Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse [1 ed.] 9783428424283, 9783428024285


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Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse [1 ed.]
 9783428424283, 9783428024285

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 153

Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse

Von

Hans-Ulrich Jerschke

Duncker & Humblot · Berlin

HANS-ULRICH

JERSCHKE

Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse

Schriften zum öffentlichen Band 153

Recht

Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse

Von Dr. Hans-Ulrich Jerschke

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten Gedruckt 1971 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 © 1971 Duncker & Humblot, Berlin 41 Printed in Germany ISBN 3 428 02428 1 D 29

Meinen Eltern

Vorwort Die Fragestellung dieser Arbeit gibt Anlaß, eine aktuelle Bestandsaufnahme des heißumstrittenen und vielbeschriebenen Presseverfassungsrechts zu versuchen und zugleich ein Anliegen der Praxis als Problem der Theorie zu sehen und zu lösen: das Informationsrecht des Journalisten gegenüber Behörden. Dabei ist Gelegenheit, zentrale Diskussionspunkte des öffentlichen Rechts klarzulegen und mit eigener Stellungnahme zu versehen, so die Wahrnehmung „öffentlicher Aufgaben" durch Private, die Relevanz von „öffentlichen Interessen" und die Dogmatik der Grundrechte in ihrem belebenden Widerspruch zwischen individueller Abschirmung und kollektiver Anteilnahme. Die Kommunikationsgrundrechte, speziell die Meinungsäußerungsfreiheit, ergeben Argumente für eine „Freiheit zum Staat". Die publizitätsferne, gewaltenverwischende Entscheidungssituation zwischen Regierung und Parlament erfordert eine Dui chleuchtung der Öffentlichkeitsgebote des Grundgesetzes für die drei Gewalten, insbesondere aus den Staatsformbestimmungen (Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat). Die daraus resultierende Öffentlichkeitspflicht trifft vor allem die Exekutive. „Öffentlichkeitsarbeit" läßt sich so als staatserhaltende Notwendigkeit begreifen und von bloß machterhaltender Propaganda abgrenzen. Die Verfassung ist Richtschnur für das Publizitätsverhalten der Exekutive. Die Untersuchung lag i m Sommersemester 1970 der juristischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation vor. Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis Oktober 1970 ausgewertet. Die Anregung zum Thema ging von Herrn Professor Dr. Walter Leisner aus, der m i r mit vielfachem Rat auch während der Bearbeitung stets aufgeschlossen zur Seite stand. Hierfür möchte ich ihm herzlich danken. Mein Interesse für die behandelte Problematik beruht auf journalistischen Erfahrungen bei der „Augsburger Allgemeinen" und beim Westdeutschen Rundfunk in Köln. Augsburg, 1.1.1971

Hans-Ulrich Jerschke

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung I. Die Fragestellung I I . Der Gang der Untersuchung B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive I. Die Exekutive i m System der Gewaltenteilung 1. Die Lehre von Montesquieu

21 21 22 23 23 23

2. Die Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz

25

a) Ihre Bedeutung i m Verfassungssystem

25

b) Die Exekutive als 2. Gewalt 3. Die Regierung als 4. Gewalt

26 27

4. Der Bereich der Regierung als T e i l der Exekutive

29

a) Abgrenzung aus dem „Begriff des Politischen" b) Die Regierungsbegriffe c) Differenziertes Ermessen d) Die Exekutivorgane 5. Die Wesensmerkmale von Regierung und Verwaltung

29 29 30 30 31

a) Gubernative b) Administrative I I . Die Gesetzespolitik der Exekutive 1. Die Vorbereitungsphase a) Gesetzesinitiative durch die Regierung b) Exekutive als Informationsgewalt c) Der Einfluß der Verbände 2. Die Ausschußphase a) Die Teilnahme der Beamten b) Öffentlichkeit der Ausschüsse? 3. Ausfertigung u n d Verkündung a) Die Ausfertigung b) Die Verkündung 4. Zusammenfassung I I I . Die Verordnungspolitik der Exekutive 1. Bedeutung

31 31 32 32 32 33 35 36 37 38 39 39 39 40 40 41

nsverzeichnis

10

2. Die Entstehung der Rechtsverordnungen

41

a) Ihre Nicht-Öffentlichkeit

41

b) Publizitätseffekt durch A r t . 80 GG?

42

3. Ausfertigung u n d Verkündung

43

4. Ergebnis

43

I V . Die Verwaltungspolitik der Exekutive 1. Die Eingriffsverwaltung a) Die F u n k t i o n von Verwaltungsvorschriften b) K e i n Publikationszwang 2. Die Leistungsverwaltung

43 44 44 45 46

a) G i l t der „Vorbehalt des Gesetzes"?

46

b) Haushaltsplan als Publikationsersatz?

47

3. Der Innenbereich der Exekutive

48

a) Das Haushaltsrecht b) Das Organisationsrecht c) Die besonderen Gewaltverhältnisse d) Die Fiskalverwaltung 4. Ergebnis

48 48 49 49 50

V. Die Sondergewalten 1. Die Auswärtige Gewalt

50 50

2. Die Verteidigungsgewalt

51

3. Die Prüfungsgewalt

52

4. Ergebnis

52

V I . Die Selbstverwaltung 1. Die unmittelbare demokratische Legitimation 2. Gefährdung der Bürgernähe V I I . Zusammenfassung C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung I. Ausdrückliche Öffentlichkeitsgebote 1. Die ParlamentsöfTentlichkeit a) Die Öffentlichkeit des Bundestages b) Die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen aa) Allgemeine Ausschüsse bb) Untersuchungsausschüsse cc) Die besonderen Ausschüsse c) Die Öffentlichkeit des Bundesrates d) Ergebnis 2. Die Parteienöffentlichkeit

52 52 53 54 55 55 55 55 58 58 59 59 60 60 61

nsverzeichnis a) b) c) d)

Die Rechenschaftspflicht Die innere Ordnung Die Staatsnähe der Parteien Ergebnis

3. Zusammenfassung I I . Das Öffentlichkeitsgebot in den Staatsformbestimmungen 1. Demokratie a) Die Öffentlichkeit des Parlaments als Repräsentationsorgan aa) Die Öffentlichkeit i m liberalen Prinzip der Repräsentation bb) Die Öffentlichkeit i m identitären Parteienstaat cc) Die Öffentlichkeit i m Prinzip der demokratisch-parlamentarischen Repräsentation b) Die Öffentlichkeit der Exekutive als Repräsentationsorgan aa) Die Delegation der Staatsgewalt bb) Die Verantwortung der Regierung cc) Die Kontrolle der Regierung dd) Die Eigenständigkeit der Regierung c) Die Öffentlichkeit als Voraussetzung des „Staatszieles Demokratie" d) Die Öffentlichkeit der Justiz e) Ergebnis

11 61 61 62 63 63 64 64 65 65 67 68 71 72 73 73 74 75 76 77

2. Rechtsstaat

77

a) Die Transparenz des Grundgesetzes b) Die Publikation der Gesetze c) Der Grundsatz der Normklarheit d) Folgerungen aus der Rechtsschutzgarantie e) Rechtsstaatliche Publizität i n der Leistungsverwaltung f) Das Ideal der Berechenbarkeit staatlicher Machtäußerungen g) Ergebnis 3. Sozialstaat

78 78 79 80 81 82 83 83

a) Die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber b) Verhaltenspflichten für die Exekutive c) Ergebnis

83 84 85

4. Zusammenfassung

86

I I I . Person und Information

86

1. Die personale Wertentscheidung a) Der Mensch als Person b) Der Mensch als sozialverschränktes Wesen c) Das Prinzip politischer Selbst(mit)bestimmung

86 86 88 88

2. Das Menschenbild des Grundgesetzes

89

a) Der Mensch u n d die Exekutive b) Das B i l d v o m „Bürger" c) Ergebnis

89 90 91

nsverzeichnis

12

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

92

1. Das Grundgesetz als Wertsystem

92

2. Die Meinungsäußerungsfreiheit

93

a) Die Meinungsäußerungsfreiheit als Freiheitsrecht b) Die M i t w i r k u n g s f u n k t i o n aa) Das Ende der Staatsverneinung bb) Die Meinungsäußerungsfreiheit als Kommunikationsrecht cc) Der „status publicus" dd) Die Realisierung des Mitwirkungsrechts c) Informationsempfang als Voraussetzung der Meinungsäußerungsfreiheit aa) Meinung als Reaktion auf Information bb) Realisierungsfaktor: Publizität der Staatsgewalt d) N u r Empfangsfreiheit als A n n e x zum „status publicus" e) Das Verhältnis von Empfangs- und Informationsfreiheit f) Ergebnis 3. Die Informationsfreiheit a) Recht auf Eröffnung staatlicher Informationsquellen? b) Einfluß auf die Qualität der Quellen c) Ergebnis 4. Versammlungs- u n d Vereinigungsfreiheit a) Die Versammlungsfreiheit b) Die Vereinigungsfreiheit c) Der Kommunikationscharakter von A r t . 8 u n d 9 GG

93 96 96 98 99 100 101 102 102 103 104 106 106 107 109 110 111 111 112 113

5. Das Petitionsrecht

113

6. Das Widerstandsrecht

115

7. Ergebnis: Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns als Wertaspekt des Grundgesetzes

115

V. Zusammenfassung D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive I. Die verfassungsrechtliche Intensität der Öffentlichkeitsverpflichtung der Exekutive 1. Die Legitimation der Exekutive durch den Staatsbürger

116 117

117 117

a) Die W a h l als Legitimationsbegründung b) Information zur Legitimationserhaltung

118 120

2. Die Dezisionsbetroffenheit des Staatsbürgers

122

a) Sicherung des Bürgers b) Erleichterung der Dezision aa) Loyalität durch Öffentlichkeit bb) Information als Verwaltungszweck cc) Publizität u n d Planung dd) Die kommunale Öffentlichkeit ee) Ergebnis

122 124 124 124 125 127 127

nsverzeichnis 3. Die Kontrolle der Exekutive a) Die Intra-Organ-Kontrolle b) Die Inter-Organ-Kontrolle durch die Justiz c) Die Inter-Organ-Kontrolle durch die Legislative aa) Kontrollrechte des Gesamtparlaments bb) Kontrollrechte einer Parlamentsminderheit cc) Bedeutung der Kontrollrechte dd) Folgerungen d) Ergebnis 4. Zusammenfassung I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots 1. Das Staatsgeheimnis a) Die Ausscheidung illegaler Staatsgeheimnisse b) Begriffselemente des Staatsgeheimnisses c) Dispositionsbefugnis der Staatsorgane? 2. Das Amtsgeheimnis a) Positivrechtliche Anhaltspunkte aa) Die Amtsverschwiegenheit bb) Die Aussagegenehmigung cc) Die Verrechtlichung der Geheimhaltungsinteressen b) Das Verwaltungsinteresse als Grenze aa) Die Funktionsfähigkeit als Verfassungsgebot bb) Die Interessen der beteiligten Amtsträger cc) Die Sicherung der Verwaltungseffizienz dd) Die F o r m der Verwaltungspublizität 3. Der Schutz privater Interessen a) Die aa) bb) b) Die c) Der

Schutzbestimmungen Ausdrückliche Schweigegebote Die generelle Aussage des Grundgesetzes erlaubte Preisgabe Schutz organisierter Interessen

4. Ergebnis I I I . Die Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots 1. K a n n die Eigeninformation das Öffentlichkeitsgebot erfüllen? . . a) Die Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive b) Der Wert der Eigeninformation aa) Die Authentizität bb) Die Staatspflege cc) Zusammenfassung c) Mängel der Eigeninformation aa) Nach Gegenstand bb) Nach F o r m d) Ergebnis

13 127 128 129 130 130 131 132 134 134 135 135 135 136 137 138 138 139 139 139 140 141 141 142 143 145 145 145 145 146 147 149 150 150 151 151 154 154 154 156 156 156 158 158

nsverzeichnis

14

2. Außeninformation als E r f ü l l u n g des Öffentlichkeitsgebots

158

a) F u n k t i o n

158

b) Mängel der Außeninformation

159

3. Die Form der Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots

159

a) Z u t r i t t b) Einsicht c) A u s k u n f t d) I h r gegenseitiges Verhältnis 4. Ergebnis

159 160 160 161 161

IV. Die Realisierung des Öffentlichkeitsgebots durch ein allgemeines Informationsrecht des Staatsbürgers gegen die Exekutive

161

1. Die Ablehnung aus pragmatischen Gründen

162

2. Die Zuerkennung eines besonderen Informationsrechts a) Das besondere Informationsrecht i m verwaltungsgerichtlichen Verfahren b) I m Verwaltungsverfahren c) Außerhalb des Verwaltungsverfahrens

162 163 163 164

3. Das allgemeine Informationsrecht nach dem Grundgesetz

164

a) b) c) d)

Aus A r t . 17 GG Aus der Gewährleistung der Menschenwürde Aus dem Prinzip effektiven Rechtsschutzes Aus A r t . 5 I GG aa) Aus der Meinungsäußerungsfreiheit bb) Aus der Informationsfreiheit

164 165 165 166 166 166

V. Zusammenfassung

166

E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

168

I. Die Stellungnahmen zum Informationsrecht des Journalisten

169

1. Ablehnende Stimmen

169

a) Darstellung

169

b) Ergebnis

172

2. Positive Stimmen

172

a) Darstellung b) Ergebnis 3. Zusammenfassung

172 174 174

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts der Pressefreiheit

aus

1. Die Äußerungsfreiheit als Grundlage des Informationsrechts .. a) Die Lösung von Windsheimer b) K r i t i k c) Folgerungen

175 176 176 176 179

nsverzeichnis 2. Die Eigenständigkeit der Pressefreiheit

15 179

a) Die Entstehungsgeschichte aa) Die Berichterstattungsfunktion i n den Entwürfen bb) Die Bedeutung der Informations Vermittlung

180 180 181

b) Die Abgrenzung Meinung—Tatsache aa) Die Einheitsauffassung bb) Die schwerpunktartige Unterscheidung

182 182 183

c) Das Verhältnis von Pressefreiheit u n d Meinungsäußerungsfreiheit aa) Die geschützten Betätigungen der Pressefreiheit a) Meinungsäußerung S. 185 — ß) Anzeigen, Unterhaltung S. 186 — y) Presseorganisationsfreiheit S. 187 — 8) Freiheit der Nachrichtenbeschaffung S. 188 — e) Redaktionsgeheimnis S. 189 — ¡j) Ergebnis S. 190 bb) Die geschützten Personen a) Der materielle Pressebegriff S. 191 — ß) Die G r u n d rechtsträger S. 193 — y) D e r Journalist als Grundrechtssubjekt S. 194 — 5) Das Zugangsrecht zur Presse S. 196 — e) Ergebnis S. 197

185 185

190

d) Der Eigenwert der Pressefreiheit aa) Einwand: A r t . 18 GG bb) Einwand: Inhaltliche Ubereinstimmung

197 198 199

e) Ergebnis

199

3. Der „status publicus" des Journalisten als Grundlage

200

4. Zusammenfassung

200

I I I . Die Rolle der Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 1. Der Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß

201 201

a) Die Rechtsprechung aa) Darstellung bb) Kritische Würdigung

201 201 203

b) Die aa) bb) cc) dd)

204 204 205 206 207

Faktoren der Volkswillensbildung Kirchen Verbände Parteien Der Vergleich m i t der Presse

c) Der Begriff der Öffentlichkeit aa) Die A r t e n von Öffentlichkeit bb) Die hergestellte Öffentlichkeit cc) Ergebnis

209 210 212 213

d) Die öffentliche Meinung aa) Begriff u n d Wesen der öffentlichen Meinung bb) Presse u n d öffentliche Meinung

213 214 216

e) Ergebnis

218

2. Die Presseerzeugnisse als Informationsquellen

218

nsverzeichnis

16

a) Die Informationskraft der Presse b) Die Bedeutung für den Leser aa) Kollektion, Translation, Transmission bb) Der Leser als Konsument

218 220 220 220

c) Gefährdung der Informationskraft

221

3. Zusammenfassung I V . Die kollektivrechtliche Begründung des Informationsrechts 1. Vollzug der „öffentlichen Aufgabe" der Presse

223 223 223

a) Der allgemeine Begriff der öffentlichen Aufgabe b) Der externe Informationsanstoß als öffentliche Aufgabe c) Die öffentliche Aufgabe der Presse aa) I n h a l t bb) Rechtliche Irrelevanz oder Sonderbindung?

224 226 227 227 228

d) Begünstigungen aus der öffentlichen Aufgabe

229

aa) Die Informationsvermittlung als öffentliche Aufgabe der Presse bb) Die öffentliche Aufgabe der Außeninformation als A u f gabe der Presse cc) Ergebnis e) Bedenken gegen Sonderrechte aus der öffentlichen Aufgabe aa) Sonderrechte als „Privilegien"? bb) cc) dd) ee) ff) f) Die

Die Fehl interpretation von „Aufgabe" Besteht eine Erfüllungspflicht? Die Sorgfaltspflicht der Presse Inpflichtnahme des Journalisten Ergebnis Weite des Normsetzungsermessens

g) Zusammenfassung 2. Informationsrecht und institutionelle Garantie der Presse a) Die Bedeutung der „institutionellen Garantie" aa) Die Anspruchsbewehrung bb) Zweck: Grundrechtsverstärkung

229 230 231 231 232 232 233 234 236 237 237 239 239 239 239 240

b) Die institutionelle Garantie der Presse c) Informationsminimum als Manipulationsvorsorge

241 242

d) Ergebnis

243

3. Die Durchsetzung des Informationsrechts a) Die praktische Durchführung b) Sanktionen

243 243 245

nsverzeichnis V.

Zusammenfassung

17 246

F. Schlußbemerkung

247

Literaturverzeichnis

248

Sachregister

268

AbkürzungaVerzeichnis a. A . Abg. a. F. ALR AO AöR ArchPR ArchVR ARSP BayBG BayGO BayPrG BayVerfGH Ba-WüPrG BB BBG Beschl. BFH BGB BGHSt BGHZ BHO BK BPA BRRG BT BV BVB1. BVerfG BVerfGG BVerwG DÖV DVB1. E EDV FGG

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

FGO

=

anderer Ansicht Abgeordneter alte Fassung Allgemeines Landrecht Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv f ü r Presserecht Archiv des Völkerrechts Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie Bayerisches Beamtengesetz Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern Bayerisches Gesetz über die Presse Bayerischer Verfassungsgerichtshof Baden-Württembergisches Gesetz über die Presse Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Beschluß Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bonner Kommentar Presse- u n d Informationsamt der Bundesregierung Beamtenrechtsrahmengesetz Bundestag Verfassung des Freistaates Bayern Bayerische Verwaltungsblätter Bundesverfassungsgericht Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung Elektronische Datenverarbeitung Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung

Abkürzungsverzeichnis

19

GenG

=

Gesetz, betreffend die Erwerbs- u n d Wirtschaftsgenossenschaften

GewO GG GGOI

= = =

Gewerbeordnung Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien — Allgemeiner T e i l

GGO I I GO-BRat GO-BReg GO-BT GVG GV(0)B1. HbDStR HDSW HessPrG HessVerf. h. L . h. M. Hs. IF insbes. IR i. S. v. i. V. m. jew. Jhd. JIR JöR JuS JZ 1. Sp. Ls. m. ausf. Nachw. m. a. W. MdB MDR MF m. w . Nachw. n. F. N. F. NJW OVG ÖJZ PartG

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

— Besonderer T e i l Geschäftsordnung des Bundesrats Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Bundestages Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- u n d Verordnungsblatt Handbuch des Deutschen Staatsrechts Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Hessisches Pressegesetz Verfassung des Landes Hessen herrschende Lehre herrschende Meinung Halbsatz Informationsfreiheit insbesondere Informationsrecht i m Sinne von i n Verbindung m i t jeweils Jahrhundert Jahrbuch f ü r Internationales Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Schulung Juristenzeitung linke Spalte Leitsatz m i t ausführlichen Nachweisen m i t anderen Worten M i t g l i e d des Bundestages Monatsschrift f ü r Deutsches Recht Meinungsäußerungsfreiheit m i t weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Oberverwaltungsgericht österreichische Juristenzeitung Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz)

Abkürzungsverzeichnis

20 PF PrG PVS r. Sp. RdPubl. RGBl. RGSt RHO RiA RPG RStW RV SGG StÄG std. Rspr. StGB StGH StPO SchweizBV SchweizJZ UFITA UWG VersG VerwArch VVDStRL VwGO WRV ZBR ZEE ZfP Z. f. SchweizR ZgesStW ZPO ZRP ZZP

= = = = = = = = = = = =

= =

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=

=

= =

= = = =

= = =

Pressefreiheit Pressegesetz Politische Vierteljahresschrift rechte Spalte Recht der Publizistik Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts i n Strafsachen Reichshaushaltsordnung Recht i m A m t Reichspressegesetz Recht, Staat, Wirtschaft Reichsverfassung Sozialgerichtsgesetz Strafrechtsänderungsgesetz ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung Schweizerische Bundesverfassung Schweizerische Juristenzeitung Archiv für Urheber-, F i l m - , F u n k - u n d Theaterrecht Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über Versammlungen u n d Aufzüge (Versammlungsgesetz) Verwaltungsarchiv Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Evangelische E t h i k Zeitschrift für P o l i t i k Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Zivilprozeß Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einleitung I. Die Fragestellung Ist die öffentliche Gewalt öffentlich? Die nur scheinbar paradoxe Frage enthüllt den Doppelsinn von „öffentlich" und bezeichnet zugleich den hier auftretenden Widerspruch: Das Handeln i m Interesse aller entzieht sich der Wahrnehmung aller. Ob diese Diskrepanz besteht, ob sie zu Recht besteht, wie und wie weit sie von Verfassungs wegen ausgeglichen werden muß, das soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Dabei werden zunächst Umfang und Grenzen des Öffentlichkeitsgebots geprüft, das die Verfassung der vollziehenden Gewalt auferlegt. Die Exekutive besitzt zwar in der Dreiheit der Gewalten nach traditioneller Auffassung nur die zweite Position, macht aber in ihrer Eigenschaft als „informierte Gewalt" den Führungsanspruch geltend. So ist die Frage berechtigt: Hat sie auch „informierende Gewalt" zu sein? Der Öffentlichkeitspflicht der Exekutive w i r d das Informationsrecht der Presse gegenübergestellt. Die Publizität der Staatsgewalt könnte auf diese Weise auch von außen her erzwungen werden. Wenn Journalisten dem Anspruch genügten, die kritischsten Leute zu sein, die es gibt, dann wäre das Informationsrecht in den richtigen Händen. Unter den Publizisten ist der Wert eines Auskunftsanspruches allerdings umstritten; sie verlassen sich mehr auf formlose Beziehungen als auf förmliche Rechte. Dennoch hat ein verfassungskräftiges Informationsrecht gerade gegenüber legalitätsgebundenen Behörden seine volle Berechtigung. Auch die Landesgesetzgeber haben den Auskunftsanspruch als wichtig genug für eine Verankerung in den Pressegesetzen angesehen. Die verfassungsrechtliche Grundlegung w i r d damit nicht überflüssig. Sie verleiht größere Autorität und erhält das Iniormationsrecht auch dann aufrecht, wenn es die einzelnen Normgeber veränderten oder abschafften. M i t der Untersuchung des Informationsrechts der Presse w i r d eine sinnvolle Beschränkung auf das älteste und immer noch unersetzbare Massenmedium vorgenommen, ohne entsprechende Berechtigungen der anderen Kommunikationsmittel zu leugnen.

22

A . Einleitung

II. Der Gang der Untersuchung Nach dem Publizitätsverhalten der Exekutive (Teil B) w i r d das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung untersucht (C). Dem folgt die Eingrenzung auf die Öffentlichkeitsverpflichtung der Exekutive (D), bevor in Abschnitt E. das Informationsrecht des Journalisten gegen Behörden der vollziehenden Gewalt analysiert werden kann.

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive Der Idealfall ist einfach zu schildern, aber ebenso leicht in seiner Unwirklichkeit nachzuweisen: Bei der Exekutive ist alles offen, alles sichtbar. Es w i r d nichts verschleiert, nichts verborgen. Die Informationen fließen ungehemmt, für jeden erfaßbar, der sie aufnehmen will. Wäre das der Fall, so wäre ein Informationsanspruch, der doch ein tatsächliches Hindernis m i t rechtlicher Rückenstärkung überwinden hilft, teuere, weil sinnlose Illusion. I n diesem Abschnitt soll deshalb untersucht werden, wie sich die vollziehende Gewalt nach außen verhält: Zieht sie eine Mauer des Schweigens um sich oder macht sie ihre Tore auf? Die Realanalyse des Publizitätsverhaltens der vollziehenden Gewalt soll unter Berücksichtigung der ihr eröffneten rechtlichen Möglichkeiten die Frage beantworten. Vorauszugehen hat jedoch die Umgrenzung des Zielbereichs des untersuchten Anspruchs: Was ist die „Exekutive"? I. Die Exekutive im System der Gewaltenteilung Das Prinzip der Gewaltenteilung, die klassische Zuständigkeitsmaxime des Rechtsstaats 1, zeichnet den Ausgangspunkt vor: Die gesetzgebende Gewalt (Legislative) steht neben der vollziehenden (Exekutive) und rechtsprechenden Gewalt (Judikative). I n dieser Reihenfolge gelten die Gewalten als vielbesprochene, in ihrem Umfang aber auch stark umstrittene Fixpunkte i n Allgemeiner Staatslehre und Staatsrecht. 1. Die Lehre von Montesquieu

Charles Montesquieu (1689—1755) hat durch sein Buch „De l'Esprit des Lois" (1748)2 die Lehre von der Gewaltenteilung formuliert, wenngleich Ansätze schon bei Aristoteles, Piaton und John Locke zu finden sind 3 . Dabei w i l l Montesquieu kein abstraktes Modell liefern, sondern angesichts der zeitgenössischen Erfahrungen ein praktisches System schaffen, das die Balance zwischen den Gewalten herstellen und be1 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, B e r l i n 1968, S. 92 m. w . Nachw. i n Fn. 19. 2 Montesquieu, C., V o m Geist der Gesetze, I n neuer Übertragung eingeleitet u n d herausgegeben von E. Forsthoff, Z w e i Bände, Tübingen 1951. 3 Nachweise bei Zippelius, R., Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., München 1970, § 20 I (S. 125 ff.).

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

24

sonders die Macht der Monarchen schwächen soll 4 . U m dieses Ziel zu erreichen, wagt er i m Gegensatz zu seinen Vorgängern den entscheidenden Schritt, nicht nur objektive Staatsfunktionen gemäß den bestehenden Einrichtungen zu unterscheiden, sondern diese auch bestimmten, voneinander getrennten Organen zuzuweisen 5 . Dies gilt für i h n als das grundlegende Erfordernis politischer Freiheit 8 . Die funktionelle und organisatorische Aufgliederung hat aber auch für Montesquieu einen positiven Aspekt, spricht er doch vom „aller de concert", also vom Zusammenwirken aller Kräfte zwecks Ausgleichs i m Ganzen7. Er postuliert die Gewaltenbalance 8 , die Faktor der Einheit, nicht der Spaltung sein soll 9 . A u f diese Weise w i r d der Einflußraum verschiedener Machtgruppen gesichert und gegenseitig ausbalanciert 10 . Den Bereich der Exekutive 1 1 , der 2. Gewalt, behält er dem Monarchen vor, sagt aber nur andeutungsweise, welche Aufgaben dazu gehören 12 . Die außenpolitische Kompetenz, die innerstaatliche Polizeigewalt und die eigentliche Gesetzesausführung sollen wohl erfaßt sein 13 . Auch in der konstitutionellen Monarchie gilt die Exekutive als Hausgut des Monarchen außerhalb des parlamentarischen Einflusses 14 . Demgegenüber hat i m modernen Verfassungsstaat die Exekutive ihre Grundlage nicht mehr i n einem aus der früheren staatsrechtlichen Epoche hinübergeretteten Eigenbereich 15 . Die Verfassung ist nicht die Beschränkung schon bestehender, sondern Kompetenzgrundlage entstehender Staatsgewalt 16 . 4

Kassimatis, G., Der Bereich der Regierung, B e r l i n 1967, S. 27. Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., B e r l i n 1922, S. 602 ff. 6 Böckenförde, E. W., Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, B e r l i n 1958, S. 31 f., 36. 7 Scheuner, U., Das parlamentarische Regierungssystem i n der Bundesrepublik, DÖV 1957, 633 (635); Drath, M., Die Gewaltenteilung i m heutigen deutschen Staatsrecht, i n : Z u r heutigen Problematik der Gewaltentrennung (hrsg. v. H.Rausch), Darmstadt 1969, S. 21 (66); Hesse, K , Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Karlsruhe 1970, § 13 12 (S. 194 f.). 8 Zippelius, R., Staatslehre, § 20 I (S. 126 f.). 9 Krüger, H., Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1966, S. 869 ff. 10 Böckenförde, E. W., Gesetz, S. 37. 11 „ . . . simplement la puissance exécutrice de l'état", vgl. Böckenförde , E. W., Gesetz, S. 31, Fn. 10. 12 Böckenförde, E. W., Gesetz, S. 32, 36. 13 Kraus, G., Die Gewaltengliederung bei Montesquieu, i n : Festschrift für C.Schmitt, B e r l i n 1959, S. 103 (108, 109f., 118). 14 Bullinger, M., Vertrag u n d Verwaltungsakt, Stuttgart 1962, S. 94. 15 Jesch, D., Gesetz u n d Verwaltung, Tübingen 1961, S. 98, 171, 205. 16 Böckenförde, E. W., Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, B e r l i n 1964, S. 33; Rupp, H. H., Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965, S. 1 ff., 113 ff. 5

I. Die Exekutive i m System der Gewaltenteilung

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Unter diesem Blickwinkel muß die staatsrechtliche Aussage des Grundgesetzes zur Gewaltenteilung im allgemeinen, und zur funktionellen und organisatorischen Stellung der Exekutive i m besonderen, betrachtet werden, damit diese als potentielles Zielobjekt des Informationsanspruches faßbar wird.

2. Die Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz

a) Ihre Bedeutung im Verfassungssystem Das Grundgesetz nennt in Art. 1 I I I , 20 I I 2 und 20 I I I GG jeweils Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung nebeneinander. A r t . 1 I I I und 20 I I I GG sprechen die Gewaltenteilung zwar an 17 , sind aber keine Kompetenznormen 18 . Die konstitutionelle Grundlage findet sich dagegen in A r t . 20 I I 2 GG. Hier werden die drei Gewalten unmittelbar und eigenständig konstituiert, ihre jeweiligen „besonderen Organe" zur Ausübung der Staatsgewalt ermächtigt und zugleich in ein organisatorisch-kompetenzielles Einwirkungs- und Kontrollverhältnis gebracht 19 . Der Plural („Gewaltenteilung") meint nicht das Objekt, sondern das Ergebnis der Teilung 2 0 , denn im parlamentarisch-demokratischen Verfassungsstaat ist eigenständige politische Größe ausschließlich das Volk, die drei „Gewalten" sind dagegen nur als selbständige Zuständigkeitskomplexe organisierte Funktionen („séparation des pouvoirs — des fonctions") 21 . Das darf jedoch nicht dazu führen, dieses „tragende Organisationsprinzip des Grundgesetzes" 22 allein als rechtstechnisches Mittel zu zweckmäßiger Arbeitsteilung anzusehen 23 . Es dient vor allem der Begrenzung und Bändigung der Staatsmacht nach außen und findet damit seine liberalistische Rechtfertigung 24 . Die Gewaltenteilung als einer der 17 Z u A r t . 1 I I I GG: Leibholz, G., u n d H. J. Rinck, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., K ö l n 1968, A r t . 1, Rdnr. 5. 18 v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., B e r l i n 1957, A r t . 1, Anm. V 3 c (S. 100). Die redaktionelle Unebenheit i n A r t . 1 I I I GG („Verwaltung") wurde durch Einfügung des Begriffes „vollziehende Gewalt" i m Rahmen der Errichtung der Bundeswehr (7. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v o m 19. 3.1956 — BGBl. 1111 —) geglättet. Dies sollte n u r eine K l a r stellung, keine inhaltliche Änderung sein, vgl. Menzel, E., i n : Bonner K o m mentar (BK), H a m b u r g 1950 ff., A r t . 1 I I I , A n m . I I 1. 19 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 59. 20 Krüger, H., Staatslehre, S. 867. 21 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 79. 22 BVerfGE 3, 225 (247). 23 Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, S. 608, 614 f. 24 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 94 m. w. Nachw. i n Fn. 26; BVerfGE 7, 183 (188); E9, 268 (274); E22, 106 (111).

26

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

wesentlichen Grundsätze der freiheitlichen Demokratie 25 ist ganz darauf abgestellt, daß kein Verfassungsorgan die Rolle der Aktivbürgerschaft (bzw. ihrer Führer) i m Demokratismus übernehmen kann 2 6 . So muß die Aufnahme des Prinzips in das Grundgesetz auch als Reaktion gegen die Auswüchse i m Dritten Reich verstanden werden 27 . Das System der Gewaltenbalance ist auch (in umstrittener Intensität!) das Leitmotiv anderer Verfassungseinrichtungen, die eine Aufgabenverteilung sichern sollen: insbesondere i m Bundesstaatsprinzip 28 oder i m Verhältnis der pluralistischen Mächtegruppen 29 . Ist somit festzuhalten, daß die Bonner Verfassung das Prinzip der balancierenden Gewaltenteilung postuliert und in ein organisatorisches Schema transformieren will, so bleibt zu fragen, welchen Part die Exekutive i m Trio der Gewalten zu spielen hat.

b) Die Exekutive

als 2. Gewalt

Die Ansätze zu einer Grenzbestimmung sind Legion. Ein Ausdruck resignierender Hoffnungslosigkeit ist der Versuch Otto Mayers, im Substraktionsverfahren als Executive das zu bezeichnen, was weder Gesetzgebung noch Justiz ist 30 . Damit würde alle Unterscheidung und Abgrenzung der Staatsfunktionen zu einer Funktion des (materiellen) Rechtssatzbegriffes 31, was angesichts seiner Umstrittenheit (Maßnahmegesetz, Einzelfallgesetz) nicht mehr angängig sein kann 3 2 . Außerdem fordert die unmittelbare verfassungsmäßige Grundlegung der Gewalten in Art. 20 I I 2 GG ohne Zweifel ihre positive Funktionsbestimmung. Eine solche fällt aber schon deshalb schwer, weil auch i n den Exekutivbereich mehrere Sondergewalten einzuordnen sind, wie u. a. die „Organisationsgewalt", die „Auswärtige Gewalt", die „Verteidigungsgewalt"

25

BVerfGE 2, 307 (329). Schulz-Schaeffer, H., Die Staatsform der Bundesrepublik Deutschland, B e r l i n 1966, S. 157. 27 BVerfGE 10, 200 (216): zum Verhältnis Justiz—Verwaltung. 28 Zippelius, R., Staatslehre, § 2 0 1 (S. 127); Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 95; Schulz-Schaeffer, H., Staatsform, S. 157; Leisner, W., Schwächung der Landesparlamente durch grundgesetzlichen Föderalismus, DÖV 1968, 389 ff. 29 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 95; Zippelius, R., Staatslehre, §1711 (S. 97); §20111 (S. 130). 30 Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., Nachdruck 1961 der 3. Aufl., Berlin 1924, S. 7, wobei zu beachten ist, daß er seine Dreiteilung w e n i ger nach Montesquieu, sondern „mehr als naturwüchsig" findet, a.a.O., S. 3, Fn. 3. 31 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 61. 32 Einen Überblick zu dieser Problematik gibt Scheuner, U., Das Gesetz als A u f t r a g der Verwaltung, DÖV 1969, 585 (590 f.). 26

I. Die Exekutive i m System der Gewaltenteilung

27

oder die „Prüfungsgewalt" 3 3 . Übrig bleibt nur eine pauschale, wenngleich über die bloße Unverbindlichkeit eines rechtlichen Kompetenzschemas hinausgehende Charakterisierung: Exekutive ist die Erfüllung konkreter staatlicher Aufgaben, insbesondere der Vollzug von Rechtsnormen i m Einzelfall 34 . Die Weite dieser Formulierung zeigt deutlich, i n welcher Krise sich die Lehre von der Gewaltenteilung befindet. Die Dogmatik der Trennung von Legislative und Exekutive ist heute weithin lediglich die Lehre von deren Durchbrechungen 35 . Es bleibt nur die Konfession zur Konfusion, die auch hier der staatsrechtlichen Aktualität angepaßte Versuche erfordert, ein neues Verständnis der Gewaltentrennung 38 durchzusetzen, — wie die Lehre von der „quantitativen Gewaltenteilung" (Leisner). Aber auch diese Ansicht stellt die Existenz der Exekutive nicht i n Frage, sondern sie sucht die 2. Gewalt gerade i n ihrer gewachsenen Heterogenität mit rechtsstaatlichen Linien zu durchziehen. Besondere Schwierigkeiten der rechtlichen Erfassung bereitet hier der tagtäglich sichtbare Selbstand der Regierung im Verfassungsleben. Hat sich hier als „Gubernative" eine neue, eigenständige Gewalt etabliert oder ist sie nur das „Sonntagskleid" der Administrative? Dies kann auch auf den untersuchten Anspruch nicht ohne Auswirkung bleiben. Der Zielbereich des Informationsrechts wäre unterschiedlich. Die Intensität des Anspruchs könnte sich der andersartigen Struktur des Objekts anzupassen haben. Die konkrete Frage lautet deshalb: Gibt es einen selbständigen „Bereich der Regierung"? Gehört dieser überhaupt zur Exekutive, dem Zielbereich des Informationsanspruches (unten 3)? Ist dies der Fall, dann ist zu fragen, ob der Regierungsbereich innerhalb der Exekutive eigenständig bleibt (4), oder welche speziellen Wesenszüge Gubernative bzw. Administrative auszeichnen (5).

3. Die Regierung als 4. Gewalt

„ I n der Funktion der Regierung erscheint der Staat oberhalb des Prinzips der Gewaltentrennung als politische Einheit". Diese Äußerung 38 Maunz-Dürig-H erzog, Grundgesetz-Kommentar, München 1970, A r t . 20, Rdnr. 77; dazu unten I V 3 b bzw. V. 34 Zippelius, R., Staatslehre, § 20 I I (S. 128). 35 Leisner, W., Die quantitative Gewaltenteilung, DÖV 1969, 405 (406); die vielfältigen Wandlungen des Prinzips zeigt zusammenfassend auf: Böcfcstiegel, K.-H., Neue Aspekte der Gewaltenteilung seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, N J W 1970, 1712 (1713 ff.). 36 „Das parlamentarische Regime verlangt von den Pouvoirs dauernde Z u sammenarbeit, i n der nicht Zuständigkeiten, sondern n u r das Gleichgewicht erhalten bleiben muß," Leisner, W., Gewaltenteilung, S. 411.

28

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

von Scheuner 31, ebenso wie die Kennzeichnung Smends 38, daß die Regierung eine eigene Staatstätigkeit sei, die nach innen und außen eigens dem Zweck der staatlichen Wesensbestimmung und -durchsetzung diene, lassen vermuten, daß diese Autoren den „Bereich der Regierung" 39 als 4. Gewalt i m Gefüge der Gewaltenteilung etablieren wollen. Auch Otto Mayer 4 0 nimmt verfassungsrechtliche Hilfstätigkeiten, den völkerrechtlichen Verkehr, die Kriegsführung, das militärische Kommando und das Staatsnotrecht von seinem Begriff der Verwaltung aus 41 . So unterschiedlich die Überlegungen der genannten Autoren auch sein mögen, — Smend und Scheuner bewegt das Motiv der „staatsleitenden Integration" 4 2 , Otto Mayer knüpft an die französische Lehre vom justizfreien Regierungsakt an 43 —, so eindeutig muß die ablehnende K r i t i k sein. Eine Etablierung der Regierung als 4. Gewalt gibt ihr ein nach der Verfassung nicht gerechtfertigtes Ubergewicht, verkennt, daß auch das Parlament staatsleitende Tätigkeiten wahrnimmt, und verstößt eindeutig gegen das i m Grundgesetz auf drei Gewalten angelegte Prinzip der Gewaltenteilung 44 . „Was die allgemeine Staatslehre zur Regierung als Gesamtleitung des Staates entwickelt hat, . . . kann nicht einen Pouvoir (Exekutive) oder gar ein Staatsorgan (Bundes-, Landesregierung) definieren 45 ." Die von Otto Mayer angesprochenen Sondergewalten sind vom Grundgesetz eindeutig der Exekutive zugerechnet (vgl. für die Auswärtige Gewalt Art. 59 I I GG m i t einem Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Legislative, und für die militärische Kommandogewalt Art. 65 a GG). Die Lehre vom Regierungsakt 46 ist nur noch unter dem Aspekt des Rechtsschutzes (Art. 19 I V GG) von Interesse; darüber hinaus verspricht sie für die Bestimmung der Regierungstätigkeit keinen Erfolg 47 . Demnach ist davon auszugehen, daß das Grundgesetz in Art. 1 I I I , 20 I I 37 Scheuner, U., Grundfragen des modernen Staates, RStW Bd. I I I , Düsseldorf 1951, S. 126 (146). 38 Smend, R., Die politische Gewalt i m Verfassungsstaat, S. 68 (79 f.); Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 119 (211), jeweils i n : Staatsrechtliche A b handlungen, 2. Aufl., B e r l i n 1968. 39 So der Beitrag von Scheuner, U., Festschrift für R. Smend, Göttingen 1952, S. 253. 40 Mayer, O., Verwaltungsrecht, S. 7—13. 41 „Ob das Regierung ist, ist n u r eine terminologische Frage", Mayer, O., Verwaltungsrecht, S. 12 (Fn. 18). 42 Umfassende Nachweise bei Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit der Regier u n g i m Rechtsstaat, Berlin 1966, S. 69 ff., 74 ff. 43 Nachweise bei Kassimatis, G., Regierung, S. 62 ff. 44 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 75. 45 Leisner, W., Regierung als Macht kombinierten Ermessens, J Z 1968, 5. 727 (728 m. w. Nachw. i n Fn. 17). 46 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 19 I V , Rdnr. 23 f.; Kassimatis, G., Regierung, S. 62 ff. 47 Leisner, W., Regierung, S. 428 (Fn. 12).

I. Die Exekutive i m System der Gewaltenteilung

29

2,20 I I I GG die Exekutive i m Gegensatz zu anderen Staatsfunktionen als einheitliche Gewalt begreift, die sowohl die Regierung als auch die Verwaltung umfaßt 48 . Der potentielle Informationsanspruch trifft also sowohl die Regierung als auch die Verwaltung. 4. Der Bereich der Regierung als Teil der Exekutive

Das entscheidet noch nicht, ob nicht der „Bereich der Regierung" innerhalb der Exekutive einen eigenständigen Raum beansprucht und auch i m Hinblick auf den Infcrmationsanspruch getrennt betrachtet werden müßte. a) Abgrenzung

aus dem „Begriff

des Politischen"

Neben dem referierten Versuch, die „staatsleitende Integration" als bestimmendes Wesensmerkmal der Regierung zu verwenden, dient vor allem das „Politische" als Kennzeichnung dieses Bereichs 49 . Das „Gespenst des Politischen 50 " ist jedoch völlig ungeklärt 5 1 . Selbst wenn man diesen Begriff zu definitorischen Versuchen im Bereich der Exekutive verwenden wollte, könnte man ihn nur dann sinnvoll einsetzen, wenn sich nachweisen ließe, daß die Verwaltung eben nicht „politisch" i m Gegensatz zur Regierung sei. Doch schon die Institutionalisierung des „politischen Beamten" i n § 31 BRRG/§ 36 BBG zeigt, daß sich Beamtenstatus und politische Tätigkeit nicht mehr streng trennen lassen. Mag dies auch nur für einen formell begrenzten Personenkreis gelten, so wäre es doch falsch zu glauben, daß Entscheidungen der Verwaltung nicht auch unter politischen Gesichtspunkten getroffen würden oder sich an solchen messen lassen müßten. Politik und Regierung geschehen im wesentlichen i n und durch Verwaltung 5 2 . Die Abgrenzung Regierung/ Verwaltung kann nicht mehr aus dem „Politischen" getroffen werden 53 . b) Die Regierungsbegriffe Auch einer Definition der „Regierung i m materiellen Sinn" als leitende, das Interesse des Staatsganzen berücksichtigende Ermessenstätigkeit 5 4 fehlt jeder systematische Wert in bezug auf die exekutivinterne 48 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20 Rdnr. 85; Wernicke, B K , A r t . 20, Anm. I ] 3 d; B V e r w G E 4, 25 (28). 49 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 70 ff. m. ausf. Nachw. 50 Kassimatis, G., Regierung, S. 48. 51 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 71 ff. 52 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 216 f. 53 Leisner, W., Regierung, S. 728 f. 54 Kassimatis, G., Regierung, S. 55; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht, Bd. I, 7. Aufl., München 1968, § 18 I b (S. 72 ff.).

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

30

Abgrenzung zur Verwaltungstätigkeit, weil ein solches Tun ebensogut durch das Parlament (z.B. Art. 110 oder Art. 115 GG) wahrgenommen wird. Der Regierungsbegriff „ i m organisatorischen Sinn" berücksichtigt nur, daß „Regierung" aus Gründen der Praktikabilität einer kleinen, handlungsfähigen Personengruppe übertragen ist 55 , besagt aber nichts über deren inhaltliche Befugnisse. I m übrigen zeigt sich gerade hier, daß sich in der Person der Regierungsmitglieder Regieren und Verwalten verknüpfen, da sie zugleich an der Spitze der Verwaltung stehen (Ministerialsystem) 58 . Auch „Regierung i m funktionellen Sinn" kennzeichnet allein die verfassungsmäßige Gesamtkompetenz der Regierung als Organ und weist ihr als Folge der Gewaltenverschränkung sowohl „Regierung", als auch „Verwaltung" und „Gesetzgebung" im materiellen Sinn zu 5 7 ; so ist etwa die Verordnungsermächtigung gemäß A r t . 80 GG funktionell Regierungs- und materiell Gesetzgebungstätigkeit. c) Differenziertes

Ermessen

Der Bereich der Regierung könnte i m Unterschied zu der Verwaltung nur in der Einräumung eines besonders weiten Ermessens gesehen werden. Regierung wäre die Macht kombinierten, Verwaltung die Macht isolierten Ermessens 58. Aber schon der nur quantitative Unterschied zeigt, daß es einen selbständigen „Bereich der Regierung" als Raum der Exekutive nicht geben kann 5 9 . d) Die Exekutivorgane Demnach sind i m Falle des Bestehens eines Informationsanspruches alle Exekutivorgane als Träger öffentlicher Gewalt anspruchsverpflichtet: aa) Organe der Regierung und die ihnen unterstellten Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung. 55

Kassimatis, G., Regierung, S. 55 f. Deutlich: A r t . 43, 55 Nr. 5 B V ; zur Geschichte des Ministerialsystems: Fichtmüller, C. P., Zulässigkeit ministerialfreien Raumes i n der Bundesverwaltung, AÖR91 (1966), 297 (301—307); zur Doppelfunktion der Ministerialverwaltung: Kölble, J., Die Ministerialverwaltung i m parlamentarischdemokratischen Regierungssystem, DÖV 1969, 25—38; vgl. auch Maunz-DürigHerzog, A r t . 65, Rdnr. 3; Forsthoff, E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 9. Aufl., München 1966, S. 15f.; Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 203, 215. 57 Wolff, H . J . , Verwaltungsrecht I, § 1 8 I d (S. 75); § 46111b (S.299f.). 58 Leisner, W., Regierung, S. 730. 59 Leisner, W., a.a.O., S. 731. 56

I. Die Exekutive i m System der Gewaltenteilung

31

bb) Die Organe der mit dem Staat nicht identischen, aber seiner Aufsicht unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vor allem der Gemeinden und Gemeindeverbände) als Träger der mittelbaren Staatsverwaltung 60 . cc) Privatpersonen und Organe juristischer Personen des Privatrechts, soweit durch Gesetz oder Verwaltungsakt eine Beleihung mit öffentlicher Gewalt stattgefunden hat 61 . 5. Die Wesensmerkmale von Regierung und Verwaltung

Die Zuordnung von Regierung und Verwaltung zur Exekutive soll jedoch nicht deren wesensmäßige Unterschiede verschleiern. Denkbar wäre etwa, daß der Informationsanspruch bei der Ausübung von Regierung besonders weit reichen müßte, weil das hier anwendbare koordinierte Ermessen weitergehende Auswirkungen auf die Effektivität der Staatsgewalt haben könnte als das isolierte Ermessen der Verwaltung. Diese These kann erst im weiteren Verlauf der Untersuchung verifiziert werden. Es sollen jedoch hier bereits schwerpunktartig die Tätigkeiten von Regierung und Verwaltung charakterisiert werden. a) Gubernative Gubernative ist u. a. die parlamentarisch verantwortliche, gesamtund zentralplanende, als Verfassungsorgan sämtliche Administrativorgane legitimierende, die Administrativorgane ausrichtende, lenkende und überwachende Tätigkeit 6 2 . b) Administrative Administrative ist u. a. die mannigfaltige, zweckbestimmte, nur teilplanende, konkret handelnde, durch Gesetz und Regierung vorbestimmte Tätigkeit 6 3 6 4 . 60 A u f den Streit, ob dieser Bereich als Selbstverwaltung bezeichnet w e r den müßte, k o m m t es hier nicht an, vgl. Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1, Rdnr. 107 (Fn. 1). 81 So die Einteilung der vollziehenden Gewalt von Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1, Rdnr. 107. 62 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 18 (S. 72—76). 63 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 2 I I I (S. 13 ff.). 64 A l l e derartigen Definitionen stehen unter dem Zwang p a u s c h a l i e r e n d e r Impräzision wegen der Mannigfaltigkeit der Tätigkeiten u n d Zwecke. Forsthoff, E., Verwaltungsrecht, S. 1, hat deshalb auf eine Begriffsbestimmung von „Verwaltung" verzichtet, w e i l sie sich beschreiben, aber nicht definieren lasse.

32

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

Ist der Zielbereich der Exekutive i n organisatorischer und funktioneller Hinsicht abgesteckt, geht die Aufgabe nun dahin, ihr Publizitätsverhalten zu analysieren. Dabei muß es genügen, nur die wesentlichen Funktionsbereiche der Exekutive zu betrachten, so daß manche feinsinnige Verästelung der Verwaltungskompetenzen übergangen werden kann. II. Die Gesetzespolitik der Exekutive I n diesem Abschnitt sollen Ausmaß und Publizitätsintensität der M i t w i r k u n g der Exekutive an der förmlichen Gesetzgebung durch die Legislative geschildert werden. Falls der 2. Gewalt hier ein verdecktes Ubergewicht zukäme, könnte dies ein Informationsrecht aufhellen und so der Gewaltenteilung klare Konturen verleihen. 1. Die Vorbereitungsphase

a) Gesetzesinitiative

durch die Regierung

Der Bundesregierung steht das Hecht zur Initiative zu, A r t . 761 GG. Aus der Reihenfolge der Gesetze sinitianten in dieser Bestimmung (Bundesregierung vor Bundestag und Bundesrat) ergibt sich, daß die Gesetzesvorlage durch die Regierung 65 offenbar der Regelfall sein soll 66 . Ob dies so ist, läßt sich nur an der Staatspraxis messen67. Tatsächlich zeigt sich auch bei der Gesetzgebungsleistung eine starke Präponderanz der Bundesregierung 68 . Von 2742 Gesetzesvorlagen von 1953 bis 1969 (2.—5. Wahlperiode) stammten 1608 von der Bundesregierung, 1091 aus der Mitte des Bundestages und 43 vom Bundesrat 69 . Das faktisch schwerwiegende „Recht des ersten Anstoßes" 70 verdichtet sich überdies i n zwei Fällen zum Initiativmonopol: bei der Budgetinitiative (Art. 110 GG) 71 und bei völkerrechtlichen Vertragsgesetzen (Art. 59 I I GG) 72 7 3 . 85 Das Verfahren richtet sich nach §§ 21 ff. GGO I I , vgl. Maunz-DürigHerzog, A r t . 76, Rdnr. 6. Der besondere T e i l der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO I I ) ist abgedruckt bei Lechner, H., u n d K . Hülshoff, Parlament und Regierung, 2. Aufl., München 1958, S. 399 ff. 66 Kleinrahm, K., Gesetzgebungshilfsdienst f ü r deutsche Parlamente?, AöR 79 (1953/54), S. 137 (139); v. Mangoldt-Klein, A r t . 76, A n m . I I I 2 e (S. 17251). 67 Kassimatis, G., Regierung, S. 60 f. 68 Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst i n den Vereinigten Staaten von A m e r i k a u n d i n der Bundesrepublik Deutschland, B e r l i n 1967, S. 76 f. 69 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1970, Stuttgart 1970, S. 115. 70 Leisner, W., Regierung, S. 729. 71 Obwohl dies nirgends i m Grundgesetz festgelegt ist, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 110, Rdnr. 14; v. Mangoldt-Klein, A r t . 76, A n m . I I I 2 c (S. 1724). 72 v. Mangoldt-Klein, a.a.O. (S. 1723); die Legislative ist hier auf ein B l a n kettbewilligungsrecht beschränkt, vgl. §81111 G O - B T ; Reichel, G. H., Die

I I . Die

e s p o l i t i k der Exekutive

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I n d e r P r a x i s ist der A n t e i l der E n t w u r f s a r b e i t der R e g i e r u n g noch größer, w e i l e i n T e i l d e r V o r l a g e n v o n B u n d e s t a g s a b g e o r d n e t e n eingeb r a c h t w i r d , o b w o h l sie i n d e n M i n i s t e r i e n ausgearbeitet w u r d e n 7 4 . Dies geschieht, u m die K a b i n e t t s s i t z u n g u n d d e n ersten D u r c h g a n g i m B u n desrat ( A r t . 76 I I G G ) zu u m g e h e n 7 5 . I m ü b r i g e n k ö n n e n die E x p e r t e n d e r M i n i s t e r i e n ( a l l e r d i n g s n u r m i t G e n e h m i g u n g i h r e r Vorgesetzten) bei der parlamentarischen I n i t i a t i v e m i t w i r k e n , § 4 9 1 3 GGO I I 7 6 . b) Exekutive

als

Injormationsgewalt

D i e s t ä n d i g wachsende K o m p l e x i t ä t u n d S p e z i a l i t ä t der Gesetzgeb u n g s a r b e i t 7 7 u n d die dazu e r f o r d e r l i c h e n D e t a i l k e n n t n i s s e e r k l ä r e n d i e n a t ü r l i c h e Vormachtstellung der Exekutive i m Gesetzgebungsverfahr e n 7 8 . Dies ist auch n i c h t ohne E i n w i r k u n g a u f die gesetzestechnische Q u a l i t ä t der R e g i e r u n g s v o r l a g e n g e b l i e b e n 7 9 . A n d e r e r s e i t s d e t e r m i n i e auswärtige Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v o m 23. M a i 1949, Berlin 1967, S. 79. 73 Auch auf dem „Reserveweg des Gesetzgebers" (Maunz, T., Deutsches Staatsrecht, 17. Aufl., München 1969, §40111, S. 370) — i m Gesetzgebungsnotstand —, treten unter Umgehung des Bundestages n u r Bundesregierung u n d Bundesrat als gemeinschaftlicher Gesetzgeber auf, A r t . 81 I I GG, v. Mangoldt-Klein, A r t . 81, A n m . I V 2 b (S. 2006). Allerdings besitzt die Bundesregierung auch hier nicht das exklusive Initiativrecht, w e i l die Begriffe i n A r t . 76, 77, 81 GG identisch sind, v. Mangoldt-Klein, A r t . 81, A n m . I I I 2 a, aa (S. 1992). 74 Rauschning, D., Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, Bad Homburg 1969, S. 149; Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 77, 83 f.; Scheuner, U., Die Aufgabe der Gesetzgebung i n unserer Zeit, D Ö V 1960, 601 (604), versucht nachzuweisen, daß Initiativen aus der M i t t e des Parlaments zudem noch geringere Aussicht auf Erfolg haben als Regierungsvorlagen. 75 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 76, Rdnr. 8, nennt dieses Vorgehen verfassungspolitisch unerwünscht u n d bedenklich. I n der Praxis w i r d die Kooperation zwischen der Regierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktion, nicht aber von der Opposition gepflogen, Odewald, J., Der parlamentarische H i l f s dienst, S. 83 f., 85. 76 v. Mangoldt-Klein, A r t . 76, Anm. V 3 b (S. 1737): „ n u r sachlich-fachliche, nicht politische T ä t i g k e i t " ! 77 So stammten fast die Hälfte aller von 1949 bis 1965 verabschiedeten 1298 Bundesgesetze, nämlich 287 = 22,1 °/o bzw. 305 = 23,5 °/o aus den Spezialgebieten des Finanzwesens bzw. Wirtschaftsrechts, vgl. Hasskarl, H., 16 Jahre Bundesrechtsetzung u n d ihre Schwerpunkte i m Spiegel der Zahlen, DÖV 1968, 558 (559 f.). I n der 4. Legislaturperiode (1961—1965) kamen von 378 Regierungsvorlagen allein 159 aus dem Finanzministerium, vgl. Statistisches Jahrbuch 1970, S. 116. 78 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 76, Rdnr. 4 (Fn. 5). 79 Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 97; vgl. Schneider, H., Über den Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung, N J W 1962, 1273 (1275), der vor allem die Entwürfe aus dem Justiz- u n d Innenministerium lobt; andererseits Scheuner, U., Aufgabe der Gesetzgebung, DÖV 1960, 601: Die Qualität der Rechtschöpfung hat m i t der Ausdehnung nicht Schritt gehalten. 3 Jerschke

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

34

ren langfristige Planungsvorhaben der Exekutive die Entscheidungen der Legislative 80 . Gerade als „Informationsgewalt" des Staates 81 w i r d die Exekutive zum unentbehrlichen Helfer des Gesetzgebers. Ihr steht in den meisten Fällen das Dokumentationsmonopol dank ihrer geschulten Bürokratie zu 82 . Die immer noch wachsende fachmännische Überlegenheit 83 beruht nicht nur auf der großen Zahl ihrer Fachleute, sondern auch auf der andersartigen Arbeitsweise 84 . Die Ministerialbürokratie kann sich als „ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht" voll und ganz der langfristigen Beschaffung, Aufbereitung und Verarbeitung des einschlägigen Materials widmen 8 5 . Die geplante Einrichtung einer Datenbank w i r d diese Bemühungen noch unterstützen 86 . Zum persönlichen technischen „Fachwissen" kommt so das breitgestreute „Dienstwissen" 87 . Das Informationsübergewicht der Exekutive 8 8 w i r d noch dadurch verstärkt, daß sie sich in wachsendem Umfang der Hilfe von Experten in „Beiräten" u. ä. bedient 89 . Nicht zu Unrecht hat man diesen Umbruch der staatlichen Struktur als „Expertokratie" bezeichnet 90 . Alle diese Umstände geben der Exekutive als Initiativgewalt des Staates das entscheidende Gewicht 91 . 80

Etwa die Finanzplanung des Bundes das Finanzänderungsgesetz 1967, was zu übergroßer Eile u n d damit zu einem „Niedergang des Gesetzgebungsverfahrens" geführt hat, so der Aufsatz von Schneider, H., i n : Festschrift für G. Müller, Tübingen 1970, S. 421 (424). 81 Leisner, W., Regierung, S. 729. 82 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 92. 83 Dagtoglou, P., Der Private i n der Verwaltung als Fachmann u n d I n t e r essenvertreter, Heidelberg 1964, S. 147. 84 Kabel, R., i n : Der Bundestag von innen gesehen (24 Beiträge), hrsg. v. E. Hübner, H. Oberreuter u n d H. Rausch, München 1969, S. 130. 85 Leibholz, G., Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Aufl., Karlsruhe 1967, S. 317 (319). 86 Als Zielvorstellung für EDV-Informationssysteme w i r d jedoch hervorgehoben, daß sie allen drei Gewalten offenstehen sollen, u m ein entsprechendes Übergewicht der Exekutive zu verhindern, vgl. den Zweiten Bericht der Bundesregierung über die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung i n der Bundesverwaltung, BT-Drucksache VI/648 (S. 13); i m übrigen sollen EDV-Anlagen nicht n u r Kosten sparen, sondern auch Entscheidungen objektivieren, Kölble, J., Ministerialverwaltung, S. 33. 87 Unterscheidung von Weber, M., Parlament u n d Regierung i m neugeordneten Deutschland, München 1918, S. 57 f. 88 Ellwein, T., u n d A.Görlitz, Parlament und Verwaltung, 1.Teil: Gesetzgebung und politische Kontrolle, Stuttgart 1967, S. 22 f., 155, 230 f. 89 Einen Überblick gibt Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 249 ff. 90 Kuhn, M., Probleme der Meinungsbildung i n der demokratischen Gesellschaft, Rüschlikon 1959, S. 54. 91 Leisner, W., Regierung, S. 729; zustimmend Böckstiegel, K.-H., Gewaltenteilung, S.1714.

I I . Die Gesetzespolitik der Exekutive

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Die für die Gesetzgebung hochbedeutsame vorbereitende Tätigkeit der Exekutive spielt sich notwendig im abgeschlossenen Zirkel der M i nisterialbürokratie ab, wenngleich § 25 GGO I I als Ausnahmebestimmung 9 2 die Möglichkeit offenläßt, „Mitgliedern des Bundestages, der Presse oder anderen amtlich nicht beteiligten Stellen oder Personen Entwürfe aus den Bundesministerien oder ihren Inhalt zugänglich zu machen" 98 . c) Der Einfluß der Verbände Eine partielle „formierte Öffentlichkeit" 94 w i r d jedoch möglicherweise schon in der Vorbereitungsphase eingeschaltet, wenn durch den Entwurf die Interessen von Verbänden berührt werden 95 . Gemäß § 23 GGO I I können nämlich die Vertretungen der „beteiligten Fachkreise" zur Beschaffung von Unterlagen herangezogen werden 96 . Nach der Zweckrichtung dieser Bestimmung soll das wertvolle Fachwissen 97 der Verbände in die Gesetzesvorbereitung integriert werden. Insofern ist ihre M i t arbeit erwünscht 98 und kann sogar eine Entlastung bedeuten 99 . Die Praxis zeigt jedoch, daß von den Fachkreisen nicht nur Informationen eingeholt werden, sondern mit ihnen Gespräche stattfinden und Zugeständnisse gemacht werden 100 . Der „Gruppendruck" 101 richtet sich sogar i n erster Linie gegen die Exekutive 1 0 2 , weil hier die Verhandlungen

92 Ehmke, H., Staat u n d Gesellschaft als verfassungstheoretisches Problem, i n : Festgabe für R. Smend, Tübingen 1962, S. 23 (43), legt diese Vorschrift sogar als grundsätzliches Verbot aus. 93 Daß hier ein Nachholbedürfnis von Seiten des Parlaments besteht, beweist eine einstimmige Entschließung des Bundestages v o m Sommer 1969, i n der die Bundesregierung aufgefordert w i r d , die GGO zu ändern u n d die den Verbänden zugestellten Referentenentwürfe auch dem Parlament zur Kenntnis zu bringen, Kaiser, C.-C., Teach-in der Spezialisten, i n : „Die Zeit", Nr. 2 v o m 9.1.1970, S. 40; v. Merkatz, H. J., Bundestag, S. 204. 94 Scheuner, U., Aufgabe der Gesetzgebung, S. 605. 95 Z u dieser Frage vgl. die Untersuchung von Neyses, W., Die Beteiligung von Interessen verbänden an der Gesetzes Vorbereitung durch die Bundesregierung, Diss. Bochum 1968, insbes. S. 1—19. 96 Dies kann auch von Gesetzes wegen vorgeschrieben sein, vgl. § 94 BBG. 97 Kaiser, J. H., Repräsentation organisierter Interessen, B e r l i n 1956, S. 270. 98 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 326, 335. 99 Huber, H., Staat u n d Verbände, Tübingen 1958, S. 18. 100 Vgl. die aufschlußreiche empirische Untersuchung von Stammer, O., u. a., Verbände u n d Gesetzgebung, K ö l n 1965, insbes. S. 55, 59, 62 f., 201 f., über das Zustandekommen des Personalvertretungsgesetzes. Bethusy-Huc, V. v., Demokratie u n d Interessenpolitik, Wiesbaden 1962, S. 129 f., meint allerdings, daß der Druck von verschiedenen Seiten ausgleichend wirke. 101 Ehmke, H., Staat u n d Gesellschaft, S. 43. 102 Kaiser, J. H., Interessen, S. 268 ff.; Neyses, Vf., Interessenverbände, S. 5, 15. 3*

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

36

unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorgenommen werden; diese wäre für die Interessenwahrnehmung schlechterdings unverträglich 1 0 3 1 0 4 . Die eigentliche Weichenstellung für den Inhalt des Gesetzes ist also völlig der kritischen Beobachtung durch Parlament 1 0 5 oder Öffentlichkeit entzogen 106 . Der Minister w i r d mit gewichtiger Rückenstärkung gegenüber der Legislative auftreten 107 , und die Verbände können im weiteren Verlauf ihren bereits gesicherten Einfluß noch weiter steigern 108 . Schließlich liegen weitere Möglichkeiten für unsichtbaren Gruppeneinfluß darin, daß auch leitende Ministerialbeamte Interessenverbänden angehören 109 . Dieses „ungeregelte Vorschaltverfahren" 110 läßt demnach in der Regel nicht erkennen, in welchem Umfang „organisierte Interessen" (Kaiser) auf den qualifizierten Sachverstand der Exekutive Einfluß genommen haben 111 . Die Einschaltung der Verbände hat also ganz wesentlich einen Kryptoeffekt 112. Schließlich ist die umfassende Beteiligung der Bundesregierung an der Vorbereitung der Gesetzgebung auch dadurch gesichert, daß sie die Initiativen des Bundesrats mit ihrer Stellungnahme versieht, Art. 76 I I I 2 GG 1 1 3 . 2. Die Ausschußphase

Dieses Stadium auf dem Weg zum förmlichen Gesetz ist zwar nicht rechtlich, aber wohl tatsächlich der wesentliche Schritt der parlamenta103

Kaiser, J. H., Interessen, S. 225 f., 228. Maunz, T., Verfassungsinhalt u n d Verfassungswirklichkeit, BVB1.1969, 1, erinnert daran, daß die Verbände u. U. zur Durchsetzung ihrer Interessen auch die Öffentlichkeit mobilisieren. 103 Es sei denn, die Abgeordneten sind selbst Interessenvertreter! 106 Oder die Entwürfe werden bereits i n dieser Phase auf Drängen der Lobby ad acta gelegt, Beispiel bei Ellwein, T., Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, K ö l n 1963, S. 130. 107 Dagtoglou, P., Der Private i n der Verwaltung, S. 148 f. los Neyses, W., Interessenverbände, S. 12 f., 17; kritisch auch Dagtoglou, P., a.a.O. 109 Neyses, W., Interessen verbände, S. 19 m. w. Nachw. i n Fn. 67. 104

110

So der Begriff von Maunz, T., Verfassungswirklichkeit, BVB1. 1969, 1. Forsthoff, E., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, Stuttgart 1959, S. 18, bezeichnet die enge K o m m u n i k a t i o n zwischen den gesellschaftlichen K r ä f t e n und der Exekutive als deutlichen Hinweis auf die „Osmose" zwischen Staat und industrieller Gesellschaft. 112 Diese A u s w i r k u n g würde durch öffentliche Hearings m i t den Interessengruppen i n den Ministerien vermieden werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß auf diese Weise u. U. das sich jetzt i n den Parlamentsausschüssen durchsetzende „Hearing-Prinzip" (unten C 1 1 b) u n d damit auch die Bedeutung des Parlaments weiter entwertet w ü r d e n (vgl. auch unten D 13 c, cc). 113 Dies stellt sogar eine Verpflichtung dar, v. Mangoldt-Klein, A r t . 76, Anm. V I 4 d (S. 1739). 111

I I . Die

e s p o l i t i k der Exekutive

37

rischen Willensbildung 1 1 4 . Hier w i r d in arbeitsteiliger Zuordnung zu den Fachministerien in mühsamer und gründlicher Kleinarbeit die eigentliche gesetzgeberische Tätigkeit entfaltet 115 . a) Die Teilnahme der Beamten I n diesen „Spezialistenkonventikeln" (MdB Schoettle) ns spielen die Referenten der Ministerien wiederum eine entscheidende Rolle. Es w i r d berichtet, daß regelmäßig 10—30 Beamte bei den Ausschußsitzungen anwesend sind 117 . I n der Sachdebatte haben die Beamten ein volles M i t spracherecht 118 . Die Befugnis, jederzeit förmliche Anträge zu stellen, w i r d als selbstverständlich vorausgesetzt 119 . Schließlich stehen sie mit ihrem komprimierten Sachverstand zur Verfügung, wenn sie um Formulierungshilfe gebeten werden 120 , aufgetretene Zweifelsfragen klären oder mit ihrem Tatsachenmaterial den Experten der Fraktionen aushelfen 121 . Die Beteiligung geht also über bloße Beobachtung hinaus 122 . Diese „Zwangsehe" mit den Spezialisten der Bürokratie ist institutionalisiert durch das verfassungskräftige Zutrittsrecht der Mitglieder der Bundesregierung zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse, wobei sie jederzeit gehört werden müssen, Art. 43 I I GG 1 2 3 . A u f der anderen Seite besitzen der Bundestag und seine Ausschüsse das Zitierungsrecht nach Art. 43 I GG, die somit die Anwesenheit jedes M i t glieds der Bundesregierung verlangen können 124 . 114 Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 88. I m 4. Bundestag wurden z. B. von 429 verabschiedeten Gesetzen 260 i m Plenum überhaupt nicht beraten, Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische Kontrolle, S. 88. 115 Die näheren Bestimmungen über Rechtscharakter, Arten, Aufgaben, Organisation u n d Arbeitsweise finden sich i n §§ 60—74 a GO-BT, vgl. dazu v. Mangoldt-Klein, A r t . 40, Anm. I I I 1 c (S. 911 f.). Ein ausführlicher Überblick bei Frost, H., Die Parlamentsausschüsse, ihre Rechtsgestalt u n d ihre Funktionen, AÖR95 (1970), S. 38—85. 116 Zit. bei Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 89 (Fn. 140). 117 Schäfer, F., Der Bundestag, K ö l n 1967, S. 116; Ellwein, T., Regierungssystem, S. 132. 118 Schäfer, F., Der Bundestag, S. 121. 119 u. Mangoldt-Klein, Art. 43, A n m . I V 4 (S. 938). 120 Schäfer, F., Der Bundestag, S. 122; Köppler, H., Bundestag, S. 178. 121 Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 80 f.; diese K o m m u n i k a t i o n zwischen Ministerialverwaltung u n d Bundestag hat i n jüngster Zeit erheblich an Umfang zugenommen, Kölble, J., Ministerialverwaltung, S. 34. 122 Es ist vielmehr „das Bestreben unverkennbar, den wirklichen Grad der M i t w i r k u n g nach außen nicht besonders i n Erscheinung treten zu lassen", so Köppler, H., Bundestag, S. 178 f. 123 Auch bei allen nicht-öffentlichen Sitzungen des Bundestages u n d seiner Ausschüsse, v. Mangoldt-Klein, A r t . 43, Anm. I V 3 (S. 938). 124 I m Zuge der sog. Kleinen Parlamentsreform i m Sommer 1969 wurde das jederzeitige Zitierungsrecht der Ausschüsse noch einmal ausdrücklich

38

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive b) Öffentlichkeit

der

Ausschüsse?

