auch an den Hängen in abgerutschter Lage Kalkkies auftritt. Zerreißen und Schleppungen von Kiesbändern, Verknetungen mit Ton und faltenförmiges Hineinpressen in diesen zeigen die Profile A—C (Fig. 2). Die Verknetungen reichen in den flachen Dellenmulden vor dem Stufenrande zwischen Woël und St. Maurice anderthalb bis drei Meter hinab. Auf den Höhen zwischen den Dellen ist der Kalkkies weniger in den Untergrund eingepreßt. An den flachen Hängen der Dellen sind die Kieslager verschleppt und zerrissen (Profil A). Auf den Flächen der Höhenwellen müssen jedoch ähnliche Erscheinungen vorhanden sein wie in den Dellenböden. Denn auf den Hügelwellen und Hügelplatten findet man oft Spuren des Kalkkieses, der sonst abgetragen ist, in langen ziemlich geradlinigen Streifen. Hier konnte er sich erhalten, weil er rinnenförmig in den Tongrund eingesenkt oder eingepreßt war. Die Verknetungen sind Erscheinungen des Bodenfrostes in diluvialen Glaziärzeiten im Bereiche des Auftaubodens. Die flachen Kiesdecken über dem undurchlässigen Tonlehm mußten als Wasserträger beim Gefrieren und Wiederauftauen ganz besonders stark durchgearbeitet werden. Die Mächtigkeit der Verknetung des Kalkkieses mit dem darunter liegenden Lehmboden des Tones spricht dafür, daß unter den durchbewegten Horizonten Dauerfrostboden vorhanden gewesen ist, im Gegensatz zu den Hochflächen der Côtes, wo wohl Tendenz zu dieser Bildung vorhanden war, die sich aber über dem klüftigen Kalk nicht durchsetzen konnte. Der kolloidal aufquellende feuchte Lehmboden verhält sich auch thermisch ganz anders als Kalk. Das Gleiche gilt für die wasserführende Kalkkiesdecken und -Schleier gegenüber den trockenen Kalkkiesdecken der Hänge. Dazu kommt, daß die Wasserverhältnisse in den Niederungen der Woëvreebene in glaziären Zeiten die Bildung von Dauerfrostboden begünstigen mußten. Es war hier stets verhältnismäßig viel Wasser an der Oberfläche vorhanden, das aus den flachen weiten Senken nur langsam abfloß. Es muß sich hier viel winterliches Bacheis gebildet haben, das beim Frostwechsel im Frühjahr ui>d Herbst noch durch das von den Rücken herabrinnende Schneeschmelzwasser verstärkt wurde, das in den Gründen zeitweise wieder gefror. Wenn sich im späteren Frühjahr die Abschmelzung voll durchsetzte, mußte zunächst das Eis verschwinden, ehe der gefrorene Boden auftaute. Dadurch ist es wohl zu erklären, daß in einer Tiefe von 3—5 m Ton und Lehm gefroren blieben. Die über dem Tönlehmboden liegenden stark wasserhaltigen Kalkkiesmassen wurden an ihren unteren Partien in den Ton hinein geknetet, allem Anschein nach in reihenförmig angeordneten Wellenbergen und Wellentälern, die auch gelegentlich ineinander gefaltet wurden und an Helmholzsche Wellen erinnern mögen (Profil C). Aus diesen Beobachtungen scheint sich zu ergeben, daß die Hochfläche der Côtes und die Woëvreebene gerade dort lagen, wo in der letzten glaziären Zeit die Grenze des Dauerfrostbodens verlief. In dem höheren Gebiet hat die Gesteinsbeschaffenheit die Bildung einer Gefrornis verhindert, die nur im Bereiche der Quellen durch Quelleisbildung begrenzt vorhanden war, während sie sich in der Woëvre besonders unter den Kalkgrusdecken bilden und flächenhaft erhalten konnte. Diese Beobachtungen beleuchten ferner die Frage nach der klimatischen Aufschotterung und Zerschneidung.

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~ In glaziären Zeiten müssen die hydrographischen Verhältnisse ähnlich gewesen sein wie heute; nur war der Abfluß im wesentlichen auf die die Monate der Schneeschmelze und den Sommer beschränkt, wobei selbst bei Annahme geringerer Niederschläge, die temporäre Wasserstauung in der Woëvresenke mindestens ebenso, wahrscheinlich aber größer war. Der Frostschutt der Côtes lorraines wurde durch die Sommerbäche in der Woëvre abgelagert. Heute führen die Gewässer lediglich Bachtrübe. Nur die Bedingungen glaziärer Zeiten konnten den sehr kurzen Bächen aus der Côtes das Schuttmaterial liefern. Wir haben in

Fig. 2 den Kalkgruslagen der Stufenhangtälchen und in den Schuttmassen im Hintergrunde der Quelltrichter den Beweis einer starken glaziären Ges t einsauberei tun ^ gefunden und dabei auch einen gewissen Einfluß des Bodenfrostes festgestellt. Bei dem kurzen Transport von den Cotes zur Woevre hin ist keine beträchtliche Abrollung der Gesteinssplitter zustande gekommen. Die glaziären Perioden sind also Zeiten der Aufschüttungen in den Niederungen, während an den steilen Stufenhängen die Frostverwitterung arbeitete und wohl zu einer kräftigen Abtragung führte, bis die Hänge mehr oder weniger von Frostschutt überzogen waren und dadurch nicht mehr so stark angegriffen wurden. Man darf daher die glaziäre Periode nicht überall und auch nicht in ihrer ganzen Dauer als Aufschüttungszeit ansprechen. Es ist wohl möglich, daß die Hänge trotz des Bodenflusses sich allmählich mit einer nicht mehr weiter wachsenden Schuttdecke überzogen, die dann das darunter liegende Gestein schützte. Auch die Arbeit der Quellen und der Quelleisbildungen hat allmählich, vermutlich

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schon während des späteren Glaziärs, einen Stillstand erreicht. Durch die abnehmende Schuttführung konnte in den Talböden, vor allem in der Woevre, die Ausräumung und Zerschneidung der Ablagerungen schon in glaziärer Zeit beginnen. Das steigerte sich in der nachfolgenden Wärmezeit. Die Abflußverhältnisse waren dann im Prinzip die gleichen wie heute. Die Kiesmassen der Woevre wurden zerschnitten, alte verschüttete Hohlformen wieder bloßgelegt und der Ton unter dem Kies durch Weiterführung der Tal- und Dellenbildung angegriffen. Zu Beginn der Wärmezeit mußte aber, die Einschneidung am Ausgange der Kälteperiode ablösend, eine gewisse A u f s c h ü t t u n g stattfinden, da beim Klimawechsel zunächst wieder viel von dem aufgespeicherten Frostschutt in die Gewässer kam und diese überlastete. Die Zerschneidung des Untergrundes der Kiesmassen kann jedoch nicht rein klimatisch gedeutet werden. Sie scheint nur durch Mitwirkung tektonischer Vorgänge verständlich. Der Wechsel der klimatischen Verhältnisse allein ergäbe lediglich eine Zerschneidung und Ausräumung der Kiesdecke, nicht aber die Eintiefung der Bäche in deren Untergrund. Dabei muß es dahin gestellt bleiben, ob das tektonische Element nicht schon vor der Bildung der Kiesdecke vorhanden war und daher nach deren Zerschneidung die A b t r a g u n g des Bodens der Woevre der gleichen Ursache wegen und in der gleichen Weise weiterging, wie vor dem Beginn der Kälteperiode, oder ob eine neue Hebung stattgefunden hat. Die Lage der Kiesmassen sowohl auf den Rücken und Flächen zwischen den Talgebieten und Dellenzügen, wie auch in den Gründen selber, kann in zweierlei Weise erklärt werden. Einmal in der Annahme einer einmaligen glaziären Periode und einer allgemeinen völligen Eindeckung der Woevre mit Kalkschutt, der dann nachträglich zum größten Teil wieder ausgeräumt wurde. Die Kiesmassen der oberen und unteren Lagen entstanden dann in der gleichen Periode und die Kiesdecke reichte von den Tal- und Dellengründen bis über die Rücken- und Riedelflächen hinweg. Sie muß örtlich verschieden mächtig gewesen sein. Diese A u f f a s s u n g ist aber nicht wahrscheinlich, da der Überschlag der zur völligen Einschotterung nötigen Schuttmassen zu einem solchen Betrag kommt, daß während einer einzigen glaziären Periode eine sehr große Zerstörung des Korallenkalkes am Stufenrand und damit eine sehr beträchtliche Zurückwanderung der Schichtstufe im Bereiche der Orne und Rupte de Made angenommen werden muß. Die als glaziär gedeuteten Schuttdecken an den Hängen der Stufentälchen sprechen aber dafür, daß in einer letztvergangenen Kältezeit wohl eine stärkere Abtragung des Kalkes stattgefunden hatte, daß aber trotzdem keine k r ä f t i g e , klar erkennbare Rücklegung der Schichtstufe eingetreten ist. Daher ist die andere E r k l ä r u n g vorzuziehen, daß die (besonders im Bereiche des Etainkalkes, aber auch sonst) auf den Riedelflächen und Hügelrücken des Tongebiets vorhandenen mächtigeren Kiesdecken und die in den Talauen und Dellengründen auftretenden Kiesschleier in verschieden glaziären Perioden gebildet wurden. Die obere mächtige Kalkkiesdecke stammt dann wohl aus der großen Eiszeit, in der auch der Stufenrand stärker zurückgewandert sein mag. Die Kalkkiesschleier der Talzüge und der breiten Dellengründe müssen dann als würmeiszeitlich gedeutet werden. Am Stufenhang und auf der darüber liegenden Hochfläche im Kalk können allerdings keine verschiedenen glaziären

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Bildungen unterschieden werden. Vielleicht sind die rißeiszeitlichen verschwunden, im Interglaziär abgetragen, vielleicht sind sie aber auch den späteren zu ähnlich, um unterschieden zu werden. Trotzdem scheint mir der Schluß, aus den Verhältnissen der Kalkkiesdecken der Woevre auf zwei glaziäre Perioden stichhältig zu sein. Die weit schmächtigeren unteren Kiesdecken der Senken haben ihr Material wohl zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus der Umlagerung der älteren Kalkkieslagen bezogen, zum anderen Teil aber auch aus der Stufe der Cötes. Eine Rückverlagerung des Stufenhanges h a t sich während der Würmeiszeit in unserem Gebiete höchstens an den Bergvorsprüngen zwischen den Stufenrandtälchen vollzogen, an deren H a n g f u ß die oberen Kiesdecken der Woevre gewöhnlich nicht heranreichen. Zwischen die beiden Aufschüttungsperioden fällt eine Zeit der Erosion, die, wie schon dargetan, die ältere Kiesdecke größtenteils entfernte, die Dellen und Täler im Ton um 5—15 m tiefer legte, ohne daß dabei morphologisch ausgeprägte einheitliche Terrassensysteme entstanden, da die individuelle Formung jedes Dellen- und Talsystems dem entgegen steht. Einheitliche Eintiefungsgröße kann nicht festgestellt werden. Doch scheint sie ostwärts mit dem langsamen Anstieg der Landterrasse zuzunehmen. Wir haben aber diese Eintiefung zum Teil tektonisch erklärt. Dem muß auch an der Cötes eine gewisse Einschneidung und Rücklegung der Stufe entsprechen. Der Schuttschleier, der sich in der Würmeiszeit in den Tälern und Senken der Woevre gebildet hatte, ist in der Postglaziärzeit, also im Alluvium, nur teilweise, meist nur in den Tälern der größeren Flüsse zerschnitten worden. In vielen Dellensenken und heute gewöhnlich bachlosen Tälchen ist er u n t e r dem Verwittrungslehm noch unzerstört erhalten und reicht in den Senken (nicht aber auf den Rücken dazwischen) noch bis an den F u ß der Stufe heran und in die seichtesten Stufenrandtälchen und Quellnischen hinein. Dadurch wird die schon aus den glaziären Schuttdecken des Stufenrandes gezogene Schlußfolgerung, daß sich die Schichtstufe seit dem Abschluß des Eiszeitalters nicht mehr erkennbar zurückverlegt hat, gestützt. Im Bereiche des Stufenrandes wirkte die glaziäre A b t r a g u n g hauptsächlich in der vorletzten Glaziärperiode, die in der darauffolgenden interglaziären weiterging, allerdings nur zum Teil durch Klimawechsel verursacht. Die den Bildungen der Rißperiode gegenüber nachträgliche Vertiefung der Senken und Täler der Woevre ist sicherlich durch ein tektonisches Element mitbestimmt. Die nicht mehr glaziär überschattete Arbeit der Flüßchen mußte an der Schichtstufe sich in einer leichten Zerschneidung geltend machen, der eine geringe Rückwanderung der Stufe entsprach. Somit vollzog sich in der Rißeiszeit eine rein klimatisch bedingte periglaziäre in der letzten Zwischeneiszeit eine fluviatil-tektonisch verursachte Rückwanderung der Stufe. In der Würmeiszeit und im Alluvium ist verhältnismäßig wenig geschehen. Die durch den Wechsel des Klimas bedingte Arbeit h a t t e im wesentlichen die Rißeiszeit geleistet und tektonische Änderungen seit Beginn des Diluviums sind anscheinend so gering gewesen, daß hier die Schuttschleier der letzten Glaziärzeit teilweise noch unzerschnitten sind und daß sich selbst an den steilen Flanken der Stufenrandtälchen Reste glaziärer Schuttdecken finden. Ganz allgemein gesehen hat der klimatische Wechsel auf W a s s e r f ü h r u n g und Schuttführung der Bäche einen entscheidenden Einfluß, aber die Groß-

