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German Pages 281 [284] Year 1988
BEIHEFTE Z U R ZEITSCHRIFT FÜR R O M A N I S C H E PHILOLOGIE BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER FORTGEFÜHRT VON WALTHER VON WARTBURG HERAUSGEGEBEN VON KURT BALDINGER
Band 221
Bruno Staib
Generische Komposita Funktionelle Untersuchungen zum Französischen und Spanischen
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1988
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Romanistik und Slavistik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Für Katharina und Christine
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Stoib, Bruno: Genetische Komposita : funktionelle Unters, zum Franz. u. Span. / Bruno Staib. Tübingen : Niemeyer, 1988 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie ; Bd. 221) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Habil.-Schr., 1985 NE: Zeitschrift für romanische Philologie / Beihefte ISBN 3-484-52221-6
ISSN 0084-5396
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1988 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Laupp & Göbel, Tübingen 3 Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Herbst 1985 als Habilitationsschrift beim Fachbereich Romanistik und Slavistik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eingereicht. Mein Dank gilt zunächst den Gutachtern, die die Arbeit in kurzer Zeit gelesen und beurteilt haben. Ihre kritischen Bemerkungen habe ich bei der Erstellung der Druckfassung weitgehend berücksichtigt. Sie mögen es mir nachsehen, wenn ich ihnen nicht in allen Punkten gefolgt bin. Des weiteren danke ich den Freunden und Kollegen vom Romanischen Seminar der Universität Münster, hier besonders Prof. Dr. Wolf Dietrich und Prof. Dr. Horst Geckeier, die den Werdegang dieser Arbeit begleitet und sie in vielfacher Weise durch Gespräche, Anregungen und Hilfestellung bei der Überwindung administrativer Hindernisse gefördert haben. Ganz besonders unterstützt haben mich Reinhild Berres und Karin Neukäter durch die sorgfältige und gewissenhafte Erstellung und Korrektur des Manuskripts auch unter schwierigen Bedingungen. Schließlich danke ich Professor Dr. Kurt Baldinger herzlich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finanzielle Unterstützung und dem Max Niemeyer Verlag für die verlegerische Betreuung. Münster, im Juni 1988
Bruno Staib
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1
I.
VORÜBERLEGUNGEN
5
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Analyse und Synthese Zur Funktion der Suffixe Zum Problem der Wortarten Wortart und syntaktische Funktion Transposition und Hypostase Lexikalisierung und Idiomatisierung
5 11 19 25 30 44
II.
ASPEKTE DER BESCHREIBUNG GENERISCHER KOMPOSITA
50
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Topikalisierung Implizite Satzfunktion der Basis Generische Komposita als implizite Konstruktionen Generische Komposita-zwischen Adjektiv und Substantiv? . . . . Generische Komposita unter inhaltlichen Aspekten Generische Komposita als Nomina adiecta Abgrenzung und Grobgliederung der generischen Komposita: Handlungsbeteiligung vs. Relation . .
50 57 63 67 82 89
I I I . D I E GENERISCHEN KOMPOSITA DER HANDLUNGSBETEILIGUNG
1. 1.1 1.2 1.3
92
. . .
Grundlagen Bereich und Umfang der deverbalen generischen Komposition . . . Binnengliederung der deverbalen generischen Komposition Diskussion postulierter Inhaltsmerkmale von «Nomina agentis» . . . 1.3.1 «Agens» und «Nomen agentis» 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 Inhaltsmerkmale von «Nomina instrumenti» 1.5 «Nomina loci» 1.6 Generische Komposita und Handlungsbeteiligung
99
99 99 100 103 103 104 106 107 113 118 123 123
VII
Einleitung
Die lexematische Komposition ist im Romanischen ein relativ schwach ausgeprägtes Verfahren - sowohl im Vergleich zu anderen Wortbildungstypen als auch vor allem im Vergleich zu den germanischen Sprachen. Eine Kompensierung dieser Schwäche ist aber im Wortbildungstyp der generischen Komposition zu erkennen, weniger im Hinblick auf die Anzahl der Bildemittel als vielmehr hinsichtlich deren Vitalität und Produktivität. Dies hängt vorwiegend damit zusammen, daß die generische Komposition als inhaltliches Verfahren im materiellen Ausdruck der alle Wortbildungstypen betreffenden suffigalen Derivation angehört, die gerade im Romanischen ein materiell sehr produktives Verfahren darstellt. Daraus ergibt sich, daß die generische Komposition von anderen Wortbildungstypen nicht anhand formaler, den materiellen Ausdruck betreffender Kriterien, sondern allein aufgrund funktioneller Gesichtspunkte abgegrenzt werden kann. Eine Darstellung dieses Wortbildungstyps steht also im Spannungsverhältnis zwischen dem materiellen Verfahren der suffigalen Derivation und dem inhaltlichen Verfahren der Komposition und umfaßt im wesentlichen die eher onomasiologisch begründeten Bezeichnungskategorien der Nomina agentis, Nomina instrumenti, Nomina loci mit möglichen weiteren Untergruppen und Präzisierungen. Wie der gesamte Bereich der Wortbildung kann auch der Wortbildungstyp der generischen Komposita mit Bildungen wie chanter —» chanteur, jardin —» jardinier, arroser —> arrosoir etc. prinzipiell unter drei verschiedenen, wenn auch in ihrer Leistung recht unterschiedlichen Aspekten betrachtet werden. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das f o r m a l e Kriterium, das den morphologischen Status der beteiligten Elemente ins Auge faßt, zur gröbsten Gliederung führt, wobei die generischen Komposita zusammen mit Fällen wie crier —> criailler und changer —> changement ungeachtet der Unterschiedlichkeit der Leistung der Verfahren unter der Kategorie der suffigalen Derivation erscheinen. Auch weitergehende Präzisierungen wie H. Marchands Unterscheidung zwischen syntaktischer und semantischer Transposition (21969, S. 12f.), mit der er der Tatsache Rechnung tragen möchte, daß suffigale Ableitungen auch innerhalb der gleichen Wortart erfolgen, bringen keine grundsätzliche Verbesserung der Mängel der am Formalen ausgerichteten Beschreibung, weil sie weder zur Unterscheidung zwischen rein quantifizierenden (engl, whitish) 1
und solchen Ableitungen dienen, die eine Satzfunktion implizieren (professorship), noch in der Lage sind, ein materiell identisches Verfahren verschiedenen inhaltlichen Wortbildungstypen zuzuordnen, wie etwa frz. baronnage einerseits funktionell als Kollektivbildung (), andererseits als Nominalisierung eines komplexen Prädikats ( maisonnette; feuille —tfeuillage) entspricht die implizite Grammatikalisierung einer «inaktuellen», d. h. «nicht-satzähnlichen» Funktion einer Basis, während die «Entwicklung» (changer —> changement-, rouge —* rougir; blanco —* blancura) in einer Grammatikalisierung der Basis durch eine «aktuelle», d. h. «satzähnliche» Funktion besteht. Die generischen Komposita haben mit der Entwicklung die Art der Grammatikalisierung gemeinsam, unterscheiden sich von ihr jedoch dadurch, daß sie zwei Basiselemente umfassen, die in einem grammatischen Verhältnis zueinander stehen6. Dabei ist das eine der beiden Elemente ein in der Sprache als Wort existierendes Lexem (changer, arroser, jardin), das andere ein als solches in der Sprache nicht selbständig vorkommendes, aber als lexikalisch zu definierendes Element (-eur, -oir, -ier), das sich mit der jeweiligen Basis in ähnlicher Weise verbindet wie zwei spezifische Lexeme im Falle der lexematischen Komposition eine Einheit bilden. In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den Bereich der generischen Komposition in relationeller und vor allem funktioneller Weise zu beschreiben und für die aktuelle Synchronie des Französischen und Spanischen darzustellen. Meines Wissens ist dies bisher noch nicht in systematischer Weise erfolgt. Erst nach Abschluß des Manuskripts im Herbst 1985 erschien die Dissertation von B. Laca (1986), in der die zentralen generischen Verfahren des Spanischen, repräsentiert durch die Suffixe -dor, -nie, -6n, -ista und -ero, in Anlehnung an den funktionell-syntaktischen Ansatz J. Lüdtkes (1978) untersucht werden. Da diese Arbeit nicht nur eine partiell identische Thematik behandelt, sondern darüber hinaus wie meine Untersuchung letztlich auf dem Funktionalismus E. Coserius aufbaut, stellt sie eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Adäquatheit der vorgenommenen Analysen und ihrer Ergebnisse dar. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit B. Lacas Buch würde eine Umgestaltung des gesamten Manuskripts meiner Arbeit erfordern, so daß ich hier nur global auf die wichtigsten Punkte hinweisen kann. B. Lacas Untersuchungsbereich ist einerseits weiter gefaßt als der hier behandelte, weil neben den substantivischen Bildungen auch die mit den gleichen Suffixen gebildeten Adjektive dargestellt werden. Andererseits beschränkt sich Lacas Arbeit auf die oben genannten Suffixe, die ich hier als «funktionell generische Suffixe» den «okkasionell generischen Suffixen» gegenüberstelle und so vor allem den Bereich der suffigalen Ableitung berücksichtige, in dem die Grenzen zwischen den einzelnen Wortbildungstypen zu verwischen scheinen. Diesbezüglich betrachte ich das spanische Suffix -6n als okkasionell generisches Suffix, während es bei Laca als funktionell generisches Suffix dargestellt wird. Den wichtigsten Unterschied aber sehe ich darin, daß B. Laca die denominalen
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fen haben. Vgl. nation —> national -* nationaliser —» nationalisation (E. Coseriu 1973a, S. 97), caldo —* caldero —* calderero. Vgl. die detaillierte Darstellung in E. Coseriu (1977).