Das i n t i m e Z w i e g e s p r ä c h zwischen d e n Ausschüssen als „ v o r b e r e i t e n d e n Beschlußorganen des Bundestages" (so § 60 I I 2 G O - B T ) u n d der B ü r o k r a t i e s p i e l t sich i n der H e g e l 1 2 5 u n t e r Ausschluß der Ö f f e n t l i c h k e i t ab, so daß das A u s m a ß d e r M i t w i r k u n g d e r 2. G e w a l t n i c h t offenbar w e r d e n k a n n 1 2 8 . D i e N i c h t - Ö f f e n t l i c h k e i t w i r d sogar als n o t w e n d i g e V o r aussetzung e i n e r spezialisierten E x p e r t e n d i s k u s s i o n u n d spontaner, u n g e z w u n g e n e r M i t a r b e i t g e n a n n t 1 2 7 . D i e psychologische W i r k u n g e i n e r sorgsam ausgearbeiteten V o r l a g e , geschickte P l ä d o y e r s k u n d i g e r Sachb e a r b e i t e r u n d das G e w i c h t gesetzestechnischer F o r m u l i e r u n g e n 1 2 8 v e r g r ö ß e r n u n t e r diesen U m s t ä n d e n noch A u s m a ß u n d W i r k u n g des f a k tischen I n i t i a t i v - M o n o p o l s der R e g i e r u n g . D i e N i c h t - Ö f f e n t l i c h k e i t d e r Ausschußsitzungen soll aber deshalb u n b e d e n k l i c h sein, w e i l die E n t s c h e i d u n g e n de j u r e nach w i e v o r i m P l e n u m f a l l e n 1 2 9 . Diese Sichtweise ist f o r m a l i s t i s c h u n d b e d e n k l i c h , w e i l sie das Gesetz n u r i n seiner Endphase sieht u n d d e n Entstehungsprozeß m i t seinen m a n n i g f a c h e n Sach- u n d I n t e r e s s e n z w ä n g e n v ö l l i g außer bestätigt, § 73 I G O - B T i n der Fassung der Bekanntmachung v. 22. M a i 1970 — BGBl. I 628). I h r e besondere Bedeutung erhält diese Vorschrift dadurch, daß sich die Ausschüsse nunmehr auch m i t nicht überwiesenen Materien beschäftigen können, § 60 I I 3 n. F. GO-BT, u n d dazu auch öffentliche Anhörungen durchführen können. 125 Bis zur Kleinen Parlamentsreform tagten die Ausschüsse n u r nichtöffentlich. §7311 n. F. G O - B T lautet jetzt: „Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich nicht öffentlich. Der Ausschuß kann beschließen, daß die Öffentlichkeit zugelassen w i r d . Die Öffentlichkeit einer Sitzung ist hergestellt, w e n n der Presse u n d sonstigen Zuhörern i m Rahmen der Raumverhältnisse der Z u t r i t t gestattet w i r d . " Vgl. zur Bedeutung dieser Bestimmung auch unten C 1 1 b. 128 Eine gewisse Durchlässigkeit für Informationen aus nicht-öffentlichen Ausschußsitzungen scheint dennoch gegeben zu sein, vgl. Ellwein, T., Regierungssystem, S. 132; a. A. Sänger, F., Bundestag, S. 267 („schwieriger, zuweilen unmöglich"). Die unmittelbare Öffentlichkeit können derartige Sekundär« Informationen auf keinen F a l l ersetzen. I m übrigen können die Ausschüsse Geheimhaltung oder Vertraulichkeit beschließen, § 7 3 1 X 1 GO-BT. Vgl. dazu die Geheimschutzordnung des Bundestages v o m 24.6.1964, abgedruckt bei Trossmann, H., Parlamentsrecht u n d Praxis des Deutschen B u n destages, Bonn 1967, S. 367 ff. 127 Friesenhahn, E., Parlament und Regierung i m modernen Staat, V V D S t RL16, B e r l i n 1958, S. 9 (32, 67 — Ls. 11); Partsch, K . J., Mitbericht, a.a.O., S. 74, 79; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, Bad H o m b u r g 1969, S. 69; Majonica, E., Bundestag, S. 123; Schmitt-Vockenhausen, H., Bundestag, S. 148; Berg, W., Z u r Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Staat 9 (1970), S. 21 (28); Frost, H., Parlamentsausschüsse, S. 61. 12d Kleinrahm, K., Verfassung u n d Verfassungswirklichkeit i n NordrheinWestfalen, J ö R l l (1962), S. 313 (321); über die unterschiedliche Einschätzung des Einflusses von Formulierungshilfen berichtet Kölble, J., Ministerialverwaltung, S. 26 (Fn. 3). 129 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 69; Berg,W. t Ausschüsse, S. 31.

I I . Die

e s p o l i t i k der Exekutive

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Acht läßt. Eine neue Entscheidungslehre 130 i m Staatsrecht würde aufzeigen, welches Gewicht die Exekutive i m Gesetzgebungsprozeß durch Initiative, Datenbeschaffung und Formulierungshilfe erlangt hat. Man braucht deshalb das Plenum nicht als „bloßes Akklamationsorgan" 1 3 1 oder als „Fassade" 132 abzutun, aber eine realistische Betrachtungsweise w i r d die Beratung und Dezision i m Parlament selbst und ihren Einfluß auf den Gesetzesinhalt nicht überbewerten. 3. Ausfertigung und Verkündung

Zusammen m i t dem Bundespräsidenten steht der Bundesregierung schließlich noch das Ausfertigungs- und Verkündungsrecht zu, A r t . 82 1 1, 58 1 GG 133 . a) Die Ausfertigung Unstreitig geht die Kompetenz der genannten Bundesorgane dahin, das Gesetz auf seine formelle Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen 134 . Die h. L. gesteht ihnen auch eine materielle Prüfungs- und Nichtausfertigungsbefugnis zu 1 3 5 . Der Prüfungsakt spielt sich eo ipso i m Innenbereich der Exekutive ab. b) Die Verkündung Die rechtlich relevante Verkündung beruht heute auf dem formellen Publikationsprinzip 1 3 6 . Sie ist in technischer Hinsicht Sache der Bundes130 Diese fordert Leisner, W., Gewaltenteilung, S. 411, zur klareren E r fassung des Gewaltengleichgewichts. Es ist nicht damit getan, den K o m p r o miß zwischen Politik, Sachverstand u n d organisiertem Interesse als erstrebenswertes Z i e l der Ausschußarbeit hinzustellen, so aber Frost, H., Parlamentsausschüsse, S. 62 f., 83. 131 Ellwein, T., u n d A . Görlitz, Politische Kontrolle, S. 152. 132 Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 3. Aufl., B e r l i n 1961, S. 62. 133 Es w i r d bezweifelt, ob die Ausfertigung der Gesetze durch die Regier u n g noch zeitgemäß sei, da sie i n der parlamentarischen Demokratie i n die H a n d des Parlamentspräsidenten gehöre, Friesenhahn, E., Parlament u n d Regierung, S. 71 (Ls. 9); v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, Anm. I I 4 (S. 2028). 134 Rauschning, D., Beachtung von Verfassungsrecht, S. 151 m. w . Nachw. 135 F ü r die Bundesregierung: v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, A n m . I I I 5 d (S. 2034 ff.). Z u diesem Problemkreis neuestens Rauschning, D., Beachtung von Verfassungsrecht, S. 156 ff. m. w. Nachw. u n d praktischen Beispielen, S. 163 eigene Lösung: Kompetenz auf offenkundige Verfassungsverstöße beschränkt. Vgl. auch Rode, K., Die Ausfertigung der Bundesgesetze, B e r l i n 1968, S. 89 ff., 93, unter neuerlicher Beschränkung auf das formelle Prüfungsrecht der Exekutive. Das Bundesverfassungsgericht hatte noch keinen Anlaß zur Entscheidung. 136 Das früher gebräuchliche materielle Publikationsprinzip besagte, daß jeder Staatsbürger tatsächlich von dem Gesetzesinhalt Kenntnis nahm, u n d machte dies zur Pflicht. Vgl. § 12 Einl. zum A L R : „Es ist aber auch ein jeder

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B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

regierung 137 und erfolgt i m Bundesgesetzblatt 138 . Ein besonderes Gesetz für die Verkündung von Gesetzen ist nicht ergangen 139 . Die Publikation der Gesetze ist die einzige Tätigkeit der Bundesregierung i m Gesetzgebungsprozeß, die i n bewußter Hinwendung zur Öffentlichkeit vorgenommen wird. Ausfertigung und Verkündung der Gesetze sind zwar nur formelle Akte, die aber i m Hinblick auf die oben geschilderte Realität der Gesetzgebungsarbeit geradezu symbolhaften Charakter gewinnen 140 und das Gewicht der Exekutive noch einmal besonders unterstreichen. 4. Zusammenfassung

I m Ergebnis läßt sich demnach feststellen: Das theoretische Postulat, daß das Parlament das Monopol über die Gesetzgebung von Anfang bis Ende innehabe, erweist sich in der Praxis als irreal und veraltet 1 4 1 . Die Exekutive ist die treibende, dokumentierende und zum Abschluß drängende Kraft der Gesetzgebungsprozedur 142 , so daß man die Gesetzgebung in politischer Sicht bei der 2. Gewalt verankert sehen mag 1 4 3 . Das beschriebene Publizitätsmanko der Gesetzespolitik der Exekutive erweckt deshalb Bedenken. Ein Informationsrecht könnte den verborgenen Einfluß der Exekutive aufdecken und die Gewaltenbalance wiederherstellen. I I I . Die Verordnungspolitik der Exekutive Spielt die vollziehende Gewalt schon bei der förmlichen Gesetzgebung die tragende Rolle, so ist ihr noch zusätzlich eine selbständige NormEinwohner des Staats, sich u m die Gesetze, welche i h n oder sein Gewerbe u n d seine Handlungen betreffen, genau zu erkundigen g e h a l t e n . . . " , zit. nach Mattern, K . H., Grundlinien des Parlaments, B e r l i n 1969, S. 59 (Fn. 59). 137 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 82, Rdnr. 7. 138 Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.; v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, Anm. I V 4 (S. 2051 ff.). 139 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 82, Rdnr. 9; v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, Anm. I I 5 (S. 2029). 140 Kleinrahm, K , Verfassungswirklichkeit, S. 322. 141 Loewenstein, K , Verfassungslehre, 2. Aufl., Tübingen 1969, S. 195 f. 142 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 92 f. 143 Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische Kontrolle, S. 33. Demgegenüber meint Roellecke, G., Der Begriff des positiven Gesetzes u n d das Grundgesetz, Mainz 1969, S. 283 f., unter Berücksichtigung aller nach dem Grundgesetz möglichen Einflüsse (etwa auch nach A r t . 17 oder A r t . 5 GG) ließe sich ein Gesetzgeber überhaupt nicht feststellen. Diese „Offenheit" des Verfahrens sieht R. als K r i t e r i u m für den von i h m entwickelten absoluten Gesetzesbegriff („Das Gesetz ist das unbestimmte Bestimmte", S. 273) u n d f ü r dessen Übernahme i n das Grundgesetz an (S. 281 f., 304). Die Feststellung entbindet jedoch nicht von der Realanalyse der Gesetzgebungswirklichkeit u n d der Gewichtung der tatsächlichen Einflüsse.

I I I . Die Verordnungspolitik der Exekutive

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setzungsbefugnis überlassen: die Rechtsverordnungskompetenz in A r t . 80 GG. Welches Publizitätsverhalten läßt sich in diesem Bereich feststellen? 1. Bedeutung

Indem der Exekutive von Verfassungs wegen zugestanden wird, Normen zu setzen und zugleich auszuführen, w i r d der Grundsatz der Gewaltenteilung offen durchbrochen 144 . Diese „Verlagerung rechtsetzender Gewalt" 1 4 5 geschieht nicht ohne Grund. Wäre der Legislative jegliche A r t von Gesetzgebung vorbehalten, so müßte sie unter dieser Last zusammenbrechen oder einen Qualitätsverlust infolge der Mehrbelastung i n Kauf nehmen 148 . Der „Normhunger" der vollziehenden Behörden kann auf dem umständlichen und langwierigen Weg der förmlichen Gesetzgebung nicht gestillt werden 147 . Die Möglichkeit vereinfachter Normsetzung entlastet den Gesetzgeber 148 , und zugleich rechtfertigen die größere Praxisnähe der Verwaltung, ihre Anpassungsfähigkeit und nicht zuletzt ihr geballter Sachverstand die unmittelbare Kompetenzzuweisung. Der praktischen Vielfalt der Materien kann durch die Differenzierung der Arbeitsbereiche innerhalb der Exekutive sachgerecht entsprochen werden 149 . Die Tatsache, daß etwa an jedem Werktag der zurückliegenden Legislaturperioden eine Rechtsverordnung geschaffen wurde 1 5 0 , untermauert die Bedeutung dieser Exekutivbefugnis. Von den zwischen 1949 und 1965 von der Bundesexekutive erlassenen 4228 gesetzesvollziehenden Verordnungen ergingen allein 1254 ( = 29,7%) im Bereich des Finanzwesens und 1184 ( = 28%) i m Bereich des Wirtschaftsrechts 151 , auf Gebieten also, die i n hohem Maße spezialisiert und für ein flexibles, normensetzendes Eingreifen der Exekutive besonders prädestiniert sind 152 . 2. Die Entstehung der Rechtsverordnungen

a) Ihre Nicht-Öffentlichkeit Erblicken förmliche Gesetze, wenn auch weitgehend determiniert durch die Vorbereitungen der Ministerialbürokratie vor ihrem endgül144

Forsthoff,

E., Verwaltungsrecht, S. 124; BVerfGE18, 52 (59); vgl. oben

14 b. 145

v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, A n m . I I 3 a (S. 1908). Odewald, J., Der parlamentarische Hilfsdienst, S. 108. 147 Forsthoff, E., Verwaltungsrecht, S. 124. 148 v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, A n m . I I 3 c (S. 1910). 149 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 91. 150 Hasskarl, H., 16 Jahre Bundesrechtsetzung, S. 563. 161 Vgl. die entsprechenden Angaben zur förmlichen Gesetzgebung (oben I I 1) u n d Stat. Jahrbuch 1970, S. 116. 152 Hasskarl, H., 16 Jahre Bundesrechtsetzung, S. 562 f. 146

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

42

tigen Beschluß immerhin noch das Licht der parlamentarischen Öffentlichkeit, so werden Rechtsverordnungen in der Geheimatmosphäre der Ministerien geboren 153 . Auch die Einschaltung der Interessenverbände (gemäß §§ 23, 62, 74 GGO II) trägt weniger zur Veröffentlichung als zur Verschleierung bei 1 3 4 . Nur in Ausnahmefällen soll die Publizierung von Entwürfen den Behörden und Betroffenen die Vorbereitung auf die zu erwartende Rechtsänderung erleichtern 155 . b) Publizitätseffekt

durch Art. 80 GG?

Art. 80 GG, der als A n t w o r t des Verfassunggebers auf den Verfall rechtsstaatlicher Grundsätze während der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches anzusehen ist 1 5 6 , kann den Bürger bis zu einem gewissen Grad vor Überraschungen schützen 157 . Dem dient vor allem Art. 80 12 GG, der die Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß i m ermächtigenden Gesetz vorschreibt. Diese Ermächtigung darf nicht so unbestimmt sein, daß der Staatsbürger nicht vorhersehen kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird, und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen haben können 158 . Dieses Interesse des Bürgers rechtfertigt sich dadurch, daß die ihn treffenden Einzelfallentscheidungen in der Regel erst auf Grund der abgeleiteten Norm ergehen. Rechtsverordnungen sind besonders „bürgernah". Die Bedeutung von A r t . 8012 GG darf jedoch nicht überschätzt werden: Zum einen hat auch die Rechtsprechung in den Anforderungen an die Deutlichkeit der Ermächtigung geschwankt 159 , und zum anderen würde der Sinn von Art. 80 GG in sein Gegenteil verkehrt, wollte man die vorausschauende Programmierung aller Einzelheiten bereits vom ermächtigenden Gesetzgeber verlangen. So steht dem Verordnunggeber ein genügend großer Ermessensspielraum i n der Ausgestaltung der abgeleiteten Rechtsnormen zur Verfügung. Dieser Entscheidungsprozeß w i r d für die Öffentlichkeit nicht erkennbar.

153

Leisner,

154

Vgl. oben I I 1 c.

W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 91.

155

So die auf dem Gebiet des Zollrechts übliche Praxis, v. A r t . 80, Anm. I X 1 e (S. 1953). 156

v. Mangoldt-Klein,

A r t . 80, Anm. I I 1 c (S. 1906).

157

v. Mangoldt-Klein,

A r t . 80, A n m . V I vor 1 (S. 1940).

158

Mangoldt-Klein,

Std.Rspr.: BVerfGE 19, 354 (361 f.); E20, 257 (269 f.); E23, 72; E26, 16 (30, 32); dazu v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, A n m . V I 3 b (S. 1945) m. ausf. Nachw. 159

Maunz-Dürig-Herzog,

A r t . 80, Rdnr. 13 m. w. Nachw.

I .

Die V e r u n g s p o l i t i k der Exekutive

43

3. Ausfertigung und Verkündung

Rechtsverordnungen werden von der erlassenden Stelle ausgefertigt, A r t . 8212 GG (vgl. § 30 GO-BReg). Weil sie auch für Regelungen i m Grundrechtsbereich i n Frage kommen, sind an ihre Form und Publikation strengere Anforderungen zu stellen 180 . Demgemäß bestimmt A r t . 80 I 2 GG i. V. m. dem Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30.1.1950 (BGBl. I 23), daß diese nur noch i m Bundesgesetzblatt I und I I und i m Bundesanzeiger verkündet werden 181 . 4. Ergebnis

Der hochgradig spezialisierte Bereich der Verordnunggebung ist systemgerecht der Exekutive zur selbständigen Erledigung überwiesen. Die Öffentlichkeit erfährt von dem Erlaß von Rechtsverordnungen in der Regel erst durch ihre Publikation. Der Entscheidungsprozeß spielt sich i m Arkanbereich der Bürokratie ab. Der Fehlbestand an Öffentlichkeit ist hier wegen des Fehlen einer parlamentarischen Behandlung besonders groß. Ein Informationsanstoß von außen könnte insbesondere auch zu einer Erläuterung komplizierter Spezialmaterien Anlaß geben. IV. Die Verwaltungspolitik der Exekutive Als zentrale Funktion der Exekutive w i r d der Vollzug von Rechtsnormen i m Einzelfall angesehen 162 . Der Untersuchung der Publizitätstendenz bei dieser ureigensten Betätigungsform der Exekutive soll der folgende Abschnitt dienen. Es wäre jedoch ein grundlegender Irrtum, wenn man sich hier mit der Prüfung der belastenden oder begünstigenden Einzelakte begnügen wollte. Sie sind nur die untersten und letzten Äußerungen der Exekutive innerhalb einer Hierarchie von Gesetzesvollziehungshandlungen 183 . Wurde die Rechtsverordnungspraxis bereits 180

(164).

Vogel, K., Gesetzgeber u n d Verwaltung, V V D S t R L 24, B e r l i n 1966, S. 125

161 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 82, Rdnr. 9; v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, A n m . I I 6 (S. 2029); die A u f t e i l u n g auf die beiden Publikationsorgane ergibt sich aus dem Statistischen Jahrbuch 1970, S. 116. Landesrechtsverordnungen w e r den i n Landesgesetzblättern verkündet, v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, A n m . I X l b (S. 1952 f.); einschränkend Hess. StGH, U r t e i l v. 3.12.1969, N J W 1970, 937 (938 r. Sp.), der dem Gesetzgeber zugesteht, i m Wege der einfachen Gesetzgebung den Ort der Veröffentlichung zu bestimmen. Nach Auffassung des V G H Kassel, Urt. v. 18. 2.1970, N J W 1970, 1388 (1389 f.), können aber Rechtsverordnungen der Landesregierung von „allgemeiner N a t u r " w i r k s a m n u r i m GVB1. veröffentlicht werden. Hierbei w i r d nach h. M. trotz Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber Landesrecht gesetzt, Maunz-Dürig-Herzog, Art. 80, Rdnr. 21; a. A. neuestens v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, Anm. V 4 c (S. 1928 f.). 182 Oben 12 b. 183 Kabisch, D., Prüfung formeller Gesetze i m Bereich der Exekutive, Berl i n 1967, S. 91.

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B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

beleuchtet, so ist i m folgenden vor allem die „normative Zwischenschicht" 184 der Verwaltungsvorschriften zu betrachten. Sie spielen sowohl i n der Eingriffsverwaltung (unten 1), als auch auf dem Sektor der Leistungsverwaltung (2) und i m Innenbereich der Exekutive (3) die entscheidende Rolle. Das Gebot zur Öffentlichkeit würde hier die Exekutive i n ihrer täglichen Praxis erfassen. 1. Die Eingriffsverwaltung

Die Verwaltung ist zu Eingriffen in die Eigentums- und Freiheitssphäre des Bürgers nur berechtigt, wenn sie dazu in der Verfassung (etwa Art. 13 I I I GG) oder i n einem förmlichen Gesetz zumindest mittelbar ermächtigt ist 1 6 3 . Es gilt für sie der „Vorbehalt des Gesetzes" 106 , der als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 2 I, 14 und 20 I I I GG hergeleitet wird 1 6 7 . Der betroffene Bürger kann sich also zumindest i n Umrissen an dem publizierten förmlichen Gesetz auf den Eingriff einstellen. Dennoch ist auch für ihn die Anwendung i m Einzelfall nicht exakt voraussehbar, weil der vollziehenden Gewalt trotz der Legalitätsbindung eine eigene Gestaltungsbefugnis verbleibt. a) Die Funktion

von Verwaltungsvorschriften

Insbesondere durch Verwaltungsvorschriften steuert die Exekutive die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bei gebundener Verwaltung 1 6 8 , hauptsächlich aber die Ermessensausübung der ausführenden Behörden, falls ihr ein entsprechender Spielraum durch das ermächtigende Gesetz zugestanden wurde 1 6 9 . Eine derartige „selbstgeschaffene Systematik" 170 der Verwaltung w i r d vom Gesetz zwar nicht erwähnt, ist aber als selbstverständlich vorausgesetzt: I n den Fällen, wo der Gesetzgeber Verbote mit Erlaubnisvorbehalt oder Gebote mit Befreiungsvorbehalt schafft, führt sie im Grunde sogar zu einer Subsidiarität des Gesetzes gegenüber den allgemeinen Verwaltungsvorschriften 171 . Ihre rechtliche Begründung findet sie darin, daß so bei der Ermessensbetätigung der Gleichheitssatz gewahrt werden kann 1 7 2 . 164 Ossenbühl, F., Die Verwaltungsvorschriften i n der verwaltungsgerichtlichen Praxis, AöR 92 (1967), S. 1 (3). 185 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 124. 166 Begriff v o n Mayer, O., Verwaltungsrecht, S. 69 ff., 73 ff. 167 Z u r geschichtlichen Entwicklung: Selmer, P., Der Vorbehalt des Gesetzes, JuS 1968, 489—492; ders.: Rechtsverordnung u n d Verwaltungsvorschrift, V e r w A r c h 59 (1968), S. 114 (117). 168 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, §24112 d (S. 107); Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 3. 169 Wolff, H. J., a.a.O. 170 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 93. 171 BVerfGE 2, 237 (242); E 8, 155 (172 f.). 172 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 93.

I .

Die V e r u n g s p o l i t i k der Exekutive

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Nur unter diesem Aspekt bekommen Verwaltungsvorschriften auch über das Gebot der Hechtsanwendungsgleichheit (Art. 3 I GG) eine gesetzesähnlich bindende Bedeutung. Dadurch sind sie dem Rechtsschutz (Art. 19 I V GG) zugunsten des Bürgers unterstellt, obwohl sie dessen Rechte und Pflichten nicht unmittelbar bestimmen 173 . Diese Hilfskonstruktion zum Zwecke des Rechtsschutzes darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei VerwaltungsVorschriften nur um behördeninterne Weisungen handelt, die nicht das Außenverhältnis regeln und deshalb nicht wie Gesetze behandelt werden können 174 . Die Verwaltungsvorschriften bedürfen demnach keiner gesetzlichen Ermächtigung, (sondern es genügt die allgemeine Zuständigkeit der Behörde, Angelegenheiten dieser A r t zu regeln 175 ), sie unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung 176 und sie brauchen nicht verkündet zu werden 1 7 7 . Die Bedeutung dieser „apokryphen Rechtsetzung" 178 der Exekutive sollte nicht unterschätzt werden. Sie nimmt die Einzelfallentscheidung für und gegen die Bürger weitgehend vorweg, zumal sie für manche Beamte mangels Gesetzeskenntnis als alleinige Entscheidungsgrundlage dient 1 7 9 . b) Kein

Publikationszwang

Obgleich Verwaltungsvorschriften praktisch normgleiche Zustände schaffen, und das Grundgesetz von der prinzipiellen Normenpublikation ausgeht (Art. 821 GG) 180 , ist dieser Sektor der Eingriffsverwaltung grundsätzlich nicht-öffentlich 181 . Ein entscheidender Teil der Verwaltungspolitik bleibt damit verborgen. Es darf freilich nicht verkannt werden, daß die nach wie vor freiwillige 1 8 2 Publikation von Verwal173 Wolff, H. J. f Verwaltungsrecht I, § 2 4 I I d 3 , 4 (S. 108); Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 13 ff. Diese Konsequenz kann aber nicht bei „rechtsauslegenden" Verwaltungsvorschriften gezogen werden, BVerwGE34, 278 (281 ff.) m. w. Nachw. 174 v. Mangoldt-Klein, A r t . 80 A n m . I V 2—5 (S. 1916—1921) m. w. Nachw. Die zunehmende Neigung, den Verwaltungsvorschriften dennoch Rechtssatzcharakter beizumessen, löst das Problem nicht, w e i l sie den Rechtssätzen i m herkömmlichen Sinne nicht gleichzustellen sind, Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 6 (Fn. 19) m. w. Nachw. 175 Sofern nicht spezielle Ermächtigungen vorliegen w i e A r t . 84 I I , 85 I I , 86, 108 V I I , 1291 GG, vgl. Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 80, Rdnr. 16; Selmer, P., Verwaltungsvorschrift, S. 115. 176 Sie haben f ü r die Gerichte n u r die Bedeutung von Tatsachen, Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 24 I I d 2 (S. 108). 177 Es genügt die Bekanntgabe durch internes Rundschreiben, Selmer, P., Verwaltungsvorschrift, S. 117; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 80, Rdnr. 17. 178 Selmer, P., Verwaltungsvorschrift, S. 136; Bachof, O., Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, V V D S t R L 12, B e r l i n 1954, S. 37 (66 f.), spricht von der aktuellen Gefahr des Formenmißbrauchs. 179 Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 2, 5. 180 Oben I I 3 b, I I I 3. 181 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 93.

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

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tungsvorschriften zunimmt 1 8 3 . Dies ist nicht zuletzt auf die Bemühungen zurückzuführen, i n den Bundesländern i m Wege der Verwaltungsvereinfachung das Landesrecht zu bereinigen und zu systematisieren 184 . Es werden sogar Bestrebungen erkennbar, einen neu entstehenden, unveröffentlichten Vorschriftenbestand zu drosseln 185 . Solange die Publikation aber nicht obligatorisch ist, könnte ein Informationsrecht diesem Mangel abhelfen. 2. Die Leistungsverwaltung

Neben der Eingriffsverwaltung steht als weiterer tragender Aufgabenbereich die Leistungsverwaltung. Stichworte wie „Wohlfahrtsstaat" oder „Daseinsvorsorge" markieren ihren überragenden Stellenwert im modernen Staat 188 . Ist aber m i t ihrer quantitativen Zunahme auch ihre Publizität gestiegen? Fest steht jedenfalls, daß die Leistungsverwaltung auch rechtliche Probleme mit sich gebracht hat. a) Gilt der „Vorbehalt

des Gesetzes"?

Es geht hier vor allem um den Umfang der Fremddetermination der Exekutive durch die Legislative 187 . Praxis und Rechtsprechung haben den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gelockert und daneben „jede andere parlamentarische Willensäußerung, insbesondere etwa die etatmäßige Bereitstellung der zur Subventionierung erforderlichen Mittel" 182 Vogel, K., Gesetzgeber u n d Verwaltung, S. 164, w i l l sie aus Gründen der Rechtssicherheit zur Pflicht machen. 183 Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 2. Es bleibt freilich der P l u ralismus der Verkündungsblätter zu kritisieren, Nachw. bei Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, Bad Homburg 1968, S. 463 (Fn. 59). 184 I n s t r u k t i v der Bericht von Rietdorf, F., Die Bereinigung von V e r w a l tungsvorschriften i n Nordrhein-Westfalen, DÖV 1960, 576 f. (zur Situation i n Bayern S. 578 f.). Der B a y V e r f G H (Entsch. v. 2. 5.1968), BVB1. 1968, 352, gesteht der Exekutive ein Wahlrecht zu, i n welchem amtlichen B l a t t die V o r schriften zu verkünden seien. Die „Verwaltungsanordnung über die amtliche Verkündung der Rechts- u n d Verwaltungsvorschriften der Staatsregierung u n d der Staatsministerien" v. 25. 6.1957 (GVB1. S. 129), welche die Publikation i m Gesetz- u n d Verordnungsblatt vorschreibt, sei selbst keine Rechtsn o r m u n d könne deshalb das ausschließliche Verkündungsblatt nicht bestimmen. Damit w i r d die Übersichtlichkeit des Vorschriftenbestandes wieder i n Frage gestellt. Kritisch: Masson, C., i n der Anm. zu dem obigen Urteil, BVB1. 1968, 352 f.; Rupp, H. H., M i n i s t e r i a l e r l a s s e — Ausdruck originärer Rechtsetzung der Exekutive?, N J W 1970, 412 (413). iss unveröffentlichte Verwaltungsvorschriften sollen deshalb drei Jahre nach Erlaß außer K r a f t treten, falls nicht eine ausdrückliche anderweitige Regelung getroffen wurde, so die „Verwaltungsanordnung über die Geltungsdauer unveröffentlichter Verwaltungsvorschriften der Bayer. Staatsregierung u n d der Staatsministerien" v. 25. 6.1957 (GVB1. S. 130). 186

Einen umfassenden soziologisch-rechtlichen Befund gibt Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 116—124. 187 Kabisch, D., Gesetzesprüfung, S. 79.

I .

Die V e r u n g s p o l i t i k der Exekutive

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als ausreichend angesehen 188 . Strengere Anforderungen stellt die Rechtsprechung nur für den Fall auf, daß die Gewährung von Begünstigungen eine Auferlegung von Belastungen nach sich zieht 189 . Die eindeutige Absage an einen Totalvorbehalt des Gesetzes190 führt dazu, daß die Leistungsverwaltung in den Erlaß von „Richtlinien", „Runderlassen" oder „Anweisungen" 1 9 1 ausweicht, um so stellvertretend für fehlende gesetzliche Regelungen konkrete Maßstäbe für die Verteilung der Mittel zu schaffen 192. Weil die Exekutive den Bereich der leistungsgewährenden Normen m i t ihren internen Verwaltungsvorschriften usurpiert hat 1 9 3 , w i r d das Publizitätsdefizit deshalb i n gleicher Weise wie bei der Eingriffsverwaltung spürbar. Es geht sogar noch weiter, weil die Publizitätswirkung eines ermächtigenden Gesetzes weitgehend fehlt 1 9 4 . b) Haushaltsplan

als Publikationsersatz?

Es ist jedoch zu prüfen, ob nicht dieser Mangel durch die Publikation des als Rechtsgrundlage ausreichenden Haushaltsgesetzes und des Gesamthaushaltsplans i m Bundesgesetzblatt ausgeglichen wird, die wiederu m auf die außerhalb des Verkündungsblattes öffentlich zugänglichen Einzelpläne verweisen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dieser Handhabung keinen Verstoß gegen Art. 82 I GG 1 9 5 . I n der Literatur w i r d daran herbe K r i t i k geübt: Die unzureichende Publikation des Haushaltsgesetzes sei nicht auf Durchsichtigkeit für den Bürger angelegt 196 und widerspreche dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit einer jeden Rechtsgrundlage 197 . Die Rückführung der leistungsgewährenden 188 Grundlegend: B V e r w G E 6, 282 (287); vgl. auch Selmer, P., Vorbehalt des Gesetzes, S. 492; Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 4. iss B V e r w G E 6, 282 (288); B V e r w G (Urt. v. 19.12.1958), DÖV 1959, 706 (708). 190 Wie i h n etwa Jesch, D., Gesetz u n d Verwaltung, S. 171 ff., 205; Mallmann, W., Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, V V D S t R L 19, B e r l i n 1961, S. 165 (181—194); Rupp, H. H., Grundfragen, S. 140—146, fordern. Dagegen spricht schon die oben 1 1 erwähnte verfassungsunmittelbare Legitimation der Exekutive. Dazu: Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 82. 191 Selmer, P., Verwaltungsvorschrift, S. 114 m. w. Nachw. i n Fn. 4, S. 129 f. (Fn. 106, 112). 192 Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 13; ders.: Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 550 ff. 193 Selmer, P., Vorbehalt des Gesetzes, S. 492. 194 Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 4, stellt deshalb fest: „Die Relevanz der Verwaltungsvorschriften ist der Bestimmtheit des Gesetzes umgekehrt proportional." 195 ßVerfGE 20, 56 (93). 198 Zacher, H. F., Verwaltung durch Subventionen, V V D S t R L 25, B e r l i n 1967, S. 308 (357); ders.: Soziale Gleichheit, AÖR93 (1968), S. 341 (368, Fn. 81), spricht von einer gefährlichen Verharmlosung der Nichtverkündung von Haushaltsplänen durch die Rechtsprechung. 197 Obermayer, K , Der Plan als verwaltungsrechtliches Institut, V V D S t R L 18, B e r l i n 1960, S. 144 (159 f.); dazu auch unten C I I 2 c (Grundsatz der N o r m klarheit).

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

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Verwaltung auf eine „etatmäßige Bereitstellung" kann also die nötige Publizität nicht schaffen. Die Berechenbarkeit staatlicher Leistungen muß i n diesem Fall anderweitig ermöglicht werden. Deshalb muß die Exekutive zusätzliche Informationsleistungen erbringen. 3. Der Innenbereich der Exekutive

Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, sollten alle Betätigungsformen der Exekutive in allen Einzelheiten auf ihren Publizitätsgehalt untersucht werden. Sind die wichtigsten Entwicklungslinien bereits dargestellt, sollen abschließend nur noch einige wesentliche Teilbereiche betrachtet werden: a) Das Haushaltsrecht Die grundsätzlichen Bedenken gegen die Publizität des Haushaltsrechts wurden bereits oben (2 b) angedeutet 198 . Allerdings bahnt sich mit Erlaß der Bundeshaushaltsordnung vom 19. 8.1969 (BGBl. I 1284) eine neue Entwicklung an, deren Auswirkungen erst abgewartet werden müssen. Eine bemerkenswerte Neuerung stellt in jedem Falle die Pflicht zur Erstattung eines Finanzberichts dar (§ 31 BHO), in dem der Bundesminister der Finanzen über Stand und voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft Rechenschaft ablegen soll. Als Zweck dieser Vorschrift ist es anzusehen, die Bundesregierung zur Offenlegung der sie leitenden wirtschaftspolitischen Überlegungen zu verpflichten. Der jährliche Bericht des Bundesrechnungshofs an Parlament und Regierung (früher bestehend aus „Bemerkungen" gemäß § 107 I RHO, „Denkschrift" laut § 107 V I RHO und „Bericht" nach § 109 RHO, nunmehr zusammengefaßt i n „Bemerkungen" gemäß § 97 BHO) hat nur retrospektiv-kontrollierenden Charakter. Die so bewirkte Publizität kann deshalb die Entscheidungen der Exekutive nicht „ i n fieri" erfassen 199 . b) Das Organisationsrecht Die Publizität der Organisation der Staatsverwaltung hängt davon ab, wieweit hier der Vorbehalt des Gesetzes durchgreift. Wäre letztendlich der Gesetzgeber kompetent, würde die Publizität zumindest durch das ermächtigende Gesetz ermöglicht, wäre die Exekutive dagegen selbständig, könnte sie wiederum mit „geheimen" Verwaltungs198

Bachof, O., Sozialer Rechtsstaat, S. 64, spricht davon, daß n u r eine w e i t gehende Publizität u n d Kontrolle der öffentlichen Haushaltsgebarung die darin liegenden Gefahren i n etwa zu bannen vermöge. 199 Z u r Finanzkontrolle insgesamt unten D I 3 a, zur Feststellung des Haushaltsplans durch das Parlament D 1 3 c, aa.

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Die V e r u n g s p o l i t i k der Exekutive

Vorschriften tätig werden 2 0 0 . So ist für den behördlichen Unterbau der Ministerien durch die Gesetzesvorbehalte der Art. 871—III, 108 II, I V GG Form und Verkündung der Organisationsregelungen bereits festgelegt 2 0 1 . Die Errichtung nicht-rechtsfähiger Anstalten und unselbständiger Dienststellen i m Ministerialbereich, die meist i m Erlaßwege erfolgt, ist i n der Regel Ministerialblättern zu entnehmen 202 . I m Organisationsbereich der Bundesregierung fehlt jede amtliche Publizität. Keine Vorschrift zwingt etwa zu einer förmlichen Publizierung der dem Bundeskanzler vorbehaltenen Festlegung der Geschäftsbereiche; nur die Umfirmierung von Ministerien ist eines der wenigen Indizien für eine Änderung der Geschäftsverteilung 203 . Das Landesrecht (z. B. Art. 77 I B V ) behält dagegen die Organisation der Staatsverwaltung dem Gesetzgeber vor 2 0 4 , wodurch die Öffentlichkeit der Staatsorganisation zumindest durch die Normpublizität herbeigeführt wird. c) Die besonderen Gewaltverhältnisse Die Rechtsstellung der Beamten, Schüler etc. w i r d teils auf der Grundlage generalklauselartiger gesetzlicher Ermessensräume, teils völlig ohne spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage durch Verwaltungsvorschriften geregelt 205 . Die Ausgrenzung aus dem Vorbehalt des Gesetzes hat demnach wiederum eine weitgehende Öffentlichkeitsfeindlichkeit des Rechts der Gewaltunterworfenen zur Folge. d) Die Fiskalverwaltung I m Fiskalbereich ist der Staat einem Privatmann gleichgestellt. Auf der Ebene der Gleichordnung verwaltet er sein Finanzvermögen (z. B. Forsten oder Liegenschaften) oder betreibt wirtschaftliche Unternehmungen (z. B. Sparkassen, vgl. Art. 75 ff. BayGO). Von der Vielfalt der 200

Die Frage ist strittig: Für grundsätzliche Kompetenz des Parlaments z.B. Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 94 f.; für die Zuständigkeit der Regierung: Forsthoff, E., Verwaltungsrecht, S. 404; vgl. auch Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 262 ff. 201 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 280. 202 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, a.a.O. 203 Röttgen, A., Der Einfluß des Bundes auf die deutsche V e r w a l t u n g u n d die Organisation der bundeseigenen Verwaltung, JöR 11 (1962), S. 173 (261); Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 281 ff., kennzeichnet diese Praxis als „rechtsstaatlich-konstitutionellen K u l t u r v e r f a l l " (a.a.O., S. 282); zum Einw a n d mangelnder Publizität allgemein: Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 266, 462. 204 Dazu u n d zur Frage, ob A r t . 77 B V auch f ü r die mittelbare Staatsv e r w a l t u n g gilt, vgl. Leisner, W., Errichtung und Einrichtung juristischer Personen i n Bayern, BVB1. 1967, 329 ff. 205 Selmer, P., Verwaltungsvorschrift, S. 119. 4 Jerschke

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

50

Probleme, die sich aus dem Gleichrang des Staates i m Rechtsverkehr 208 ergeben, ist für den Umfang der Publizität die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes ein entscheidendes Indiz. Der Fiskalbereich ist jedoch traditionell legalitätsfrei 207 . Zur Begründung w i r d angeführt, daß andernfalls der Gesetzgeber überfordert, und die Verwaltung i n ihrer Eigeninitiative gelähmt werde 208 . Tendenzen, die den Gesetzesvorbehalt auch auf fiskalisches Handeln ausdehnen wollen 2 0 9 , haben sich jedenfalls in der Praxis nicht durchgesetzt. So muß die Publizitätsbilanz des Fiskalbereichs negativ ausfallen. 4. Ergebnis

Die Verwaltungspolitik der Exekutive w i r d durch die behördeninterne, normähnliche Koordinierung mittels Verwaltungsvorschriften beherrscht. Ihre Publizität ist nur „fakultativ" 2 1 0 . Das schließt nicht aus, daß i m Rahmen der „Verbandsöffentlichkeit" die Korporationen mit öffentlich-rechtlichem Zwangscharakter und die privaten Verbände „faktisch" besser informiert sind. Allgemein läßt sich feststellen, daß die Publizität der Verwaltungstätigkeiten mit zunehmender Normferne abnimmt 2 1 1 . V. Die Sondergewalten Einige Betätigungsformen der Exekutive zeigen so eigene Strukturen, daß sie als „differenzierende Abspaltungen vom Sammelbegriff der vollziehenden Gewalt" 2 1 2 einer eigenen Betrachtung i m Hinblick auf die Publizität wert sind. 1. Die Auswärtige Gewalt

Das Grundgesetz betraut i m wesentlichen die Bundesregierung mit der Führung der auswärtigen Angelegenheiten, wie sich aus den A r t . 32, 59, 73 Nr. 1, 87 GG und insbesondere aus der Richtlinienkompetenz des 206

Dazu Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 204—218. Die Rechtsprechung zeigt keine Neigung, den Gesetzesvorbehalt auf die Fiskalverwaltung auszudehnen, vgl. B V e r f G E 8 , 155 (167); B V e r f G E 6 , 282 bis 284. 208 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht, Bd. I I I , 2. Aufl., München 1967, § 138 I I I b (S. 138 f.). 209 Bejahend: Mallmann, W., Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, S. 174—194, 202; zu einer positiven Beantwortung neigend: Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 215 f.; i m Ergebnis ablehnend: Leisner, W., Werbefernsehen u n d öffentliches Recht, B e r l i n 1967, S. 130—132, jew. m. w . Nachw. 210 Ossenbühl, F., Verwaltungsvorschriften, S. 2. 211 Zacher, H. F., Subventionen, S. 358, bezeichnet es deshalb als falsch, den rechtsstaatlichen Wert der Publizität so an den Gesetzesvorbehalt zu binden, daß er m i t i h m preisgegeben werde. 212 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 77. 207

V . Die Sondergewalten

51

Bundeskanzlers, A r t . 65 S. 1 GG ergibt 2 1 3 . Das Parlament kann nur durch das Mißtrauensvotum, Art. 67 GG, und mit Hilfe des Auswärtigen Ausschusses, Art. 45 a I GG, Einfluß auf die auswärtige Politik nehmen; die Mitwirkungsrechte des A r t . 59 I I 1 GG sind Ausnahmen 214 . Immerhin bedeutet die Einschaltung der gesetzgebenden Körperschaften bei hochwichtigen Verträgen eine Absage an die Geheimdiplomatie zugunsten der Information des Volkes in Lebensfragen der Nation. A r t . 59 I I 1 GG beinhaltet deshalb eine Publizitätsfunktion 2 1 5 . I m übrigen ist die Auswärtige Gewalt prinzipiell vom Vorbehalt des Gesetzes freigestellt, weil diplomatische Akte als „gerichtsfrei" angesehen werden. Dies bestätigt die herkömmliche Auffassung, daß gerade i n der auswärtigen Politik der Publizität Grenzen gesetzt sind 216 . Die intensive Beschäftigung des Bundespresseamtes und anderer Institutionen (Deutsche Welle, Goethe-Institut, Inter Nations) m i t der „Öffentlichkeitsarbeit Ausland", die auch eine Rückwirkung i m Inland zeigt, ist weitgehend von werbenden Absichten bestimmt 2 1 7 und w i r d demzufolge die diplomatischen Aktivitäten zwar unterstützen, aber nicht eigentlich aufdecken 218 . 2. Die Verteidiigungsgewalt

Keine wesentlich anderen Aspekte ergeben sich für den Sektor der Verteidigung. Sie ist eine eigenständige Aufgabe der Bundesregierung, vgl. Art. 65 a, 73 Nr. 1, 87 a, 87 b GG, wobei der Kommandogewalt sogar eine überwiegend selbständige Stellung unterhalb der Regierung und neben der Verwaltung zukommt 2 1 9 . Ein Hinweis für die grundsätzliche Nicht-Öffentlichkeit von Verteidigungsfragen ist die spezielle Regelung für den Verteidigungsausschuß, A r t . 45 a GG, der auch die Rechte eines 213

Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 112 f. m. w . Nachw. Reichel, G. H., Auswärtige Gewalt, S. 71. 215 Reichel, G. H., Auswärtige Gewalt, S. 100 m. Fn. 172. Das GG schließt dadurch die typischen u n d damit die meisten Geheimverträge grundsätzlich aus oder verhindert sie jedenfalls i n praxi, Geck, W. K., Völkerrechtliche Geheimverträge u n d Verfassungsrecht, i n : Festschrift für G . M ü l l e r , Tübingen 1970, S. 77 (100). Schneider, P., Pressefreiheit u n d Staatssicherheit, Mainz, 1968, S. 98 m. Fn. 228, bezeichnet es deshalb als absurd, Geheimpolitik u n d Außenpolitik zu identifizieren u n d zugleich langfristige Staatsverträge der Volksabstimmung zu unterwerfen (wie es A r t . 89 SchweizBV vorsieht). 218 Gezielte Indiskretionen können diese Regel durchbrechen, so die v o r zeitige Publizierung des sog. Bahr-Papiers u n d des deutsch-sowjetischen V e r trags i m Sommer 1970. Vgl. auch Eschenburg, T., Geheimdiplomatie per Zeitung?, i n : „Die Zeit", Nr. 46 v. 14.11.1969, S. 4, zur Veröffentlichung eines geheimen Runderlasses des Außenministers. 217 Dazu Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, insbes. S. 19, 39, 107, 119; Kaps, N., u n d H. Küffner, Das Presse- u n d Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1969, S. 129 ff. 218 Z u r Arbeit des B P A unten D I I I 1 a. 219 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 65 a, Rdnr. 11 ff. 214

4*

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

52

Untersuchungsausschusses hat und dennoch nicht in öffentlicher Verhandlung tagt (Art. 45 a I I I i. V. m. Art. 44 I GG) 220 . Für die Öffentlichkeitsarbeit i n Verteidigungsfragen ist zwar ein spezieller Titel i m Bundeshaushaltsplan vorgesehen, sie soll aber in erster Linie der Aufrechterhaltung der „inneren Verteidigungsbereitschaft der deutschen Öffentlichkeit" 2 2 1 und somit nicht der sachlichen Aufklärung dienen. 3. Die Prüfungsgewalt

Die Examensgewalt ist eine im Grundgesetz nicht erwähnte, aber stillschweigend vorausgesetzte Befugnis der vollziehenden Gewalt. I n neuester Zeit werden hier Tendenzen sichtbar, die Prüfungsunterlagen zumindest gegenüber den Examenskandidaten aufzudecken und damit eine partielle Öffentlichkeit herzustellen 222 . 4. Ergebnis

Die Sondergewalten — schon durch ihre Spezialität von den übrigen Verwaltungstätigkeiten geschieden —, zeichnen sich durch eine weitgehende Publizitätsabstinenz aus. VI. Die Selbstverwaltung Von den Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung soll beispielhaft die Verwaltungstätigkeit der Kommunen auf ihre Öffentlichkeitstendenz untersucht werden. 1. Die unmittelbare demokratische Legitimation

I n den Gemeinden und Kreisen muß lückenlos eine Volksvertretung existieren, Art. 28 I 2 GG 2 2 3 . Ihr besonderes Gewicht besteht darin, daß sie nicht nur die speziell selbstverwaltungsrechtliche Rechtsetzungsbefugnis der autonomen Satzung besitzt und damit legislative Aufgaben wahrnimmt 2 2 4 , sondern auch die Exekutivfunktionen der Kommune, zusammen mit dem ebenfalls vom Gemeindevolk direkt gewählten Bürgermeister, erfüllt. Innerhalb der Gemeinden hat somit das Gewaltenteilungssystem keine Geltung 225 , den Repräsentativorganen der 220

Einzelheiten unten C 11 b, cc. So die Erläuterungen zu T i t e l 309; zitiert bei Leisner, W., keitsarbeit, S. 19 (Fn. 21); vgl. unten D I I I 1 a. 222 Vgl. B F H , Urt. v. 2.8.1967, N J W 1967, 2379 f.; Münch, I.V., legung der Prüfungsakten i m Ersten u n d Zweiten Staatsexamen, 46ff.; Fink, B., Geheimnislüftung i n Hessen durch Offenlegung der akten, N J W 1969, 1239. 223 Stern, K , B K , Art. 28, Rdnr. 47. 224 Stern, K , B K , A r t . 28, Rdnr. 105. 221

ÖffentlichZ u r OffenJuS 1969, Prüfungs-

V I . Die Selbstverwaltung

53

Gemeinden steht vielmehr die führende und kontrollierende, d. h. die zentrale Lenkungsfunktion zu 226 . Durch ihre unmittelbare demokratische Legitimation (Art. 28 I 2, 3, I I GG) w i r d die sachnahe Verwaltungsführung, die lokale Initiative und die Aktivierung der Gemeindebürger für ihre eigenen Angelegenheiten ermöglicht und gefordert 2 2 7 . Darin liegt auch die reelle Möglichkeit für mehr Öffentlichkeit ex lokaler Demokratie. Der Rathaus-Bereich ist überschaubar, die örtlichen Probleme sind handgreiflich und die ausführenden Organe versinken nicht i n der Anonymität eines weitverzweigten Behördenapparats. Die Gemeindeordnungen tun ein übriges für die „lokale Öffentlichkeit": Die Gemeinderatssitzungen sind grundsätzlich öffentlich (vgl. Art. 52 I, I I BayGO), auch die in nicht-öffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind in der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung entfallen sind (Art. 52 I I I BayGO), die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Gemeindebürgern frei (Art. 54 I I I 2 BayGO), und die örtlichen Satzungen sind im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekanntzumachen (Art. 26 I I 1 BayGO). 2. Gefährdung der Bürgernähe

Der kommunale Tätigkeitsbereich ist wegen der autonomen Satzungsgewalt und des Rechts der Gemeinden zur Spontaneität zwar umfassender als der übliche Handlungsbereich der staatlichen Exekutive 2 2 8 , es zeigt sich aber, daß die unvermeidliche Bürokratisierung und Schematisierung den kommunalen Verwaltungsstil auch dort prägen, wo „eigene" Angelegenheiten wahrgenommen werden 229 . Das liegt zum einen daran, daß die Gemeinden i m übertragenen Wirkungskreis wie staatliche Unterbehörden in unbeschränkt weisungsgebundener Abhängigkeit von den staatlichen Mittel- und Oberbehörden handeln 230 , zum anderen daran, daß auch der eigentliche Selbstverwaltungsbereich unter dem Vorbehalt des Gesetzes steht 231 . Der eigene Wirkungskreis der Kommunen w i r d nur durch den Wesensgehaltsschutz des Art. 28 I I GG, der garantiert, daß den Gemeinden die Erledigung der Aufgaben 225

Wolff, H. J., Verwaltungsrecht, Bd. I I , 3. Aufl., München 1970, § 87 I I a 1 (S. 215); Stern, K., B K , A r t . 28, Rdnr. 105 (Fn. 17). 828 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I , § 87 I I b (S. 215 f.). 227 I n diesen Zielen der „demokratischen Dezentralisation" liegt die eigentliche Rechtfertigung der Gemeinden, Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 251. 228 Stern, K., B K , A r t . 28, Rdnr. 105 ff. 229 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 251. 230 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I , § 86, X a (S. 209). 231 Stern, K , B K , A r t . 28, Rdnr. 134 ff.

54

B. Das Publizitätsverhalten der Exekutive

überlassen wird, die herkömmlicherweise zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zählen 232 , vor dem totalen legislativen Zugriff bewahrt 2 3 3 . Dieser Reservatbereich der Gemeinden sinkt jedoch zur Bedeutungslosigkeit herab, wenn ein Ubermaß von staatlichen Auftragsangelegenheiten ihre Verwaltungskraft, Beweglichkeit und Eigeninitiative absorbieren 234 . W i r d so durch das Übergewicht der Fremdbestimmung das gemeindliche „Selbst"-Verwaltungsrecht i n Frage gestellt, m i t der Folge, daß auch das Bürgerinteresse mangels eines eigenen Gestaltungsspielraums nachläßt, so kommt ein anderes Moment hinzu: Noch existieren i n der Bundesrepublik 24 000 Gemeinden, von denen 45 °/o weniger als 500 und 68 °/o weniger als 1000 Einwohner haben 235 . Es zeigt sich jedoch ein Zug zur Konzentration i m Wege der Verwaltungsvereinfachung. Diese Dimensionsvergrößerung der gemeindlichen Selbstverwaltung erschüttert die gemeindenahe Demokratie, gefährdet die Bürgernähe und begrenzt die Wirkungen der lokalen Öffentlichkeit.

V I I . Zusammenfassung Die Publizitätsbilanz der Exekutive ist negativ. Das bedeutet nicht, daß von der „Informierten Gewalt" keinerlei Öffentlichkeit ausgeht. Die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit 238 , die über die parlamentarische Verantwortlichkeit herbeigeführte Publizität 2 3 7 , aber auch neue gesetzliche Bestimmungen 238 sorgen für ein Gutteil an Transparenz. Entscheidend ist, daß ein Fehlbestand an Voraussehbarkeit und Wahrnehmbarkeit bleibt. Neben anderen Gründen hat die nur partielle Geltung des Vorbehalts des Gesetzes diesen Tatbestand zur Folge 239 . I n diese Dunkelfelder könnte das Informationsrecht vorstoßen. 282 BVerfGE 1,167 (174 ff.); B V e r w G E 6,19 ff.; Maunz-Mang-Mayer-Obermayer, Staats- u n d Verwaltungsrecht i n Bayern, 3. Aufl., München 1968, S. 321 m. w . Nachw. 233 Kabisch, D., Gesetzesprüfung, S. 53 f. 284 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 246. 285 Galette, A., Wandlungen der Verwaltungsaufgaben, ihrer Zuordnung u n d Durchführung i m modernen Leistungsstaat, i n Bd. 43 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, B e r l i n 1969, S. 49 (55), m i t kritischer Würdigung der aktuellen Bestrebungen i n der Gebietsreform. 236 Dazu unten D I I I 1 a. 237 Einzelheiten D 1 3 c (Inter-Organ-Kontrolle durch die Legislative) i. V. m. C H u n d C I I 1 b , b b (Parlamentsöffentlichkeit). 238 z. B. die neuen Publizitätsformen i m Stabilitätsgesetz v. 8. 6.1967 (BGBl. 1582): §§2,311,1211,17,18; vgl. Häberle, P., Öffentlichkeit u n d Verfassung, ZfP 16 (1969), S. 273. 239 Die Publizität als Konsequenz des Legalitätsprinzips stellt Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 215, heraus.

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung Hat die bisherige Untersuchung ein deutlich faßbares Defizit i m Publizitätsverhalten der Exekutive ergeben, so stellt sich die Frage nach Abhilfe. Das Problem lautet: Besteht ein rechtlicher Befehl, die Arbeit der vollziehenden Gewalt aus sich heraus oder von außen her transparent zu machen? Ein Informationsrecht als externer Publizitätsanstoß hätte allerdings erst dann seine Berechtigung, wenn die Exekutive einem für sie bestehenden Öffentlichkeitsgebot nicht i n vollem Umfang nachkommen könnte. Die Beschränkung auf ein Informationsrecht des Journalisten wiederum wäre erst dann zulässig, wenn nicht schon jedermann die Informationsinitiative zustünde. Die Verfassung muß eine A n t w o r t geben. Fällt sie negativ aus, mag man den oben beschriebenen Zustand bedauern, muß i h n aber hinnehmen. Erteilt das Grundgesetz ein Öffentlichkeitsgebot, dann muß es nach A r t und Umfang genauer betrachtet werden. Zunächst w i r d deshalb das Grundgesetz nach ausdrücklichen öffentlichkeitsgeboten (unten I), nach solchen aus den Staatsformbestimmungen (II), nach entsprechenden Folgerungen aus der personalen Wertentscheidung (III) und aus dem Grundrechtskatalog (IV) befragt. Eine sachliche Beschränkung dieser Fragestellung auf den Bereich der Exekutive verbietet sich vorerst, weil das Grundgesetz die staatliche Gewalt als Einheit auffaßt und nur die Funktionsausübung auf die drei Gewalten verteilt. I . Ausdrückliche Offentlichkeitsgebote 1. Die Parlamentsöffentlichkeit

a) Die Öffentlichkeit

des Bundestages

A r t . 4211 GG bestimmt: „Der Bundestag verhandelt öffentlich." Die Vorschrift bezieht sich nur auf das Plenum des Bundestages, weil die Ausschüsse nicht — wie i n Art. 42 I I I GG — zusätzlich erwähnt sind 1 . Bedeutsam für die weitere Untersuchung ist die Frage, wie dieses öffentlichkeitsgebot realisiert und wer davon begünstigt wird. Die Norm ist zunächst nur i m Sinne einer „unmittelbaren Raumöffentlichkeit" 2 zu verstehen, d. h. es besteht die freie Zugangsmöglich1 v. Mangoldt-Klein, 42, Rdnr. 2.

A r t . 42, A n m . 113 (S. 928); Maunz-Dürig-Herzog,

Art.

56

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

k e i t f ü r j e d e r m a n n , s o w e i t die R a u m v e r h ä l t n i s s e es gestatten 3 . D a m i t k ä m e der P a r l a m e n t s ö f f e n t l i c h k e i t aber n u r symbolische B e d e u t u n g zu, da die B e s u c h e r t r i b ü n e n n a t ü r l i c h b e i w e i t e m n i c h t f ü r alle interessiert e n B ü r g e r ausreichen. I n s o w e i t e r h ä l t die A n w e s e n h e i t der Presse besonderes G e w i c h t 4 , d e n n sie v e r m a g die A r b e i t der V o l k s v e r t r e t u n g als M u l t i p l i k a t o r d e m ganzen V o l k zu v e r m i t t e l n 5 . Das setzt jedoch voraus, daß die Pressevertreter i n j e d e m F a l l Z u t r i t t z u m B u n d e s t a g e r h a l t e n , u n d i h r e A n w e s e n h e i t n i c h t , w i e die der sonstigen Z u h ö r e r , v o n d e m z u f ä l l i g noch v o r h a n d e n e n R a u m a b h ä n g i g ist. D e r B o n n e r B u n d e s t a g h a t deshalb die Presse d u r c h B e r e i t s t e l l u n g einer eigenen P r e s s e t r i b ü n e bevorzugt. F r a g l i c h ist, ob diese H a n d h a b u n g v o n A r t . 4 2 1 G G auch r e c h t l i c h g e f o r d e r t ist. I n d e r L i t e r a t u r w i r d z w a r zugegeben, daß die Z u l a s s u n g v o n M a s s e n n a c h r i c h t e n m i t t e l n durchaus d e m S i n n d e r V o r s c h r i f t e n t spreche, es w i r d aber auch b e t o n t , daß eine B e v o r z u g u n g der Presse 8 w e d e r v o n A r t . 42 I G G noch v o n A r t . 5 G G v e r l a n g t w e r d e 7 . D e m k a n n n i c h t z u g e s t i m m t w e r d e n . N a c h u r s p r ü n g l i c h e r A u f f a s s u n g , so gemäß § 1 1 1 der Reichsverfassung v o n 1849 u n d A r t . 22 I der Reichsverfassung v o n 1871, w a r die freie Z u g ä n g l i c h k e i t der S i t z u n g e n e i n P r i v i l e g des 2 Windsheimer, H., Die „Information" als Interpretationsgrundlage f ü r die subjektiven öffentlichen Rechte des A r t . 5 Abs. 1 GG, B e r l i n 1968, S. 34. 3 v. Mangoldt-Klein, A r t . 42, Anm. I I I 2 (S. 927); Maunz-Dürig-Herzog, 42, Rdnr. 3; Lechner-Hülshoff, Parlament u n d Regierung, S. 172.

Art.

4 Dorn, W., Bundestag, S. 229. Ausführlich zur durch die Presse „vermittelten Öffentlichkeit" eines Landesparlaments: Oberreuter, H., Die Öffentlichkeit des Bayerischen Landtags, i n : Heft B 21/70 (v. 23.5.1970) der Beilagen zur Wochenzeitung Das Parlament, S. 3 (19 ff.). 5 „Die Möglichkeiten, die Öffentlichkeit über aktuelle Fragen der Gesetzgebung durchPresse u n d Rundfunk zu unterrichten, sind nahezu unbegrenzt", so BVerfGE 1,144 (152). Der Abg. Moersch berichtet (Bundestag, S. 31), daß a m Freitag, dem 25.4.1969, der Bundestag zum ersten M a l eine Sitzung, die sich m i t der Deutschlandpolitik befaßte, m i t Rücksicht auf die besonderen Freitagtermine der Zeitungen und Sendeanstalten schon u m acht U h r f r ü h begonnen habe. Z u r Verbesserung der Parlamentsberichterstattung allgemein: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1969, Bonn 1970, S. 26 f.; Hassel, K . - U . v., Parlament u n d Presse, Rede des BT-Präsidenten vor dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, i n : Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 19 v. 9. 5.1970, S. 12. 6 Rundfunk, Fernsehen oder Wochenschau können nach dem Thema dieser Arbeit außer Acht gelassen werden. Neben der Störung der Parlamentsarbeit durch ihren technischen A u f w a n d (Kameras, Scheinwerfer) bringt ihre besondere Unmittelbarkeit vor allem verfassungspolitische Probleme m i t sich („Fernsehparlament", „Telekratie"). Nach parlamentarischer Übung ist ihre Zulassung von einer besonderen Genehmigung des Bundestagspräsidenten abhängig, vgl. Trossmann, H., Parlamentsrecht, S. 199. 7 So Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 42, Rdnr. 3,4; i n gleichem Sinn: v. MangoldtKlein, A r t . 42, Anm. I I I 2 (S. 928); a. A. Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 69 f.; Schneider, R , B K , A r t . 42, A n m . I I 1; zweifelnd Mattern, K . H., Parlament, S. 65.

I. Ausdrückliche Öffentlichkeitsgebote

57

Parlaments 8 , das infolgedessen über A r t und Umfang der Öffentlichkeit nach Belieben verfügen konnte. Dies änderte sich mit Art. 29 WRV, der zwar den Ausschluß der Öffentlichkeit zuließ, ihn aber kraft Verfassungsrechts regelte und damit den Grundsatz der Öffentlichkeit i n den Dienst der Nation stellte 9 . Auch das Grundgesetz schränkt in dieser Weise das Selbstorganisationsrecht des Bundestages ein, A r t . 42 I 2, 3 GG 10 . Der Ausschluß der Öffentlichkeit ist wegen der dafür erforderlichen hohen 2 /3-Mehrheit, die sonst nur bei Änderungen des Grundgesetzes, Art. 79 I I GG, notwendig ist 11 , sogar als Ausnahme anzusehen. Ist die Öffentlichkeit der Sitzungen kein Privileg des Parlaments, so kann dieses auch nicht über die Teilnahme der Presse entscheiden. Die demokratische Funktion dieser Publizität erfordert vielmehr, daß sie durch die Presse zu einer realen Informationsmöglichkeit des Volkes wird 1 2 . Das entscheidende Argument liefert jedoch Art. 42 I I I GG. Die freie Berichterstattung über öffentliche Parlamentssitzungen, die sich bis auf die französische Verfassung von 1791 zurückführen läßt 1 3 , wurde zunächst ebenfalls als Parlamentsprivileg angesehen, nämlich als Erweiterung der Immunität der Abgeordneten 14 . Mag dieser Gesichtspunkt auch in Art. 42 I I I GG mitschwingen, so ist es die Ratio dieser Vorschrift, Publizität und Kontrolle der Parlamentsarbeit zu ermöglichen und dadurch der öffentlichen Meinungsbildung zu dienen 15 . Bei wahrheitsgemäßer Berichterstattung 16 privilegiert sind nun zwar nicht nur Jour8 Mattern, K . H., Parlament, S. 63 (Fn. 19) ; Hatschek,J., Deutsches u n d Preußisches Staatsrecht, 1. Bd., B e r l i n 1922, S. 492 fi.;Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. August 1919, 14. Aufl., B e r l i n 1932/33, A r t . 29, Anm. 1 (S. 186). 9 Hatschek, J., Staatsrecht, S. 490. 10 Schäfer, F., Der Bundestag, S. 67. 11 Nawiasky, H., Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrep u b l i k Deutschland, Stuttgart 1950, S. 88, stellt folgerichtig die Frage, ob die hohe Mehrheit sich nicht sogar ungünstig auswirken könne. Der Ausschluß verlangt allerdings n u r die 2/3-Mehrheit der Abstimmenden, vgl. v. MangoldtKlein, A r t . 42, Anm. I I I 5 b (S. 929). 12 Darauf stützt sich vor allem Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 69 f., dazu näher unten I I 1 a, cc. 18 Historische Nachweise bei Rauschning, D., Beachtung von Verfassungsrecht, S. 187; Hatschek, J., Staatsrecht, S. 496—515; Leibholz, G., Das Wesen der Repräsentation u n d der Gestaltwandel der Demokratie i m 20. Jahrhundert, 2. Aufl., B e r l i n 1960, S. 178 (Fn. 2). 14 Anschütz, G., Reichsverfassung, A r t . 30 WRV, Anm. 2 (S. 208); Schneider, R., B K , A r t . 42, A n m . 115; Ridder, H., Meinungsfreiheit, i n : Die Grundrechte I I , hrsg. v. Neumann-Nipperdey-Scheuner, Berlin 1954, S. 243 (278, Fn. 119); Löffler, M., Presserecht, Bd. I, Allgemeines Presserecht, 2. Aufl., M ü n chen 1969, S.175 (Rdnr. 1); unentschieden: v. Mangoldt-Klein, A r t . 42, Anm. V I (S. 933 f.); vgl. auch Nawiasky-Leusser-Schweiger-Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl., München 1967 ff., A r t . 22, Rdnr. 6. 15 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 42, Rdnr. 28. 18 „Bericht" ist die erzählende Darstellung eines historischen Vorganges i n seinem wesentlichen Verlaufe, RGSt 18, 207 (210).