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f o r m u n g wird dadurch weniger betroffen als die Einzelgestaltung. Das klimatische Moment erscheint mehr wie eine Zieseliereung eines andersartig bedingten Formkomplexes, der in unserem Fall eine Stufenlandschaft ist, zu deren E n t stehung und Ausgestaltung stratigraphische Lagerung und Gesteinsbeschaffenheit sowie tektonische Einflüsse das Entscheidende sind. Im Ursprungsgebiet zweier Talsysteme, deren Quelltälchen aus einer Kalkschichtstufe herauskommen und sofort eine flache Landschaft durchfließen, die in ihrem vor der Schichtstufe beginnenden unteren Teile in einem mächtigen Tonkomplex ausgbildet ist, unter dem erst in einer beträchtlichen E n t f e r n u n g vom Stufenfuße, in stärkerer Neigung die Landterrasse bildend, widerständigeres Gestein herauskommt, kann die Wirkung des Wechsels klimatischer Gegebenheiten im Eiszeitalter besonders gut untersucht werden. Die Gegensätze der Bodenform und des Gesteins sind groß und einfach, so daß leicht überschaubare Verhältnisse entstehen. In den glaziären Perioden herrschte in der Landstufe eine starke Zerfrier u n g des Gesteins, aber im allgemeinen keine dauernde Gefrornis. Auf der Hochfläche, vor allem aber an den Hängen der Quelltälchen bildeten sich eigenartige Schuttmassen aus scherbigem Kalk, und an den Quellen durch Quelleisbildung an vielen Quelltrichterhängen mächtiger Schutt von groben Blöcken. Nur in den Quelltrichtern war als Quelleisbildungen gleichsam punktförmig Dauergefrornis vorhanden. Im flachen Bereiche der Landterrasse war sie dagegen f l ä c h e n h a f t ausgebildet. E s kam hier zur Aufschüttung von Kalkkiesschichten, die durch den Bodenfrost in den Ton verknetet wurden. Beim erstmaligen Übergang von einem wärmeren zu einem frostreicheren Klima, also zu Beginn der Rißeiszeit, griff die Frostverwitterung die Kalkstufe zunächst mächtig an und die Quelltälchen f r a ß e n sich k r ä f t i g zurück, bis über den Hängen ein Schuttmantel entstand, der diesen Vorgängen einen Stillstand gebot. Dieser starken Zerstörung mußte eine Rückverlegung der Schichtstufe entsprechen. Auch im Bereiche der Landterrasse, in der vor der Stufe liegenden Flachlandschaft, h a t zunächst beim Klimawechsel der 'Bodenfluß und die mittelbare Wirkung des sich herausbildenden Frostbodens a n f a n g s wohl noch erosive Impulse ausgelöst. Allmählich setzte sich aber eine k r ä f t i g e Aufschotterung durch, die recht mächtige Kalkkiesschichten gebildet hat. Jedoch noch während der glaziären Zeit mußten diese Ablagerungen eine leichte Zerschneidung erfahren, weil die Zerstörung des Kalkes in der Schichtstufe unter dem mächtigen, allmählich entstehenden Schuttmantel aufhörte, die Fließwasser daher weniger Schutt f ü h r t e n und wieder einschneiden konnten. In interglaziärer Zeit haben Erosion und Danudation überwogen. Die Schuttböden. der Hänge wurden zum großen Teile abgetragen, die Kalkschuttschichten zerschnitten und die Weiterbildung der Täler und Dellen wieder aufgenommen, wobei nicht nur erosive und denudative, sondern am Beginn der Wärmezeit wahrscheinlich auch akkumulative Arbeit geleistet wurde. Damals wurde sicherlich an den Steilhängen der Schichtstufe viel Schuttmaterial abgeschwemmt, so daß anfangs, die spätglaziäre Einschneidungsperiode ablösend, im Flachgebiet vor der Stufe erneut Kalkkies abgelagert wurde. Aber bald, nachdem aus der Stufe der meiste glaziär entstandene Schutt abtransportiert war und die Bäche wieder K r a f t f r e i bekamen, setzte sich Einschneidung durch. Daß dabei nicht F e s t s c h r i f t J o h a n n Solch.

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einfach die vor der ersten Glaziärperiode entstandene Dellen und Talsohlen bloßgelegt, sondern daß sie auch weiter gebildet oder zerschnitten wurden, spricht d a f ü r , daß tektonische Veränderungen sich vollzogen hatten, denen sich nun die Gewässer anpassen konnten. Auch der Stufenrand mußte dementsprechend erneut zerschnitten und erosiv-denudativ um ein Geringes zurückverlegt werden. In der letzten Glaziärperiode war die Bildung des Kalkkieses im Bereiche der heutigen Talzüge und Dellensenken der Landterrasse weit geringer als in der vorherigen Kältezeit; denn anders als zur Rißeiszeit, zu deren Beginn eine beträchtliche Rückwanderung der Schichtstufe möglich war, ist in der letzten Eiszeit keine Rückwanderung festzustellen, wohl deshalb, weil in der vorangegangenen Glaziärperiode die Rückwanderung einen gewissen Endzustand erreicht hatte, der dem im Klimawechsel bedingten Anderssein der Abtragungsverhältnisse entsprach. Daher konnte in der letzten Glaziärperiode allein durch erneuten Klimawechsel, ohne Mitwirkung tektonisch verursachter Impulse keine wesentliche Rückwanderung der Stufe erfolgen. Die vorhergegangene Kälteperiode hatte f a s t schon alle Arbeit geleistet und ließ der folgenden nicht mehr viel zu tun übrig. In der flachen Senke kam es aber doch zur Ablagerung von Kalkkies, der als dünner Schleier die Tiefenlinien überzieht. Auch die zweite Kälteperiode war also in der Flachlandschaft eine Zeit der Aufschüttung. Im Hinblick auf die morphologische Ausgestaltung verhält sich die Nacheiszeit ähnlich wie das Interglazial, aber doch auch wieder wesentlich verschieden. Im Alluvium wurde aus den Randtälchen der Schichtstufe a n f a n g s noch glaziär entstandener Schutt und Boden herausgebracht und dadurch der vorher entstandene Kalkkiesschleier wohl noch etwas verstärkt. Bald aber hörte dies auf, und im Flachgebiet wurde nur noch Aulehm abgelagert. Diese Ablagerungen wurden dann, allerdings nur in den Haupttälern, etwas, wenn auch nur schwach, zerschnitten. In den kleineren Tälchen und in großen Dellen bilden sie sich weiter. Eine völlige Ausräumung des Schuttschleiers f a n d nicht s t a t t . E r blieb in den kleinen, heute bachlosen Tälchen und in den Dellensenken erhalten. Da ihm anscheinend k r ä f t i g e tektonische Impulse fehlten, war die Einschneidung nur sehr gering. Dementsprechend ist auch der Stufenrand kaum nach rückwärts verlegt worden. Das einfache Schema, das den glaziären Zeiten außerhalb der vergletscherten Gebiete Aufschüttung, den interglaziären und der Postglazialzeit Erosion und Denudation zuschreibt, ist eine grobe Verallgemeinerung, die allenfalls f ü r bestimmte Strecken der Täler und deren Terrassen gilt, im ganzen aber geradezu falsch ist. Solche vereinfachende Behauptungen sind schon deshalb unrichtig, weil in jeder Periode stets Abtragungs- und Aufschüttungsbereiche einander gegenüber stehen. Es scheint so zu sein, daß in den glaziären Zeiten im Abtragungsbereich, also im bergigen Gelände und an steileren Hängen, Denudation und Erosion stark wirkten und infolgedessen im Ablagerungsbereich auf den Sohlen im Unterund Mittellauf der Täler und in den Flachlandschaften die Akkumulation k r ä f tiger war, so daß sie unter Umständen sogar ganze Flachlandschaften erfassen konnte. Daneben vollzieht sich aber eine Wandlung in der Zeit, die im bergigen sowie im flachen Gelände im Abtragungs- und Ablagerungsbereich entgegengesetzt verläuft. Im kuppierten Gelände hört nach starker denudativer und

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erosiver Arbeit Aufbereitung und Abtransport des Gesteins allmählich auf, da sich ein Schuttmantel bildet. Im flachen Gelände kommt nun gerade deshalb die Aufschüttung zum Abschluß, so daß bei geringerer Schuttführung die Bäche ihre Ablagerungen zu zerschneiden beginnen. In den wärmeren Zeiten, die kälteren nachfolgen, wird aus dem kuppierten Gelände zunächst noch alter Frostschutt ausgeräumt, der im flachen abgelagert wird. Dann aber nimmt die Schuttführung der Bäche aus dem Abtragungsbereich ganz wesentlich ab, und es besteht nun im früheren Ablagerungsgebiet die Tendenz, die Aufschotterungen zu zerschneiden und wieder auszuräumen. Die Einfachheit der Verhältnisse in Cotes lorraine und Woevre scheinen auf jeden Fall geeignet zu sein, solche Probleme zu untersuchen und einer Klärung näher zu bringen. Es wäre zu begrüßen, wenn neue Geländeforschungen in jenen Gebieten aufgenommen werden könnten. Manuskript abgeschlossen im August 1948.

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Die Großformung im oberen steirischen Murgebiet.. Von H a n s Spreitzer. Mit 1 Tafel. Die Landschaft des Murtales zwischen Lungau und Knittelfelder Becken — auch länderkundlich eine größere Einheit im Rahmen der Steiermark — h a t o f t zur geomorphologischen Erforschung gelockt. Zwei parallele Talungen verbinden die beiden tertiären Senkungsfelder im Westen (Lungau) und Osten (Knittelfelder Becken) und stellen ein Hauptglied der Norischen Senke S ö 1 c h s dar. Doch nur die südliche der beiden Talzonen wird von einem durchströmenden Fluß, der Mur, benutzt. Die nördliche stellt eine Folge kleinerer Senkungsräume dar, die durch bequeme Übergänge und Durchgänge miteinander verbunden sind, indes doch g e s t a f f e l t voneinander absetzen. Die beiden Talungen schaffen eine zonale Gliederung der Landschaft. Im Norden erhebt sich der Zug der Niederen Tauern. Dann stellt der Tamsweg-Seckauer Höhenzug nach A. v. B ö h m bzw. die Murberge nach J . S o l c h das Bergland zwischen den genannten Talzonen dar. Im Süden der Mur bilden einerseits die Höhenlandschaften der Gurktaler Alpen, andrerseits die einem anderen Baugerüst mit südöstlicher Streichungsrichtung angehörenden Seetaler Alpen den Rahmen der Landschaft. Auffällig im Talnetz des Gebietes sind nicht allein die beiden Längstalungen, sondern auch die Diagonaltäler, die die Murberge von N W gegen SO durchziehen, Rantental, Katschtal, Wölzer Tal, Pölstal, und noch auffälliger die großen Paßzonen im Süden des Murtals im Wasserscheidengebiet zwischen Mur und Drau, da sie jeweils in der Portsetzung der größten von N W zur Mur kommenden Nebentäler liegen: Neumarkter Sattel, Perchauer Sattel und Paßzone von Obdach. Auch das Laßnitztal mit dem Priwaldpaß in der F o r t s e t z u n g des Rantentals ordnet sich diesem Gesetz unter. Die Höhenlandschaften des Raumes weisen weite getragene Flächen auf, die bestimmte Vorgänge der Großformung zur Voraussetzung haben. N u r die höchsten Teile der Murberge, der Gurktaler und der Seetaler Alpen t r a g e n auch die Spuren eiszeitlicher Eigenvergletscherung, ihre tieferen Regionen aber und namentlich alle Pässe bis zum Perchauer Sattel gegen Osten hin sind von dem durchziehenden Eis bearbeitet, das der Murgletscher dank seiner hohen Spannung in das Einzugsgebiet der Drau gegen Süden entsandte. Mit der eiszeitlichen Vergletscherung verknüpfen sich auch die Aufschüttungsterrassen, die von Judenburg an f l u ß a b w ä r t s f ü r die Tallandschaft der Mur so bedeutungsvoll werden, während andrerseits auch von den einstigen Enden des Murgletschers im heutigen Draubereich Terrassenlandsehaften ausgehen. Der nahe liegende Zusammenhang zwischen tertiärer Sedimentation in den Senkungsfeldern und der Talbildung h a t die F r a g e der Talanlage zuerst von allen morphologischen Problemen des Raumes zur E r ö r t e r u n g gelangen lassen. Die Geologen F. R o l l e (1856) und D. S t u r (1864) haben die Forschung von