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Bildungen (vor allem auf -ero und -ista) als Subjekte eines impliziten Verbs betrachtet, wobei sie für die Personenbezeichnungen von einer «ogere-Verbalität», bei den Gegenstandsbezeichnungen auf -ero jedoch von einer «esse-, habere-Verbalität» ausgeht7. Meines Erachtens ergibt sich diese Interpretation bezüglich der Bildungen auf -ista nur aufgrund der Tatsache, daß dem Suffix ein Klassem funktionell zukommt, woraus sich die Postulierung einer Handlungsbeziehung zwischen Suffix und Basis auf der Bezeichnungsebene rechtfertigen läßt, ohne daß diese Handlungsbeziehung in dem Verfahren funktionell enthalten wäre. Nur unter Berücksichtigung der gleichen Bezeichnungsgesichtspunkte können folglich die denominalen -ero-Bildungen auf unterschiedliche implizite Verben bezogen und nach einer solchen Implikation differenziert werden. Interessanterweise nähert sich B.Laca ganz am Ende ihrer Arbeit meinem Standpunkt, wenn sie (S. 614) vermerkt: Aber auf einer abstrakteren Ebene, auf der Ebene des Wortbildungstyps, wird dieser Gegensatz [zwischen agere- und habere-lesse-Veibabtät] aufgehoben: Es geht hier immer um die Benennung über eine Determination, die durch eine Handlung oder durch die Relation zu einer anderen Entität erfolgen kann.
Ich erkenne darin das wieder, was ich als Hauptgliederungsgesichtspunkte der generischen Komposita in funktioneller Hinsicht herausgestellt habe: eine Differenzierung nach «generischen Komposita der Handlungsbeteiligung» und «generischen Komposita der Relation», die gleichzeitig die beiden wichtigsten Gliederungspunkte (Kap. III und IV) dieser Arbeit ergibt.
7
Vgl. dazu auch B. Laca (1987).
4
I.
Vorüberlegungen
1.
Analyse und Synthese
Ungeachtet jedes Sprachbeschreibungsmodells sind Wortbildungen Ergebnisse oder Produkte eines dynamischen Prozesses der Verknüpfung mehrerer sprachlicher Inhalte mit Wortstatus, die wie einfache Wörter sowohl eine Variation in flexioneller Hinsicht aufweisen als auch in verschiedenen syntaktischen Verwendungen erscheinen können. Im Unterschied zu einfachen Wörtern (primären Lexemen) sind Wortbildungen zu den semantisch motivierten Elementen des Lexikons zu zählen, sind also prinzipiell hinsichtlich ihrer Bedeutung und Bildungsweise «durchsichtig»1. Unter sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten können diese mehrgliedrigen, sekundären Wörter unter zwei Aspekten betrachtet und analysiert werden: Zum einen kann der Standpunkt des Sprechers eingenommen und gefragt werden, wie der Prozeß der Verknüpfung beider (oder mehrerer) Inhalte vor sich geht, welche Regeln und Gesetzmäßigkeiten die Bildung neuer Wörter steuern. Unter synchronen Gesichtspunkten betrifft eine so verstandene Wortbildungslehre nur die zu einem Zeitpunkt produktiven Verfahren unter Ausschluß der noch motivierten, aber nicht mehr frei verfügbaren Bildungen2. Zum anderen können die Produkte der Wortbildung den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden, die in gewisser Weise a posteriori nach der Art ihrer Bildung und den in ihnen vorhandenen Inhalten fragt, also eher den Standpunkt des Hörers einnimmt. Beide Verfahrensweisen durchziehen wie ein roter Faden die - noch nicht geschriebene - Geschichte der Wortbildungslehre und erfahren unterschiedliche Würdigungen vonseiten einzelner Autoren. Die terminologische Unterscheidung «analytisch» für den Standpunkt des Hörers und «synthetisch» für den des Sprechers wurde - wenn auch in anderem Zusammenhang - von Georg von der Gabelentz vorgenommen (21901/1969, S. 85), der von «Zerlegung» und «Aufbau» spricht. In ähnlicher Weise unterscheidet M. Dokulil (1968a, S. 205) 1
2
So auch im Titel «Durchsichtige Wörter» der bekannten Arbeit H.-M. Gaugers (1971a), dessen spezielle Verwendung der Konzeption der «Durchsichtigkeit» ich nicht übernehme. - Zu morphologisch sekundären, semantisch aber mehr oder weniger unmotivierten Wörtern siehe unten Kap. 1.6. Vgl. D. Kastovsky (1982), S. 157.