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C. Das allgemeine

ffentlichkeitsgebot der Verfassung

nalisten, sondern auch anwesende Privatleute und Abgeordnete 17 ; diese nehmen aber nicht ausschließlich mit dieser Absicht an der Sitzung teil. Wenn die Verfassung ersichtlich die Notwendigkeit der „Vermittlung" der Parlamentsdebatte an ein nicht anwesendes Publikum anerkennt, dann soll die Begünstigung auch in erster Linie dem damit beschäftigten Personenkreis, nämlich den Presseberichterstattern, zugute kommen. Art. 42 I I I GG zielte jedoch ins Leere, wenn die Journalisten bei der Parlamentssitzung nicht anwesend sein könnten. Daraus ergibt sich als notwendige Folgerung, daß die Parlamentsöffentlichkeit die Teilnahme der Presse voraussetzt. Die Pressevertreter unter den Zuhörern haben demnach ein verfassungkräftiges Zutrittsrecht. I n diesem Sinne ist das Öffentlichkeitsgebot des Art. 4211 GG zu verstehen. b) Die Öffentlichkeit

der Ausschußsitzungen

aa) Allgemeine Ausschüsse Von Art. 42 11 GG werden die Ausschußsitzungen nicht erfaßt (oben a). Deshalb bleibt es dem Bundestag überlassen, i m Rahmen der Geschäftsordnung (Art. 40 12 GG) eigene Vorstellungen i n dieser Frage zu entwickeln 18 . Die Dispositionsbefugnis ist jedoch wiederum durch A r t . 43 II, 441, 45 a I I I GG und durch § 8 I Wahlprüfungsgesetz i. V. m. A r t . 41 I I I GG eingeschränkt, die für Ausschußsitzungen besonderer A r t spezielle Anordnungen treffen. Die Neufassung (1970) der GO-BT bestimmt nunmehr i n § 73 II, daß die Beratungen der Ausschüsse grundsätzlich nicht-öffentlich sind, sie erlaubt aber i m Gegensatz zur früheren Rechtslage die Zulassung der Öffentlichkeit i m Ausnahmefall 19 . Sie ist dann als hergestellt anzusehen, „wenn der Presse und sonstigen Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Z u t r i t t gestattet w i r d " (§ 73 I I 3 GO-BT) 20 . Für öffentliche Ausschußsitzungen gilt ebenfalls das Berichterstattungsprivileg des A r t . 42 I I I GG. 17

Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 42, Rdnr. 29. Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 42, Rdnr. 2. 19 Z u m T e x t u n d zur praktischen Bedeutung der Vorschrift, vgl. oben B I I 2 b m. Fn. 125. 20 Diese offenkundige Bevorzugung der Presse ist als Bestätigung der oben a. vertretenen „pressefreundlichen Parlamentsöffentlichkeit" anzusehen. Eine vorgängige Heranziehung von A r t . 73 I I 3 G O - B T zur Auslegung der Parlamentsöffentlichkeit i n A r t . 4 2 1 1 GG würde jedoch Bedenken unterliegen. A m ehesten wäre dies noch zuzulassen, w e n n man die Geschäftsordnungen als rangmäßig zum Verfassungsrechtskreis gehörig betrachtet, w i e es Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 122, für die GO-BReg tut. Nach h. M . werden die Geschäftsordnungen der Verfassungsorgane jedoch als autonome Satzungen eingestuft, vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 80, Anm. I V 4 a (S. 1918); siehe auch Arndt, K . F., Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie u n d auto18

I. Ausdrückliche Öffentlichkeitsgebote

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Die Nicht-Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen w i r d durch das nicht ausschließbare Anwesenheitsrecht der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrats, A r t . 43 I I GG, und durch die prinzipielle Teilnahmebefugnis von Abgeordneten, die nicht dem Ausschuß angehören, § 73 V I I GO-BT, modifiziert. Ebenso hat der Parlamentspräsident beratende Stimme i n allen Ausschüssen, § 7 I 3 GO-BT 21 . Der nicht streng festgelegte Teilnehmerkreis ändert allerdings nichts an der grundsätzlichen Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen. Einen wichtigen Publizitätsbezug hat jedoch die „öffentliche Anhörung von Sachverständigen, Interessen Vertretern und anderen Auskunftspersonen", § 73 I I I 1 GO-BT. Damit soll die Vorbereitung der Entscheidungen und die Urteilsbildung der Parlamentsausschüsse an das Licht der Öffentlichkeit gehoben werden 22 . bb) Untersuchungsausschüsse Das Enqueterecht des Bundestages w i r d durch Untersuchungsausschüsse wahrgenommen, die das Parlament und die Öffentlichkeit über Mißstände unterrichten und die Beschlußfassung des Plenums vorbereiten sollen 23 . Deshalb gilt für die Beweiserhebung des Ausschusses, und nur für sie, der Grundsatz der öffentlichen Verhandlung, A r t . 4411 GG 2 4 , während die Beweiswürdigung, die Beschlußfassung und andere Erörterungen nach § 73 GO-BT i n grundsätzlich nicht-öffentlicher Sitzung vorgenommen werden. Aber auch für die Beweiserhebung kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, Art. 4412 GG. Bemerkenswert ist gegenüber A r t . 341 3 WRV, daß das Grundgesetz statt einer 2/sMehrheit nur noch die einfache Mehrheit für den Ausschluß der Öffentlichkeit verlangt 2 5 . cc) Die besonderen Ausschüsse Der Ausschuß für Verteidigung hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses, Art. 45 a I I 1 GG 26 . Wenn er als solcher tagt, ist die nomes Parlamentsrecht, B e r l i n 1966, S. 136 ff. (im Ergebnis m i t abweichender Stellungnahme: interne Regelung ohne Rechtscharakter); sowie Frost, H., Parlamentsausschüsse, S. 49 ff. 21 Weitere Einzelhelten §73 V I I — X G O - B T ; Trossmann, H., Parlamentsrecht, S. 128 f.; Frost, H., Parlamentsausschüsse, S. 61. 22 Frost, H., a.a.O., S. 63 f. Der Bundestag veranstaltete zwischen 1961 u n d 1965 n u r sechs Hearings, zwischen 1965 u n d 1969 nicht weniger als 58, vgl. Kaiser, C.-C., S. 40. 23 Schäfer, F., Der Bundestag, S. 283; v. Mangoldt-Klein, A r t . 44, Anm. I I I 2 (S.942); Frost, H., a.a.O., S.55f., 67 ff. 24 Trossmann, H., Parlamentsrecht, S. 260; Frost, H., a.a.O., S. 70 f.; ungenau insoweit u. Mangoldt-Klein, A r t . 44, A n m . I I I 5 a (S. 947). 25 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 44, Rdnr. 2; v. Mangoldt-Klein, A r t . 44, A n m . I I I 5 a (S. 947); Schneider, R., u n d B. Bennewitz, B K , A r t . 44, A n m . I I 3. 26 So auch der Ständige Ausschuß, A r t . 4512 GG.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Beweiserhebung trotzdem nicht-öffentlich, weil Art. 441 GG auf dem Gebiet der Verteidigung keine Anwendung findet, Art. 45 a I I I GG, um militärische Geheimhaltungsinteressen nicht zu gefährden 27 . So gilt für den Verteidigungsausschuß hinsichtlich der Öffentlichkeit ohne Ausnahme die Grundregel des § 73 GO-BT 2 8 . c) Die Öffentlichkeit

des Bundesrats

Der Bundesrat verhandelt öffentlich 29 , Art. 52 I I I 3 GG. Die Öffentlichkeit kann mit einfacher Mehrheit ausgeschlossen werden, A r t . 52 I I I 1, 4 GG (anders beim Bundestag, Art. 42 I 2 GG, vgl. oben). Wenn der Bundesrat nicht-öffentlich tagt, dann sind die Beratungen gleichzeitig vertraulich, soweit das Gremium nicht anders beschließt, § 17 I I GO-BRat i n der Neufassung vom 1. 7.1966 (BGBl. I 437). Die Ausschußsitzungen sind ebenfalls von vornherein vertraulich 30 , wenn sie — wie in der Regel — nicht-öffentlich sind; Ausnahmen kann der Bundesrat beschließen, § 37 I I GO-BRat. Ein dem Art. 42 I I I GG entsprechendes Berichterstattungsprivileg fehlt für die Sitzungen des Bundesrats. Hier handelt es sich um eine echte Lücke 31 , dLe auch nicht von § 12 StGB geschlossen wird, der nur Sitzungsberichte aus Länderparlamenten betrifft. Der Presse steht jedoch gegebenenfalls der Schutz des § 193 StGB zur Seite 32 . d) Ergebnis Die Verfassung stellt für die Arbeit des Parlaments ein ausdrückliches Öffentlichkeitsgebot auf. Die Parlamentsöffentlichkeit setzt die Anwesenheit der Presse voraus. Die explizit öffentliche Beweiserhebung der Untersuchungsausschüsse zeigt, daß Publizität der Kontrollwirkung wegen gewährt wird. Ebenso bezweckt die Öffentlichkeit der Anhörungen die Sichtbarmachung von Entscheidungsprozessen. 27

Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 45 a, Rdnr. 13. Das ist allerdings nach Einführung der fakultativen Öffentlichkeit i n § 73 I I G O - B T n. F. nicht ganz zweifelsfrei. Es ist denkbar, daß der Ausschluß von A r t . 44 I GG die obligatorische Nicht-Öffentlichkeit nach sich zieht. 29 Weber, W., Spannungen und K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, 3. Aufl., B e r l i n 1970, S. 80 (Fn. 40), bezeichnet die öffentlichen Sitzungen des Bundesrats n u r als „Staffage". Diese Bemerkung w i r d der Bedeutung der Parlamentsöffentlichkeit jedoch nicht gerecht (vgl. unten I I 1 a, cc); i n gleichem Sinn: Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 68 (Fn. 147). 28

30 Vgl. die Regelung i n §73 I X G O - B T : hier muß die Vertraulichkeit erst durch Beschluß hergestellt werden. 31 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 52, Rdnr. 25. 32 Löffler, M., Presserecht I, S. 176 (Rdnr. 5); zur Problematik des §193 StGB auch unten E I I 1 b.

I . Ausdrückliche Öffentlichkeitsgebote

61

2. Die Parteieiiöffentlichkeit

a) Die Rechenschaftspflicht A r t i k e l 2114 GG weist die Parteien zur öffentlichen Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel an. Dieses Verfassungsgebot w i l l einen Beitrag leisten, das verfilzte Gespinst pekuniärer Abhängigkeiten zu erhellen, u m so den politischen Willensbildungsprozeß an einer entscheidenden Stelle transparent zu machen. Die Rechnung Geld = Macht soll nicht aufgehen. Die Bestimmung dient sowohl der Abwehr undemokratischer Einwirkungen durch finanzielle Mittel, als auch der Sicherung des egalitären und öffentlichen Charakters der Wahl, sowie der Unabhängigkeit der parlamentarischen Tätigkeit der Parteien 33 . M i t den Ausführungsbestimmungen in §§ 23—31 Parteiengesetz vom 24. 7.1967 (BGBl. I 773) ist nunmehr der damals h. M. Genüge geleistet, daß A r t . 211 4 GG ohne gesetzliche Ausgestaltung keine Wirkung entfalten könne 34 . Die Publizitätspflicht der Parteien ist aber nicht unbegrenzt, da erheblicher Einfluß nur mit höheren Geldsummen verbunden ist 35 . Sie beginnt deshalb erst bei Spenden von mehr als 20 000 D M pro Jahr und Spender, § 25 PartG 38 . b) Die innere Ordnung Auch Art. 2113 GG ist als Hinweis auf die verfassungsrechtliche Pflicht zur Parteienpublizität zu verstehen. Wenn die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muß, und diese grundsätzlich Öffentlichkeit gebieten (unten I I 1), dann w i r d durch jene Verweisung das Öffentlichkeitsgebot auch für das Parteiinternum relevant. Die Vorschrift erfordert jedoch keine schematische Übertragung der Grundsätze für staatliche Institutionen, sondern erlaubt eine Anpassung an die Gegebenheiten in den Parteien 37 . So w i r d man § 6 I I I 33 So der Parteienbericht, Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, F r a n k furt/M. 1957, S. 172 ff., S. 181; vgl. auch Plate, H., Parteienflnanzierung u n d Grundgesetz, Berlin 1966, S.23ff., m . w . Nachw.; BVerfGE20,56 (105 ff.). 34 Henke, W., Das Recht der politischen Parteien, Göttingen 1964, S. 210 m. w. Nachw. 35 BVerfGE 24, 300 (356). 36 Die i n §25 PartG für juristische Personen ursprünglich höhere Offenbarungsgrenze von 200 000 D M wurde v o m BVerfG als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz betrachtet, BVerfGE 24, 300 (357). Vgl. dazu ausführlich u n d kritisch: Randelzhof er, A., Probleme des Parteienrechts, JZ 1969, 533 (539 ff.); Maunz, T., Staatsrecht, §121114 (S. 85 f.). Häberle, P., Öffentlichkeit u n d Verfassung, S. 284 (Fn. 51): „Öffentlichkeit w i r d durch das U r t e i l des B V e r f G juristisch effektiv." § 25 PartG legt inzwischen eine einheitliche Freigrenze von 20 000 D M fest (Gesetz zur Änderung des PartG v. 22. 7.1969 — BGBl. I 925). 37 Henke, W., B K , A r t . 21, Rdnr. 33.

62

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

3 und 4 PartG, die jedermann Einsicht und Abschrift von Satzung und Parteiprogramm ermöglichen, als konkretisierenden Vollzug des A r t . 21 I 3 GG anzusehen haben 38 . Meinungen und Gegenmeinungen sollen sich auch innerhalb der Partei ungehindert begegnen können 39 . Das setzt vor allem voraus, daß die Mitglieder über bevorstehende interne Entscheidungen ausreichende Informationen erhalten und i m nachhinein über die Arbeit der Parteiführung unterrichtet werden 40 . Abgesehen von der Publizierung von Satzung und Programm fordert Art. 2113 GG also nicht die Zulassung einer parteiexternen Öffentlichkeit 41 . c) Die Staatsnähe der Parteien Bei der Nutzbarmachung dieser punktuellen Verpflichtungen für ein allgemeines Öffentlichkeitsgebot aus der Verfassung ist jedoch die staatsrechtliche Qualifikation der durch sie betroffenen Parteien entscheidend; je näher sie dem staatsorganschaftlichen Bereich stehen, desto leichter fällt eine Auswertung dieser Norm für das hier untersuchte Problem 42 . Das Bundesverfassungsgericht hat die politischen Parteien i n verschiedenen Entscheidungen als „Verfassungsorgane" bezeichnet 48 und sich so dem Vorwurf ausgesetzt, daß damit ihre „Verstaatlichung" vollzogen sei 44 . Abgesehen davon, daß die Verfassung keine Organe haben kann 4 5 , bestreitet die h. M., daß die Parteien solche oder aber Staatsorgane seien 48 . Dies geschieht zu Recht, weil sie nicht Teil der Staatsorganisation sind 47 , ja auch nicht werden dürfen 48 . Ihre M i t w i r k u n g an der politischen Willensbildung des Volkes ist vielmehr, 38

Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 157. Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 58. 40 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 157 f. 41 Martens, W., a.a.O., m. w . Nachw. zu diesem Problem; vgl. auch Hesse, K., Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien i m modernen Staat, V V D S t R L 17, B e r l i n 1959, S. 11 (29 ff.). 42 Windsheimer, H., Information, S. 36 (Fn. 13), qualifiziert die politischen Parteien (ohne nähere Begründung) als „selbständige Rechtsträger" u n d bezeichnet dennoch u. a. A r t . 2114 GG als zwingende Minimalfestlegung für das Informationsverhalten des Staates, S. 39. Der Widerspruch läßt sich auch nicht dadurch auflösen, daß man aus A r t . 2114 GG die Pflicht des Staates destilliert, seinerseits die Parteien zur Offenlegung der Finanzquellen zu v e r pflichten (so Windsheimer, S. 36). Der Staat ist n u r zur Gesetzgebung, aber nicht zur Informationsleistung verpflichtet. 43 E t w a BVerfGE 4, 27 (30 f.); E 5, 85 (134); E l l , 239 (243); E27, 10 (17). 44 Forsthoff, E., zit. bei Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 3. 45 Hesse, K., Parteien, S. 40. 48 Nachw. bei Henke, W., B K , A r t . 21, Rdnr. 11; Ridder, H., Parteien, i n : Festschrift für F . B ö h m , Karlsruhe 1965, S. 21 (26 f.): Die Parteien sind durch A r t . 21 GG zwar „konstitutionalisiert", aber nicht i m engeren Sinn „verstaatlicht". 47 Henke, W., B K , A r t . 21, Rdnr. 10. 48 Hesse, K., Parteien, S. 34. 39

I. Ausdrückliche Öffentlichkeitsgebote

63

wenn auch staatsbezogene, so doch gesellschaftliche und grundrechtlich geschützte Tätigkeit 4 9 . Daß der Status der Parteien verfassungsrechtlich verfestigt ist und i m Wege des Organstreits geltend gemacht werden kann 5 0 , läßt noch keinen Schluß auf die materielle Eigenschaft als Staatsorgan zu 51 . Die Parteien sind jedoch auch mehr und etwas anderes als nur Vereine bürgerlichen Rechts 52 . Das Grundgesetz hat sie als Faktoren des Verfassungslebens anerkannt, einerseits durch die Bestimmungen des A r t . 2113 und 4 GG inhaltlich determiniert und andererseits durch Art. 21 I I GG gegenüber dem Verbot nach A r t . 9 I I GG privilegiert. Vor allem Wahlen können ohne Parteien nicht durchgeführt werden 53 . Die Parteien sind zwar frei gebildete, i m gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen, wirken aber kraft Verfassungsrechts in den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit hinein 5 4 . d) Ergebnis Diese „Staatsnähe" der Parteien ermöglicht es, die Parteienöffentlichkeit als verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt — wenn auch nicht unmittelbar, so doch i n einer verdichteten Ausstrahlungswirkung — für das Öffentlichkeitsgebot des staatsorganschaftlichen Bereichs nutzbar zu machen. 3. Zusammenfassung

Die ausdrücklichen Öffentlichkeitsgebote der Verfassung ergreifen die politischen Parteien als Zwischenglieder zwischen Staatsvolk und Staatsgewalt, aber auch die Staatsgewalt selbst: Die Legislative ist zur Publizität angewiesen. Wenn auch über die Exekutive i n dieser Beziehung nichts explizit verlautet, so sind die i n unterschiedlichem Zusammen49

Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 153. So BVerfGE 11, 239 (243); E20, 119 (129 f.); E20, 134 (141 f.). 51 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 46 (Fn. 3). 52 Friesenhahn, E., Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, Karlsruhe 1969, S. 1 (4). 58 BVerfGE 1, 208 (223 ff.); E 24, 300 (348). Diese Überlegung hat das BVerfG auch bewogen, sein grundsätzliches V e r d i k t staatlicher Parteienflnanzierung für die Wahlkampftätigkeit zu lockern, BVerfGE 20, 56 (113), die als zeitlich u n d finanziell begrenzt u n d bestimmbar vorausgesetzt wurde, a.a.O., S. 114. I n BVerfGE 24, 300 (S. 348 ff.), w i r d diese Erkenntnis aber wieder erheblich relativiert, indem praktisch die gesamte Parteitätigkeit als „ W a h l k a m p f " bezeichnet w i r d . Dazu u n d zu den möglichen Folgerungen, Randelzhof er, A., Parteienrecht, S. 536. 64 BVerfGE 20, 56 (101). Das Problem k a n n hier nicht i n seiner ganzen Tiefe ausgelotet werden. Neuere zusammenfassende Äußerungen bei Martens, W., öffentlich als RechtsbegriiT, S. 152—157; Henke, W., Parteien, S. 10 ff., 80 ff.; ders.: B K , A r t . 21, insbes. Rdnr. 10 ff.; Maunz, T., Staatsrecht, § 12 I I , I I I (S. 76 ff.); vgl. auch unten E I I I l b , c c . 50

64

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

hang verfügten Öffentlichkeitsverpflichtungen doch Indizien für ein zusammenhängendes Publizitätsgebot in der Verfassung. I I . Das Offentlichkeitsgebot in den Staatsformbestimmungen

Bevor der Versuch unternommen wird, Begriffe wie „Demokratie", „Rechtsstaat" oder „Sozialstaat" auf ihre Öffentlichkeitsaussage hin zu befragen, sei ein ausdrücklicher Vorbehalt gemacht: Die Staatsformhinweise in der Verfassung wollen viel bedeuten und sagen dennoch wenig. Ihre historische Aushöhlung 5 5 und ihre stets gewandelte A k t u a l i tät 5 6 machen die juristische Deduktion zu einem Risiko. Unreflektierter Auslegungsschwung verklärt manche wohlgemeinte Äußerung zur „politischen L y r i k " 5 7 , in der zwar alle „Werte" unserer Grundordnung angesprochen, aber nicht genügend konkretisiert sind. Die Fragen in diesem Abschnitt sollen deshalb präzis gestellt und beantwortet werden 58 . 1. Demokratie Gerade der Begriff der „Demokratie" verführt nur allzu leicht dazu, aus i h m mit gutem Gewissen und weniger guter Beweisführung die prinzipiell unbeschränkte Öffentlichkeit staatlichen Handelns herzuleiten 59 . Schon die schillernde Vielfalt der Definitionen 60 läßt wenig Hoffnung auf ein greifbares Ergebnis aufkommen. Ein verfassungsrechtlich relevantes Resultat kann deshalb nur nach Maßgabe der konkreten Aussage der Verfassung gewonnen werden 61 . 35

Maunz, T., Staatsrecht, § 10 11 (S. 58). Leisner, W., Gewaltenteilung, S. 405. 57 Arndt, A., Landesverrat, Neuwied 1966, S. 36. 58 Wie es Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 59, für die Auslegung von Verfassungsprinzipien fordert. 59 Vgl. Schüle, A., KoalitionsVereinbarungen i m Lichte des Verfassungsrechts, Tübingen 1964, S. 50 („Öffentlichkeitsprinzip... ist unabdingbares Wesensmerkmal des Demokratischen"); Ridder, H., Die öffentliche Aufgabe der Presse i m System des modernen Verfassungsrechts, Wien 1962, S. 12 („Demokratiegerechte Transparenz staatlichen Handelns"); ders.: Die verfassungsrechtliche Stellung der Gewerkschaften, Stuttgart 1960, S. 14 („ . . . die nach dem staatlichen Demokratiegebot zur Öffentlichkeit ihrer Tätigkeit verpflichteten O r g a n e . . . " ) ; Häberle, P., ZfP 12 (1965), S. 293 (297) ( „ . . . das Demokratiegebot zur Ö f f e n t l i c h k e i t . . . " ) ; v. Münch, I., Z u r Frage der Offenlegungspflicht der Eigentumsverhältnisse an Zeitungs- u n d Zeitschriftenverlagen, ArchPR Nr. 79 (1969), S. 845, 849: „ G e h ö r t . . . zwingend zum Demokratiebegriff (und ist also ein rechtliches Gebot), daß über alle staatlichen Vorgänge i n größtmöglichem Umfang informiert w i r d " ; weitere Nachw. bei Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 53 (Fn. 66). 60 „Demokratie ist die Staatsform, die Identität von Subjekt u n d Objekt der Herrschaftsgewalt anstrebt", Dürig, G., A r t . Staatsformen, HDSW, Bd. I X , Stuttgart 1956, Sp. 742 (747); „Demokratie ist Machtaufbau von unten nach oben", Heller, H., Staatslehre, 3. Aufl., Leiden 1963, S. 246. Nachw. über die Vielgestaltigkeit u n d Wandelbarkeit des Begriffs bei Maunz-Dürig-H erzog, A r t . 20, Rdnr. 57 (Fn. 1). 56

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

65

Das Grundgesetz bezeichnet die Bundesrepublik als demokratisch (Art. 20 I, 2811 GG) und erläutert i n Art. 20 I I 1 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" 62 . Diese Bestimmung stellt somit klar, daß das Volk (d. h. die Gesamtbürgerschaft 63 als Summe aller Staatsangehörigen) primärer Träger der Staatsgewalt ist 64 . Ob das Staatsvolk sie auch ausübt, bleibt danach aber noch offen. Diesbezüglich legt Art. 20 I I 2 GG fest, daß sich die ausübende Rolle des Staatsvolkes (hier als A k t i v bürgerschaft 65 , d. h. als Summe aller Wahlberechtigten) auf Wahlen und Abstimmungen beschränkt, während im übrigen die besonderen Organe der drei Gewalten tätig werden. Die Verfassung konstituiert damit eine mittelbare oder repräsentative Demokratie 66 . Eine solche ist aber nur als parlamentarische vorstellbar 67 . W i l l man den Öffentlichkeitsbezug dieser speziellen, i m Grundgesetz angeordneten Staatsform herausarbeiten, liegt es deshalb nahe, zunächst die Stellung des Parlaments als Repräsentationsorgan zu untersuchen und zu fragen, ob diese Position i m speziellen, und die eines Repräsentationsorgans i m allgemeinen, seine Öffentlichkeit voraussetzen 68 . Läßt sich dies bejahen, muß geprüft werden, ob und inwieweit der Exekutivbereich als „repräsentativ" anzusprechen ist. Wäre dies der Fall, könnten auch Rückschlüsse auf ein verfassungsmäßig gefordertes Publizitätsgebot für die 2. Gewalt gezogen werden. a) Die Öffentlichkeit

des Parlaments als Repräsentationsorgan

aa) Die Öffentlichkeit im liberalen Prinzip der Repräsentation Langzeitig wirkende Denkanstöße für dieses Problem gab die Lehre von Carl Schmitt über das Parlament als öffentlich diskutierende Repräsentation 69 . I m Parlament sitzen nicht Vertreter gebundener Interessen, sondern die Vertreter der Repräsentanten des Staatsvolkes 70 . Die 81

Hesse, K., Grundzüge, § 5, v o r I (S. 52). Maunz, T., Staatsrecht, § 10 I I 2 (S. 61). 63 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 49. 64 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 30, 46 ff. 65 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 49. 66 h. M.: Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 52 f.; v. Mangoldt-Klein, Art. 20, Anm. V 5 a (S. 597); Wernicke, K , B K , A r t . 20, Anm. I I 2 f.; Fraenkel, E., Die repräsentative u n d die plebiszitäre Komponente i m deutschen Verfassungsstaat, Tübingen 1958, S. 56, spricht von einer „super-repräsentativen Verfassung". 67 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 1; Leibholz, G., Repräsentation, S. 103, 180. 88 Dabei geht es u m die dogmatische Untermauerung der oben 1 1 festgestellten Öffentlichkeitsvorschriften des Grundgesetzes unter Berücksichtigung historischer u n d zeitgenössischer Denkmodelle. 89 Schmitts Lehre beschreiben ausführlich: Fijalkowsky, J., Die Wendung zum Führerstaat, K ö l n 1958, S. 16 ff.; Hof mann, H., Legitimität gegen Legalität, Neuwied 1964, S. 96 ff. 70 Schmitt, C., Verfassungslehre, München 1928, S. 314. 62

5 Jerschke

66

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Abgeordneten verkörpern folgerichtig Würde, Bildung und Unabhängigkeit i n ihrer Person: „Die Herrschaft des Parlaments ist ein Fall von Aristokratie" 7 1 . Diese qualitative Idee der Repräsentation 72 besteht deshalb darin, „ein unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar (zu) machen und (zu) vergegenwärtigen" 73 . Sinnfällige Ergänzungen dazu sind die Prinzipien der Diskussion und Öffentlichkeit. „Diskussion bedeutet..., den Gegner m i t rationalen Argumenten von einer Wahrheit und Richtigkeit zu überzeugen oder s i c h . . . überzeugen zu lassen" 74 . Ideengeschichtliche Grundlage dieses Diskussionsoptimismus ist das Marktmodell des Liberalismus: Aus dem freien Kampf der Meinungen soll die Wahrheit entstehen 75 . Deshalb ist auch die Öffentlichkeit der Verhandlungen der Kern des ganzen Systems 78 , weil dadurch die Teilnahme aller Denkenden an der Diskussion verbürgt ist. — Die Repräsentationslehre Carl Schmitts läßt sich als K r i t i k der parteienstaatlichen Demokratie verstehen 77 , in der partikuläre Interessen das uneigennützige Argument verdrängen, und wo qualitativ verstandene Diskussion und Öffentlichkeit deshalb ihren Sinn verlieren 7 8 7 9 . Auch für die Repräsentationslehre von Gerhard Leibholz spielt die grundsätzliche Tendenz zur Publizität eine gewichtige Rolle, weil das Wirken der Repräsentanten in der hermetischen Abschließung nicht den ihm zukommenden ideellen Eigenwert entfalten könne 80 . Der „Glaube" an die Repräsentation, d. h. deren Legitimation, kann erst durch die

71

Schmitt, C., Verfassungslehre, S. 218. Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 27, 25. 73 Schmitt, C., Verfassungslehre, S. 209. 74 Schmitt, C., Parlamentarismus, S. 9. 75 Schmitt, C., Parlamentarismus, S. 45 f.; kritisch Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 52 f. 76 Schmitt, C., Verfassungslehre, S. 316. 77 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 25. 78 Schmitt, C., Parlamentarismus, S. 10 f., nennt deshalb die Öffentlichkeit der Sitzungen i n der modernen Massendemokratie eine überflüssige Dekoration, „als hätte jemand die Heizkörper einer modernen Zentralheizung m i t roten Flammen angemalt, u m die Illusion eines lodernden Feuers hervorzurufen"; vgl. auch ders.: Verfassungslehre, S. 319. Eine solche Analyse bew i r k t die A u f w e r t u n g der plebiszitären Entscheidungsgewalt des Volkes und legt G r u n d für die Rechtfertigung einer Führergestalt als Symbol nationaler Einheit, Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, S. 156 ff. 79 Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, Festschrift für H. Huber, Bern 1961, S. 222 (226), weist darauf hin, daß die Grundsätze der Öffentlichkeit, der freien Diskussion u n d der Weisungsfreiheit der Abgeordneten zumindest historisch nicht zum Begriff der Repräsentation gehören, sondern an die Begriffswelt der zwanziger Jahre gebunden seien; siehe auch Scheuner, U., Regierungssystem, S. 634. 72

80

Leibholz,

G., Repräsentation, S. 176.

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

67

Öffentlichkeit hergestellt werden 81 . Schließlich soll die weitgehende Publizität des Repräsentativ-Systems die Kontrolle des durch periodische Wahlen urteilenden Volkes ermöglichen 82 . Läßt sich also i m liberalen Prinzip der Repräsentation Öffentlichkeit als eigenständiger Faktor feststellen, so ist zumindest deren Begründung für die demokratisch-parlamentarische Repräsentation des Grundgesetzes nicht haltbar. I m Zeichen des egalitären Massenstaates (Art. 38 I 1 GG: „allgemeine, gleiche Wahl") verliert das „Honoratiorenparlament" als Verkörperung von Bildung und Besitz 83 seinen Eigen„Wert", seine Würde und damit seine Rechtfertigung 84 . Und die „Verleihung" der Öffentlichkeit als freundliche Dreingabe zur eigenen liberalen Unfehlbarkeit muß vom Staatsbürger als Anmaßung empfunden werden. bb) Die Öffentlichkeit i m identitären Parteienstaat Die Verdrängung des Qualitativen durch das Quantitative 8 5 hat Leibholz bewogen, das Ende der liberal-repräsentativen Demokratie festzustellen und den Parteienstaat als Surrogat der direkten Demokratie im modernen Flächenstaat anzusehen 86 . Der Wille der jeweiligen Parteienmehrheit w i r d mit der „Volonté générale" des Volkes identifiziert, so daß der Volkswille nach dem Prinzip der Identität ohne repräsentative Elemente ermittelt wird. I m Parlament treffen sich demnach gebundene Parteibeauftragte, um anderweitig getroffene Entscheidungen registrieren zu lassen. Das Parlament w i r k t nur noch als „Lautsprecher", weil die Reden nicht mehr der Uberzeugung von andersdenkenden Abgeordneten dienen, sondern sich an die Aktivbürger zwecks Beeinflussung ihrer nächsten Wahlentscheidung wenden. „Die Öffentlichkeit (der parlamentarischen Verhandlungen) enthält so einen zusätzlichen plebiszitären Charakter, der dem spezifischen Integrationsprozeß der parteienstaatlichen Demokratie angepaßt ist 8 7 ." Der Lehre von der Identität i m modernen Parteienstaat muß entgegengehalten werden, daß es eine Identität von Regierenden und Regierten nicht geben kann, weil selbst die unmittelbare Demokratie i m Endeffekt Herrschaft von Menschen über Menschen impliziert, (näm81

Leibholz, G., Repräsentation, S. 176. Leibholz, G., Repräsentation, S. 179. 88 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 12. 84 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 26. 85 Friesenhahn, E., Parlament u n d Regierung, S. 15. 86 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 93 ff.; ders.: Repräsentation, S. 225 ff. 87 Leibholz, G., Repräsentation, S. 227; ders.: Strukturprobleme, S. 95; Kaufmann, E., Grundtatsachen u n d Grundbegriffe der Demokratie, 2. Aufl., M ü n chen 1951, S. 23 f. 82

5*

68

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

lieh der Mehrheit über die Minderheit) 88 . Es handelt sich also bei der Gleichsetzung Volk — Parteien höchstens um eine „Identifikation" 8 9 . Leibholz selbst spricht von der Notwendigkeit einer von Wählern und Parteibürgern vertrauensmäßig getragenen, kontrollierten und abrufbaren Elite innerhalb der Partei 90 . Damit aber hat er das Prinzip der Identität schon wieder verlassen und läßt notgedrungen die Repräsentation zu 91 . Abgesehen von dieser logischen Inkonsequenz ist die Lehre vom Parteienstaat die Folge der Uberbewertung von richtig gesehenen Symptomen. Gewiß sind die Parteien wesentliche Faktoren des Verfassungslebens 92, indem sie Fragen stellen, Antworten formulieren und um ihre Durchsetzung ringen. Aber der Volkswille w i r d nicht von ihnen, sondern nach wie vor i m Parlament gebildet, wo sich auch die Regierungsmehrheit nach dem Gemeinwohl richtet und gerade i n Lebensfragen der Nation vom Kompromiß mit der Opposition abhängig ist 93 . Das Parlament bleibt trotz der sachbedingten Umverteilung seiner Arbeitslast in die Ausschüsse (oben B I I 2) die Tribüne, wo die Entscheidungen fallen. Es ist zwar richtig, daß für den Wähler das Parteiprogramm eine wichtige Rolle bei seiner Stimmabgabe spielt 94 , und daß der Wahl deshalb ein realplebiszitäres Element innewohnt 9 5 , es wäre aber verfehlt, dabei zu übersehen, daß auch die Persönlichkeit des Abgeordneten für das Votum entscheidend ist 98 . Wenn aber das Parlament mehr ist als ein Registrierungsmechanismus vorweggenommener Dezisionen, dann läßt sich seine Öffentlichkeit nicht nur mit der Abhaltung von „Fensterreden" an das Wählerpublikum rechtfertigen. cc) Die Öffentlichkeit i m Prinzip der demokratisch-parlamentarischen Repräsentation Die Repräsentation i m System des Grundgesetzes zeichnet sich durch folgende Elemente aus: 88

Hesse, K., Grundzüge, § 5 I (S. 54). Schon Schmitt, C., Parlamentarismus, S. 35, schränkt ein, daß die von i h m festgestellten Identitäten nicht etwas real Gleiches, sondern Identifikationen seien. 90 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 124 f. 91 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 30. 92 Das zeigt sich schon daran, daß erstmals i n einer deutschen Verfassung Rechtssätze über das Parteiwesen i n das Grundgesetz aufgenommen wurden, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 1; vgl. oben 12. 93 Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip, S. 240. 94 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 108 f. 95 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 40. 96 Das zeigen die z. T. ganz erstaunlichen Unterschiede (sowohl nach oben w i e nach unten) zwischen Erst- u n d Zweitstimmen bei den Wahlen. Die Stimmabgabe bleibt ein A k t des Vertrauens, Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip, S. 232; Friesenhahn, E., Parlament und Regierung, S. 20; a. A. m i t Hinweis auf die W a h l von 1953, Ellwein, T., Regierungssystem, S. 99: die örtlichen Kandidaten seien den Wählern oft unbekannt. 89

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

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— Das Volk nimmt die von ihm ausgehende Staatsgewalt (Art. 20 I I 1 GG) nur durch Wahlen und Abstimmungen 9 7 wahr (Art. 20 I I 2 GG). Insoweit handelt es als Staatsorgan 98 . I m übrigen w i r d die Staatsgewalt von den „besonderen Organen" der drei Gewalten ausgeübt, A r t . 20 I I 2 GG. Hierfür muß eine Delegation zu den ausübenden Organen stattfinden. Da das Grundgesetz als relevanten staatsorganschaftlichen A k t des Volkes nur die Wahl zuläßt, muß durch diese die Delegation auf die „besonderen Organe" erfolgen. Die Wahl ist also Delegationsakt. — I m bundesstaatlichen Bereich kennt das Grundgesetz nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag 99 , wie sich aus dem Regelungszusammenhang mit Art. 3811 GG ergibt. Somit ist der Bundestag das primäre Repräsentationsorgan des Staatsvolkes, und als solches „besonderes Organ" i. S. v. Art. 20 I I 2 GG. Die Wahl ist also der Delegationsakt

zum Bundestag.

— Obwohl in Art. 20 I I 2 GG nicht ausdrücklich vermerkt, müssen Wahlen i n periodisch wiederkehrenden, i m voraus bestimmten Abständen stattfinden 100 . Wesentlich ist nämlich, daß dem Wahlberechtigten das Wahlrecht nicht auf einem in der Verfassung nicht vorgesehenen Wege entzogen oder verkürzt wird 1 0 1 . Demgemäß bemißt Art. 39 11 GG die Wahlperiode auf vier Jahre 102 . Der Grundsatz der periodisch wiederkehrenden Wahlen drückt aus, daß die Delegation nicht unbegrenzt erfolgt, sondern der rückblickenden Kontrolle 1 0 3 unterliegt. Die Wahl ist Kontrollakt über die Tätigkeit des Bundestages 104 . — Die Wahl ist schließlich auch ein A k t des Vertrauens: ein Vertrauensbeweis in der Wiederwahl, ein Vertrauensvorschuß in der Neu97

„Abstimmungen" sind heute n u r noch i n A r t . 29 GG vorgesehen. Die Bedeutung der Bestimmung liegt darin, daß die Länder über A r t . 28 plebiszitäre Einrichtungen einführen können (was z. T. auch geschehen ist!). Weitere grundgesetzliche Plebiszite über A r t . 29 hinaus erfordern ein verfassungsänderndes Gesetz. Vgl. zum ganzen Problemkreis Maunz-Dürig-Herzog f Art. 20, Rdnr. 5 2 1 ; Stern, K , B K , A r t . 28, Rdnr. 39 ; ein aktueller Anwendungsf a l l ist das „Gesetz über den Volksentscheid i m Gebietsteil Baden-Württemberg gemäß A r t . 29 Abs. 3 des Grundgesetzes" v. 26. 2.1970 (BGBl. I 201). 98 BVerfGE 8, 104 (113). 99 v. Mangoldt-Klein, A r t . 20, Anm. V 5 a (S. 597) gegen Wernicke, K , B K , A r t . 20, A n m . I I 2 f, der zu Unrecht auch Wahlen zu Landtagen usw. nennt. 100 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 56; BVerfGE 1, 14 (33); E18, 151 (154); BayVerfGHE N. F. 11, 1 (7, 9 f.). 101 BVerfGE 1, 14 (33). 102

Gemäß Art. 39 12 GG i. V. m. § 17 S. 1 B W a h l G bestimmt der Bundespräsident den Wahltag. 103 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 56. 104 BVerfGE 5, 85 (199).

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

wähl 1 0 5 . Anders wäre der Sinn des freien Mandats i n Art. 38 12 GG nicht erklärbar, als daß der Abgeordnete (im egalitären Massenstaat ohne Rückhalt durch eine gesellschaftliche Privilegierung) nur deshalb keinen Bindungen durch seine Wähler ausgesetzt ist, weil von i h m die freie, uneigennützige und verantwortliche Mandatserfüllung erwartet w i r d 1 0 6 . Die Wahl ist Vertrauensakt. Demzufolge hat die Delegation der Staatsgewalt vom souveränen, aber repräsentierten Volk zum repräsentierenden Parlament Vertrauen zur Voraussetzung und Kontrolle zur Bedingung 107 . Der A k t der Wahl ist das staatsrechtliche Fundamentalereignis, durch das der Bundestag legitimiert und kontrolliert wird. Die Differenzierung des Staatsverbandes i n Regierende und Regierte ist also nicht aufgehoben, aber die Regierenden sind i m Rahmen der egalitären (auf Gleichheit und Mehrheitsentscheidung beruhenden) Repräsentation und des darin w i r k samen Legitimierungs- und Kontrollmechanismus i n Abhängigkeit gebracht 108 . Entscheidend i m Hinblick auf die in A r t . 20 I I 1 GG verankerte Volkssouveränität ist deshalb auch die „verfassungsmäßig geregelte und periodisch revozierbare Zustimmung des Volkes" 1 0 9 . Liegen so die Grundlinien der i m Grundgesetz zwischen Volk und Parlament durchgeführten Repräsentation fest 110 , so kann die Frage nach der Funktion der Öffentlichkeit gestellt werden. I h r Sinn w i r d weder durch Sichtbarmachung interessefreier Diskussion (oben aa), noch durch die Verlautbarung von „Fensterreden" (oben bb) erfüllt. Die Öffentlichkeit der Verhandlungen macht das Parlament vielmehr 105 Dieses Vertrauen braucht nicht personengebunden zu sein. Die „ m i t der Personenwahl verbundene Verhältniswahl" ( § 1 1 2 BWahlG) ermöglicht durch die Zweitstimme auch die Vertrauensbekundung zugunsten einer ganzen Partei (bzw. deren Landesliste). 108 Das freie Mandat statuiert auch die Unabhängigkeit gegenüber den organisierten Interessen aller A r t , nicht zuletzt gegenüber der eigenen Partei, Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 49, 72 u n d passim. 107 Der „demokratische Konsensus" der Gesamtheit w i r d besonders von Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassungsordnung, i n : Festschrift für G. Müller, Tübingen 1970, S. 379 (380, 385), herausgestellt. 108 Badura, P., B K , A r t . 38, Rdnr. 29. 109 Hennis, W., Meinungsforschung u n d repräsentative Demokratie, T ü b i n gen 1957, S. 39. 110 Sie entsprechen dem von Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip, S. 239, geschilderten K e r n aller repräsentativen Erscheinungen, „wo die Fundier u n g der Staatsleitung auf dem Konsens des Volkes, auf A u f t r a g u n d K o n trolle besteht, die Entschließungen der Vertretung Verpflichtungskraft für das Ganze haben u n d sie u n d ihre Mitglieder durch zureichende Vorgänge zu ihrer Stellung legitimiert werden".

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

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zu einer „öffentlichen Tribüne" 1 1 1 , wo sich vor den Augen des ganzen Volkes i m Widerstreit von Argumenten, in Rede und Gegenrede, i n Verteidigung und Angriff zwischen der regierenden Mehrheit und der Opposition ein greifbares politisches Ergebnis herauskristallisiert 112 . Vor allem die Opposition kann die Regierung und ihre Mehrheit zwingen, die Beweggründe ihrer Dezision „coram publico" aufzudecken, um so eine Diskussion mit Kontrolleffekt in Gang zu bringen 1 1 3 . I m übrigen führt die fiktive Anwesenheit des ganzen Volkes dem Abgeordneten trotz aller gewissensmäßigen Unabhängigkeit tagtäglich die Tatsache seiner „Delegation" vor Augen und berührt sein Verantwortungsbewußtsein. Der Aktivbürger kann das parlamentarische Kräftespiel beobachten, i m Bewußtsein der ausdiskutierten Entscheidungsgesichtspunkte die Dezision loyal akzeptieren, Vertrauen gewinnen und bei der nächsten Wahl das Mandat bestätigen. Ober aber er w i r d der Alternative den Vorzug geben und versuchen, mit seiner Wählerstimme einen „Machtwechsel" herbeizuführen 114 . Es kann so kein Zweifel bestehen, daß das Volk einen Anspruch darauf hat, zuverlässig über das Wirken der von ihm eingesetzten Repräsentanten unterrichtet zu werden 1 1 5 ; Adressaten sind ohne Unterschied alle Glieder des Staatsvolkes. Läßt sich somit Öffentlichkeit 116 ah Gebot aus dem Prinzip der demokratisch-parlamentarischen Repräsentation ableiten, so bleibt i m Hinblick auf den Informationsanspruch gegen die Exekutive die Frage, ob auch diese als Repräsentationsorgan anzusprechen und ebenfalls von Verfassungs wegen zur grundsätzlichen Publizität verpflichtet ist. b) Die Öffentlichkeit

der Exekutive

als Repräsentationsorgan

I n der liberalen Lehre der Repräsentation wurde auch die Regierung (als Lenkungsorgan der Exekutive) zur Zahl der Repräsentanten ge111 Friesenhahn, E., Parlament u n d Regierung, S. 31, zum folgenden auch Hesse, K., Grundzüge, § 1 4 1 1 (S. 203 f.); Berg, W., Ausschüsse, S. 28 f. m . w . Nachw. 112 Die Tatsache der Parlamentsöffentlichkeit k a n n für den Bürger u n mittelbar juristische Folgen haben, vgl. Häberle, P., „Gemeinwohljudikatur" u n d Bundesverfassungsgericht, AÖR95 (1970), S. 86, 260 (289), unter Hinweis auf BVerfGE 14, 288 (298). 113 Die Aufrechterhaltung dieses öffentlichen Konflikts als Voraussetzung des öffentlichen Interesses am Bundestag w i r d von Hereth, M., Die Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments, PVS 1970, S. 29 (30 ff., 44 f.), i n den M i t t e l p u n k t von Reformbetrachtungen gestellt. 114 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 68. 115 Jeremias Bentham nennt schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts u. a. die Pflichterfüllung der Abgeordneten, den Loyalitätsgewinn des Volkes u n d die Vorbereitung der Wahlentscheidung als Zwecke der Parlamentsöffentlichkeit, vgl. Friedrich, C. J., Der Verfassungsstaat der Neuzeit, B e r l i n 1953, S. 355 f. 116 Hamann, A . jr., u n d H. Lenz, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., Neuw i e d 1970, A r t . 42, A n m . A (S. 463): Die Öffentlichkeit des Parlaments steht i n engem Zusammenhang m i t dem demokratischen Prinzip.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

rechnet. Durch sie w i r d das geistige Prinzip der politischen Existenz eines Staates konkretisiert 1 1 7 . Eine Regierung, die das nicht zum mindesten intentionsweise in Anspruch nehmen würde, ist keine Regierung 119. Vorausgesetzt w i r d jedoch, daß sie über ein unentbehrliches Maß von eigenschöpferischer Tätigkeit verfügt 1 1 9 . I m parlamentarisch-demokratischen Verfassungsstaat mag die integrierende Wirkung der Regierung eher Folge als Voraussetzung ihrer konstitutionellen Position sein. Entscheidend kommt es für die Einordnung der Regierung als Repräsentationsorgan auf folgendes an: — Wie geschieht die Delegation der Staatsgewalt vom Volk als Souverän zur Regierung? (unten aa). — Wem gegenüber trägt die Regierung Verantwortung? (bb). — Wer kontrolliert die Regierung? (cc). — Bleibt ihr ein eigenständiger Vollzugsbereich? (dd). aa) Die Delegation der Staatsgewalt Die Regierung als Lenkungsgewalt der Exekutive leitet unter der Geltung des Grundgesetzes ihre Kompetenzen unmittelbar aus der Verfassung her, Art. 20 I I 2 GG. Sie w i r d i n dieses A m t jedoch nicht durch das Volk unmittelbar, sondern durch das Parlament eingesetzt, indem dieses den Regierungschef wählt, A r t . 631 GG (Kreationsfunktion des Bundestages 120 ). Somit erfolgt die Delegation der Staatsgewalt zwar auch vom Volke her, w i r d aber vermittelt durch das von i h m gewählte Parlament. I n der Staatswirklichkeit zeigen sich demgegenüber unübersehbare Tendenzen, daß die Wahl der Abgeordneten bereits eine Entscheidung über die Besetzung des Kanzlerpostens oder der „Regierungsmannschaft" m i t sich bringt 1 2 1 und so zu einer immer stärkeren demokratischen Präsenz des oder der leitenden Exekutivorgane neben und auf Kosten der Volksvertretung führt 1 2 2 . Insofern ist das Parlament nicht 117

S. 212. 118

Leibholz,

G., Repräsentation, S. 79 f.; Schmitt,

C., Verfassungslehre,

Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 156 f., 160. Leibholz, G., Repräsentation, S. 80. 120 Jesch, D., Gesetz u n d Verwaltung, S. 95; Rauschning, D., Beachtung von Verfassungsrecht, S. 247 f. 121 Vgl. den Slogan der CDU/CSU i m Wahlkampf 1969: „ A u f den Kanzler k o m m t es an." Die personelle Alternative wurde vor allem bei der W a h l Konrad Adenauers zum Bundeskanzler betont, dazu Sternberger, D., u n d B. Vogel (Hrsg.), Die W a h l der Parlamente, Bd. 1/1, B e r l i n 1969, S. 302 f. 122 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 81; Leibholz, G., S t r u k t u r probleme, S. 1041; Friesenhahn, E., Parlament u n d Regierung, S. 26; Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip, S. 239. 119

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

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mehr alleiniges Repräsentativorgan; die Regierung kann ebenfalls als (sekundäres) Repräsentativorgan bezeichnet werden 123 . bb) Die Verantwortung der Regierung Die Regierung ist aber nicht dem Staatsvolk, sondern nur dem Parlament gegenüber verantwortlich. Ohne daß es vom Grundgesetz durch Formeln wie „Parlamentarismus" angedeutet wird, läßt sich dies aus der näheren Ausgestaltung des Verhältnisses von Parlament und Regierung entnehmen 124 . Dem Bundestag steht das Zitierungs- und Interpellationsrecht zu (Art. 43 I GG), er kann den Bundeskanzler und damit das Kabinett durch ein „konstruktives Mißtrauensvotum" austauschen (Art. 67 GG), er kann Untersuchungsausschüsse einsetzen (Art. 44 GG), er bestimmt den Haushalt letztendlich durch das Haushaltsgesetz (Art. 110 I I 1 GG), und schließlich kann er durch Aussprachen, Entschließungen und Weisungen auf die Politik der Regierung Einfluß nehmen 125 . I n der Praxis wirken sich die Bestimmungen der parlamentarischen Verantwortlichkeit dahingehend aus, daß infolge der parteipolitischen Kongruenz von Bundestagsmehrheit und Regierung die Spitze der Exekutive an den i n den Parlamentswahlen zum Ausdruck gekommenen Volkswillen rückgebunden ist 1 2 8 . Durch diese Rückkoppelung stellt sich die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung i n einem anderen Licht dar: Auch sie weist direkte Bezugspunkte zum Staatsvolk als Souverän auf. cc) Die Kontrolle der Regierung Die unmittelbare Kontrolle der Regierung steht nach dem Grundgesetz wiederum nur dem Bundestag zu 1 2 7 . Die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Bundestag kann nämlich nur realisiert werden, wenn dem Parlament auch Kontrollrechte zur Verfügung stehen 128 . Kann das Staatsvolk während der Wahlperiode selbst auch nicht un123 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 105 (Fn. 7); zu eng daher Maunz, T., Staatsrecht, § 3612 a (S. 335 f.), der allein Bundestag u n d Bundesrat als Repräsentationsorgane deklariert. 124 v. Mangoldt-Klein, Vorbem. vor A r t . 62 GG, Anm. I I I 1 (S. 1194). 125 Eine vollständige Schilderung der parlamentarischen Verantwortlichkeit findet sich bei v. Mangoldt-Klein, Vorbem. vor A r t . 62 GG, A n m . I I I 3 (S. 1195 f.); vgl. auch Jesch, D., Gesetz u n d Verwaltung, S. 95—97; Maunz, T., Staatsrecht, §36115 (S. 343 f.); Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 1 6 6 V b 3 (S. 352). 126 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 79 (Fn. 4); Zippelius, R., Staatslehre, § 26 I I I 2 (S. 164 f.). 127 Ausdrücklich angesprochen w i r d sie n u r i n der nachträglich eingefügten Vorschrift über den Wehrbeauftragten, A r t . 45 b GG, vgl. Fichtmüller, C. P., Bundesverwaltung, S. 328—334 m. ausf. Nachw. 128 Das Instrumentarium ist das gleiche w i e oben bb; siehe auch unten D 13 c.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

mittelbar kontrollierend eingreifen, weil es i m Repräsentativsystem einer „organisatorischen Mediatisierung" unterliegt 1 2 9 , so hat es i n der Parlamentswahl die Möglichkeit, die Konsequenzen zu ziehen und durch die Besetzung des Bundestages auch gegenüber der Regierung seine Zustimmung zu erneuern oder zu verweigern. Die Wahl des Bundestages bedeutet somit gleichzeitig auch ein Votum über die Politik der Regierung 1 3 0 . dd) Die Eigenständigkeit der Regierung Der Charakter der Regierung als Repräsentationsorgan stünde aber sicherlich dann in Frage, wenn das Grundgesetz eine „totale Demokratie" 1 3 1 intendierte, dem Parlament den Vorrang unter den Gewalten einräumte und so die Exekutive „zum stumpfen Befehlsempfänger der Legislative degradieren" würde 1 3 2 . Dem widerspricht zunächst, daß die Bonner Verfassung alle drei Gewalten unmittelbar demokratisch legitimiert, Art. 20 I I 2 GG, und so dem Gesetzgeber das Monopol demokratischer Legitimation entzogen ist 1 3 3 . Der Legislative kann auch nicht deshalb ein genereller Vorrang gegenüber der Exekutive zustehen, weil nur sie unmittelbar gewählt ist: Die wachsende plebiszitäre Komponente der Wahlen mit ihrem direkten Einfluß auf die Exekutive läßt Zweifel an dieser Auffassung aufkommen (oben aa). Schließlich kann auch die Bindung der Exekutive an Gesetz und Recht i n Art. 20 I I I GG keinen unumschränkten Gesetzesvorbehalt bedeuten 134 ; der Widerspruch zwischen der verfassungsunmittelbaren Eigenständigkeit und einer legislativen Totalbindung wäre unüberbrückbar 135 . I m übrigen erfordert schon die optimale Wahrnehmung der Staatsaufgaben eine demokratische Kooperation zwischen Legislative und Exekutive 1 3 6 . Kann die Exekutive nicht nur faktisch (oben B II—V), sondern auch rechtlich auf eine unübersehbare Eigenständigkeit verweisen, so läßt sich von hier aus kein Argument gegen ihre Einstufung als Repräsentationsorgan herleiten. Aus diesen Überlegungen folgt, daß auch die vollziehende Gewalt als ein Bereich repräsentativer Machtausübung anzusehen ist. Sie ist unmittelbar demokratisch legitimiert. Die Zustimmung des Volkes er129

Zippelius, R., Staatslehre, § 1 5 I V 1 (S. 77). Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 71. 131 Bullinger, M., Vertrag u n d Verwaltungsakt, S. 94. 132 Kritisch: Bullinger, M., a.a.O. 133 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 79 ff., 2891; BVerfGE9, 268 (2791); siehe B I 2 a . 134 Vgl. schon oben B I V 2, 3 zum Umfang des Gesetzesvorbehalts. 135 So Kabisch, D., Gesetzesprüfung, S. 50, m. a u s ! Nachw. zum Meinungsstand, S. 44—50. 136 Böckenförde, E. W., Organisationsgewalt, S. 80; vgl. Scheuner, U., Regierungssystem, S. 5341; BVerfGE 6, 84 (931). 130

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

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folgt mittels Wahlen i m Wege der Delegation, welche durch das Vertrauen für die regierungsbildende Mehrheitspartei gestützt und durch Kontrolle i m neuen Wahlakt gerechtfertigt wird. Deshalb ist auch die Exekutive prinzipiell aufgefordert, ihr Handeln ihrem Souverän, dem Volk, und seiner kritischen Aufmerksamkeit zugänglich zu machen. Die Bonner Verfassung stellt für 1. und 2. Gewalt ein grundsätzliches Öffentlichkeitsgebot auf, das wesensmäßig aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie folgt. c) Die Öffentlichkeit als Voraussetzung des „Staatszieles Demokratie" Dieses Ergebnis w i r d durch eine zusätzliche Überlegung bestätigt. Eine wirkungsvolle Repräsentation setzt voraus, daß zwischen Regierenden und Regierten ein enger rechtlicher und tatsächlicher Kontakt besteht, damit ihre Handlungen von der Gesamtheit wirklich angenommen werden 1 3 7 . Auch die Delegation der Staatsgewalt zur Ausübung durch besondere Organe darf nicht vergessen lassen, daß die Souveränität des Volkes die Grundlage bleibt. Es ist deshalb folgerichtig und notwendig zugleich, daß die Staatsgewalt i n größtmöglicher Nähe zum Volk ausgeübt wird 1 3 8 . Diese Kontaktbindung ist keineswegs durch den Wahlvorgang allein herzustellen, der die rechtliche Grundlage bildet, sondern sie muß als dauernde Kommunikation wirken, wenn sie politisch wirksame Realität bleiben w i l l 1 3 9 . Das bedeutet, daß die Staatsbürger zusätzlich zu ihrer staatsorganschaftlichen Wahlberechtigung das demokratische Recht haben müssen, gerade in bezug auf die Tätigkeit der ausübenden Staatsorgane ihre Meinungen und Gegenmeinungen zu entfalten 140 , — sowohl einzeln als auch kollektiv, etwa durch Demonstrationen —. Dieses Recht würde leerlaufen, wenn die Glieder des Staatsvolkes keinerlei Kenntnis über die Arbeit jener Stellen erhielten. Die „Volksnähe" ist deshalb nicht nur als ideelles Verbundensein, sondern als materielle Verpflichtung der Staatsgewalt anzusehen, ihr Handeln dem Volk offenzulegen. Die Erreichung des „Staatszieles Demokratie" 1 4 1 ist i m wesentlichen durch den rechtlich gebotenen Popularkontakt bedingt. Diese Argumentation birgt jedoch die Gefahr i n sich, i n das „Atmosphärische" abzugleiten. Vor allem darf sie nicht vergessen lassen, daß die demokratische Staatsform nur die grundsätzliche Verpflichtung der Staatsgewalt zur Öffentlichkeit beinhaltet. Über begründete Ausnahmen und Grenzen sagt sie nichts aus. 187 Scheuner, U., Politische Repräsentation u n d Interessenvertretung, D Ö V 1965, 577 (579 f.). 138 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 83, 85. 139 Scheuner, U., Interessenvertretung, S. 580. 140 Maunz-Dürig-Herzog f A r t . 20, Rdnr. 36. 141 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 84.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

d) Die Öffentlichkeit

der Justiz

Möglicherweise läßt sich auch die Publizität der Justiz aus der demokratischen Struktur des Grundgesetzes rechtfertigen. I n der Verfassung findet sich kein ausdrücklicher Hinweis 1 4 2 ; die Ausgestaltung hat der Gesetzgeber übernommen (z. B. §§ 169 ff. GVG). Die Rechtsprechung steht als 3. Gewalt neben Legislative und Exekutive und w i r d wie diese verfassungsunmittelbar legitimiert, A r t . 20 I I 2 GG. Die Entwicklung ihrer Unabhängigkeit und Verselbständigung verläuft jedoch genau umgekehrt wie bei den beiden anderen Gewalten: Während sich jene gegenseitig immer mehr verzahnen, geht die Rechtsprechung ihren eigenen Weg 143 . Durch die richterliche Unabhängigkeit, A r t . 97 I GG, sind die Organe der Rechtsprechung vor allem gegenüber den politischen Auswirkungen der Wahl immunisiert 1 4 4 . Aus diesem Grund kann sich die Publizitätsverpflichtung der Justiz nicht auf die gleichen Argumente wie die der Legislative bzw. Exekutive gründen. So w i r d etwa eingewandt, daß durch das Publikum keine sachgerechte Kontrolle möglich sei 145 . Die Gerichte haben sich i n der dogmatischen Rechtfertigung der Publizität widersprochen 146 , dabei allerdings immer wieder betont, daß die Öffentlichkeit des Verfahrens das Vertrauen der Allgemeinheit und des Einzelnen in die Objektivität der Rechtspflege sichern soll 147 . Weil aber Richten auch Machtausübung bedeutet 148 , dient die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens auch dazu, diesen Machtvorgang bewußt werden zu lassen 149 , das Recht lebendig zu erhalten 150 , 142

M i t Ausnahme von A r t . 90 BV. Die engen Schranken der Gerichtsöffentlichkeit i n A r t . 90 S. 2 B V (Staatssicherheit u n d öffentliche Sittlichkeit) sind allerdings gemäß A r t . 31 GG durch die weiterreichenden Einschränkungsmöglichkeiten des Bundesrechts gegenstandslos geworden, vgl. Nawiaskyheusser-Schweiger-Zacher, A r t . 90, Rdnr. 2. 143 Bettermann, K . A., Die Unabhängigkeit der Gerichte u n d der gesetzlichen Richter, i n : Die Grundrechte I I I / 2 , hrsg. v. Bettermann-NipperdeyScheuner, B e r l i n 1959, S. 523 (529). 144 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 74. Eine Neuerung i m System des deutschen Staatsrechts bildet allerdings die M i t w i r k u n g des Bundestages bei der Bestellung der höchsten Rechtsprechungsorgane (Art. 9412, 95 I I GG), Maunz, T., Staatsrecht, § 36 I I 3 (S. 342). 145 Dazu Bockelmann, P., Öffentlichkeit u n d Strafrechtspflege, N J W 1960, 217 ff. 148 BGHSt 2, 56 (57): alte demokratische Forderung; BGHSt 21, 72 f.: E i n richtung des Rechtsstaats; BGHSt 23, 82 (85): dient Interesse der Allgemeinheit; B G H Z , Beschl. v. 17.7.1970, N J W 1970, 1846 (1847 l . S p . ) : grundlegendes rechtsstaatliches Erfordernis; BVerfGE 15, 303 (307): n u r Prozeßrechtsmaxime; kritisch hierzu Haberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 290 m. Fn. 218. So schon RGSt 70, 109 (112); BGHSt21, 72 (74). 148 Arndt, A., Das öffentliche, N J W 1960, 423 (424). 149 Arndt, A., a.a.O. 150 Kleinknecht, T., StPO, 29. Aufl., München 1970, § 169, Anm. 1.

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

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Loyalität zu wecken, politische Beeinträchtigungen zu verhindern 1 5 1 und somit die richterliche Unabhängigkeit zu wahren 1 5 2 . Die Publizität der Justiz berührt also auch die „öffentliche Kontrolle" 1 5 3 , wenn auch nicht i m oben genannten fachmännischen Sinn. Vor allem w i r d sich die Formel „ I m Namen des Volkes" unter der Geltung des Grundgesetzes nicht anders rechtfertigen lassen, als daß sich die Ausübung der richterlichen Gewalt vom Volke herleitet, d. h. demokratisch legitimiert ist 1 5 4 . Wenn dem so ist, dann gilt auch für die Justiz das demokratische Gebot der Publizität 1 5 5 . Die Auslegung aus der demokratischen Struktur des Grundgesetzes läßt aber ebenfalls nur eine prinzipielle Aussage zu. Die nähere Abgrenzung der Justizöffentlichkeit ist nicht Aufgabe dieser Untersuchung 158 . e) Ergebnis Die Analyse der Verfassungshinweise auf die Staatsform „Demokratie" hat ergeben, daß die „besonderen Organe" der drei Gewalten einem durchgängigen Öffentlichkeitsgebot unterliegen. Adressat dieser „demokratischen Öffentlichkeit" ist das Staatsvolk als Träger der Staatsgewalt. Formen und Grenzen der Publizität liegen damit noch nicht fest. 2. Rechtsstaat

Wenn i m nachstehenden untersucht wird, welche Publizitätstendenzen sich aus dem Begriff „Rechtsstaat" 157 herleiten lassen, so sei wiederum daran erinnert, daß es sich auch hier um einen äußerst komplexen Be151

Bockelmann, P., Öffentlichkeit u n d Strafrechtspflege, S. 218. Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 276 f. 153 Ausdrücklich jetzt B G H Z , Beschl. v. 17.7.1970, N J W 1970, 1846 (1847 1. Sp.): Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung zur Kontrolle der Rechtsprechung durch die Allgemeinheit; zum Zivilprozeß: Jauernig, O., Dürfen Prozeßbeteiligte i n veröffentlichten Zivilentscheidungen namentlich genannt werden?, i n : Festschrift für E. Bötticher, B e r l i n 1969, S. 219 (230 f.). Vgl. auch Kleinknecht, T., StPO, § 169, Anm. 1. 154 Z u r rechtsgeschichtlichen Wandlung dieser Formel Leiser, W., I m Namen des Volkes, i n : Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte 1969, S. 501 ff. 155 So auch Windsheimer, H., Information, S. 140; Arndt, A., Das öffentliche, S. 424; a. A. Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 75; Schmidt, E., Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung u n d zum Gerichtsverfassungsgesetz, T e i l I, 2. Aufl., Göttingen 1964, Rdnr. 401—424. 156 Aufschlußreich i m m e r h i n das U r t e i l des BGHSt (E 23, 82 ff.), nach dem der erwachsene Angeklagte keinen m i t der Revision durchsetzbaren Anspruch auf Ausschluß der öffentlichkeit der Hauptverhandlung zum Schutze seines Privatbereiches habe (Ls.). Daraus ergibt sich, daß die Interessen der A l l gemeinheit i m Hinblick auf die justizielle Publizität denen des Angeklagten vorgehen. 157 Öffentlichkeit u n d Rechtsstaat bringen i n Verbindung: Häberle, P., Koalitionsvereinbarungen, S. 297; Habermas, J., S t r u k t u r w a n d e l der öffent152

78

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

griff handelt, der die Deduktion von Rechtsfolgen nur nach sorgfältiger Prüfung zuläßt. Obwohl der Rechtsstaat ausdrücklich nur i n A r t . 28 GG angesprochen wird, besteht Einigkeit darüber, daß damit eines der elementaren Prinzipien der Verfassung erwähnt wird 1 5 8 . I m Rechtsstaat sind die Beziehungen des Bürgers zum Staat grundsätzlich Sache des Rechts 159 . I m Widerstreit zwischen formellem („Gesetzesstaat") und materiellen Verständnis („Gerechtigkeitsstaat") besteht die (widerlegbare) Vermutung, daß die materielle Gerechtigkeit bereits durch das förmliche Gesetz und seine Anwendung realisiert wird 1 6 0 . Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und ihre Folgerungen lassen sich also i n erster Linie i m Zusammenhang mit der Gesetzgebung nach Form und Inhalt aufzeigen. a) Die Transparenz des Grundgesetzes Die Vorschrift des Art. 79 11 GG, wonach das Grundgesetz nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das den Wortlaut ausdrücklich ändert oder ergänzt, enthält den Grundsatz der „Öffentlichkeit und Einsichtbarkeit" des Verfassungsrechts 161 . Die Verfassungsordnung soll klar und greifbar sein 162 . b) Die Publikation

der Gesetze

Alle Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland bestimmen ausdrücklich das amtliche Blatt, in dem die Gesetze verkündet werden müssen 163 . Dem Bürger soll aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus das Auffinden der ihn betreffenden Normen verfassungskräftig gewährleistet werden 164 . Für Bundesgesetze ist das Bundesgesetzblatt das einlichkeit, 4. Aufl., Neuwied 1969, S. 91 ff., 98; Fraenkel, E., Deutschland u n d die westlichen Demokratien, 3. Aufl., Stuttgart 1968, S. 144 ff.; kritisch: Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 60, m. w. Nachw. i n Fn. 103. iss BVerfGE 20, 323 (331); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, v o r Rdnr. 58; v. Mangoldt-Klein, A r t . 20, A n m . V I , v o r 1 (S. 600). Es sei dahingestellt, ob es sich dabei überhaupt u m eine „Staatsformbestimmung" handelt; die Rechtsstaatlichkeit ist jedenfalls I n h a l t der Verfassung. Dazu Maunz, T., Staatsrecht, § 111 (S. 67, 69). 159

B V e r w G E 1, 159 (161). Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 58—60. 181 v. Mangoldt-Klein, A r t . 79, Anm. I I I v o r 1 (S. 1867) m. w. Nachw. 162 Schüle, A., Koalitionsvereinbarungen, S. 51; Rauschning, D., Beachtung von Verfassungsrecht, S. 192. 168 Außer der Berliner Verfassung v o m 1. 9.1950, vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 82, Anm. I V 4 a (S. 2051). 164 Drath, M., Der Verfassungsrang der Bestimmungen über die Gesetzblätter, W. Jellinek-Gedächtnisschrift, München 1955, S. 237 ff.; v. MangoldtKlein, A r t . 82, Anm. I V 4 a (S. 2052), meinen, die Grundlegung sei auch deshalb i n A r t . 8 2 1 1 GG erfolgt, u m die Verkündung als T e i l bundeseigener V e r w a l t u n g auszuweisen. 160

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

79

zige Publikationsorgan (Art. 82 11 GG) 185 . Auch Rechtsverordnungen (oben B I I I 3) werden pflichtgemäß in amtlichen Publikationen verkündet. Damit w i r d erreicht, daß der Staatsbürger Kenntnis von dem aktuellen Normenbestand erlangen kann. Ob diese Normen für ihn auch verstehbar sind, hängt von inhaltlichen Kriterien ab. c) Der Grundsatz der Normklarheit Das Bundesverfassungsgericht hat das rechtsstaatliche Gebot der „Normklarheit" 1 8 8 i n verschiedener Richtung verdeutlicht. Die Voraussetzungen eines Eingriffs der öffentlichen Gewalt in die Sphäre des Bürgers müssen in ihren gesetzlichen Voraussetzungen möglichst klar und für den Bürger erkennbar umschrieben werden 187 . Deshalb sind auch in sich widerspruchsvolle Gesetze verboten 188 . Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist zwar zulässig, aber auch sie müssen nach Voraussetzung und Inhalt so formuliert sein, daß die von ihnen Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können 189 . Die Auslegungsbedürftigkeit von Gesetzen durch Verwaltungsbehörden und Gerichte infolge Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen nimmt gesetzlichen Regelungen noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit 1 7 0 . Die Einräumung eines Ermessensspielraumes erweist sich schon wegen der Fülle neuer, nicht vorhersehbarer Verwaltungsaufgaben als notwendig 1 7 1 . Aber auch hier gebietet das Rechtsstaatsprinzip, daß der Gesetzgeber die Rechtssphäre, die staatlicher Eingriffsmöglichkeit offenliegt, selbst abgrenzt 172 . Die Verwaltung darf demzufolge i n den Rechtskreis Einzelner nur eingreifen, wenn sie dazu in einem Gesetz ermächtigt wird, und die Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden 173 . Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich

iss Neuerdings auch für die Feststellung des Verteidigungsfalles, A r t . 115 a I I I GG; dazu Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 115 a, Rdnr. 47 ff. 186 Begriff i n BVerfGE9, 223 (229); E21, 73 (79); E27, 1 (8); E27, 195 (210). 167 BVerfGE 9, 13 (147, 149); E 17, 306 (313 f.); Leibholz-Rinck, A r t . 20, Rdnr. 24. 168 BVerfGE 1, 14 (45). 169 BVerfGE 21, 73 (79); Maunz-Dürig-H erzog, A r t . 20, Rdnr. 90; zur Bestimmtheit von Strafgesetzen BVerfGE 28, 175 (183) m. w . Nachw. 170

BVerfGE21, 209 (215); E21, 245 (261). Dazu pointiert: Bachof, O., Sozialer Rechtsstaat, S. 67 ff. 172 BVerfGE 8, 71 (76); Scheuner, U., Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats i n Deutschland, i n : Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit (hrsg. v. E. Forsthoff), Darmstadt 1968, S. 461 (467, 493 f.). 173 BVerfGE 8, 276 (325); E9, 137 (147 f.); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 91; Leibholz-Rinck, A r t . 20, Rdnr. 29 ff. 171

80

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

normieren 174 , indem der Gesetzgeber den „Grundsatz der Bestimmtheit" 1 7 5 beachtet, damit alle staatlichen Maßnahmen durch die förmlichen Gesetze ein unabdingbares Maß an Meßbarkeit und Vorausberechenbarkeit erhalten 176 . Die Klarheit der Ermächtigungsnormen w i r d schließlich auch deshalb von der Rechtsstaatlichkeit gefordert, um dem Einzelnen einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz seiner Rechtssphäre vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu gewährleisten 177 . Der den Gerichten durch A r t . 19 I V GG erteilte Rechtsschutzauftrag kann nur dann verwirklicht werden, wenn die von der Exekutive angewendete Norm so bestimmt ist, daß sie von den Gerichten nachprüfbar ist 1 7 8 . Die „Selbstherrlichkeit" der vollziehenden Gewalt i m Verhältnis zum Bürger soll damit beseitigt werden 179 . d) Folgerungen aus der Rechtsschutzgarantie Der Wortlaut des Art. 19 I V 1 GG läßt vermuten, daß durch ihn nur repressiver Rechtsschutz garantiert wird. Dem Gedanken eines „effektiven Rechtsschutzes" 180 würde es jedoch widersprechen, wenn nicht i n Fällen, wo der Richter sonst auf vollendete Tatsachen träfe, der Rechtsschutz auch schon präventiv eingeschaltet wird: Das Grundgesetz gibt selbst (bei Freiheitsentziehungen, A r t . 104 I I 1, und bei Wohnungsdurchsuchungen, A r t . 13 II) positive Anhaltspunkte dafür 1 8 1 . Kann die „Vorwirkung" des A r t . 19 I V GG 1 8 2 zunächst nur die Ausgestaltung des Gerichtsschutzes selbst betreffen, so bewirkt sie aber auch Pflichten der Verwaltung 1 8 3 . U. a. sind daraus das „rechtliche Gehör" i m Verwaltungsverfahren, die Rechtsmittelbelehrung bei Verwaltungsakten und das Recht auf Akteneinsicht i m Verwaltungsverfahren abgeleitet worden 1 8 4 . 174

BVerfGE 13, 153 (160); E20, 150 (158). Lerche, P., Übermaß und Verfassungsrecht, K ö l n 1961, S. 67 ff.; Hesse, K , Grundzüge, § 6 I I 2 (S. 83). 176 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 20, Rdnr. 86; v. Mangoldt-Klein, A r t . 20, Anm. V I 2 (S. 601); Maunz, T., Staatsrecht, § 111 (S. 67 f.). * 7 7 BVerfGE 8, 276 (326); E 13, 153 (161). 178 BVerfGE a.a.O. 179 BVerfGE 10, 264 (267). 180 B V e r w G E 16, 289 (293); E 19, 159 (161 f.). 175

181 Lerche, P., Z u m „Anspruch auf rechtliches Gehör", ZZP 78 (1965), S. 1 (16); Pipkorn, J., Auskunftspflichten der daseinsvorsorgenden Verwaltungsbehörden, Diss. München 1968, S. 88 f.; ders.: Auskunftsansprüche gegenüber Verwaltungsbehörden, DÖV 1970, 171 (174 f.). 182 Lerche, P., Rechtliches Gehör, S. 27. 183 Pipkorn, J., Auskunftspflichten, S. 89 f. 184 Pipkorn, J., Auskunftspflichten, S. 91 m . w . Nachw., S. 113 f.; dazu näher unten D I V 2 b.