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dieser Seite her eröffnet, und durch G. G e y e r (1891) sind deren erste Erkenntnisse zur Ausbildung des Talnetzes gefestigt und erweitert worden. Mit seiner überragenden Genialität hat A. P e n c k (1894, II, S. 130) die hier gegebenen Probleme in ihrer allgemeinen Bedeutung erkannt. Dann setzt mit der nachhaltig wirkenden Arbeit von K. O e s t r e i c h (1899) die eigentliche geomorphologische Forschung ein, die durch einen Beitrag von N. K r e b s (1903), durch eine erste Stellungnahme von J . S o l c h (1908) und durch H. S l a n a r (1916) weitergetragen wird. Den ganzen Fragenkreis hat A. A i g n e r (1925), das wichtige Teilproblem der Ausbildung des einheitlichen Murtals im Norden der Neumarkter Paßregion R. M a y e r (1926) erörtert. Die im Zusammenhang mit der gesamten Landformung des Raumes gebrachte Darstellung von S o l c h (1928) ist die letzte morphologische Stellungnahme und muß durch die gedankliche Geschlossenheit der Ableitung auch der Ausgangspunkt der weiteren Prüfung eines Problems sein, das durch die erwähnten Beiträge wohl bereichert, aber nicht vereinfacht wurde. Seit K. O e s t r e i c h s Untersuchung eines alpinen Längstals zur Tertiärzeit (1899) tritt die Betrachtung und Auswertung der Höhenlandschaften und damit zugleich das Studium der Großformung gleichbedeutend neben die Untersuchung der Ausbildung des Talnetzes. Gedankenreich hat A. A i g n e r (1922) die Formung der Gurktaler Alpen überblickt, und diese Arbeit bedeutet einen wesentlichen Fortschritt, wenn auch ein Hauptergebnis seiner Arbeit im folgenden abgelehnt werden muß; auch seine 1925 zur Talbildung veröffentlichte Arbeit muß in diesem Zusammenhang genannt werden. Vor allem für die Beurteilung der Großformung ist R. M a y e r s Untersuchung der Neumarkter Paßlandschaft (1926) wertvoll. K. O e s t r e i c h s Arbeit von 1925 umfaßt noch einmal das Gebiet vom Lungau bis zum Bereich der Koralpe in mehr übersichtlicher Darstellung. Den Abschluß der bisherigen Forschung bedeutet aber wieder J . S ö 1 c h s „Landformung der Steiermark" von 1928, und wieder ist auch für alle Fragen der Großformung an sie anzuknüpfen. Für diese Fragenkreise, die bei der geomorphologischen Erforschung des oberen steirischen Murgebietes entgegentreten, bedeutet J . S ö 1 c h s Leistung einen Abschluß. Und durch die Untersuchung der Murterrassen vom Judenburger Becken an murabwärts hat J . S o l c h auch zur Frage der eiszeitlichen Aufschüttungslandschaften am Rande des Gebietes einen wichtigen Ausgangspunkt der Forschung gegeben (1917). Seither sind über 30 Jahre vergangen, mehr als 20 Jahre auch seit J . S ö l c h s „Landformung" (1928) und seit Arbeiten von K. O e s t r e i c h (1925), A. A i g n e r (1925) und R . M a y e r (1926). In der für die Höhenformen, die Ausbildung des Talnetzes und überhaupt die voreiszeitliche Entwicklung der Landschaft so wichtigen Frage der Großformung ist die Forschung in diesem Zeitraum allgemein fortgeschritten und hat neue Gesichtspunkte gezeitigt. — In manchem Jahre hat der Verfasser dieser Arbeit Gelegenheit gehabt, im Bereich des oberen Murtales eigene Beobachtungen zu sammeln. So soll im folgenden ein Beitrag zu dieser Frage der Landformung des oberen steirischen Murgebietes geboten werden. Die damit zur Darstellung gelangenden Beobachtungsergebnisse sind allerdings nur ein Teil der durchgeführten Arbeiten, die vor allem auch die Entwicklung des Talnetzes

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und die glaziale Formengebung mit der in diesem Gebiet besonders interessanten Feststellung und Gliederung der eiszeitlichen Aufschüttungslandschaften umfaßten. K. O e s t r e i c h (1899) hat außer der Deutung der großen Längstalung auch die erste Synthese der Landformung des oberen Murgebietes geboten. Diese habe sich im Zusammenhang mit dem phasenhaften Fortschreiten der Talbildung vollzogen. Aus der ältesten Zeit stamme die ursprüngliche Anlage des Gebirges, vertreten durch die heutigen Höhen über 2500 m in den Niederen Tauern. In einer ersten Talanlage sei das durch die heutigen Kammhöhen von über 2000 m auf der Südseite der Niederen Tauern und Nordseite der Gurktaler Alpen vertretene Niveau geschaffen worden. Eine zweite Talanlage habe das Niveau der Kammhöhen um 1800 m vornehmlich am Tamsweg-Seckauer Höhenzug geschaffen und zugleich den Beginn der Doppeltalung gebracht. Diese sei in der dritten Talanlage mit einem Niveau von 1500 m weiter gebildet worden. Erst die vierte Talanlage (1300 m) sei tertiär; noch tiefere Talböden, in 1000—-700 m, habe die fünfte Talanlage gebracht. Die Vorstellung einer zeitlich etappenweise unterbrochenen, jedoch regional nicht differenzierten Erhebung des großen, weiträumigen Gebietes liegt seiner Auffassung zugrunde. Mit Recht zeigt A. A i g n e r (1922) die Schwierigkeiten auf, die sich aus einer so vereinfacht großzügigen Annahme ergeben. In den einzelnen Zeiten der Talanlage müßten einerseits weite Räume des Gebietes flächenhaft ausgeräumt worden sein, während andrerseits in unmittelbarer Nachbarschaft daneben andere als kaum von der Erosion angegriffene Höhenlandschaften erhalten blieben; und doch können nicht Gesteinsunterschiede für ein so verschiedenes Verhalten herangezogen werden und kann keine klimabedingte Abwandlung des morphologischen Kräftespiels dieses erklären. So bleibt A i g n e r nur die Annahme tektonischer Verstellungen zur Erklärung der Landschaft. Tektonische Linien, die er eher als Verbiegungen und Flexuren denn als Brüche ansehen möchte und die sich an bestimmte bevorzugte Richtungen halten, gliedern danach die Gurktaler Alpen in Gebiete verschiedener Höhenlage. Jedes Teilgebiet hat in der Höhenregion seine eigene Folge von Flächensystemen, die allerdings zum Teil nur übersichtlich überschaut werden. Die obersten Flächensysteme also sind trotz der verschiedenen Höhenlage in den Teilgebieten einander gleich alt, nur durch spätere tektonische Vorgänge verstellt. In das steirische Murgebiet reicht noch die innere, höchste Zone der Gurktaler Alpen mit Gipfelhöhen um 2400 m (Eisenhut, Winterthaler Nock) und einem obersten System von kürzeren Eckfluren (nach dem Ausdruck von J . S o l c h ) oder längeren Auslaufrücken (nach v. K l e b e i s b e r g s Bezeichnung) in 2000 m herein (Niveaudifferenz 400 m). Es schließt sich ein nordöstliches Gebiet an, in dem im Zug der Würflinger Höhe die Gipfel 2200 m, die Auslaufrücken 1900—1800 m (Niveaudifferenz 300—400 m) erreichen und darunter Vorstufen und alte Talböden in über 1600 m entgegentreten, während die anderen Rücken dieses nordöstlichen Gebiets bis zur Frauenalm allerdings geringere Gipfelhöhen und geringere Niveaudistanz aufweisen. Noch niedriger sind die Gipfelhöhen in einem anderen Teilgebiet A i g n e r s , den Metnitzer Alpen (zwischen Mur und Metnitz), die damit wieder eine neue tektonische Einheit darstellen, aber ihrerseits doch noch viel höher sind als die südwärts davon folgenden Bergzüge zwischen Metnitz und

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Gurk und endlich die Wimitzberge als tiefstes und südöstlichstes Gebiet der Gurktaler Alpen. — Die Richtigkeit der Aignerschen Vorstellung hängt somit davon ab, ob man tatsächlich die obersten Berghöhen und dazu wenigstens das oberste System der Auslaufrücken in allen von ihm ausgeschiedenen Teilgebieten als gleich alt ansehen kann. In welcher Zeit dann aber die tektonische Verstellung stattfand, das sollte sich aus der Untersuchung der vorhandenen tieferen Talbodenreste ergeben, die indes in seiner Arbeit nicht geboten wurde. Den gleichen Gedanken der Gliederung in Schollen verschiedener Höhenlage hat A. A i g n e r (1925) auf das ganze Murgebiet vom Lungau bis zum Knittelfelder Becken ausgedehnt. Die Niederen Tauern, die Gurktaler Alpen, die Seetaler Alpen und ihre Verbindung zu den Niederen Tauern treten danach als höhere Schollen entgegen, ebenso ist auch der Tamsweg-Seckauer Höhenzug besonders in seinem westlichen Teil eine höhere Scholle, im Norden und Süden wie auch im Westen von tiefer liegenden Gebieten begleitet. Die starke Betonung der regionalen Unterschiede in der tektonischen Erhebung des Gebietes zeichnet beide Arbeiten von A. A i g n e r aus und darin liegt der hauptsächliche Gegensatz wie auch Fortschritt gegenüber der Vorstellung von K. O e s t r e i c h . Ein solcher ist aber auch darin gegeben, daß die Altersstellung der Höhenlandschaften durch A i g n e r zweifellos zutreffender bestimmt wird. Während nach O e s t r e i c h sowohl die ursprüngliche morphologische Anlage des Gebirges wie auch die drei ersten Talanlagen vortertiären Alters sind und damit weit in das Mesozoikum zurückreichen müssen, ist nach A i g n e r die älteste Landoberfläche erst nach dem Untermiozän gebildet; sie ist jünger als das braunkohleführende Untermiozän. Die Vorstellung von tektonischen Aufwölbungen, Einbiegungen und Schrägstellungen wird von R. M a y e r (1926) für die Neumarkter Paßlandschaft und ihre größere Nachbarschaft wiederholt ausgesprochen. Wenn auch keineswegs alle von ihm angenommenen Bewegungen beweisbar und manche auch nicht wahrscheinlich erscheinen, so sind namentlich seine Hinweise auf die Verbiegung des alten Rumpflandes, dessen Neigung von den Niederen Tauern gegen SO und die entgegengesetzte von den Seetaler Alpen und den nordöstlichen Teilen der Gurktaler Alpen gegen NW — in beiden Fällen auf die Norische Senke zu — von Wert. Einen wichtigen grundsätzlichen Fortschritt stellt die "Zusammenfassung der erkannten Niveaus zu Formengruppen dar: Rumpfland, Fußflächen, Region der normalen, pliozänen Talbildung und endlich der eiszeitlichen Übertiefung. Hinsichtlich der Altersstellung aber ist nach R. M a y e r das alte Rumpfland noch vormiozän, etwa am Ende des Oligozäns, gebildet und die erste Hebung der Seetaler Alpen und Niederen Tauern im Untermiozän erfolgt. J . S o l c h vermag in seiner „Landformung der Steiermark" (1928) im ganzen acht Niveausysteme von dem Höhengebiet an der Landesgrenze im SW über unser ganzes Gebiet gegen O und NO hin bis zum Knittelfelder Becken festzustellen. Sie sind verhältnismäßig niveaubeständig mit leichter Neigung gegen O hin ausgebildet. Abgesehen von dieser Neigung sind jeweils die tieferen Niveaus in ganz gesetzmäßiger Art die zeitlich jüngeren, und darin liegt unausgesprochen bereits die Stellungnahme zu A i g n e r ; denn nach A i g n e r können verschieden hohe Niveaus (Gipfelniveaus und oberste Flächensysteme) infolge der nachträglichen tektonischen Verstellung gleich alt, ja auch ein heute tieferes Niveau eines gesenkten Blocks älter als das orographisch höhere

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einer gehobenen Scholle sein. So liegt im ganzen der A u f f a s s u n g von S o l c h wieder die Vorstellung einer einheitlichen Hebung des Raumes in einzelnen von Ruhezeiten unterbrochenen Hebungsperioden zugrunde. Besonders wichtig ist aber die Erkenntnis eines wenn auch unbedeutenden Ansteigens der Niveausysteme gegen die zentralen Teile der Eisenhutgruppe wie überhaupt einer leichten Aufkrümmung, welche die Landschaft im W etwas heraushob. Und f ü r die Anlage der Norischen Senke zieht auch S o l c h Verwerfungen oder Einkrümmungen heran, und ebenso werden f ü r die Neumarkter Paßlandschaft Senkungsvorgänge angenommen. Zur Altersbestimmung der alten Landflächen sind auch f ü r S o l c h die untermiozänen Braunkohlenlager und dazu die darüber liegenden mittelmiozänen groben Schotter der tertiären Senken Ausgangspunkt, so daß sich ein mittelmiozänes Alter der ersten Hauptphase der Krustenbewegungen ergibt. Die dadurch emporgetragenen ältesten Flächensysteme unseres Gebietes mögen dann wohl ebenso wie die Landschaften der Augensteinfelder der Nördl. Kalkalpen ältestmiozän oder noch oligozän sein. Der Annahme einer regional allzu einheitlichen Hebung in Phasen, wie sie in O e s t r e i c h s f r ü h e r e r Arbeit (1899) entgegentritt, hat A i g n e r die Glieder u n g des Raumes in Schollen verschiedener Hebungsintensität gegenübergestellt; schmale Säume — Brüche oder auch Flexuren —, die bestimmte Richtungen bevorzugen, sollen sie voneinander trennen. Wieder eine andere Vorstellung liegt der Ableitung von M a y e r und vor allem von S o l c h zugrunde: die von großräumigen Verbiegungen, Aufkrümmungen und Einsenkungen. Es ist die erste Aufgabe, zu diesem Problem Stellung zu nehmen. In seinem inneren Bau zeigt unser Gebiet große Mannigfaltigkeit. Das ältere Kristallin mit seinen Glimmerschiefern, Gneisen, Graniten, Marmorzügen baut den westlichen Teil der Gurktaler Alpen und des Tamsweg-Seckauer Höhenzugs auf, setzt im Norden den Hauptteil der Niederen Tauern zusammen und zieht von diesen mit südöstlichem Streichen über das heutige Murtal zu den Seetaler Alpen. Im Westen liegen von ihm umschlossen die Inseln des Paläozoikums von Turrach und des Paalgrabens mit seinen Konglomeraten, und wie ein Rahmen umgibt das Kristallin auch die ausgedehnte Murauer Mulde, die aus paläozoischen Phylliten, Arkosen, Diabaszügen und Kalk — der vor allem im östlichen Teil der Mulde größere Bedeutung gewinnt (Grebenze-Puxerberg) — aufgebaut wird. Nur f ü r kleinere Teilgebiete liegen moderne Darstellungen des inneren Baus vor (A. Thurner, Stolzalpe, Frauenalpe, 1936ff.). — Gegenüber der Arbeit der exogenen K r ä f t e zeigen die mannigfaltigen Gesteine des stark durchbewegten Gebietes im ganzen einheitliches Verhalten, wenn auch im einzelnen, in der Kleinformung und bei der Erosionsarbeit der Flüsse, die Härteunterschiede gut zur Geltung kommen. Besonders der Kalk t r i t t stets auch orographisch entgegen. Aber ungebunden an den inneren Bau ziehen die alten Abtragungsniveaus über die verschiedenen Gesteine hinweg, auch über den widerstandsfähigen Kalk, nur daß sie gerade in Kalkgebieten o f t besonders schön erhalten sind. So hindert alle Mannigfaltigkeit in der Gesteinszusammensetzung nicht die deutliche Erkenntnis der großzügigen Anordnung von Flächensystemen, die geradezu den wichtigsten und beherrschenden Zug in der Landformung unseres Raumes abgeben.