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zwischen «Wortgebildetheit» und «Wortbildung» und nennt diesbezüglich zwei Aspekte, «den prozessuellen, der auf die Neubildung und Wiedergabe der Wörter eingestellt ist, und den struktur-funktionellen, der auf die Struktur der Wortgebilde und deren Funktion zielt.» Folgt man den Ausführungen von H. E. Brekle und D. Kastovsky (1977), so finden sich in der Geschichte der Wortbildungslehre von Pänini bis heute analytische und synthetische Prinzipien mit unterschiedlicher Gewichtung, wobei die Autoren konstatieren, das synthetische Prinzip erscheine in Wortbildungsarbeiten durchschnittlich früher als in Arbeiten zu anderen Bereichen der Sprache (S.7f.). Es erscheint allerdings verfehlt, daraus eine Priorität der Synthese vor der Analyse abzuleiten, wie dies implizit angedeutet wird. Grundsätzlich setzt die Synthese die Analyse voraus, wie auch letztere als das sprachwissenschaftlich primäre Verfahren betrachtet werden muß (J. Lüdtke 1978, S. 13), weil vor einer relationellen Darstellung der Synthese, des «Aufbaus der Rede» (G. von der Gabelentz 21901/1969, S. 85) erst Klarheit über das zu Verbindende, über die sprachlichen Funktionen geschaffen werden muß3. Es scheint daher erforderlich zu sein, knapp darzustellen, welche Leistungen von den beiden Prinzipien jeweils erbracht werden können und wo ihre Grenzen liegen. Das analytische Prinzip der Zerlegung hat sicherlich dort seine Berechtigung, wo es zunächst darum geht, Aufschlüsse über die an Wortbildungsverfahren beteiligten materiellen Elemente zu gewinnen, also in jenem Bereich der Wortbildungslehre, der sich mit Fragen der morphologischen Struktur der sekundären Wörter befaßt. Es wäre allerdings verfehlt, in der so erreichten eher taxonomischen Klassifikation der Wortbildungselemente einen Selbstzweck zu sehen, weil letztlich jede Analyse der Produkte eines dynamischen Prozesses Aufschlüsse über den Prozeß an sich ermöglicht. So kann anhand rein materieller Kriterien festgestellt werden, daß die französischen Bildungen auf -eur in zwei Reihen eingeteilt werden müssen, nämlich in die deverbale (chanter chanteur) und in die deadjektivische (grand - grandeur). Bereits diese Aussage enthält in ihrem Kern einen Ansatz zur Synthese, zur Dynamik des Prozesses, der es unter Miteinbeziehung einer vorläufigen semantischen Bestimmung der Produkte ermöglicht, von einer Reihe der Nomina agentis und einer Reihe der Nomina qualitatis auszugehen, die ihrerseits wiederum das Suffix in chaleur als zur zweiten Reihe gehörig identifiziert, obwohl das Wort synchron nur über die Lexemvariante chal- mit dem Adjektiv chaud in Verbindung gebracht wird. In noch viel stärkerem Maße kommt das analytische Prinzip gegenüber dem synthetischen zum Tragen, wenn es darum geht, Wortbildungen zu erfassen, die keiner synchronen Technik des Sprechens mehr entstammen. Ich sehe hierzu zwei Bereiche der Wortbildung, die sich einer synchron-prozessualen Darstellung entziehen: Zum einen sind nicht mehr produktive Verfahren wie die The-
3
Vgl. E. Coseriu (1970b), S. 62.
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matisierung der Art und Weise in écriture und allure4 für den heutigen Hörer - und um den geht es bei analytischen Darstellungen - durchaus als Nominalisierungen von écrire und aller zu erkennen und zu verstehen, auch wenn sie kein Verfahren darstellen, mittels dessen der heutige Sprecher Neubildungen von anderen Verben vornehmen könnte, was übrigens grundsätzlich für Neubildungen mit -ure im Französischen gilt5. Zum anderen finden sich im Wortbildungsbereich aller Sprachen Fälle, in denen zwar noch das Wortbildungsaffix lebendig oder produktiv ist, die Basis jedoch entweder untergegangen ist wie bei ouvrable oder die Wortbildung sich semantisch so weit von der Basis entfernt hat, daß ein Zusammenhang zwischen Basis und Derivat nicht mehr mittels einer synthetischen Darstellung angegeben werden kann, so etwa bei frz. boudoir, das in keinem Zusammenhang mehr mit bouder steht. In diesem letzteren Fall kann auch der Hörer keine systematische Wortbildungsbeziehung mehr erkennen, ist aber doch aufgrund der ihm gegenwärtigen Suffixfunktion in der Lage, die ganze Bildung in die Reihe der Nomina loci einzuordnen 6 . Das Problem des analytischen Vorgehens bezüglich der semantischen Analyse der Wortbildungen besteht wohl darin, daß häufig - die Arbeit von J. Thiele (1981) ist ein erneutes Beispiel dafür - bereits bei den Bezeichnungskategorien wie Nomina agentis, Nomina qualitatis, Nomina actionis, Nomina instrumenti etc. Halt gemacht wird, ohne die beteiligten Wortbildungselemente einer expliziten funktionellen Analyse zu unterziehen. Es muß aber betont werden, daß auch Vertreter der synthetischen Richtung wie R. B. Lees (51968) mit Transformationen von Wortbildungen aus Sätzen bezüglich der semantischen Information bestenfalls bis zur Bezeichnungsebene gelangen7. Das synthetische Verfahren ist der Wortbildungslehre insofern schon immer gegeben, als es den Prozeß zu beschreiben gilt, mittels dessen aus einer Basis unter Verwendung wortbildender Elemente ein neues Wort entstehen kann. Da es sich dabei grundsätzlich um ein offenes Verfahren, um eine Mög4
5 6
7
Vgl. J. Lüdtke (1978), S. 68. Neben der Thematisierung der Art und Weise umfaßt écrire aber auch noch die Nominalisierung des Prädikats, wie Lüdtke S. 156 vermerkt. So Lüdtke (1978), S. 150 und S. 157 im Gegensatz zu J. Dubois (1962), S. 60f. Damit soll nicht behauptet werden, die beiden Fälle seien identisch. Während unter synchronen Gesichtspunkten boudoir als unmotiviert erscheint und nur noch global in die Bezeichnungsgruppe der Nomina loci eingereiht werden kann, was eine Betrachtung im Rahmen der Wortbildungslehre eigentlich ausschließt, ist ouvrable noch sekundär über ouvrage, œuvre und ouvrier motiviert. Bei manchen französischen Sprechern scheint eine deutlich auf das analytische Prinzip hinweisende «Ersatzmotivierung» stattzufinden, wenn die jours ouvrables als paraphrasiert werden. Vgl. K. Baldinger (1973), S. 25 mit weiteren Beispielen. Allerdings enthält die Arbeit von Lees generell keinerlei semantische Aussagen; die angesprochenen Bezeichnungskategorien (wie z.B. «Agentive Nominal» (S. 69) ) dienen lediglich einer Grobkategorisierung.
7
lichkeit handelt, kann man wohl auch die eher dem analytischen Prinzip verpflichteten Arbeiten dahingehend interpretieren, daß die analytische Beschreibung der existierenden Bildungen exemplarisch für alle nicht erwähnten tatsächlich existierenden und auch für die noch zu realisierenden Bildungen steht und insofern auch der Prozeß Berücksichtigung findet. Im Rahmen des Aufkommens der generativen Transformationsgrammatik hat sich allerdings das synthetische Vorgehen, das dem Generativismus ja inhärent ist, zunächst auf eine rein syntaktische Beschreibung der Wortbildung eingeengt, für die die schon erwähnte Arbeit von R. B. Lees ( 5 1968) exemplarisch steht. Der Vorteil des Vorgehens besteht darin, daß Wortbildungsverfahren als rekursiv betrachtet werden und so die noch nicht realisierte Neubildung nach dem beschriebenen Verfahren stärker in den Vordergrund rückt als dies bei analytischen Beschreibungen der Fall war. Der Nachteil liegt zunächst in der Einengung auf eine rein syntaktische Beschreibung der Wortbildungen, meist unter Ausschluß sogar der formalen Bildungsmittel. Es erwies sich jedoch relativ schnell, daß der Ausschluß einer semantischen Beschreibung dazu führte, daß einerseits ganze Bereiche der Wortbildung, wie etwa die Kollektivbildungen 8 , nicht beschrieben werden konnten, während andererseits eine Beschreibung nach rein syntaktischen Prinzipien der Komplexität der Wortbildungen nicht gerecht wurde. Vgl. R. Martin (1970), S. 161: «On n'oubliera pas non plus que certains suffixes ne peuvent guère s'interpréter comme des éléments de la transformation généralisée. Les suffixes catégorisateurs sémantiques (bronchite inflammation des bronches>, appendicite inflammation de l'appendice>, pharyngite inflammation du pharynx> . . . ) ainsi que les suffixes collectifs (ferraille ) échappent à l'interprétation de la grammaire générative (du moins d'une syntaxe générative).» Allerdings sind die Gründe für die Unmöglichkeit einer rein syntaktischen Beschreibung der beiden genannten Fälle jeweils verschieden. Im Falle der Suffixe in bronchite, appendicite etc. handelt es sich um gebundene Elemente, deren kategorematische, transpositorische Funktion im Hintergrund steht, während sie mit den Suffixen der generischen Komposition deren lexikalische Ausrichtung teilen. Sie unterscheiden sich jedoch von den generischen Suffixen durch die Tatsache, daß ihr lexikalischer Inhalt nicht allgemein, sondern spezifisch ist und im vorliegenden Fall mit jeder beliebigen Basis und unabhängig von kontextuellen Bedingungen konstant die lexikalische Bedeutung aufweist, wohingegen ein generisches Suffix wie frz. -ier je nach Kontext und Basis in der Bezeichnung varriiert. Aus diesem Grund sind die wissenschaftlichen Suffixe wie -ite , -ose , -algie etc. wegen ihrer konstanten spezifischen lexikalischen Bedeutung unter inhaltlichen Gesichtspunkten nicht als Suffixe, sondern als gebundene Lexeme zu klassifizieren. Bildungen mit diesen Elementen gehören folglich zur Komposition und nicht zur Derivation, mit der sie lediglich das materielle Verfahren gemeinsam haben. - Im Falle der Kollektivbildungen (und anderer quantifizierender Verfahren) ist eine syntaktische Beschreibung auf der Basis von Satzfunktionen nicht möglich, weil diese Verfahren keine aktuelle Satzfunktion der Basis implizieren. Vgl. E. Coseriu (1973a), S. 90 - N. Bäcker (1975, S. 74) differenziert nicht zwischen generischen Elementen und gebundenen Lexemen, wenn sie beide Arten als «gebundene Lexeme» bezeichnet, denen eine «Gruppenbedeutung» zukomme. Eine genauere Abgrenzung findet sich bei J. Lüdtke (1978), S. 196.