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

81

Die Klausel des A r t . 1 9 I V GG bewahrt sich selbst vor ungerechtfertigter Überbeanspruchung, indem sie den Rechtsschutz des Einzelnen auf die Verletzung „seiner Rechte" beschränkt. So ist auch die dem eigentlichen Gerichtsschutz als Präfix vorangeschaltete Transparenz der Verwaltungstätigkeit von der Verletzung subjektiver Rechte des Einzelnen abhängig. e) Rechtsstaatliche Publizität

in der Leistungsverwaltung

War der Bestimmtheitsgrundsatz (oben c) i m wesentlichen dadurch motiviert, daß staatliche Eingriffe berechenbar sein müßten, so ist zu prüfen, ob das Prinzip des Rechtsstaats auch die Publizität staatlicher Leistungen fordert. Dies soll am Beispiel der Subventionen geschehen. Probleme der Berechenbarkeit treten für den Bürger bei der Bemessung einer Subvention, aber auch bei der Vorenthaltung einer Leistung auf. Die Norm versagt hier ihren Dienst, weil der Vorbehalt des Gesetzes die Subvention ausspart 185 . Wenn überhaupt, dann regeln nur interne Verwaltungsvorschriften die Vergabe. Diese werden nicht oder nur unvollständig über offiziöse oder private Kanäle den Interessenten nahegebracht. Auch das Haushaltsgesetz w i r d unzureichend publiziert 1 8 6 . A u f diese Weise ist dem Bürger nicht mehr die geringste offizielle Information über die Vergabe von Subventionen garantiert 1 8 7 . „ A l l e generellen Regelungen, die den Anteil des Bürgers am Allgemeinen gestalten, müssen dem rechtsstaatlichen Zwang zur Publikation unterstellt werden 1 8 8 ." Allerdings könnten auch Normen in diesem Bereich oft keine zuverlässigen Angaben enthalten, weil die Mittel begrenzt sind und die Bedürfnisse in Umfang und Dringlichkeit wechseln: Für diesen Fall müssen die konkreten Entscheidungsgrundlagen publiziert werden 1 8 9 . Auch hier zeigt sich eine A r t von „Vorwirkung". Wo das materielle Recht nicht unmittelbar gewährt werden kann, muß ihm das formelle Recht vorauseilen 190 . A n diesem Beispiel erweist sich, daß das Gebot der Öffentlichkeit aus dem Rechtsstaatsprinzip angesichts moderner Verwaltungsaufgaben nicht mehr auf die Normpublizität beschränkt sein kann, insbe185

Oben B I V 2 a. Vgl. B I V 2 b. 187 Zacher, H. F., Subventionen, S. 356 f. m. w. Nachw. 188 Zacher, H. F., Subventionen, S. 358; Pipkorn, J., Auskunftsansprüche, S. 171, weist zutreffend darauf hin, daß der Einzelne i n einer Zeit, i n der freies Handeln mehr als früher Fachwissen u n d Übersicht über die Ausw i r k u n g e n staatlicher Maßnahmen auf die eigenen Dispositionen voraussetzt, ohne staatliche Hilfe nicht mehr auskommt. 186

188 190

Zacher, H. F., Subventionen, S. 359 ff. So Zacher, H. F., Subventionen, S. 361.

6 Jerschke

82

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

sondere auch nicht m i t der Reichweite des Gesetzesvorbehalts verknüpft ist. Die Publizität hat in jedem Falle so weit zu gehen, daß für den Bürger jede Berührung durch staatliche Gewalt voraussehbar und berechenbar bleibt. f) Das Ideal der Berechenbarkeit

staatlicher

Machtäußerungen

Die Markierung des schmalen Pfades zwischen legislativer Bindung und exekutivischer Freiheit zum Schutz des Bürgers läßt folgende Schlüsse zu: — Zum Begriff des Rechtsstaats, der die persönliche und politische Freiheit des Bürgers schützen und alle staatliche Machtausübung mäßigen und rechtlich binden soll 191 , gehört das Ideal der Berechenbarkeit staatlicher Machtäußerungen, das seine Grenze an der unvermeidlichen Unschärfe von Gesetzesbegriffen und der Unentbehrlichkeit des Verwaltungsermessens findet 192 . — Gesetzgeberischer Impräzision sollen die rechtsstaatlichen Forderungen nach Normklarheit, Verfassungstransparenz und Publikation von Gesetzen vorbeugen. — Die Publizitätsverpflichtung des Gesetzgebers w i r d zu einer solchen der vollziehenden Gewalt, weil diese an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 I I I GG). — Das Ideal der Berechenbarkeit w i r d jedoch gefährdet, wenn der Exekutive ein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Zum Ausgleich muß die 2. Gewalt zur Veröffentlichung der sie bei der Ermessensausübung leitenden Gedanken verpflichtet werden. Gleichermaßen muß die vollziehende Gewalt, wenn sie in normfernen oder normfreien Räumen handelt (z. B. Leistungsverwaltung), selbst für die Meßbarkeit und die Vorausberechenbarkeit ihrer Maßnahmen sorgen. — Die Präventivwirkung des A r t . 1 9 I V GG gibt dem Betroffenen bereits i n bescheidenem Umfang die Möglichkeit zur Einsicht i n die bevorstehende Machtausübung der Exekutive. — Adressat der rechtsstaatlichen Publizität ist der Staatsbürger, dessen Rechtssphäre potentiell oder aktuell berührt wird 1 9 3 . Sie ist 191

Scheuner, U., Rechtsstaat, S. 491. So Zippelius, R., Staatslehre, § 211 (S. 132). 193 Schwerwiegenden Bedenken unterliegen deshalb A r t . 10 I I 2 GG i. V. m. § 5 V des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- u n d Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 GG) v. 13.8.1968 (BGBl. I 949), wonach der Betroffene von Beschränkungsmaßnahmen nicht unterrichtet werden darf. Diese Regelung läßt sich m i t dem rechtsstaatlichen Öffentlichkeitsgebot nicht ver192

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

83

deshalb von der demokratischen Publizität (oben 1) nach Motiv und Reichweite zu unterscheiden 194 . g) Ergebnis Öffentlichkeit und Einsichtnahme i n die Vorgänge bei Trägern hoheitlicher Gewalt lassen sich aus dem Rechtsstaatsprinzip herleiten 1 9 5 . Maßstab ist das Ideal der Berechenbarkeit staatlicher Machtäußerungen durch den Bürger. 3. Sozialstaat

Das Grundgesetz hat auch die Sozialstaatlichkeit (Art. 20 I, 2811, 79 I I I GG) zu den tragenden Prinzipien unseres Staates erklärt 19 ®. Das „Staatsleitbild des sozialen Rechtsstaats" 197 verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen 198 . Ist die soziale Gerechtigkeit aber auch durch das Prinzip der Öffentlichkeit bedingt 199 ? Eine konkrete Aussage hierzu fällt ungemein schwer, weil Inhalt und normative Kraft der Sozialstaatsklausel noch überaus umstritten sind 2 0 0 . Die Gefahr der generalklauselartigen Umlaufung und Vernebelung m i t dem Anschein der Modernität liegt nahe 201 . a) Die Ausgestaltung

durch den Gesetzgeber

Für den gegebenen Zusammenhang muß es genügen, sich auf den festen Boden der höchstrichterlichen Rechtsprechung 202 zurückzuziehen. einbaren, vgl. dazu Hall, K.-H., Fast vergessene Notstandsprobleme, ZRP 1970, 145 (147), der zusätzlich auf den Ausschluß des Kontrolleffekts durch Massenmedien hinweist. 194 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 176 (Fn. 89). 195 Maunz, T., Staatsrecht, § 111 (S. 67), führt dies als Beispiel f ü r die moderne Entwicklung des traditionellen bürgerlichen Rechtsstaats an. 196 BVerfGE 3, 377 (381). Ausf. Nachw. über die Rechtsprechung geben: Weber, W., Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Staat 4 (1965), S. 409 ff.; Zacher, H. F., Gleichheit, S. 341 ff. 197 BVerfGE 17, 306 (309). 198 BVerfGE 5, 85 (198, 206); E22, (180 Ls. 1, 204). 199 Arndt, H.-J., Öffentlichkeit als Staatsersatz, ARSP 42 (1956), S. 239 (243), zieht aus der von i h m besprochenen Arbeit von Altmann, R., Das Problem der Öffentlichkeit u n d seine Bedeutung f ü r die moderne Demokratie, Diss. phil., M a r b u r g 1954, den Schluß, daß das Auftauchen des Wörtchens „sozial" i n A r t . 20 u n d 28 GG als Grundrecht empfunden werden könnte, das die T e i l nahme aller auf dem Wege der Öffentlichkeit regele. 200 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 191 f., m i t erschöpfender Klassifizier u n g der vertretenen Meinungen; Weber, W., Sozialstaat, S. 417 f., kritisiert ihre vielfache, oft n u r vordergründige Verwendung. 201 Lerche, P., Werbung u n d Verfassung, B e r l i n 1967, S. 147; Maunz-DürigHerzog, A r t . 5, Rdnr. 183. 202 Weber, W., Sozialstaat, S. 419.

84

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Diese wiederum weist die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips i n erster Linie der Gesetzgebung zu 203 . Erst wenn der grauen Zone der Sozialstaatlichkeit Konturen eingezeichnet sind 204 , und die Sozialität geprägt ist 2 0 5 , w i r d das Bekenntnis zum sozialen Rechtsstaat für den Richter justiziabel 2 0 6 und für den Bürger anspruchsbewehrt 207 . Die in besonderem Maße sozialstaatlichen Rechtsmaterien (Fürsorgerecht, Lastenausgleich) sind auch weitgehend durchnormiert, so daß das Sozialstaatsprinzip hier allenfalls noch für die Auslegung fruchtbar gemacht werden kann 2 0 8 . Soweit die Sozialstaatsklausel durch Gesetze verwirklicht wird, gelten i m übrigen die oben (2 c) skizzierten Grundsätze der Normpublizität. b) Verhaltenspflichten

für die Exekutive

Aber auch für die vollziehende Gewalt hat die Rechtsprechung aus der Sozialstaatsklausel Folgerungen gezogen, die deren eigene Publizitätsfunktion bestätigen. „ I m sozialen Rechtsstaat gehört es zu den Amtspflichten der m i t der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte nach Kräften beizustehen 200 ." Diese A n erkennung der behördlichen Betreuungspflicht als Amtspflicht i. S. v. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gegenüber dem Staatsbürger, der den daseinsvorsorgenden Staat in Anspruch nimmt, hat der Idee der Sozialstaatlichkeit faßbare Relevanz verliehen 210 . Soll der einzelne Beamte nicht nur Diener des Staates, sondern auch Helfer des Bürgers sein 211 , so muß dies auch für die dahinterstehende Behördenorganisation gelten. 203 BVerfGE 1, 97 (105); E 5, 85 (198); E 8, 274 (329); E18, 257 (273); E22, 180 (204); E 27, 253 (283). Der Gesetzgeber braucht zur V e r w i r k l i c h u n g der gerechten Sozialordnung jedoch nicht n u r behördliche Wege zu beschreiten, BVerfGE 22, 180, (204). 204

Gallwas, H.-U., Der Mißbrauch von Grundrechten, B e r l i n 1967, S. 47. Lerche, P., Übermaß, S. 277. 206 Leibholz, G., Verfassungsrecht u n d Arbeitsrecht, i n : Hueck-Leibholz, Z w e i Vorträge zum Arbeitsrecht, München 1960, S. 21 (37). 207 Eine Übersicht über den Meinungsstand zu Leistungsansprüchen aus der Sozialstaatsklausel bei Kloepfer, M., Grundrechte als Entstehenssicherung u n d Bestandsschutz, München 1970, S. 12 ff. 208 BVerfGE 1, 97 (105); Bachof, O., Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Bd. I I , Tübingen 1967, Nr. 32 (S. 39). 205

209 BGHZ, Urt. v. 5.4.1964, N J W 1965, 1226 (1227); Auskünfte eines Beamten, auch über künftige Entscheidungen oder Leistungen einer Behörde, müssen richtig, eindeutig u n d vollständig sein, BGHZ, Urt. v. 27. 4.1970, N J W 1970, 1414. 210 Zusammenfassend: Uffhausen, H., Die behördliche Betreuungspflicht i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes u n d des Bundesverwaltungsgerichts, Juristen-Jahrbuch, 4. Bd. (1963/64), Köln, S. 192—213. 211 B G H Z , N J W 1965, 1227; Pipkorn, J., Auskunftsansprüche, S. 171, 176.

I I . Das Öffentlichkeitsgebot i n den Staatsformbestimmungen

85

Die materiale Gleichheit als Richtmaß der sozialen Gerechtigkeit 212 kann nicht nur durch den Erlaß sozial motivierter Gesetze und deren Vollzug erreicht werden. Es besteht nämlich die Gefahr, daß die Adressaten derartiger Normen infolge ihres den sozialen Standard nicht erreichenden Status ihre Rechte aus Unkenntnis oder Ungeschicklichkeit nicht wahrnehmen. Der Exekutive obliegt deshalb noch vor dem eigentlichen Gesetzesvollzug eine aufklärende, auch schwierige Sachbereiche erhellende, volksnahe Informationstätigkeit, damit der Appell des Gesetzgebers zur Rechtswahrnehmung, der i n dem Erlaß des Gesetzes liegt, nicht ungehört verhallt 2 1 3 . Sie verdichtet sich zu einer Beratungspflicht, wenn der aufmerksam gemachte Staatsbürger an die Behörde herantritt. Das Sozialstaatsprinzip setzt also die Einsicht in die seiner Verwirklichung dienenden Vorgänge voraus. Insoweit ist ihm eine Publizitätsfunktion zu entnehmen 214 . Diese Aussage w i r d besonders bedeutsam für den Fall, daß die Verwaltung soziale Leistungen gewährt, ohne sich auf ein Gesetz stützen zu können. Da das Sozialstaatsprinzip vor allem in der Leistungsverwaltung eine Rolle spielt 215 , diese aber nicht streng gesetzesakzessorisch ist 2 1 6 , hatte das Bundesverfassungsgericht keinen Anlaß, auf die Sozialstaatsbindung sogenannter gesetzesfreier Verwaltung einzugehen 217 . Aber gerade in diesem Bereich entfaltet die Sozialstaatlichkeit ihre Wirkung; denn wesentlich ist, daß der vom Staat gewährte soziale Schutz für den potentiell Begünstigten völlig unsichtbar bleibt, wenn nicht die vollziehende Gewalt zur Aufdeckung der von ihr unternommenen sozialstaatlichen Aktionen gezwungen wird 2 1 8 . c)

Ergebnis

Die Sozialstaatsklausel verpflichtet den sozial tätigwerdenden Staat, sein Leistungsangebot dem berechtigten Personenkreis durch Aufklärung und Beratung nahezubringen, um so die Voraussetzungen der sozialen Gerechtigkeit zu schaffen. Publizität läßt sich deshalb in diesem Bereich als systemimmanente Notwendigkeit bezeichnen. 212

So Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 193. 213 n u i . die I n i t i a t i v e soll angeregt, nicht aber das Dispositionsrisiko abgenommen werden, Pipkorn, J., Auskunftsansprüche, S. 177. 214

Vgl. auch Pipkorn, J., Auskunftspflichten, S. 62—68. Bachof, O., Verfassungsrecht, Nr. 36 (S. 41). 218 Vgl. oben B I V 2 ; BVerfGE8, 155 (167). 217 Zacher, H. F., Gleichheit, S. 367. 218 Kaufmann, E., Grundrechte u n d Wohlfahrtsstaat, i n : Gesammelte Schriften, Bd. I, Göttingen 1960, S. 589 (595 f.), ist der Meinung, daß die Publizität der sozialen Verantwortlichkeit des Staates anstelle der fehlenden Justiziab i l i t ä t sozialer Grundrechte als Sanktion dienen könne. 215

86

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung 4. Zusammenfassung 219

Öffentlichkeit ist den staatlichen Organen unter zwei Aspekten geboten. Demokratische Publizität erklärt sich aus der legitimierenden Nähe, rechts- und sozialstaatliche Publizität aus der kalkulierbaren Distanz zwischen Staatsbürger und ausübender Staatsgewalt. I h r gemeinsamer Nenner lautet: Die Staatsformbestimmungen verpflichten die staatliche Gewalt zur Öffentlichkeit.

I I I . Person und Information Adressat jeder vom staatlichen Imperium ausgehenden Information ist der Mensch in diesem Staat. Würde die Nachricht die Schranken des Arkanbereichs nicht überspringen, verdiente sie ihren Namen nicht. Die Frage ist nur, ob dem Staat allein das Verfügungsrecht über die Kommunikation m i t dem Individuum zusteht, oder ob die Informationsvermittlung durch und vom Staat auch zu den existentiellen Anliegen des Menschen als „Bürger" gehört. Kulturpessimistische Äußerungen in Fülle, die von dessen Vermassung und Irrationalität 2 2 0 , und von der Gefährdung seiner Persönlichkeit 221 sprechen, lassen die zweite Alternative als überflüssig erscheinen. Aber gerade derartige Gefährdungen schärfen das Wertbewußtsein 222 und fordern eine Reaktion der Rechtsordnung heraus. Zu untersuchen ist deshalb: — Welches B i l d vom Menschen entwirft das Grundgesetz? — Läßt sich daraus eine Folgerung für das Kommunikationsverhältnis Mensch—Staat ableiten? 1. Die personale Wertentscheidung

a) Der Mensch als Person Der vom Grundgesetz vorausgesetzte Mensch ist weder „Robinson" 2 2 8 , noch ein „wesenloses Partikel moderner Masse" 224 , noch eine „isolierte, 219 Öffentlichkeitsgehalte der Verfassung werden auch von P. Häberle angesprochen, vgl. Öffentlichkeit u n d Verfassung, S. 273 ff.; ders.: Gemeinwohlj u d i k a t u r , insbes. S. 293 f. m. Fn. 221. 220 Damit setzt sich Scheuner, U., Das repräsentative Prinzip, S. 222 f., auseinander. 221 So Hubmann, H., Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl., K ö l n 1967, S. 1. 222 Wie es Hubmann, a.a.O., f ü r das Wissen u m die I n d i v i d u a l i t ä t feststellt. 223 Gallwas, H.-U., Mißbrauch von Grundrechten, S. 66. 224 Hesse, K , Grundzüge, § 4 (S. 49).

I I I . Person u n d Information

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fensterlose Monade" 2 2 5 . Dagegen spricht schon, daß die Bonner Verfassung an hervorragender Stelle ihre wesentliche Aussage zur Menschenwürde macht. Diese ist unantastbar, und deren Achtung und Schutz ist der staatlichen Gewalt aufgegeben, Art. 1 I GG. Damit steht die personalistische Ausrichtung der Konstitution fest, die sich für den Menschen und seine Persönlichkeit als den höchsten Rechtswert entschieden hat 2 2 6 . Diese Feststellung, w i l l sie nicht zur bloßen Deklamation absinken, entbindet jedoch nicht von der Pflicht, den Rechtsbegriff der Menschenwürde näher auszufüllen 227 . Die in der Literatur übliche negative Begriffsbestimmung vom Verletzungsvorgang her 2 2 8 , — „apokalyptische Greuelkataloge" 229 von Menschenversuchen, Ausrottung und Sklaverei 2 3 0 —, erweckt den Eindruck, daß die Menschenwürde nur die physische Existenz des Menschen betreffe. Der Begriff der Menschenwürde setzt aber voraus, daß der Mensch sich selbst bewußt werden, sich selbst bestimmen und sich und die Umwelt selbst gestalten kann 2 3 1 . Dieses Recht zur sittlichen Selbstbestimmung verbietet es, den Menschen zum bloßen Objekt herabzuwürdigen 232 . Der Mensch ist eine m i t der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte „Persönlichkeit" 233 . Daraus folgt, daß die Menschenwürde auch verletzt sein kann, wenn die geistige Selbstverantwortung beeinträchtigt würde 2 3 4 . Sicherlich könnte aus diesem Grund von einer personadäquaten Menschenwürde dann nicht mehr gesprochen werden, wenn das dem Grund225

Heller, H., Staatslehre, S. 82. Nipperdey, H. C., Die Würde des Menschen, i n : Die Grundrechte, Bd. I I , 5. 1 (9); Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 222; Hesse, K., Grundzüge, § 4 (S. 49); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 14; BVerfGE6, 32 (36); E 12, 45 (53); E 24, 119 (144); E 27, 1 (6). 227 Eine scharfe materielle Begrenzung des Begriffs ist jedoch schon wegen seiner naturrechtlichen H e r k u n f t unmöglich. Sein „Geist" beeinflußt aber die ganze Rechtsordnung; dazu Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, M ü n chen 1960, S. 139—151; Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 7 ff. 228 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 28. 229 So: Faber, H., Innere Geistesfreiheit u n d suggestive Beeinflussung, Berl i n 1968, S. 38. 230 Zippelius, R., B K , A r t 1, Rdnr. 12 ff.; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 30; v. Mangoldt-Klein, A r t . 1, Anm. I I I 5 b (S. 153 f.); Nipperdey, H. C., Würde des Menschen, S. 27. 231 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 18. 232 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 28; Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 6, 9. 233 BVerfGE 5, 85 (204); Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten i m politischen Meinungskampf, Bad H o m b u r g 1968, S. 100; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 271. 234 Der Mensch w i r d nach moderner Ansicht auch als Leib-Seele-GeistEinheit aufgefaßt, Hubmann, H., Das Menschenbild unserer Rechtsordnung, Festschrift für H. C. Nipperdey, Bd. I, München 1965, S. 37 (38) m. w. Nachw. 226

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

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gesetz unterstellte Individuum von jeder Kommunikation m i t der Umwelt abgeschnitten wäre, mag ihm dabei auch seine physische Existenz unbestritten sein. Ob eine derartige Objekterniedrigung auch dann schon vorliegt, wenn nur der Informationsaustausch m i t dem staatlichen Bereich unterbunden würde, w i r d sich erst nach einer weiteren Entfaltung der Persönlichkeitsaussage des Grundgesetzes feststellen lassen. b) Der Mensch als sozialverschränktes

Wesen

Die Verfassung gesteht dem Individuum keine schrankenlose, sondern nur eine sozial gebundene Freiheit zu, wie sich etwa aus A r t . 2 I Hs. 2, A r t . 14 I I GG und aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt 2 3 5 . „Das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum — Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten 238 ." Die Konstitution beschreitet einen Mittelweg zwischen individueller Freiheit und sozialer Bindung 2 3 7 , und entscheidet sich anstelle von Individualismus und Kollektivismus für die mittlere Linie des Personalismus 2 3 8 . Dieses Heraustreten aus der individualistischen Reserve setzt schon Art. 1 1 2 GG voraus, we .1 die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht erst durch das Einverständnis des begünstigten Menschen realisierbar gemacht werden kann 2 3 9 . c) Das Prinzip politischer

Selbst(mit)bestimmung

Setzt man das oben (a) festgestellte Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Menschen i n Bezug zu seiner Sozialverschränkung, dann ergibt sich, daß sein Selbstbestimmungsrecht auch ein Mitbestimmungsrecht in Richtung auf die Gemeinschaft und den Staat beinhalten muß 2 4 0 . Das Bundesverfassungsgericht hat dies so ausgedrückt 241 : „ U m seiner Würde w i l l e n muß ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert werden." Für den politisch-sozialen Bereich bedeute dies, daß der Einzelne i n möglichst weitem Umfang verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesamtheit mitwirke: „Der Staat hat i h m dazu den Weg zu öffnen; das geschieht in erster Linie dadurch, daß 235 Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 27. 23« BVerfGE 4,7 (15 f.); E 7, 320 (323); E 8, 274 (329); E, 12, 45 (51); E 27,1(7); E 28, 175 (189); Hubmann, H., Menschenbild, S. 53. 237

Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 99. Maunz-Dürig-H erzog, A r t . 11, Rdnr. 47; v. Mangoldt-Klein, A r t . 2, Anm. I I I 3 (S. 164 f.); Gallwas, H. U., Mißbrauch von Grundrechten, S. 68. 239 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 48; Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch v o n Grundrechten, S. 99. 240 Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch v o n Grundrechten, S. 100. 241 BVerfGE 5, 85 (204 f.). 238

I I I . Person u n d Information

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der geistige Kampf, die Auseinandersetzung der Ideen frei ist, daß mit anderen Worten geistige Freiheit gewährleistet wird." Somit steht das demokratische Prinzip politischer Selbst(mit)bestimmung m i t dem der sittlichen Selbstbestimmung, und damit der Menschenwürde, in einem inneren Zusammenhang 242 . Mitverantwortung setzt aber Mitwissen voraus. Ohne Information läßt sich nicht werten und entscheiden. Information ist deshalb ein existentielles Bedürfnis des autonomen, in seiner Freiheit i n die Gemeinschaft eingebetteten Menschen. Er erweitert so das eigene Wissen, entfaltet seine Persönlichkeit und legt Grund für seine soziale Stellung i n der Industriegesellschaft, für die der Besitz von Informationen von wesentlicher Bedeutung ist 2 4 3 . Bezieht sich die Mitverantwortung ausdrücklich auch auf die Gemeinschaft und den Staat, dann muß die Information über den begrenzenden Anderen und über den obwaltenden Staat möglich sein, um die Personalität zu realisieren. Demnach wäre der Satz von der Menschenwürde nur leere Makulatur, wenn er dem Menschen nicht dazu verhelfen könnte, dem Staat zumindest einen Grundbestand von Informationen abzuverlangen. Dieses i n Anbetracht des generalklauselartigen Charakters des Satzes von der Menschenwürde notwendig pauschale Ergebnis soll i m folgenden noch präzisiert werden. 2. Das Menschenbild des Grundgesetzes

a) Der Mensch und die Exekutive Wie alle staatliche Gewalt hat auch die Exekutive gemäß Art. 1 1 2 GG die Würde des Menschen zu achten und zu schützen 244 . Der Mensch ist nicht Objekt, sondern Subjekt des staatlichen Verfahrens; deshalb kann über ihn nicht von Amts wegen verfügt werden 245 . Daraus folgt, daß i h m das rechtliche Gehör über Art. 103 I GG hinaus unmittelbar aus A r t . 11 GG gewährt werden kann 2 4 6 , daß ihm eine Verteidigungsmöglichkeit gegen abträgliche behördliche Feststellungen gegeben werden, ja, daß ihm ein Abwehrrecht gegen behördliche Eingriffe selbst zustehen muß 2 4 7 . 242

So wörtlich: Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 6. BVerfGE 27, 71 (81 f.), m i t ausdrücklicher Bezugnahme auf A r t . 1 u n d 2 1 GG. 244 Über diese B i n d u n g der Verwaltung: Nipperdey, H. C., Würde des Menschen, S. 32 ff. 245 Hubmann, H., Menschenbild, S. 44 m. w. Nachw.; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . I I , Rdnr. 34; BVerfGE 7, 198 (205); E 27, 1 (6); BayVerfGHE 8, 52 (57). 246 Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 14; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 11, Rdnr. 36; A r t . 103, Rdnr. 92; BVerfGE 7, 275 (278 f.); E 9 , 89 (95). 247 Zippelius, R., a.a.O. 243

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

W i r d hier versucht, die Aussage des Art. 11 GG für die Beziehung Mensch—Exekutive unmittelbar auszuwerten, so darf dies nicht vergessen lassen, daß das Prinzip der Menschenwürde nur die oberste Leitlinie abgeben kann, während die den Eigenwert des Menschen verkörpernden Rechte vor allem in den Grundrechten näher ausgestaltet sind 248 . Festzuhalten bleibt aber, daß als Rechtfertigungsgrund des Staates nur gelten kann, daß der Staat um des Menschen willen, nicht aber der Mensch um des Staates willen da sei 249 . Diese Erkenntnis, gemünzt auf das Publizitätsgebaren der vollziehenden Gewalt, ist in ihrer praktischen Bedeutung nicht zu unterschätzen, schließt sie doch grundsätzlich jedes Geheimverhalten aus, (wenn sich nicht höherwertige Gegengründe finden lassen). b) Das Bild vom „Bürger" Läßt sich bisher das B i l d des Menschen i m Rahmen des Grundgesetzes als das einer autonomen, sozialverschränkten Person zeichnen, so bleibt die Frage, ob es nicht gerade im Blick auf die grundsätzliche Informationsleistungspflicht des Staates retuschiert werden muß. W i r d hier nicht nur der „verantwortende Bürger" 2 5 0 , „der einigermaßen intelligente und interessierte Bürger" 2 5 1 und „der bewußte Bürger" 2 5 2 angesprochen, weil nur er Informationen aufnehmen und verwerten kann? Derartigen Tendenzen steht jedoch schon Art. 3 I GG als unüberwindliche Schranke entgegen. Auch die Verankerung des „gleichen" Wahlrechts in Art. 38 I GG erlaubt eine rechtliche Differenzierung i n bezug auf die Informationskapazität des Menschen nicht. „Bürger" 2 5 3 ist nur die zutreffende Charakterisierung des vom Grundgesetz gewollten Menschenbildes, in Abgrenzung zu dem des isolierten staatsfremden 248 Nipperdey, H. C., Würde des Menschen, S. 15, meint deshalb, daß A r t . 1 1 GG allein n u r dann anzuwenden ist, w e n n die Persönlichkeit des Menschen nicht anderweitig i n Grundrechten konkretisiert ist; Zippelius, R., B K , A r t . 1, Rdnr. 33; vgl. auch Pipkorn, J., Auskunftspflichten, S. 50 f.; siehe unten I V . 249 Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 97 ff.; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 271 f. 250 Dieser soll L e i t b i l d für den Soldaten sein, Lerche, P., Grundrechte der Soldaten, i n : Die Grundrechte, IV/1, hrsg. v. Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Berlin 1960, S. 447 (450). 251 Davon spricht Friedrich, C. J., Verfassungsstaat, S. 58, bei der Analyse der Öffentlichkeit der Bürokratie. 252 Gastroph, C.-F., Die politischen Vereinigungen, B e r l i n 1970, S. 52 (Fn. 4), w i l l das Wort „Bürger" so verstanden wissen u n d sonst n u r von „Staatsmitglied" sprechen. 253 Smend, R., Bürger u n d Bourgeois, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 309 ff., hat diesen Begriff i n seinem politischen Bezug herausgearbeitet, i h n jedoch gleichzeitig als „Beruf" bezeichnet u n d damit die Gefahr einer Pflichtbindung heraufbeschworen.

I I I . Person u n d Information

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Individuums 2 5 4 ; diese Bezeichnung verträgt kein weiteres qualifizierendes Epitheton. Es mag zwar richtig sein, daß sich der Staatsbürger i m Status des Laien befindet, der die Staatsgeschäfte nicht mehr übersieht und sie deshalb dem Fachmann überläßt 255 . Und es mag stimmen, daß das B i l d des „homo politicus" nur idealtypisch ist 2 5 8 , und die Einsichtsfähigkeit und der Beteiligungswille des Menschen abgenommen haben. Die Demokratie aber nimmt das Risiko, das in dem Vertrauen auf die Urteilskraft und die A k t i v i t ä t des Bürgers liegt, in Kauf 2 5 7 . Das Wagnis mildern können nur erzieherische Bemühungen 258 , die u. U. auch die Form des staatlichen Informationsverhaltens bestimmen. Nach dem Maßstab des Grundgesetzes soll der Mensch jedenfalls nicht „Untertan" 2 5 9 , sondern „Bürger" sein, — nicht mehr und auch nicht weniger—! Richtmaß und Zielpunkt der Rechtsordnung ist das notwendig fragmentarische Durchschnittsbild des billig und gerecht Denkenden, das von jedem akzeptiert werden kann 2 6 0 , und dessen politische Mündigkeit unterstellt wird 2 6 1 . c) Ergebnis Das Grundgesetz hat sich i n einer personalen Wertentscheidung für das Menschenbild des eigenverantwortlichen, sozialverschränkten Bürgers entschieden. Die Würde des Menschen wäre getroffen, wenn der Staat durch sein Publizitätsverhalten die Mitverantwortlichkeit des Bürgers verkümmern ließe. 254

Scheuner, U., Rechtsstaat, S. 489. Forsthoff, E., Strukturwandlungen der modernen Demokratie, B e r l i n 1964, S. 24; Höfstätter, P., i n : Das Frankfurter Publizitätsgespräch, hrsg. v. C. H. Barz u. a., F r a n k f u r t 1962, S. 79, nennt die Überforderung des K o m m u nikationsempfängers das „Gegenthema der Publizität". Die unvermeidliche Außerachtlassung von Informationsmöglichkeiten führe zu schlechtem Gewissen — „Escape from freedom" — und zu immer weitergehender Delegat i o n von Entscheidungsbefugnissen. 255

256

Ellwein, T., Politische Verhaltenslehre, Stuttgart 1964, S. 222; vgl. andererseits Dahrendorf, R., A k t i v e u n d passive Öffentlichkeit, i n : Das Publikum, hrsg. v. M. Löffler, München 1969, S. 1 (5): „Nichtteilnahme (ist) innerhalb gewisser Grenzen nicht n u r tragbar, sondern geradezu wünschenswert." 257 BVerfGE20, 56 (103); Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 299, spricht m i t Recht v o m „Vertrauen i n die individuelle Spontaneität". 258 Darauf w i r d es sogar entscheidend ankommen: Scheuner, U., Regierungssystem, S. 638. Gesteigerte Aufklärungsschwierigkeiten infolge der K o m pliziertheit der Probleme haben gesteigerte Anforderungen an die A u f klärungspflicht zur Folge, Schneider, P., Pressefreiheit, S. 103; vgl. auch Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung, DÖV 1969, 193 (195). 259 Arndt, A., Landesverrat, S. 37; Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 92 f. 260 Hubmann, H., Menschenbild, S. 54 f. 861 Ridder, H., Grundgesetz, Notstand u n d politisches Strafrecht, F r a n k f u r t 1965, S. 25.

92

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

IV. Die Grundrechte als Basis des Offentlichkeitsgebots Wenn der Grundrechtskatalog der Verfassung die Grundlage für das Öffentlichkeitsgebot abgeben soll, setzt dies gedanklich voraus, daß die Grundrechte nicht nur isolierte Einzelgarantien darstellen, sondern i m Zusammenhang bestimmte Aussagen über das Gesamtsystem der Verfassung zulassen (unten 1). Weiterhin müssen die Grundrechte mehr sein als reine Defensivrechte gegen den Staat, sonst können sie nicht „aggressiv" eingesetzt werden, um den Staat zu einem spezifizierten Verhalten (der „Öffentlichkeit") zu zwingen. Diese Frage soll für die Grundrechte der Meinungsäußerungsfreiheit (2), der Informationsfreiheit (3), der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (4), für das Petitions- (5) und das Widerstandsrecht (6) untersucht werden. 1. Das Grundgesetz als Wertsystem

M i t der Entscheidung für das sozialverschränkte Menschenbild hat sich das Bundesverfassungsgericht 282 erstmals zu einem Wertsystem innerhalb des Grundgesetzes und zu einer Wertabstufung unter den Grundrechten bekannt 2 6 3 . Die allgemeine Wertordnung der Verfassung sieht das Gericht u. a. in der oben skizzierten Würde des Menschen, i m allgemeinen Gleichheitssatz 264 , in der Freiheit des Menschen 285 , aber auch i m Rechts- und Sozialstaatsprinzip 288 verkörpert. Dieses Wertsystem gilt für alle Bereiche; also empfangen sowohl Gesetzgebung als auch Verwaltung und Rechtsprechung von ihm Richtlinien und Impulse 287 . I n der objektiven Wert Ordnung des Grundrechtsabschnitts kommt außerdem eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck 288 . Das Bundesverfassungsgericht hat diese Ergebnisse aus einer Zusammenschau von Grundrechten gefunden, indem es etwa das wertgebundene Menschenbild aus Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG herausdestillierte 289 .

262

BVerfGE 4, 7 (15 f.); auch E 5, 85 (139); E 7,198 (205); E 21, 362 (369, 372); E 24, 119 (144). 203 Dazu Maunz, T., Staatsrecht, § 9 I I 5 (S. 51 f.); Maunz-Dürig-Herzog, Art. 11, Rdnr. 6—12; gegen die Wertordnungslehre vor allem: Forsthoff, E., Z u r Problematik der Verfassungsauslegung, Stuttgart 1961, passim; kritisch auch Lerche, P., Werbung, S. 32; Hesse, K., Grundzüge, § 9 I I I (S. 126 f.). 264 BVerfGE 4, 219 (246); E 9, 338 (349); E 10, 234 (246). 265 BVerfGE 10, 59 (81). 266

BVerfGE 6, 32 (41); dazu bereits oben 112, 3. 267 BVerfGE 7, 198 (205); E21, 362 (372); speziell für Verwaltungsbehörden: E 19, 394 (396). 268 BVerfGE 7, 198 (205); v. Mangoldt-Klein, Vorbem. B I V 4 (S. 93). 269

BVerfGE 4, 7 (16).

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

93

Z u s a m m e n g e f a ß t e r g i b t dies:

— Die Grundrechte sind nicht nur Punktualregelungen m i t speziellem Schutzbereich; — ihre Gesamtbetrachtung läßt u. U. bestimmte Wertakzente der Verfassung erkennen; — diese wirken auf das einzelne Grundrecht zurück und verstärken es; — die Wertakzente binden die staatliche Gewalt. Die Frage spitzt sich also darauf zu, ob „Öffentlichkeit staatlichen Handelns" ein Wertaspekt der Verfassungsordnung sein kann, der sich aus den Grundrechten entnehmen läßt. 2. Die

Meinungsäußerungsfreiheit

Die Grundrechte sollen nach ihrer historischen Entwicklung der Schutzwall für die Freiheit des Individuums vor staatlichen Eingriffen sein 270 . Auch heute werden sie in erster Linie 2 7 1 oder ausschließlich 272 als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden. a) Die Meinungsäußerungsfreiheit

als Freiheitsrecht

Auch die Meinungsäußerungsfreiheit (MF), die in A r t . 5 1 1 GG verankert ist, muß primär in ihrer klassischen Freiheitsfunktion gesehen werden. Sie wurde dem Individuum in stetem Kampf gegen die Meinungsdiktatur von mittelalterlicher Kirche, absolutistischem oder totalitärem Staat errungen 273 . I n ihrer speziellen Erscheinungsform der Pressefreiheit w i r d sie außerhalb Deutschlands erstmals i n Section 12 der „ b i l l of rights" von Virginia (12. Juni 1776) positiv verankert: „ T h a t the freedom of the press is one of the great bulwarks of liberty, and can never be restrained but by despotic governments 2 7 4 ." 270 v. Mangoldt-Klein, Vorbem. A I I I (S. 70 f.); Smend, R., Bürger u n d Bourgeois, Abhandlungen, S. 312; Huber, E., Bedeutungswandel der Grundrechte, AÖR23 (1933), S. 1 ff. (10); Jellinek, G., System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1919, S. 95. 271 BVerfGE 7, 198 (204 f.); E13, 318 (325 f.); E21, 362 (369); v. MangoldtKlein, Vorbem. A l l 3 a (S. 59); Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von G r u n d rechten, S. 86 m. w. Nachw.; Maunz, T., Staatsrecht, §14 l i l a (S. 94); Hesse, K., Grundzüge, § 9 I I 2 a (S. 120). 272 Forsthoff, E., Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, V V D S t R L 12, B e r l i n 1954, S. 8 (18). 273 Stein, E., Lehrbuch des Staatsrechts, Tübingen 1968, § 1 9 1 (S. 118 f.); Hellwig, A r t . 118: Meinungsfreiheit, Zensur, i n : Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, B e r l i n 1930, S. 1—10; Reisnecker, H., Das Grundrecht der Meinungsfreiheit u n d die Schranken der allgemeinen Gesetze i m Sinne des A r t . 5 Abs. I I GG, Diss. München 1960, S. 17—44. 274 Zit. nach Voigt, A., Geschichte der Grundrechte, Stuttgart 1948, S. 194.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Diese Formulierung macht die Abwehrhaltung zum Staat besonders deutlich 275 . M i t A r t . 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 w i r d eine allgemeine Kommunikationsfreiheit garantiert 2 7 6 , die Freiheit von Meinungsempfang und Meinungsäußerung umfaßt: „ L a libre communication des pensées et des opinions est u n des droits les plus précieux de l'homme; . . . 2 7 7 . "

I n Deutschland setzen sich die Grundrechte, wie auch die Idee der Meinungsfreiheit, wesentlich langsamer durch, wenn auch angeregt durch das französische Verfassungsrecht 278 . Der Entwurf der Reichsverfassung vom 28. März 1849 verankert in § 143 erstmals ein einheitliches Grundrecht der Meinungsfreiheit: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Bild, Druck u n d b i l d liche Darstellung seine Meinung zu äußern 2 7 9 ."

Durch die Freistellung der Presse von staatlichen Eingriffen i n § 143 I I der RV 1849 w i r d auch hier die Abwehrrichtung gegen den Staat erkennbar. Nachdem in die RV 1871 keine Grundrechte aufgenommen wurden, ist die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 die erste gültige deutsche Verfassung, welche die M F garantiert (Art. 118). „(I) Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, B i l d oder i n sonstiger Weise frei zu äußern. . . . " „ ( I I ) Eine Zensur findet nicht statt . . . "

Der klassischen deutschen Staatsrechtslehre und ihrer vorwiegend liberalen Grundhaltung entsprechend, wurde auch Art. 118 WRV als Freiheitsrecht des Einzelnen gegen den Staat angesehen 280 . Das Grundrecht konnte seinen Zweick nicht erreichen: Art. 118 WRV wurde auf Grund des Notverordnungsrechts des A r t . 48 I I WRV ab 1930 wiederholt und weitgehend außer Kraft gesetzt 281 . Schon kurz nach der nationalsoziali275 Allgem. zur amerikanischen Entwicklung: Reisnecker, H., Meinungsfreiheit, S. 25; Wohland, W., Informationsfreiheit u n d politische F i l m kontrolle, B e r l i n 1968, S. 40. 276 Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 40 f.; Schwark, E., Der Begriff der „Allgemeinen Gesetze" i n A r t i k e l 5 Absatz 2 des Grundgesetzes, B e r l i n 1970, S. 30 f. 277 Zit. nach Voigt, A., Geschichte der Grundrechte, S. 197; vgl. auch Reisnecker, H., Meinungsfreiheit, S. 26 ff. 278 Hellwig, A r t . 118 WRV, S.6; Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 41 ff.; Reisnecker, H., Meinungsfreiheit, S. 29ff. 279 Zit. nach Voigt, A., Geschichte der Grundrechte, S. 207. 280 Häntzschel, K , Das Recht der freien Meinungsäußerung, HbDStR, Bd. 2, Tübingen 1932, S. 651 (652); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 3 m. w . Nachw. i n Fn. 1; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 44. 281 Dazu Anschütz, G., Reichsverfassung, Vorbem. zu A r t . 118 (S. 550).

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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stischen Machtergreifung erging schließlich auf dem gleichen Wege am 28. 2.1933 die „Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat", welche als wichtigstes Individualrecht die M F beseitigte 282 . So konnten die Grundrechte i m 3. Reich nur Zeichen der Ohnmacht gegenüber der Staatsmacht sein. Die Verankerung der M F i m Grundgesetz unter Verwendung der erprobten Formulierung des Art. 118 W R V 2 8 3 war demgegenüber ein deutlicher Niederschlag des Unrechtsstaats des Dritten Reiches 284 . U m den Meinungsterror eines Diktators zu verhindern, richtet sich deshalb auch heute die M F i n erster Linie als Defensivrecht gegen die staatliche Gewalt 2 8 5 . Seinen Freiheitsraum, den „status negativus" 286 , kann der Bürger durch Unterlassungsansprüche gegen obrigkeitliche Eingriffe verteidigen 287 . „Dem Staatsmitglied kommt ein Status zu, in dem er Herr ist, eine staatsfreie, das Imperium verneinende Sphäre" (G. Jellinek 288). Für den Staat wiederum ist die Betätigung der Freiheit rechtlich irrelevant, die für ihn demzufolge keinen Ertrag abwerfen kann 2 8 9 . Diese strikte Trennung hätte zur Folge, daß die Grundrechtsausübung nicht über den Privatbereich hinausreichte und nichts über das Publizitätsverhalten der staatlichen Gewalt aussagen könnte. Es begegnet jedoch Bedenken, wenn das Verhältnis Bürger—Staat so nur negativ bestimmt ist. Dieses einseitige Grundrechtsverständnis zieht die Staatsverneinung durch den Bürger nach sich. I n einer Demokratie ist es eine beunruhigende Vorstellung, wenn der Freiheitsraum des Bürgers für das Imperium völlig brachliegt 290 , insbesondere wenn die M F nicht eine geschützte Ausstrahlung auf die Gemeinschaft haben soll.

282 Voigt, A., Geschichte der Grundrechte, S. 158 ff.; Reisnecker, H., M e i nungsfreiheit, S. 35 f. 288 v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I 2 (S. 235). 284 Schick, W., Bonner Grundgesetz u n d Weimarer Verfassung — heute, AöR 94 (1969), S. 353 (373); Wernicke, K., B K , A r t . 5, Anm. I I 1 c. 285 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 3; v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, A n m . I I 3, 7 (S. 236 ff.); Maunz, T., Staatsrecht, § 15 I V 3 a (S. 118); Hesse, K., G r u n d züge, § 12 I 5 (S. 158); Stein, E., Staatsrecht, § 19 I (S. 116 f.). 288 Jellinek, G., System, S. 87. 287 Schon Georg Jellinek ging davon aus, daß das subjektive öffentliche Recht nicht m i t dem Status identisch sei, sondern sich erst aus i h m ergebe, a.a.O., S. 83 f. Würde man beides gleichsetzen, hätte dies eine uferlose Ausdehnung des subjektiven öffentlichen Rechts zur Folge; der Status ist durch ein Bündel „normativer Enthaltungspflichten" umrissen u n d erzeugt bestenfalls bei Verletzung subjektive Rechte, so Rupp, H. H., Grundfragen, S. 162 ff. 288 Jellinek, G., System, S. 87. 289 Jellinek, G., System, S. 104; Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von G r u n d rechten, S. 87. 290 Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 88, 91.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

b) Die Mitwirkungsfunktion Von der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung w i r d die M F nicht mehr nur als „ G r e n z r e c h t s o n d e r n auch als „Grundrecht" i m buchstäblichen Sinn für die staatliche Gemeinschaft verstanden. Genau betrachtet gibt schon die Lehre Georg Jellineks zum System der subjektiven öffentlichen Rechte dem Einzelnen die Chance des Hinübergreifens in die transindividuelle Rechtssphäre 291 . Für den Fall der vom Staat anerkannten Kongruenz von Gemeininteresse und Individualinteresse soll der Staat das Individuum zum positiv berechtigten Staatsmitglied machen und ihm Ansprüche an seine Tätigkeit verleihen (den „status positivus") 292 . Ist diese Betätigung des Einzelnen für den Staat auch schon nicht mehr rechtlich irrelevant, wie die des „status negativus", so richtet sie sich aber immer noch gegen den Staat als Verpflichteten. Ganz aufgehoben ist der Widerspruch erst i m Zustand der „aktiven Zivität", wenn der Einzelne als „Staatsorgan" für den Staat tätig wird 2 9 3 . Dieses vorbehaltlose Handeln des Individuums für das Kollektiv sieht Jellinek allerdings nur in der Ausübung des Wahlrechts gegeben 294 . Alle anderen Manifestationen der Persönlichkeit, d. h. auch Meinungsäußerungen, bleiben i n die Zone der Staatsverneinung verbannt. aa) Das Ende der Staatsverneinung Die Bedingungen dieser Theorie sind jedoch entfallen. I n der Demokratie erkennen die Bürger den Staat weder als gottgegeben an, noch ignorieren sie seine Wirkungsweise 295 . Die politische Leitung des Volkes beruht allein auf ihrem legitimierenden Willen 2 9 6 . Aus der pluralistischen Vielheit bildet sich die nationale Einheit. Sinnbild der integrierenden Verknüpfung von individuellem Eigeninteresse zu kollektivem Gesamtinteresse sind die politischen Parteien 297 . Der autonome, sozialverantwortliche Bürger des Grundgesetzes hat seine M i t w i r k u n g am Gemeinwesen nicht auf den Wahlakt zu beschränken, sondern er macht i n Beruf, Gruppe und Verband seinen Einfluß auf die Gemeinschaft geltend. Dies ist ein A k t der Selbsterhaltung, denn der gute Glaube, der Staat werde aus einer sittlichen Verpflichtung heraus seine Macht291 Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 93; Rupp, H. H., Grundfragen, S. 265. 292 Jellinek, G., System, S. 87,114 f. 293 Jellinek, G., System, S. 87, 139 ff.; vgl. BVerfGE8, 104 (114): „status activus" ist die Teilnahme des Bürgers als Glied des Staatsvolkes bei der Ausübung von Staatsgewalt. 294 Jellinek, G., System, S. 159 ff. 295 Denninger, E., Rechtsperson u n d Solidarität, F r a n k f u r t 1967, S. 291. 298 Scheuner, U., Pressefreiheit, V V D S t R L 2 2 , B e r l i n 1963, 1 (30); Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 150. 297 Randelzhof er, A., Parteienrecht, S. 534.

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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Position nicht mißbrauchen, ist durch die Erfahrungen totalitärer Übergriffe widerlegt worden 2 9 8 . Andererseits hat der leistende Wohlfahrtsstaat das Prinzip der Nichtbeeinflussung der privaten Sphäre i m liberalen Rechtsstaat weitgehend beiseite geschoben und den Menschen zum Schutzobjekt staatlicher Fürsorge gemacht 299 . Die strikte Trennung und Gegenüberstellung von privater Gesellschaft und politischem Staat gehört also der Vergangenheit an 300 . Daraus folgt, daß auch die Meinungsäußerungen des Bürgers nicht rundweg als private, unmaßgebliche Stellungnahmen abqualifiziert werden dürfen. Rudolf Smend hat diese Situation scharf kritisiert und einen Lösungsweg aufgezeigt. Er geißelt den „bürgerlichen" Rechtsstaat als ein „System unpolitischer Abwehr und Distanzierung eines innerlich unpolitischen und staatsfremden Bürgertums gegenüber dem Staat" 3 0 1 und stellt sein dynamisches Modell des Integrationsprozesses dagegen: „Der Staat ist nur, weil und sofern er sich dauernd integriert, in und aus den Einzelnen aufbaut.. ." 3 0 2 . „Der S i n n . . . ist die immer neue Herstellung der Lebenstotalität des Staates, und die Verfassung ist die gesetzliche Normierung einzelner Seiten dieses Prozesses 303." Zum integrierenden Sachgehalt der Verfassung gehören deshalb die Grundrechte 304 . Speziell die Meinungsäußerungsfreiheit (des A r t . 118 WRV) sei zunächst ein „Stück sittlich notwendiger Lebensluft für den einzelnen, die Wahrheit sagen zu dürfen", sie habe aber auch einen sozialen, gruppenbildenden Charakter als „besonders wichtiges M i t t e l zur A n regung des Gemeingeistes jeder A r t " 3 0 5 . Smends behutsame „liberaldemokratische Umbildung" 3 0 8 des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit weist auch den Weg für die Auslegung von Art. 5 1 1 GG. 298

Denninger, E., Rechtsperson, S. 292 f. Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 99; Maunz-DürigHerzog, A r t . 11, Rdnr. 43 f.; Denninger, E., Rechtsperson, S. 293; Hesse, K., Grundzüge, §111 (S. 5 ff.); ders.: Parteien, S. 45; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 150, 191 ff., 268 ff. 300 Die Trennung von Staat u n d Gesellschaft w i r d zunehmend i n Frage gestellt. F ü r ihre Kongruenz treten u. a. ein: Ehmke, H., Staat u n d Gesellschaft, S. 23 ff.; Haberle, P., Unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung unter dem Grundgesetz, JuS 1967, 64 (66f.); Scheuner, U., Pressefreiheit, S.30; Hesse, K , Grundzüge, § 1 I I (S. 5 ff.). Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 149 ff., insbes. S. 152 ff., hat jedoch überzeugend nachgewiesen, daß nicht n u r zwischen der Gesellschaft u n d der i m „Staat" geeinten Nation, sondern auch zwischen der Gesellschaft u n d dem „Staat" als juristischer Person zu unterscheiden ist. I h r Verhältnis muß jedoch unter dem Aspekt demokratischer Konnexität neu gesehen werden. 301 Smend, R., Bürger u n d Bourgeois, Abhandlungen, S. 314. 302 Smend, R., Verfassung u n d Verfassungsrecht, Abhandlungen, S. 138. 303 Smend, R., a.a.O., S. 189. 301 Smend, R , a.a.O., S. 260 ff., 264 f. 305 Smend, R., Das Recht der freien Meinungsäußerung, Abhandlungen, S. 89 (95 f.). 299

7 Jerschke

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

bb) Die Meinungsäußerungsfreiheit als Kommunikationsrecht Die Rechtsprechung hat den Bedeutungszuwachs des Grundrechts anerkannt und seine Mitwirkungsfunktion deutlich herausgestellt. Unter Berufung auf Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 (obena) meint das Bundesverfassungsgericht 307 , das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft sei eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. „Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt.. . 3 0 8 ." Jedem Staatsbürger ist durch A r t . 5 1 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion über Gegenstände von allgemeinem Interesse und staatspolitischer Bedeutung teilzunehmen 809 . Der besondere Wertgehalt dieses Rechts führt zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede namentlich i m öffentlichen Leben 310 . Sogar der öffentliche Boykottaufruf w i r d geschützt, wenn er auf geistigen Argumenten beruht 3 1 1 . Dieses Ergebnis bestätigt sich durch eine einfache Überlegung. Die M F ist ein „kommunizierendes Recht". Die Meinungsäußerung wäre sinnlos, wenn sie nicht den rezipierenden Partner fände. Die einsame Rede in einem menschenleeren Hochtal hat mit „Meinungsäußerung" nichts zu tun, weil das Echo nur von kahlen Wänden, aber nicht von mitdenkenden Menschen kommt 3 1 2 . Die M F schützt die interpersonale Kommunikation 31S, da die Freiheit der Meinungsverbreitung geschützt ist, und so eine Vielzahl von Menschen zur Reaktion auf die eigene 306

Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, München 1967, S. 180. BVerfGE 7, 198 (208). 3os BVerfGE 7, 198 (208); E 5, 85 (134, 199, 205 f.); E 12, 113 (125); E 20, 56 (97). 309 BVerfGE 12, 113 (125); E 25, 256 (265); hierzu Haberle, P., Gemeinwohlj u d i k a t u r , S. 113 f., 294. 307

310

BVerfGE 28, 55 (63). BVerfGE 25, 256 (264 f.); B V e r w G E 32, 217 (220 f.); O L G K ö l n , Urt. v. 21.10.1969, N J W 1970, 1322 (1324 1. Sp.). Eine kritische Analyse dieser Rechtsprechung bei Lerche, P., Zur verfassungsrechtlichen Deutung der Meinungsfreiheit, i n : Festschrift für G. Müller, Tübingen 1970, S. 197 (200 ff., 214 f.). 312 Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 248. 313 Die Kommunikationswissenschaft unterscheidet weiterhin Gruppen-, kategoriale, Massen-, aber auch intrapersonale Kommunikationssysteme, vgl. den Überblick i m dtv-Wörterbuch zur Publizistik, hrsg. v. K . Koszyk und K . H. Pruys, München 1969, S. 190 ff. Die M F setzt zwar den intrapersonalen Kommunikationsprozeß voraus („Meinungsbildung"), schützt ausdrücklich aber n u r die Entäußerung der Meinung, also das Ingangsetzen eines interpersonalen Prozesses. Zu einseitig daher Schneider, P., Pressefreiheit, S. 23 (die M F ermögliche einen ungehinderten „intraindividuellen Meinungsbildungs- u n d Kommunikationsprozeß"). 311

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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Meinungsäußerung aufgefordert werden kann 3 1 4 . Durch A r t . 5 1 1 GG w i r d ein „Kommunikationsrecht" garantiert 3 1 5 . Ist die Ansprache eines korrespondierenden Gegenüber die notwendige Ergänzung zur Meinungsäußerung, so ist kein Grund ersichtlich, den Staat als „Echolot" auszunehmen. Die Kontaktrichtung der Meinungsäußerung kann auch auf den Staat gerichtet sein 316 . cc) Der „status publicus" Demnach erscheint das Grundrecht nicht nur als „trennender Vorbehalt gegenüber dem Staat, sondern als verbindende Beziehung zu ihm" 3 1 7 . Die Freiheit ist „lebendige Anteilnahme am Ganzen, M i t gestaltung und Mitverantwortung" 3 1 8 . A r t . 5 I GG schafft die Voraussetzungen für den Bürger, damit dieser „ i m demokratischen Sinne verantwortlich handeln" 3 1 9 kann, und gewährleistet einen verfassungsverbürgten Raum für das „ Bürgergespräch in öffentlichen Angelegenheiten" 3 2 0 . Diese Formulierungen signalisieren die heute überwiegende Auffassung, daß die M F infolge der Funktionsausweitung 321 als Abwehrrecht gegen den Staat wie auch als Mitwirkungsrecht für den Staat aufzufassen sei 322 . Die Statuslehre von G. Jellinek ist also insoweit den verfassungsmäßigen Gegebenheiten anzupassen, als zum abschirmen314 Noltenius, J., Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft u n d das Zensurverbot des Grundgesetzes, Göttingen 1958, S. 92; Kimminich, O., Die Freiheit, nicht zu hören, Staat 3 (1964), S. 61 (72). Die K o m m u n i k a t i o n kann, aber muß nicht zur Gruppenbildung führen, Ramm, T., Die Freiheit der Willensbildung, Stuttgart 1961, S. 107 (Fn. 24). Der „soziale, gruppenbildende Charakter des Grundrechts" (Smend) ist n u r Ausdruck einer möglichen, nicht einer notwendigen Folge. 315 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 58; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 96. 316 Es ist jedoch zu betonen, daß diese Zielprojektion n u r eine Möglichkeit, nicht aber konstituierendes M e r k m a l der Grundrechtsbetätigung ist; zum Begriff der „Meinung" näher unten E I I 2 b. 317 Smend, R., Bürger u n d Bourgeois, Abhandlungen, S. 318. 318 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 20. 319 BVerfGE 27, 71 (81 f.). 320 Schüle, A., i n Schüle-Huber, Persönlichkeitsschutz u n d Pressefreiheit, Tübingen 1961, S. 26. 321 Scheidle, G., Das Widerstandsrecht, B e r l i n 1969, S. 101. Dieser Begriff ist treffender als der von Scholler verwendete der „Umfunktionierung" (Person u n d Öffentlichkeit, S. 176, 212 ff., 236 ff.), w e i l er die A b w e h r f u n k t i o n des Grundrechts nicht i n Vergessenheit geraten läßt. 322 Umfassend: Schmitt-Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 98 bis 114; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 5 ff., passim; Häberle, P., Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz, Karlsruhe 1962, S. 17 bis 20; Hesse, K., Grundzüge, § 1 2 1 5 (S. 158); Bäumlin, R., A r t . Rechtsstaat, i n : Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart 1966, Sp. 1734 (1742); Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 81 f.; allein als Abwehrrecht w i r d die M F v o n Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 97 f., gesehen.

7*

100

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

den „status negativus", dem fordernden „status positivus" und dem staatsorganschaftlich berechtigenden „status activus", der mit der Gemeinschaft und dem Staat korrespondierende „status publicus" des Bürgers kommt 3 2 3 ' 3 2 4 . dd) Die Realisierung des Mitwirkungsrechts Fraglich ist aber, ob die Ausübung des Mitwirkungsrechts auch ein bestimmtes Verhalten der staatlichen Gewalt erfordert; nur dann ergibt sich aus dieser Seite des Grundrechts möglicherweise die Verpflichtung der Staatsorgane zur Öffentlichkeit. Ein Vergleich mit dem „status negativus" und dem „status positivus" läßt keinen Hinweis erkennen, weil sich die Rechte hieraus ausdrücklich gegen den Staat richten, während der „status publicus" eine M i t w i r k u n g am Staat, also ein Handeln für den Staat besorgt. Insoweit vergleichbar, ja sogar weitergehend, ist das Recht des „status activus", das letzten Endes ein „Handeln als Staat" bedeutet; aus diesem Grund w i r d es auch zutreffend als „Gestaltungsrecht" bezeichnet 325 , weil der Wahlakt eine unmittelbare Rechtsänderung herbeiführt. Diese Konsequenz kann für den „status publicus" nicht gezogen werden, dessen Betätigung nicht rechtlich kanalisiert, sondern nur auf tatsächliche Einflüsse jenseits der Privatsphäre gerichtet ist. Aber auch hier steht der Gestaltungszweck i m Vordergrund: der öffentliche Einsatz des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit für den Staat. Man kann deshalb von einer parallelen Ausrichtung von „status publicus" und „status activus" sprechen 326 . 328

A r t . 5 1 1 GG bezieht sich jedoch nicht auf die Teilhabe an der Staatswillensbildung. Deshalb gewährt er auch dem Bürger keinen Anspruch darauf, sich bei einer amtlichen Befragung zu äußern, die dem Parlament unterbreitet w i r d , BVerfGE 8, 104 (Ls. 2—6); E 8, 42 (Ls. 1). 324 Die für dieses Phänomen vorgeschlagenen Bezeichnungen sind vielfältig. Schmitt-Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 98, hält die Benennung „status activus politicus" für adäquat. Sie verwischt jedoch die Unterscheidung der M i t w i r k u n g s f u n k t i o n zum Handeln als „Staatsorgan", die i m Grundgesetz auf Wahlen u n d Abstimmungen beschränkt ist, A r t . 20 I I 2 GG. Die Einordnung als „status politicus", die auch Ridder, H., Gewerkschaften, S. 29 (Fn. 57 a); ders.: A r t . Meinungsfreiheit, i n : Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl., 5. Bd., Freiburg 1960, Sp. 647 (651), v o r n i m m t , beschwert diese Seite der Grundrechtsausübung m i t dem schwer definierbaren Maßstab des Politischen. Außerdem hat der „status politicus" i n der christlichen Lehre von den drei Ständen seinen eigenen Standort, vgl. Smend, R., Bürger und Bourgeois, Abhandlungen, S. 316 f. Die Kennzeichnung „status publicus" als Hinweis auf das Überschreiten der Privatsphäre erscheint deshalb als angemessen, vgl. Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 82. 325 Ennecerus-Nipperdey, Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts, 1/1, 15. Aufl., Tübingen 1959, § 73 I 3 e (S. 442); vgl. auch Schmitt-Glaeser, Mißbrauch von Grundrechten, S. 113 m. Fn. 186. 328 Diese Grundrechtsfunktionen sichern also die Teilnahme des Bürgers a m öffentlichen Leben, vgl. Kimminich, O., Die Freiheit, nicht zu hören, S. 72 (allerdings für den „status activus" allgemein).

IV. Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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Aber gerade das „Handeln für den Staat" in der aktiven Zivität bringt auch Pflichten des Staates mit sich: Er hat den Wahlakt (technisch) zu unterstützen bzw. nicht zu hindern 3 2 7 . Dieser Anspruch richtet sich als Annexrecht zum „status activus" gegen den Staat. I n gleicher Weise muß der Bürger zur Realisierung seines Mitwirkungsrechts vom Staat unterstützt werden. Diese Hilfe besteht i n einem bestimmten Publizitätsverhalten der staatlichen Gewalt, wenn die Ausübung der M F den Empfang von staatlichen Informationen als Realisationsfaktor voraussetzt. Es ist also zu prüfen, ob die M F den Empfang von Informationen i n ihren Schutzbereich einbezieht. c) Informationsempfang

als Voraussetzung der MF

Der Informationsempfang steht am Anfang und am Ende der Kommunikationskette 328: — Der Bürger erhält oder beschafft sich Informationen und bildet unter deren Verwendung seine eigene Meinung (Informationsempfang des Kommunikators); — der Kommunikationspartner emprängt diese Meinung, nachdem sich der Kommunikator durch Äußerung oder Verbreitung ihrer entledigt hat (Informationsempfang des Rezipienten). Aus der Betrachtung ausscheiden kann sofort die zweite Alternative, weil sie nichts über die Meinungsbildung des Grundrechtsträgers aussagt, sondern sie als bereits vollzogen voraussetzt 329 . Wenn A r t . 5 1 1 GG

327 z. B. durch Bereitstellung der Wahllokale; vgl. schon Jellinek, G., System, S. 161. 328 Windsheimer, H., Information, S. 120. 329 M i t fast stereotyper Regelmäßigkeit w i r d betont, daß das Recht der Meinungsäußerung u n d das Recht des Meinungsempfangs zusammengehören, u.a. Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 249; Kimminich, O., Die Freiheit, nicht zu hören, S. 71; Ramm, T., Willensbildung, S. 106; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 96. Es ist deshalb von aktiver u n d passiver M F die Rede, vgl. Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 312 (Fn. 146), unter Hinweis auf v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I I 2 (S. 239). Dem ist zuzustimmen, w e n n damit der Kommunikationscharakter des Grundrechts betont w i r d . U m M i ß verständnisse auszuschließen, ist jedoch darauf hinzuweisen, daß nach w i e v o r n u r der Meinungsgeber (und nicht der Rezipient) Bezugsperson bleibt. „Der Schutz w i r d allein den Äußernden u m ihrer Meinungsfreiheit w i l l e n gewährt" (so richtig BVerfGE 27, 71, 81). Der K o m m u n i k a t o r k a n n „sich-hörenlassen" (Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 59), n u r insoweit ist seine M F passiv zu verstehen. Die Informationsfreiheit des Rezipienten (gleichzeitig als neuem Meinungsbilder) ist deshalb nicht überflüssig, vgl. Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 131 (Fn. 1). Falsch: Geiger, W., Die Grundrechte der Informationsfreiheit, i n : Festschrift f ü r A . A r n d t , Frankfurt 1969, S. 119 (124), der auch den Gesprächspartner durch die M F geschützt sehen w i l l . Vgl. zu dieser Problematik Kloepfer, M., Grundrechte, S. 59.

102

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

expressis verbis nur die Meinungsäußerung und -Verbreitung und dam i t die Wahl des Kommunikationspartners schützt 330 , so darf dies nicht vergessen lassen, daß dieses Grundrecht primär von der Wahl des Kommunikationsthemas her 3 3 1 , d. h. auf der Ebene der Meinungsbildung des Meinungsgebers konzipiert ist. aa) Meinung als Reaktion auf Information Damit beschäftigt sich die oben genannte erste Alternative des Informationsempfangs. Nun kann man Kommunikationsthemen wählen, ohne auf Informationen angewiesen zu sein, indem man etwa Vorurteile, Hypothesen oder Spekulationen äußert 332 . Eine verantwortliche Meinungsbildung, „deren Ziel es ist, beim einzelnen Staatsbürger eine den Kern der Dinge möglichst treffende Meinung herauszudestillieren", ist aber ohne Information nicht möglich 333 . Meinungen sind als Ergebnis eines rationalen Denkvorganges aufzufassen 334 , der wiederum eine vollgültige Vergleichs- und Abwägungsbasis voraussetzt 335 . „Denn nur umfassende Informationen, für die durch ausreichende Informationsquellen Sorge getragen wird, ermöglichen eine freie Meinungsbildung und -äußerung für den Einzelnen wje für die Gemeinschaft 338 ." Meinung ist Reaktion auf Information. Damit gewinnt das „Werden" einer Meinung erhebliches verfassungsrechtliches Gewicht 337 . bb) Realisationsfaktor: Publizität der Staatsgewalt Wenn die mitverantwortliche Meinungsäußerung des Staatsbürgers i n Angelegenheiten der staatlichen Gemeinschaft durch A r t . 5 11 GG geschützt ist, dann setzt dies die prinzipiell unbegrenzte Information über staatliche Angelegenheiten, d. h. die Öffentlichkeit aller staatlichen 330 Dies deshalb, w e i l das Grundrecht resonanzbezogen ist, Lerche, P., Grundrechte der Soldaten, S. 469; ders.: Werbung, S. 86 f. 331 Luhmann, N., Grundrechte als Institution, B e r l i n 1965, S. 99; Kloepfer, M., Grundrechte, S. 60 f. 332 Vgl. Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 121. 383 So Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 82; auch Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 122. 834 Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 248. 835 Schmitt-Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 106; vgl. BVerfGE20, 162 (174): „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen u n d gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben." säe BVerfGE 27, 71 (81). 337 Kloepfer, M., Grundrechte, S. 57 f.; deutlich v. Gamm, O.-F., Persönlichkeits- u n d Ehrverletzungen durch Massenmedien, München 1969, S. 8 (Rdnr. 10 f.), der als (eigene) Meinung das Ergebnis der auf einer bestimmten Informationsgrundlage beruhenden Denktätigkeit ansieht. Die i n A r t . 5 1 1 GG verwendete Reihenfolge der Grundrechte trifft deshalb auch nicht den K e r n der Dinge, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 82.