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Die Flächensysteme des Untersuchungsgebietes, von dem obersten im südwestlich gelegenen Bergland um Kilnprein und Eisenhut in 2400 m bis zu den tiefsten noch voreiszeitlichen Talbodenresten in unter 900 m im unteren Abschnitt des Murtales bei Judenburg, unterscheiden sich nicht nur nach ihrer Höhenlage, sondern auch nach der A r t ihrer Ausbildung und Verbreitung. Dies bestätigt sich besonders klar auch durch die kartographische Festlegung der gesammelten Beobachtungen. Aus der teilweise 1 : 25.000, sonst 1 : 75.000 durchgeführten Kartierung im Gelände wurde zunächst eine einheitliche K a r t e 1 : 75.000 angelegt, die alle Systeme enthält, was durch die Verwendung f a r b i g e r Signaturen möglich war. Aus dieser K a r t e sind die höheren Niveaus (bis zum System von 1500 m herab) f ü r die dieser Arbeit beigegebene kartographische Darstellung entnommen, während die tiefergelegenen aus technischen Gründen ausscheiden mußten. Doch sind die höheren Systeme f ü r die hier behandelten F r a g e n von besonderer Wichtigkeit. Das dargestellte Gebiet reicht von dem steirisch-salzburgischen Grenzgebiet im Westen bis zum Zirbitzkogel gegen Osten, die Darstellung enthält aber nicht mehr die an der Ostseite des letzteren schön ausgebildeten Systeme, f ü r deren kartographische Festlegung noch weitere Begehungen erforderlich sind. Aus dem gleichen Grunde sind auch im Norden die Niederen Tauern nicht mehr in die Kartendarstellung einbezogen. Unabhängig von der heutigen Talbildung — wenn auch nicht ohne Zusammenhang mit gewissen Zügen in der Anordnung des Gewässernetzes —, nach Größe und Erstreckung offensichtlich aus der Zeit eines andersartigen morphologischen Kräftespiels stammend, sind die obersten Flächensysteme ausgebildet. Das sind die Niveaus der Höhen, der Berggipfel und hochgelegenen Rücken. Sie sind im ganzen gürtelförmig um die höchsten Teile gelagert, aber die tieferen von ihnen greifen auch buchtartig zwischen die noch höheren Systeme ein. Noch das Niveau von 1800 m Mittellage folgt dieser Ausbildung. Diese Berghöhensysteme — um sie beschreibend und eindeutig zu bezeichnen — liegen im Abstand von jeweils rund 200 m Höhenunterschied übereinander: 2400 (A-System), 2200 (B), 2000 (C) und 1800 m (D). Besonders weiträumig verbreitet ist das System von 1800 m (D), das schon darum eine A r t Leitniveau darstellt. Nach ihrer ganzen Ausbildung und ihrer großen flächenmäßigen Erstreckung können die Berghöhensysteme, wie bereits berührt, n u r u n t e r einem von dem heutigen sehr abweichenden exogenen Kräftespiel entstanden sein. Unterhalb des D-Systems von 1800 m läßt sich bes. in den östlichen Teilen unseres Untersuchungsgebietes eines von 1700 m Mittellage (E-System) ausscheiden. Es ist zunächst in Form von kleineren, aber deutlich abgesetzten Vorflächen unter den Gipfelhöhen der Kuchalpe und der Kuhalpe entwickelt und in größerer Erstreckung an der Grebenze vertreten — hier jedoch zugleich mit den Grebenzenhöhen selbst nachträglich nach seiner Bildung und vor der E n t stehung des überall durchgehenden nächst tieferen Niveaus von 1600 m ( F System) über die allgemeine Niveaufläche besonders emporgehoben. In größerer Breite t r e f f e n wir es beiderseits des Murabschnitts zwischen Scheifling und Unzmarkt. Die regionale Begünstigung in der Ausbreitung dieses Niveaus m a g sich daraus erklären, daß schon ein vom Osten her, vom Judenburger Becken aus, rückschreitender Eintiefungszyklus noch den östlichen Teil unseres Gebietes betroffen hat, sich aber nicht gleich gut im entfernteren westlichen auswirken konnte. Zum ersten Mal wäre damit an diesem Niveau Flußarbeit zu erkennen;

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aber seine große Breite beiderseits des Murtalabschnittes zeigt, daß es ähnlich wie die Berghöhensysteme noch unter ganz anderen klimabedingten Vorzeitkräften gebildet wurde. Nach Verbreitung und Ausbildung stellt es ein Zwischenniveau dar. Noch stärker ändert sich der Charakter der darunter folgenden Systeme der nächsten Gruppe in 1600 m (F-System) und 1500 m Mittellage (G-System). Diese beiden Niveaus zeigen zwar immer noch ansehnliche Breite, sie sind aber im ganzen schon entlang den großen heutigen Talzügen angeordnet. Besondere Breitenausdehnung gewinnen sie nur in dem Winkel zwischen Murtal und Neumarkter Sattelregion. Hier krönen diese beiden Niveaus die Höhen vom Karchauer Eck — Blasener Kogel, ebenso überzieht das 1500 m-Niveau das Kreuzeck und weiter im Süden den Waldkogelzug. Doch auch hier sind diese Flächen in die Landschaft des 1800 m-Niveaus, z. T. des Niveaus von 1700 m, eingesenkt und stellen als ganzes die Reste alter, breiter Tiefenzonen dar. In dem ganzen höheren Westen aber, in den sich die beiden Systeme von 1600 und 1500 m lückenlos mit leicht ansteigendem Gefälle hineinverfolgen lassen, treten sie ohnedies ausschließlich an den Hängen der größeren Täler auf. Aber sie bilden auch hier noch vorwiegend Nebenrücken und Eckfluren, und immer fällt der große Abstand zwischen den rechts- und linksseitigen Resten auf, also die große Breite des daraus konstruierten alten Talbodens. Bei einer solchen Ausbildung können auch diese Niveaus nicht unter dem heutigen Kräftespiel eines humiden Klimas gebildet sein. Auch sie sind nicht nur gehobene Altformen, sondern auch unter anderen klimatischen Voraussetzungen gebildete Vorzeitformen, wenn sie auch in dieser Beziehung nicht so grundlegend verschieden sind wie die Berghöhensysteme der obersten Gruppe. Das Kräftespiel in der Bildungszeit dieser Niveaus rirnß dadurch gekennzeichnet gewesen sein, daß neben der noch immer flächenhaft wirkenden Abspülung auch größere Flüsse — wenn auch in geringerer Zahl — am Werke waren. So treffen wir es heute in gewissen semiariden Teilen, so z. B. in Teilen Inneranatoliens. Die Niveaus dieser Gruppe seien nach ihrer immer noch vorwaltenden Form Rückenniveaus genannt. Allenthalben liegen die unter dem Niveau von 1500 m Mittellage folgenden Flächensysteme in den Tälern selbst. Die Systeme von 1400 (H-System), 1300 (I) und 1200 m Mittellage (K) (im Westen höher, im östlichen Teil um über 100 m unter der Mittellage) sind indes zwischen den Nebentälern vielfach noch als längere Auslaufrücken und Eckfluren entwickelt. Wir bezeichnen sie darum als Eckflurenniveaus. Die Rekonstruktion der damaligen Talböden ergibt noch immer eine sehr beträchtliche Breite. Wenn ihre Ausbildung auch bereits durch ein in erster Linie flußbestimmtes morphologisches Kräftespiel zu erklären ist, mögen auch zu ihrer Entstehungszeit die klimatischen Bedingungen noch von den heutigen verschieden gewesen sein. Erst die zwei, bzw. drei tiefsten voreiszeitlichen Systeme (L-, M-, N-System) stellen die an die jüngsten Kerben der Talvertiefung gebundenen Terrassenreste und Leisten dar. Ihre Entstehungsart unterscheidet sich nicht mehr von der heute wirksamen Talbildung. In dieser Form und Breite können überall in unserem Bereich auch heute Talböden gebildet werden. Zur Zeit ihrer Bildung mußte ein dem heutigen weitgehend entsprechendes Klima geherrscht haben. Eiszeitliche Zuschärfung durch das Gletschernetz hat diese in engeren Eintiefungsfolgen gebildeten Niveaus stärker unterschnitten, so daß das darüber

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befindliche unterste Eckflurensystem wie eine Trogschulter wirkt. Aber das ist allein Ergebnis der schon von A n f a n g an verschiedenen Anlage der Talböden der beiden Gruppen. Auf die weiträumige Ausbildung der obersten Systeme der Berghöhen, aber auch auf die noch große Breite der Rückenniveaus ist der getragene Charakter der Landschaft zurückzuführen. Leicht wird einem die Vorstellung, daß einmal, unmittelbar nach der Ausbildung des Niveaus von 1800 m Mittellage, das ganze darunter befindliche Gelände noch nicht ausgeräumt war. In sanftem Stockwerkbau steigt darüber das Land empor. Bei einer solchen Rekonstruktion der Landschaft ergibt sich der Einblick in die durch das Wechselspiel zwischen endogener Krustenbewegung und den damals herrschenden exogenen K r ä f t e n gewordene Großformung unseres Raumes. Um mehrere beherrschende Höhenlandschaften ordnen sich die übrigen Berghöhensysteme. In dem Anteil unseres Gebietes an den Gurktaler Alpen stellt sich, von Osten, vom Neumarkter Sattel, kommend, als erste Höhenlandschaft dieser A r t die Prankerhöhe dar. Mit einer Höhe von 2169 m gehört sie dem zweithöchsten System (B) an und beherrscht als höchster Punkt den ganzen Raum zwischen der Flattnitz und dem N e u m a r k t e r Sattel. Eine meridional gestreckte Senkenregion liegt westlich davon und trennt den Bereich der Prankerhöhe von dem noch höher aufragenden Bergland um Winterthaler Nock (2401 m ) , Eisenhut (2441 m ) , Kilnprein (2410 m), das dem A-System angehörig, die höchsten Erhebungen unseres Gebietes t r ä g t , seinerseits aber nur den nordöstlichen Pfeiler einer großen, f a s t geschlossenen Region darstellt, die sich mit Gipfelhöhen über 2300 und 2400 m bis zum Rosennock (2434 m) erstreckt. — Im Tamsweg —• Seckauer Höhenzug stellt der Gstoder (2141 m) wieder eine ähnlich dominierende Höhenkuppel dar, und endlich dürfen wir den im höchsten Gipfel auf 2397 m ansteigenden Zug des Zirbitzkogels als die letzte, in diesem Falle lang von N nach S gestreckte, Erhebungsregion auffassen, Die größte Verbreitung hat das D-System mit 1800 m Mittellage. In dem nordöstlichen Abschnitt der Gurktaler Alpen nimmt es die Höhenregion der Grebenze (1870, 1896 m) ein, ist durch die Gipfel der Kuhalpe (1784 m ) , Kuchalpe (1770 m ) , Preining (1738 m) vertreten und westlich der Wöbering-Auenlinie in der Langalm und Fleischbank (1814 m) besonders schön und f l ä c h e n h a f t erhalten. Es t r i t t ebenso in Vorhöhen der Ackerlhöhe und Frauenalpe entgegen und umgibt das höher ragende Gebiet um die Prankerhöhe im S (Unterwänden 1828 m ) , im Westen und im Norden. Es hat den Charakter einer großen F u ß fläche gegenüber dem zugehörigen Zentralgebiet. Die von A. A i g n e r angenommene tektonische Bruch- oder Flexurlinie von Wöbering-Auen wird ohne jede Störung von. ihr überschritten. Und hier im Westen dieser Linie ist neben der schönen flächenmäßigen Ausbildung auch die Verzahnung mit den höheren Systemen bemerkenswert. — Eine gewisse Sonderstellung nimmt nur die Grebenze ein, deren Höhen um f a s t 100 m die Mittellage des Niveaus übert r e f f e n . Da die auch aus anderen Gründen naheliegende Heraushebung an einem an der Westseite des Rückens sich hinziehenden Bruch nach den neuesten geologischen Untersuchungen von A. T h u r n e r (gemäß einer freundlichen mündlichen und brieflichen Mitteilung) ausscheidet, läßt sich dies wohl am besten durch eine im ganzen bruchlose sekundäre Aufwölbung des Grebenzenzuges — nach Ausbildung des 1800 m- wie auch des 1700 m-Systems (vgl. oben S. 137), aber