8
Allerdings kann nicht einfach die syntaktische Beschreibung von Wortbildungen mit dem synthetischen Prinzip gleichgesetzt werden, wie die Arbeit von H. Marchand ( 2 1969) verdeutlicht, wenn er den Syntagmacharakter der Komposita herausstellt, die «must be explainable from an underlying sentence whose syntactic relations they mirror» (S. 55), dann noch deutlicher die Herkunft von Komposita aus Sätzen betont: «Morphologie composites [ . . . ] are sentences [ . . . ] and as such explainable from sentences» (S. 31), andererseits aber eher analytisch argumentiert, wenn er feststellt, « [ . . . ] a Compound is reducible to a sentence [ . . . ] . » (S.32) 9 . Ob Komposita aus Sätzen abgeleitet oder auf sie zurückgeführt und mit Hilfe der in Sätzen vorhandenen syntaktischen Relationen erklärt («explainable») werden, entspricht dem Unterschied zwischen den beiden Beschreibungsmethoden von Wortbildungen, wenngleich in beiden Fällen syntaktische Relationen den Ausgangspunkt der Beschreibung bilden. Der Unterschied zu einer semantischen Analyse von Wortbildungen besteht darin, daß diese zwar ebenfalls «grammatikähnliche» Funktionen (Coseriu 1977, S. 54) in Wortbildungen konstatiert, sie aber nicht mit den grammatischen Funktionen gleichsetzt, wie sie sich im Satz finden, weil die Wortbildung als eigenes Gebiet unabhängig von der Syntax betrachtet wird, in dem andere Funktionen existieren als dort, wenngleich manches auf eine Übereinstimmung beider Bereiche hinzudeuten scheint. So wird einerseits darauf hingewiesen, «daß die Wortbildung Kategorien mit dem grammatisch-syntaktischen Bereich gemeinsam hat, wie z. B . die Kategorien Agens/Subjekt, affiziertes, effiziertes Objekt ( = Objective)/Objekt, Lokativ/Adverbiale Bestimmung des Ortes, usw. im Bereich der deverbalen Substantive, Komposita, denominalen Verben oder Adjektive, die mit einer rein lexikalisch-semantischen Betrachtung nicht ausreichend erfaßt werden können.» (Brekle/Kastovsky 1977, S. 15). Andererseits stellt P.Koch (1981, S. 130) die Notwendigkeit heraus, «keine eindeutige Zuordnung von semantischen Aktantenrollen und syntaktischen Aktantenrepräsentationsformen vorauszusetzen.» Dies vor allem deshalb nicht, weil die syntaktischen Funktionen wesentlich weiter gefaßt sind als die ihnen gemeinhin zugeschriebenen semantischen Funktionen. Nicht jedes Subjekt eines Satzes kann als Agens betrachtet werden, und nicht jede Topikalisierung des Subjekts durch ein sekundäres Wort ergibt ein Nomen agentis, wie J. Lüdtke (1978) überzeugend nachgewiesen hat. Daß sich in Wortbildungen syntaktische Funktionen oder zumindest solche Funktionen wiederfinden, die denen der freien Syntax ähneln, ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß der gesamte Bereich der Wortbildung zum umfassenderen Gebiet der Hypotaxe gehört und folglich hinsichtlich seiner 9
W. Kürschner (1977, S. 133, FN 5) weist darauf hin, «daß Marchand den Begriff in zweifacher Bedeutung verwendet: einmal für den synthetischen Aspekt der Komposition, einmal für den analytischen.»
9
Leistung dahingehend charakterisiert werden kann, daß er auf Wortebene ähnliche Beziehungen ausdrücken kann, wie sie in der freien Syntax durch Wortgruppen und Sätze ausgedrückt werden10. Diese «satzähnlichen» Beziehungen können bei der Beschreibung durch Paraphrasen herausgestellt werden, wobei jedoch zu beachten ist, daß die Paraphrase nur eine Bezeichnungsäquivalenz darstellt11, die mit dem Inhalt einer Wortbildung nicht deckungsgleich ist. Dennoch kann die Paraphrase für die Analyse von Wortbildungen wertvolle Dienste leisten, weil durch sie die im sekundären Wort enthaltenen Bedeutungsund Funktionselemente verdeutlicht werden können, ohne daß sie deshalb als «Basis» der Wortbildung betrachtet werden müßte. Der Paraphrase kommt insofern eine metasprachliche Bedeutung zu, als durch sie das der Wortbildung zugrundeliegende systematische Verfahren der Grammatikalisierung offengelegt werden kann12. Aus der Betrachtung der Wortbildung als eingenständiges Gebiet der Sprache, das die Bildung neuer Wörter aus Elementen des Primär- oder Sekundärwortschatzes, gegebenenfalls unter Verwendung von Affixen betrifft, ergibt sich die Notwendigkeit einer Verbindung der relationellen und der funktionellen Beschreibung aus der Erkenntnis, daß durch die Wortbildung Wörter geschaffen werden aus vorhandenen Basen, wobei diese Wörter Elemente des Sekundärparadigmas eines primären Wortes sind und als solche funktionelle Oppositionen bilden können. Da hier die generische Komposition mit Suffixen dargestellt werden soll13, 10
11 12
13
Vgl. dazu J. Lüdtke (1978), S. 7 (mit weitergehenden Literaturangaben zur Hypotaxe) und S. 11 f., wo knapp auf die Frage eingegangen wird, ob die Wortbildung eher in der Grammatik oder im Lexikon dargestellt werden sollte. Zu dieser Frage siehe auch Coseriu (1977), S. 56, wo die Wortbildung als «ein autonomes Gebiet der Sprache, das und rein Lexikalisches einschließt», betrachtet wird. Vgl. ferner M.Dokulil (1964) und (1968b), der vor allem die Gemeinsamkeiten zwischen Wortbildung und Lexikologie herausstellt und letztlich ebenfalls von einem eigenständigen Gebiet mit engen Verbindungen zu Lexikologie, Morphologie und Syntax ausgeht. Vgl. Coseriu (1970b), S. 56 und allgemein zur Äquivalenz Coseriu (1978). J. Lüdtke (1978), S. 59 f. unterscheidet diesbezüglich zwischen «Paraphrase» im Sinne von relationeilen Umschreibungen allgemeiner Art unter Einschluß von Redebedeutungen und «Periphrasen», die «rein grammatisch bedingt sind». Zwei Verfahren sollen hier unberücksichtigt bleiben: Zum einen die in den romanischen Sprachen so beliebten und produktiven Bildungen vom Typ tire-bouchon, portacartas, deren materiell erster Bestandteil als eine generische Komposition aus einem Verb und einem agentiven oder instrumentalen Suffix (-eur, -oir, -dor, -dero) besteht, welches bei der nachfolgenden lexematischen Komposition getilgt wurde. Vgl. dazu E. Coseriu (1977) und die sehr materialreiche Darstellung von M. Bierbach (1982). Zum anderen die Personenbezeichnungen vom Typ (un) aide, (un) garde, (un) enseigne, (un) manœuvre; (et) guarda, (el) cura, (el) cometa, (la) lengua , deren Entstehung auf keinem Wortbildungsverfahren, sondern auf einer semantischen Übertragung von Sach- bzw. Handlungsbezeichnungen auf die damit im Zusammenhang stehenden Personen beruht. Vgl. dazu W. Meyer-Lübke (1894/1972), S.417 und S.561 f.; für das Amerikanisch-Spanische C. E. Kany (1962), S. 188. 10
ist es erforderlich, kurz auf die Leistung der Suffixe in den verschiedenen Wortbildungstypen einzugehen.