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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Gewalt voraus, um die einschlägigen Tatsachen zu einer eigenen fundierten, prononcierten Meinungsäußerung „ i n rebus publicis" verarbeiten zu können 338 . Das Recht zur Meinungsäußerung wäre ein „nudum ius", wenn dem Staatsbürger nicht die erforderlichen Informationen zur Verfügung stünden. Eine bloße „Informationsfreundlichkeit" der Staatsgewalt genügt hier nicht; die Staatsorgane trifft eine konkrete Informationspflicht über grundsätzlich alle internen Vorgänge 339 . Die Universalität dieses Gebots ergibt sich daraus, daß sonst die mitwirkende Meinungsäußerung des Bürgers auf bestimmte, vom Staat ausgewählte Kommunikationsthemen beschränkt wäre. Damit ist allerdings noch nichts über Form und Grenzen des staatlichen Öffentlichkeitsgebots gesagt. Aus dem repräsentativen Charakter der Verfassung (oben C H I ) läßt sich aber bereits folgern, daß die unmittelbare Öffentlichkeit (wie etwa die Parlamentsöffentlichkeit) nicht Grundform der Informationserteilung ist, und daß die Erfüllung der Staatsaufgaben auch sachgerechte Einschränkungen der Informationspflicht zulassen kann 3 4 0 . Der Empfang von staatlichen Informationen ist jedenfalls Realisationsfaktor des „status publicus" i m Rahmen der MF. d) Nur Empfangsfreiheit

als Annex

zum „status

publicus"

Würde man die oben (b, dd) gezogene Analogie zum „status activus" konsequent fortführen, bedeutete dies, daß die Informationsabgabe des Staates mittels eines Annexrechts zum „status publicus" auch durch den einzelnen Bürger erzwingbar wäre 3 4 1 . Dies hätte ein „Durchgriffsrecht" des Grundrechtsträgers gegenüber der Staatsgewalt zur Folge; ein Minister könnte etwa durch einen Staatsbürger auf Erteilung einer politischen Information verklagt werden. Dieser Schluß unterliegt jedoch Bedenken. Beim Vergleich zwischen der öffentlichen und der aktiven Zivität muß beachtet werden, daß 338

a.a.O.

I m gleichen Sinne: Schmitt-Glaeser,

W., Mißbrauch von Grundrechten,

339 Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 89, entwickelt aus dem Prozeß der öffentlichen Meinungs- u n d Willensbildung (Art. 5, 21 GG) eine Pflicht des Staates zur Offenbarung von „relevanten Hauptfakten". Wer aber soll entscheiden, welche Fakten „relevant" sind? Erstens birgt jedes F a k t u m die potentielle Relevanz i n sich, u n d zweitens besteht die Gefahr der Informationsmanipulation, w e n n der Staat darüber befindet. 340 Z u den Grenzen des Öffentlichkeitsgebots unten D U , zur F o r m seiner E r f ü l l u n g unten D I I I 3. 341 Z u einem ähnlichen Ergebnis k o m m t jetzt Kloepfer, M., Grundrechte, S. 58, ohne allerdings seine Prämissen anhand der M F zu erproben, w e i l er sogleich auf die I F als „Entsprechungsrecht" übergeht (S. 58 ff.). I m m e r h i n spricht der A u t o r von einem Informationsanspruch als „sachverhaltsermöglichendem Grundrechtsvoraussetzungsschutz", der das Grundrecht erst v e r vollkommnet (S. 18 m. Fn. 79, S. 57 f.).

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

letztere den singulären A k t der Wahl betrifft. Die Ansprüche (etwa auf die organisatorische Durchführung der Wahl) können zwar von allen Bürgern gegen den Staat gerichtet werden; da sie aber nur wenige, rein „technische" Vorgänge erfassen, sind die Annexrechte des „status activus" i n sich beschränkt. Anders beim „status publicus": Gerade in A n betracht der Universalität der Informationen wäre die Anspruchszuweisung an die Staatsbürger ein überbrandender Quell von verschiedenartigen Informationsforderungen. Diese Konsequenz zu ziehen, verbietet sich schon wegen des Mangels inhaltlicher Konturen 3 4 2 , den die M F in dieser Hinsicht aufweist. Aus Art. 5 1 1 GG kann nicht mehr entnommen werden, als daß die Mitwirkungsfunktion der MF die Information über die Aktivitäten staatlicher Gewalten voraussetzt, und daß der Empfang diesbezüglicher Informationen i m Rahmen des „status publicus" gesichert ist. Wenn aber schon die M F die Freiheit der Entgegennahme von Informationen impliziert, so entsteht das Problem des Verhältnisses dieser „Empfangsfreiheit" zur ausdrücklich gewährleisteten Informationsfreiheit (IF) in A r t . 5 I 1 Hs. 2 GG. Hat diese nur deklaratorische Bedeutung oder kommt ihr ein eigenes Gewicht zu? e) Das Verhältnis

von Empfangs- und Informationsfreiheit

Es sind Kongruenz bzw. Differenz der beiden Freiheiten zu prüfen: — Ein Unterschied könnte darin bestehen, daß die M F die Entgegennahme von Meinungen, die I F das Aufsuchen von Tatsachen zum Gegenstand hätte 3 4 3 . Selbst für den Fall der restriktiven Interpretation des Art. 5 1 1 GG (nur „Meinungsäußerungen", keine „Tatsachen" 344 ), greift diese Differenzierung nicht durch. Auch Meinungsbildung erfordert Tatsachenverarbeitung 345 . Dürfte man nur andere Meinungen zu seinen eigenen Überlegungen benutzen, bliebe die M F ein steriles Recht. Aus dem gleichen Grund darf die I F auch nicht auf das Aufspüren von Tatsachen beschränkt bleiben 348 .

342 M i t dieser Begründung lehnt Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 121, einen direkten Anspruch des Bürgers aus der I F ab. 345 So Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 124. 344 Dazu unten E I I 2 b. 345 Schneider, F., Presse- u n d Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, München 1962, S. 22 f. 348 v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. V 4 (S. 243); Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 312; Ramm, T., Willensbildung, S. 65 (Fn. 28); Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 113f.; vgl. A r t . 13 HessVerf.: „Jedermann hat das Recht, sich auf allen Gebieten des Wissens u n d der Erfahrung sowie über die Meinung a n d e r e r . . . frei zu unterrichten."

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

105

— Eine Differenz könnte in der Intensität der Informationsaufnahme gesehen werden: Die M F schützt die Empfangnahme von her ankommenden Informationen, die IF das aktive Ausgehen auf Informationen 347 . Zur I F hat das Bundesverfassungsgericht 348 zutreffend entschieden, daß sie auch die schlichte Entgegennahme von Informationen umgreife, insbesondere, weil eine „Unterrichtung" auch aus Quellen möglich sei, die ohne Zutun des Empfängers in seinen Wahrnehmungsbereich gelangten. Gebietet der Schutzzweck der I F die Verbürgung von jeglicher A r t der Nachrichtenrezeption, so ist dies bei der M F nicht der Fall. Der Informationsempfang ist zwar ihre wesentliche, aber nicht ihre ausdrückliche Voraussetzung; deshalb kann ihr nur ein Minimum von Schutz entnommen werden. Überdies spricht die spezielle Verankerung der I F i m Grundgesetz dafür, daß die Gewährleistung der Informationsbeschaffung nunmehr von dieser übernommen wurde. Die I F geht noch i n zwei anderen, entscheidenden Punkten weiter, welche sie von der Wahrnehmungsfunktion der M F abheben. — Die Rezeption von Informationen i m Rahmen der I F kann aus reinem Selbstzweck erfolgen 349 , ohne Rücksicht darauf, ob, wann und wozu das Grundrechtssubjekt sie verwendet; ja sogar der menschliche Spieltrieb w i r d als Motiv der Informationsaktivität geschützt 350 . Währenddessen gehört zur M F stets die Mittel-Zweck-Relation: Informationsempfang zwecks Meinungsbildung mit nachfolgender Meinungsäußerung. Der Schutz der I F ist also umfassender, weil er dem Grundrechtsträger nicht die Verwendung der von ihm aufgenommenen Informationen vorschreibt. Gerade die zunächst ziellose Sammlung von Informationen m i t nachfolgender Selektion 3 5 1 ist ein wichtiger Grundtatbestand menschlichen Verhaltens. I h m w i r d durch die I F Rechnung getragen. — Darüber hinaus legt die I F die Unterrichtungsmöglichkeit „aus allgemein zugänglichen Quellen" fest. Auch mit dieser Zielbereichsbestimmung gibt der Verfassunggeber zu erkennen, daß er die I F

347 „Freiheit der Informationsbeschaffung", so Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 312 (Fn. 145); vgl. auch Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 124. I n diesem Sinne auch A r t . 19 der A l l g . E r k l ä r u n g der Menschenrechte v o m 10.12.1948, i n der die Tätigkeiten ..to receive" und „to seek information" unterschieden werden, vgl. Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 30 (Fn. 13), S. 52 (voller Textabdruck). 348 BVerfGE 27, 71 (82 f.). 349 So auch Windsheimer, H., Information, S. 75, 121 f. 350 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 86. 351 Das BVerfGE 27, 71 (83), betont gerade diesen Aspekt des Auswählenkönnens als T e i l der IF.

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

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mit eigenem Gewicht ausstatten will. Deshalb steht die I F in der grundgesetzlichen Ordnung gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit 352 . Ist die I F also ein eigenständiges Recht, so folgt daraus weiter, daß der materielle Schutzkern der zweckbestimmten Informationsrezeption, der eigentlich schon i n der M F enthalten ist 3 3 3 , mit Einführung der I F von dieser bestätigt, abgesichert und ausgestaltet wurde. f) Ergebnis A r t . 5 1 1 GG ist nicht nur ein Abwehrrecht gegen den Staat, sondern schützt auch Meinungsäußerungen „für den Staat". Die Realisierung dieses „status publicus" ist von der grundsätzlichen Publizität staatlicher A k t i v i t ä t abhängig. Der Empfang daraus entspringender Informationen zur Bildung und Äußerung einer eigenen Meinung ist materiell bereits durch die M F gesichert, w i r d aber von der I F bekräftigt und eigenständig ausgeformt. 3. Die Informationsfreiheit

Die bisherigen Überlegungen hatten einen Wertakzent „Öffentlichkeit staatlichen Handelns" zum Ergebnis, um den Staatsbürger in seiner Wirkung auf die Außenwelt (Meinungsäußerung) zu unterstützen. Dieser Gedankengang kann für die I F nicht herangezogen werden. „Das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten" (Art. 5 11 Hs. 2 GG) ist deutlich ein rezeptives Recht 354 , d. h., es schützt die Aufnahme von Impulsen aus der Außenwelt in die Innenwelt des Menschen, ohne eine Aussage über deren weitere Verwendung zu machen. Dieses innengerichtete Grundrecht kann deshalb für die gegebene Fragestellung nur eine Aussage erbringen, wenn sich aus seinem Text oder dem grundrechtlichen Zusammenhang, in dem es steht, ergibt, daß es dem Bürger zu Nachrichten aus dem staatlichen Leben und damit zu qualitativ hervorgehobenen Informationen verhelfen will. Entscheidend w i r d es dabei auf die Auslegung der Wendung „aus allgemein zugäng352

BVerfGE 27, 71 (81); E27, 104 (108 f.); E28, 175 (188); B G H S t 23, 208 (210 f.). 353 Das ergibt sich auch daraus, daß der Begriff „Informationsfreiheit" überhaupt erst seit 1945 existiert, vgl. Rudolf, W., Informationsfreiheit und Rundfunk i m Völkerrecht, JIR, Bd. 5 (1955), S. 256 (260), u n d als Grundrecht erstmals i m GG v. 23.5.1949 auftauchte. Der Informationsempfang wäre ansonsten vorher v ö l l i g schutzlos gewesen. Vgl. auch BGHSt 23, 64 (70): „ . . . das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, das auch das Recht auf Informationsfreiheit einschließt." 354 Wohland f W., Informationsfreiheit, S. 30, bezeichnet die I F als „ i n t r o vertiert".

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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liehen Quellen" ankommen. Nur wenn der Grundrechtsträger Quantität oder Qualität der „Quellen" beeinflussen kann, lassen sich aus ihnen bestimmte (hier staatsgetragene) Informationen entnehmen. a) Recht auf Eröffnung

staatlicher

Informationsquellen?

Zur Auslegung dieser Klausel zuallererst ihre Entstehungsgeschichte heranzuziehen 355 , ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die I F erst nach dem 2. Weltkrieg als Novum in den deutschen Verfassungen auftauchte 356 . Das Grundrecht w i r d auch allenthalben als „neuartig" bezeichnet 357 . Es ist eine geschichtlich bedingte Reaktion auf die totalitäre Staatspraxis vor 1945, die u. a. das Abhörverbot ausländischer Sender verfügte 358 . Nach A r t . 712 des Entwurfs von Herrenchiemsee waren deshalb zunächst auch ausdrücklich „Beschränkungen des Rundfunkempfangs und des Bezugs von Druckerzeugnissen" verboten 359 . Die Erwähnung dieser Informationsmittel wurde aber schließlich ganz fallengelassen und durch den Ausdruck „allgemein zugängliche Quellen" ersetzt, um den Schutz des Grundgesetzes umfassend zu gewähren 360 . Aus diesen wenigen historischen Hinweisen geht bereits eindeutig hervor, daß die I F i n erster Linie ein Abwehrrecht gegen jede staatliche Beeinträchtigung der individuellen Unterrichtung aus nichtstaatlichen Informationsträgern, namentlich von Massenkommunikationsmitteln 3 6 1 , darstellt. Die Erwähnung der „allgemein zugänglichen Quellen" wäre demnach nur eine bekräftigende Bestätigung von an sich schon gegebenen Informationsmöglichkeiten. Der Staatsbürger hätte gegenüber der Staatsgewalt weder einen Einfluß auf ihre Installierung, noch auf den Inhalt der ihnen zu entnehmenden Informationen. Wenn noch dazu behauptet wird, besagte Formel drücke nur aus, daß vom 355

So auch BVerfGE 27, 71 (80, 84). Dem GG voraus gingen etwa A r t . 11 Verf. des ehem. Landes W ü r t t e m berg-Baden v. 28.11.1946; A r t . 13 Hess Verf. v. 1.12.1946; A r t . 1 1 2 I I B V v. 2.12.1946. 357 Windsheimer, H., Information, S. 67 m. ausf. Nachw. i n Fn. 18—22; einen internationalen Überblick gibt Rudolf, W., Informationsfreiheit u n d Rundfunk i m Völkerrecht, S. 256 ff. V o r allem die Bemühungen der U N auf diesem Sektor sind beachtlich, vgl. dazu Schwelb, E., Neue Etappen der Fortentwicklung des Völkerrechts durch die Vereinten Nationen, ArchVR 13 (1966/67), S. 1 (23 f.); zur Geschichte auch Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 28—69. 358 Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 29; Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 275; v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. V 1 (S. 241), jew. m. w . Nachw.; B V e r f GE 27, 71 (80, 84). 359 v. Doemming-Füßlein-Matz, JöR 1 (1951), S. 79. 360 Vgl. die Ausführungen des Abg. Dr. Heuß, JöR 1, S. 80; Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 65 ff. 361 z.B. Rundfunk: BVerfGE 12, 205 (260); E15, 288 (293); oder Zeitung: BVerfGE21, 271 (291); E27, 71 (78ff.); E27, 88 (98ff.). 358

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

S t a a t k e i n e r l e i I n f o r m a t i o n e n z u e r h a l t e n seien 3 6 2 , d a n n w ü r d e sich eine weitere Untersuchung i m vorliegenden Zusammenhang erübrigen. L e t z t e r e A u f f a s s u n g l ä ß t sich jedoch i n dieser F o r m n i c h t h a l t e n . E i n e I n f o r m a t i o n s q u e l l e ist a l l g e m e i n zugänglich, w e n n sie „technisch geeignet u n d b e s t i m m t ist, der A l l g e m e i n h e i t , d. h. e i n e m i n d i v i d u e l l n i c h t b e s t i m m b a r e n Personenkreis, I n f o r m a t i o n e n zu v e r s c h a f f e n " 3 6 3 . Das bedeutet, daß sich die A l l g e m e i n z u g ä n g l i c h k e i t der N a c h r i c h t e n q u e l l e a l l e i n nach der s u b j e k t i v e n B e s t i m m u n g d u r c h d e n U r h e b e r u n d der daraus f o l g e n d e n o b j e k t i v e n Tatsachenlage r i c h t e t 3 6 4 . D e r T r ä g e r der I F k a n n sich also d a r a u f b e r u f e n , daß der Staat die gegebenen I n f o r m a t i o n s q u e l l e n i m n i c h t s t a a t l i c h e n B e r e i c h h i n n i m m t b z w . n i c h t bee i n t r ä c h t i g t 3 6 5 . D a r a u s , daß n u r der U r h e b e r die Q u a l i t ä t eines Nachr i c h t e n m i t t e l s festlegt, f o l g t aber gleichzeitig, daß auch der S t a a t — w i e j e d e r P r i v a t m a n n — die seinem E i n f l u ß u n t e r l i e g e n d e n I n s t i t u t i o n e n der a l l g e m e i n e n Z u g ä n g l i c h k e i t eröffnen d a r f 3 6 6 . Das Grundgesetz

362 So von Wenkebach, H., Die vorbeugende Einziehung verfassungsfeindlicher Schriften, N J W 1962, 2094 (2095). 363 BVerfGE 27, 71 (83); Maunz-Diirig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 90—93; Lerche, P., A r t . Informationsfreiheit, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 785 (786). Die Gegenmeinung (u. a. Hamann, A., Das Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Neuwied 1960, A r t . 5, Anm. B 5), die Allgemeinzugänglichkeit werde maßgebend von Hoheitsakten beeinflußt, ist abzulehnen, w e i l so dem Staat das Informationsmaterial zustünde, BVerfG, a.a.O., S. 84; Maunz-Diirig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 89; jetzt auch Hamann, A. jr., u n d H . L e n z , GG, A r t . 5, Anm. B 5 (S. 186); Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 99. 384 Die I F erfaßt also nicht n u r „Äußerungen", sondern alles, was sich wahrnehmbar vollzieht; so m i t Recht Windsheimer, H., Information, S. 133; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 87. Andererseits sprengt die I F nicht die i m „Verfassungstext angelegte Schranke" der allgemeinen Zugänglichkeit, w e i l sie als „Entsprechungsrecht" zur M F auch die Entgegennahme von vertraulichen Äußerungen schützen müsse (so Kloepfer, M., Grundrechte, S. 60); hier handelt es sich n u r u m eine Modalität der Meinungsverbreitung, die allein vom Grundrecht des Kommunikators gedeckt w i r d . Sonst würde die I F zu einem „Recht auf Vertraulichkeit", das den Verbreitungswillen des Urhebers überspielt. 365 Beispiel i n BVerfGE 21, 271 (291): Die Kontrolle u n d Genehmigung von i n deutschen Zeitungen publizierten Stellenangeboten f ü r das Ausland durch die örtlichen Arbeitsämter verletzt die Informationsmöglichkeiten der i n ländischen Arbeitnehmer; vgl. dazu auch Löffler, M., Das Zensurverbot der Verfassung, N J W 1969,2225 (2226). Auch ein Verbot der Auflagensteigerung v o n Presseerzeugnissen über bestimmte Grenzen hinaus wäre als Verkürzung des Rechts auf Information verfassungswidrig, Kübler, F., und S.Simitis, Presse und Wettbewerb, JZ 1969, 445 (449); Forsthoff, E., Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, Frankfurt 1969, S. 64; Bachof, O., i n : Pressefreiheit, E n t w u r f eines Gesetzes zum Schutze freier Meinungsbildung u n d Dokumentation des Arbeitskreises Pressefreiheit, hrsg. v. H. Armbruster u. a., Berlin 1970, S. 11(12); Denninger, E., u n d F.-W. Beye, Arbeitskreis PF, S. 25(32); Heinze, C., Meinungsfreiheit u n d Demonstrationsfreiheit, DVB1. 1970, 716 (723); a. A. Roellecke, G., Die Garantie der Pressefreiheit u n d Maßnahmen gegen Pressekonzentration, B B 1968, 1437 (1441).

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

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schützt also sehr wohl die Unterrichtungsfreiheit auch aus staatlichen Quellen. Die Bedeutung dieser Tatsache für den Informationspetenten hängt allerdings allein von der freiwilligen Leistung der staatlichen Gewalt ab —, zumindest wenn man nur die Aussage der I F heranzieht. Weil allein der „Absender" die Qualifizierung der Nachrichtenquelle i n der Hand hat, ist der Grundrechtsträger auf den jeweiligen status quo der Informationsversorgung angewiesen 387 . Nach Art. 5 1 1 Hs. 2 GG hat weder der Staat die Pflicht 388 , noch der Bürger das Recht 389 zur Eröffnung neuer Informationsquellen. Trotz Beschränkung auf das vorhandene Informationsangebot, umfaßt die I F allerdings dann die eigene Entscheidung darüber, aus welchen Quellen sich der Bürger informieren w i l l 3 7 0 . b) Einfluß auf die Qualität der Quellen Ist der Befund insoweit negativ, so w i r d dennoch behauptet, daß der Schwerpunkt des neuen Grundrechts i m Bereich des Politischen, des öffentlichen liege 371 . Die „allgemein zugänglichen Quellen" müßten ihrerseits aus anderen Quellen gespeist werden; die Verfassungsvorschrift stelle eine Aufforderung an den Gesetzgeber und auch unmittelbar an die Behörden dar, den Nachrichtenorganisationen großzügig und wohlwollend Auskunft zu erteilen 372 . Diese Betrachtungsweise betont die politische Funktion der I F 3 7 3 und rückt die Mittler Stellung der Massenmedien in das Blickfeld. Das Grundrecht w i r d als „Brückenrecht" zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit des Einzelnen und der Pressefreiheit (Art. 512 GG) bezeichnet 374 . Ohne 366 z. B. öffentliche Bibliotheken u n d Archive, vgl. Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 113 m. w. Nachw.; aber auch i n der näheren Z u k u n f t öffentliche Datenbanken, dazu Podlech, A., Verfassungsrechtliche Probleme öffentlicher Datenbanken, DÖV 1970, 473 (474). 367 Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 30; Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 126. 368 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 101, erwägen jedoch eine Pflicht des Staates zur Errichtung oder I n i t i i e r u n g von Informationsquellen, w e n n auf andere Weise eine möglichst objektive Information seiner Staatsbürger nicht sichergestellt ist. 369 v. Mangoldt-Klein, Art. 5, Anm. V 2 (S. 241); Löffler, M., Der Informationsanspruch der Presse und des Rundfunks, N J W 1964, 2277 f.; HamannLenz, GG, A r t . 5, A n m . B 5 (S. 187). 370 BVerfGE 15, 288 (295); Hucko, E., Z u m Informationsrecht des U n t e r suchungshäftlings, M D R 1969, 531. 371 Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 124. 372 So zuerst Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 276. 373 V o r allem Wohland, W., Informationsfreiheit, insbes. S. 72 ff., 112 ff., bemüht sich u m den Nachweis einer „politischen Informationsfreiheit". Auch BVerfGE 27, 71 (81) stellt den Bezug zum demokratischen Prinzip des A r t . 20 I GG her. 374 Lerche, P., Informationsfreiheit, Sp. 786.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

daß die Funktion der Pressefreiheit als „passiver Informationsfreiheit" 3 7 5 an dieser Stelle schon aufgezeigt zu werden braucht 376 , läßt sich dieses Ergebnis aus den vorangegangenen Überlegungen bestätigen. Wie nachgewiesen, hat der Verfassunggeber m i t dem Terminus „allgemein zugängliche Quellen" primär die Unterrichtung aus den nach den historischen Erfahrungen besonders gefährdeten Massenmedien sichern wollen. Damit ist von Verfassungs wegen anerkannt, daß der Staatsbürger seinen Informationsbedarf in erster Linie aus diesen Quellen stillt 3 7 7 . Obwohl sich aus der isolierten Betrachtung der I F kein Hinweis darauf ergab, daß sie dem Individuum ein Recht auf Informationsträger bestimmter A r t (etwa politisch-staatsbezogenen Charakters) vermitteln wollte, so folgt dies aus dem Zusammenhang mit der M F (oben 2). W i l l der Staatsbürger i m „status publicus" tätig werden, so ist er auf Informationen über die staatliche A k t i v i t ä t angewiesen, deren Offenlegung deshalb auch von der M F vorausgesetzt wird. Geht er auf die Erlangung derartiger Informationen aus, so darf dieses Bemühen nicht sinnlos sein 378 . Wenn das Recht, sich zu unterrichten, auf allgemein zugängliche Quellen ausgerichtet ist, müssen zumindest die Quellen ausreichendes Material zu seiner Meinungsbildung enthalten. Aus dem verfassungsrechtlichen Kontext resultiert also, daß der Grundrechtsträger unter Berufung auf die ihm zustehende Informationsfreiheit vom Staat zwar nicht die Eröffnung neuer allgemein zugänglicher Informationsquellen verlangen kann; aber er hat ein Recht darauf, daß der Staat den Informationsgehalt der bestehenden Quellen „ i n Sachen rei publicae" nicht unter den Mindeststandard staatsbürgerlicher Bedürfnisse sinken läßt. Oder anders ausgedrückt: Der Staat muß die ihm aus der M F gebotene Öffentlichkeit über die allgemein zugänglichen Quellen dem Staatsbürger vermitteln. c) Ergebnis Das Grundrecht der IF ist einmal ein Abwehrrecht gegen jede Beeinträchtigung individueller Informationsbemühungen gegen den Staat. 375 So v. d. Heydte, F. A., Demokratie und Meinungsmonopol, i n : Festgabe für G. Küchenhoff, Göttingen 1967, S. 35 (37), aus der Sicht des Zeitungslesers. M i t anderem Sinn: Kemper, G. H., Pressefreiheit u n d Polizei, Berlin 1964, S. 33 (Leistungsanspruch der Presse gegen den Staat, informiert zu werden). 376 Dazu unten E I I I 2 b. 377 Deutlich i n BVerfGE27, 71 (81), wo auf „umfassende Informationen" durch „ausreichende Informationsquellen" zum Zwecke der freien Meinungsbildung u n d -äußerung für den Einzelnen w i e für die Gemeinschaft Wert gelegt w i r d . 378 Aus der I F ergibt sich also zumindest, daß es nicht i n das Belieben der staatlichen Organe gestellt ist, die Presse zu unterrichten, Hesse, K., Grundzüge, § 12 I 5 (S. 159).

IV. Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

111

I m übrigen konkretisiert es die bereits der M F vorgegebene Öffentlichkeit der staatlichen Gewalt dahingehend, daß sie dem Staatsbürger durch die allgemein zugänglichen Quellen zu vermitteln ist. 4. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Der verfassungsrechtliche Schutz dieser beiden Grundformen kollektiver menschlicher Betätigung gibt auf ein neues zu erkennen, daß die Verfassung den gemeinschaftsverbundenen Menschen voraussetzt und bestätigt. Die Bürger dieses Staates sollen sich zu gemeinsamer Grundrechtsausübung in Versammlungen und Vereinigungen zusammenfinden können, ohne durch die Staatsgewalt in ihrer demonstrativen Teilnahme gestört zu werden. Diese soziologisch verwandten Gebilde 379 bergen Chancen wie Gefahren in sich: Gefahren, weil sie durch geschickte Manipulatoren zum Hort unbeherrschbarer Massenpsychosen gemacht werden können 380 , und Chancen, weil „die Bündelung der Kräfte" durch organisierte Grundrechtsausübung der Aussage der einzelnen Staatsbürger Nachdruck zu verleihen vermag 381 . Nach dem heutigen Verständnis garantieren die angesprochenen Grundfreiheiten 3 8 2 einmal klassische individuelle Freiheitsrechte als Gewährleistungen eines vom Staat unbehinderten kollektiven Handelns 383 . Zum anderen ist ihre „demokratische" Funktion hervorzuheben 384 . Wegen ihrer engen Verbindung m i t Art. 5 GG werden sie als „kollektive Erscheinungsformen der Meinungsfreiheit" bezeichnet 385 . Diesem Zusammenhang soll kurz nachgegangen werden. a) Die Versammlungsfreiheit Schon die Einberufung und Leitung einer Versammlung und die Beteiligung an ihr stellen eine konkludente Meinungsäußerung dar 3 8 8 . 379 Füßlein, R. W., Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, i n : Die G r u n d rechte I I , S. 425 (426); vgl. auch v. Mangoldt-Klein, A r t . 8, Anm. I I 2 b (S. 300 f.). 380 Vgl. Stein, E., Staatsrecht § 2 2 1 (S. 136): zum 3. Reich. 381 I n diesem Sinn Gastroph, C.-F., Die politischen Vereinigungen, insbes. S. 71—75. Die Frage, ob das Grundgesetz den Umschlag von Demonstration i n A k t i o n rechtfertigt, w i r d unterschiedlich beantwortet; ablehnend Heinze, C., Meinungsfreiheit u n d Demonstrationsfreiheit, S. 718 f. 382 v. Münch, I., B K , A r t . 8, Rdnr. 11. 383 v. Münch, I., B K , A r t . 8, Rdnr. 11; ders.: B K , A r t . 9, Rdnr. 19 m. w. Nachweisen. 384 Statt aller Mallmann, W., A r t . Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, i n : Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl., 8. Bd., Freiburg 1963, Sp. 106 (107 ff.). 385 So Maunz, T., Staatsrecht, § 1 5 I V 5 (S. 120f.); Leisner, W., A r t . V e r sammlungsfreiheit, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 2372 (2373); zustimmend: v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I 2 a (S. 300). 388 H i e r wollen Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 8, Rdnr. 29, i m Wege der Gesetzeskonkurrenz dem Schutz des A r t . 8 GG den Vorrang geben.

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C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Wichtiger aber sind die während der Versammlung geäußerten Meinungen, die so einem größeren Personenkreis zugehen, u. U. Widerspruch erregen und Grundlage für eine Diskussion bilden 3 8 7 . Daraus w i r d die Folgerung gezogen, daß nur Versammlungen geschützt sind, die der öffentlichen Meinungsbildung dienen 388 . Mehren sich auch die Stimmen, die zusätzlich die gemeinschaftliche Behandlung privater A n gelegenheiten gewährleisten wollen 3 8 9 , so gilt es für die vorliegende Fragestellung, den demokratischen Aspekt i m Auge zu behalten. Die grundrechtliche Aktivität im Kollektiv w i r d ausdrücklich geschützt. Dies läßt den Schluß zu, daß auch die Betätigung für das Kollektiv gewollt ist. Denn wer sich aus der Vereinzelung i n einen größeren Kreis begibt, entwickelt i n der Regel auch Aufmerksamkeit für sein Gegenüber und für das Ganze. Die Mitwirkung w i r d zur Mitverantwortung. Aus dem Interesse für die spontane Versammlung erwächst die A u f geschlossenheit für die immerwährende Gemeinschaft. Die Versammlungsfreiheit ist also ein Recht, das die Kommunikationsthemen des Individuums auf das Gemeinwesen ausrichtet; darin liegt seine eminente Bedeutung, auch für den Staat. b) Die Vereinigungsfreiheit Die Vereinigungen helfen die K l u f t zwischen dem Einzelnen und dem Staat zu überbrücken und damit Demokratie zu verwirklichen 3 9 0 . Wie Art. 8 GG ist auch Art. 9 GG als Komplementär gar antie zur Meinungsäußerungsfreiheit anzusehen, welche im organisierten Kollektiv Austausch und Konfrontation von Meinungen ermöglicht 391 . Die Vereinigungsfreiheit ist „eine konsequente Fortbildung des Rechts der freien 387 Dennoch ist A r t . 8 GG nicht n u r ein Unterfall von A r t . 5 1 GG, Füßlein, R. W., Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, S. 449; die Selbständigkeit von beiden Grundrechten w i r d i m Wege der „Idealkonkurrenz" gewährt; dazu Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 35—37; A r t . 8, Rdnr. 29—32. „ A r t . 8 schützt den Vorgang des kollektiven Meinungsempfangs, der kollektiven Meinungskundgabe u n d der kollektiven Meinungsbildung", so Hoffmann,W., Inhalt u n d Grenzen der Demonstrationsfreiheit nach dem Grundgesetz, JuS 1967, 393 (397). 388 Füßlein, R. W., Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, S. 443, 445; Leisner, W., Versammlungsfreiheit, Sp. 2372, unter ausdrücklicher Betonung, daß öffentliche Angelegenheiten nicht n u r politische umfassen; Hesse, K., G r u n d züge, § 12 I 7 (S. 164 f.). 389 y o r a i i e m Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 8, Rdnr. 2 f. (einschl. unterhaltender Veranstaltungen, Rdnr. 43); v. Münch, I., B K , A r t . 8, Rdnr. 24 (keine Unterhaltung, Rdnr. 25); auf die meinungsbildende Zielrichtung stellt Stein, E., Staatsrecht, § 22 I (S. 137), ab. 390

Stein, E., Staatsrecht, § 2 3 1 1 (S. 138); Gastroph, C.-F., Die politischen Vereinigungen, insbes. S. 74. 391 Hesse, K., Grundzüge, § 1 2 1 8 (S. 166); v. Mangoldt-Klein, A r t . 9, Anm. I I 4 (S. 317); v. Münch, I., B K , A r t . 9, Rdnr. 23; Mallmann, W., Vereinsfreiheit, Sp. 108.

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

113

Meinungsäußerung" (Apeit) 392 , weil sich so der Meinungsaustausch vom privaten Gespräch über die Versammlung zur Vereinigung 3 9 3 immer mehr organisatorisch verfestigen läßt. c) Der Kommunikationscharakter

von Art. 8 und 9 GG

Versammlung und Vereinigung als gesellschaftliche Gebilde erfüllen demnach die öffentliche Meinungsbildung i n besonders wirksamer Weise 394 : Sie verhelfen der Meinungsäußerung des einzelnen Bürgers zu kollektiver Effizienz und formieren für das Gemeinwesen einen wirkmächtigen Partner 3 9 5 . Als unentbehrliche Mittel einer aktiven Demokratie gewinnen sie für die Staats- und Gesellschaftsordnung grundlegende Bedeutung 398 . Die Grundrechte der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit schützen den Umlauf der Meinungsströme von und zum Staat; sie sind deshalb als Kommunikationsrechte einzustufen 397 . 5. Das Petitionsrecht

I n A r t . 17 GG ist der kommunikative Kontakt zwischen Staatsbürger und Staatsgewalt unmittelbar angesprochen. Das Petitionsrecht eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu staatlichen Stellen 398 . Er soll außerhalb eines förmlichen Verfahrens die Gelegenheit haben, seine rechtlichen oder politischen Anliegen vorzubringen 399 . Wesentliches, aber auch begrenzendes Begriffsmerkmal ist das Vorbringen von „Bitten und Beschwerden". Damit sind bloße Meinungsäußerungen vom Schutz des A r t . 17 GG ausgenommen 400 . Freilich w i r d man den Zusammenhang mit Art. 5 I GG (MF) 4 0 1 nicht übersehen dürfen; aber beide Grundrechte behalten ihre eigenständige Bedeutung 402 . 392

Zitiert bei v. Münch, I., B K , a.a.O. Es ist jedoch zu beachten, daß A r t . 9 1 GG nicht n u r meinungsbildende Vereinigungen schützt (sondern auch etwa solche wirtschaftlicher A r t ) ; vgl. Füßlein, R. W., Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, S. 433 f.; Hesse, K., Grundzüge, § 12 I 8 (S. 166). 394 Füßlein, R. W., Vereins- u n d Versammlungsfreiheit, S. 426; Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 118 f. 395 Gastroph, C.-F., Die politischen Vereinigungen, S. 73. 398 Mallmann, W., Vereinsfreiheit, Sp. 107. 397 So auch Lerche, P., Grundrechte der Soldaten, S. 465. 398 Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 1. 399 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 166 I I I (S. 345). 400 Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 18; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 15. 401 v. Mangoldt-Klein, A r t . 17, A n m . I I 8 (S. 509). 402 Mattern, K . H., Petitionsrecht, i n : Die Grundrechte I I , S. 623 (628 f.); Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 31; eine gegenseitige Vermengung würde 393

8 Jerschke

114

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

Eine Vergleichbarkeit mit Art. 5 GG wäre aber gegeben, wenn man das Petitionsrecht ebenfalls als Mitwirkungsrecht einstufen könnte. Die h. M. betont zunächst, daß es dem positiven Status zuzurechnen sei, vom Staat also Entgegennahme, sachliche Prüfung und Erledigung der Petition gefordert werden kann 4 0 3 . Der Petent hat darüber hinaus keinen Anspruch, daß i m Sinne des Erbetenen entschieden wird 4 0 4 . Aus diesem Grund ist das Petitionsrecht auch nicht — wie das Wahlrecht — dem „status activus" unterzuordnen, weil es keine verbindliche Gestaltung bewirken kann 4 0 5 . Indessen verkörpert auch die Petition den Willen, durch die vorgebrachten Anregungen den Staat mitzuformen 4 0 8 . Vor allem Sammelpetitionen werden ihren Eindruck auf die staatlichen Stellen nicht verfehlen 407 . Als „Anregungsrecht" 408 erfüllt A r t . 17 GG dieselbe Funktion wie der „status publicus" der MF 4 0 9 . Man könnte das Petitionsrecht sogar als „Prototyp" eines Mitwirkungsrechts bezeichnen, weil der Verfassunggeber dem Individuum an zentraler Stelle das Recht zugesteht, sich konstruktiv oder destruktiv direkt an die staatliche Gewalt zu wenden. Die jederzeitige Verständigung zwischen Publikum und amtlichen Stellen durch das Petitionsrecht ist denn auch von R. Smend als „verfassungsmäßiges Integrationsmittel" bezeichnet worden 4 1 0 . Obwohl das Grundrecht des Art. 17 GG in seiner Bedeutung nicht an das allumfassende „Grund-Recht" der öffentlichen Diskussion in Art. 5 GG (MF) heranreicht 411 , müßte es wie dieses blutleer bleiben, wenn es nicht durch die Öffentlichkeit staatlicher Stellen mit Informationen gespeist würde.

die V e r w i r k u n g des Petitionsrechts als Unterfall der M F gem. A r t . 18 GG ermöglichen; strikt dagegen Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 117. 403 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 4 ff.; Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 24 ff.; Leibholz-Rinck, A r t . 17. 404 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 7; Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 95. 405 Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 26 ff.; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 10 jew. m. ausf. Nachw. 406 Mattern, K.-H., Petitionsrecht, S. 629, meint zutreffend, es solle die Prüfung von Fragen veranlaßt werden, die das Interesse des Einzelnen oder die Gesamtheit angehen. 407 Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 28, 60—63. 408 So Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 11, allerdings unter gleichzeitiger Ablehnung der hier verwendeten Terminologie („Mitwirkungsrecht"). 409 Dazu oben 2 b, cc. 410 Smend, R., Verfassung und Verfassungsrecht, Abhandlungen, S. 267 (Fn. 17). 411 Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, S. 10, sieht den Unterschied i m U m fang der sozialen Funktion.

I V . Die Grundrechte als Basis des Öffentlichkeitsgebots

115

6. Das Widerstandsrecht

Wenn das nunmehr in Art. 2 0 I V GG 4 1 2 „legalisierte Widerstandsrecht" 4 1 3 ebenfalls in der Reihe von Grundrechten erwähnt wird, welche das Öffentlichkeitsgebot fordern, dann w i r d dabei nicht übersehen, daß dieses Staatsschutzrecht gerade erst zum Tragen kommt, wenn die normale Grundrechtsausübung, (insbesondere i n den bisher betrachteten Betätigungsformen), nicht mehr ausreicht: Das Widerstandsrecht ist nur ein äußerstes Ausnahme- und Notrecht 414 . Sein Ziel ist die Bewahrung der vom Grundgesetz vorgezeichneten staatlichen Ordnung. Das Grundrecht des Art. 20 I V GG ist also ausschließlich „staatsbezogen"; es steht deshalb auch nur dem Individuum als „homo politicus" zu 4 1 5 . Die nun positivierte staatserhaltende Grundrechtsbetätigung i m Rahmen einer „streitbaren Demokratie", die von ihren Bürgern eine Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet und einen Mißbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen diese Ordnung nicht hinnimmt 4 1 8 , zeitigt wiederum eine Publizität bedingende Vorwirkung: Nur wer die politische Situation durchschaut, kann die Gefährdung der staatlichen Existenz abschätzen und den E i n t r i t t der Widerstandsfalls sachgerecht beurteilen. Die exekutivische Information ist also nicht zuletzt i m Hinblick auf das Widerstandsrecht des Einzelnen bereits i m staatlichen Normalzustand besonders zu intensivieren 417 .

7. Ergebnis: Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns als Wertaspekt des Grundgesetzes

Die angesprochenen Grundrechte lassen sich alle unter einem bestimmten Bezugspunkt zusammenfassen: sie sind Grundrechte der Kommunikation 418. „Kommunikation ist der K i t t , der Organisationen zusammenhält. Kommunikation allein befähigt eine Gruppe, zusammen zu

412 Eingefügt durch das 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 24. 6.1968 (BGBl. I 709). 413 So der T i t e l der staatsrechtlichen Analyse v o n Isensee, J., B a d Homburg, 1969. 414 Isensee, J., Widerstandsrecht, S. 32 ff., 58 ff.; Hesse, K., Grundzüge, §23 I V (S. 294 ff.). 415 Isensee, J., Widerstandsrecht, S. 45. 416 ß V e r f G E 28, 36 (48), unter Hinweis auf A r t . 9 I I , 2 0 I V , 18,21 I I u n d 98 I I , V GG. 417 Scheidle, G., Das Widerstandsrecht, S. 120; Isensee, J., Widerstandsrecht, S. 93. 418 Vgl. Kimminich, O., Die Freiheit, nicht zu hören, S. 71; Lerche, P., Rechtliches Gehör, S. 14; ders.: Grundrechte der Soldaten, S. 465; Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 35 (Fn. 36).

*

116

C. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung

denken, zusammen zu sehen und zusammen zu handeln 419 ." Diese Erkenntnis ist auch für die verfassungsrechtliche Würdigung von Bedeutung. Kommunikation als sozialer Prozeß ist nicht nur der Sicherung der Freiheit des Einzelnen dienlich („Garantie von Freiheiten ist nichts anderes als eine Garantie von Kommunikationschancen" 420 ), sondern auch der Konstituierung des Ganzen. Kommunikation beinhaltet stets wechselseitigen Informationsaustausch. „ M i t zunehmender Informiertheit erkennt der Bürger Wechselwirkungen in der Politik und ihre Bedeutung für seine Existenz und kann daraus Folgerungen ziehen; seine Freiheit zur Mitverantwortung und zur K r i t i k wächst 421 ." Indem das Grundgesetz die mitwirkende Initiative des Bürgers i n Richtung Staat sichert, setzt es gleichzeitig den korrelativen Informationsfluß von diesem Staat zu seinen Bürgern als Voraussetzung fest. Die Zusammenschau der Kommunikationsgrundrechte 422 läßt demgemäß die Öffentlichkeit staatlichen Handelns als Wertaspekt der Verfassung erkennen, der i m Rahmen des grundrechtlichen Wertsystems die Einzelverbürgungen rückkoppelnd verstärkt und die staatliche Gewalt bindet (oben 1). V. Zusammenfassung Die ausdrücklichen Öffentlichkeitsgebote in der Verfassung (oben I) stehen nicht allein. Sie werden durch die Publizitätshinweise in den Staatsformbestimmungen (II), der Informationsabhängigkeit des Bürgers (III) und dem Wertaspekt der Öffentlichkeit staatlichen Handelns aus den Kommunikationsgrundrechten (IV) zu einem einheitlichen Prinzip erhoben. Das allgemeine Öffentlichkeitsgebot des Grundgesetzes verpflichtet die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung zur Publizität.

419 Norbert Wiener (der „Vater der Kybernetik"), zit. von Deutsch, K . W., Politische Kybernetik, S. 127; begriffsgeschichtliche Würdigung bei Schneider, F., P o l i t i k u n d Kommunikation, Mainz 1967, S. 13, 85 ff. 420 Luhmann, N., Grundrechte als Institution, S. 23. 421 BVerfGE 27, 71 (82). 422 Auch das BVerwG, Beschl. v. 11. 2.1970, N J W 1970, 908 (909 r. Sp.), bedient sich nunmehr dieser Terminologie: Die i n A r t . 1 7 a I G G genannten Grundrechte (Art. 511. Hs., 8, 17 GG), welche „die Beziehung zu anderen und zur Gemeinschaft betreffen", sind „ k o m m u n i k a t i v e Grundrechte".

D. Das öffentlichkeitsgebot der Exekutive Die Überlegungen bis zu diesem Punkt haben ein durchgängiges Öffentlichkeitsprinzip der Verfassung für alle staatliche Gewalt zum Ergebnis. Unter Beschränkung auf den Bereich der 2. Gewalt müssen nunmehr das Publizitätsgebot für die Exekutive näher begründet (unten I), seine Grenzen abgesteckt (II) und seine Erfüllung überdacht werden (III), bevor die Realisierung der Öffentlichkeitsverpflichtung durch ein allgemeines Informationsrecht des Staatsbürgers gegen die Exekutive Gegenstand der Untersuchung sein kann (IV). Erst nach dieser Prüfung ist die Frage nach dem Informationsrecht der Journalisten gegen Exekutivorgane berechtigt. I. Die verfassungsrechtliche Intensität der Offentlidikeitsverpflichtung der Exekutive Dieser Frage w i r d i m folgenden unter den Gesichtspunkten der Legitimität (1), der Dezisionsbetroffenheit (2) und der Kontrollmöglichkeit (3) nachgegangen. 1. Die Legitimation der Exekutive durch den Staatsbürger

Nach dem Grundgesetz muß sich jede Ausübung von Staatsgewalt auf das Volk als dessen Träger zurückführen lassen (Prinzip der Volkssouveränität, Art. 20 I I GG). Die Repräsentativelemente der Verfassung bewirken, daß die Staatsgewalt nicht durch das Volk, sondern i m Namen des Volkes ausgeübt wird 1 . Diese Kompetenz w i r d durch die Wahlen stets erneuert. Auch die vollziehende Gewalt — insbesondere ihr Lenkungsinstrument, die Regierung — ist als Repräsentationsorgan von dem periodisch wiederkehrenden Delegationsakt der Wahl abhängig 2 . Diese regelmäßige Einschaltung des Souveräns „ V o l k " zeigt, 1

Diese Formulierung stellt Becker, E., Wandlungen der öffentlichen V e r w a l t u n g i m Hinblick auf Gesetzgebung u n d Rechtsprechung, i n : Bd. 13 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, B e r l i n 1962, S. 17 (32 f.), i n Frage, w e i l die Bindung an das öffentliche W o h l allen mißfalle, deren Leistungsansprüche hierdurch beschränkt würden. Die staatlichen Organe haben aber die I n t e r essen aller Staatsangehörigen zu verfolgen, vgl. Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 185. 2 Sternberger, D., u n d B. Vogel, Die W a h l der Parlamente, S. 15 ff., nennen als erste F u n k t i o n bürgerlich-demokratischer Wahlen die Legitimierung des politischen Systems u n d der Regierung, vgl. oben C I I 1 b.

118

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

daß die den Staatsorganen von der Mehrheit anvertraute Herrschaft auch eine dem Volk verantwortliche Herrschaft sein soll 3 . Kurz: Das Imperium muß seine Legitimität durch das Volk erhalten, — und ihm gegenüber behalten 4. I n welcher Weise exekutivische Information dazu verhelfen kann, soll nun gefragt werden. a) Die Wahl als

Legitimationsbegründung

Die Stimmabgabe des Staatsbürgers stellt sich als Vertrauensbeweis (in der Wiederwahl) und als Vertrauensvorschuß (durch die Neuwahl) dar 5 . Das Vertrauen müßte jedoch „blind" erwiesen werden, wenn es nicht von zweckentsprechenden Informationen gestützt würde 8 . So w i r d m i t Recht gesagt, die Regierung sei verpflichtet, ihre Konzeption und die i n ihrem Gefolge getroffenen grundlegenden Entscheidungen offenzulegen 7, weil die Informationstätigkeit die Entschlußbildung zur Wahl unterstütze 8 . Die Wahlentscheidung erhält sogar um so mehr Gewicht, je mehr Information ihr zugrundliegt: Das Urteil w i r d nicht gefühlsmäßig abgegeben, sondern verstandesmäßig begründet 9 . Diesen Zweck vermag die Regierungsinformation auch für die Beurteilung der Opposition bzw. der Parlamentsaußenseiter zu erfüllen. Praktisches A n schauungsmaterial über geleistete Regierungsarbeit schärft das Problembewußtsein und damit das Urteilsvermögen über die Realisierbarkeit von nur i n Programmform vorliegenden Alternativvorschlägen. Die der Exekutive unter dem Wahlaspekt abzuverlangende Publizität darf auch nicht auf den engen Zeitraum unmittelbar vor dem Wahltag beschränkt werden. So wie das Bundesverfassungsgericht i n Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung den politischen Parteien zugestanden hat, daß sich ihre Tätigkeit bereits i m ersten Jahr der neuen Legislaturperiode an dem nächsten Wahlkampf orientiere 10 , so wäre auch eine Fixierung der Regierungsinformation auf den Wahlzeitraum 8 Hesse, K , Grundzüge, § 5 I I 3 (S. 63). „ I m m e r aber bedarf die Demokratie einer klaren Verantwortungs- u n d Vertrauensbeziehung zwischen Regierenden u n d R e g i e r t e n . . . " , so Weber, W., Spannungen, S. 55. 4 A u f die legitimierende W i r k u n g der Elemente des Rechtsstaats (dazu unten 2 a) weist h i n : Hesse, K., Der Rechtsstaat i m Verfassungsystem des Grundgesetzes, i n : Festgabe für R. Smend, Tübingen 1962, S.71 (81). 5 Oben C I I 1 a, cc. 6 Bäumlin, R., Die rechtsstaatliche Demokratie, Zürich, 1954, S. 106. 7 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 71. 8 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 101. 9 Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, Göttingen 1966, S. 54, 63. 10 BVerfGE 24, 300 (348 f.) gegen BVerfGE20, 56 (114), w o der Wahlkampf als abgrenzbare Tätigkeit kurz vor dem W a h l t e r m i n bezeichnet wurde; zu den Konsequenzen hieraus, Randelzhofer, A., Parteienrecht, S. 536.

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

119

i n keiner Weise angebracht. Ein abgeschlossenes B i l d über die Exekutivarbeit ergibt sich nur bei ihrer Sichtbarmachung über die gesamte Wahlperiode hinweg. Eine derartige Argumentation mag zu dem Einwand führen, eine weitreichende Öffentlichkeit der vollziehenden Gewalt mit der daraus entspringenden Sachkunde der Wähler, führe zu einem weiteren plebiszitären Einschlag der Wahlentscheidung 11 . Je mehr nämlich das Wählervolk Personal- oder Sachentscheidungen selbst trifft, desto geringer w i r d das Maß der „repräsentativen" Demokratie. Abgesehen davon, daß der Charakter der „Wahl" davon nicht beeinträchtigt würde 1 2 , trifft dieses Bedenken jedoch nicht zu. Ständige Regierungsinformation soll und w i r d die Entscheidung des Wählers nicht in eine bestimmte Richtung festlegen, sondern nur fundieren, d. h. i h m A n schauungsmaterial liefern, wie regiert wurde und wie also regiert werden kann. Dem Wähler w i r d damit ständig die Bedeutung seiner Stimmabgabe vor Augen geführt, ohne seinem Votum allein dadurch eine plebiszitäre Note zuzuschreiben. Einen weitgehend realplebiszitären Charakter hätte die Wahlentscheidung aber dann, wenn die konkurrierenden Parteien konkrete Programmpunkte vorlegten, über die das Wahlvolk verbindlich vorentscheidet. Die Lehre vom „electoral mandate", die i m englischen Parlamentsrecht eine Rolle spielt 13 , hätte die Regierungsinformation schon deshalb zur Bedingung, um die Einhaltung des Wählerauftrages zu überwachen. Auch im modernen Parteienstaat 14 sind ähnliche Tendenzen mit der Vorlage von Parteiprogrammen oder Wahlmanifesten zu beobachten 15 . Wilhelm Hennis 16 hat jedoch nachgewiesen, daß auch die Entscheidung über eine bestimmte Politik keine Willensbeziehung 11 Teilweise w i r d dies gar nicht bedauert, so Fraenkel, E., Deutschland, S. 65 f.: „ . . . eine Parlamentswahl, die nicht zugleich eine Fortsetzung einer Parlamentsdebatte ,mit anderen M i t t e l n ' ist, verfehlt ihren Zweck, die Repräsentationsverfassung m i t jenem guten Schuß plebiszitären Öls zu salben, ohne die sie rostig w i r d . " Siehe bereits oben C I I 1 b, aa. 12 Vgl. Friesenhahn, E., Parlament u n d Regierung, S. 26. 13 Dazu Loewenstein, K , Staatsrecht u n d Staatspraxis von Großbritannien, Bd. I, B e r l i n 1967, S. 47 ff., 163 f.; Fraenkel, E., Repräsentative u n d plebiszitäre Komponente, S. 16 f.; Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 107 f.; Hennis, W., Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, i n : Festgabe für R. Smend, Tübingen 1962, S. 51 (56 f.). 14 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 107, fordert deshalb aus seiner Sicht des „identitären Parteienstaates" (oben C I I 1 a, bb) konsequent die Entscheidung von nationalen Fragen direkt durch die Wähler. 15 M i t Hilfe der Parteien sollen die Wahlen allerdings über die n u r allgemein-registrierend statistische F u n k t i o n hinaus eine möglichst eindeutige grundsätzliche Entscheidung über die bisherige u n d künftige P o l i t i k von Regierung und Opposition herbeiführen, BVerfGE24, 200 (348); dazu auch Zippeixus, R., Staatslehre, §151112 (S.75ff.); §3411 (S. 207 f.). 16 Amtsgedanke, S. 56 f.

120

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

zwischen Volk und Regierenden, sondern nur eine Vertrauensrelation zwischen Parteiführung und der Wählerschaft zur Folge hat. Die Ermöglichung von „Erfolgkontrolle" durch Information kann demzufolge nicht der Regierung (obwohl sie von der siegreichen Parlamentsmehrheit getragen wird), sondern nur der Parteispitze obliegen. Die Gefahr der parteipolitischen Leistungspropaganda auch von Seiten der Regierung darf jedoch nicht verkannt werden 17 . M i t der Betonung des weitgehend repräsentativen Charakters der Wahl geht freilich die Feststellung einher, daß dem Bürger damit nur ein genereller, deshalb nur minimaler und wenig treffsicherer sachlicher Einfluß eingeräumt wird 1 8 . Die Transformation seiner Wahlentscheidung auf die Exekutive ist gehemmt durch verschiedene intermittierende Einflüsse (z. B. durch Koalitionsabsprachen und durch das Eigengewicht der Verwaltung, die sich nur begrenzt von der siegreichen Partei determinieren läßt). Es entsteht die Frage, ob die schöpferische Funktion der Wahl als Legitimationsakt nicht zu wünschen übrig läßt, weil sie zwar eine Machtgrundlage, aber keine spezielle Entscheidungsbasis schafft. I m Anschluß stellt sich das Problem, ob nicht deshalb auch die i m Hinblick auf die Wahlentscheidung zu erteilende Exekutivinformation ins Leere geht, weil sie durch die Stimmabgabe nicht i n konkrete Anweisungen für die Exekutive umsetzbar ist. Diese Einwendungen lassen sich jedoch ausräumen. b) Information

zur

Legitimationserhaltung

Die Wahl ist zwar der Höhepunkt, aber nicht die einzige Möglichkeit des Staatsbürgers, seinen Willen zur Geltung zu bringen 1 9 ; andernfalls wäre er i n die passive, nur durch Wahlen unterbrochene Zuschauerrolle gedrängt 20 . Dem Bürger ist über den Wahlakt hinaus ein aktives Mitspracherecht bei den Angelegenheiten des Gemeinwesens gegeben21. Damit soll nicht eine permanente Kongruenz des Staatswillens mit dem Willen des Volkes erreicht 22 , sondern nur die Legitimationsbasis der

17 A u f sie weist Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 194, hin. Z u r Bedeutung der Begriffe „Staatspflege" bzw. „Parteipflege" unten I I I 1 b, bb. 18 Luhmann, N., Grundrechte als Institution, S. 150; zur personalplebiszitären Komponente deutscher Wahlen, oben C Fn. 122. 19 Ellwein, T., Politische Verhaltenslehre, S. 21. 20 Dagegen auch: Gastroph, C.-F., Politische Vereinigungen, S. 56. 21 H i e r läßt sich die Nutzanwendung aus der oben C I V 2 b entwickelten M i t w i r k u n g s f u n k t i o n der Grundrechte ziehen. 22 Gallwas, H. U., Mißbrauch von Grundrechten, S. 97, befürchtet eine Verwässerung des Kompetenzsystems.

sonst

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

121

staatlichen Gewalt verbreitert werden 23 . Dies ist nötig (wegen der nur beschränkten Wirksamkeit der Wahl) und berechtigt (wegen der „aktiven" Ausgestaltung des Grundrechtskatalogs). Die Ausfüllung des Grundrechtsraumes leistet ebenso Legitimität wie die Ausübung des Wahlrechts. Durch die ständige Kommunikation zwischen Staatsbürger und Staatsgewalt w i r d die Legitimation der staatsleitenden Kräfte nach ihrer Zuteilung am Wahltag stets erhalten und erneuert. Die Legitimationskette 24 , die vom Volk über das Parlament zur Regierung reicht, reißt nur dann ab, wenn der kommunikative Kontakt durch eine Isolierung der staatlichen Organe gestört wird. Gegen Isolation wirkt Information. Mittels staatlicher Publizität erhält der als Bedingung jeder Legitimität geforderte „Glaube" an das Prinzip der Legitimierung 2 5 stets neue Nahrung 2 6 . Die gegenseitige Kontaktbindung zur Erreichung des Staatszieles Demokratie 27 bestärkt oder korrigiert das in der Wahl bewiesene Vertrauen und erlaubt die kontinuierliche Legitimation der staatlichen Gewalt durch das Volk 2 8 . Bisher war i m Zusammenhang mit der Legitimation der vollziehenden Gewalt stets nur von Regierungsinformation die Rede. Dies geschah nicht ohne Vorbedacht. Es besteht zwar kein Zweifel, daß die Legitimation durch Wahl und Kommunikation den gesamten Bereich der Exekutive, also auch den der Verwaltung erfaßt. Voraussetzung hierfür kann aber nur die Publizität der Regierung sein. Das ergibt sich eindeutig aus dem repräsentativen Charakter der Verfassung, der es einfach ausschließt, daß etwa der Erlaß eines jeden Verwaltungsaktes von der speziellen Beauftragung durch das Volk abhängig gemacht wird. Repräsentation bedeutet generelle Delegation. Deshalb kann und soll auch die Legitimation nur generell erfolgen. Ist — wie nachgewiesen — 28 Entschieden anderer Ansicht, allerdings aus einer hier geteilten K r i t i k am Leibholzschen Parteienstaat heraus, Czajka, D., Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, Stuttgart 1968, S. 122 ff. 24 Begriff von Scheuner, U., Parlament u n d Regierung, V V D S t R L 16, 124 (Aussprache); er w i r d von Hesse, K., Parteien, S. 21, f ü r das Verhältnis Volk—Parteien—politische F ü h r u n g übernommen. 25 So vor allem von M a x Weber. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Winckelmann, J., Legitimität u n d Legalität i n M a x Webers Herrschaftssoziologie, Tübingen 1952, passim; Heller, H., Staatslehre, insbes. S. 191; Schmitt, C., Legalität u n d Legitimität, B e r l i n 1932, S. 15, 64, 68; Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 10; ders.: Repräsentation, S. 176. 26 Vgl. Luhmann, N., Grundrechte als Institution, S. 114 f.; Deutsch, K . W., Politische Kybernetik, S. 219 ff. 27 Oben C I I 1 c. 28 Kaiser, J. H., Repräsentation organisierter Interessen, S. 358: „Die Massendemokratie würde ohne die Öffentlichkeit der Beziehung zwischen Repräsentierten u n d Repräsentanten zu einer neofeudalen, oligarchischen Bonzenherrschaft entarten."

122

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Information hierfür Voraussetzung, so liegt es nahe, sie nur von dem Exekutivorgan zu fordern, das selbst die gesamtleitende Funktion der 2. Gewalt innehat: der Regierung. Das öffentlichkeitgebot beschränkt sich damit auf einen kleinen, aber entscheidenden Teil der vollziehenden Gewalt: Wo koordiniertes Ermessen geübt und die Fäden für das Verwaltungsnetz geknüpft werden 29 . Das schließt nicht aus, daß die Verwaltung als Bereich des isolierten Ermessens unter einem der folgenden Prüfaspekte ebenfalls zur Publizität verpflichtet ist. 2. Die Dezisionsbetroffenheit des Staatsbürgers

Dieselbe Staatsgewalt, die der Bürger als Wähler und Kommunikator legitimiert, w i r k t auf ihn durch ihre Entscheidungen zurück. Er ist als Grundstückseigentümer, Fürsorgeempfänger, Steuerpflichtiger oder Unternehmer von belastenden oder begünstigenden Dezisionen betroffen, die ihn in unmittelbare Abhängigkeit von den Organen der vollziehenden Gewalt versetzen. Es ist deshalb sinnvoll, die Rolle des Staatsbürgers als „Entscheidungsabnehmer" von der des Wählers zu scheiden 30 , und sie gesondert nach Konsequenzen für das Öffentlichkeitsgebot zu untersuchen. Dies soll aus der Sicht des Betroffenen (a) und aus dem Blickwinkel der Verwaltung (b) geschehen. a) Sicherung des Bürgers Der Bürger als Entscheidungsabnehmer hat zum einen Interesse daran, möglichst überhaupt nicht von belastenden Dezisionen, — und wenn, dann rechtmäßigen —, betroffen zu werden, zum anderen w i l l er alle vom Staat angebotenen Begünstigungen auch ausnützen. Dies setzt zunächst voraus, daß ihm die aktuelle Normsituation bekannt ist. Dazu verhilft die formelle Publikation von Gesetzen und Rechtsverordnungen 31 . Soweit die Verwaltung jedoch ihr Verhalten zusätzlich oder ausschließlich durch interne Verwaltungsvorschriften steuert, die keinem normierten Publikationszwang unterliegen, fordern das Rechtsstaatsprinzip 32 für belastende und das Sozialstaatsprinzip 33 für 29 Damit bestätigt sich die bereits oben B I 5 ausgesprochene These, daß trotz der Kohärenz von Regierung u n d V e r w a l t u n g die Informationsgebote unterschiedlich sein können. 30 Lühmann, N., Grundrechte als Institution, S. 150. Diese „Rollentrennung" deutete sich bereits bei der Untersuchung von demokratischer (C I I 1) bzw. rechts- u n d sozialstaatlicher (C I I 2, 3) Publizität an, vgl. die Zusammenfassung C I I 4. 31 Vgl. oben B I I 3 b bzw. B I I I 3; auch C I I 2 b. 32 Siehe C I I 2 f. 33 Dazu bereits C I I 2 e u n d C I I 3.

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

123

begünstigende Richtlinien deren zweckentsprechende Veröffentlichung. Die Bedeutung der Normpublikation darf allerdings für sich gesehen nicht überbewertet werden, denn die Sprache unserer Gesetze erschließt sich z. T. nur noch dem Spezialisten 34 . Deshalb hat die gesetzesvollziehende Verwaltung in Ergänzung dazu mit Informationen über die Gesetzesanwendung bereitzustehen, etwa durch allgemeine Hinweise auf Sinn und Inhalt des Gesetzes und durch ergänzende Detailinformationen für den interessierten Staatsbürger 35 . Nur so läßt sich das aus dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmende „Ideal der Berechenbarkeit staatlicher Machtäußerungen" in die Wirklichkeit umsetzen 36 . Die Verwaltungsinformation w i r d dort zu einer zwingenden Notwendigkeit, wo die Lockerung oder Beseitigung des Gesetzesvorbehalts sogar das Fehlen einer förmlich publizierten Gesetzesgrundlage m i t sich bringt 3 7 . Können auf diese Weise die auf den Bürger zukommenden Entscheidungen vorausgesehen, wenn auch nicht unbedingt abgewendet werden, so geht sein Interesse weitergehend dahin, daß die Dezision auch rechtmäßig erfolgt. Die konsequente Durchführung des Rechtsstaatsprinzips 38 hat hier bereits Voraussetzungen geschaffen, die auf den ersten Blick ausreichen. Zuständigkeiten und Verfahren staatlicher Organe sind klar gegliedert und verleihen dem staatlichen Leben Übersichtlichkeit 39 . Das Gesetz als „Ermächtigung, Schranke und Auftrag" 4 0 sichert den „Primat des Rechts" 41 . Die Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) 42 sind Folgerungen aus dem Rechtsstaatsgedanken 43 , die i n besonderer Weise das Individuum vor der Unmäßigkeit des staatlichen Eingriffs schützen. Diese Prinzipien bewirken bereits einen guten Teil an staatlicher Machtbegrenzung und individueller Freiheitssicherung. Der dennoch verbleibende Rest autokratischer Selbstherrlichkeit kann mit der rechtsstaatlichen Pflicht zur Öffentlichkeit ausgeräumt werden. Die Integri34

Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, S. 104. I n dieser Richtung auch Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, S. 107. 36 Einzelheiten oben C I I 2 f. 37 Vgl. dazu insbes. B I V 2 a (Leistungsverwaltung), B I V 3 (Innenbereich der Exekutive). 38 Obgleich das Grundgesetz selbst eigentliche Verwaltungsprinzipien nicht enthält, Maunz, T., Staatsrecht, § 28 I I 1 (S. 251 f.). 39 Hesse, K , Rechtsstaat, S. 7 3 1 ; ders.: Grundzüge, § 6 1 (S. 77 f.). 40 Scheuner, U., Gesetz als Auftrag, S. 591 f. 41 Hesse, K , Rechtsstaat, S. 75 f. 42 Lerche, P., Übermaß, S. 21; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 30 I I 2 b (S.156). 43 BVerfGE 19,342 (348 f.); E 20,150 (155); E 25, 269 (292). 35

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

tät der Bürokratie w i r d gefördert 44 . Publizität bedeutet deshalb auch Bewahrung der Freiheit und des Rechts. b) Erleichterung

der Dezision

aa) Loyalität durch Öffentlichkeit Die Verwaltungsöffentlichkeit stellt aber nicht nur eine Pflichtübung für „König Bürger" dar, sondern sie bringt auch den ausführenden Behörden selbst erhebliche Vorteile. Sie ist als Mittel der Verwaltungsführung zu verstehen, weil sie das Verständnis und vielleicht sogar die innere Zustimmung der Bürgerschaft herbeiführt 45 . Schon die Lebenserfahrung bestätigt, daß Folgeleistung auf vorherige Information angewiesen ist: „Niemand kann einem Befehl folgen, solange er nicht weiß, was befohlen wird 4 6 ." Danach ist es für die Verwaltung ein ureigenstes Bedürfnis, ihre M i t w i r k u n g an der Gesetzgebung 47 aufzudecken und so das Gesetzesverständnis schon in der Geburtsstunde der Norm durch Anteilnahme zu wecken. Es muß das Anliegen der Verwaltung sein, die technischen Schwierigkeiten beim Erfassen von Gesetz und Verordnung durch Aufklärung auszuräumen, dadurch die Befolgung zu erleichtern, Rechtsgehorsam zu erreichen und auf diese Weise schließlich Loyalität zu steigern 48 . Da ein großer Teil der Verwaltungstätigkeit darin besteht, dem einzelnen Bürger Verhaltensnormen nahezulegen, hat die Exekutive allen Anlaß, sich sichtbar und hörbar zu machen 49 . Verwaltungskunst besteht nicht zuletzt darin, womöglich den Einsatz von Zwang zu vermeiden; die Aufklärung des Staatsbürgers ist hierfür ein probates Mittel 5 0 . bb) Information als Verwaltungszweck Information ist Voraussetzung der Normanwendung und damit Verwaltungszweck. Information ist auch Folge der Normvollziehung, dann nämlich, wenn Musterfälle entschieden worden sind, und durch Publikation der Entscheidungsgründe die Dezision weiterer Verwaltungsverfahren vereinfacht wird. Schließlich empfiehlt die praktische Psycho44

Düwel, P., Das Amtsgeheimnis, B e r l i n 1965, S. 123. Thieme,W., Verwaltungslehre, K ö l n 1967, Rdnr. 1093 (S. 309); vgl. die Ausführungen von R. Schnur auf den Berliner Beamtentagen v. 12.—18. 9.1969, Bericht von W. Berger, DVB1.1969, 927 (930). 46 Deutsch, K . W., Politische Kybernetik, S. 219. 47 Ausführlich oben B I I . 48 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 91 f., 95. 49 Morstein Marx, F., Interne Verwaltungskontrolle, i n : „ V e r w a l t u n g " , hrsg. v. F. Morstein M a r x , Berlin 1965, S. 372 (379). 50 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 91,94. 45

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

125

logie, das Publikum von sich aus mit den negativen Seiten einer Verwaltungsmaßnahme bekanntzumachen, — und so Unruhe zu vermeiden —, bevor die Argumente der Behörde vorgetragen sind 51 . Information der Öffentlichkeit erleichtert der Verwaltung überdies die Eigenkontrolle. I m Weg der Rückkoppelung erfährt sie die unmittelbare Reaktion der Öffentlichkeit auf bestimmte Maßnahmen und kann sich darauf einstellen 52 . Die Transparenz des Verwaltungsinternums, so der Behördenorganisation und der Personalpolitik, ist nicht nur ein legitimes Anliegen der Staatsbürger 53 , sondern ebenso ein Aktivposten für reibungslose Verwaltungsarbeit. Auch Verwaltung w i r d von Menschen gemacht. Vertrauen als legitimierende Basis der Amtsführung 5 4 w i r d durch Kenntnis der internen Verhaltensweise erzeugt 55 . Liegt das so errungene Vertrauen zugrunde, kann auch die Dezision auf Anerkennung hoffen. Verwaltungspublizität eröffnet außerdem die Möglichkeit einer gesteigerten Kooperation mit dem gesellschaftlichen Bereich 58 . Anregungen und K r i t i k von außen eröffnen der Verwaltung neue Perspektiven, wie der eifrig gepflegte Kontakt mit den Verbänden beweist 57 . Nur müßte die Öffnung nicht nur gegenüber bestimmten Gruppen erfolgen; dies hat — wie aufgezeigt — einen gegenteiligen Kryptoeffekt. Verwaltungspublizität zwecks Kooperation muß alle Staatsbürger ansprechen und zur Mitarbeit auffordern. cc) Publizität und Planung Eine ganz wesentliche Rolle spielt die Information i m modernen Planungsrecht, ja sie gehört zum Automatismus jeder Planung 58 . Jeder 51 Thieme, W., Verwaltungslehre, Rdnr. 969 (S. 272); Staudt, R., Kommunale Pressefreiheit, DÖV1964, 126 (128); Breuckmann, E., Handelnde Verwaltung, i n : „Verwaltung", S. 215 (224). 52 Kölble, J., Ministerialverwaltung, S. 34. 53 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 94 f.; zur Publizität des Organisationsbereichs oben B I V 3 b. 54 Hennis, W., Amtsgedanke, S. 55. 65 Die interne Verhaltenpflege als Inhalt der Öffentlichkeitsarbeit behandelt Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 193 f. 56 Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, S. 62 f.; Kölble, J., M i n i sterialverwaltung, S. 27. 57 Vgl. oben B I I 1 c. 58 Herzog, R., Wissenschaftliche Entwicklung u n d technischer Fortschritt i m H i n b l i c k auf die öffentliche Verwaltung, i n Bd. 43 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, B e r l i n 1969, S. 17 (27 m. Fn. 17); Kölble, J., Wirtschaftsplanung u n d Grundgesetz, N J W 1966, 473 (474) m. ausf. Hinweisen auf die amtliche Prognostik (Finanz-, Wirtschafts-, Mittelstandsberichte); ders.: Ministerialverwaltung, S. 34 (Fn. 99); Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, S. 109; Thieme, W., Verwaltungslehre, Rdnr. 934 (S. 261), Breuckmann, E., Handelnde Verwaltung, S. 224; Geiger, K., Entwicklungsplanung i n Baden-Württemberg, i n : Gegenwartsaufgaben der öffentlichen Verwaltung, hrsg. v. F. Morstein Marx, K ö l n 1968, S. 189 (208 f.).