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noch vor der Bildung des nächst tieferen, durchgehenden Niveaus von 1600 m erklären. Sehen wir von der sekundären und nachträglichen besonderen Aufwölbung der Grebenze ab, dann zeigt das Niveau im ganzen zugleich ein deutliches Ansteigen gegen das Höhengebiet der Prankerhöhe. Über dem System von 1800 m liegt in engerem Umkreis um die P r a n k e r höhe gelagert das Niveau von 2000 m Mittellage (C-System). E s ist durch die Frauenalpe (2064 m) und Ackerlhöhe (2044 m) im Nordosten, Lichtberg (1924 m) und Hirschstein (2018 m) im Süden, durch mehrere Vorhöhen im Westen und durch den Kreischberg (2050 m) im Norden vertreten. Auch dieses System zeigt ein Ansteigen gegen das Höhengebiet um die Prankerhöhe zu. Darüber r a g t endlich die oberste Höhenregion dieses Gebietes mit Schwarmbrunn (2122 m ) , Goldachnock (2125 m) und Prankerhöhe (2160 m) in das B-System a u f . Dieser ganze zwischen Paalgraben-Flattnitz im Westen und Neumarkter Sattel im Osten gelegene Raum bildet nach den dargelegten Zügen der Landf o r m u n g f ü r seine morphogenetische Deutung das vertraute Bild eines von stockwerkartig übereinanderliegenden Fußflächen umgebenen zentralen Berglandes. Es ist das klar erkenntliche Bild einer Piedmonttreppe. Das Höhengebiet mit der Prankerhöhe stellt das zentrale Bergland, die höchste Kuppel der Aufwölbung, dar, die gegen diese hin etwas aufgezogenen Flächensysteme von 2000 und 1800 m Mittellage die Piedmontflächen. Eine Aufwölbung des zentralen Berglands mit wachsender Phase, unterbrochen durch zwei länger dauernde Ruheperioden, in denen die beiden Piedmontflächen zur Ausbildung gelangten, ist der Vorgang, der diese Großformung des Raumes erklärt. Zwischen die Erhebungskuppel der Prankerhöhe und das westlich gelegene Zentrale Bergland von Winterthaler Nock-Eisenhut-Kilnprein schaltet sich eine nord-südgestreckte Senke ein. E s ist ein in der Erhebung zurückgebliebenes Gebiet. Das Niveau von 1800 m begleitet die Senke in schönen Flächen rechts und links. Von hier wie auch von einem gleichartigen Senkengebiet beiderseits der Turracher Höhe aus ordnen sich die höheren Systeme von 2000 und 2200 m Mittellage, in schönen Flächenstücken vertreten, um das Zentrale Bergland im Bereich des Eisenhut (2441 m ) . Eine dritte Erhebungskuppel stellt der Gstoder (2141 m) im TamswegSeckauer Höhenzug dar. Das System von 2000 m umgibt die höchste Erhebung, dann erstreckt sich weit nach Westen und Osten das 1800 m-Niveau. Auch nördlich der Seetaler Alpen ist dieses verbreitet, dann umgibt es gesimsartig den ganzen Höhenzug der Seetaler Alpen. Hier reihen sich darüber die Systeme von 2000 und 2200 m an und umgeben die N—S gestreckte Zone des Zentralen Berglandes von nahe an 2400 m. Der Zug des Zirbitzkogels ist weniger eine Erhebungskuppel als eine ausgesprochene längsgestreckte A u f wölbungszone. Aber auch sie ist mit wachsender Phase angestiegen. Zwei der Erhebungskuppeln: das Gebiet um den Eisenhut im Westen und der Zirbitzkogel im Osten steigen in das A-System auf und sind von den andern Berghöhensystemen (B, C, D) in der A r t einer Piedmonttreppe umgeben. Sie sind die ältesten Wölbungszentren. Ihnen gegenüber erscheinen die beiden andern zentralen Bergländer, das der Prankerhöhe und das des Gstoder als sekundäre Erhebungskuppeln, die weniger hoch — nur in das B-System — aufsteigen und nur noch von den beiden jüngeren Berghöhensystemen C und D umgeben sind.

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Die weiten alten Einmuldungen in der Flattnitzsenke, im Murtal und in der nördlichen Paralleltalung sondern sie ab. Die Großformung unseres Gebietes wurde durch A. A i g n e r mit der Annahme stärkerer Heraushebung einzelner Schollen erklärt. Verhältnismäßig schmale Säume von Brüchen oder Flexuren sollen diese voneinander trennen. Dagegen spricht, daß die Flächensysteme ohne jede Störung über die tektonischen Bruch- bzw. Flexurzonen A i g n e r s hinweggehen. Das gilt in unserem Raum namentlich von dem 1800 m-Niveau, das beiderseits der Linie WöberingAuen (zwischen Murtal unterhalb Murau und Metnitztal, ein Teil von A i g n e r s tektonischer Linie Ebene Reichenau—Murau 1922, S. 271) ohne Höhenunterschied — abgesehen von einem leichten Ansteigen gegen das Zentrale Bergland hin — ausgebildet ist. Auch die erwähnte Verzahnung der Flächensysteme entspricht vollkommen der Vorstellung von Piedmontflächen mit ihrem proximalen Wachstum und läßt sich mit ihrer unregelmäßigen, lappenförmigen Begrenzung schwer mit der Gliederung in Schollen verschiedener Erhebung vereinen. A i g n e r hat aber auch die Einschaltung des zweithöchsten Systems zwischen das oberste (2400 m Mittellage) und nächsttiefere (2000 m) nicht erkannt; dessen Bestehen macht die Parallelisierung der Flächen in seinem Sinne, vor allem die seiner Auffassung zugrunde liegende Annahme von der Altersgleichheit der obersten Systeme in den einzelnen Teilschollen des Gebietes unmöglich; es steht aber in vollem Einklang mit allen Zügen der hier vertretenen Annahme einzelner Aufwölbungskuppeln, bzw. -zonen mit wachsender Phase. Aber auch die andere Vorstellung einer von Ruheperioden unterbrochenen Erhebung des ganzen Gebietes en bloc vermag nicht, die auffälligen Züge seiner Landformung zu erklären. Wie schon A i g n e r richtig erkannt hat, bleibt es dabei völlig ungelöst, wieso einerseits einige Teilgebiete ohne petrographische Begünstigung als verhältnismäßig hochragende Höhenlandschaften erhalten blieben, während andrerseits weite Räume schließlich bis zum heutigen System von 1800 m abgetragen wurden. Die Auffassung der Berghöhensysteme von 1800 m, 2000 m, bzw. auch 2200 m Mittellage als Piedmontflächen, die sich um einzelne Erhebungszentren, Zentrale Bergländer, von 2200, bzw. 2400 m Höhe gruppieren, kann allein die Großformung unseres Raumes erklären. Das Bestehen einzelner Höhenlandschaften neben weiten Flächen alter Abtragung, die Verzahnung der Flächensysteme miteinander und ihre unregelmäßige Begrenzung, ihr leichtes, aber doch deutlich wahrnehmbares Ansteigen gegen die Zentralen Bergländer hin wird damit verständlich. Diese Auffassung bietet aber zugleich jene Erleichterung der Vorstellung von dem Ausmaß der Abtragung, die allgemein einen Vorzug der Lehre von den Piedmonttreppen für gleichgeartete Räume darstellt. Bei der Annahme einer en bloc-Hebung des Gesamtgebietes muß — unter sonst gleichen Voraussetzungen — in der ersten Ruheperiode ein überaus weiter Ausraum erfolgen, eben der ganze Raum von den Rändern des Hebungsgebietes bis zu dem verhältnismäßig kleinen Rest des Höhengebietes im Zentralen Bergland. In den folgenden Ruheperioden ist der Ausraum jeweils viel geringer, weil ein viel breiterer Sockel erhalten bleibt. Viel gleichmäßiger ist dagegen das Größenmaß der Abtragung in den einzelnen Ausräumungszeiten bei der Annahme einer Piedmonttreppe; bei einer solchen entfernen sich die einzelnen Piedmontflächen

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weniger weit, und alle in annähernd der gleichen Größenordnung von der gedachten tektonischen Ausgangsform, die eine von den Rändern der Wölbungszone gegen das Zentrum hin ansteigende Aufwölbungsfläche ist. Mit der Ausbildung der Berghöhensysteme sind die endogenen Bewegungen der Erhebung des Gebirges nicht abgeschlossen. Allein schon ihre heutige Höhenlage verrät das Größenmaß der seitherigen Erhebung, da doch alle weiträumigen Abtragungsflächen ursprünglich nur in sehr geringer Höhe über der allgemeinen Erosionsbasis entstanden sein konnten. Die Höherschaltung unseres Raumes setzt sich also fort, aber gewinnt einen anderen Charakter. Auch jetzt können wir nicht von einer allgemeinen en bloc-Hebung sprechen. In der O—-W und N—S Richtung gestreckte Zonen bleiben hinter der allgemeinen Erhebung etwas zurück. Hierher gehört die relative Einmuldung beiderseits des heutigen Murtals und fast senkrecht darauf stehend, die Zone des Neumarkter Sattels. Die „Rückensysteme" von 1600 ( F ) und 1500 m (G) Mittellage, z. T. auch das Niveau von 1700 m ( E ) , sind in diesen Bereichen flächenmäßig entwickelt. Namentlich gegen den Neumarkter Sattel hin ist eine deutliche Einbiegung bis zum 1500 m-Niveau sehr gut zu erkennen. Dessen Reste liegen hier 50 bis 100 m tiefer als die dem gleichen System zugehörigen im Westen und Osten der Paßzone. Die richtige Parallelisierung wird aber durch die Stellung der Niveaus im Rahmen des gesamten Stockwerkbaus gewährleistet. Erst nach der langen Ruheperiode, in der das besonders schön ausgebildete G-System von 1500 m Mittellage als breite Abtragungsfläche ausgebildet wurde, nimmt die Hebung des Gebiets mehr und mehr den Charakter einer allgemeinen Höherschaltung en bloc an. Es scheint der ganze Gebirgskörper starrer geworden zu sein. Nur in der Neumarkter Paßlandschaft ist auch jetzt noch eine leichte Senkungstendenz an der tieferen Lage und dem geringeren Höhenabstand der Niveaus zu erkennnen. So werden nun in den großen Talzonen und Nebentälern die tieferen Niveaus in Ruheperioden der Hebung ausgearbeitet. Es entstehen noch vor der Eiszeit die Eckflurensysteme von 1400, 1300, 1200; sodann die tiefsten Niveaus bis unter 900 m Höhenlage (850—885 m bei Judenburg als tiefstgelegene voreiszeitliche Terrassen). J a auch eine Zerschneidung dieser untersten Niveaus durch eine letzte voreiszeitliche Erosionsperiode ist anzunehmen. Deutlich ist bei der Ausbildung der unteren Niveaus von 1400 m an die Wirkung der von den nördlichen Ausläufern des Klagenfurter Beckens und vom Judenburger Becken aus rückschreitenden Erosion zu erkennen. Anordnung und Verbreitung der einzelnen Systeme gestatten die Erkenntnis der Art der tektonischen Bewegungen, die die Erhebung unseres Berglandes in die heutige Höhenlage brachten. Piedmonttreppenkuppeln wölbten sich auf, und brachten die Ausbildung der obersten Systeme bis 1800 m. Dann folgte die Erhebung des ganzen Raumes, zunächst noch durch in die Länge gestreckte Einmuldungszonen gekennzeichnet. Jeweils in Ruheperioden der Wölbung, beziehungsweise Hebung sind die Flächenniveaus ausgearbeitet worden. Die Formengebung der einzelnen Systeme zeigt aber auch Unterschiede im exogenen Kräftespiel ihrer Bildungszeit. Erst von dem System von 1400 m Mittellage an herrscht ein vor allem flußbestimmtes Arbeiten der exogenen Kräfte, erst die alleruntersten voreiszeitlichen Niveaus sind voll und ganz mit einem dem heutigen gleichenden Kräftespiel zu erklären. Auffällig andersartig sind die Rücken- und Berghöhensysteme wie auch das dazwischen befindliche Niveau von 1700 m ausgebildet.