2.
Zur Funktion der Suffixe
Allgemein dienen Suffixe dazu, aus vorhandenen Basen neue Wörter zu bilden und unterscheiden sich damit von den Flexiven, die lediglich verschiedene Formen des gleichen Wortes bilden14. Die bloße Unterscheidung zwischen grammatischen Morphemen, «welche Beziehungen unter den Textelementen bezeichnen», was der Flexion entsprechen würde, und lexikalischen Morphemen der Wortbildung, wie sie N. Morciniec (1964, S. 17f.) macht und wie sie sich auch bei D.Kastovsky (1982, S. 71 f.) findet, der aus dieser Unterscheidung die Eigenständigkeit der Wortbildung gegenüber der Morphologie einerseits und der Syntax andererseits ableitet, ist sicherlich zu sehr vereinfachend, weil Wortbildungsmorpheme nicht nur Lexikalisches, sondern auch Grammatisches enthalten. In seiner semantischen Theorie faßt V. Br0ndal (1943, S. 124) Hexion und Derivation unter dem Oberbegriff der «variation» zusammen, die das Wort als semantisch-lexikalische und als kategorematische Einheit betreffen könne. Während nun die Flexion dem Wort «une certaine spécialisation» verleihe, dabei aber Wortart und lexikalische Bedeutung unangetastet lasse, handele es sich bei der Derivation um eine «modification» des Wortes, wobei entweder die Wortart oder die lexikalische Bedeutung oder alle beide betroffen sein könnten, woraus sich drei Derivationstypen ergeben, die allerdings zu sehr am Materiellen orientiert sind: Präfigierung, regressive Ableitung und Suffigierung. Gegen diese Theorie hat K. Togeby (1965, S. 109) eingewandt, sie vernachlässige den Unterschied zwischen Wurzeln und Partikeln und trage so nicht der Tatsache Rechnung, daß Wurzeln stets Flexive bei sich haben, Partikeln jedoch nie. Dieser Solidaritätsbeziehung zwischen Wurzel und Flexiv stellt Togeby die fakultative und orientierte Beziehung zwischen Wurzel und Derivativ gegenüber, die er als syntaktische Selektionsbeziehung erfaßt. Je nach der Richtung der Beziehung unterscheidet er die Präfigierung15 mit der Wurzel als präsupponiertem und dem Derivativ als untergeordnetem Element von der Suffigierung,
14
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So spricht J.Thiele (1981, S. 17) den Derivativen eine die «Bedeutung des lexikalischen Stammes» modifizierende Funktion zu, während Flexive «zur Bildung der verschiedenen Formen desselben Wortes» dienen. Diese Sicht der Funktion der Derivative ist sicherlich zu grob und bedarf im folgenden einer genaueren Spezifizierung. Obgleich Togeby nicht ausdrücklich darauf hinweist, sind auch die von ihm als «modificatifs» bezeichneten Suffixe in diese Art der syntaktischen Selektion einzuordnen. Dies ergibt sich aus der Darstellung der «homogenen» Derivative bei Togeby (1965), S. 166 ff. 11
in der die Wurzel syntaktisch dem Derivativ untergeordnet ist und von diesem präsupponiert wird. Wir wollen den Unterschied zwischen Flexiven und Derivativen nicht weiter vertiefen, sondern für unsere Untersuchung nur festhalten, daß sich aus der Abgrenzung der Elemente der Derivation von den Flexionselementen zunächst drei wesentliche Züge des Derivativs ergeben: die Fähigkeit, die lexikalische Bedeutung der Basis zu verändern, die Fähigkeit, die Wortart der Basis zu verändern und der fakultative Charakter der Affigierung. Letzterer ergibt sich aus der Tatsache, daß die Affigierung ein prinzipiell offenes Verfahren zur Bildung neuer Wörter darstellt, das angewandt werden kann oder nicht, wobei die im Sprechakt erforderliche Bezeichnungsfunktion letztlich über die Anwendung entscheidet. Bevor wir uns näher mit den einzelnen Funktionen der Suffixe befassen, wollen wir kurz die Leistung der Wortbildung in den einzelnen Wortbildungstypen betrachten. Dabei beschränken wir uns auf das materielle Verfahren der Suffigierung, weil dieses an allen Wortbildungstypen mit Ausnahme der lexematischen Komposition beteiligt ist, die uns hier nicht weiter beschäftigen soll. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten gehen wir dabei vom sekundären Wort aus und fragen nach den Unterschieden gegenüber dem primären Wort 16 . Bei dem als M o d i f i z i e r u n g bezeichneten Wortbildungstyp betrifft die Leistung der Suffixe die inhaltliche Komponente des Wortes, also die lexikalische Bedeutung 17 . Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine Quantifizierung der Basis, wie bei feuillage = feuille + Kollektivierung, martillazo = martillo + Augmentation, rougeätre = rouge + Approximation, chauffard = Chauffeur + Pejoration (mit Suffixwechsel), mujerzuela, mujeruca, mujercilla = mujer + Pejoration, casita = casa + Diminution, etc. Diesen Bildungen ist gemeinsam, daß das Suffix eine inhaltliche Veränderung der lexikalischen Basis bewirkt, dessen kategorielle Bedeutung aber unangetastet läßt. Es muß noch hinzugefügt werden, daß Modifikationsbildungen keine aktuellen Satzfunktionen der Basis implizieren, wodurch sich das Verfahren als ein rein lexikalisches darstellt 18 . Folglich kommt den Modifikationssuffixen eine lexikalische Funktion zu, die darin besteht, die Basis zu quantifizieren. Es versteht sich
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Es versteht sich von selbst, daß dabei nicht sämtliche inhaltlichen Möglichkeiten innerhalb der einzelnen Typen dargestellt werden können. Eine ausführliche Erörterung, z. T. nach den Wortarten der Basis differenziert, findet sich bei G. Stein (1971), S. 37-55, die sich wie wir an der Wortbildungstheorie E. Coserius orientiert. Vgl. die verschiedenen Bedeutungsarten bei Coseriu (1972a), S. 82, wo neben anderen Bedeutungen nach der Erfassung der außersprachlichen Wirklichkeit zwischen der lexikalischen Bedeutung, die dem Was der Erfassung entspricht, und der kategoriellen Bedeutung, die dem Wie entspricht, unterschieden wird. Vgl. dazu auch meinen Kolloquiumsbeitrag Staib (1981); aus meiner heutigen Sicht sind einige der dort vorgetragenen Thesen allerdings verbesserungsbedürftig. Vgl. E. Coseriu (1973a), S. 91.