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Plan w i l l das Verhalten der Planadressaten beeinflussen 59 und ist auf ihr Entgegenkommen angewiesen. Nach der Einteilung von Scheuner lassen sich die staatlichen zentralen Pläne 60 in indikative oder informative, i n influenzierte und normative Pläne aufgliedern 61 . — Der informative Plan (etwa der Wirtschaftsbericht der Bundesregierung) w i l l durch Zusammenfassung von Daten Orientierungspunkte setzen und allein durch die Darreichung von Unterlagen die individuellen Entschlüsse der Planadressaten in bestimmte Bahnen lenken 62 . Es ist einsichtig, daß dieser Effekt nur durch die Veröffentlichung des Plans erreicht werden kann. — I m Rahmen des influenzierten Plans setzt der Staat über die reine Faktensammlung hinaus auch Mittel seiner Wirtschaftspolitik ein, etwa steuerliche Lenkungsmaßnahmen 63 . Ihrer nur sehr behutsamen Anwendung w i r d durch Belehrung, Werbung oder Überredung zu voller Wirksamkeit verholfen 84 . Auch so werden Tatsachen geschaffen, von denen ein nicht unerheblicher „Sachzwang" ausgeht, der die Erreichung des Planziels unterstützt 65 . Information gehört also auch hier zu dem Instrumentarium exekutivischer Aufgabenerfüllung. — Der normative oder imperative Plan, der verbindliche Ziele festlegt, wäre darauf nicht angewiesen. Er nimmt auch nur in den kommunistischen Ländern eine zentrale Stellung ein 66 . — Auch Verwaltungspläne (etwa solche für Raumordnung, Bebauung oder Flurbereinigung 67 ), die ein normativ festgelegtes Idealbild verwirklichen wollen 6 8 , machen die angemessene Publizität sogar schon im Verlaufe der Planaufstellung notwendig. Nur auf diese Weise können die diversen Einzelinteressen harmonisch m i t dem Gemeininteresse verschmolzen werden. Die verfahrensrechtliche Publizität 59 Kaiser, J. H., Exposé einer pragmatischen Theorie der Planung, i n : P l a n u n g I , (Hrsg.: ders.), Baden-Baden 1965, S. 11 (23). 60 Die i m Unterschied zum Verwaltungsplan keinen verbindlich festgelegten Endzustand anstreben, sondern Entwicklungen beeinflussen u n d steuern wollen, dazu Scheuner, U., Verfassungsrechtliche Probleme einer zentralen staatlichen Planung, i n : Planung I, S. 67 (74 ff.). 61 Scheuner, XJ., Planung, S. 83 ff.; vgl. auch Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 18 I b 4 (S. 74) m. w. Nachw. 62 Scheuner, U., Planung, S. 83; Kaiser, J. H., Planung, S. 23. 63 Scheuner, U., Planung, S. 84. 64 Herzog, R., Technischer Fortschritt, S. 27; Scheuner, U., a.a.O. 65 Kaiser, J. H., Planung, S. 24. 66 Scheuner, U., Planung, S. 85. 87 Weitere Beispiele bei Obermayer, K., Plan, S. 146 f.; vgl. auch Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, § 47 I X (S. 315—319). 68 Z u r Unterscheidung zum staatsrechtlichen Plan Scheuner, U., Planung, S. 70. ff.

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

127

ist vor allem i n Anbetracht der Unzulänglichkeit des Rechtsschutzes gegen einen weitgehend schon ausgeführten Verwaltungsplan eine sachnotwendige Voraussetzung 89 . dd) Die kommunale Öffentlichkeit Besondere Intensität weist die Publizität der Selbstverwaltung auf. Wegen der engen räumlichen Konnexität von Bürger und Verwaltung ist der informatorische Kontakt nicht nur eher möglich, sondern auch besonders nötig. I n der kommunalen Sphäre werden die Entscheidungen nicht so leicht zu einem Politikum 7 0 , dafür zeigt sich um so deutlicher Erfolg oder Mißerfolg einer behördlichen Maßnahme 71 . Die besondere Aufgabe der gemeindlichen Publizität ist es deshalb, „Teilnahme durch Mitwisserschaft" zu erreichen 72 und so die Effizienz kommunaler Dezisionen von vornherein zu sichern. ee) Ergebnis Ein kurzes Resümee aus diesen Erwägungen zu ziehen fällt schwer, weil die rechtlichen Voraussetzungen zu verschieden und die Verwaltungsaufgaben zu unterschiedlich sind. Als Prinzip läßt sich jedoch feststellen: Die Verwaltungspublizität muß um so detaillierter sein, je näher sich die Exekutive mit der den Staatsbürger treffenden Entscheidung befaßt Das bedeutet, daß etwa die leitenden Gedanken des Norminhalts auf der oberen Verwaltungsstufe ersichtlich sein müssen, während die Maßstäbe des Einzelvollzugs auf der Unterstufe offenzuliegen haben. A u f diese Weise w i r d eine gleitende Intensität des Öffentlichkeitsgebots erreicht, die dem Zuständigkeitsrahmen i n der Behördenhierarchie entspricht. Regierung und Verwaltung werden deshalb ohne Unterschied betroffen. Die Verwaltungskompetenz birgt die Pflicht zu sachnächster Information. 3. Die Kontrolle der Exekutive

Die Intensität des Öffentlichkeitsgebots der vollziehenden Gewalt könnte allerdings in einem anderen Licht erscheinen, wenn sich er89 Scheuner, U., Gesetz als Auftrag, S. 86; ders.: Planung, S. 73 (Fn. 18); siehe auch Kölble, J., Wirtschaftsplanung, S. 477, zur Problematik des Rechtsschutzes i m Planungsverfahren von staatlichen zentralen Plänen. 70 Staudt, R., Kommunale Pressearbeit, S. 129. 71 Hild, O., Der Informationsanspruch u n d die städtische Pressestelle, Diss. oec. publ., Nürnberg 1960, S. 142, 161. 72 Beer, R. R., Selbstverwaltung u n d Öffentlichkeit, in: Handbuch der k o m munalen Wissenschaft u n d Praxis, hrsg. v. H. Peters, Bd. 1, B e r l i n 1956, S. 51 ff.; zur kommunalen Publizität schon oben B V I .

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

weisen würde, daß die i n die Exekutivtätigkeit eingebauten oder von außen herangetragenen Kontrollen 73 so wirksam sind, daß Information nur noch überflüssige und damit für die Verwaltung lästige Dekoration wäre. Eine abschließende Aussage über das normativ gebotene Publizitätsverhalten der 2. Gewalt fordert also eine kritische Würdigung ihrer Kontrolltechniken. Sie lassen sich nach Loewenstein 74, wie folgt einteilen: die Intra-Organ-Kontrollen innerhalb der Exekutive als einheitlichem Machtträger (dazu unten a) und die Inter-Organ-Kontrollen durch die anderen Gewalten Judikative (b) und Legislative (c). a) Die

Intra-Organ-Kontrolle

Die Einhaltung der Rechtsordnung ist die vornehmste Aufgabe aller Staatsorgane 75 . Um diesem Ziel nahe zu kommen — und u m die stets angestrebte Sachgerechtigkeit ihres Handelns zu verwirklichen —, sorgt sich die Exekutive zunächst um Kontrolle aus eigener Kraft. Verwaltungshandlungen werden deshalb von der erlassenden oder von der übergeordneten Behörde auf Recht- und Zweckmäßigkeit überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Diese Selbstkontrolle der Verwaltung, die aus eigener Initiative oder auf Grund von formlosen oder förmlichen Rechtsbehelfen erfolgen kann 7 6 , ist die systemimmanente Folge der hierarchischen Struktur der Verwaltung. I m System der Über-Unterordnung muß Intra-Organ-Kontrolle als Koordinations- und Ordnungsfaktor Konformität leisten 77 . Selbstkontrolle ist also i n erster Linie Selbstzweck. Dennoch ist sie ernstzunehmen, weil durch sie vor allem die Möglichkeiten des komplizierten Verwaltungsapparats voll ausgelotet werden können 78 . Sie hat aber auch ihre Grenzen: Selbstkontrolle verhindert nicht „Betriebsblindheit"; sie gewährleistet zwar Einheitlichkeit, aber eben nur i m Sinne der hierarchisch übergeordneten Instanz 79 . Rechtmäßigkeit und Sachrichtigkeit werden allein aus dem engen Blickwinkel der eigenen Kompetenz beobachtet. Selbstkontrolle bleibt in erster Linie Kontrolle der eigenen Funktionsfähigkeit. 73

Z u m Begriff: Scheuner, U., Verantwortung und Kontrolle, S. 390. Loewenstein, K , Verfassungslehre, S. 167. 75 Bachof, O., Grundgesetz u n d Richtermacht, Tübingen 1959, S. 25; BVerfGE 18, 315 (325), spricht von der Pflicht u n d Befugnis der Organe der öffentlichen Gewalt zur ständigen Überprüfung, u n d w e n n geboten, Verbesserung ihrer Maßnahmen. 76 Z u diesem Fragenkreis ausführlich Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , §161 (S. 290—302); n u r die Dienstaufsicht als Form der Selbstkontrolle erw ä h n t Forsthoff, E., Verwaltungsrecht, 8. Aufl. (1961), S. 463 f. 17 Kabisch, D., Gesetzesprüfung, S. 59,1271; Morstein Marx, F., Interne Verwaltungskontrolle, S. 373. 78 Vgl. Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 161 (S. 291). 79 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 1661 a (S. 341). 74

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

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Auch die interne Finanzkontrolle durch ein ausgeklügeltes System von Kassenführung und Rechnungslegung 80 reicht für sich nicht aus 81 . Das beweist schon die Notwendigkeit der Zuweisung der systematischen Überwachung an eine am Haushaltsvollzug unbeteiligte Stelle, den Bundesrechnungshof (Art. 114 I I GG) bzw. die Landesrechnungshöfe 82 . Die W i r k weise der Finanzkontrolle insgesamt ist ebenfalls begrenzt: Sie kann weder die Verwaltungstätigkeit steuern, noch neue, vor allem politische Entscheidungskriterien einführen 83 . b) Die Inter-Organ-Kontrolle

durch die Justiz

Kontrolle durch Publizität könnte aber deshalb überflüssig sein, weil das Grundgesetz die lückenlose Rechtskontrolle der Verwaltung durch die Gerichte eingeführt hat 8 4 , Art. 1 9 I V GG. Die Wirksamkeit der Justizkontrolle ist jedoch beschränkt: — Zum einen dient sie nur dem Rechtsschutz des Bürgers, nicht als Kontrollmittel der aktiven Verwaltung 8 5 . Das bedeutet, daß die Gerichte stets nur über die Rechtmäßigkeit, nicht aber über die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahmen zu befinden haben 86 . Insbesondere dürfen die Gerichte nicht Ermessensentscheidungen oder die Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe nachprüfen 87 . Verwaltungsfragen, die keine Rechtsfragen sind, bleiben der Justizkontrolle entzogen 88 . — Zum anderen ist auch die Rechtsschutzfunktion der Verwaltungsgerichte entwertet. Nicht selten w i l l der Bürger, der i n einem Ab80 Dazu Einzelheiten bei W o l f , H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 1631, I I (S. 314—316). 81 Dahlgrün, H.-G., Rechnungskontrolle, i n : „Verwaltung", S. 414 (415 f.). 82 Dahlgrün, H.-G., Rechnungskontrolle, S. 416 f. Der Bundesrechnungshof ist trotz seiner Unabhängigkeit Verwaltungsbehörde, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 114, Rdnr. 12. Seine verfassungsrechtliche Stellung ist allerdings strittig, dazu Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 163 I I I d (S. 318). 83 Dahlgrün, H.-G., Rechnungskontrolle, S. 414; zu dieser Erkenntnis schon oben B I V 3 a. 84 Menger, C. F., Rechtsschutz i m Bereich der Verwaltung, DÖV1969,153 (160 f.); Bachof, O., Grundgesetz u n d Richtermacht, S. 11 f.; Ule, C.H., Gerichtliche Kontrolle, i n : „Verwaltung", S. 433(442); Weber, W., Spannungen, S. 29 f., spricht warnend von der doppelten Gefahr der „Juridifizierung der P o l i t i k u n d der Politisierung der Justiz". 85 M i t Nachweis der historischen Entwicklung, Menger, C. F., Rechtsschutz, S. 154. 88 Ule, C.H., Gerichtliche Kontrolle, S.442; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 168 V (S. 361 f.). 87 Ule, C. H., Gerichtliche Kontrolle, S.442; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 168 V (S.362); Thieme, W., Verwaltungslehre, Rdnr. 1047 (S.297). 88 Dies fordert nachdrücklich Ule, C. H., Gerichtliche Kontrolle, S. 454.

9 Jerschke

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

hängigkeitsverhältnis von der Exekutive lebt (z. B. als Soldat oder Schüler), seine Beziehungen zur Verwaltung gar nicht erst m i t einem Rechtsstreit belasten 89 , und oft führt die lange Dauer von Verwaltungsprozessen (pro Instanz etwa ein Jahr) zu Rechtsschutzverzichten 90 . Schließlich w i r d vor einer Uberschätzung der richterlichen Kontrolle gewarnt, weil sie zwar ein wesentliches, aber nicht das einzige Merkmal des Rechtsstaates sei 91 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Justizkontrolle auf Anstoß des einzelnen Staatsbürgers nur die Einhaltung des positiven Rechts bewirkt. Neben der fachlichen, finanziellen und rechtlichen Uberprüfung ist aber noch eine „unbeschränkte, externe Kontrolle, insbesondere der planenden, rechtsetzenden und gestaltenden Regierung und Verwaltung erforderlich" 92 . Die „politische Kontrolle" (Wolff) der Exekutive 9 3 ob94 liegt in erster Linie dem Parlament . Problematisch ist, ob der Bundestag diese Rolle ausfüllen kann. c) Die Inter-Organ-Kcntrolle

durch die Legislative

95

Zu fragen ist zunächst, welche Kontrollmittel der Bundestag anwenden kann. Dabei w i r d zweckmäßig danach unterschieden, ob die Kontrollrechte dem ganzen Parlament oder schon einer Minderheit zukommen. aa) Kontrollrechte des Gesamtparlaments A n erster Stelle muß die Möglichkeit des konstruktiven Mißtrauensvotums gesehen werden, Art. 67 GG. M i t der Verknüpfung von Kontrollmit Kreationsfunktion erhält dieses Recht seine besondere Effektivität 9 6 . I n der parlamentarischen Praxis hat die Bestimmung jedoch noch 89

Thieme, W., Verwaltungslehre, Rdnr. 1049 (S. 298). Menger, C. F., Rechtsschutz, S. 159; Thieme, W., Verwaltungslehre, Rdnr. 1048 (S. 297 f.). 91 Scheuner, U., Rechtsstaat, S. 466; Hesse, K., Rechtsstaat, S. 76. Hesse (S. 80, Fn. 31) nennt zusätzlich die Besinnung auf den Vorbehalt des Gesetzes u n d die Bedeutung eines geordneten Verwaltungsverfahrens als rechtsstaatliche Richtpunkte. 92 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 166 I a (S. 341). 93 Unmittelbares Kontrollobjekt ist die Regierung, über die das Parlament auf die Verwaltung einwirken kann, Fichtmüller, C. P., Bundesverwaltung, S. 327. 94 Vgl. oben C I I 1 b, cc. 95 Dazu allgemein Loewenstein, K , Verfassungslehre, S. 188—231. 96 Jesch, D., Gesetz u n d Verwaltung, S. 97; Fichtmüller, C. P., Bundesverwaltung, S. 330. 90

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

131

keine Rolle gespielt 97 . Wesentliches Korrekturrecht ist die Feststellung des Haushaltsplans durch Gesetz gemäß Art. 110 I I GG. M i t dieser vorgeschalteten Ermächtigung zur Einnahme und Ausgabe von Geldmitteln in bestimmter Höhe soll der Exekutive klargemacht werden, daß das Parlament seine Kontrolle bereits bei der Zweckbestimmung der Finanzmittel ausüben w i l l 9 8 . Die Haushaltsdebatte ist auch regelmäßig Anlaß, die einzelnen Ressorts gründlich zu durchleuchten 99 . Das Parlament ist aber seinerseits in seinem Budgetrecht beschränkt: Es kann die von der Regierung vorgeschlagenen Ausgaben gegen deren Willen nur herabsetzen, nicht erhöhen, Art. 113 GG. Die Ausgabengestaltung ist also doch in erster Linie Sache der Exekutive 1 0 0 . Immerhin ist darauf hinzuweisen, daß die Etatberatung i m Bundestag durch die Parlamentspublizität eine ganz erhebliche Transparenz des Exekutivbereichs sichert 101 . Als allgemeinstes Kontrollrecht besitzt der Bundestag schließlich das Zitierungsrecht von Mitgliedern der Bundesregierung gemäß Art. 431 GG. Dieses schließt die Verpflichtung des Zitierten ein, auf Fragen zu antworten (sog. Interpellationsrecht) 102 . Die Pflichten, Rede und A n t w o r t zu stehen, sind in der GO-BT als Minderheitenrechte näher ausgestaltet. bb) Kontrollrechte einer Parlamentsminderheit Die Vorschriften in §§ 105—109 GO-BT ermöglichen mindestens 30 Abgeordneten die Einreichung von großen Anfragen. Sie dienen als übliches Mittel zur Einleitung von großen Debatten über die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit 1 0 3 . Kleine Anfragen zwingen die Regierung zur Beantwortung von Fragen, die eine Zahl von Abgeordneten i n Fraktionsstärke stellt 1 0 4 , § 110 GO-BT. Der einzelne Parlamentarier kann i n der Fragestunde (§111 GO-BT) selbst kurze mündliche A n fragen an die Bundesregierung richten. Ihre Zahl ist von 1375 (1957/1961) auf 4786 (1961/1965) und schließlich 10 480 (1965/1969) gestiegen 105 . Diese 97

Ihre „ V o r w i r k u n g " darf aber nicht übersehen werden. Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 162 I a (S. 302 f.). 99 Stein, E., Staatsrecht, § 10 I I 3 (S. 67). 100 Stein, E., a.a.O. 101 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 73. 102 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 43, Rdnr. 8 m. w . Nachw. Differenzierend bei der rechtlichen Verankerung: Scholler, H., Die Interpellation i n Theorie u n d Wirklichkeit, i n : Politische Studien, Nr. 192 (1970), S. 406 (407 ff.). 103 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 1 6 6 V b l (S.330); Stein, E., Staatsrecht, §101115 (S. 69). Ihre Z a h l betrug i n der 4. Legislaturperiode (1961/ 1965) 34, i n der 5. Legislaturperiode (1965/1969) 45, Stat. Jahrbuch 1970, S. 117. 104 1961/1965: 308 Kleine Anfragen; 1965/1969: 487 Kleine Anfragen, vgl. Stat. Jahrbuch, a.a.O. 105 Angaben bei Kaiser, C.-C., S. 40. 98

9*

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

erstaunliche A k t i v i t ä t betrifft allerdings nur allzu oft die lokalen A n liegen der Wahlkreisabgeordneten 106 . Gemeinsames Merkmal dieser Kontrollrechte ist es, daß sie die Exekutive zu klärender Auskunft über ihre interne Tätigkeit zwingen können. Ihr Wert besteht häufig nur darin, die den Abgeordneten zugänglichen Informationen zu bestätigen 107 , weil eine Frage bereits ein gewisses „Vorwissen" voraussetzt. Der Erkenntniswert dieser Kontrollrechte ist also begrenzt 108 . Anders ist die Situation bei dem Recht des Bundestages, Untersuchungsausschüsse einzusetzen (Art. 441 GG) wegen der damit verbundenen Befugnis, eigenständig Beweise zu erheben 109 . Diese Kontrollkompetenz leidet jedoch darunter, daß zwar eine Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages (also auch die Opposition) die Einberufung eines Untersuchungsausschusses verlangen kann, daß aber alle weiteren Beschlüsse i n den Ausschüssen (über Öffentlichkeit, Beweisthemen oder Zeugen) mit einfacher Mehrheit gefällt werden. „Eingesetzt auf Verlangen der Opposition, sind sie doch den Regierungsparteien ausgeliefert 110 ." cc) Bedeutung der Kontrollrechte Dem Parlament den V o r w u r f zu machen, seine Kontrolle sei nur punktuell und sporadisch, ist unberechtigt. Die Lückenlosigkeit ist schon deshalb nicht gefordert, weil dem Parlament kein absolutes Ubergewicht über die Exekutive zukommt 1 1 1 . Insbesondere hat sie nicht die Aufgabe, das verantwortliche Handeln der 2. Gewalt zu ersetzen, indem sie aufhebend oder anweisend unmittelbar in die Verwaltung eingreift 1 1 2 . Es ist also nicht notwendig, daß die gesamte Exekutivtätigkeit 106 Ellwein, T., u n d A.Görlitz, Politische Kontrolle, S. 231; vgl. die Glosse von Münch, I. v., Hupphupphurra i m Bundestag, JZ 1970, 143. 107 Stein, E., Staatsrecht, § 10 I I I 1 (S. 67 f.). 108 Aus diesem G r u n d darf die Parlamentsöffentlichkeit als Vehikel der Verwaltungspublizität nicht überbewertet werden, so aber Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 73. 109 Vgl. oben C 11 b, bb. Der Wert des Enquête-Rechts hängt allerdings entscheidend davon ab, inwieweit i m Rahmen der „sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß" (Art. 44 I I 1 GG) die Bestimmungen der §§ 54, 96 StPO zur Geltung kommen. Dazu m i t ausf. Nachw. Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 132—139; Frost, H., Parlamentsausschüsse, S. 68 ff. Z u r Tragweite der Verweisung (Beschlagnahme u n d Durchsuchungen): S t G H Bremen, Entsch. v. 17. 4.1970, N J W 1970, 1309. 110 So: Stein, E., Staatsrecht, §101116 (S. 69 f.); i n gleichem Sinn: Sternberger, D., Parlamentarische Regierung u n d parlamentarische Kontrolle, i n : Strukturwandel der modernen Regierung, hrsg. v. T. Stammen, Darmstadt 1967, S. 274 (291 f.). 111 Fichtmüller, C. P., Bundesverwaltung, S. 332 f.; oben C I I 1 b, dd. 112 Z u den immanenten Grenzen der parlamentarischen Kontrolle ausführlich: Eichenberger, K , Die Problematik der parlamentarischen Kontrolle i m

I. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive

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der Kontrolle unterliegt, aber es ist entscheidend, daß kein Bereich aus der (möglichen) Uberprüfung ausgenommen ist 1 1 3 . Deshalb stellt sich die Frage, ob die Exekutive sich teilweise der Kontrolle entziehen kann. Dies muß mit Einschränkungen bejaht werden. Ein Grund dafür liegt zunächst in der fachmännischen Überlegenheit der Exekutive, der das Parlament nicht gewachsen ist 1 1 4 . Der Bundestag müßte eine eigene „Gegenbürokratie" schaffen, um die „informierte Gewalt" wirksam kontrollieren zu können. Wenn auch energische Anstrengungen in dieser Richtung unternommen werden, vor allem durch Forcierung der wissenschaftlichen und dokumentarischen Hilfsdienste 115 , so behält die vollziehende Gewalt doch ihren Vorsprung an Sachverstand. Weiterhin lebt das Parlament in einem Informationsdefizit 118 . Abgesehen von der eigenen Ermittlungsbefugnis in den Untersuchungsausschüssen sind die Abgeordneten zur Wahrnehmung des Interpellationsrechts ihrerseits auf einen gewissen Informationsstandard angewiesen, um überhaupt Fragen stellen zu können (oben bb). Jener entspricht i m Prinzip dem eines normalen Staatsbürgers 117 und verbessert sich nur durch den laufenden Kontakt mit Parteifreunden, Regierungsmitgliedern und Ministerialbeamten. I m Grunde ist also auch der Parlamentarier zur Ausübung seiner Kontrollrechte auf die Publizität der Exekutive angewiesen 118 . Fehlt diese, so leidet die Kontrollqualität Mangel. Zudem erweist es sich als Fiktion, daß das ganze Parlament Kontrollaufgaben wahrnimmt. Diese Funktion ist auf die Opposition übergegangen, weil sich durch die Interessenidentität zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung echte Kontrolle verbietet 119 . Es ist deshalb von Verwaltungsstaat, SchweizJZ 1965, 269 (289f.); vgl. auch Wolff, H. J., V e r waltungsrecht I I I , § 166 I b (S. 342). 113 Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische Kontrolle, S. 47. 114 Vgl. oben B l l l b ; Eichenberger, K., Parlamentarische Kontrolle, S. 285, nennt dies anschaulich „Sachkundenot". 115 Den gegenwärtigen Stand schildert: Jekewitz, J., Organisation u n d F u n k t i o n der V e r w a l t u n g des Deutschen Bundestages, DVB1. 1969, 513—524; zur Erforderlichkeit eines parlamentarischen Hilfsdienstes: Kleinrahm, K., Gesetzgebungshilfsdienst, S. 137 ff.; Odewald, J., Der parlamentarische H i l f s dienst, S. 69—125. 116 Kaiser, J. H., Interessen, S. 211, konstatiert für das Parlament eine „gewisse Ferne von den Fakten", w e i l seine originären Informationsmöglichkeiten nicht ausreichten. Auch Böckstiegel, K.-H., Gewaltenteilung, S. 1714, stellt die Entwicklung eines Informationsmonopols zu Lasten einer Informationslücke des Parlaments fest. 117 Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische Kontrolle, S. 46. 118 Folgerichtig bezeichnet Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 100, die Öffentlichkeitsarbeit über die Ausführung des Haushaltsplans als notwendige Vorbereitung für die parlamentarische Kontrolle. 119 M i t empirischen Nachweisen Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische K o n -

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

einer „Schrumpfung der Kontroll Wirkung der Volksvertretung" die Rede 120 . Aus diesen Gründen muß die Ausgangsfrage, ob das Parlament die politische Kontrolle der Exekutive eigenständig ausfüllen kann, negativ beantwortet werden. Der Wert der parlamentarischen Kontrolle ist vielmehr zweifelhaft 1 2 1 . dd) Folgerungen Die politische Kontrolle der Exekutive durch das Parlament kann keinen Ausschließlichkeitsanspruch erheben. Die Exekutive muß sich auch gegenüber dem Staatsvolk als dem Träger der Volkssouveränität öffnen, um dessen politische Kontrolle zu ermöglichen 122 . Diese Uberprüfung ist das reziproke Gegenstück zur Legitimation der staatlichen Gewalt durch Wahlen und Kommunikation. So wie Legitimation einen Kontrolleffekt besitzt, so bewirkt Kontrolle auch eine Verstärkung der Legitimität. Deshalb gelten die oben (1) angestellten Überlegungen auch hier. d) Ergebnis Kontrolle durch Öffentlichkeit erweist sich als wesentliches Moment der „politischen Kontrolle" 1 2 3 , die als Ergänzung der bereits anderweitig garantierten Nachprüfung in fachlicher, finanzieller und rechtlicher Sicht vom Parlament nicht voll geleistet werden kann. „Informative Kontrolle" bewirkt korrektes Verhalten durch das Bewußtsein des Beobachtetwerdens 124 . „Indem Beteiligte Kontrolle vorhersehen, werden sie zu Agenten der Kontrolle 1 2 5 ." Kontrollobjekt ist i n der Hauptsache die Regierung, weil ihr als gesamtplanender Zentralinstanz die politischen Grundentscheidungen obliegen. Das bedeutet nicht, daß sich der Verwaltungsmittel- und Unterbau durch Arkanverhalten der informativen Kontrolle entziehen darf. trolle, S. 225 ff.; ebenso Scholler, H., Interpellation, S. 410 ff., 414 f.; Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle, S. 397. F ü r die Fragestunde: Sternberger, D., Parlamentarische Regierung u n d parlamentarische Kontrolle, S. 292 f.; die Zusammenarbeit zwischen Regierung u n d parlamentarischer Mehrheit w i r d als „Sitzungszimmerparlamentarismus" bezeichnet, Leibholz, G., S t r u k turprobleme, S. 299. 120 So Eschenburg, T., Staat und Gesellschaft i n Deutschland, Stuttgart 1956, S. 609. 121 So auch weitgehend die Literatur, vgl. Ellwein, T., u n d A. Görlitz, Politische Kontrolle, S. 43 f. m. w. Nachw.; Berg, W., Ausschüsse, S. 24; Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle, S. 397 ff. 122 Demokratische Kontrolle kann also nicht n u r die parlamentarische sein, so aber Forsthoff, E., Strukturwandlungen, S. 21. 123 Ebenso Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle, S. 393. 124 Eichenberger, K , Parlamentarische Kontrolle, S. 270. 125 Morstein Marx, F., Interne Verwaltungskontrolle, S. 374.

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

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4. Zusammenfassung

Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive erschließt sich aus verschiedenen Quellen: Es dient zur Begründung und Erhaltung staatlicher Legitimität, es b e w i r k t Effizienz und rechtsstaatliche Mäßigung der Dezision u n d es besorgt informative Kontrolle. Nach diesen K r i t e r i e n richtet sich auch die verfassungsrechtliche Dichte der Pflicht zur Publizität. Legitimierende Öffentlichkeit betrifft die Regierung, entscheidungskonnexe Öffentlichkeit i n gestufter Intensität die gesamte Behördenhierarchie und kontrollierende Öffentlichkeit Gubernative vor A d m i n i strative. I I . Grenzen des Offentlichkeitsgebots Die Öffentlichkeit des Staatshandelns als verfassungsrechtliches Gebot erhält ihre praktische Relevanz erst m i t dem Abstecken der Grenzpfähle: Wie bisher stets betont, handelt es sich u m ein Prinzip, das die Ausnahme in sich trägt. Es muß sich erweisen, wie weit die Regel, daß jedem Funktionsträger zur Sicherung effektiver Aufgabenerfüllung ein Bereich der Nicht-Öffentlichkeit zugeordnet ist 1 2 8 , auch für die E x e k u t i v betätigung gilt. M i t der Ausrichtung auf die Effektivität ist aber auch schon gesagt, daß die Grenzziehung n u r dort, wo sie der Sachgerechtigkeit dient, legitim sein kann. Unter dieser Prämisse stehen die folgenden Ausführungen über die Wahrung des Staatsgeheimnisses (1), des Amtsgeheimnisses (2) und der Interessen Privater (3). Davon kann nicht mehr als die Skizzierung einiger Leitlinien erwartet werden. A n ihnen muß sich die Entscheidung i m n u r durch Spezialuntersuchungen erfaßbaren Einzelfall ausrichten. 1. Das Staatsgeheimnis

„Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die n u r einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind u n d vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, u m die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden." M i t dieser neugefaßten Legaldefinition i n § 93 I StGB durch das 8. S t Ä G vom 25. 6. 1968 (BGBl. I 741) hat der Gesetzgeber einer seit der Spiegel-Affäre langanhaltenden u n d eingehenden Diskussion über den Begriff des Staatsgeheimnisses ein 126 Aufgestellt von Schneider, P., Pressefreiheit, S. 99, der als augenscheinlichen Beweis die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses der Presse durch das ihr zustehende Zeugnisverweigerungsrecht anführt, § 53 I Nr. 5 StPO und die entsprechenden Bestimmungen der Landespressegesetze, dazu Löffler, M., Presserecht, Bd. I I , Landespressegesetze, 2. Aufl., München 1968, S. 424 ff.; vgl. auch unten E I I 2 c, aa e.

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Ende bereitet. Die Schilderung der wesentlichen Änderungen gegenüber dem alten Staatsschutz-Strafrecht w i r d ergeben, daß die Neuregelung manche Verdeutlichungen, aber auch gewisse Einschränkungen mit sich bringt. Das Öffentlichkeitsgebot w i r d deshalb nicht mehr i n demselben Umfang wie früher verengt. a) Die Ausscheidung illegaler Staatsgeheimnisse Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind gemäß § 93 I I StGB in Klarstellung zum bisherigen Rechtszustand keine Staatsgeheimnisse 127 . Der öffentlichen Diskussion zur Aufdeckung illegaler Vorgänge i m staatlichen Bereich ist somit der Vorrang vor der äußeren Sicherheit eingeräumt 128 . M i t dem Hinweis auf die „freiheitliche demokratische Grundordnung" ist gleichzeitig auch positiv ausgesprochen, daß Staatsgeheimnis nur sein kann, was nicht den elementaren Grundwerten der Verfassung widerspricht. Das Bundesverfassungsgericht 129 rechnet dazu „die Achtung vor den i m Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition". Auch die Einhaltung des A r t . 26 I GG (Verbot des Angriffskrieges) bestimmt die Grenzen des Staatsgeheimnisses 130 . Die Wahrung der Verfassung ist somit Maßstab für die Abgrenzung 1 3 1 von legalem zu illegalem 1 3 2 Staatsgeheimnis und deshalb auch Richtpunkt für das Geheimverhalten der Exekutive. 127

Z u m Meinungsstand v o r der Gesetzesänderung, ob ein illegales Staatsgeheimnis überhaupt existieren könne, vgl. die Nachweise bei Dreher, E., Strafgesetzbuch, 32. Aufl., München 1970, § 93, Anm. 3. 128 Krauth, H., W. Kurfess u n d H. Wulf, Z u r Reform des StaatsschutzStrafrechts durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz, J Z 1968, 609 (611); Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch-Kommentar, 15. Aufl., München 1970, § 93, Rdnr. 24. Der Verrat von illegalen Geheimnissen k a n n i n den Fällen des § 97 a StGB dennoch strafbar sein. Die irrige Annahme eines illegalen Geheimnisses w i r d nach § 97 b StGB geahndet. 129 BVerfGE 2, 1 (13). 130 Dreher, E., StGB, §93, A n m . 3. Daraus ergibt sich, daß zumindest die wehrpolitische Grundsatzdebatte niemals dem Begriff des Staatsgeheimnisses unterfallen kann, w e i l zwischen Vorwärtsverteidigung u n d Aggression verwischbare Unterschiede bestehen; so Schneider, P., Pressefreiheit, S. 104 ff. 181 Arndt, A., Demokratische Rechtsauslegung am Beispiel des Begriffs „Staatsgeheimnis", N J W 1963, 24 (25); Windsheimer, H., Information, S. 50. 132 Dies bedeutet, daß ein Beamter bei Preisgabe von Nichtgeheimnissen

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

b) Begriffselemente

137

des Staatsgeheimnisses

Wie i n § 99 I a. F. StGB wurde auch in § 93 I StGB der materielle Geheimnisbegriff beibehalten. Es kommt nicht auf eine formelle Absonderung des Objekts oder auf den Geheimhaltungswillen des Geheimnisträgers, sondern nur auf die inhaltliche Geheimhaltungsbedürftigkeit an 1 3 3 . Diese Tatsache ist für die Begrenzung des Öffentlichkeitsgebots insofern von Bedeutung, als die Exekutive durch das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der förmlichen Sekretur nicht in Versuchung geraten soll, schlichte Amts- oder Regierungsgeheimnisse zu Staatsgeheimnissen aufzuwerten 134 . Schließlich sind auch nachrichtendienstliche oder diplomatische Geheimnisse nur dann Staatsgeheimnisse, wenn ihr Verrat gleichzeitig die äußere Sicherheit der Bundesrepublik beeinträchtigen würde 1 3 5 . Die Beschränkung des Schutzgegenstandes auf die äußere Sicherheit bewirkt zugleich, daß etwaige innenpolitische Vorteile (etwa Förderung der politischen Willensbildung) den außenpolitischen Schaden nicht aufwiegen können 138 . Außerdem w i r d durch die Formulierung „schwerer Nachteil" erreicht, daß ein Staatsgeheimnis erst jenseits einer gewissen Bedeutungsschwelle greifbar wird 1 3 7 . Der Begriff des Staatsgeheimnisses ist also durch die Neuformulierung wesent-

i. S. v. § 93 I I StGB auch nicht nach § 353 b StGB bestraft werden kann. Das ist die zwingende Folg;e des Öffentlichkeitsgebots, das verfassungswidriges Verhalten a p r i o r i der öffentlichen Kontrolle zuführt. N u r i n Zweifelsfällen muß der Amtsträger die Abhilfemöglichkeiten des § 97 b, also auch den Dienstweg, benutzen, schon u m selbst dem Strafrisiko zu entgehen. Bedenklich deshalb die Pätsch-Entscheidung des BVerfGE28, 191, das nicht die E i n deutigkeit, sondern die Schwere des Verfassungsbruches als Maßstab n i m m t u n d m i t der Funktionsfähigkeit der V e r w a l t u n g abwägt (a.a.O., S. 204 f.); dazu die kritische A n m . v. Kalkbrenner, H., BVB1. 1970, 360 f. Vgl. auch BVerfGE 25, 296 (305 f.): „ . . . (wird) bei der Aufdeckung w i r k l i c h e r Mißstände das Informationsinteresse der Öffentlichkeit i n der Regel höher s e i n . . . als das Interesse der Behörde, Informationen nicht nach außen dringen zu lassen." 188 Schönke-Schröder, §93, Rdnr. 5; Dreher, E., StGB, §93, A n m . 2 C. 134 Woesner, H., Staatsschutzstrafrecht, N J W 1968, 2133; Schönke-Schröder, § 93, Rdnr. 5. I n dem neuen Tatbestand des § 95 StGB, der den „publizistischen Landesverrat" auffangen soll, ist allerdings die klare Erkennbarkeit des Geheimhaltungswillens einer amtlichen Stelle als zusätzliches faktisches Warnelement aufgenommen, Schönke-Schröder, § 93, Rdnr. 6; Krauth-Kurfess-Wulf, S. 610 f. 135 Dreher, E., StGB, § 93, A n m . 2 C. 138 Schönke-Schröder, §93, Rdnr. 17; Dreher, E., StGB, §93, A n m . 2 C, jew. m. w. Nachw. über Gegenstimmen, die das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bereits i m Rahmen des Geheimnisbegriffes m i t berücksichtigen wollen. Dagegen spricht jedoch, daß als materielles K r i t e r i u m i n § 931 n. F. StGB n u r die äußere Sicherheit der B R D genannt ist, vgl. Krauth-KurfessWulf, S. 610. 187 Krauth-Kurfess-Wulf, S. 609 f.; Arndt, A., Landesverrat, S. 39; SchönkeSchröder, § 93, Rdnr. 19.

138

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

lieh konkreter und faßbarer geworden. Soweit sich die vollziehende Gewalt im Besitz von Staatsgeheimnissen befindet 138 , kann deshalb eine Berufung darauf nicht als schrankenloses A l i b i für die Nichtbefolgung des Öffentlichkeitsgebots dienen 139 . c) Dispositionsbefugnis

der Staatsorgane?

Die Exekutivorgane haben jedoch u. U. ein Interesse daran, ein Staatsgeheimnis aus politischen Erwägungen preiszugeben (etwa den Besitz einer neuen Verteidigungswaffe zu publizieren). Adolf Arndt hat eine solche Dispositionsbefugnis strikt abgelehnt, weil das Staatsgeheimnis eine rechtliche, keine politische Qualifikation sei 140 . Unter der Wirkung des Öffentlichkeitsgebots w i r d man jedoch der staatlichen Gewalt die freiwillige Einschränkung ihres Arkanbereiches zugestehen müssen. Auch eine strafrechtliche Ahndung w i r d dann in der Regel entfallen 141 . Staatsgeheimnisse können demnach von der vollziehenden Gewalt zwar nicht erweitert, aber aus Gründen der politischen Opportunität eingeschränkt werden. 2. Das Amtsgeheimnis

Das Amtsgeheimnis ist i n keiner gesetzlichen Definition näher umrissen. Seine allgemeine Umschreibung kann nur so lauten: „Ein Amtsgeheimnis ist ein Geheimnis, dessen Kenntnis sich i m wesentlichen auf Amtsträger und Behörden beschränkt und in Ausübung amtlicher Funktionen erlangt worden ist" 1 4 2 . Wäre diese Aussage aber auch für den materiellen Umfang des Amtsgeheimnisses maßgebend, würde für ein Öffentlichkeitsgebot kein Raum mehr verbleiben. Dessen Bestehen verlangt aber gerade, daß es nur dort durchbrochen wird, wo dies berechtigte Geheimhaltungsinteressen verlangen 143 . Nur so kann also der materielle Kern des Amtsgeheimnisses und damit die Grenze des Öffentlichkeitsgebots geklärt werden.

138 Auch Privatleuten (etwa Wissenschaftlern) k a n n ein Staatsgeheimnis zugänglich sein, Schönke-Schröder, § 93, Rdnr. 6. 189 „Nach unserer Verfassungsordnung ist Öffentlichkeit die Regel, ein Staatsgeheimnis die Ausnahme", Hall, K.-H., Notstandsprobleme, S. 146. 140 Arndt, A., Staatsgeheimnis, S. 25; ders.: Landesverrat, S. 49 ff. 141 Dreher, E., StGB, § 93, Anm. 4 C m. w. Nachw. über die Diskussion des Problems i m Bundestagsausschuß für die Strafrechtsreform (5. Wahlperiode). 142 Düwel, P., Das Amtsgeheimnis, S. 232. 148 Ob u n d inwieweit private Interessen von der Exekutive geheimzuhalten sind, soll unter (3) erörtert werden.

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

a) Positivrechtliche

139

Anhaltspunkte

aa) Die Amtsverschwiegenheit Die gesetzliche Regelung über die Amtsverschwiegenheit der Beamten könnte zunächst einen Hinweis geben, welche Merkmale das Amtsgeheimnis bestimmen. § 61 BBG 1 4 4 verpflichtet den Beamten, über alle i h m dienstlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Nur Mitteilungen i m dienstlichen Verkehr oder Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, sind davon ausgenommen (§ 61 I 2 BBG). Diese Vorschriften treffen jedoch nur die Bediensteten, nicht die Behörde als solche 145 . Es sind dienstrechtliche Bestimmungen, die zwar als Mittel der Geheimhaltung dienen, aber noch nichts über den Umfang des Geheimnisses aussagen 148 . Was der Amtsverschwiegenheit unterliegt, ist deshalb noch kein Amtsgeheimnis 147 . bb) Die Aussagegenehmigung Eine Interessenabwägung mit Auswirkung auf die Reichweite des Amtsgeheimnisses nimmt der Gesetzgeber aber in § 621 BBG vor 1 4 8 . Die Aussagegenehmigung für den Beamten als Zeugen (§ 61 I I BBG), die für alle Prozeßarten gilt (vgl. etwa § 54 StPO, § 376 ZPO; anders nur § 28 I I 1 BVerfGG 1 4 9 ), darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Die Bedeutung dieser Norm ergibt sich aus dem Vergleich mit der speziellen Aussagegenehmigung in § 28 I I 1 BVerfGG. Indem der Gesetzgeber hier als Verweigerungsgrund ausschließlich „das Wohl des Bundes oder eines Landes" nennt, gibt er zu erkennen, daß er vor dem höchsten Gericht nur besonders wichtige, das 144 Sowie § 39 I, I I B R R G u n d die entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze (etwa A r t . 69 I BayBG). 145 Groß, R., Verschwiegenheitspflicht des Beamten u n d Auskunftspflicht der Behörden, Z B R 1962, 185 (186); ders.: Z u m Amtsgeheimnis, R i A 1966, 81 (82); ders.: Grundzüge des deutschen Presserechts, Göttingen 1969, S. 92; a. A. Gehrhardt, E., Der Informationsanspruch der Presse u n d die Verschwiegenheitspflicht des Beamten, ArchPR Nr. 69 (1966), S. 633 (634). 146 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 34 f. Zur Rechtfertigung der Verschwiegenheitspflicht führt BVerfGE 28, 191 (198) an, daß n u r so die öffentliche V e r w a l t u n g „rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig u n d unparteiisch arbeiten" könne. 147 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 36. 148 Die entsprechenden Bestimmungen finden sich i n § 39 I I I , I V BRRG bzw. Art. 70 BayBG. 149 Ausführliche Nachweise bei Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 125 (Fn. 7).

140

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Staatsganze betreffende Geheimhaltungsinteressen berücksichtigen will. Sonstige öffentliche Interessen, etwa Nachteile oder Schäden, die der Funktionsfähigkeit der Verwaltung drohen, werden von § 28 I I 1 BVerfGG nicht erfaßt 150 . Die zusätzliche Erwähnung des allgemeinen Begriffs „Erfüllung öffentlicher Aufgaben" in § 62 I B B G eröffnet dagegen der Genehmigungsversagung ein wesentlich weiteres Feld 1 5 1 . Die Versagung der Aussagegenehmigung läßt sich hier sogar m i t der Wahrnehmung „öffentlicher Interessen" 152 schlechthin rechtfertigen, weil das Wohl des Staates nichts anderes ist, als eine besonders hervorgehobene öffentliche Aufgabe 153 . A n diesem Ergebnis ist bemerkenswert, daß der Gesetzgeber letzten Endes auch dort, wo er die Interessenabwägung zur Eingrenzung des Amtsgeheimnisses anspricht, nur vage Anhaltspunkte gibt. I m Grunde verfolgt er damit nichts anderes, als die Interessenbewertung und -entscheidung dem zuständigen Amtsträger zu übertragen 154 . cc) Die Verrechtlichung der Geheimhaltungsinteressen Die Bestimmung und Abgrenzung „öffentlicher Interessen" als rechtfertigendem Maßstab des Amtsgeheimnisses kann dennoch nicht der bloßen W i l l k ü r des Amtsträgers unterliegen. Die Wahrnehmung öffentlicher Interessen ist vielmehr Ermächtigung, aber auch Schranke jeder Verwaltungstätigkeit 1 5 5 . Jene müssen der Verwaltung vorgegeben sein. Dies geschieht durch die konkretisierenden Hinweise in Konstitution und Norm. „Ohne eine solche Verrechtlichung durch Verfassung und Gesetz ist die Berufung auf öffentliche Interessen auch in der Demokratie juristisch irrelevant.. . 1 5 6 ." M i t der Globalverweisung auf die Rechtsordnung ist jedoch nicht gesagt, daß sich ein allgemeingültiger Begriff des „öffentlichen Interesses" festlegen ließe. Es kommt immer 150 Geiger, W. f Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, B e r l i n 1952, § 28, A n m . 5; Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 126 f. 151 Fischbach, O. G., Bundesbeamtengesetz I, 3. Aufl., K ö l n 1964, § 62, A n m . 112 (S. 470 f.); Plog-Wiedow-Beck, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl., Neuwied 1965, § 62, A n m . I I 1 b. 152 Hier erweist sich die Gefahr, die i n der Weite der Formel, j a i n ihrer Undefiniert)arkeit liegt, dazu Leisner, W., Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, 217, 223; zu einer möglichen Begriffsbestimmung aus Gesetz und Verfassung unten cc. 153 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 127; Fischbach, O. G., Bundesbeamtengesetz, § 62, Anm. I I 2 (S. 471). 154 Z u diesem Ergebnis k o m m t Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 153, nach eingehender Untersuchung der v o m Gesetzgeber gesetzten Maßstäbe zur A b wägung von Geheimhaltungs- u n d Informationsinteresse. 155 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I, v o r § 29 I (S. 146). 156 So Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 185, 193. I m gleichen Sinn: Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 161 f.

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

141

auf die Sinnermittlung des jeweiligen gesetzlichen Zusammenhangs an 157 . Erschließung des Sinngehalts bedeutet aber auch, daß der Amtsträger das öffentliche Interesse i m Einzelfall nicht zu werten, sondern nur zu konstatieren hat 1 5 8 ; ein Ermessensspielraum steht i h m nicht zu. Der Richter kann seine Entscheidung in vollem Umfang überprüfen. Die Reichweite des Amtsgeheimnisses als Kontrapunkt zum Öffentlichkeitsgebot ist also von der Entscheidung im Einzelfall abhängig. Es ist jedoch nachdrücklich zu betonen, daß die Öffentlichkeitsverpflichtung als sogar verfassungsrechtlich verbürgtes „öffentliches Interesse" ein ganz erhebliches Gewicht auf die Waagschale bringt. Die Geheimhaltungsinteressen ihrerseits müssen so überzeugend dargetan sein, daß sie den Verfassungsbefehl aufwiegen. Wenn sich die Verwaltung bei der Interessenabwägung dessen bewußt ist und nicht bequeme Vorwände vorschiebt, erhält auch das Amtsgeheimnis neu konkretisierte Relevanz, wie es der Gesetzgeber beim Begriff des Staatsgeheimnisses vorgezeichnet hat. b) Das Verwaltungsinteresse

als Grenze

Es kann allerdings nicht der Sinn des Öffentlichkeitsgebots sein, den Ablauf der Behördenarbeit zu lähmen und damit die Funktionsfähigkeit der Exekutive empfindlich zu stören. Deshalb müssen auch die „Verwaltungsinteressen" 159 als Begrenzung beachtet werden. aa) Die Funktionsfähigkeit als Verfassungsgebot Die vom Grundgesetz vorgeschriebene repräsentative Ausübung der Staatsgewalt impliziert eine gewisse Eigenständigkeit der m i t ihr befaßten Organe. Sollen sie Verantwortung tragen, müssen ihnen die Mittel gegeben sein, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Dazu gehört zuerst und vor allem, daß den staatlichen Behörden Raum gegeben wird, die Verwaltungsformen zu entwickeln, die eine effiziente Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen. „Der demokratische Rechts157 Ebenso Rupp, H. H., Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen — Bedeutung der Begriffe i m Verwaltungsrecht, i n : Bd. 39 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Berlin 1968, S. 116 (121 f.); Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 195 f.; „öffentliche Interessen" i n der Rechtsprechung des BVerfG untersucht eingehend Häberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 90 ff., 260 ff. iss Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 194 f.; die gerichtliche Nachprüfbarkeit des „öffentlichen Interesses" als unbestimmtem Rechtsbegriff w i r d von Leisner, W., Privatinteressen als öffentliches Interesse, S. 221, allerdings als „rechtsstaatlicher Pyrrhussieg" angesehen, w e i l die Begriffsbestimm u n g dann n u r von der Exekutive auf die Judikative verschoben werde. 159

Begriff von Wolff,

H. J., Verwaltungsrecht I, § 2 9 I V b (S. 151).

142

D. Das

ffentlichkeitsgebot der Exekutive

s t a a t . . . setzt notwendig eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung voraus 160 ." Eine „intakte Hoheitsgewalt" 1 8 1 kann deshalb berechtigterweise auf einem bestimmten „Intimbereich" beharren, wenn dies die Effizienz ihrer Arbeit erfordert 162 . bb) Die Interessen der beteiligten Amtsträger Verwaltung w i r d von Menschen gemacht. Publizität bringt Parteinahme, Lob, K r i t i k oder Pression von außen in die Amtsstuben. Zielscheibe ist aber nicht die Behörde als anonymer Teil der Bürokratie, sondern der einzelne Beamte als ihr ansprechbarer Repräsentant. Verfolgt das Publikum aber den Amtsträger auf Schritt und Tritt, werden seine Eigeninitiative kleiner und seine Beeinflußbarkeit größer. Vor allem der Druck der pluralen Interessen würde, wenn er schon in der frühesten Phase der Verwaltungsüberlegungen zugelassen wäre, die Unparteilichkeit des Beamten besonders beeinträchtigen. Bei diesen Gegebenheiten ist deshalb die Forderung nach Unparteilichkeit von besonderer Dringlichkeit 1 6 3 . Die Verwaltungspublizität muß i n Rechnung stellen, daß die Beamten an das Wohl der Allgemeinheit gebunden und zu unparteiischer und gerechter Amtsführung verpflichtet sind 164 , vgl. § 52 I 2 BBG, § 35 I 2 BRRG, Art. 62 I 2 BayBG. Ihnen muß ein amtsbezogener

Überlegungsspielraum

gesichert sein, i n dem sie i n selbst-

schöpferischer und eigenverantwortlicher Abgeschlossenheit ihre Entschlußfreiheit bewahren können 165 . Andererseits kann die Bestimmung des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit" nicht nur der Beurteilung durch die Staatsdiener überlassen bleiben. Die Interessen aller müssen in einem fairen und praktischen Verfahren zusätzlich zur Geltung kommen 166 . Dies markiert die Grenze des 160 BVerfGE 9, 268 (281). 161 Gallwas, H.-U., Der Mißbrauch von Grundrechten, S. 95 m. w. Nachw. zu dieser Frage. 162 BVerfGE 28, 191 (200), legt allerdings bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 353 b StGB das Gewicht zu einseitig auf den „Gemeinschaftsw e r t " des einwandfreien Funktionierens einer geordneten Verwaltung, ohne eine restriktive Auslegung infolge des Öffentlichkeitsgebots i n Betracht zu ziehen. Dabei würde eine kompromißlose Aufdeckung von Verfassungsverstößen den Verwaltungsablauf eher fördern, w e i l sie das Vertrauen i n die Integrität der Administrative stärkt, Kalkbrenner, H., S. 361. 163

Ryffel, H., Unparteilichkeit, in: „Verwaltung", S. 264 (274). Dazu nähere Einzelheiten bei Ule, C. H., öffentlicher Dienst, i n : Die Grundrechte, IV/2, hrsg. v. Bettermann-Nipperdey, B e r l i n 1962, S. 537 (645 ff.). 165 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 176, spricht von einem seelisch-geistigen Eigenraum, w i e er jedermann zusteht. Es k o m m t jedoch darauf an, die F u n k tionsbezogenheit dieser Eigensphäre zu betonen. 168 Das Verfahren als Bestimmungsmittel des Gemeinwohls stellen besonders heraus: Ryffel, H., Unparteilichkeit, S. 268 f.; ders.: öffentliche I n t e r 184

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

143

Uberlegungsspielraumes des Beamten: Er darf nicht selbstherrlich entscheiden, sondern muß auch die Interessen von außen berücksichtigen. Die darin liegende Gefährdung der Integrität des Amtsträgers birgt gleichzeitig auch die Möglichkeit der Selbstbestätigung und Prestigeerhöhung in sich: Zeigt sich der Beamte souverän genug, auch fremde Interessen verantwortungsbewußt zu berücksichtigen, ohne seine Neutralität aufs Spiel zu setzen, w i r d daraus erhöhtes Ansehen und verfestigte Unparteilichkeit entspringen. Hierin erweist sich, daß strikte Abschirmung der Beamtenpersönlichkeit die Verwaltungsinteressen eher gefährden als unterstützen würde. cc) Die Sicherung der Verwaltungseffizienz Verwaltungsarbeit muß effektiv sein, — und trotz Öffentlichkeitsgebot effektiv bleiben. Verwaltungspublizität ist zwar auch als M i t t e l der Verwaltungsführung zu verstehen 167 , es kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß ein verfrühtes Bekanntwerden der von der Exekutive angestellten Überlegungen die endgültige Dezision auch erheblich erschweren kann 1 6 8 . Eine zu weite Öffnung gegenüber dem Interessenpluralismus würden den Gang des Entscheidungsprozesses stören. Diese Folgen mögen hingenommen werden, wenn das Verfahren bereits i n ein entscheidendes Stadium getreten ist; anders aber, wenn es sich nur um unverbindliche Vorschläge oder um Vorüberlegungen handelt: Diese werden dann durch die vorzeitige Publikation zu drohenden Entscheidungen umfunktioniert. Die schöpferische Phantasie der Verwaltung würde gelähmt. Diese Gefahr muß vor allem i m Zeichen der Planung gesehen werden, die das Gebot der Stunde zu sein scheint 169 . I m Stadium der Plankonzeption, welche der Plandurchführung vorausgeht 170 , spielt das spekulative Element eine wichtige Rolle 171 . I n der Reihenfolge der Datenaufbereitung, Strukturanalyse und Prognose müssen die Unteressen u n d Gemeinwohl — Reflexionen über I n h a l t und Funktion, i n : Bd. 39 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, B e r l i n 1968, S. 13 (27 ff.); Rupp, H.-H., ebenda, S. 117; Haberle , P., Gemeinwohljudikatur, S. 262, 279 ff. 167 Vgl. oben I 2 b. 168 Es ist n u r an den F a l l zu denken, daß ein Flugplatzstandort i n die engere W a h l kommt, sich die lokalen Befürworter u n d Gegner formieren u n d die Verwaltung unter Druck setzen. 169 Herzog, R., Gesetz und Verwaltung, V V D S t R L 24, B e r l i n 1966, S. 183 (202); dazu schon oben I 2 b , cc. 170 Diese Unterscheidung trifft deutlich Kölble, J., Wirtschaftsplanung, S. 477. 171 Den A b l a u f eines Planungsvorganges schildert i n s t r u k t i v : Geiger, K., Entwicklungsplanung i n Baden-Württemberg, S. 204.

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

lagen gesichtet und die Möglichkeiten kalkuliert werden 1 7 2 . Hier sind hilfsweise Untersuchungen notwendig, ein Denken in Alternativen 173, welches das Risiko des Auftauchens von unbekannten Faktoren auf ein Minimum mindert. Die Analyse der „possible futures 1 7 4 " verlangt Experimente, Computereinsätze oder Planspiele, bei denen Rechtsprobleme noch außer Ansatz bleiben können 175 . Vor allem die Spieltheorie ist ein geeignetes Mittel, die Erfolgschancen geplanter Unternehmungen abzuschätzen und optimal zu verwirklichen 1 7 8 . Da sich Planspiele zulässigerweise i m rechtsfreien Raum bewegen, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn etwa eine Offensiv-Strategie (welche Art. 26 I GG widersprechen würde, vgl. oben 1 a), auf dem Reißbrett durchdacht wird, um die verfassungsrechtlich gebotene Alternative der Verteidigung um so besser entwerfen zu können 177 . Exekutivpublizität würde hier den Anschein des Widerrechtlichen erwecken und vor allem dem außenpolitischen A n sehen der Bundesrepublik beträchtlichen Schaden zufügen. Diese Auswirkungen könnten verhindert werden, wenn man der Verwaltung die Wahl des Zeitpunkts überließe, in dem sie ihre Überlegungen dem Publikum unterbreitet. Die Lösung w i r d in Schweden praktiziert, wo im Rahmen der „Aktenöffentlichkeit" behördliche Schriftstücke u. a. erst dann eingesehen werden können, wenn sie in einer genehmigten Endfassung vorliegen 178 . Düwel 179 berichtet von dem amerikanischen Rechtsgrundsatz der „doctrine of executive privilege", der dazu berechtigt, vorbereitende Verwaltungsmaßnahmen vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten. Ein derartig schrankenloser Publizitätsvorbehalt zugunsten der Verwaltungsbehörden würde jedoch das Öffentlichkeitsgebot in Frage stellen. So wie sich objektiv kein Publizitätseinschnitt i m Laufe des Verwaltungsverfahrens fixieren läßt, so kann dessen Festlegung auch nicht dem Belieben der Behörden überlassen werden. Auch 172 W i e F n . 1 7 1 > Die Bereitstellung von Alternativen spielt speziell i n der langfristigen Finanzplanung eine wichtige Rolle, vgl. dazu Grund, W., Die mehrjährige Finanzplanung des Bundes, i n : Planung I I I , hrsg. v. J . H . K a i s e r , BadenBaden 1968, S. 47 (59, 61 f.). 174 Kaiser, J. H., Planung, S. 19. 175 Herzog, R., Technischer Fortschritt, S. 27. 176 Z u r Spieltheorie allgemein: Deutsch, K . W., Politische Kybernetik, S. 96 ff. 177 Als die Zielvorstellung gilt die Abschreckung von einem Angriff auf die Bundesrepublik und der Schutz ihrer Bevölkerung, Schliefen, A. v., Begriff und aktuelle Elemente militärischer Planung, i n : Planung I I , hrsg. v. J. H. Kaiser, Baden-Baden 1966, S. 29 (31). 178 Petren, G., Die Aktenöffentlichkeit i n Schweden, V e r w A r c h 4 9 (1958), S. 323 (324); nähere Einzelheiten unten I I I 3 b. 179 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 176. 173

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

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hier muß die Interessenabwägung von Fall zu Fall entscheiden, ob der Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz eine Durchbrechung des Öffentlichkeitsgebots rechtfertigt. dd) Die Form der Verwaltungspublizität Das angeführte Beispiel der Aktenöffentlichkeit in Schweden deutet schon an, daß es zur Sicherung der Effizienz der Verwaltungstätigkeit ganz wesentlich auch auf die Form der Verwaltungsöffentlichkeit ankommt. Ständige Anwesenheit des „Jedermann" bei jeder Verwaltungsarbeit würde die Menschenwürde des Beamten berühren und technisch undurchführbar sein. Dagegen ist es denkbar, daß etwa i n einem bestimmten Stadium des Planungsverfahrens öffentliche Anhörungen stattfinden, die auch quivis ex populo und Vertretern der Presse die Anwesenheit gestatten 180 . Wo die unmittelbare Öffentlichkeit nicht zugelassen werden kann, hilft Akteneinsicht durch den Informationssuchenden. Wenn wiederum der Akteninhalt ein schützenswertes Amtsgeheimnis enthält, bleibt die Auskunftserteilung durch die Behörde. Die Informationsmittel können sich also dem Informationsbedürfnis anpassen, ohne es zu verletzen 181 . A u f diese Weise sollten auch schwerwiegende Bedenken wegen einer etwaigen Störung der Verwaltungseffektivität ausgeräumt werden können. 3. Der Schutz privater Interessen

Die Exekutive ist Depositar von vielfältigen Privatinteressen. Teils durch Zwang, teils durch freiwillige Mitteilung erfährt sie Umstände, an denen der Private ein Geheimhaltungsinteresse hat. Darf die Verwaltung diese Geheimnisse preisgeben, wenn ihr die Öffentlichkeit des Handelns geboten ist? a) Die Schutzbestimmungen aa) Ausdrückliche Schweigegebote Eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften verbürgt ausdrücklich die Geheimhaltung von privaten Interessen. §§ 22, 412 AO schützen das 180 Aktuelles, nachahmenswertes Beispiel: Z u den städtebaulichen Planungen, insbesondere von Behördenbauten, i n Bonn sollen zuerst die Öffentlichkeit gehört werden, dann ein Expertengespräch stattfinden u n d schließlich ein Programm über das weitere Vorgehen veröffentlicht werden, vgl. Dreher, K. R-, Bonn soll nicht mehr heimlich planen, i n : Süddeutsche Zeitung, Nr. 90 v. 15. 4.1970, S. 48. 181 Diese graduelle Abstufung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip w i r d durch die Rechtsprechung bestätigt, vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 4. 6.1970, N J W 1970, 1760 (1761 r. Sp.): eine Auskunft aus den Personalakten k a n n unbedenklicher sein als die Einsichtsgewährung.

10 Jerschke

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Steuergeheimnis, § 139b I 3 GewO, § 9 Kreditwesengesetz, § 40 Wasserhaushaltsgesetz, § 17 Kriegswaffengesetz, § 15 I V Bundesleistungsgesetz oder § 44 I V Außenwirtschaftsgesetz garantieren insbesondere die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, § 121 StatistikG verbietet die Einzelangabe von persönlichen oder sachlichen Verhältnissen. Diese Spezialbestimmungen 182 statuieren für die Verwaltung absolute Schweigegebote und begrenzen den Umfang der ihr gebotenen Publizität. Es ist jedoch fraglich, ob diese punktuellen Sicherungen der Privatinteressen genügen, vor allem wenn die Verwaltung Kenntnisse erlangt, die nicht vom Schutzbereich der absoluten Schweigegebote erfaßt sind. bb) Die generelle Aussage des Grundgesetzes Das Grundgesetz bekennt sich neben einigen speziellen Gewährleistungen des individuellen Geheimbereichs (insbesondere A r t . 10, 6 I GG) zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in A r t . 2 I, welches als besondere Ausprägung den Schutz der individuellen Geheimsphäre umfaßt 183 . Dem Bürger ist ein unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung garantiert, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist 1 8 4 . „Eine Verletzung dieses Persönlichkeitsrechts begeht, wer sich unbefugt Kenntnis eines Geheimnisses verschafft oder das ihm zulässigerweise zur Kenntnis gelangte Geheimnis unbefugt Dritten oder der Öffentlichkeit mitteilt 1 8 5 ." M i t der Gleichbewertung von Kenntnisverschaffung 188 und Offenlegung 187 steht zugleich fest, daß auch die Preisgabe von Privatgeheimnissen an die Schranken des Art. 2 I GG gebunden, d. h. sich auf eine formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm 188 stützen muß, — soll sie nicht rechtswidrig sein 189 . Die 182 Umfassende Nachweise über weitere Gesetzesvorschriften bei Groß, R., Presserecht, S. 9 3 1 ; Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 327 (Fn. 4); Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 99 (Fn. 6), der auf S. 108 (Fn. 44) darauf hinweist, w i e unterschiedlich der strafrechtliche Schutz der Geheimhaltungsvorschriften ausgestaltet ist. 183 Dazu eingehend Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 325 ff.; Nipperdey, H. C., Freie Entfaltung der Persönlichkeit, i n : Die Grundrechte, IV/2, S. 741 (847 ff.); Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 8 9 1 ; Düwel, P., A m t s geheimnis, S. 100 ff. 184 Zuletzt BVerfGE 27, 344 (350 f.) m i t dem zusätzlichen Hinweis auf A r t . I I u n d 1 9 I I G G ; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 177 (Fn. 96), schlägt als Kennzeichnung den Begriff der „Innerlichkeit" vor. iss Nipperdey, H. C., Freie Entfaltung der Persönlichkeit, S. 848 f. 186 Beispiele für gesetzlich normierte Informationsinteressen der Exekutive gibt Roth, G., Das Auskunftsrecht der Wirtschaftsverwaltung, V e r w A r c h 57 (1966), S. 225 ff. 187 So auch Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 329. 188 So umschreibt BVerfGE 6, 32 (38, 41), den Begriff „verfassungsmäßige Ordnung" i n Art. 2 I GG; zur K r i t i k an diesem U r t e i l Nipperdey, H. C., Freie Entfaltung der Persönlichkeit, S. 791 ff.