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Alle Systeme von 1500 m aufwärts zeichnen sich durch ihre große flächenmäßige Erstreckung aus. Recht unvermittelt setzt dann jeweils das Steilgehänge an, das zu dem nächsthöheren Flächensystem hinanführt. Auch auf den Flächen selbst steigen nicht selten Reststücke höheren Geländes recht vereinzelt und wieder in unvermitteltem Übergang auf. Alle diese Eigenarten weisen darauf hin, daß die Abtragungsvorgänge, die in den Ruheperioden der Erhebung des Gebietes, — während der Unterbrechungen der piedmonttreppenartigen Aufwölbung und später der mehr blockartigen Heraushebung des Gebietes als ganzen — zur Ausbildung der einzelnen Systeme geführt haben, sich von dem heute wirksamen exogenen Kräftespiel unterschieden. Unter der Herrschaft eines andersartigen Klimas trat die Flußarbeit zurück. Die weit gedehnten Abtragungsflächen sind Pedimenten zu vergleichen, wie sie sich unter einem semiariden Klima heute noch weiterbilden. Flächenmäßige Abspülung durch Schichtfluten vermag diese Form zu schaffen. Und unter dem gleichen Klima bilden sich durch Zersetzung der am Fuß höheransteigenden Geländes angereicherten Lockermassen die unvermittelten Anstiege zur höheren Fläche. Auch die Anzeichen von Inselberglandschaften sprechen für eine derartige Erklärung. Die hochgelegenen Flächensysteme unseres Raumes sind nicht allein durch spätere endogene Erhebungsperioden außer Aktion gesetzte Altformen der Landschaft, sie sind auch Vorzeitformen, gebildet unter der Herrschaft eines anderen, eines wechselfeuchten und wärmeren Klimas. Wenn wir im Anschluß an A i g n e r und S o l c h (s. o. S. 135 und 136) auf Grund des Verhältnisses zu den Ablagerungen im Knittelfelder Becken für die ältesten Flächensysteme am ehesten wohl ein untermiozänes Alter annehmen können, so ergibt sich nun auch aus der erkannten Eigenart des klimabedingten Kräftespiels der Bildungszeit eine Möglichkeit der Datierung. Von verschiedenen Voraussetzungen her kommen 0 . J e s s e n (1938) und J . B ü d e l (1938) zu der Erkenntnis, daß im mitteleuropäischen Raum die Zeit vom Oberoligozän bis zum Unterpliozän durch ein wechselfeuchtes Klima ausgezeichnet war. Dieses konnte mit seiner Flächenspülung und starken Verwitterung namentlich am Fuß ansteigender Stufen die weiten Rumpfflächen schaffen, die vor allem unsere Berghöhensysteme kennzeichnen. Auch die große Breite der Rückensysteme (1600, 1500 m) wird erklärt, wenn solche klimatischen Voraussetzungen wirksam waren. Dagegen entspricht nach J e s s e n und B ü d e l das Klima im Oberpliozän bereits dem heutigen, aber schon mit dem Beginn des Pliozäns zeigt die einsetzende RendzinaVerwitterung nach F. B i r z e r (1939) eine erhebliche Abkühlung und damit Annäherung an die Bedingungen des Oberpliozäns. Angewandt auf unsere Flächensysteme ergeben sich daraus folgende Schlüsse: Sicher erst im Oberpliozän wurden die Systeme der tiefsten Gruppe (N, M, L) gebildet. Sie zeigen in allen Zügen dem heutigen Kräftespiel entsprechende Formen, sowie umgekehrt das Klima des Oberpliozäns dem heutigen glich. Die Eckflurensysteme (K, I, H; 1200—1400 m Mittellage) weisen in ihrer Übergangsstellung mit flußbestimmter Anlage, aber doch noch auffälliger Talbreite in die klimatische Übergangszeit des Unterpliozäns hin. Die Bildung der Rückensysteme von 1500 m (G) und 1600 m ( F ) , des Zwischenniveaus von 1700 m (E) und der Berghöhensysteme (D—A) von 1800—2400 m aber fällt in das Miozän. In dieser Zeit waren die nötigen Bildungsbedingungen im wechselfeuchten Klima gegeben, ebenso wie die Korrelation mit den Ablagerungen im Knittelfelder Becken für eine solche Altersbestimmung spricht.

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Hans Spreitzer. Die Großformung im oberen steirischen Murgebiet. Literatur:

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Tafel XI

Die Transporterleichterung. Ein Beitrag zur Theorie der Erosion 1 ). Von Gustav Stratil-Sauer. Mit 3 Diagrammen. Zur Klärung der Frage der Erosion habe ich in Arbeitsgemeinschaft mit Leipziger Studenten im Erzgebirge und in den Sudeten Vermessungen von Längs- und zahlreichen Querprofilen einiger Plußläufe durchgeführt. Da leider das meiste Material verbrannt ist, konnte nur ein geringer Teil dieser Arbeiten veröffentlicht werden (35). Auch in der Wüste Lut und ihren Randgebieten konnte ich einige Vermessungen vornehmen, für die sich besonders die Abflußrinnen auf Schuttfächern eigneten, da sich ihre Oberfläche gewöhnlich ohne Störung allmählich abdacht und da die den Schuttfächer aufbauenden Fanglomerate, — abgesehen von der im allgemeinen abwärts kleiner werdenden Korngröße der Einzelbestandteile, — ein mehr oder minder einheitliches Gestein repräsentieren. Wohl lassen die Erosionsrinnen der Schuttfächer nicht wie die Versuchsgerinne die Vorgänge der Erosion und des Transportes, sondern nur deren Auswirkungen erkennen; doch weisen sie zum Unterschied von den Versuchsgerinnen die natürlichen Verhältnisse und die Gefällsentwicklung auf, die selbst die größten Flußlaboratorien nicht wiedergeben können. Die Erosionsrinnen auf den Schuttfächern zeigen gewöhnlich eine sich nach unten hin vergrößernde Breite, besonders wenn sich verschiedene kleinere zu einer Sammelrinne vereinigen. Wie jüngst auch P e e l (22) in der Libyschen und B o e s c h (2) in der Syrischen Wüste (und zwar auch bei Wadis) beobachtet haben, bleibt bei manchen Abflußrinnen die Breite gleich. Bisweilen jedoch verjüngt sich sogar ihr Querschnitt von einem bestimmten Punkte an stromabwärts. Diese Tatsache geht auch aus den Karten von D o u g l a s (4) und J o h n s o n (15) hervor, die Abflußrinnen aus den ariden Gebieten der USA wiedergeben. Bei diesen sich flußabwärts verjüngenden Rinnen drängt sich dem Beobachter als erstes das T r a n s p o r t p r o b l e m auf. Aus den alten Erosionsfurchen des Schuttfächers, die ihre Entwicklungsgeschichte hinter sich haben, läßt sich die Menge des durchgeschleusten Materials nicht mehr ermitteln, weil die dem Maximalhochwasser folgenden Aufschotterungen neue Formen über den verschütteten alten gestaltet haben. Bekanntlich verlassen jedoch die aus dem Gebirge abströmenden Wassermassen am Beginn des Schuttfächers öfter ihr Bett und schaffen sich einen neuen Abfluß, wie auch die obengenannten !) In knappster Form konnte ich im Dezember 1949 in der Geographischen Gesellschaft in Wien über die Ergebnisse meiner Forschungen zur Erosion berichten. Ich gedenke, da es z. Z. nicht möglich ist, eine größere Abhandlung zu veröffentlichen, einzelne Fragen aus dieser Materie herauszugreifen und sie in äich geschlossen zu publizieren. Dies ist der dritte Beitrag. (Siehe 38 und 39). Festschrift Johann Solch.

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Amerikaner D o u g l a s und J o h n s o n zu berichten wissen. Nach einer Hochwasserkatastrophe, die an anderer Stelle beschrieben wurde (37), hat sich so auch die von uns vermessene Rinne am F u ß h a n g des Kuh-e-hezar neu gebildet. Offenbar vollzog sich der Vorgang so, daß der aus dem Gebirge stürzende Hochwasserkopf am Beginn des Schuttfächers in eine andere Richtung g e d r ä n g t wurde, um in neu geschaffener Abflußrinne, 2300 m vom Gebirgsrande entfernt, bei abnehmender Eintiefung die Maximalbreite zu erreichen. Hier u f e r t e das Wasser aus und zerschlug sich als Schichtflut über die Oberfläche oder als Verästelung in kleineren Rinnen. Der H a u p t a s t jedoch grub sein Bett in gleicher Richtung weiter, bis er sich, 6000 m vom Gebirgsrand entfernt, erneut zerschlug. Der Gefällswinkel nahm stromab zwar unregelmäßig, aber im ganzen stetig ab (siehe Darstellung in 36); auch die Wassermasse verringerte sich im wesentlichen durch Schwund. Hier ist es möglich, wenigstens einen Teil der vom Wasser beförderten Last, nämlich den A b r a u m , d. i. das Volumen der geschaffenen Hohlform, zu erfassen. Der Gesamtbetrag der Transportleistung setzt sich zusammen aus einer vom Gebirge kommenden unbekannten Größe x zusätzlich der aus der Form selbst zu ermittelnden Menge (siehe Skizze 1). Die erste Strecke (Teil I) endet bei der oberen Ausuferung (2300 m ) . Die zweite (Teil I I ) , die wir wegen der verästelten Zerschlagung erst bei 3000 m beginnen und bei 6000 m enden lassen, setzt sich aus einer geringeren unbekannten Größe y und dem Abraum der Form auf dieser Strecke zusammen. Die unbekannten Größen x und y mußten aber genau wie der bewegte Abraum durch die entsprechenden Teile der Rinnen hindurchgeschleust werden. Nach unseren Vermessungen betrug das Volumen (Vo) der neugeschaffenen Erosionsrinne, bzw. das durchgeschleuste Material auf Teil I : Transportleistung 0—1000 m 1000—2000 m 2000—2300 m insgesamt: 205 000 m» 84 500 m 3 22 400 m 3 312 700 m 3 + x und auf Teil I I : Transportleistung 3000—4000 m 4000—5000 m 5000—6000 m insgesamt: 35 400 m 3 22 700 m 3 13 900 m 3 72 000 m 3 + y. Da das r e l a t i v e Verhalten des bewegten Abraumes durch die Größen x und y nicht gestört wird, veraugenscheinlicht Skizze 1 den Zusammenhang zwischen der Zunahme der bewegten Last und der neugeschaffenen F o r m im Querschnitt. Dabei zeigt sich, daß die Menge der bewegten Last zur Größe des Querprofils, bei Teil II auch zur Breite, im umgekehrten Verhältnis steht, obwohl man eher das Gegenteil h ä t t e erwarten dürfen. Welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Darstellung? 1. Bezeichnen wir in einem Flußbett mit E r o s i o n das I n b e w e g u n g setzen einer s c h w e r e r e n festen M a t e r i e durch das ström e n d e W a s s e r und mit K o r r a s i o n das einer r u h e n d e n festen d u r c h e i n e b e w e g t e f e s t e M a t e r i e , so muß die Erosion (und nicht die im Transport bewegte Last) die Hauptarbeit bei der Ausgestaltung des Laufes und seiner Form leisten, — wodurch natürlich die wesentliche Mitarbeit der Korrasion keineswegs negiert sein soll, — weil j a sonst die Reihe des Flächeninhaltes ( F j der Querprofile bei zunehmender Last umgekehrt ver-

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Skizze 1.

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laufen müßte. Dieser Hinweis erscheint angebracht, da man o f t liest, daß im wesentlichen der Gerölltransport und nicht unmittelbar das fließende Wasser die Formen des Flußbettes gestalte. 2. Die Abschnitte I und II der Rinne unterscheiden sich jedoch grundsätzlich voneinander. Während bei I die Breitenentwicklung dauernd zunimmt, der Talboden mehr eben und der H a n g mehr steil ist, charakterisiert sich II durch abnehmende Breite, zunehmend zerschnittenen Talboden und verflachte Hänge. Da diese Entwicklung annähernd konform mit der Summierungskurve des Abraumes verläuft, indem bei I ein steiler und bei II ein gemäßigter Anstieg zu verzeichnen ist, h a t die Annahme viel f ü r sich, daß sich diese Abwandlung der Formen durch den Transport der Gerolle und durch einen mehr oder minder großen Anteil der von den transportierten Gerollen bedingten Korrasion erklärt (siehe dazu aber S. 163). 3. An den Zerschlagungsstellen unserer Rinne ist die Erosion offensichtlich nicht mehr in der Lage, ein Bett zu schaffen, das auch nur die verringerte Wassermasse fassen könnte. So kommt es zur Ausuferung. Dies ist aber nicht die Regel, denn die meisten Rinnen durchstoßen die Schuttfächer und zerschlagen sich dann meist am Übergang in ein ebeneres Gelände. 4. Zur Untersuchung der Erosionsfrage eignen sich Rinnen der gezeigten Form besonders, weil sie keine Erosionsbasis kennen und ihr Längsprofil rein nach den Gegebenheiten der W a s s e r f ü h r u n g und deren Auswirkungen gestalten. Die Zerschlagungsstelle liegt bei starker W a s s e r f ü h r u n g tiefer und bei schwacher höher auf dem Schuttfächer. Das Gefälle bildet sich daher unbeeinflußt von allen Störungen aus, die sonst, aus der Neigung des Geländes erwachsend, das Längsprofil der Flüsse mitbestimmen. 5. Daß aber eine sich verringernde Wassermasse überhaupt bei abnehmendem Gefällswinkel eine wachsende Last durch die sich verengenden Querschnitte zu befördern vermag, legt davon Zeugnis ab, welch hervorragende Transportmechanik im Fluß ausgebildet sein muß, um z u n e h m e n d e Lasten bei a b n e h m e n d e r Energie transportieren zu können. Hierin liegt das zu behandelnde Problem. Auf Seite 162 dieser Arbeit wird eine Transportformel abgeleitet, welche es zu lösen versucht. Der Vorgang der T r a n s p o r t e r l e i c h t e r u n g spielt darin eine große Rolle. Wir verstehen darunter die Erscheinung, daß durch die V e r f r a c h t u n g Vorgänge ausgelöst werden, die die Gerölle immer t r a n s p o r tabler machen, das heißt, daß zu ihrer Beförderung immer weniger K r a f t beansprucht wird. Die Transporterleichterung setzt sich zusammen aus dem Abrieb, dem Schwebtransport, der Reibungsverringerung und dem Geröllaustausch. a ) Der Abrieb. Besonders S c h o c k l i t s c h (28), D ü 11 (5) und S c h l e i e r m a c h e r (27) haben in letzter Zeit durch Versuche und Beobachtungen genau festgestellt, wie die Gerölle beim Transport immer kleiner werden. Sie wahren dabei eine ähnliche Form, wenn sie nicht überhaupt ganz zerbrechen, w a s b e i starken W a s s e r s t r ö m u n g e n häufig geschieht. Hierbei spielt die Textur eine bedeutende Rolle, indem ein Gestein mit Parallelstruktur flache und eines mit anderer Struktur runde Gerölle bildet. Das Ausmaß des Abriebes h ä n g t von der zurückgelegten Wegstrecke, der Wandergeschwindigkeit sowie von der Wider-

Die Transporterleichterung.