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von selbst, daß deshalb auch die Basis das Determinatum der Bildung ist, das durch das Suffix determiniert wird 19 . D i e Leistung des Wortbildungstyps der E n t w i c k l u n g ist dagegen geprägt von der Überführung eines Basiswortes in eine neue Wortart, umfaßt also stets eine kategorielle Veränderung. D a die entwickelten Bildungen gleichzeitig eine aktuelle Satzfunktion beinhalten, liegen außer der (gleichbleibenden) lexikalischen Bedeutung zwei weitere Funktionen vor, nämlich die implizite Satzfunktion und die neue Wortart. Es lassen sich folgende kategorielle und syntaktische Funktionen in der Entwicklung unterscheiden:
changement rectorat nationalité desaparición lectorado clareza
= = =
= =
=
+ prädikative Funktion + Substantivität>
-
=
Unter Hintanstellung der für die Entwicklung oft typischen Sekundärfunktionen wie Kausativität, Resultat, Möglichkeit etc. (vgl. G. Stein (1971), S. 19), können die impliziten Satzfunktionen der Entwicklung unter Berücksichtigung der kategoriellen Zugehörigkeit von Basis und Derivat wie folgt dargestellt werden 21 : 19
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21
Vgl. H.-M. Gauger (1968); trotz dieser eindeutigen Derivationsbestimmung hält jedoch Marchand (21969, S. 228) am Determinatumcharakter des Modifikationssuffixes fest: «There is, however, a certain category of suffixal syntagmas where the relationship [zwischen Determinans und Determinatum] seems reversed. Combinations based on the underlying theme of appreciation stand out as exceptions. [...] There is apparently no great difference between the types yellowish and unhappy as both have qualifying character. [ . . . ] These observations do not, however, invalidate the general principle that a prefix is the determinant of a syntagma whereas a suffix is the determinatum.» Diese instrumentale Funktion ist eine Unterart der Verbalergänzung. Eine ausführliche Darstellung der desubstantivischen Verbentwicklung und der in ihr enthaltenen Satzfunktionen wurde von Marchand (1963) vorgenommen. Vgl. die ausführlichere Darstellung bei G. Stein (1971), S. 47-51; Stein erwähnt für die desubstantivischen Verben nur die implizite Satzfunktion der Verbalergänzung und sieht das Verfahren der Bildungeines Substantivs aus einem prädikativen Substantiv nicht vor (z. B. chevalerie bzw. ; arrosoir = arroser + Prädikatsfunktion l-oir + Adverbialfunktion paraphrasierbar als (verbe + ) cas adverbal > (participe +) cas adverbal > (substantivation du participe + ) cas adverbal.
Die Schlußfolgerung aus einer solchen Konzeption der Ableitungsbeziehung zwischen arc und archer liegt in der Postulierung eines instrumentalen Verbs11 10
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Allerdings stellt er sich dadurch in gewisser Weise Porzig entgegen, der (1930-31), S. 72 ausdrücklich feststellt: «Daß sie sich auf den Satzinhalt beziehen, unterscheidet die Nomina actionis grundsätzlich von der andern Klasse der Verbalnomina, den Nomina agentis. Diese sind zwar auch Modifikationen der Verbbedeutung, aber ohne Hinblick auf deren Prädikatfunktion.» Vgl. zur relationeilen Betrachtung instrumentaler Verben den Aufsatz von I. Kanus (1977), wo am Beispiel des Englischen dargestellt wird, daß die Bedeutungsbeziehung zwischen denominalem (instrumentalem) Verb und Basisnomen nur über das Verb einer lexikalischen Proposition, also eines konkreten Satzes, der an das betreffende Substantjv gebunden ist, hergestellt werden kann. Damit versucht I. Karius der Tat58
se servir d'arc, das in der adjektivierten Partizipialform das Determinans von archer bildet, ohne daß das eigentliche Verb in der Bildung ausgedrückt 12
wäre . In ähnlicher Weise versucht P. von Polenz (1980, S. 177) unter Berücksichtigung einer aktantiellen Interpretation der Determinanten generischer Komposita, zu einer Binnengliederung der Nomina agentis zu gelangen. Unter anderem unterscheidet er bezüglich der Determinanten die syntaktischen Funktionen des Prädikats, des Objekts und des Instruments. Ich habe schon im vorigen Kapitel anläßlich der durch das Determinatum erfolgten Topikalisierung einer Satzfunktion auf die Problematik der Annahme eines impliziten Verbs hingewiesen und brauche dies hier nicht zu wiederholen. Daß jedoch auch anscheinend von den Determinanten desubstantivischer generischer Komposita implizierte Satzfunktionen nicht zweifelsfrei unter reiner Berücksichtigung des sprachlich Gesagten nachgewiesen werden können, zeigen die Beispiele Urlauber und Revolutionär, für die P. von Polenz die Funktionen Objekt und Instrument respektive nennt13. So erscheint für Urlauber neben der wohl von P. von Polenz intendierten Basisstruktur auch unter Ansetzung eines Zustandsverbs die Basisstruktur plausibel, woraus sich die Umstandsbestimmung als implizite Satzfunktion der Basis ergibt. Schwer zu verstehen ist dagegen die Einstufung des Determinans in Revolutionär als Instrument. Gegen eine aktantielle Betrachtung der nominalen Basen generischer Komposita (im formalen Sinn) sprechen also zwei Argumente: Zum einen die schon erwähnte Normbezogenheit des anzusetzenden Verbs, die auch eine aktantielle Interpretation bezüglich der durch das Determinatum der Bildung zum Ausdruck gebrachten Topikalisierung erschwert, wenn nicht gar verhindert. Zum anderen ergibt sich unter Ansetzung eines Verbs bei Basisstrukturen von generischen Komposita, die Personenbezeichnungen darstellen, ein nicht zu unterschätzender Einfluß von Seiten der Sachkenntnis, die es nahelegt, arc als Instrument, forêt (in forestier) dagegen als Ort und chocolat (in chocolatier) als resultatives Objekt einer Handlung zu betrachten. Allerdings ist diese Interpre-
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sache Rechnung zu tragen, daß Wortbildung nicht nur auf sprachlichen Faktoren, sondern auch auf dem Sachwissen der Sprecher über die materielle Welt beruht. Ähnlich geht H. Marchand (21969, S. 45) bei desubstantivischen generischen Komposita davon aus, daß diese aus drei inhaltlichen Elementen bestehen: der lexematischen Basis, dem generischen Suffix und einem elidierten Verb. Deshalb betrachtet er die beiden Typen letter writer und novelist als parallel und sieht den Unterschied zwischen beiden darin, daß in novelist das Verb des Basissatzes nicht ausgedrückt ist. Vgl. dazu auch H. Marchand (1965a) und (1965b). Es sei am Rande darauf hingewiesen, daß die Bezeichnung einer syntaktischen Funktion als Instrument natürlich an sich nichts Syntaktisches beinhaltet, sondern wohl als Kurzformulierung für die Umstandsbestimmung des Mittels einer Handlung verstanden werden muß. Andere Bestimmungen des Determinans bei P. von Polenz enthalten dagegen keinerlei syntaktische Aussage, so etwa die Klassifizierung von Eisenbahner als Nomen agentis mit Gruppen/Institutionsbegriff als Determinans. 59