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

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V e r w a l t u n g k a n n die G e h e i m h a l t u n g s i n t e r e s s e n P r i v a t e r n u r ü b e r gehen, w e n n sie dazu i n e i n e m Gesetz e r m ä c h t i g t w i r d 1 9 0 . A n d e r s als b e i m A m t s g e h e i m n i s , welches die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g zwischen d e m öffentlichen G e h e i m h a l t u n g s i n t e r e s s e (geprägt d u r c h d i e e i n z e l n e n gesetzlichen B e s t i m m u n g e n ) u n d d e m öffentlichen I n f o r m a t i o n s i n t e r e s s e d e m A m t s t r ä g e r ü b e r l ä ß t , ist die E x e k u t i v e z u m s t r i k t e n Schutz d e r i h r z u g ä n g l i c h e n P r i v a t g e h e i m n i s s e v e r p f l i c h t e t 1 9 1 , solange n i c h t e i n Gesetz a u s d r ü c k l i c h eine Preisgabe u n t e r b e s t i m m t e n M o d a l i t ä t e n g e s t a t t e t 1 9 2 .

b) Die erlaubte

Preisgabe

Sie k a n n u n z w e i f e l h a f t d a n n erfolgen, w e n n der G e h e i m h a l t u n g s interessent die V e r w a l t u n g v o n der W a h r u n g des P r i v a t g e h e i m n i s s e s e n t b i n d e t 1 9 3 . Sie ist f e r n e r zulässig, w e n n e i n Gesetz das G e h e i m h a l -

189 Diesen Gedankengang entwickelt ausführlich Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 102 f.; so auch Kamlah, R., Datenüberwachung und Bundesverfassungsgericht, DÖV 1970, 361 (363). 190 Rechtsstaatliche Erwägungen haben hier also den Vorrang, Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 61 (Fn. 112). „ A u f die Verschwiegenheit... hat insbesondere der Bürger Anspruch, der sich m i t einem Anliegen an eine Behörde wendet oder dessen Lebenssphäre sonstwie von der Tätigkeit der Behörde betroffen w i r d " , BVerfGE 28, 191 (198 f.). 191 Hier bedürfen neu aufgetretene, technisch bedingte Gefährdungen der Persönlichkeitssphäre einer rechtlichen Bewältigung, nachdem die E D V eine unbegrenzte Speicherung u n d beliebig programmierbare Auswertung v o n Privatdaten ermöglicht; dazu Kamlah, R , a.a.O., S. 361 f.; Podlech, A., Datenbanken, S. 474 f. 192 Das BVerfGE 27, 344 (351 f.), beschreibt die Ausgangsposition so: Über den absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung hinaus müsse es der Bürger als gemeinschaftsgebundenes u n d -bezogenes I n d i v i d u u m allerdings hinnehmen, daß staatliche Maßnahmen, die i m überwiegenden I n t e r esse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgten, auch sein privates Leben beeinträchtigen. A b e r auch hier sei die Offenlegung bezüglich der Adressaten u n d dem verfolgten Zweck i n haltlich begrenzt. I n gleichem Sinn BVerwG, Urt. v. 4.6.1970, N J W 1970, 1760 (Auskünfte aus den Personalakten von Beamten). — M i t Recht w i r d i n diesen Urteilen auf die Zweckerreichung u n d den Adressatenkreis abgestellt. Die an das Staatsvolk gerichtete demokratisch-rechtsstaatliche Publizität allein k a n n jedenfalls den Schutz von privaten Interessen nicht durchbrechen. Es muß dabei die hier aufgezeigte streng gesetzesgebundene Grenzziehung beachtet werden. 193 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 109; B F H , Beschl. v. 5.8.1969, J Z 1970, 184 = N J W 1970, 679 (Einer Privatperson darf zu nichtsteuerlichen Zwecken Einsicht i n die Steuerakten eines anderen nicht ohne dessen Zustimmung gewährt werden, Ls.). Falls der Berechtigte der Offenbarung zustimmt, ist die Behörde allerdings noch nicht zur Preisgabe verpflichtet, w e n n durch die GeheimhaitungsVorschrift auch öffentliche Interessen geschützt werden, etwa das Vertrauen i n die Zuverlässigkeit der Wahrung des Steuergeheimnisses zwecks Hebung der Steuermoral, vgl. dazu Tipke-Kruse, AO, 2.—4. Aufl., K ö l n 1965/69, § 22 Anm. 13 u. 3. Hier taucht das vielschichtige Problem der 10*

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

tungsgebot ausdrücklich aufhebt 194 . Schließlich kann das Gesetz der Verwaltung die Offenbarung nach einer Abwägung mit öffentlichen Interessen gestatten 195 . Ob zu diesen „öffentlichen Interessen" auch das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive zählt, läßt sich nur für den Einzelfall aus dem teleologischen Zusammenhang des Gesetzes entnehmen 196 . Als Grundsatz muß jedoch beachtet werden, daß die Verfügung über Privatgeheimnisse allein dem Berechtigten zusteht 197 und der damit i n Berührung gekommenen Verwaltung versagt bleiben muß. Ein möglicher Einwand könnte jedoch dahin gehen, daß die Verwaltung nicht mehr an Privatgeheimnissen zu wahren hätte, als die betroffene Privatperson selbst zu schützen imstande ist 1 9 8 . So ist etwa die Rede davon, daß bei Personen der Zeitgeschichte das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit u. U. sogar ein Eindringen in deren Geheimsphäre rechtfertige 199 . Dies hätte für die Exekutive eine weitgehende Relativierung des ihr vorgeschriebenen Schutzes des Privatgeheimnisses zur Folge, weil sie qualifizierte private Geheimnisse doch preisgeben könnte. Eine derartige Handhabung ist abzulehnen, weil damit der Verwaltung die Abwägung aufgebürdet wäre, in welchem Fall der übliche Geheimbereich einer Privatperson durchbrochen werden darf. Diese Entscheidung (und damit auch die Verantwortung) muß dem Informationspetenten selbst überlassen bleiben, der sich schon aus diesem

„Privatinteressen als öffentliches Interesse" auf; das öffentliche Interesse (der Vertrauenswürdigkeit) b e w i r k t gleichzeitig den Schutz privater Belange, dazu allgemein Leisner, W., DÖV 1970, 219 f. 194 So ist beim Steuergeheimnis die Reihe der Sondervorschriften immer länger geworden, Höppner, H. D., Z u r verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Steuergeheimnisses, DVB1. 1969, 723; vgl. die ausführliche Aufzählung bei Tipke-Kruse, AO, § 22, Anm. 12. 195 Bei Vorliegen eines „zwingenden öffentlichen Interesses" w i r d auch die Offenbarung des Steuergeheimnisses als zulässig angesehen. Tipke-Kruse, § 22 AO, A n m . 14, sprechen i n diesem Zusammenhang von der „Achillesferse" des Steuergeheimnisses. 196 So w i r d etwa die Staatsanwaltschaft die Nachricht von einem schwebenden Ermittlungsverfahren verbreiten können, vgl. Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 107. 197 Tipke-Kruse, AO, § 22, Anm. 13, machen deshalb die M i t t e i l u n g von Steuergeheimnissen an die Presse allein von der Zustimmung des Berechtigten abhängig. 198 Z u r Abwägung von PF u n d Persönlichkeitsrecht zuletzt: O L G Hamburg, Urt. v. 26.3.1970, N J W 1970, 1325; Maass, H.-H., Information u n d Geheimnis i m Zivilrecht, Stuttgart 1970, S. 71 ff. 199 Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 90; Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 157, 299 ff., 320 ff.; Maass, H.-H., a.a.O., S. 81 ff. A u f die feinen Abstufungen der beteiligten Interessen, die auch von der unterschiedlichen Einteilung der individuellen Schutzkreise abhängen, k a n n hier nicht eingegangen werden.

I I . Grenzen des Öffentlichkeitsgebots

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Grunde nicht der vollziehenden Gewalt als Informationsmittler über die Eigensphäre von Privatpersonen bedienen darf 2 0 0 . Andererseits verletzt die Verwaltung ihre Schutzpflichten i n zwei Richtungen nicht 2 0 1 : Zum ersten, wenn sie Privatgeheimnisse so veröffentlicht, daß die Anonymität hinreichend gesichert ist 2 0 2 , zum zweiten, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Privaten nicht erkennbar hervortritt und deshalb nicht schützenswert ist 2 0 3 . c) Der Schutz organisierter

Interessen

Schließlich ist zu erwägen, wieweit die Geheimhaltungsbelange von menschlichen Gemeinschaften zu schützen sind. Als „organisierte Interessen" (J. H. Kaiser) treten sie an die Verwaltung heran, und das nicht selten unter dem einflußfördernden Siegel der Verschwiegenheit 204 . Stünde den organisierten Interessen kein Persönlichkeitsrecht zu, würde sich die Frage von selbst beantworten. Es ist jedoch anerkannt, daß auch menschliche Gruppierungen Träger von Persönlichkeitsrechten sein können, wozu vor allem auch die Bewahrung ihrer Geheimsphäre gehört 2 0 5 . Dieser Schutz ist nicht nur auf Juristische Personen beschränkt, weil die Grundrechtsgeltung für Vereinigungen nicht von ihrer Rechtsfähigkeit abhängig ist 2 0 8 . Ist Art. 2 I GG prinzipiell anwendbar, so w i r d man den Eingriff in die Geheimsphäre von Gemeinschaften, wie auch die Preisgabe der dadurch erlangten Informationen, von dem Vorliegen eines verfassungsmäßigen Gesetzes abhängig machen müssen. 200 Eine eigene Lösung trifft der Gesetzgeber f ü r die Verfolgung von P r i v a t interessen. Unter Errichtung einer „Interessenpyramide" sind die M o t i v a tionen auf Einsichtnahme i n A k t e n und öffentliche Register nach ihrer I n tensität abgestuft. „Einfache Interessen" genügen für die Einsicht i n öffentliche Register (z. B. § 9 HGB, § 156 GenG), „berechtigte Interessen" (das sind verständige, durch die Sachlage gerechtfertigte Interessen) sind z. B. von § 34 F G G gefordert, „rechtliche Interessen" (die sich auf ein bereits v o r handenes Recht stützen) verlangt etwa § 299 ZPO. Z u r Abgrenzung vgl. Keidel, T., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Aufl., München 1967, § 34 FGG, A n m . 13, 14. 201 Die schwierige Frage, w a n n private Interessen als solche als öffentliche Interessen anerkannt werden können, kann hier nicht vertieft werden (dazu Leisner, W., DÖV 1970, 217 ff.). Grundsätzlich ist jedoch nach einer derartigen Transformation der strikte Schutz des Privatinteresses nicht mehr vonnöten. 202 Siehe auch § 12 StatistikG. M i t dem Hinweis auf diesen Veröffentlichungsschutz rechtfertigt das BVerfG u. a. die Verfassungsmäßigkeit der Repräsentativ-Statistik, E 27, 1 (7 ff.). 203 Andernfalls würde der V e r w a l t u n g die Last der Nachforschung auferlegt werden, Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 104. 204 Siehe oben B I I 1 c die Schilderung der M i t w i r k u n g von Interessenverbänden bei der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen. 205 Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 333 ff., 337. 208 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 19 I I I , Rdnr. 55 ff.; v. Mangoldt-Klein, Vorbemerkung B I X (S. 104); Leibholz-Rinck, A r t . 19, Anm. 5, 6.

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Insoweit gilt also nichts anderes als bei dem Schutz privater Interessen (oben a, bb). Anders ist die Situation aber dann, falls organisierte Interessen (freiwillig!) die Möglichkeit wahrnehmen, i m Verwaltungsverfahren ihren Einfluß durch Rat und Tat geltend zu machen. Dann kann kein Diskretionsschutz für sie gelten 207 . „Wenn eine organisierte Gruppe Funktionen der öffentlichen Verwaltung übernimmt, verliert sie ipso facto einen Teil der Freiheit, die sie i m sozialen Bereich besitzt und ändert damit ihre Qualität 2 0 8 ." Folglich ändert sich an dem exekutivischen Öffentlichkeitsgebot nichts, wenn organisierte Interessen das Verwaltungsinternum von außen okkupieren. Es ist sogar eine spezielle Pflicht für die Staatsorgane denkbar, die gesellschaftlichen Ingerenzen sichtbar zu machen 209 . Nur auf diese Weise läßt sich der oben kritisierte „Gruppendruck" auf ein für die Unabhängigkeit der Verwaltung notwendiges Maß zurückführen. 4. Ergebnis

Das Öffentlichkeitsgebot für die Exekutive gilt nicht unumschränkt. Das Staatsgeheimnis und der Schutz der Interessen Privater stecken absolute Grenzen. Die Wahrung des Amtsgeheimnisses kann vorgehen, wenn dies gewichtige, gesetzlich manifestierte öffentliche Interessen erfordern. Dem Schutz der Verwaltungseffflzienz kann durch die Wahl des adäquaten Informationsmittels entsprochen werden. I I I . Die Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots Nach der inhaltlichen Abgrenzung des Öffentlichkeitsgebots geht es nun darum, seine Realisierung zu überdenken. Was muß die Exekutive tun, um der Öffentlichkeitsverpflichtung nachzukommen? Genügt es, wenn sie aus eigenem Antrieb ihren Internbereich öffnet? Oder muß sie zusätzlich von außen zur Erteilung von Informationen gezwungen werden? Die vollziehende Gewalt bliebe zwar in beiden Fällen Quelle der Information, verschieden aber wäre der auslösende Faktor der Informationsabgabe. Danach ließen sich die Kategorien Eigeninformation 207 „ E i n wichtiges Desiderat ist es, verborgene Einflußnahmen aufzudecken u n d gerade auch diese Einwirkungen der Interessengruppen ins Licht der öffentlichen K r i t i k u n d Kontrolle zu rücken", Zippelius, R., Staatslehre, § 17 V 2 (S. 103). 208 Kaiser, J. H., Interessen, S. 283. Die Frage, ob daraus auch die interne Demokratisierung von organisierten Gruppen zu fordern ist, w i e es J. H. Kaiser, a.a.O., andeutet, k a n n hier dahingestellt bleiben, vgl. dazu unten E I I I 1 b, bb. 209 Vgl. Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 168.

I I I . Die E r f ü l l u n g des Öffentlichkeitsgebots

151

(bei Eigeninitiative) und Außeninformation (bei Fremdinitiative) unterscheiden. Außeninformation als Ergänzung zur Eigeninformation läßt sich aber nur rechtfertigen, wenn letztere das Öffentlichkeitsgebot nicht erfüllt. I m Hinblick darauf ist deshalb zu untersuchen, was die Eigeninformation der Exekutive leisten kann und was nicht (unter 1). Der Funktionswert der Außeninformation ist i m Anschluß daran (2) zu ermitteln. Schließlich werden die Formen der Verwaltungsinformation geprüft (3). 1. Kann die Eigeninformation das Öffentlichkeitsgebot erfüllen?

Zur Beantwortung dieser Frage soll zunächst die sog. Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive kurz umrissen werden (a). A n ihrem Beispiel lassen sich Wert (b) und Mängel (c) der Eigeninformation ermessen. a) Die Öffentlichkeitsarbeit

der

Exekutive

Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt einen ständig wachsenden Raum ein. Dies beweist die kontinuierliche Aufstockung der Haushaltsmittel für ihr koordinierendes Instrument, das „Presse- und Informationsamt der Bundesregierung" (BPA): Betrug der Etat für dieses A m t i m Jahr 1950 noch 5,7 Mill. DM, so stieg er im Jahre 1968 auf 105,2 M i l l . DM 2 1 0 . I m gleichen Zeitraum erhöhte sich die Personal-Soll-Stärke von 176 auf 661 211 . Die „Öffentlichkeitsarbeit Inland" allein erhält allerdings erst zusammen mit den Bemühungen der Ressorts ähnliches Gewicht, denn die Binneninformation über die Regierungspolitik macht beim BPA nur einen Bruchteil des gesamten Aufwandes aus. I m Verhältnis von 1 :7 überragen die Etatposten für die Auslandsarbeit bei weitem 2 1 2 . Kann man den Kostenaufwand für die inländische Öffentlichkeitsarbeit durch das BPA auf etwa 14 Mill. D M ansetzen, so kommen 64 Mill. D M an entsprechenden Aufwendungen der Ressorts hinzu 2 1 3 , denen wegen Art. 65 S. 2 GG die publizistische Behandlung fachlicher Angelegenheiten aus ihrem Geschäftsbereich vorbehalten ist, § 81 I I 2 GGO I 2 1 4 . Dem BPA obliegt dagegen die Vertretung der Politik des Gesamtkabinetts. Näher umschreiben die Vorbemerkung zu Kap. 0403 des 210

Kaps-Küffner, B P A , S. 92. Kaps-Küffner, a.a.O.; vgl. zur Illustration die Titelgeschichte „Presseamt — Große Lage", Der Spiegel, Nr. 42 v. 14.10.1968, S. 30 ff. 212 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 19. 213 Diese Zahlenangaben macht Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 193. 214 Kaps-Küffner, B P A , S. 82 ff. Als Beispiel für Ressort-Öffentlichkeitsarbeit sei der Sozialbericht 1970 (BT-Drucksache VI/643) genannt, für den der Bundesminister für A r b e i t u n d Sozialordnung federführend war. 211

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D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Bundeshaushaltsplans und § 81 GGO I die Aufgaben des BPA: Danach soll das A m t „die Nachrichtenträger und die anderen Organe der öffentlichen Meinungsbildung über die Politik der Bundesregierung... informieren" (§ 81 I I 1 GGO I). Der Haushaltsplan erteilt darüber hinaus den Auftrag zur Aufklärung der deutschen Bevölkerung über die politischen Ziele und die Arbeit der Bundesregierung 215 . Diese „Sprachrohr-Funktion" 2 1 6 der Öffentlichkeitsarbeit w i r d vom BPA auf verschiedene Weise erfüllt. A n erster Stelle ist die Bundespressekonferenz zu nennen 217 , der etwa 300 deutsche Journalisten angehören 218 . Dort haben auch Regierungsmitglieder regelmäßig Gelegenheit, ihre Politik vor der Presse zu vertreten. I n Ergänzung zu dieser notwendig uniformen Massenunterrichtung t r i t t die Einzelauskunft an den Journalisten oder das Gespräch i m kleinen Kreis 2 1 9 . Weiterhin gibt das BPA mehrmals täglich die „Mitteilungen an die Presse" heraus, die amtliche Kommuniques, Reden oder Stellungnahmen enthalten 220 . Den gleichen Zweck erfüllt das „Bulletin" des BPA als einziges regierungsamtliches Publikationsorgan 221 . Ein wirkungsvolles Selbstdarstellungsmittel sind Interviews 2 2 2 oder eigene Beiträge in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Ein eigener Titel i m Haushaltsplan (301) ermöglicht die alljährliche Veröffentlichung des Tätigkeitsberichts der Bundesregierung 223 . Weiter bedient sich das BPA in zunehmendem Umfang der Veröffentlichung von Zeitungsbeilagen und Anzeigenserien i n der Tagespresse 224. 215 Eine ausführliche Analyse dieser Aufgabenstellungen gibt Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 13 ff. Die weiteren Befugnisse des B P A (Unterricht u n g des Bundespräsidenten u n d der Bundesregierung bzw. Information des Auslandes) brauchen an dieser Stelle nicht weiter verfolgt zu werden. 218 Begriff von Sänger, G., F u n k t i o n amtlicher Pressestellen i n der demokratischen Staatsordnung, Frankfurt 1966, S. 28; vgl. auch Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 15. 217 Sie w i r d allerdings von den Journalisten veranstaltet; diese Organisationsform wurde gewählt, u m die Selbständigkeit der öffentlichen Meinung zu erhalten, Eschenburg, T., Staat und Gesellschaft, S. 748. Dennoch erhalten Politiker hier ein Forum, wenn sie es wünschen. Deshalb zählt auch die Bundespressekonferenz zur Eigeninformation. 218 Kaps-Küffner, BPA, S. 89. 219 Zusammenfassend Sänger, G., Pressestellen, S. 31 f. 220 Kaps-Küffner, S. 89. I m Jahre 1962 wurden etwa 1540 derartiger M i t teilungen veröffentlicht, Sänger, G., Pressestellen, S. 29 (Fn. 23). 221 Kaps-Küffner, BPA, S. 124 f.; Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 35; Sänger, G., Pressestellen, S. 30. 222 Die nicht selten von den Politikern selbst veranlaßt werden u n d deshalb auch zur „Eigeninformation" rechnen können. 223 Dazu Kaps-Küffner, BPA, S. 125 f. 224 Vgl. das von Ridder, H., Grundgesetz u n d „Öffentlichkeitsarbeit", i n : Festschrift für E. Stein, Bad H o m b u r g 1969, S. 57 (67), teilweise zitierte u n d kritisch kommentierte Flugblatt der Bundesregierung aus dem Jahre 1968 „ Z w e i Männer — Eine Aufgabe — Die Richtung stimmt".

I I I . Die E r f ü l l u n g des

ffentlichkeitsgebots

153

Diese Publikationsmittel spielen eine wesentliche Rolle bei der Öffentlichkeitsarbeit i n Verteidigungsfragen, für die im Haushaltsplan der umfangreichste Titel (309) i m Rahmen der Inlandsarbeit bereitgestellt ist 2 2 5 ; das zuständige Referat 8 des BPA betreut auf diesem Sektor Veröffentlichungen in einer Gesamtauflage von 300 000 pro Jahr und Zeitschriften mit einer monatlichen Gesamtauflage von 200 000 Exemplaren 2 2 9 , deren Hauptanliegen in der Rechtfertigung der deutschen Verteidigungspolitik besteht 227 . Den Aktivitäten des BPA, deren Aufzählung nicht vollständig sein kann, entsprechen gleichgeartete Bemühungen auf allen Stufen der Verwaltungshierarchie 228 . Bemerkenswert ist dabei, daß die Einrichtung von Pressestellen oder die Bestellung von Pressereferenten nunmehr zum Erscheinungsbild einer modernen Behörde gehören. Die Fachbehörden verkehren aber prinzipiell nicht aus eigenem Antrieb m i t der Öffentlichkeit 2 2 9 ; für die vorliegende Erfassung der „Eigeninformation" können sie deshalb aus der Betrachtung ausscheiden. Die Problematik der Eigeninformation durch Öffentlichkeitsarbeit, der unter b) und c) nachgegangen werden soll, w i r d sich aus folgenden Gesichtspunkten ergeben: Die Exekutive ist zur Verbreitung von Informationen aus ihrem Zuständigkeitsbereich an das Staatsvolk weitgehend auf die Vermittlung durch von ihr unabhängige Nachrichtenträger angewiesen, weil ihr ein eigenkontrolliertes, umfassendes Kommunikationssystem nicht zur Verfügung steht. Auf dem Umweg über die Massenmedien geht der „werbende Schwung" 230 , der m i t der Informationsabgabe verbunden ist, möglicherweise verloren. Nicht neutralisiert werden kann dagegen die allein dem Opportunitätsprinzip unterliegende Wahl der Kommunikationsthemen, die der Exekutive solange freisteht, wie sie nicht zur Preisgabe von Informationen gezwungen werden kann. Bleibt also trotz allem der Exekutive die Möglichkeit der 225 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 19. Der T i t e l 309 umfaßte i m Jahr 1968 5,5 M i l l . D M , vgl. Kaps-Küffner, BPA, S. 93. 226 Kaps-Küffner, B P A , S. 127. 227 Kaps-Küffner, B P A , a.a.O.; Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 19. 228 Einen praxisnahen Überblick über das amtliche Informationssystem eines Bundeslandes gibt Hämmerlein, H., Gestaltung der behördlichen I n f o r mationstätigkeit i n Nordrhein-Westfalen, i n : Gegenwartsaufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 381 (391 ff.); vgl. auch Sänger, G., Pressestellen, S. 28 ff. 229 So Sänger, G., Pressestellen, S. 28. Anders aber, wenn es sich u m amtliche Bekanntmachungen handelt. Dies sind förmliche Willensäußerungen von Behörden, deren I n h a l t amtlich bestimmt ist u n d die sich selbst als von einer Behörde stammend und i n ihrem Namen veröffentlicht kennzeichnen, so Löffler, M., Presserecht I I , S. 95, Rdnr. 60 m. w. Nachw. Dabei geht es u m eine notwendige Verwaltungsäußerung der Exekutive, die deshalb i m v o r liegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben kann. 230 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 37.

154

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

„Werbung durch Unterlassung", so steht ihr zusätzlich der Weg der „Werbung durch aktives Tun" offen, wenn sie mit eigenen Informationsmitteln die Bevölkerung unmittelbar anspricht (etwa mit Anzeigenkampagnen, Flugblättern oder Zeitschriften unter Regierungskontrolle). Ob eine derartige Werbekompetenz staatlicher Stellen einen „verfassungswidrigen Prämienzuschlag" 231 darstellt, soll i m folgenden geprüft werden. b) Der Wert der Eigeninformation aa) Die Authentizität Vorab ist der rechtfertigende Kern der Eigeninformation darin zu sehen, daß sie — und nur sie — einen authentischen Eindruck von der Exekutivtätigkeit verschafft. Die Veröffentlichung staatsleitender Reden und Vereinbarungen, die wörtliche Wiedergabe von historischen Dokumenten und Protokollen, aber auch die erläuternde Information zu staatlichen Vorhaben verbürgen einzig und allein die Authentizität staatlicher Publizitätsentäußerung 232 . Vor allem aber kann nur die auf exekutivischer Eigeninitiative beruhende Information die Autorität entfalten, die für Verwaltungsarbeit notwendig ist. Wer amtliche M i t teilungen erst auf Anfrage „bekanntmacht", kann nicht auf deren Befolgung hoffen. Auch in diesem Sinne ist die Authentizität der Eigeninformation nicht nachvollziehbar 233 . bb) Die Staatspflege Dieser Wert der Eigeninformation w i r d nun nicht dadurch geschmälert, daß sie mit ihrer authentischen Wiedergabe ein gewisses Maß an Werbung für die amtierende Regierung an die Öffentlichkeit trägt. Schon die Faktizität der Information beinhaltet ein werbendes Moment 2 3 4 . Ist ein völliger Ausschluß von Werbung für die Staatsführung also unmöglich, so wäre er andererseits sogar illegitim. Der Staat hat das Recht, sich bei seinen Bürgern stets auf ein neues i n Erinnerung zu bringen. Der hierfür verwendete Begriff „Staatspflege" 231

Begriff von Ridder, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 65. Dieses F a k t u m entfaltet unter verschiedenem B l i c k w i n k e l ausführlich Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 49, 101, 138. 233 Diese inhaltliche Unvertretbarkeit durch private Leistung läßt auch die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips gegenüber der Eigeninformation von vornherein scheitern; zu dieser Frage Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 151 f.; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 173 f. m. Fn. 83; S. 265 m. Fn. 156. 234 öhlinger, T., Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, ÖJZ 1969, 543 (546); Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, insbes. S.26ff. 232

I I I . Die E r f ü l l u n g des Öffentlichkeitsgebots

155

(H. Krüger) 235 bringt dieses berechtigte Anliegen auf einen kurzen Nenner 2 3 6 . Authentische Information mit werbendem Effekt hat sich zudem als ein probates M i t t e l der Verwaltungsführung erwiesen 237 . Eigeninformation durch Öffentlichkeitsarbeit liegt allerdings immer an der schmalen Grenze zur Propaganda 238 . Propaganda durch das BPA als „Verbreitung und Vertiefung von politischen, religiösen und kulturellen Ideologien" 239 , deren Ziel es ist, jede rationale Kontrolle der Angesprochenen zu überspielen 240 , wäre eine eindeutige Überschreitung der verfassungskräftig vorgeschriebenen Toleranzgrenze i m demokratischen Rechtsstaat 241 . Ebenso muß die Verbiegung von „Staatspflege" in „Parteipflege" i n erträglichen Grenzen gehalten werden 242 , eine Gefahr, die besonders bei der Einschaltung des BPA in die Wahlvorbereitungen 243 offensichtlich würde. Die Eigeninformation könnte das von C. Schmitt geschilderte Phänomen der „überlegalen Prämie auf den legalen Besitz der legalen Macht" 2 4 4 zu einem Beharrungsfaktor verdichten, der jeden Machtwechsel unmöglich macht. Leisner hat jedoch nachgewiesen 245 , daß die durch Öffentlichkeitsarbeit verstärkte Machtprämie durch Machtabnutzung kompensiert werde, und ferner, daß Eigeninformation auch Kritikmaterial liefere und damit „oppositionsschaffend" sei. W i r d insoweit der parteipflegende Effekt der Öffentlichkeitsarbeit automatisch ausgesteuert, so muß sich die exekutivische Informationstätigkeit i m 285

Krüger, H., Staatslehre, S. 214. I m 19. Jhd. w i r d „Staatspflege" i. S. v. Wohlfahrtsförderung verstanden, vgl. Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaats, Göttingen 1967, S. 36, 42. 236 £ j u r insoweit ist die Bezeichnung des B P A als „Werbungsbüro" der Bundesregierung berechtigt, Eschenburg, T., Staat u n d Gesellschaft, S. 747. 237

Vgl. oben I 2 b. öhlinger, T., Öffentlichkeitsarbeit, S. 543. 239 So Hundhausen, C., Publizitätsgespräch, S. 17 (24); vgl. auch Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 37; zum NS-Propagandabegriff, ebd. S. 147 f. Nicht befriedigen kann die vereinfachende Gleichsetzung von Propaganda m i t politischer Werbung von Lerche, P., Werbung, S. 11. 240 Große, H., öffentliche Meinung u n d politischer Wille, i n : Heft B 14/69 (v. 5. 4.1969) der Beilagen zur Wochenzeitung Das Parlament, S. 15. 241 Die Furcht vor der Wiederbelebung eines Propaganda-Ministeriums spielte auch die entscheidende Rolle bei der Ablehnung der geplanten „ B u n deszentrale für Öffentlichkeitsarbeit" durch den Bundestag am 26.6.1968, vgl. Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 193. 242 Krüger, H., Staatslehre, S. 217 f., w i l l i h r durch die Massenmedien begegnen. 243 Z u r Information als Grundlage für eine rationale Wahlentscheidung, vgl. oben I I a . 244 Schmitt, C., Legalität u n d Legitimität, S. 35, 39. 245 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 155, 156; zustimmend insoweit Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 195; kritisch Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . A 1 (S. 182 f.). 238

156

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

Wahlkampf von selbst an das Gebot der Neutralität halten: Die Eigeninformation hat sich bei Wahlkampfthemen der werblichen Beeinflussung zu enthalten 246 . cc) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen: Öffentlichkeitsarbeit ist unbedenklich, soweit sie die Politik der Regierung in Vergangenheit und Zukunft darlegt und erläutert 2 4 7 . Ihre werbenden Elemente sind, — solange sie nicht die Grenze zur Propaganda überschreiten —, als zwangsläufiger Annex zur Regierungsinformation hinzunehmen 248 . Der Umschlag von zulässiger Staatspflege in unzulässige Parteipflege muß speziell i m Wahlkampf unterbunden werden. Außerdem w i r d die Werbeintensität jedenfalls dann gemildert, wenn die Eigeninformation durch kritisch-aufmerksame Massenmedien vermittelt wird 2 4 9 . Der authentische Inhalt w i r d zwar, wenn auch verkürzt, weitergegeben, aber durch die kommentierende Beurteilung in ein anderes Licht gerückt. Trotz dieser Vorbehalte liegt der Wert der Eigeninformation in ihrer Authentizität und in ihrer staatspflegenden Ausrichtung. c) Mängel

der

Eigeninformation

Diese lassen sich nach Gegenstand und Form der Information aufzeigen. aa) Nach Gegenstand Wenn die Exekutive aus eigenem Antrieb Informationen nach außen gibt, dann w i r d sie es tun, wenn sie ein eigenes Interesse an der Veröffentlichung hat oder ein öffentliches Interesse an der Publizierung vermutet 2 5 0 . Der erste Fall mag namentlich dann eintreten, wenn die Eigeninformation einen gewissen Werbeeffekt m i t sich zu bringen verspricht, der zweite Fall w i r d dann vorliegen, wenn das Informations-

246

Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 163; desgl. Leihe, B., Probleme der Tätigkeit des Presse- u n d Informationsamts der Bundesregierung, M D R 1969, 445 (447f.); zweifelnd Hämmerlein, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 195. Gleichw o h l darf man hier keine Illusion hegen: Wahlkämpfe forcieren i n der Regel die werbende Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, Ridder, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 66; vgl. schon oben Fn. 17. 247

So BVerfGE 20, 56 (100). Ridder, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 68. 249 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 28, 37. 250 D i e gleichen Folgen, aber andere, hier nicht näher zu untersuchende Motive, hat die öffentliche Rüge eines verfassungswidrigen Handelns einer Behörde durch einen Amtsträger, vgl. dazu BVerfGE 28, 191 ff. 249

I I I . Die Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots

157

bedürfnis der Öffentlichkeit so offenkundig ist, daß die vollziehende Gewalt ihm nicht ausweichen kann. Das Öffentlichkeitsgebot ist jedoch nicht auf diese Informationsmotive beschränkt. Innerhalb der ihm gesteckten Grenzen trifft es jedes Kommunikationsthema, ohne Rücksicht darauf, ob die Exekutive Opportunität oder Notwendigkeit der Publizierung erkennt. Desgleichen wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Verfassungsbefehl nicht nur „relevante Hauptfakten" erfaßt 251 . Ganz i m Gegenteil kann sich das öffentliche Informationsinteresse auch an Nebensächlichkeiten entzünden, deren aktuelle Bedeutung von heute auf morgen sprunghaft anwächst. Selbst die informationsfreudigste Behörde kann solchen Entwicklungen nicht durch ihre Eigeninformation Rechnung tragen. Das durch das Öffentlichkeitsgebot umschriebene Informationsbedürfnis des Staatsvolkes läßt sich auch nicht durch eine wohlmeinende „Informationspolitik" der 2. Gewalt vorausschauend befriedigen. Dieses Publizitätsdefizit hat seinen Grund also nicht in einer gewollten Öffentlichkeitsfeindlichkeit der Exekutive. Das zeigt, daß Eigeninformation ihrem Wesen nach die Öffentlichkeitsverpflichtung nicht selbständig erfüllen kann. Allerdings lassen sich auch Mängel der Eigeninformation aufzeigen, die ihren Grund gerade in der Struktur der Verwaltung haben. I h r hierarchischer Aufbau mit der Zentrierung der Verantwortlichkeiten bewirkt eine Verlagerung der Informationsinitiative „nach oben". Das erklärt sich aus den verständlichen Bedenken vor möglichen Folgen der Publizität, fordert sie doch u. U. die energische K r i t i k von Verwaltungsleistungen erst heraus. Sinnvoll kann Verwaltungsinformation aber nicht von der vorgesetzten, sondern nur von der sachnächsten Behörde geleistet werden 232 . Deshalb zieht der Mangel an Mut zur Publizität ebenfalls eine Beeinträchtigung des Öffentlichkeitsgebots nach sich. Furcht vor öffentlicher Diskussion, Angst vor interner Auseinandersetzung oder schlicht Bequemlichkeit sind Beweggründe für die gegenständliche Beschränkung der Eigeninformation. „Gesiebte Information", die dann doch von der zuständigen Behörde erteilt wird, „mag i m Endeffekt als beschönigende Selbstdarstellung weniger aufhellend wirken als geradezu vertuschen" 253 . I m übrigen ist es fast als selbstverständlich anzusehen, daß Fehler oder Mißerfolge der Exekutive jedenfalls nicht i m Wege der Eigeninformation sichtbar gemacht werden. Gerade hier muß aber das Öffentlichkeitsgebot in seiner Kontrollfunktion durchgreifen, um die Ursachen zu ergründen und zu beseitigen.

251

Vgl. oben C Fn. 339. Vgl. oben I 2 b, ee. 253 Morstein-Marx, F., V e r w a l t u n g i m öffentlichen Bewußtsein, i n : Gegenwartsaufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 411 (422). 252

158

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive bb) N a c h F o r m

A u c h i n d e r f ö r m l i c h e n A u s g e s t a l t u n g der E i g e n i n f o r m a t i o n s i n d M ä n g e l festzustellen, ohne daß sie der E x e k u t i v e v o r w e r f b a r w ä r e n . D i e I n f o r m a t i o n s e r t e i l u n g ist z w a n g s l ä u f i g i n den A u s d r u c k s f o r m e n d e r V e r w a l t u n g befangen. Dies belastet die V e r s t ä n d l i c h k e i t u n d die P r ä g nanz d e r E i g e n i n f o r m a t i o n . Z u d e m f e h l e n der E x e k u t i v e die eigenen P u b l i k a t i o n s m i t t e l , m i t denen sie i h r e I n f o r m a t i o n e n d e m S t a a t s v o l k n a h e b r i n g e n k ö n n t e 2 5 4 . Das „ B u l l e t i n " , gelegentliche Z e i t u n g s b e i l a g e n u n d sonstige P u b l i k a t i o n e n 2 5 5 k ö n n e n d e n M a n g e l a n R e i c h w e i t e der E i g e n i n f o r m a t i o n n i c h t ausgleichen. d)

Ergebnis

D i e E i g e n i n f o r m a t i o n der E x e k u t i v e ist z u r E r f ü l l u n g des Ö f f e n t l i c h keitsgebots n o t w e n d i g e Voraussetzung. D e n n o c h l ä ß t sie nach Gegens t a n d u n d F o r m L ü c k e n , die auch t r o t z m a x i m a l e r A n s t r e n g u n g n i c h t z u schließen sind. D e s h a l b ist zu p r ü f e n , ob A u ß e n i n f o r m a t i o n als e r g ä n zende P u b l i z i t ä t s m e t h o d e geeignet ist.

2. Außeninformation als Erfüllung des Offentlichkeitsgebots a)

Funktion

D i e A u ß e n i n f o r m a t i o n setzt die R e l a t i o n F r a g e — A n t w o r t i n B e w e g u n g 2 5 6 . D i e gestellten F r a g e n spiegeln das I n f o r m a t i o n s b e d ü r f n i s d e r 254 Die Feststellung des tatsächlichen Zustandes muß hier genügen. Z u weitergehenden Fragen der rechtlichen Zulässigkeit eines Staatsrundfunks hat das BVerfGE 12, 205 (260 ff.) ablehnend Stellung genommen. Die staatliche Einflußnahme auf das Pressewesen (wohl auch durch eine Staatszeitung) hält es für zulässig, w e n n sie an der v o m Staat unabhängigen Pressevielfalt substantiell nichts ändern würde, E 12, 205 (260). F ü r die Existenz von Staatszeitungen auch Geiger, W., Das Grundrecht der Pressefreiheit, i n : Die F u n k t i o n der Presse i m demokratischen Staat, hrsg. v. K . Forster, München 1958, S. 9 (15 f.); Czajka, D., Öffentliche Aufgabe, S. 162 ff.; Leihe, B., B P A , S.446; Maunz, T., Staatsrecht, § 10 I I 2 c (S. 62); dagegen: Friesenhahn, E., Die Pressefreiheit i m Grundrechtssystem des Grundgesetzes, i n : Festgabe f ü r O. Kunze, B e r l i n 1969, S. 21 (35); die Möglichkeit i n Erwägung ziehend: Krüger, H., Staatslehre, S. 230 f. 255 Nach § 4 V des Modellentwurfes des Arbeitskreises PF, S. 204 ff., zur Ergänzung der Landespressegesetze sollen die Gemeinden zwecks Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen zur Herausgabe eines von den Tageszeitungen unabhängigen Amtsblattes verpflichtet werden, w e i l sonst der B ü r ger auf ein Lokalblatt angewiesen wäre. Da laut § 4 V I des Entwurfs die Aufnahme von Inseraten u n d die Verbreitung von Nachrichten i n den A m t s blättern untersagt ist, würde eine Konkurrenzsituation zur Presse nicht eintreten. Dies wäre die adäquate Maßnahme zur Wahrung der bei amtlichen Bekanntmachungen entscheidenden Authentizität, aber andererseits n u r ein Bruchteil der Öffentlichkeitsverpflichtung, vgl. oben Fn. 229.

I I I . Die E r f ü l l u n g des Öffentlichkeitsgebots

159

Öffentlichkeit wider, das für die Exekutive sonst nicht erkennbar wäre. Außeninformation deckt so die ungeöffneten Räume auf, die von der Eigeninformation nicht erfaßt werden. Der Informationsanstoß von außen zwingt zur Entlarvung von Unregelmäßigkeiten und bewirkt dam i t Kontrolle. Das Aufspürsystem bewahrt die Exekutive vor jeder A r t von inzestiöser Einseitigkeit: Es faßt dort nach, wo die Verständlichkeit der Eigeninformation Fragen offen läßt, es greift dort übersetzend ein, wo die Verwaltungsinformation mißverständlich bleibt. Der Anstoß zur Informationserteilung kommt überraschend und nimmt keine Rücksicht auf eine möglicherweise zeitlich abgestimmte „Informationspolitik" der Exekutive. Der werbende Inhalt von Verwaltungsinformationen w i r d durch die kritische „Nachfrage" neutralisiert. Propagandistische Tendenzen können aus diesem Grund keine Wirksamkeit entfalten. b) Mängel der Außeninformation Der Funktionswert der Außeninformation ist jedoch nicht durchgehend positiv zu beurteilen. Nicht selten entspringt die Frage an die Exekutive dem Skandalinteresse, der Lust am Spektakulären oder der Freude an destruktiver K r i t i k . Auch Außeninformation ist nicht nur uneigennützig, sondern sie kann auch egoistisch motiviert sein: Oft genug verschleiert ein vorgegebenes Allgemeininteresse an der Verwaltungsinformation ein latent vorhandenes Privatinteresse. Diese nur kurz angedeuteten Bedenken zeigen, daß auch Außeninformation für sich das Öffentlichkeitsgebot nicht erfüllen könnte. Ihre Bedeutung liegt vielmehr in der Komplettierung der Eigeninformation zur Vollziehung des Öffentlichkeitsgebots, in der Auslösung eines fruchtbaren Wechselspiels von Frage und Antwort und endlich i n der heilsamen „Vorwirkung", daß Verwaltungsöffentlichkeit, — wenn nicht von selbst hergestellt —, so schließlich doch erzwungen werden kann. Das Öffentlichkeitsgebot steht auf beiden Säulen: Das Schwanken der einen Säule w i r d durch die Elastizität der anderen aufgefangen. 3. Die Form der Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots

a) Zutritt A m weitesten geht die unmittelbare Raumöffentlichkeit, wenn die Exekutive dem Informationssuchenden aus eigener Initiative oder auf dessen Bitte hin die persönliche Anwesenheit beim Verwaltungsgeschehen gestattet. Hier w i r d dem Interessenten die eigentliche Infor266 Das schwedische System der Aktenöffentlichkeit baut fast ausschließlich auf die A k t i v i t ä t der Bürger, vgl. Mahrer, I., Die Öffentlichkeit amtlicher A k t e n i n Schweden, Z. f. SchweizR N. F. 88/1 (1969), S. 317 (331).

160

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

mationsaufnahme selbst überlassen. Diese Handhabung ist etwa denkbar bei Anhörungen i m Planungsverfahren 257 . b) Einsicht I n ähnlicher Weise w i r d der Zugang zu der Informationsquelle selbst durch die Gewährung von Akteneinsicht zugelassen. Das in Schweden verfassungsverbürgte Einsichtsrecht in „amtliche Schriftstücke" (sog. Aktenöffentlichkeit) könnte hier wegweisend sein 258 . Die als „recht extrem" bezeichnete Lösung 259 befriedigt jedoch nicht in vollem Umfang. Sie überläßt der Verwaltung durch einen Genehmigungsvorbehalt die Entscheidung, welche Urkunden amtlich zugänglich werden und eröffnet ihr dadurch eine Manipulationschance. Zum anderen beschwört die einseitige Fixierung auf schriftliche Vorgänge die Gefahr herauf, daß gewisse Informationen innerhalb der Verwaltung eben nicht mehr i m Text erscheinen, sondern mündlich ausgetauscht werden 2 8 0 . Schließlich spielt sich zumindest in Deutschland die Exekutivtätigkeit wenn auch weitgehend, aber nicht ausschließlich im schriftlichen Verfahren ab. Es erscheint deshalb als unbefriedigend, wenn das Öffentlichkeitsgebot nur durch das Recht der Akteneinsicht vollzogen würde. Immerhin ist auch die Akteneinsicht ein adäquates Mittel der Verwaltungsinformation, weil sie eine korrekte und umfassende Unterrichtung ermöglicht. c) Auskunft Allgemeinstes und wohl auch häufigstes M i t t e l der Verwaltungsinformation w i r d die Auskunftserteilung in schriftlicher oder mündlicher Form durch die Behörde sein 281 . Sie ist stets dann anzuwenden, wenn die qualifizierten Formen des Zutritts und der Einsicht an den Grenzen des Öffentlichkeitsgebots scheitern. So w i r d die Teilnahme des Informationspetenten an Regierungssitzungen in der Regel wegen der Erörterung von Staatsgeheimnissen ausgeschlossen sein 262 . Eine die 257 Vgl. schon oben I I 2 b, dd. § 73 I I I 1 G O - B T sollte hier allgemein als V o r b i l d dienen (oben C 11 b, aa). 258 Ausführliche Nachweise bei Petren, G., Aktenöffentlichkeit, S. 323 ff.; Mahrer, I., Aktenöffentlichkeit, S. 317 ff.; Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 113; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 65 m. Fn. 133 (dort Textnachweis); Hämmerlein, H., Öffentlichkeit u n d Verwaltung, S. 64, 71. 259 So Thiele, W., Pressefreiheit — Theorie u n d Wirklichkeit, B e r l i n 1964, S. 25. 280 Darauf macht Petren, G., Aktenöffentlichkeit, S. 332, aufmerksam. 261 Z u ihrem umstrittenen Rechtscharakter Beinhardt, G., Die Verpflicht u n g der Behörde zur Erteilung von Auskünften, DÖV 1965, 480 (481, Fn. 13): schlichte Verwaltungsäußerung; B V e r w G E 31, 301 (306 f.): differenzierend, auch Verwaltungsakt. Weitere Nachw. bei Pipkom, J., Auskunftspflichten, S. 9 f.

. Das Informationsrecht des

t

e

gegen d e Exekutive

Grenzen des Staatsgeheimnisses achtende Unterrichtung durch Auskunft ist jedoch dennoch möglich und von Verfassungs wegen geboten. Ebenso scheidet Akteneinsicht dann aus, wenn dadurch schützenswerte private Umstände ans Licht kämen. Die Auskunftserteilung kann diese geschützten Positionen aussparen und gleichwohl die gebotene Öffentlichkeit herstellen. d) Ihr gegenseitiges Verhältnis Wie nachgewiesen, ist die Auskunftserteilung nicht die einzige Methode der Verwaltungsinformation. Sie greift vielmehr erst dann ein, wenn die Formen des Zutritts und der Einsicht nicht angewendet werden können. Die Wahl des Mittels richtet sich in gradueller Abstufung nach den geschützten Interessen des Einzelfalls 268 . 4. Ergebnis

Das Öffentlichkeitsgebot kann sachgerecht nicht nur durch Eigeninformationen der Exekutive erfüllt werden. Seine Realisierung verlangt zusätzlich den Informationsanstoß von außen. Da sich die Formen der Verwaltungsinformation auf Zutritt, Einsicht und Auskunft erstrecken, stellt das Recht zur Außeninformation nicht nur ein Auskunftsrecht, sondern ein allumfassendes Informationsrecht dar.

IV. Die Realisierung des Offentlichkeitsgebots durch ein allgemeines Informationsrecht des Staatsbürgers gegen die Exekutive Das Öffentlichkeitsgebot kann nicht nur durch die Eigeninitiative der vollziehenden Gewalt erfüllt werden, sondern es w i r d notwendig auch durch die Außeninformation i n die Wirklichkeit umgesetzt. Weil die Öffentlichkeitsverpflichtung der 2. Gewalt aber um des Staatsbürgers willen i n seinen Rollen als Wähler und Entscheidungsabnehmer auferlegt ist 2 8 4 , läge es nahe, dem Einzelnen das Recht zur Außeninformation zuzuweisen. Jedem Bürger müßte die Befugnis zustehen, das Informationsrecht in den bezeichneten Formen gegenüber der vollziehenden Gewalt geltend zu machen. 262

Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 73 (Fn. 178), nennt sie „schlechthin indiskutabel", allerdings ohne nähere (aber notwendige!) Begründung. 263 Siehe ebenso oben I I 2 b, dd. 264 Vgl. die Hinweise oben I 2, vor a. 11 Jerschke

162

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive 1. Die Ablehnung aus pragmatischen Gründen

Windsheimer 265 ist der Meinung, daß eine umfassende, gegenüber jedermann bestehende Informationspflicht von den Behörden nur dann befriedigend erfüllt werden könne, wenn sie personell und technisch darauf eingerichtet seien. Ohne weitere Begründung w i r d deshalb ein verfassungsunmittelbares Informationsrecht des Staatsbürgers abgelehnt, und die Normierung dem Gesetzgeber vorbehalten 268 . Auch dann sei aber die Realisierung nur möglich, wenn die Mehrheit der Staatsbürger auf die Ausübung des Informationsrechts verzichte, oder der Staat die technischen Voraussetzungen, etwa durch Errichtung einer zentralen Informationsbank, schaffe 267. Auch anderwärts w i r d dieses pragmatische Argument zur Ablehnung eines Informationsrechts herangezogen: die Behörden würden einseitig belastet 268 und von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten 269 . Diese Überlegungen mögen geeignet sein, die Grenzen des Informationsrechts unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz zu überprüfen 2 7 0 , sie allein können jedoch den Leistungsanspruch als solchen nicht in Frage stellen. Bei Vorliegen eines derartigen Informationsrechts wäre die Exekutive vielmehr gehalten, von sich aus die technischen Gegebenheiten für eine sachgerechte Erfüllung der Offenbarungspflicht gegenüber jedermann zu schaffen, denn „Demokratie ist Aufwand" 2 7 1 . Dies wäre überdies kein utopisches Verlangen: Bis zum Jahre 1980 w i r d das Informationsnetz so dicht sein, daß jedem jede Information zu jeder Zeit zur Verfügung steht 272 . I m übrigen muß letzten Endes die Verfassung selbst die Antwort geben, ob sie jedem Staatsbürger das Recht zur Außeninformation zuweist oder nicht. 2. Die Zuerkennung eines besonderen Informationsrechts

Der Lösung kann man sich über die Frage nähern, ob dem Staatsbürger ein besonderes Informationsrecht zukommt: Wenn schon dies 265

Windsheimer, H., Information, S. 158. Windsheimer, H., a.a.O. 267 Windsheimer, H., Information, S. 158 f. Davon ist die Frage zu trennen, ob der Staatsbürger selbst durch die Informationssammlung überlastet würde, dazu unten E I I I 1 c, bb. 268 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 156 I V 4 e (S. 243), zur Akteneinsicht i m Verwaltungsverfahren. 269 Beinhardt, G., Auskunft, S. 487; Kratzer, U., Nochmals zum Mustere n t w u r f eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, BVB1. 1965, 15 (16). 270 Dazu oben I I 2 b. 271 v. Münch, I., Offenlegungspflicht, S. 850 (Fn. 35). 272 Wagener, F., auf dem Berliner Beamtentag 1969, Bericht von W. Berger, S. 929; hier werden öffentliche Datenbanken ihren Dienst erfüllen, dazu Podlech, A., S. 474. 266

. Das Informationsrecht des

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gegen d e Exekutive

nicht der Fall wäre, so ergäbe sich a fortiori, daß er auch kein allgemeines Informationsrecht besitzt. Diese beiden Arten von Leistungsansprüchen müssen deshalb zunächst klar voneinander geschieden werden. Das allgemeine Informationsrecht betrifft einen „voraussetzungslosen" Anspruch 273 , für den bloße Neugier als berechtigendes Motiv genügt, während das besondere Informationsrecht nur bei Vorliegen „berechtigter Interessen" gewährt werden kann 2 7 4 . Dessen Ausgestaltung ist zunächst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, i m Verwaltungsverfahren und außerhalb des Verwaltungsverfahrens zu betrachten. a) Das besondere Informationsrecht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren § 100 VwGrO, § 120 SGG und § 78 FGO berechtigen zur Einsicht in die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten. Dieses Hecht ist zwangsläufig auf die Beteiligten am Prozeß und deren Vertreter beschränkt. b) Im Verwaltungsverfahren Hier regeln einzelne Gesetze das Akteneinsichtsrecht allgemein oder für bestimmte Einzelheiten. Beispiel für ein allgemeines Einsichtsrecht ist § 6 V des Wahlprüfungsgesetzes v. 12. 3.1951 (BGBl. I 166)275, Vorb i l d für ein spezielles das Einsichtsrecht des Beamten in seine Personalakten nach § 90 BBG, § 56 BRRG, Art. 100 BayBG 2 7 8 . Soweit keine gesetzliche Regelung vorliegt, sind Literatur und Rechtsprechung überwiegend der Auffassung, daß i m Verwaltungsverfahren kein Recht auf Akteneinsicht bestehe, sondern dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung obliege 277 . Diese Lösung w i r d auch durch § 22 des Entwurfs 1963 eines Verwaltungsverfahrensgesetzes mit der Begründung angestrebt, die Verweigerungsgründe seien so vielgestaltig, daß sie nicht abschließend geregelt werden könnten 2 7 8 . Daß diese Argumentation nicht 273

Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 114 (Fn. 16). Diese Differenzierung trifft m i t Recht Windsheimer, H., Information, S. 145. Z u r Stellung der „berechtigten Interessen" innerhalb der Interessenpyramide oben Fn. 200. 275 Weitere Beispiele bei Haueisen, F., Akteneinsicht i m Verwaltungsverfahren, N J W 1967, 2291. 276 weitere Nachweise bei Haueisen, F., Akteneinsicht, S. 2292 f.; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 156 I V e (S. 243). Z u m Recht eines Arbeitnehmers auf Einsicht i n die Personalakten B A G , Urt. v. 17. 3.1970, N J W 1970, 1391 f. 274

277 Nachw. bei Pipkom, J., Auskunftspflichten, S. 23 (Fn. 4); Haueisen, F., Akteneinsicht, S. 2293 m. Fn. 12; Perschel, W., Der geheime Behördeninformant, JuS 1966, 231 (233 m. Fn. 31). 278 Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963), K ö l n 1964, Text S. 18, Begründung S. 127.

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164

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

durchgreift, beweist unterdessen § 88 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein v. 18. 4.1967 (GVOB1. S. 131), wo die einzelnen Ausnahmetatbestände, welche das Akteneinsichtsrecht beschränken, präzis aufgeführt sind 279 . Die herrschende Auffassung w i r d auch zunehmend i n Frage gestellt. Das Hauptargument lautet: Es ist nicht einzusehen, daß der Staatsbürger erst Klage erheben muß, um Akteneinsicht zu erlangen 280 . Diese Beweisführung rechtfertigt es, die gesetzlich normierten Akteneinsichtsrechte im Wege des Analogieschlusses zu verbinden und ein generelles Akteneinsichtsrecht i m Verwaltungsverfahren zuzulassen. Desgleichen ist dem Staatsbürger bei Vorliegen eines berechtigten Interesses ein Auskunftsrecht i m Verwaltungsverfahren zuzuerkennen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs 281 und dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes282. c) Außerhalb

des Verwaltungsverfahrens

Ein derartiges Recht ist bisher stets strikt abgelehnt worden 2 8 3 . Die Informationserteilung bleibt daher dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen 284 . I m Sinne der oben (vor a) aufgestellten Prämisse würde aus dieser letzten Erkenntnis folgen, daß dem Staatsbürger kein „allgemeines Informationsrecht" zustünde, wenn er schon ein „besonderes Informationsrecht" nur in Einzelfällen ausüben kann. Bereits damit ein Recht des Jedermann auf Außeninformation ablehnen zu wollen, wäre jedoch voreilig. Gerade im Zeichen des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebots müssen die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes daraufhin untersucht werden. 3. Das allgemeine Informationsrecht nach dem Grundgesetz

a) Aus Art 17 GG Da das Petitionsrecht dem Staatsbürger unmittelbaren Kontakt mit den staatlichen Stellen eröffnet, ist es gerechtfertigt, zunächst dieses 279 Zustimmend Ule, C. H., Sellmann, K.-A., Z u m Stand der Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, DVB1. 1967, 837 (840). 280 Haueisen, F., Akteneinsicht, S. 2293 m. w. Nachw.; Düwel, P., A m t s geheimnis, S. 239 f.; Perschel, W., Behördeninformant, S. 235; Pipkorn, J., Auskunftspflichten, S. 113 f.; vgl. schon oben C I I 2 d. 281 BVerwG, Urt. v. 30. 4.1965, DÖV 1965, 488 (489 1. Sp.). 282 Pipkorn, J., Auskunftspflichten, insbes. S. 100 f.; Perschel, W., Behördeninformant, S. 234. 283 perschel, W., Behördeninformant, S. 235 m. w . Nachw. i n Fn. 53, 54; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 98 f. 284

B V e r w G DÖV 1965, 489 1. Sp.

. Das Informationsrecht des

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gegen d e Exekutive

Grundrecht zu prüfen. „Bloße Auskunftsbegehren sind keine Petitionen" 2 8 5 . Diese Feststellung würde den Schluß von Art. 17 GG auf ein allgemeines Informationsrecht verbieten. Die Formel läßt sich jedoch i n dieser Starrheit nicht halten, obwohl sie das richtige Ergebnis zum Ausdruck bringt. Auch Anträge auf Auskunft oder Einsicht können nämlich ein Petitum enthalten, weil sie die Behörden um Beantwortung angehen 286 . Da der Petent aber aus Art. 17 GG nur ein Hecht auf sachgerechte Prüfung, nicht aber auf eine bestimmte A r t der Erledigung hat 2 8 7 , genügt der Bescheid, die Auskunft könne nicht erteilt werden 2 8 8 . Das schließt nicht aus, daß die Behörde die Auskunft doch geben muß; nur entscheiden darüber nicht das formelle Recht des Art. 17 GG, sondern nur etwaige andere materielle Rechte auf Information 2 8 9 . Das Petitionsrecht vermag also das allgemeine Informationsrecht des Staatsbürgers nicht zu tragen. b) Aus der Gewährleistung

der Menschenwürde

Wie bereits ausführlich dargelegt 290 , verbürgt Art. 1 I GG als oberstes Konstitutionsprinzip zwar Schutz und Achtung der Menschenwürde, drückt dies aber nur als tragenden Leitgedanken der Verfassung aus. Diesem Charakter entsprechend würde es zu weit gehen, wollte man einen konkreten Leistungsanspruch wie das Informationsrecht aus dem Prinzip der Menschenwürde herleiten 291 . c) Aus dem Prinzip effektiven

Rechtsschutzes

Daraus wurde oben (2 b) das besondere Informationsrecht i m Verwaltungsverfahren gewonnen. Durch die doppelte Qualifikation (Vorliegen eines berechtigten Interesses, „Prozeßnähe" wegen des bereits laufenden Verwaltungsverfahrens) war dies gerechtfertigt. Wenn auch die Verletzung der Rechte des Einzelnen durch die öffentliche Gewalt jederzeit möglich und die Verteidigung durch Rechtsschutz stets nötig werden können, ist die Effektivität des Rechtsschutzes doch nur dann in Frage gestellt, wenn sich die Beschreitung des Rechtsweges bereits 285 Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 166 I l l b (S.346); Mattern, K.-H., Petitionsrecht, S. 630; v. Mangoldt-Klein, A r t . 17, Anm. I U I (S. 510). 286 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 16; Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 19. 287 Vgl. dazu oben C I V 5. 288 Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 115; Pipkom, J., Auskunftspflichten, S. 52. 269 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 16; Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 19, 32. 290 Oben C I I I . 291 Pipkom, J., Auskunftspflichten, S. 51.

166

D. Das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive

konkret abzeichnet: Die oben genannten Umstände mögen dafür Indizien sein. Erst unter diesen Voraussetzungen ist aber auch ein Informationsrecht des Staatsbürgers notwendig, um seinen Rechtsschutz effektiv zu gestalten. Darüber hinaus versetzt ihn die rechtsstaatliche Pflicht zur Transparenz bereits vorher in die Lage, staatliche Machtäußerungen zu berechnen 292 . d) Aus Art.

5IGG

aa) Aus der Meinungsäußerungsfreiheit Es wurde bereits nachgewiesen, daß die MF zwar den Empfang von Informationen aus dem Exekutivbereich schützend voraussetzt, daß ein Durchgriffsrecht und damit ein allgemeines Informationsrecht jedoch daraus nicht entnommen werden können 293 . bb) Aus der Informationsfreiheit Lassen sich sonst keine Anhaltspunkte für ein allgemeines Informationsrecht finden, könnte nur die I F als einschlägige Bestimmung der Verfassung Grund dafür legen 284 . Auch hier kann auf die bereits erzielten Ergebnisse zurückgegriffen werden 295 . Der Staatsbürger ist zu seiner Unterrichtung auf „allgemein zugängliche Quellen" verwiesen. Die Qualifizierung als Informationsquelle w i r d nur durch den Urheber herbeigeführt. Uber den jeweiligen Bestand der Informationsversorgung hinaus, hat der Grundrechtsträger auch gegen die staatliche Gewalt kein Recht auf Erschließung neuer Informationsquellen. Er kann demzufolge durch Zutritt, Einsicht oder Auskunft von der Exekutive keine Information erzwingen. Dem Staatsbürger steht damit ein allgemeines Informationsrecht nicht zu. Er kann das Öffentlichkeitsgebot der Exekutive aus eigenem Recht nicht realisieren.

V. Zusammenfassung Der vollziehenden Gewalt ist von Verfassungs wegen (oben I) die Öffentlichkeit ihres Handelns unter Einhaltung bestimmter Grenzen (II) geboten. Die Exekutive kann das Öffentlichkeitsgebot nicht ausschließlich aus eigener Initiative erfüllen (III). Dem einzelnen Staatsbürger ist 292

Zusammenfassend: oben C I I 2 f. Oben C I V 2 c, d. 294 Deshalb waren auch Informationsansprüche aus dem Petitionsbegriff auszuklammern (oben 3 a), vgl. Dagtoglou, P., B K , A r t . 17, Rdnr. 19; MaunzDürig-Herzog, A r t . 17, Rdnr. 16. 295 Siehe oben C I V 3. 295

V. Zusammenfassung

167

jedoch ein ergänzendes Informationsrecht versagt (IV). Zu prüfen ist deshalb i n Teil E, ob die Verfassung zur Lösung des Widerspruchs den Journalisten als Träger der Pressefreiheit berechtigt , die vollziehende Gewalt zur Informationserteilung zu zwingen und die so hergestellte Publizität an die begünstigten Staatsbürger zu vermitteln.

E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive „Die Pressefreiheit w i r d gewährleistet." Die lapidare Kürze der Verfassungsaussage zur Presse und der ihr verbürgten Freiheit (Art. 5 1 2 GG) läßt es angebracht erscheinen, bei der Untersuchung eines speziellen Anspruchs aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (PF) Zurückhaltung zu üben 1 . Liegt nicht in der Knappheit der Formel die Ermächtigung, ja Aufforderung an den Gesetzgeber, die grundrechtliche Freiheit erst mit seinem gestaltenden Willen zu sichern und die Ansprüchlichkeit im Gefolge des Grundrechts durch Normsetzung zu entfalten? Ein Informationsrecht (IR) des Pressejournalisten gegen Behörden der vollziehenden Gewalt würde sich dann nicht auf das Grundgesetz zurückführen lassen; seine Ausgestaltung durch den Normgeber wäre nicht Konkretisierung eines veriassungskräftigen Rechts, sondern eine freiwillige, stets verfügbare Leistung. Aber noch eine andere Möglichkeit der Deutung läßt die angezeigte Abbreviatur zu. „Pressefreiheit" mag als axiomatische Kurzform erklärbar sein. Die Gewichtigkeit des Rechts macht jedes weitere erläuternde Wort i n der Verfassung überflüssig. Die Formelhaftigkeit bedeutet dann nicht Selbstbeschränkung und Delegation „nach unten", sondern verkürzende Umschreibung und damit verfassungsunmittelbare Garantie all jener Rechte, die den Kernbestand der PF ausmachen. Gemahnt die erste Meinung zur Vorsicht, und verleitet die zweite Auffassung zur Nachsicht, so gilt es, in vorsichtiger Exegese das rechte Ergebnis zu suchen. Selbst wenn sich aus der Garantie der PF selbst keine eindeutige Antwort ergeben sollte, w i r d ein Blick auf den Kontext die Lösung erleichtern. Die Verbürgung der allgemeinen Informationsfreiheit des Staatsbürgers in A r t . 5 1 1 GG zeigt, daß die Verfassung das Unterrichtungsrecht als solches kennt. Dieser Anknüpfungspunkt läßt die Frage nach dem Informationsrecht des Publizisten nicht als vermessen erscheinen.

1 Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 22, hebt „angesichts der Zauberkunststücke, die m i t A r t . 5 1 2 vollbracht werden" warnend die Kürze der grundrechtlichen Formulierung hervor.

I. Die Stellungnahmen zum Informationsrecht des Journalisten

169

I. Die Stellungnahmen zum Informationsrecht des Journalisten Die Auseinandersetzung um ein verfassungsrechtliches IR begann bereits m i t dem Formulierungsvorschlag der „Aktionsgruppe Heidelberg" bei den Verhandlungen des Parlamentarischen Rats 2 : „Presse u n d Rundfunk haben darum das Recht, bei politischen Vertretungen, Behörden u n d allen sonstigen v o m V o l k gestellten Organen Auskünfte zu verlangen, die dieser Unterrichtung dienen. Solche Auskünfte müssen erteilt werden, soweit es das öffentliche Interesse gestattet u n d ein schutzwürdiges privates Interesse nicht entgegensteht. Das Nähere über Grenzen u n d Formen der Auskunftserteilung bestimmt ein Gesetz 3 ."

Obgleich die Anregung in der Verfassung keinen Niederschlag fand 4 , befaßte sich schon am 27. 2.1950 das „Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten" in Frankfurt/M. m i t den „Beziehungen zwischen Presse und Behörden". Das Auskunftsrecht der Journalisten wurde dabei in einem Gesetzentwurf näher präzisiert 5 . Schließlich war das Problem Gegenstand der 16. Arbeitstagung des „Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit" am 30./31. 10.1964 in Nürnberg 6 . Diese Kristallisationspunkte in der Diskussion wurden und werden durch einzelne Meinungsäußerungen in der Literatur ergänzt. Die nachfolgende kurze Schilderung des Meinungsstandes soll die wesentlichen Gesichtspunkte für die spätere eigene Stellungnahme klarlegen. 1. Ablehnende Stimmen

a) Darstellung Unlängst hat sich Forsthoff negativ zu der Frage geäußert. I n k r i t i scher Auseinandersetzung mit einer Passage des Spiegel-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, welches u. a. Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus dem Postulat der Pressefreiheit bezeichnet hat 7 , bemerkt er: „Es ist nicht erkennbar, in welchen Zusammenhang die Auskunftspflichten der öffentlichen Be2 26. Sitzung des Grundsatzausschusses v. 30.11.1948, Bericht bei v. Doemming, JöR 1, S. 84. 3 Die Erläuterung dieses Textes u n d die negative A n t w o r t des Abg. v. M a n goldt sind abgedruckt bei Küster, O., u n d D. Sternberger, Verantwortung u n d Freiheit des Journalisten, Beiträge u n d Materialien zum Presserecht, Heidelberg 1949, S. 61—63. 4 Das I R schon daran scheitern zu lassen, w ü r d e dem W o r t des Parlamentarischen Rats ein ungerechtfertigtes Übergewicht geben. 5 Presse u n d Behörden, Bericht über die Arbeitstagung „Die Beziehungen zwischen Presse u n d Behörden", Frankfurt/M. 1950, S. 85; zum damaligen Meinungsstand auch der Aufsatz von Reschke, H., DÖV 1950, 365. 8 Tagungsbericht von Löffler, M., N J W 1964, 2291 f., vgl. auch JZ 1965, 35 f. 7 BVerfGE 20, 162 (175 f.).

170 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

hörden mit der Freiheit der Presse zu bringen sind. Unter der Weimarer Reichsverfassung gab es diese Auskunftspflichten nicht. Aber niemand hat daran gedacht, die Presse deshalb für unfrei zu halten 8 ." — Ebenso verneint Friesenhahn sowohl die Auskunftspflicht der Behörden als auch ein verfassungskräftiges IR der Presseleute, allerdings ohne dies näher zu begründen 9 . — Zum gleichen Ergebnis kommt Herzog, wonach sich „jedenfalls aus Art. 512 keine Pflicht der öffentlichen Organe zur Information der Presse und erst recht nicht ein klagbarer Anspruch der Presse gegen die öffentlichen Organe auf Information herleiten läßt" 1 0 . I n erster Linie beruft er sich auf den Charakter der Pressefreiheit als bloßes Abwehrrecht 11 . — I n ablehnendem Sinn äußert sich auch Martens. Da die Verfassung der Presse keinen verpflichtenden und nur auf diese Weise erfüllbaren Auftrag erteilt habe, könne von einer verfassungsrechtlichen Pflicht der Behörden zur Presseinformation als Korrelat zu einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse keine Rede sein. Auch das institutionelle Verständnis der PF vermöge konkrete Informationsansprüche von Verfassungsrang nicht zu begründen 12 . Der Gegensatz zwischen Geheimhaltungsinteresse des Staates und Informationsinteresse des Bürgers ist Ausgangspunkt für die Überlegungen von Czajka 13. Da die richtige Abwägung nur für den Einzelfall getroffen werden könne, und letzten Endes allein die Behörde die Verantwortung trage, habe die Presse lediglich ein Recht auf richtige Ermessensausübung bei der Auskunftserteilung; ein verfassungsrechtlicher Anspruch stehe ihr nicht zu 14 . Ergänzend weist Czajka darauf hin, daß für die Presse ein gutorganisiertes Korrespondentennetz, der Anschluß an Nachrichtenagenturen und die persönlichen Beziehungen zu Informationsträgern wesentlich bedeutsamer seien 15 . Daraus folge die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Rechts der Presse, sich aus nicht8 Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 54; diese Auffassung steht i n gewissem Widerspruch zu einer Bemerkung desselben Autors (a.a.O., S. 51): „Diese Wandlung i n der S t r u k t u r u n d der F u n k t i o n der Presse (u. a. durch die außerordentlich gestiegene Bedeutung der Information) k a n n bei der j u r i s t i schen Würdigung des Grundrechts der Pressefreiheit u n d seiner Reichweite nicht unberücksichtigt bleiben." Die historisch orientierte Ablehnung des I R w i r d so schon von Forsthoff selbst i n Frage gestellt. 9 Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 31, 25. 10 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 137. 11 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 136. 12 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67, 125. 13 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 159. 14 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 160. 15 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 161. So richtig diese Bemerkung für die Praxis ist, so sehr geht sie an der rechtlichen Problematik vorbei: Auch Korrespondenten und Agenturen sind auf ein I R angewiesen, w e n n „persönliche Beziehungen" versagen.

I. Die Stellungnahmen zum Informationsrecht des Journalisten

171

öffentlichen Quellen ungehindert zu unterrichten 16 . — Einem IR der Presse widerspricht auch Kemper. Selbst wenn der Presse die Aufgabe zufallen sollte, die öffentliche Meinung zu repräsentieren, so nehme der Staat ihr doch nicht die Mühe ab, sich die erforderlichen Informationen selbst zu beschaffen 17. Gegen die „zivilistische Verengung" in Informationsansprüche des einzelnen Pressetätigen wendet sich Willms 18; ein Informationsanspruch der Presse als einer Institution der freien Gesellschaft sei ein verfassungsrechtliches Prinzip und Postulat, dem jeder verantwortliche Träger eines öffentlichen Amtes nach Maßgabe der Gesetze Beachtung schulde und das mit den politischen Mitteln der Demokratie gesichert und durchgesetzt werde 19 . Immerhin konstatiert der Autor eine Informationspflicht der Staatsorgane gegenüber dem mündigen, über die Lenkung seines Staates bestimmenden Volk. — Desgleichen bejaht Geiger eine Pflicht der öffentlichen Hand, der Presse belangreiche Tatsachen zugänglich zu machen, unter Berufung auf die öffentliche Aufgabe der Presse 20. Ein Informationsanspruch sei aber weder aus dieser öffentlichen Aufgabe noch aus der institutionellen Garantie der Presse herzuleiten 21 . — Diese institutionelle Sieht der PF ermöglicht es nach der Ansicht von Scheuner, die staatlichen Stellen zur Erteilung von notwendigen und nicht durch vordringliche Staatsinteressen ausgeschlossenen Informationen zu verpflichten; ein subjektives Recht auf Information, insbesondere als ständisches Privileg der Journalisten lehnt der Verfasser ab 22 . — Sehr skeptisch äußert sich Leisner 23. Wenn man der Presse eine besondere, durch Art. 5 allgemein institutionalisierte Bedeutung zuerkenne, ließe sich ein Auskunftsrecht der Presse vielleicht bejahen. Die Diskussion erscheine jedoch weitgehend überflüssig, weil 16 Czajka, D., a.a.O. Nach dieser Auffassung werden ausschließlich die „privaten Informationsbemühungen" durch die Hintertüren der Amtsstuben verfassungsrechtlich gesichert. Die Freiheit der Informationsbeschaffung ist allerdings generelle Voraussetzung f ü r das mögliche I R ; dazu unten I I 2 c, aa (S. 188 f.). 17 Kemper, G. H., Pressefreiheit, S. 33 f., unter Hinweis auf B G H Z 14, 319; vgl. auch Rehbinder, M., Presserecht, Herne 1967, S. 18 (Rdnr. 10). 18 Willms, G., Information durch Prozesse?, i n : Almanach 1966, HeymannsVerlag, K ö l n 1965, S. 64 (75). 19 Willms, G., a.a.O., S. 75 f.; ders.: Der Informationsanspruch der Presse u n d die Gerichtsbarkeit, ArchPR Nr. 63 (1965), S. 511 (514). 20 Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 133. 21 Geiger, W., Pressefreiheit, S. 16, 26. 22 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 69 f., 72 f., 78, 99 (Ls. I I I 21 b). Zumindest mißverständlich ders.: Die institutionellen Garantien des Grundgesetzes, i n : RStW, Bd. I V , Düsseldorf 1953, S. 88 (107), w o das landesrechtliche Auskunftsrecht als zur PF gehörig bezeichnet wird. 23 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 123 f.; i n gleichem Sinne KapsKüffner, BPA, S. 81.