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standsfähigkeit und dem spezifischen Gewicht des bewegten Gesteins ab, sofern nicht auch die Lösungskraft des Wassers unmittelbar eingreift. Es versteht sich, daß der allgemeine normale Aufbereitungsprozeß mit chemischer und mechanischer Verwitterung an jenen Sedimenten, die provisorisch auf zeitweise wasserfreien Bänken ruhen, gleichfalls bei der Verkleinerung der Gerölle mitwirkt. Diese im allgemeinen bekannten Erscheinungen beeinflussen die Transporterleichterung insofern, als das Geröll dadurch immer leichter beförderbar wird, da es f ü r den Abtransport eine immer geringere Bodengeschwindigkeit des Wassers braucht. Folgen wir der Zusammenstellung H j u l s t r ö m s (12), so benötigt die Fortbewegung eines Gerölls von 30 mm Durchmesser eine Bodengeschwindigkeit des Wassers von ca. 150 cm/sek., aber die bei einer Verkleinerung um die Hälfte nur eine solche von ca. 100 cm/sek. Der abgeriebene Geröllstaub wird vom Wasser schnell und leicht als Schweb wegtransportiert. b) Der Schwebtransport. Die bewegte Last wird im Flußbett bekanntlich in drei verschiedenen Horizonten befördert. Der unterste bewegt die Gerölle mehr rollend als schiebend, der mittlere f ü h r t das leichtere Material in Abhängigkeit von der Turbulenz des Wassers in verschieden großen parabelartigen Sprüngen, und der oberste befördert die Feinbestandteile als Schweb mit der Geschwindigkeit des Wassers, gleichsam als Eilfracht. Das Verhältnis der drei Horizonte hinsichtlich F a s s u n g s k r a f t und Transportgeschwindigkeit ist grundverschieden; doch hängt von ihm die Menge der beförderten Last ab. Wir können hier nicht auf die Transportvorgänge der beiden unteren Horizonte speziell eingehen, da uns nur der Vorgang der E r leichterung zu beschäftigen hat; doch müssen wir darauf hinweisen, daß bei sonst g l e i c h e n Bedingungen die Fassungskraft und Wassergeschwindigkeit in einem festen Verhältnis zueinander stehen. Folgen wir dem Hopkin'schen Satz, so ergibt sich bei der Geschwindigkeit einer gegebenen Wassermasse von 2 v ein Transport von 64 Einheiten Geröll, bei der Hälfte dieser Geschwindigkeit, also v, jedoch nur der 64. Teil des Transports, also bloß von einer Einheit Geröll g l e i c h e r Größe. Da dies nie eintreten kann, hat dieser Satz nur theoretische Bedeutung. O w e n s (21) hat später durch seine Formel d = 0,0011 vu(d ist der Durchmesser der Gerölle in cm und vu die Bodengeschwindigkeit des Wassers in cm/sek.) ein ähnliches Verhältnis f ü r das Einzelgeröll festgelegt. Bei Quarzsanden von einem Durchmesser von 0,02—0,5 mm gilt nach G i l b e r t (8) die Formel d 2 = vm (wobei vm die mittlere Geschwindigkeit in Feet-sec. ist); bei noch kleineren' Bestandteilen sind die Veränderungen stärker, bei größeren hingegen schwächer. M a v i s (20 a) gibt eben eine neue Formel bekannt: VB = - i d ~ (s — 1) % wobei VB die Bodengeschwindigkeit des Wassers in Feet-sec., d der Durchmesser des Gerölls in Millimeter bis hinab zur Größe 0,2 mm und s das spezifische Gewicht des Gerölls bedeutet. Alle diese Formeln lassen einen Zusammenhang zwischen der Größe der bewegten Gerölle und der Wassergeschwindigkeit erkennen, wenn auch dieser, Zusammenhang nicht einheitlich ist, weil die Bedingungen (Temperatur des

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Wassers und seine Strömungslinien bei Turbulenz, Form des Gerölls und der umgebenden Gerölle, Reibung usw.) verschieden sind und kleine Bestandteile anderen Gesetzen unterliegen als größere. Solch ein Zusammenhang zwischen Korngröße, bzw. -Zusammensetzung des Schwebs und der Wassergeschwindigkeit, daß an derselben Stelle, bei hohem Wasserstand gröbere und bei niederem feinere Bestandteile vorherrschen, besteht jedoch n u r in ganz großen Zügen, wie auch S t i n i (34) in der Mur bestätigt fand. Deutlich wird das belegt durch die umfassenden und detaillierten Beobachtungen des USA Geological Survey aus dem Boiseriver-Gebiet (19). Es können Flüsse bei gleicher Abflußmenge durchaus verschieden zusammengesetzten Schweb f ü h r e n ; denn dessen Bildung beruht jeweils auf verschiedenen Voraussetzungen. E s zeigen sich aber auch an gleicher Stelle bei recht ähnlicher Wassergeschwindigkeit beachtliche Unterschiede, wie etwa aus einer Analyse der Station am Boiseriver bei Notus am 5., bzw. 21. April 1940 um 16, bzw. 18 Uhr bei einem Abfluß von 4,480 bei steigendem, bzw. 4,860 Feet-sec., bei u n g e f ä h r gleichbleibendem Wasserstand hervorgeht (19). (Die Breite des Flusses in Metern ist nicht angeführt.) G r ö ß e n a n a l y s e der S c h w e b b e s t a n d t e i l e und ihre prozent u e l l e V e r t e i l u n g im B o i s e r i v e r an zwei T a g e n bei ungefähr gleichem Abfluß. 0 - 0 2 - 0*05— 0 0 7 4 - 0-149- 0-250- Größe < 0*005 0-005- 0-05 0074 0149 0250 0-5 in mm 0-02 1. Viertel der Flußbr. „ 3. Viertel „

> 1—1 2. Viertel „ o

15-0 17-9 17-8

29-3

21-2

5-3

12-4

7-5

9"3

23-3 2-4-6

18-4 176

2-3 4-4

16-3 13-9

9-8

12-0 13-7

5-9 2-5

0-4

6-7

9-2

15-3

8-8

10

5-5

79-3 42-1 629

1. Viertel 2. Viertel

,, „

,, „

220

29 8-9

(M 3. Viertel





10-5

11-3

> h-1

4-8

8-0



•d o N

B

et-



Aus dieser Aufstellung läßt sich entnehmen, daß einmal bei kleiner Abflußmenge und damit geringer Geschwindigkeit am 5. IV. gröbere Bestandteile im Schweb befördert werden als bei größerer und daß zum andern auch im gleichen Querprofil zur gleichen Zeit beachtliche Unterschiede a u f t r e t e n , obwohl es sich um „integrated samples", d. i. Durchschnittswerte aus verschiedenen, f a s t gleichzeitig entnommenen Proben in verschiedenen Tiefen handelt. Auch zeigen die Untersuchungen im Boiseriver-Gebiet deutlich, daß sogar in der vertikalen Verteilung des Schwebgehalts die erwarteten Verhältnisse, nach denen die Konzentration des Gehaltes nach unten zunehmen müßte, nicht immer a u f treten. So ergibt z. B. eine der vielen ähnlichen Messungen im New-York-Kanal am 9. I I 1940 um 9.30 U h r :

Die Transporterleichterung.

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Wassergeschwindigkeit und Schwebkonzentration v e r s c h i e d e n e n T i e f e n d e s N e w - Y o r k - K a n a 1 s: Teil der Flußbreite:

Tiefe in cm: 6 42 70

1. Viertel

85 Mitte

6 42 70 85

S. Viertel

6 42 70 85

Wassergeschwindigkeit in cm/sek.: 97 101

in

Schwebkonzentration: 219 226

89 71 98 104 88

248 245 250 247 245

71.5

243

95 95.5 84.5 60

279 248 229

247

(Als Schwebkonzentration wird das Verhältnis des Schwebgewichtes zu dem Wassergewicht in millionstel Teilen bezeichnet). In ganz großen Zügen folgt nach den gleichen Quellen die gesamte Schweblast eines Querprofils wohl der Wassergeschwindigkeit; doch wird diese F a u s t regel von zahlreichen Ausnahmen ohne erkennbare Zusammenhänge durchbrochen. Im Grouse Creek bei Arrow Rock z. B. betrug am 25., 26., 27. und 28. März 1939 der durchschnittliche Abfluß 122, 104, 95 und 86 cm/sek. und der transportierte Schweb 1570, 1850, 3952 und 1470 Tonnen. Im ganzen jedoch läßt sich nach den f a s t 8000 Messungen feststellen, daß bei Ansteigen • des Wassers die beförderte Schweblast schnell anwächst, um dann abzufallen, wenn der Abfluß annähernd gleichbleibt oder sogar etwas zunimmt. So wurden im Elk Creek bei Idaho, um ein Beispiel aus vielen herauszugreifen, folgende Messungen gemacht: 8. 187 16

9. 232 398

10. 238 36

11. Juni 1939 266 cm/sek. Abfluß 13 to transportierter Schweb.

Ähnliches berichten auch S t i n i (34), H j u l s t r ö m (11), L i v e s a y (18) u. a. Diese Erscheinung erklärt sich daraus, daß sich der Schweb j a nur teilweise aus dem Abrieb der Gerolle oder dem Abschliff und teilweise — zu Zeiten sogar zum weitaus größeren Teil — aus der Trübe zusammensetzt, die das Regenwasser durch Abspülung dem Fluß zubringt. Da dieser Staub der U f e r zu Beginn des Regens und besonders nach längerer Trockenheit reichlich vorhanden ist, wird der Fluß während des Ansteigens ausgiebig mit Schwebmaterial versorgt. Bleibt der Wasserspiegel dann längere Zeit auf gleicher Höhe, so ist bereits weniger geeignetes Material vorhanden, und es wird daher eine geringere Schweblast befördert. Zum dritten beinhaltet der Schweb noch Material, das unmittelbar durch die Erosion des Wassers aus dem Flußbett gewonnen wurde. Viele der kleinen Bestandteile, die bei Normalwasser, durch besondere Umstände

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in Walzen der Strömung, sedimentiert wurden, wirbeln nun bei Ansteigen des Wasserspiegels und bei anderem Verlauf der Strömungslinien als Schweb empor. Aber auch diesen Nährboden für Schweblast findet der Fluß bei gleichbleibendem Hochwasserstand abgeerntet. Bei den anderen oben aufgezeigten Tatsachen, die unseren Erwartungen widersprachen, ist wohl die Regellosigkeit zu erklären, aber nicht der Einzelfall zu motivieren; denn eine Grenze der Tragfähigkeit ist für die Feinbestandteile im bewegten Wasser nicht vorhanden, wie auch H j u l s t r ö m (11) sagt. Jeder Fluß kann unbegrenzt Schweb aufnehmen und ist deshalb eigentlich immer daran untersättigt. So handelt es sich hier nicht um eine Frage der Tragfähigkeit, sondern der Materialbeschaffung. Die heterogene Schwebkonzentration wird durch die Turbulenz des Wassers und die nicht limitierte Speicherfähigkeit bewirkt. Wenn die Turbulenz stark ist und reichlicher Schwebgehalt das Wasser „zäh" macht, verlangsamt sich die Vertikalströmung, die nach H j u l s t r ö m (12) dem Vorgang des Luftmassenaustausches vergleichbar ist; doch ruft sie bei starker Verschiedenheit auch wieder solche Strömungen hervor. Das schwerere Wasser mit reichem Schwebgehalt sinkt unter das leichtere, wie sich vielerorts beobachten läßt, - - besonders schön am Genfer See als „la bataillere" und am Bodensee als „Brech". H j u l s t r ö m (12) und G l a n g e a u d (9) weisen jedoch darauf hin, daß durch eine stärkere Schwebkonzentration die Turbulenz besonders am Boden erschwert wird. Sie wird durch die sich vergrößernde P r a n d 11 sehe Grenzschicht (25) von der bodennahen Schicht abgeschirmt, so daß im schwebführenden Wasser die intensivste Turbulenz, wie uns F r o l o w (7) von Syrien, G l a n g e a u d (9) von der Gironne und H j u l s t r ö m (12) von seinem Stockholmer Versuchskanal bestätigen, zu beiden Seiten etwas schräg unterhalb der größten Abflußgeschwindigkeit anzutreffen ist. Die erwähnten Messungen im New-York-Kanal bestätigen diese Beobachtungen freilich nur in vereinzelten Fällen. So ergibt sich hinsichtlich der S c h w e b k o n z e n t r a t i o n , daß sie sich wohl in der Vertikalen des Querprofils nach unten zu steigert; doch sind auch Umkehrungen anzutreffen. Hinsichtlich der K o r n z u s a m m e n s e t z u n g herrschen wohl bei stärkerer Wasserführung und vornehmlich im Stadium des Ansteigens gröbere Bestandteile im Schweb vor; doch sind auch hier Ausnahmen möglich. Hinsichtlich der G e s a m t l a s t des Schwebs ist ein Zusammenhang zwischen Wassergeschwindigkeit und Quantität nur in ganz großen Zügen gegeben. Fast regelmäßig erscheint diese Parallelität bei Ansteigen des Wasserspiegels. A. P e n c k (23) hat verschiedentlich hervorgehoben, welche Bedeutung die Temperatur des Wassers für den Schwebtransport hat und in welchem Maße ihr Absinken ihn erleichtert. H j u l s t r ö m s Messungen (11) haben diese Hinweise mehrfach bestätigt. L i e b s (17), C a s e y (3) und H o P a n g - Y o u (13) jedoch haben jüngst in eingehenden Versuchen das Gegenteil festgestellt und es mit Nachlassen der kinematischen Zähigkeit des Wassers bei zunehmender Wärme begründet. Auch die Messungen im B o i s e r i v e r zeigen im großen ganzen im Sommer eine stärkere Schwebabfuhr als unter ähnlichen Bedingungen im Winter. Abgesehen von der seegeklärten Traun, geht das auch aus den Schwebstoffaufnahmen einiger österreichischer Flüsse (14) hervor. Daß vereinzelte Ausnahmen auftreten, darf nach dem Gesagten nicht überraschen.