tation, die sich auch aus der Bedeutung der lexematischen Basen ergibt, nicht immer zwingend, weil die Sachkenntnis für archer auch plausibel erscheinen lassen würde. In der Tat findet sich im Spanischen die Bildung escopetero von escopeta , die sowohl den so ausgerüsteten Soldaten, als auch den Büchsenmacher bezeichnen kann. Entsprechend müßten dann für die beiden Normbedeutungen zwei unterschiedliche syntaktische Funktionen der Basis postuliert werden 14 , was offensichtlich die Einheitlichkeit der Bildung zerstören und ihre allgemeine Bedeutung in unzulässiger Weise einengen würde. Auch in diesem Zusammenhang muß auf die fundamentalen Unterschiede zwischen Wortbildung und Satzbau verwiesen werden, die vorwiegend darin bestehen, daß Wortbildungen qua Wörter benennen, während Sätze aussagen15. Während eine Aussage aber schlechthin ohne Verb bzw. Prädikat nicht möglich ist - wir sehen hier einmal ab von dem Sonderfall der Einwortsätze wie «Feuer!» etc. - , kann eine Wortbildung zur Benennung einer Substanz durchaus eine Beziehung zwischen zwei Elementen herstellen, ohne daß damit ausdrücklich eine Handlungsbeziehung impliziert wäre. Es erhebt sich somit die Frage, was an satzfunktioneller Implikation bei denominalen generischen Komposita bleibt, wenn das Basisnomen nicht als Aktant oder Zirkumstant eines weiter gefaßten Prädikats gesehen werden kann. Die Antwort hierauf ist bei J. Kurylowicz zu finden, indem wir die oben genannten generischen Komposita glacier und archer daraufhin befragen, welche «déplacements syntaxiques» ihnen gemeinsam sind. In beiden Fällen handelt es sich in semantischer Hinsicht um die Überführung einer Substanzbezeichnung (glace, arc) in eine Merkmalsbezeichnung (de glace, d'arc), die als solche ein syntagmatisches Adjektiväquivalent darstellt und folglich zur Determination eines Substantivs verwendet werden kann, welches durch das generische Element in Erscheinung tritt. Wie wir weiter oben gesehen haben, ist die syntaktische Primärfunktion des Adjektivs das Attribut, so daß sowohl archer als auch glacier eine attributive Funktion der Basis voraussetzen und damit implizieren. In Anlehnung an J. Kurylowicz stellt sich daher die Ableitungsbeziehung zwischen Basis und generischer Komposition in syntaktischer Hinsicht dar als Überführung eines Substanzbegriffs/Substantivs mittels einer syntagmatischen Transposition zu einem Qualitätsbegriff/Adjektiväquivalent, der/das das nominale Element -ier determiniert: arc —* d'arc d'arc + -ier —> archer.
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Es sei denn, man wollte die beiden Bedeutungen als Resultate einer Homonymie der Formen betrachten, was aber angesichts der Kontextbezogenheit der jeweiligen Interpretation schwierig ist, zumal nach den von K. Heger (1963) und (1970) vorgebrachten Kriterien für die Unterscheidung zwischen Homonymie und Polysemie weder das synchrone noch das diachrone Kriterium eine Klassifizierung von escopetero als zwei homonyme Bildungen rechtfertigen würde. Vgl. ferner zu dieser Unterscheidung besonders O. Ducháíek (1962). Vgl. M. Dokulil (1964), S. 223 und C.-P. Herbermann (1981), S. 123.
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Als Ergebnis dieser Überlegungen halten wir fest, daß die generischen Komposita bezüglich ihrer nominalen oder verbalen Basen eine Satzfunktion implizieren, die sich bei nominalen Basen darstellt als eine der primären Satzfunktion des Adjektivs analoge attributive Funktion, während die auf verbaler Basis gebildeten generischen Komposita eine prädikative Funktion ihrer Basen implizieren und somit von dieser Basis aus auch leichter eine satzfunktionelle Bestimmung ihrer Determinata erlauben als die denominalen. Neben diesen beiden «Grundtypen» generischer Komposita besitzt das Romanische noch einen weiteren Typ, den man als sekundären Kompositionstyp bezeichnen kann. Dieser Typ, der besonders im Französischen progredient produktiv ist, umfaßt beide Grundtypen und vereinigt in sich daher sowohl die Charakterisierung einer Substanz als Handlungsbeteiligte wie auch ihre Relation zu einer anderen, attributiv hinzugefügten Substanz. Es handelt sich um den Typ garde-cotes, tire-bouchon, perce-neige, der in syntaktischer Hinsicht neben dem Subjekt bzw. dem Mittel der Handlung die Handlung selbst und das Objekt dieser Handlung in sich vereinigt16. Synchron gesehen haben wir es also mit generischen Komposita wie *gardeur, *tireur etc. zu tun, die als Substanzbegriffe um weitere Substanzbegriffe wie cötes oder bouchon attributiv erweitert werden, also in dieser Phase spezifische, lexematische Komposita darstellen. «Sekundär» an diesem Kompositionstyp des Romanischen ist die Tatsache, daß er die Charakteristika der beiden oben unterschiedenen Arten von generischen (und spezifischen) Komposita in sich vereinigt: Durch die verbale Basis des generischen Kompositums *gardeur, *tireur ergibt sich eine zweifelsfreie Zuordnung der durch das generische Element intendierten Substanz als Handlungsbeteiligte, in diesem Fall als Ursache oder Ausführende der Handlung, während die anschließende spezifische Komposition attributiv funktioniert, also in gleicher Weise wie die denominalen generischen Komposita. Ein Vergleich der konkurrierenden Bildungen des Romanischen läßt die Parallelität und die Unterschiede der Verfahren offen zutage treten. Nach den beteiligten Elementen und der Art der impliziten Satzfunktion entsprechen sich im Französischen die Bildungen forestier und tire-bouchon insofern, als sie beide ein nominales Element enthalten, welches durch ein weiteres nominales Element
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Vgl. dazu die Ausführungen bei E. Coseriu (1977) und die materialreiche Dissertation von M. Bierbach (1982), wo vor allem die Herausbildung dieses Typs im Französischen dargestellt wird. Über den Wortbildungstyp im Spanischen informieren V . F . Koenig (1953) und P.M.Lloyd (1968). Eine transformationeile Analyse der Bildungen unternimmt W. Bennett (1977) und (1978). ). Mit E. Coseriu (1977), S. 57 kann man annehmen, «daß in der Phase der lexematischen Komposition das prolexematische Kompositum durch Unterdrückung der dafür möglichen Suffixe reduziert wird.» Gleichzeitig weist Coseriu (ibid.) darauf hin, daß das determinierende nominale Element dieses Typs nicht ausschließlich auf die syntaktische Funktion des Objekts der Handlung beschränkt ist, sondern auch andere Funktionen repräsentieren kann, so z. B. eine Umstandsbestimmung der Zeit in réveille-matin.
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attributiv erweitert und damit in seiner Extension eingeschränkt wird. Im Falle von forestier ist dieses Element eine Pronominalform, die die Substanz bezeichnet, so daß die ganze Bildung paraphrasiert werden kann als «un X relatif à la forêt» bzw. unter genauerer Berücksichtigung der klassematischen Ausrichtung des generischen Elements als «quelqu'un de la forêt». Aus dieser systematischen Bedeutung der Bildung ergeben sich die beiden wichtigsten Normbedeutungen (cf. TLF 8, S. 1075b) und . - In der Bildung tirebouchon lassen sich die unmittelbaren Bestandteile *tireur und bouchon identifizieren, wobei die Bildung paraphrasiert werden kann als . Die Handlungsbeziehung, die im zweiten Beispiel auch die syntaktische Funktion des Objekts bei bouchon nahelegt, ist im Nomen agentis * tireur enthalten, weshalb diese Bildungen meist «vollständig», d. h. nicht nach den einzelnen Stufen der Komposition analysiert werden als «un X qui tire les bouchons»17. Die hier durchgeführte Analyse zeigt jedoch, daß eine solche analysierende Paraphrasierung eher geeignet ist, die den Elementen mitgegebenen Funktionen zu verschleiern als offenzulegen. Kehren wir zurück zu unserem Ausgangspunkt, nämlich der kontrastiven Betrachtung der impliziten Satzfunktionen der beiden Arten von generischen Komposita - die «Sekundärkomposita» vom Typ tire-bouchon brauchen uns nicht weiter zu beschäftigen, da sie, wie wir gesehen haben, auf ihren beiden Kompositionsstufen prinzipiell keine anderen als die bei den beiden Grundtypen generischer Komposita festgestellten Charakteristika aufweisen - , so ergibt sich bezüglich der in der jeweiligen Basis enthaltenen Satzfunktion eine Unterscheidung zwischen attributiven und prädikativen Basen, weshalb man von «prädikativen» bzw. «attributiven generischen Komposita» sprechen kann, deren Unterschied im wesentlichen darin besteht, daß die prädikativen die durch das generische Element bezeichnete Substanz als an einer Handlung beteiligt ausweisen, während die attributiven eine nicht primär handlungsbezogene Relation zwischen zwei Substanzen herstellen, wodurch die eine in ihrer 17
Nur unter Zugrundelegung dieser oder einer analogen Paraphrase erscheint die Gleichsetzung des unmittelbaren Determinans' mit einer vom Verb abhängigen Satzfunktion wie Objekt, Umstandsbestimmung der Zeit, des Ortes etc. gerechtfertigt, während die in diesem Element in Wirklichkeit mitgegebene Satzfunktion eine attributive ist. Dies gilt auch für das oben erwähnte Beispiel réveille-matin, das systematisch nur die Bedeutung oder , lidiador 29. In inhaltlicher Hinsicht rekurrieren damit beide Lesarten der Bildung auf -isme letztlich auf die Basis organe. Da es sich in der Wortbildungslehre jedoch nicht darum handeln kann, die letztendliche Basis einer Ableitung zu identifizieren, sondern unter inhaltlichen Gesichtspunkten die Implikation eines primären oder sekundären Wortes in einem Wortbildungsprodukt konstatiert und beschrieben werden muß, kann nur die zweite Lesart auf das Adjektiv organique zurückgeführt werden, während die erste unmittelbar auf organisation rekurriert, in dessen Ableitungsreihe (organe —> organiser) das Adjektiv organique gar nicht vorkommt. 3.6.2. Die Schwierigkeit einer funktionellen Analyse des Suffixes -isme besteht zunächst darin, daß es sich hierbei um ein sehr verbreitetes Wortbildungsmittel handelt, dessen Bezeichnungsvielfalt enorm ist. Ferner rekurrieren die realisierten Bildungen auf recht unterschiedliche Basen, wobei auch Fälle von fehlendem Grundwort im Französischen vorkommen (wie z.B. métabolisme). Es läßt sich schließlich feststellen, daß die realisierten Bildungen zu ihren Basen in teilweise sehr vager morphologischer Beziehung stehen, was noch dadurch verstärkt wird, daß auch die Art der Implikation dieser Basis idiosynkratisch stark variiert. In einer Bildung wie journalisme kann man daher drei unterschiedliche derivationelle Ausrichtungen erkennen: die Lesart stellt eine Nominalisierung von être journaliste dar, ist also zum Wortbildungstyp der Entwicklung zu stellen30; die Lesart 29 30
Vgl. Petit Robert, s. v. Es handelt sich hierbei um den von B. Laca (1986, S. 513-519) isolierten Fall einer Ableitungsbeziehung zwischen der Bildung auf -ista und der auf -ismo. Danach kann
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(veraltet) beinhaltet ein kollektives Verfahren und gehört daher zum Wortbildungstyp der Modifizierung; schließlich bezeichnet die Bildung auch eine sprachliche Eigenheit in lexikalischer oder stilistischer Hinsicht, die paraphrasiert werden kann als analphabétisme), beinhalten die weitaus meisten der realisierten Bildungen über die Nominalisierung hinaus noch ein weiteres Element, das vor allem für den Kontrast zu «normalen» Nomina actionis und Nomina qualitatis verantwortlich ist. Man kann diesen Inhaltszug vielleicht am besten mit wiedergeben. In den Wörterbüchern erscheint er dann zumeist in der Formulierung «ensemble», sofern die lexikographische Definition sich auf einzelne Entitäten bezieht. So wird beispielsweise athlétisme als beschrieben, was als Nominalisierung eines komplexen Prädiktas oder ähnlich aufgefaßt werden kann. In vergleichbarer Weise wird bei anderen Nominalisierungen verbaler Strukturen diese Globalisierung durch andere sprachliche Einheiten zum Ausdruck gebracht. Die Bildung nationalisme unterscheidet sich von nationalité nicht nur durch den Inhaltszug der , sondern auch durch das, was der Petit Robert als «exaltation» zu beschreiben versucht31. Wie augmentative Bildungen
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Das gleiche Verhältnis läßt sich auch zwischen neutralisme und neutralité konstatieren.
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leicht ins Pejorative im Sinne eines übergehen können, so kann die Globalisierung bei den Bildungen auf -isme den Effekt eines bewirken, was dann in der lexikographischen Definition als «trop» erscheinen kann. Daher ist tolérantisme im Gegensatz zu tolérance als paraphrasiert werden kann, sondern eher als . Aber faire des taches + Nominalisierung ergibt noch nicht tachisme, sondern eine Bildung wie *tachement, *tachure (vgl. tacheture), der das Systemhafte, Globale, Doktrinäre von tachisme fehlt. Daher kann tachisme funktionell nur beschrieben werden als , also als globalisierendes genetisches Kompositum im Rahmen der Substanzrelation. Ebenso ist structuralisme weder als . Unter dem Aspekt der konstanten Bezeichnung läßt sich bei diesem Suffix erkennen, daß der häufig die alleinige Realisierung darstellt und auch in Neubildungen in einer Regelhaftigkeit in Erscheinung tritt, die über das idiosynkratisch Konstatierbare weit hinausgeht. Wir können folglich die Ortsfunktion als eine Verselbständigung der im Bereich der prädikativen Nominalisierung sekundär erscheinenden Topikalisierung der Umstandsbestimmung des Ortes betrachten, die mit der quantifizierenden Funktion des Suffixes in engem Zusammenhang steht. Aufgrund dieser Merkmale reihen sich die Ableitungen auf -erie / -eria mit Ortsfunktion ein in das generische Verfahren der Relation zwischen einer (mehr oder weniger quantifizierten oder globalisierten) generischen Sachbezeichnung und einer Basis. Welchem Wortbildungstyp eine realisierte Ableitung zuzurechnen ist, läßt sich allein anhand der Betrachtung der formalen Einheiten nicht feststellen. Entscheidend für eine solche Zuordnung ist das inhaltliche Verhältnis zwischen der Basis und dem Wortbildungsprodukt unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Plausibilität einer entsprechenden Bezeichnung. Eine Ableitung aus einer Substanz, die üblicherweise als Handelsware aufgefaßt wird, macht die Bezeichnung dar 3 5 . D a die Bildungen auf -ier I -ière 35
Vgl. dazu insbesondere R.Tomassone / B.Combettes (1970) und E.Dieckmann (1975) (mit einem Kommentar von C. Rohrer (1975)) zum Französischen; W. E. Geiger (1966-67) und D. G.Pattison (1975b) zum Spanischen. 218
und -ero / -era nur als Bezeichnungen in diesem funktionellen Bereich vertreten sind, kommen Überschneidungen mit Bezeichnungen anderer funktioneller Bereiche grundsätzlich vor. Hier soll jedoch nur die Relation in Bezug auf eine quantifizierte Basis dargestellt werden. aveinière avoine buissière «— buis fraisière