Die Transporterleichterung.

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Einheitlich wird jedoch darauf hingewiesen, daß das Wasser in Abhängigkeit vom Schwebgehalt zäher und damit langsamerfließend wird. So hat z. B. M o ug i n (zit. nach 28) im Wildbach Morell bei niederem klaren Wasser eine höhere Oberflächengeschwindigkeit festgestellt als bei höherem schwebführenden, und nach den Laboratoriumsversuchen von S c h o c k l i t s c h (28) fließt klares Wasser um 44% rascher als solches mit einem Schwebgehalt von 41 g je Liter. G i l b e r t (8) erklärt diese Geschwindigkeitsverminderung damit, daß jedes Partikelchen von einer Wassersphäre umgeben ist, die den allgemeinen Fließbewegungen Widerstand leistet. Wenn der dritte Horizont auch fast unbegrenzt speicherfähig ist, können seine gröbsten Bestandteile doch nur bei lebhafter Turbulenz schwebend erhalten werden und scheiden deshalb bei nachlassender Vertikalbewegung aus. Die Ausscheidungen der Schwebbestandteile erfolgen ungefähr in der Reihenfolge, die S t i n i (34) für die Größenunterschiede aufgestellt hat: Sand, Feinsand, Schluff und Rohton. Zu den feinsten Bestandteilen gehört der Abriebstaub, der ja neben dem durch Korrasion bewirkten Abschliff, den Produkten der Abspülung und der unmittelbaren Erosion nur einen Teil des Schwebs darstellt. In den Versuchstrommeln von S t e r n b e r g (33) und S c h o c k l i t s c h (29) blieb oft nur ein toniger Schlamm zurück. Der Abriebstaub wird also am weitesten transportiert und erst im Unterstlauf sedimentiert, wenn er nicht überhaupt über die Flußmündung hinaus wandert. Verkleinert ein Geröll durch Abrieb seinen Durchmesser von 2 cm auf 1,6 cm, so hat es bereits etwa die Hälfte seines Volumens dem Schweb übergeben, was nach den Untersuchungen von H e i m (10) bei Mergelkalk z. B. nach 30 km, bei Dolomit nach 60 km Transport der Fall ist. Wohl muß sich der Abrieb flußabwärts verringern; doch infolge einer Summierung der Vorgänge und dank der Speicherfähigkeit des dritten Horizontes verdichtet sich normalerweise die transportierte Menge flußabwärts, — zumindest bis dort, wo die Ausscheidungen aus dem Schweb beginnen. Z u r ü c k b l i c k e n d erkennen wir, daß die Menge des Abriebs nur einen Teil des Schwebs darstellt. Wohl bedeutet der dritte Horizont einen wesentlichen Faktor für die Transporterleichterung, — ja, er befördert gewöhnlich, wenn wir vom Oberstlauf absehen, mehr Last als die beiden anderen. So ergeben die Untersuchungen im Boiseriver-Gebiet eine prozentuelle Beteiligung des Schwebs an der beförderten Gesamtlast von 50—100%. Zum andern aber hindert der Schweb den Abtransport auch durch verzögerten Abfluß. J e mehr Schweblast, desto weniger Energie bleibt der Schleppkraft zur Verfügung. Da aber die Gerölle gleichzeitig transportabler werden und zu ihrer Beförderung also weniger Kraft aufzuwenden ist, oder da, wie bei den anderen Bestandteilen des Schwebs, die beiden anderen Horizonte von dieser Last verschont bleiben, muß die Bilanz mit einem Pluswert abschließen. Es ist einsichtig, daß der Transport einer bestimmten Last im dritten Horizont schneller erfolgt und viel weniger Kraft erfordert als in den beiden anderen, wenn es auch nach G i l b e r t (8) noch nicht ganz geklärt ist, in welchem Ausmaß der Gerölltransport den Abfluß verzögert. Dazu kommt noch, daß sich die laminare Grenzschicht am Boden in Abhängigkeit vom Schweb vergrößert. Davon wird weniger die horizontale Gefällsströmung betroffen als die turbulente Vertikalströmung, die durch ihre Auftriebskräfte die Erosion intensiv fördert. Diese wird also durch starken Schwebgehalt

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abgebremst, während der Transport entsprechend der Gefällsströmung zügig weiterläuft. Endlich bringt die heterogene Verteilung des Schwebgehaltes im Querprofil ein ungleich verteiltes Gewicht des Wassers mit sich, was sich wiederum in der Geschwindigkeit auswirkt. Es ist anzunehmen, daß die Pulsationen des Wassers, die bekanntlich jeden Abfluß charakterisieren, teilweise in ursächlichem Zusammenhange stehen. c) Die Reibung. Die Reibung, das Sorgenkind der Hydrotechnik, wird kein einfacheres Problem, wenn wir sie als Korrasionskraft und Nebenprodukt des Transportes bezeichnen. Bekanntlich hängt sie von vielen Einzelfaktoren ab, besonders von Schwere und Form des bewegten Gerölles, von der Geschwindigkeit der Bewegung, von der Beschaffenheit und Neigung der Lesedecke, von der Tiefe und Temperatur des Wassers und von dem benetzten U m f a n g . Jede der vielen Formeln, mit denen man sie zu erfassen sucht, ist an einen bestimmten, ganz individuellen Koeffizienten gebunden. Betrachtet man nun aber den Flußlauf als Ganzheit, so erkennt man, daß alle aufgezeigten Faktoren, — gleiche Verhältnisse vorausgesetzt, — eine regelmäßige Abwandlung aufweisen. Es verringert sich stromab normalerweise die Schwere und Rauhigkeit des Gerölls, die Geschwindigkeit der Bewegung und der Reibungswiderstand der Lesedecke. Demgegenüber vermehrt sich stromab die Reibung durch die Verflachung des Gefälles, die erhöhte Breitenentwicklung und die Vergrößerung von Geröllstrom und benetzter Fläche. Da wir uns nicht der Aufgabe gewachsen fühlen, wie ein spezialisierter Techniker neue Erkenntnisse über die Reibung zu vermitteln, folgen wir hierin gern einem Fachmann wie S i e d e k, der bei der glänzenden Ableitung seiner Geschwindigkeitsformel (30) a u s f ü h r t , daß sich normalerweise die oben aufgezeigten Faktoren der Reibung, bei der Abwandlung f l u ß a b w ä r t s in der einen Gruppe zunehmend und in der anderen abnehmend, mehr oder minder ausgleichen. Obwohl also die Reibung den größten K r a f t v e r l u s t im Energiehaushalt des Flusses zu bringen pflegt, darf man sie nach S i e d e k vernachlässigen, wenn es gilt, einzelne Strecken eines idealen Flußlaufes miteinander zu vergleichen. Diese Annahme beinhaltet aber zugleich, daß bei Unregelmäßigkeiten der Abwandlung von einem der genannten Faktoren die Reibungsveränderung im positiven oder negativen Sinne in Rechnung zu stellen wäre. Vergrößert sich z. B. wie in Teil I der Rinne die Breite in plötzlichem Anstieg oder verringert sie sich wie in Teil II, so ist der Ausgleich durchbrochen, und es ist daher relativ ein Kraftverlust oder -gewinn zu verzeichnen. Auf direktem Wege läßt sich die Reibung wohl kaum ermitteln. Ist man sich jedoch darüber vollkommen klar, wie der Erosionsprozeß verläuft, so werden Änderungen im Ablauf der Formen oder des Gefälles auch Rückschlüsse auf das Ausmaß der Reibung erlauben. Jedenfalls kann festgehalten werden, daß die Korrasion ein Werk der Reibung ist, die daher auch vom Transport der Last abhängt. Ebenso wie zwischen Erosionskraft und Erosionsleistung ist hier n a t ü r lich zwischen Korrasionskraft (d. i. Reibung) und Korrasionsleistung zu unterscheiden.

Die Transporterleichterung. d ) Der

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Geröllaustausch.

Um ein Geröll oder gar Anstehendes in Bewegung zu setzen, ist bekanntlich eine viel größere Wassergeschwindigkeit notwendig, als um das gleiche Materialstück weiterzutransportieren. Deshalb braucht ein jedes Geröll zwei Arten der Wassergeschwindigkeit: eine größere bei der Erosion zum Inbewegungsetzen und eine kleinere für den Transport, deren untere Grenze bei der Sedimentation erreicht wird. Ist nun ein Geröll in Bewegung gesetzt worden, so wandert es im normalen Flußprofil in immer geringer werdende Geschwindigkeiten hinein, bis es sich an der Grenze der Transportgeschwindigkeit ablagert. Jenes Geröll aber, das an dieser selben Stelle aus der Lesedecke oder dem Anstehenden in Bewegung gesetzt werden kann, ist wesentlich kleiner; denn aus der gleichen Bodengeschwindigkeit resultiert eine Erosionskraft, die eine weit geringere Leistung als die eben erlahmende Transportkraft vollbringt. Bezeichnen wir das sich eben zur Ruhe setzende Materialstück als Ablagerungsgeröll und das sich an gleicher Stelle in Bewegung setzende als Erosionsgeröll, so ergibt sich, gleiche Bedingungen vorausgesetzt, die Beziehungskurve von Skizze 2, bei der wegen der variierenden Verhältnisse von Turbulenz, Reibung, Form, spezifischem Gewicht, Mischungsverhältnis der umgebenden Gerölle usw. die Resultante breit ausgezeichnet ist. Wir verweisen dazu auf die Ausführungen einer anderen Arbeit (39). Auf der größten Strecke des Flußlaufes vollzieht sich dauernd ein Austausch zwischen Ablagerungs- und Erosionsgeröll, indem Nichttransportables sedimentiert und an seiner statt Kleineres von der Strömung aufgenommen wird. Wenn eine Bodengeschwindigkeit Gerölle von 60 mm Durchmesser sedimentiert, so können dafür nur solche von etwa 20 mm Durchmesser in Transport gesetzt werden (s. Skizze 2). Nur jene Stellen des Flußlaufes, wo — wie z. B. auf konvexen Gefällstrecken —- die Bodengeschwindigkeit stromab zunimmt, oder wo wie im Oberstlauf noch kein Geröll die untere Grenze der Transportgqschwindigkeit erwandert hat, sind frei von Sedimentierung, der Oberstlauf ist es aber nur, so lange die Bodengeschwindigkeit gleichbleibt oder steigt (siehe 39). Wäre ein solcher Austausch nicht ständig vorhanden, so müßte der Fluß ja in dem Material, das laufend aus dem Geröllstrom ausscheidet, ersticken. G i l b e r t (8) hat experimentell nachgewiesen, daß dort, wo ein Geröllstück bei erlahmender Transportkraft sedimentiert wurde, gleichzeit zwei oder mehrere Stücke, deren Kubikinhalt sich zu einem größeren Wert summiert, mühelos in Bewegung gesetzt werden können. Man kann diesen Versuch in jedem Gerinne anstellen, indem man ein Sediment der Lesedecke durch eine gleichschwere oder schwerere Masse Sand ersetzt. Für die Transporterleichterung spielt der Geröllaustausch eine wesentliche Rolle. Dadurch daß immer wieder größere Stücke ausgeschieden und durch kleinere ersetzt werden, entlastet sich die Transportkraft laufend; denn zur Fortbewegung des kleineren Gerölls ist ja nur eine geringere Geschwindigkeit erforderlich. Ähnlich schreibt E h r e n b e r g e r : „Kommt eine Geröllmenge infolge der Energie des fließenden Wassers in Bewegung, so ist damit eine Verringerung . . . des Widerstandes verbunden. Damit wird unter gleichzeitiger Zunahme der Wassergeschwindigkeit ein Teil der Energie für die Beförderung eines weiteren Teiles der Gerölle frei, welcher Vorgang sich bis zu einer gewissen Sättigung fortsetzt." (6. S. 3).

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Skizze 2 zeigt die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Erosions- und Ablagerungsgeröll. Bei starken Geschwindigkeiten ist der Unterschied groß und die Transporterleichterung entsprechend wesentlich, bei schwachen dagegen geringer. Bei den Kleinstbestandteilen dagegen ändert sich dieses Verhältnis sprunghaft, wenn auch nur theoretisch; denn wenn Schwebbestandteile von z. B. 0.07 mm Durchmesser sedimentiert werden, kann natürlich nicht gleichzeitig

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