172 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

gesetzliche Regelungen vorlägen und das sehr weite gesetzgeberische Ermessen zur Konkretisierung nicht bestritten werden könne; der Verfassung sei deshalb allenfalls ein Prinzip zu entnehmen 24 . b) Ergebnis Die ablehnenden Stellungnahmen zum verfassungsrechtlichen IR des Journalisten 25 lassen sich in ihren Grundgedanken wie folgt zusammenfassen: — Das historische Argument

(WRV, Entstehungsgeschichte);

— das Verantwortungsargument (die „öffentliche Aufgabe" berge keine verfassungsrechtliche Pflicht und beinhalte deshalb keine kontrollierbare Verantwortung der Presse); — das Privilegierungsargument

(kein ständisches Vorrecht der Presse);

— das Praktikabilitätsargument (der Gesetzgeber habe ein weites Normsetzungsermessen; die Presse sei viel mehr auf „nicht-öffentliche" Quellen angewiesen). A u f diese einzelnen Punkte w i r d im weiteren Verlauf der Untersuchung näher einzugehen sein. 2. Positive Stimmen

a) Darstellung Sehr früh schon hat sich die presserechtliche Literatur für das IR mit Verfassungsrang eingesetzt. Löffler nennt als berechtigende Grundlage die öffentliche Aufgabe, welche die Presse im demokratischen Gemeinwesen zu erfüllen habe 26 . Wer andere informieren solle, müsse selbst

24

I m m e r h i n bezeichnet Leisner an anderer Stelle (Werbefernsehen, S. 196 f.) das Auskunftsrecht von Presseangehörigen als mögliche Folge einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse. 25 Negativ auch: Paulitsch, K.-G., Grundgesetz u n d Pressefreiheit, Diss. Erlangen 1956, S. 39 ff., 46 (mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte); Hild, O., Der Informationsanspruch u n d die städtische Pressestelle, S. 10; Biebl, P., Das Verhältnis der Presse zu den Behörden, Diss. Würzburg 1967, S. 45; Sänger, G., Pressestellen, S. 87, (anders a.a.O., S. 106: „ I n fernerer Z u k u n f t könnte man vielleicht sogar an ein Grundrecht dieses Inhalts d e n k e n . . . " ) ; Rebe, B., Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, B e r l i n 1969, S. 33 ff.; Rheinheimer, H.-P., Rechtliche Aspekte der Pressekonzentration, Diss. Mainz 1969, S. 49; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 99. V o n rechtshistorischem Interesse: Hautmann, W., Auskunftsrecht der Presse u n d Auskunftspflicht der Behörden nach dem bayerischen Pressegesetz v o m 3.10. 1949, Diss. München 1950. 26 Löffler, M., Presserecht, 1. Aufl., München 1955, S. 4 (Rdnr. 2), S. 69 (Rdnr. 31); so auch Düwel, P., Amtsgeheimnis, S. 140 f.

I. Die Stellungnahmen zum Informationsrecht des Journalisten

173

besser informiert sein, weshalb aus der grundrechtlich geschützten Freiheit der Berichterstattung „schon aus allgemeinen Erwägungen" ein auf A r t . 5 I GG gestützter Hechtsanspruch von Presse und Rundfunk auf ausreichende und richtige Information durch die Behörden folge 27 . — Auch für Groß ist der Auskunftsanspruch eine notwendige Folge der öffentlichen Aufgabe der Presse 28. Eine zeitgemäße Auslegung ermögliche die Befreiung der PF von der Beschränkung auf den „status negativus" 2 9 . Der Auskunftsanspruch sei deshalb unmittelbar i n A r t . 5 1 2 GG verankert, zumal er unabdingbare Voraussetzung für die V e r w i r k lichung der Volkssouveränität sei, an der die Presse mitzuwirken habe 30 . Lerche ist ebenfalls der Ansicht, daß ein gesteigerter Informationsanspruch nur aus der Funktion der Presse i n ihrer Mittlerrolle zwischen den Staatsorganen i m engeren Sinn und den Gesellschaftsteilen begründet werden könne 31 . — I m Gegensatz zu seiner früheren Auffassung (lediglich ein generelles Auskunftsverbot der Behörden gegenüber den Nachrichtenorganisationen sei sicher verfassungswidrig 32 ) setzt sich nunmehr auch Ridder für ein verfassungskräftiges IR ein: aus dem institutionellen Aspekt der PF und der Funktion der Presse im öffentlichen Meinungsprozeß sei ein Inforir ationsanspruch gegenüber den Regierungsstellen i m Dienste der Öffentlichkeit zu folgern 33 . Es sei Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, diesen Anspruch handhabbar zu machen 34 . — Scholler, der Ridder so interpretiert, als habe er dieses 27 Löffler,M., Der Informationsanspruch der Presse u n d des Rundfunks, S. 2278; ähnlich: Sternberger, D., N u r die Freiheit macht stark, i n : Verantw o r t u n g u n d Freiheit des Journalisten, hrsg. v. O. Küster u n d D. Sternberger, Heidelberg 1949, S. 41 (55). Gegenüber einer mißverständlichen Äußerung (a.a.O., S. 2278), die das I R dem „Grundrecht der Informationsfreiheit" einordnet, stellt Löffler klar, Presserecht I I (1968), S. 82 f. (Rdnr. 16), daß das Sonderauskunftsrecht der Presse dogmatisch nicht aus A r t . 5 1 1 GG hergeleitet werden könne. Das institutionalisierte Grundrecht der P F biete eine ausreichende Grundlage; vgl. auch Löffler, M., Presserecht I (1969), S. 90 (Rdnr. 45 f.). 28 Groß, R., Verschwiegenheitspflicht der Bediensteten u n d Informationsrecht der Presse, Göttingen 1964, S.23ff.; ders.: Z u m Auskunftsanspruch der Presse, ArchPR Nr. 62 (1965), S. 489 (490); ders.: Presserecht, S. 86 ff. Ebenso Leihe, B., BPA, S. 445. 29 Groß, R., Presserecht, S. 86 f. 30 Groß, R., Presserecht, S. 87. 81 Lerche, P., A r t . Presse, Pressefreiheit, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 1601 (1603); zustimmend: Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 72. 32 Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 276; so auch: v. Mangoldt-Klein, Art. 5 Anm. V 2 c (S. 242 f.). 33 Ridder, H., i n : Ridder-Heinitz, Staatsgeheimnis und Pressefreiheit, Bonn 1963, S. 37; ebenso Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, Anm. B 6 (S. 189 f.). 34 Ridder, H., a.a.O.; zu Ridders Auffassung vgl. auch die Berichte der Nürnberger Tagung (oben Fn. 6). Ridder schwächt seine Aussage allerdings i m gleichen Atemzug wieder ab (Staatsgeheimnis u n d Pressefreiheit, S. 37), indem er die Fragestellung als „absurd" bezeichnet, falls die Regierung die

174 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Recht aus Art. 211 GG herzuleiten versucht, hält auch die vorgetragene Auffassung von Löffler nicht für unproblematisch 33 . Seiner Meinung nach ist das Informationsrecht der Presse zum „status activus" nach A r t . 38 GG zu zählen, wenn man auf die Bedeutung der Informationsbeschaffung für den Prozeß der demokratischen Willensbildung abhebe 36 . — Rudolf begründet den Auskunftsanspruch mit der I F des A r t . 5 1 1 GG, wenn er sagt, daß dieses Informationsrecht auch der Presse zustehe und i n den Landespressegesetzen näher präzisiert werde 37 . — Einen interessanten Versuch unternahm in jüngster Zeit Windsheimer, der das IR aus der strikt individual-rechtlichen Interpretation der PF entwickelt 3 8 . b) Ergebnis Für die Befürworter des verfassungsrechtlichen I R 3 9 sind folgende Gesichtspunkte maßgebend: — Der kollektive Aspekt (die Rolle der Presse i m Verfassungsgefüge, ihre „öffentliche Aufgabe", die „institutionelle" Betrachtung); — der individuelle

Aspekt (die Grundrechtsausübung des Publizisten). 3. Zusammenfassung

Die Ansichten zum verfassungsmäßig verbürgten IR des Journalisten sind geteilt. Befürworter wie Gegner berufen sich für ihre Auffassung i m wesentlichen auf die „öffentliche Aufgabe" oder die „institutionelle Garantie" der Presse. I n Anbetracht der unterschiedlichen Auslegung dieser Begriffe w i r d es vor allem darauf ankommen, ihre verfassungsnotwendigen Fakten ohnehin zur Verfügung stelle. Dies ist jedoch n u r ein Argument gegen die praktische Notwendigkeit, nicht aber gegen die j u r i s t i sche Begründetheit des IR. I m übrigen wurde bereits oben D I I I 1 c nachgewiesen, daß die Exekutive das Öffentlichkeitsgebot durch Eigeninformation selbst bei bestem W i l l e n nicht erfüllen kann. 35 Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 296. 36 Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 295 f. Diese Blickweise vermag n u r die staatliche Publizität zu begründen (oben D 1 1 a), nicht aber einen konkreten Anspruch zu stützen. 37 Rudolf, W., Presse u n d Rundfunk, i n : Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. v. I . V . M ü n c h , 2. Aufl., Bad Homburg 1970, S. 599 (611). Dieser A u f fassung kann allerdings deshalb nicht zugestimmt werden, w e i l die allgemeine I F ausdrücklich auf „allgemein zugängliche Quellen" beschränkt ist; so auch Groß, R., Presserecht, S. 87 m. w. Nachw., u n d oben C I V 3 u n d D I V 3 d. 38 Windsheimer, H., Information, S. 160 ff. Nähere Darlegung u n d kritische Auseinandersetzung, unten I I 1 a, b. 39 F ü r konkrete Informationsansprüche m i t Verfassungsrang auch Haberle, P., Besprechung von Martens, W., öffentlich als RechtsbegrifT, DÖV 1969, 653 (654 m. Fn. 7); w o h l auch Kloepfer, M., Grundrechte, S. 18 (Fn. 79).

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

175

rechtliche Tragweite herauszuarbeiten. Zuvor soll jedoch versucht werden, das IR allein aus der subjektiven Perspektive des Grundrechts der PF herzuleiten, so daß ein Rückgriff auf jene umstrittenen Positionen unterbleiben könnte. II. Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts aus der Pressefreiheit Die PF muß zunächst wie jedes andere Grundrecht als Abwehrrecht gegen staatliche Beeinträchtigung gesehen werden 40 . Aus der Verletzung des „status negativus" können allenfalls Unterlassungsrechte, nicht aber Leistungsansprüche folgen, wie es Sinn und Zweck der Außeninformation erforderten 41 . Als konstruktiv denkbar hatte es sich allerdings erwiesen, daß Leistungsansprüche als Annexrechte zur Realisierung des „status publicus" notwendig werden 42 . Eine so umschriebene M i t w i r kungsfunktion hatte sich bei dem Grundrecht des Art. 5 11 GG (MF) zwar nachweisen lassen, ein konnexes Durchgriffsrecht auf Information aber mußte mangels materieller Bestimmtheit dieses Grundrechts abgelehnt werden 43 . Dieses Ergebnis ließe sich nun auch für die vorliegende Frage nutzbar machen: Ein IR folgt aus Art. 512 GG ebensowenig wie aus Art. 5 I 1 GG, wenn die PF nur einen Unterfall der MF darstellt 44 oder gar denselben Kernbereich besitzt 45 . Es überrascht deshalb um so mehr, wenn der zuletzt genannten Einheitstheorie dennoch ein IR entnommen w i r d (Darstellung und K r i t i k unter 1). I m Anschluß daran muß die Frage gestellt werden, ob die PF nicht doch einen verfassungsrechtlichen Eigenwert aufweist, der im Unterschied zur M F die individualrechtliche Begründung des IR erlaubt (unten 2).

40

Dazu oben C I V 2 a. Oben D I I I 2 a, 3. 42 Vgl. C I V 2 b, dd. 43 C I V 2 b—d. 44 „ A l s Freiheitsrecht ist das Recht der PF ein Unterfall der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit...", so Schnur, R., Pressefreiheit (Mitbericht), V V D S t R L 22, B e r l i n 1965, S. 101; weitere Nachw. für diese Auffassung bei Schneider, F., Pressefreiheit, S. 88. 45 „ P F u n d Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk u n d Film, das Recht der Meinungs verb reitung u n d das Zensurverbot sind gegenüber dem Recht der freien Meinungsäußerung keine selbständigen Größen: sie bilden zusammen ein u n d dasselbe — der individuellen Denk- u n d Meinungsfreiheit zugeordnete — Recht, geistige Wirkungen (Informationen) i n beliebiger I n tensität nach außen abzugeben (Äußerungsfreiheit)"; so Windsheimer, H., Information, S. 117. 41

176 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive 1. Die Äußerungsfreiheit als Grundlage des Informationsrechts

a) Die Lösung von Windsheimer

48

I m Anschluß an Ridder 4 7 geht der Autor von dem Schutz der „inneren Geistesfreiheit" aus. Die Verbürgung des Art. 5 I GG greife dann ein, wenn sich das freie Denken i m Geben und Nehmen von Informationen äußere (S. 66 f.). Die Funktion des Grundrechts lasse es als selbstverständlich erscheinen, daß grundsätzlich alles in Freiheit „gegeben" und „genommen" werden könne, was „denkbar" sei (S. 68). So verliert für Windsheimer der Begriff des Freiheitsrechts seine negatorische Zielsetzung: „Wenn w i r dagegen die Rechte des Art. 5 I aus ihrer Zuordnung, aus den wertbestimmenden Maßstäben des freien Denkens und des freien geistigen Wirkens begreifen, macht es zumindest rechtstechnisch keine Schwierigkeiten, ein subjektives öffentliches Recht auf Information mit der Achtungspflicht des Staates und damit unmittelbar aus Art. 5 I zu begründen" (S. 70). Dennoch gesteht der Verfasser aus pragmatischen Gründen ein IR nicht jedermann zu 48 . Der Staat müsse es aber zumindest jenen Personen gewähren, die i n ihrer Gesamtheit allein dazu imstande seien, die Informationsvermittlung zu bewältigen (S. 160). Staatliche Informationsleistungen begünstigten den aktiv am öffentlichen Kommunikationsgeschehen beteiligten Bürger insofern, als damit das Maß seiner publizistischen Wirksamkeit erhöht werde (S. 161). „Die Äußerungsfreiheit aber ist gerade darauf ausgerichtet, daß das Individuum in beliebiger Intensität an der öffentlichen Meinungsbildung m i t w i r k t und damit die fundamentalen Interessen der Allgemeinheit aus ureigenem Interesse wahrnimmt" (S. 163). Die Verfassungsentscheidung für die Information verdichte sich in Art. 5 I GG dahin, daß der Staat die Informationen durch die Kanäle der staatsfreien Kommunikation leiten müsse (S. 163). Somit gibt die Äußerungsfreiheit jedermann ein subjektives öffentliches Recht auf Information, wenn er sich in erhöhter Intensität — aktiv und öffentlich — am Kommunikationsprozeß beteiligt (S. 164, 185). Demzufolge können außer dem eigentlichen Publizisten, auch Wissenschaftler, Versammlungsredner, Flugblattverfasser oder Leserbrief Schreiber das IR geltend machen (S. 164). Mißbräuche sollen dadurch ausgeschlossen werden, daß der Auskunftssuchende sein Informationsinteresse zumindest glaubhaft macht (S. 164 f.). b) Kritik Die vorgeschlagene Lösung kann nicht überzeugen: Gerade „rechtstechnisch" ist es nicht ohne weiteres möglich, aus einem „Freiheits46 47 48

Windsheimer, H., Information. Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 245. Dazu oben D I V 1.

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

177

recht" ein subjektives Recht zu entwickeln 49 , zumindest wenn man darunter i m herkömmlichen und herrschenden Sinne ein Unterlassungsrecht gegen staatliche Eingriffe versteht 50 . Selbst wenn man aber ein Freiheitsrecht als Grundlage von Leistungsansprüchen ansieht, darf dabei nicht die Gefahr übersehen werden, die i n der „Verrechtlichung" der Freiheit liegt 5 1 . Freiheit ist zunächst und in erster Linie „Freiheit vom Staat". Erst wenn dieser Freiheitsraum gesichert ist (und zwar durch die Abwehrfunktion der Grundrechte), kann daraus sinnvollerweise die „Freiheit zum Staat" entspringen. Erst hier w i r d die Informationsleistungspflicht relevant: nicht i m Hinblick auf eine abstrakte Denkfreiheit, (die ja auch eine unbeschränkte D r i t t Wirkung sanktionieren würde, u m „Denkgehalte" in Freiheit „nehmen" zu können), sondern i n bezug auf die konkrete M i t w i r k u n g des Individuums, die sich i n staatsbezogenen Meinungsäußerungen manifestiert. Wenn schon die geistige Wirkfreiheit, die doch jedem Bürger zustehen müßte, das IR legitimieren soll, dann steht die Beschränkung der Anspruchsberechtigung auf „aktive Publizisten" damit in unlösbarem Widerspruch 52 . Den richtigen Ausgangspunkt für dieses richtige Ergebnis nennt Windsheimer allerdings nicht: die Versagung eines allgemeinen IR aus Art. 5 1 1 GG 53 . Daß dieser Aspekt in der kritisierten Lösung nicht auftaucht, liegt daran, daß der Autor, der für Art. 5 I GG ironisch eine „wunderbare Grundrechtsvermehrung" konstatiert 54 , dabei selbst einem ebenso „wunderbaren" Grundrechtsschwund zum Opfer fällt: Indem er nämlich die Freiheiten des Grundrechtsartikels auf die Tätigkeiten des „Gebens" und „Nehmens" und damit auf ein mechanistisches Grundmuster zurückführt, charakterisiert er zwar richtig die gemeinsame Struktur der Rechte, verliert dabei aber den Blick für die Differenzierung der Garantien i m Wirkungsfeld der Meinungsäußerungsfreiheit. Man w i r d dem Grundgesetz nicht gerecht, wenn man die wenigen konkreten Aussagen durch Einschmelzung auf unjuristische Verhaltensformen noch weiter reduziert. 49 Denkbar wäre nur, die Grundrechtsverletzung gerade i n einer U n t e r lassung zu sehen. Das negatorische Freiheitsrecht würde dann zu einem Recht auf Unterlassung der Unterlassung, also zu einem positiven T u n führen. Diese Möglichkeit spricht Windsheimer aber nicht an. Zurückhaltend zu dieser Konstruktion Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 86 ff. 50 Oben vor 1 u n d C I V 2 a. • 51 Es ist fraglich, ob Windsheimer die damit verbundene Institutionalisierung der Freiheit gesehen hat, zumal er sich für die PF ausdrücklich davon distanziert (Information, S. 116 f.). Z u diesem „Ineinanderstehen von Recht u n d Freiheit" insbes. Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, passim (Zitat S. 120). Z u m Problem der Pflichtbindung unten I V 1 e, cc—ee. 52 Zutreffend auch Rebe, B., Träger der PF, S. 34: „Die intensivere Ausübung eines Grundrechts kann seinen I n h a l t u n d Umfang nicht erweitern." 53 Vgl. oben C I V 3 a. 54 Windsheimer, H., Information, S. 79.

12 Jerschke

178 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Die Auswirkung dieses Vorgehens zeigt sich bei der Bestimmung der Informationsberechtigten. Wenn Art. 5 I GG nach dieser Ansicht schon nur das Grundrecht der „Äußerungsfreiheit" verbürgt, dann wäre es wiederum folgerichtig, alle Grundrechtsträger zu begünstigen. Obwohl diese Konsequenz nicht gezogen wird, wäre die Abgrenzung des Personenkreises i m Einzugsbereich der PF immer noch zu weit, wenn etwa auch der „Versammlungsredner" um Informationen nachsuchen könnte 55 . Wiederum bestätigt sich: Verschwimmende Grundrechtskonturen machen die Position der Grundrechtssubjekte unklar und gefährden auf diese Weise die Freiheit. Schließlich ist nicht einsichtig, warum der Informationsbedarf des „aktiven Publizisten", und damit dessen höchst egoistische Interessen, Beweggrund für die Verankerung des IR sein können. Die eigene Publizitätserweiterung als Ausgangspunkt ist eine persönliche und damit sachwidrige Privilegierung 56. Diese Folgerung soll nun allerdings mit der Feststellung umgangen werden, daß der Bürger im demokratischen Rechtsstaat Belange der Allgemeinheit auch im eigenen Interesse wahrnehme 57 . M i t der Identifikation von Gemein- und Eigeninteresse wäre der Nachweis erbracht, daß das publizierende Individuum in jedem Falle „berechtigte" eigene Interessen verfolge, nicht aber die Presse zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen privilegiert sei. So verlockend es erscheint, auf diese Weise die Argumentationskette der „öffentlichen Aufgabe" der Presse nicht i n Gang setzen zu müssen, so wenig kann diese Beweisführung einleuchten. Abgesehen davon, daß die Betrachtungsweise in nichts von der Beantwortung der Frage enthebt, wann denn „fundamentale Interessen der Allgemeinheit" vorliegen, gibt die Theorie für die Begründung des IR nichts her: Sie bezweckt, die Ausstrahlung der Meinungsäußerungsfreiheit i m Bereich des Ehrenschutzes zu sichern, und gilt folglich für jedermann 58 . Nur die weitgefaßte Ausdeutung der „Wahrnehmung berechtigter Interessen" kann verhindern, daß der Ehrenschutz eine dominierende Vorrangstellung erhält und so das Grundrecht des Art. 5 1 1 55

Z u r Frage der Anspruchsberechtigung unten 2 c, bb, ß, y. „Befreiungen von allgemein geltenden Rechtsnormen müssen nach A r t u n d Reichweite stets von der Sache her sich rechtfertigen lassen", so BVerfGE 20, 162 (176). 57 Windsheimer, H., Information, S. 72 m. Fn. 38, S. 163, 170 f., beruft sich auf die neuere Rechtsprechung zu § 193 StGB, etwa BGHSt 18, 182 (187); vgl. auch Dreher, E., StGB, §193, Anm. 5 A b b b , 5 B b ; zur älteren Rechtsprechung des RG, das eine persönliche Beziehung zu der erörterten Angelegenheit verlangte, vgl. Löffler, M., Presserecht, 1. Aufl., S. 570 ff.; Rehbinder, M., Die öffentliche Aufgabe und rechtliche Verantwortlichkeit der Presse, Berlin 1962, S. 30 ff., 36 f. 58 BVerfGE 12, 113 (125); E24, 278 (282) m . w . Nachw.; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 129. Z u m Öffentlichkeitsbezug dieser Rechtsprechung Haberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 114, 265. 56

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

179

GG aushöhlt. Es ist aber nicht angebracht, dieselbe weite Auslegung der Begründung eines Leistungsrechts zugrunde zu legen. Ein Rechtfertigungsgrund würde damit der Anspruchsbegründung dienen. Die Folge wäre, daß die sorgsam gestufte Interessenpyramide einfache—berechtigte—rechtliche Interessen 59 allein dadurch zusammenbrechen würde, daß die Wahrnehmung öffentlicher Anliegen stets die Ausübung „berechtigter" eigener Interessen darstellte. Speziell für das IR spricht überdies das Grundgesetz eine deutliche Sprache: wie nachgewiesen, schließt es ein „allgemeines IR" des Bürgers aus 60 . Wenn die Verfassung dennoch bestimmte Personen mit einem IR betrauen sollte, kann die Gleichung „Eigeninteresse, weil Gemeininteresse" nicht die Grundlage abgeben. Das Ergebnis dieser kritischen Uberlegungen spricht vielmehr dafür, daß der Anspruchsberechtigte nur i n Anbetracht der Interessen der Allgemeinheit legitimiert ist. c) Folgerungen Immerhin ergeben sich zwei mögliche Varianten der originären Entstehung des IR in der Person des Grundrechtsträgers: — Das IR w i r d ihm zugestanden, weil und soweit dies in seinem eigenen Interesse liegt (individual-rechtliche Begründung; dazu i m folgenden unter 2). — Das Grundrechtssubjekt w i r d mit dem IR ausgestattet, weil sein Handeln das Gemeinwohl fördert (kollektiv-rechtliche Begründung; unten I V 1). Denkbar ist aber auch, daß der Anspruch dem Journalisten als derivatives Recht an die Hand gegeben wird, falls das potentielle IR aus einer wie immer gearteten „institutionellen Garantie", — und damit ebenfalls kollektiv-rechtlich —, abgeleitet werden kann (IV 2). Als „logisches prius" muß zunächst die erste Variante der ersten Alternative untersucht werden. Ihre Begründetheit hängt — wie bereits oben (vor 1) bemerkt — primär davon ab, ob die PF gegenüber der M F ein verfassungsrechtliches Eigengewicht besitzt, das so strukturiert ist, daß es die Deduktion eines IR erlaubt. 2. Die Eigenständigkeit der Pressefreiheit

Zunächst ist zu fragen, ob sich die geschützte Grundrechtsbetätigung der PF von der i m Rahmen der M F unterscheidet. Der Begriff „Pressefreiheit" bringt nur ein passives Element zum Ausdruck — nämlich das 59 60

12*

Vgl. oben D Fn. 200; D I V 2, v o r a. Oben D IV.

180 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Freisein von staatlichem Zwang 8 1 — und verweist im übrigen global auf die Betätigung der „Presse". Ein Blick in die Presseerzeugnisse müßte also den Schutzbereich des Grundrechts mit Sinn erfüllen. I n gleichordnender Aufzählung ist jedoch in Art. 512 GG neben der PF noch die „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und F i l m " gewährleistet, ein Hinweis, daß i n diesem Satz des Grundgesetzes durchgängig die „Berichterstattungsfreiheit" garantiert wird 6 2 . Der „Wiedergabe von Tatsachen" 63 würde von Verfassungs wegen ein besonderes Gewicht beigemessen und damit auch die Nachrichtenvermittlung durch die Presse als wertvoll und schutzwürdig angesehen64. Für das IR wäre dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil so die Weitergabe auch von staatlichen Informationen grundrechtlich gesichert wäre. Diese Folgerung würde i n ihrem Gewicht noch verstärkt, wenn sich der Begriff „Meinungsäußerung" von dem Begriff „Berichterstattung" unterschiede, so daß sich die geschützten Betätigungen von Satz 1 und Satz 2 des Art. 5 I GG vollinhaltlich trennen ließen. Es fragt sich, ob die Wortinterpretation die aufgezeigte Differenzierung von MF und PF rechtfertigt oder ob „die terminologische Unterschiedlichkeit dieser Vorschriften... wohl letztlich mehr auf sprachästhetische Erwägungen zurückzuführen" 65 ist, mit der Folge, daß die Tatsachenwiedergabe auch von der M F erfaßt ist und die Berichterstattungsfreiheit der Presse keine Besonderheit wäre. a) Die Entstehungsgeschichte aa) Die Berichterstattungsfunktion in den Entwürfen Bereits A r t . 7 I I des Herrenchiemsee-Entwurfs lautete: „Die Presse hat die Aufgabe und das Recht, über Vorgänge, Zustände, Einrichtungen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wahrheitsgemäß zu berichten" 86 . Damit wurde die Informationsfunktion der Presse ausdrücklich angesprochen, gerade im Unterschied zur Weimarer Verfassung (Art. 118), die keine „Berichterstattungsfreiheit" verankert hatte. 61 Maunz, T., Staatsrecht, §15 I V 3 a (S. 118), bedauert, daß n u r diese passive Seite ausdrücklich angesprochen ist. 62 Widersprüchlich Rebe, B., Träger der PF, S. 37, der die Freiheit der Berichterstattung n u r aus der PF selbst erschließen w i l l , sich dann aber i n Fn. 89 doch auf den Kontext des A r t . 5 1 2 GG bezieht. 63 So die Definition von Berichterstattung bei v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. V I I 1 (S. 245), unter Hinweis auf Maunz, T., Staatsrecht, a.a.O. 64 Dies betont Rehbinder, M., öffentliche Aufgabe, S. 83, unter Bezugnahme auf den Wortzusammenhang; er lehnt aber eine entsprechende „ P r i v i legierung" der Presse strikt ab. 63 So Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 202. 86 v. Doemming, JöR 1, 79; ganz ähnlich auch A r t . 1111 BV.

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

181

Die ausschließliche Ausrichtung auf „öffentliche Angelegenheiten" ging allerdings mit dem nachfolgenden Entwurf zur 5. Sitzung des Grundsatzausschusses v. 29. 9.1948 verloren. Art. 8 I I I besagte: „Presse, Rundfunk und F i l m haben das Recht, ohne Behinderung durch Zensur über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse wahrheitsgetreu zu berichten und zu ihnen Stellung zu nehmen" 87 . Dabei fällt die Ausdehnung auf die Schutzsubjekte Rundfunk und F i l m und auf den Schutzgegenstand der „Stellungnahme" besonders auf. Der Vorschlag wurde von dem Abg. Prof. Thoma heftig kritisiert, weil er unerträgliche Einschränkungen der PF zulasse68. Schließlich wurde auf Anregung des Abg. v. Mangoldt ein besonderer Satz über die Gewährleistung der PF als „ganz eingeführtem Begriff" und über die Berichterstattung von Rundfunk und Film formuliert 8 9 . A u f eine Einfügung des Rechts des Rundfunks auf Stellungnahme verzichtete man, weil es in der PF enthalten sei 70 . Trotz mannigfaltiger anderweitiger Änderungen stand so der Text des späteren Art. 5 1 2 GG bereits frühzeitig fest. Der Begriff „Meinung" in Art. 5 1 1 GG wurde im Parlamentarischen Rat nicht diskutiert; man hielt sich an die erprobte Formulierung des Art. 118 WRV 7 1 . bb) Die Bedeutung der Informationsvermittlung Somit gibt die Entstehungsgeschichte folgende Auslegungshinweise: I m Gegensatz zur Weimarer Verfassung ist die PF ausdrücklich in das Grundgesetz aufgenommen 72 und ihre Bedeutung damit verfassungsrechtlich untermauert worden. Trotz gekürzter Fassung geben die Entwürfe einen Anhalt für die Bedeutungsrichtung der Garantie 73 ; von ihr sind sowohl Tatsachenverbreitung als auch Meinungsäußerung erfaßt 74 . Erstmals i n einer deutschen Verfassung w i r d die Freiheit der Berichterstattung durch F i l m und Rundfunk garantiert 75 . Damit soll deren staatlicher Mißbrauch als Propagandainstrument ausgeschaltet 76 und daraus folgend die Bedeutung der Nachrichtenvermittlung unterstrichen werden. Eine ausdrückliche Gewährleistung der Meinungsäußerung durch 67

v. Doemming, JöR 1, 80. v. Doemming, J ö R l , 81; vgl. auch v. Mangoldt, H., Das Bonner G r u n d gesetz, 1. Aufl., B e r l i n 1953, A r t . 5, A n m . 1 (S. 59). 69 v. Doemming, JöR 1, 82. 70 v. Doemming, JöR 1, 83. 71 Vgl. bereits oben C Fn. 283. 72 v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I 2 (S. 236). 73 Vgl. dazu v. Mangoldt, H., 1. Aufl., A r t . 5, A n m . 4 (S. 63). 74 Deshalb k a n n die Ablehnung des I R durch Forsthoffs Hinweis auf die Weimarer Verfassung (oben Fn. 8) nicht von vornherein überzeugen. 75 v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I 2 (S. 236). 78 v. Mangoldt, H., 1. Aufl., Art. 5, Anm. 5 (S. 66). 68

182 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

die Massenkommunikationsmittel w i r d nicht vorgenommen; es kann aber kein Zweifel bestehen, daß zu ihrem Schutz zumindest A r t . 5 1 1 GG eingreift. Ein Unterschied von Meinung und Tatsache w i r d vorausgesetzt, weil sich sonst die ausdrückliche Erwähnung der Berichterstattung i n Art. 5 1 2 GG erübrigt hätte. b) Die Abgrenzung

Meinung — Tatsache

Könnte so der Begriff der Berichterstattung als Kontrastbegriff zur Meinungsäußerung verstanden werden 77 , so w i r d dieser Ansicht vorgeworfen, sie müsse „auf mehr oder weniger unerklärliche Weise die Berichterstattungsfreiheit, die sich nach dem Wortlaut des Gesetzes auf Rundfunk und F i l m bezieht, i n die PF hineingeheimnissen, ohne zu erkennen, daß die Freiheit der Tatsachenbehauptung bereits i m Kernrecht der PF, nämlich der Meinungsäußerungsfreiheit mit enthalten ist" 7 8 . Diese „Einheitsauffassung" 79, die sich gegenüber der früher h. L. (Trennung von Meinung und Tatsache) 80 immer mehr durchsetzt 81 , stützt sich i m wesentlichen auf folgende Argumente: aa) Die Einheitsauffassung Eine Abgrenzung von Meinung und Bericht sei nicht nur sehr schwier i g vorzunehmen, sondern sogar objektiv unmöglich 82 . Wohl jedes fundierte Werturteil stütze sich auf Tatsachenwissen, das mit ihm unlösbar verknüpft sei 83 . Überdies sei jede Berichterstattung mit einem Wert77 So Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 200, über die Verfassungsrechtslehre. 78 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 305. 79 Begriff von Leisner, W., Begriffliche Grenzen verfassungsrechtlicher M e i nungsfreiheit, U F I T A 37 (1962), S. 129 (134). 80 Wernicke, K , B K , A r t . 5, A n m . I I 1 b ; Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 264 f.; v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, Anm. I I I 1 (S. 238 f.) ; Reisnecker, H., Meinungsfreiheit, S. 74; Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 135 ff.; Schneider, F., Pressefreiheit, S. 22 ff., 30, 115 f.; Ermacora, F., Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, Wien 1963, S. 325; Scheuner, U , Pressefreiheit, S. 63 ff.; Zippelius, R., A r t . Meinungsfreiheit, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 1298 (1299); Maunz, T., Staatsrecht, § 1 5 I V 3 (S. 118); Geiger, W., Informationsfreiheit, S. 131; v.Gamm, O.-F., Massenmedien, S. 8 f. (Rdnr. 11); Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, Anm. B 1 (S. 184 f.); offengelassen von BVerfGE28, 191 (199 f.). 81 Noltenius, J., Freiwillige Selbstkontrolle, S. 96; Rehbinder, M., öffentliche Aufgabe, S. 83 ff.; ders.: Presserecht, S. 18 (Rdnr. 9); Stein, E., Staatsrecht, §1911 (S. 118); Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 106 f.; Windsheimer, H., Information, S. 89 ff.; Maunz-Dürig-Herzog, Art. 5, Rdnr. 50 ff.; Groß, H., Presserecht, S. 51 f.; Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 22 f.; Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 305 ff.; Löffler, M., Presserecht I, S. 82 f. (Rdnr. 26); Rebe, B., Träger der PF, S. 28 f.; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 95 f.; Kloepfer, M., Grundrechte, S. 60. 82 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 51. 83 Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

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urteil des Berichtenden verbunden. Bezogen auf die Vermittlung einer Nachricht, die der Journalist von einer Behörde aufgrund seines IR erhalten hat, würde dies bedeuten, daß er damit seine „Meinung" weitergibt, nicht aber Tatsachen berichtet, und sich der MF, nicht aber der Berichterstattungsfreiheit bedient. Die Praxis der Presse scheint diesen Befund zu bestätigen: wie verschieden sind die Berichte „aufgemacht", wie unterschiedlich plaziert und akzentuiert 84 . I n die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse der Informationssoziologie, wenn sie verschiedene „neuralgische Punkte" im Ablauf einer Information nennt 8 5 : die Tatsachen selbst (auch unter ihnen findet bereits eine Auswahl statt), die Aufzeichnung durch den Beobachter, die Übermittlung an die Agentur, die Bearbeitung durch die Agentur nach Form und Inhalt, die Verbreitung durch die Agentur, die zweite Überarbeitung durch die Redaktion und die Verbreitung an das Publikum. Die Fehlerquellen bei der Nachricht können dabei wiederum verschiedene Ursachen haben 86 , nämlich physiologische (Verhören, Versehen, Übersehen), technische (Schreib-, Satzfehler, Übertragungsstörung) oder psychologische (Zustimmung, Ablehnung, Indifferenz). Selbst wenn für die grundrechtliche Prüfung nur die psychologischen Fehlleistungen berücksichtigt würden, w i r d man zugeben müssen, daß es eine „lupenreine" Tatsachenwiedergabe nicht geben kann. bb) Die schwerpunktartige Unterscheidung Es ist jedoch sehr fraglich, ob dieses Ergebnis für die Auslegung von Art. 5 I GG maßgebend ist. Dagegen sprechen vor allem systematische Gründe: Die Deutung des Meinungsbegriffs im Sinne eines allumfassenden Rechts auf „freie Äußerung" 8 7 würde dazu führen, daß Art. 5 I GG völlig den Art. 2 GG überlagerte. Da sich die menschliche Persönlichkeit fast ausschließlich in der Reproduktion von Denkinhalten „äußert", wäre Art. 5 I GG — und nicht Art. 2 I GG — das „Hauptfreiheitsrecht" 88 . Es würden das ausgeglichene Vorbehaltssystem des Grundgesetzes in Frage gestellt und der Auffangcharakter von Art. 2 I GG ausgelöscht89. Die Prädominanz von Art. 5 I GG ginge dann sogar noch weiter: auch „Werbung", „religiöse Betätigung" oder „wissenschaftliche Stellungnahmen" wären in jedem Falle „Meinungen". Diese Konsequenz w i r d der wohlabgewogenen Systematik der Grundrechte (Art. 12 GG für 84

Vgl. dazu Zippelius, R., Staatslehre, § 1 8 I V 1 (S. 110). Clausse, R., P u b l i k u m u n d Information, K ö l n 1962, S. 20. 86 Zusammenfassend: Publizistik-Wörterbuch, S. 247 f. 87 So Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 309, der auf den angelsächsischen Begriff „freedom of speech" Bezug n i m m t ; Windsheimer, H., Information, S. 97 f.; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 55. 88 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 2, Rdnr. 6 zu A r t . 2 I GG. 89 Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 136. 85

184 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

„Werbung", A r t . 5 I I I GG für „Wissenschaft", Art. 4 GG für „religiöse Kundgaben") nicht gerecht. Es ist deshalb ein Mittelweg zu suchen, der zwar die zentrale Stellung der Meinungsäußerung für den demokratischen Staat gebührend sichert, ihre freiheitsbewahrende Zielsetzung aber nicht durch Schrankenlosigkeit verhindert 9 0 . Auch der nach dieser Zuordnung zu speziellen Grundrechten verbleibende Rest von menschlichen (Tatsachen-)Mitteilungen bleibt nicht schutzlos 91 ; hier entfaltet A r t . 2 I GG seine lückenfüllende Wirkung. Wenn Herzog dieses Ergebnis als „grotesk" und „zu wenig durchdacht" bezeichnet, weil es die mit Subjektivitäten belastete Meinungsäußerung stärker schütze als die nachprüfbare Tatsachenwiedergabe 92 , so hat er unrecht: Gerade das Wagnis des Meinungseinsatzes, das intellektuelle Risiko und das geistige Engagement sind Werte, welche die Essenz des demokratischen Staatswesens ausmachen. Der einer Meinungsäußerung innewohnende schöpferische Kerngehalt verdient deshalb intensiveren Schutz als die Tradierung gegebener Fakten. Dennoch müssen einige Eingrenzungen des Meinungsbegriffes als zu weitgehend abgelehnt werden. Von Art. 5 1 1 GG sind nicht nur Stellungnahmen „grundsätzlicher", „allgemeingültiger A r t " erfaßt 93 , denn auf diese Weise würde das Grundrecht durch ein qualitatives Moment zu sehr eingeengt 94 . Ebensowenig beschränkt sich die M F auf „wahrhaftige" Meinungsäußerungen 95 , weil die Demokratie i m Meinungsstreit nicht das Wahre, sondern das Richtige sucht 98 . Eine Einschränkung auf „politische Äußerungen" w i r d dem Charakter des Art. 5 1 1 GG als der Freiheit geistiger Wirksamkeit nicht gerecht 97 . Auch die Undefinierbarkeit des 90

Leisner, W., Werbefernsehen, S. 96, der die menschliche Betätigung jeweils dem „sachnächsten" Grundrecht zuordnet. Es genügt nicht, w e n n Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 350, die „rein faktische K o m m u n i k a t i o n " den einzelnen Grundrechten zuweist u n d den Schutz des A r t . 5 1 GG auf die „Sinnkommunikation" beschränkt, i n deren „Vordergrund der geistige Vorgang des Sich-Mitteilens u n d Empfangens" stehe. 91 So aber offenbar Windsheimer, H., Information, S. 91, 94 f.; w o h l auch Schneider, F., Pressefreiheit, S. 29, 31; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 106 (Fn. 117). 92 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 53. 93 So aber Rothenbücher, K , Das Recht der freien Meinungsäußerung, V V D S t R L 4, B e r l i n 1928, S. 6 (16 f.). 94 Kritisch schon Häntzschel, K., HbDStR, Bd. 2, S. 655. „Es f ä l l t i n die Kompetenz der Öffentlichkeit selbst, u n d nicht des Richters, zu entscheiden, welche Meinung n u n w i r k l i c h »wichtig' ist oder nicht", Lerche, P., Meinungsfreiheit, S. 213. 95 Wie Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 265, meint. 96 Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 141. 97 Hoff mann, W., Demonstrationsfreiheit, S. 393; Leisner, W., Werbefernsehen, S. 96 (anders noch: Meinungsfreiheit, S. 147); Lerche, P., Meinungsfreiheit, S. 212 f.

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

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„Politischen" steht dem entgegen 98 . — Positiv liegt eine Meinungsäußerung dann vor, wenn sie sich auf geistige Argumente, also die Uberzeugungskraft von Darstellungen, Erklärungen und Erwägungen stützt". Meinung ist These 100 und damit wertende Stellungnahme 101 . Dies schließt nicht aus, daß sich der Meinungsäußernde im Rahmen seiner Argumentation bewußt, und für den Meinungsempfänger erkennbar, auch auf Tatsachen stützt, um so seiner Meinung ein faktengestärktes Gewicht zu geben 102 . Davon läßt sich die schlichte, wertungsfreie Tatsachenmitteilung 1 0 3 trotz der oben genannten Bedenken zumindest schwerpunktartig abgrenzen 104 . Daraus folgt, daß die Freiheit der Berichterstattung nur in Art. 5 1 2 GG, nicht aber in A r t . 5 1 1 GG verbürgt ist. Die Informationsvermittlung 1 0 5 stellt ein „verfassungsrechtliches Plus" 1 0 8 der PF gegenüber der M F dar. c) Das Verhältnis

von PF und MF

Ist somit ein wesentlicher Unterschied i m Verhältnis der beiden Grundrechte bereits festgestellt, so geht es nunmehr darum, weitere Gemeinsamkeiten oder Differenzierungen aufzudecken. aa) Die geschützten Betätigungen der PF a) Es kann kein Zweifel bestehen, daß neben der Berichterstattung auch die Meinungsäußerung und -Verbreitung durch die Presse grund98

Vgl. oben B 1 4 a. I n diesem Sinne BVerfGE 25, 256 (264 f.). 100 Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 144 ff. 101 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 63. 102 Schneider, F., Pressefreiheit, S. 28, hat hierfür den Begriff „Positionsgebung" eingeführt. So auch Löffler, M., Presserecht, I, S. 82 f. (Rdnr. 26). So ist etwa die M i t t e i l u n g persönlicher Erlebnisse i n der Bundeswehr trotz ihrer Einkleidung i n die Form eines Tatsachenberichts stets Ausdruck eines Werturteils, BVerwG, Beschl. v. 11. 2.1970, N J W 1970, 908 (909 1. Sp.). ios Wenn auf die meinungsbildende K r a f t von Tatsachen als Argument f ü r die „Einheitsauffassung" hingewiesen w i r d (z.B. von Scholler, Person u n d Öffentlichkeit, S. 305, 308), so geht dieser Hinweis i n diesem Zusammenhang fehl: Tatsachen w i r k e n auch meinungsbildend, w e n n sie nicht i m Rahmen einer Meinung geäußert wurden, vgl. bereits oben C I V 2 e. 99

104 Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 142 f.; v.Gamm, O.-F., Massenmedien, S. 9 (Rdnr. 11) m i t ausführlichen Abgrenzungsbeispielen aus der Rechtsprechung (S. 20—27). ios Ermacora, F., Handbuch, S. 325, bringt den Begriff der „ I n f o r m a t i o n " als „mehr oder minder kommentierten Tatsachenbericht" m i t dem Begriff der „Berichterstattung" i n Zusammenhang. Der terminologischen K l a r h e i t wegen ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Berichterstattung reine Tatsachenm i t t e i l u n g ist, die von einer Meinungsäußerung begleitet werden kann, aber nicht muß. 106

Formulierung von Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 105.

186 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

rechtlich geschützt ist 1 0 7 . Das verfassungsrechtliche Gewicht der PF wäre jedoch aufgewertet, wenn dieser Schutz nicht durch Art. 5 1 1 GG gewährt, sondern speziell in A r t . 512 GG für eine diesbezügliche Presseäußerung ausgedrückt wäre 1 0 8 . Das Bundesverfassungsgericht neigt wohl zu der ersteren Aufassung: „Dieses Grundrecht erschöpft sich nicht i n der bereits i n Art. 5 1 1 GG enthaltenen Garantie der freien Meinungsäußerung und -Verbreitung mittels der Presse" 109 . Eine solche Auslegung ist möglich, da man die Meinungsäußerungen in einem Presseerzeugnis den Modalitäten „Schrift und Bild" des A r t . 5 1 1 GG subsumieren kann. Die hierin liegende Anknüpfung an die Weimarer Lehre, die mangels ausdrücklicher Verfassungsgarantie die Meinungsäußerung in der Presse durch Art. 118 WRV gedeckt sah 110 , ist mit Inkrafttreten des Grundgesetzes überholt: Wie schon die Entstehungsgeschichte ergab (oben a, bb), schützt die PF unmittelbar sowohl Meinungsäußerungen als auch Tatsachenmitteilungen, ohne daß für den Schutz von Meinungsäußerungen auf Art. 5 1 1 GG zurückgegriffen werden müßte 111 . I n gleicher Weise ist es zwangloser 112 , auch die übrigen „Medienrechte" in diesem komplexen Sinn zu verstehen 113 . Art. 512 GG vermittelt so der Äußerungsfreiheit durch Massenkommunikationsmittel jeweils den spezifischen, umfassenden und zusammenhängenden Schutz. ß) Jeder typische Presseinhalt w i r d vom Grundrecht der PF erfaßt. Grundsätzlich gehört dazu auch die Verbreitung von Annoncen 114 . Man 107 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 134. los F ü r die Einheitsauffassung ist diese Frage n u r von theoretischer Bedeutung, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 134, 152. 109 So BVerfGE 10, 118 (121); E24, 278 (282) läßt die Frage offen u n d gesteht dem Beschwerdeführer, einem Redakteur, sowohl den Schutz der M F als auch den der PF zu. Ebenso ausdrücklich: Kemper, G. H., Pressefreiheit u n d Polizei, S. 34. 110 Hellwig, A r t . 118 WRV, S. 15; Häntzschel, K., HbDStR, Bd. 2, S. 655; Löffler, M., Presserecht I, S. 49 f. (Rdnr. 62); Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 33. 111 So auch Schwenk, E., Umfang u n d W i r k u n g von Meinungs- u n d Pressefreiheit, N J W 1962, 1321 (1322); anders Schneider, F., Pressefreiheit, S. 108, der insoweit für eine Überdeckung der Grundrechte eintritt. 112 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 202. 113 Das BVerfG hat i m Fernsehurteil, E 12, 205 (260) — ohne sich an dem Terminus „Berichterstattung" zu stoßen —, die Rundfunkfreiheit auch durch Meinungsäußerungen als v e r w i r k l i c h t angesehen; so auch Kloepfer, M., Grundrechte, S. 71 f.; a. A. Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 7 (S. 194), die Meinungsäußerungen durch F i l m und F u n k über A r t . 5 1 1 geschützt sehen wollen. Keinesfalls aber w i r d der Rundfunkkommentar von der PF gedeckt (so der Parlamentarische Rat, oben a, aa). Z u m wesentlichen I n h a l t der Rundfunkfreiheit als „Programmgestaltungsfreiheit" vgl. Leisner, W., Werbefernsehen, insbes. S. 84 ff. m. w. Nachw. 114 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 68; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 140 (Fn. 2); Rebe, B., Träger der PF, S. 40 f. m. w. Nachw.; Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 6 (S. 187).

I I . Die

n d i v i d u a l r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

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w i r d zwar nicht generell „Anzeigen" mit „Nachrichten" gleichsetzen können 115 , ohne dabei die Grundrechtskonkurrenz mit Art. 12 I GG in Erwägung zu ziehen; die dahingehenden Veröffentlichungen sind aber aus der Sicht der Pressetätigen allein schon deshalb geschützt, weil sie die wirtschaftliche Grundlage für die Pressetätigkeit überhaupt legen 116 . Auch die Publikation von Unterhaltung und Erbauung unterfällt der Reichweite der PF, selbst wenn ihr kein eigentlicher Meinungs- oder Informationswert innewohnt 1 1 7 . Es ist nicht angebracht, reine Phantasieprodukte vom Verfassungsschutz der PF auszuschließen118, weil auch das „Unterhaltungsbedürfnis des Wohlstandsmenschen eine Angelegenheit von staatlicher Bedeutung ist" 1 1 9 . Auch hier kann allerdings die Freiheit des A r t . 5 I I I 1 GG künstlerische Aussagen vorrangig ergreifen 120 . Somit erweist sich, daß die PF ihrerseits für alle Äußerungen durch die Presse zumindest einen Auffangtatbestand darstellt, soweit nicht speziellere Grundrechtsverbürgungen den Presseinhalt ergreifen. y) Auch für die „Presseorganisationsfreiheit" 121 bietet Art. 5 1 2 GG die konstitutionelle Basis. Hierunter sind alle technisch-kaufmännischen Tätigkeiten zu verstehen, welche das Presseunternehmen lebens- und funktionsfähig erhalten und so die Publikation der Presseerzeugnisse organisatorisch unterstützen 122 . 115

So aber BVerfGE21, 271 (278 f.); dazu kritisch: Leisner, W., Werbefernsehen, S. 101 f. 116 Z u r Bedeutung der Anzeige allg. Löffler, M., Presserecht I, S. 472 (Rdnr. 23). Das Verhältnis von Vertriebs- zu Anzeigenerlös entwickelte sich von 50:50 (1956) auf 37:63 (1967), Schlußbericht der Presse-Kommission, B T Drucksache V/3122, S. 24. 117 Rebe, B., Träger der PF, S.41f. m. ausf. Nachw.; Löffler, M., Presserecht I, S. 91 f. (Rdnr. 50). 118 Wie es Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 149, postuliert. 119 Krüger, H., Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, F r a n k f u r t 1965, S. 25 ff. (27), der allerdings u n zulässige Leistungskriterien an die Erfüllung dieser „öffentlichen Aufgabe" der Presse k n ü p f t ; dazu unten I V 1 c. Vgl. auch Löffler, M., Presserecht I I , S. 76 (Rdnr. 42) m. w. Nachw. 120 Z u r näheren Begriff sab grenzung, Leisner, W., Meinungsfreiheit, S. 148 ff. 121 Begriff von Rebe, B., Träger der PF> S. 43 m. w. Nachw.; diese K e n n zeichnung ist nicht zu verwechseln m i t dem von Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1438, aus A r t . 5 1 GG entnommenen „O?ganisationsprinzip", das den Bestand eines offenen Meinungsmarktes sichern soll (hierzu unten I I I 1 d, aa). 122 Die gewerberechtliche Seite der PF wegen ihrer Unterstützungsfunktion zur eigentlichen Presseäußerung als „formelle P F " zu bezeichnen (so Rehbinder, M., Presserecht, S. 20, Rdnr. 13), führt wie alle derartigen Unterscheidungen von „materieller" u n d „formeller P F " nicht weiter. I n dieser Hinsicht besteht eine erstaunliche „Begriffsverwirrung" i n der L i t e r a t u r (so m i t Recht Windsheimer, H., Information, S. 86 ff. m. ausf. Nachw.). Besonders weitgehend: Obermayer, K., Die PF i n der Verfassungsordnung des Bonner Grundgesetzes, BVB1. 1965, 397 (398): mat. PF gewährt jeder außerhalb der Presse stehenden Person das Recht der Meinungsäußerung mittels Presse, form. PF ist die freie Wirksamkeit aller i n der Presse tätigen Personen.

188 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

8) Noch in einem anderen, für das potentielle IR des Journalisten wesentlichen Punkt geht die PF über die Verbürgung i n A r t . 5 1 1 GG hinaus: Zur PF gehört auch die Freiheit der Nachrichtenbeschaffung 123. Es konnte zwar festgestellt werden, daß bereits die M F den materiellen Schutzkern der auf die Meinungsäußerung ausgerichteten Informationsrezeption enthalte 124 . Die ausdrückliche Normierung der I F i n A r t . 5 1 1 Hs. 2 GG übernahm jedoch die Informationsaufnahme in ihren eigenständigen Schutzbereich 125 . Das Grundrecht der PF selbst reicht dagegen „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" 1 2 6 . Wenn das Bundesverfassungsgericht einschränkend ausführt: „Die PF darf nicht allein vom Blickpunkt der Presseverleger gesehen und nicht als Privilegierung für jegliche der Nachrichtensammlung und -Verbreitung dienende Handlung verstanden werden", und die Grenze der PF dort ansetzt, „wo sie auf andere gewichtige Interessen des freiheitlichen demokratischen Staates stößt und die Erfüllung der publizistischen Aufgabe nicht den Vorrang der PF erfordert 1 2 7 ", dann ist damit ausgedrückt, daß die Informationskollektion und -publikation doch auch zu den „gewichtigen Interessen des freiheitlichen demokratischen Staates" gehören 128 . Sind damit bereits Bewertungsmaßstäbe im Konflikt mit anderen Rechtsgütern angesprochen, so genügt es für den vorliegenden Zusammenhang festzuhalten, daß das Bundesverfassungsgericht prinzipiell auch die Informationsbeschaffung im Grundrecht der PF verankert sieht. Auch in der Literatur w i r d auf die Vorbereitungshandlung der Informationsbeschaffung als Bestandteil der PF Wert gelegt 129 . Für Herzog Sinn hatte eine solche Einteilung n u r i n der Weimarer Zeit, als A r t . 118 W R V n u r für Meinungsäußerungen i n der Presse „materiellen" Schutz gewährte, die Presse i m übrigen aber auf die Gewährleistung des RPG angewiesen war. Nachdem das Grundgesetz der Presse umfassenden Grundrechtsschutz zugesteht, ist die Unterscheidung überflüssig geworden, so auch Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 93; Rebe, B., Träger der PF, S. 25 ff. m. w . Nachw. 123 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 132. 121 Vgl. oben C I V 2 e. 125 Siehe oben C I V 3. 126 BVerfGE 10, 118 (121); E 12, 205 (260); E 20, 162 (176); E21, 271 (279). I n der letztgenannten Entscheidung wurde die bis dahin hergestellte V e r b i n dung der zitierten Formel m i t der „institutionellen Eigenständigkeit" der Presse nicht mehr gebraucht. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die genannten Betätigungen subjektive Berechtigungen ohne Rücksicht auf eine etwaige „institutionelle Garantie" der Presse darstellen. Auch Rebe, B., Träger der PF, S. 15, geht davon aus, daß das subjektive Grundrecht den gesamten Schutzbereich der PF umfaßt. 127

BVerfGE 25, 296 (306); Hervorhebung v. Verf. Siehe auch BVerfGE 21, 239 (243 f.). 120 Rebe, B., Träger der PF, S. 32 f. m. w. Nachw. i n Fn. 71; deutlich auch Maunz-Dürig-Herzog, Art. 5, Rdnr. 136; Kloepfer, M., Grundrechte, S. 89 f. m. Fn. 356. 128

I I . Die

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stellt u. a. die „Recherchierfreiheit" 130 sogar den wesentlichen Unterschied zur M F dar, da letztere nur den Kommunikaticnsvorgang selbst, nicht aber die vielfältigen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten schütze 131 . Die PF garantiert also nicht nur die Verbreitung, sondern auch die Erlangung von Informationen. Solange man jedoch das Grundrecht nur unter dem Aspekt des „status negativus" betrachtet, kann sich daraus kein Leistungsanspruch auf staatliche Informationen ergeben. Immerhin steht i n Abgrenzung zur IF des Jedermann in Art. 5 1 1 GG fest, daß die verfassungskräftig umschriebene Informationsfreiheit des Grundrechtssubjekts der PF nur in Art. 512 GG verkörpert und demzufolge nicht auf „allgemein zugängliche Quellen" beschränkt ist. Aus diesem Grund ist die Schranke, die das allgemeine IR des Bürgers vereitelte 132 , der Presse gegenüber nicht aufgerichtet. Sie kann also auch aus einer Informationsquelle schöpfen, die nur für sie — nicht aber „allgemein" — wahrnehmbar ist 1 3 3 , und kann sich hierbei (was entscheidend ist) auf den Schutz der Verfassung berufen 134 . e) Die Bedeutung der Informationsbeschaffung w i r d weiterhin dadurch unterstrichen, daß sie von dem „Redaktionsgeheimnis" umschlossen wird. Private Informationsquellen 135 fließen nur dann ergiebig, wenn ihre Anonymität gewahrt bleibt: „Deshalb gehört zur PF auch ein gewisser Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und privaten Informanten" 1 3 8 . Das (beschränkte) Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige gemäß § 53 I Nr. 5 StPO, das Verbot der Beschlagnahme bei diesen Personen nach § 97 V StPO sowie das von der Recht130

Ausdruck v. Verf. Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 153. Dagegen Rebe, B., Träger der Pressefreiheit, S. 32, m i t der Begründung, auch A r t . 5 1 1 GG schütze v o r bereitende Tätigkeiten f ü r den Fall, daß die technische Entwicklung zu einem vierten Masseninformationsmittel führe. Das überzeugt nicht, nachdem das nicht expressis verbis genannte Fernsehen problemlos unter A r t . 5 1 2 GG („Rundfunk") subsumiert werden konnte, vgl. BVerfGE 12, 205, 259 ff. Die neuen audio-visuellen Kommunikationsmittel („Videokassetten") müßten sonst eo ipso A r t . 5 1 1 GG unterstellt werden. 132 Oben D I V 3 d, bb. 133 Folgerichtig k a n n der Veranstalter einer Versammlung zwar die Öffentlichkeit beschränken, indem er bestimmte Personen oder Personenkreise i n der Einladung von der Teilnahme ausschließt, § 6 I V e r s G ; Pressevertreter können davon nicht betroffen werden, § 6 I I VersG. Obwohl die „Allgemeinzugänglichkeit" nicht gegeben ist, k a n n sich also die Presse informieren. 131

134 Damit bestätigt sich das Ergebnis von Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 161, der aber zu Unrecht das I R darüber hinaus für unnötig erachtet, vgl. oben Fn. 16. 135 Z u diesen „presseinternen Informationsbahnen", Rebe, B., Träger der PF, S. 36 f. m. w . Nachw. iss BVerfGE 20, 162 (176); Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 6 (S. 190 f.). Häberle, P., Gemeinwohl Judikatur, S. 116, zeigt die Parallele beim Verhältnis von Wahlgeheimnis zu öffentlichem Wahlrecht.

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sprechung hieraus abgeleitete Durchsuchungsverbot sind Vorschriften, die den Schutz des Redaktionsgeheimnisses wenigstens teilweise verwirklichen und als solche mit dem Grundgesetz vereinbar sind 137 . Streit hat sich aber ergeben, ob die Landesgesetzgeber 138 eine Kompetenz zur Lückenfüllung durch das landesrechtliche Zeugnisverweigerungsrecht besitzen 139 und ob sich diese Lücken u. U. unmittelbar aus Art. 5 1 2 GG schließen lassen. I n der Spiegel-Entscheidung hat die tragende Auffassung zwar einen gewissen Schutz des Redaktionsgeheimnisses und der Informanten der Presse direkt dem Grundrecht der PF entnommen, im übrigen aber die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers betont 140 . I n dem Stern-Buchhalter-Urteil mußte das Bundesverfassungsgericht über die unmittelbare Verfassungsbasis des Aussageverweigerungsrechts nicht entscheiden, es führte aber einige Gesichtspunkte an (das Informationsinteresse der Öffentlichkeit bei der Aufdeckung w i r k licher Maßstäbe in der öffentlichen Verwaltung oder das die Sauberkeit des öffentlichen Lebens fördernde Interesse) 141 , die darauf hindeuten, daß es in Fortführung des Gedankens aus dem Spiegel-Urteil das Redaktionsgeheimnis prinzipiell direkt in Art. 5 12 GG verankert sieht 142 . £) Die von der PF gedeckten Betätigungen sind — obgleich von sehr unterschiedlicher A r t — alle auf die Zweckerreichung der „Ver-Öffentlichung" von Äußerungen durch das Presseerzeugnis ausgerichtet. Eine zentrale Rolle spielt deshalb die Informationsbeschaffung, ohne die eine Publikation nicht möglich wäre. bb) Die geschützten Personen Auch der Kreis der geschützten Grundrechtsträger könnte bei der PF anders sein als bei der MF. So wie Art. 5 1 1 GG jedermann berechtigt, ist der Schutz des Satz 2 womöglich an eine Betätigung in der Presse gebunden. I m Hinblick auf das mögliche IR klärt diese Prüfung gleichzeitig die Frage, ob der Anspruch wirklich nur dem „Journalisten" zukommt. 137 BVerfGE 20, 162 (188 f.); E 25, 296 (305). i3s Vergleichender Textnachweis der landesrechtlichen Bestimmungen LÖffler, M., Presserecht I I , S. 424 ff. 139 Ablehnend zuletzt: Gelder, A. v., Die Verfassungswidrigkeit der landespresserechtlichen Zeugnisverweigerungsrechte, JZ 1969, 698 ff. m. w . Nachw.; vgl. auch Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 128 (Fn. 294, 295). 1,0 BVerfGE 20, 162 (216, 219). Angesichts der z. T. weiter „pro Grundrecht" gehenden Ansicht der unterlegenen Auffassung (insbes. S. 194, 198) kann das zurückhaltende U r t e i l keine volle A u t o r i t ä t entfalten, vgl. dazu MaunzDürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 122 (Fn. 3). 141 BVerfGE 25, 296 (305 f.). 142 Genau den gegenteiligen Schluß zieht Gelder, A. v., Zeugnisverweigerungsrecht, S. 700.

I I . Die

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a) Vorauszugehen hat die Bestimmung des Begriffs „Presse". Darunter versteht man i m technischen Sinn die Maschine, mit der gedruckt wird 1 4 3 . I n der juristischen Bewertung befinden sich zwei Meinungen i m Widerstreit: Ist der Pressebegriff weit auszulegen, so daß er alle Druckwerke (also auch Bücher) umfaßt 1 4 4 oder ist er auf periodische Druckschriften (also i m wesentlichen Zeitungen) beschränkt 145 ? Für die letztere Auffassung w i r d vor allem auf den Sprachgebrauch verwiesen und vorgebracht, daß Art. 5 1 2 GG nur die aktuelle, informierende und meinungsbildende Funktion der Massenmedien schützen wolle. Bezüglich des landesrechtlichen Auskunftsrechts der Presse ist der Pressebegriff ebenfalls umstritten 1 4 6 . Ohne Rücksicht auf ein etwaiges IR des Journalisten, das angesichts der schnellen und regelmäßigen Umsetzung des Nachrichtenstoffes in aktuelle Berichterstatttung und Stellungnahme eher die enge Deutung nahelegt, ist „Presse" i m extensiven Sinn zu verstehen. Das ergibt sich einmal aus dem weiten Pressebegriff, der i n § 2 RPG verankert war und der mangels einer verfassungsrechtlichen Verbürgung der Presse in der Weimarer Verfassung der historischen Auslegung zugrunde zu legen ist 1 4 7 . Auch die Überlegungen des Verfassunggebers, der ursprünglich wohl nur an die Zeitungspresse dachte (vor allem im HerrenchiemseeEntwurf, Art. 7 II, oben 2 a, aa), lassen letzten Endes durch den Gebrauch der pauschalen Umschreibung „Pressefreiheit" Raum für die weite Auslegung. I m übrigen wäre die Abgrenzung von „Zeitung" zu „Buch" nicht aus der Verfassung zu entnehmen. Wann etwa soll das

143 Clausse, R., A r t . Presse, i n : Wörterbuch der Soziologie, hrsg. v. W. Bernsdorf, 2. Aufl., Stuttgart 1969, S. 827 m. H i n w . auf die neuere soziologische L i t e r a t u r (S. 834). 144 Forsthoff, E., Tagespresse und Grundgesetz, DÖV 1963, 633 (634f.); ders.: Neue Aspekte der Pressefreiheit, Staat5 (1966), 1 (5, zweifelnd); ders.: Zeitungspresse, S. 12 ff.; Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 67 f.; Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, Anm. B 6 (S. 190); Schneider, P., Pressefreiheit, S. 31; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 144 f.; Löffler, M., Presserecht I, S. 102 (Rdnr. 85); ders.: Presserecht I I , S. 25 ff.; Groß, R., Presserecht, S. 45 f.; Maunz-DürigHerzog, A r t . 5, Rdnr. 129; Maunz, T., Staatsrecht, § 1 5 I V 3 a (S. 118); Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 24. 145 Schneider, F., Pressefreiheit, S. 55 ff., 61, 64; Kemper, G. H., Pressefreiheit, S. 29 ff.; Rehbinder, M., Presserecht, S. 13 (Rdnr. 2); Obermayer, K., Pressefreiheit, S. 398; zusammenfassend: Rebe,B., Träger der PF, S. 22 ff. 146 Die Kommentarliteratur spricht sich eindeutig für die weite Auslegung aus: Reh-Groß, Hessisches Pressegesetz, Wiesbaden 1963, §3, Anm. 2; Rebmann-Ott-Storz, Das baden-württembergische Gesetz über die Presse, S t u t t gart 1964, §4, Rdnr. 11; Scheer, B., Deutsches Presserecht, H a m b u r g 1966, § 4, Anm. A I I 3 (S. 195); Löffler, M., Presserecht I I , § 4, Rdnr. 24 (S. 84); anders m i t beachtlichen Gründen: Rebe, B., Träger der PF, S. 18 (Fn. 10). 147 Vgl. etwa Oppermann, 479 (Fn. 165).

T., Kulturverwaltungsrecht, Tübingen 1969, S.

192 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Merkmal der „Periodizität" 1 4 8 gegeben sein 149 ? Außerdem kann die Buchpresse durch neue Herstellungsmethoden den Aktualitätsvorsprung der Zeitungspresse weitgehend wettmachen 150 . Überdies wäre der verfassungsrechtliche Schutz der Buchpresse ungerechtfertigt gemindert, da von Art. 5 1 1 GG nur reine Meinungsäußerungen erfaßt sind: das „Sachbuch" etwa genösse dann geringeren Verfassungsschutz 151 . Daraus ergibt sich, daß der verfassungsrechtliche Pressebegriff weit auszulegen und nur durch Rückgriff auf die Herstellungs- und Vervielfältigungsmethode bestimmt werden kann 1 5 2 . Somit sind auch die vervielfältigten M i t teilungen der Nachrichtenagenturen 153 als „Presse" zu berücksichtigen. Das grundgesetzliche IR wäre also nicht an eine Betätigung für eine Zeitung gebunden 154 . Auch eine Einschränkung des Pressebegriffs nach inhaltlichen Kriterien, etwa der Veröffentlichung von politisch-kulturell-weltanschaulichen Nachrichten und Stellungnahmen 155 , ist wegen der damit verbundenen ethisierend-elitären Betrachtungsweise und der Relativität der Grenzziehung unhaltbar 1 5 6 . „Eine Reglementierung der Presse nach inhaltlich qualitativen Kriterien ist i n jedem Fall das Ende einer freien Presse und einer freiheitlichen Demokratie; denn auch elitäres Bewußtsein löst nicht die Frage des „quis judicabit", sondern führt den einzelnen in die Vormundschaft dessen, der vorgibt, im Alleinbesitz des Steines der Weisen zu sein 157 ." Außerdem ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß die von einer „zügellosen Presse" ausgehenden Gefahren in der freiheitlichen Demokratie regelmäßig durch die freie Konkurrenz der Informationsmedien gebannt werden 1 5 8 Demgemäß könnte 148 Die übrigen Merkmale der „Zeitung" sind: öffentliche Zugänglichkeit (Publizität), Zeitnähe (Aktualität), inhaltliche Vielfalt (Universalität), Publizistik-Wörterbuch, S. 393. 149 § 6 I I BayPrG bestimmt etwa einen 6-Monats-Abstand. 150 Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 13 (Fn. 8). 151 Löffler, M., Presserecht I, S. 103 (Rdnr. 86). 152 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 129. 153 Lerche, P., Presse, Sp. 1601 f. 154 Dies ist sinnvoll, w e i l der Vervielfältigungseffekt auch durch eine Buchveröffentlichung erreicht w i r d , vgl. unten I I I 1 c, bb. 155 So etwa v. Mangoldt-Klein, Art. 5, Anm. V I 3 (S. 246); v. Gamm, O.-F., Massenmedien, S. 2 (Rdnr. 2); ähnlich Schneider, F., Pressefreiheit, S. 140 ff.; siehe auch Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 250 f., 269 f., der die „ P F nach A r t . 21 GG" auf die politische Presse beschränken w i l l : A r t . 5 1 2 würde dann n u r noch die Redaktion einer Schachzeitschrift schützen, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1, Rdnr. 98 (Fn. 5). 156 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 128. 157 Rupp, H. H., Arbeitskreis PF, S. 22 f.; kritisch zur Unterscheidung von „seriöser" u n d „unseriöser" Presse: Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 68 f. m. w. Nachw.; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 87 f.; Rehbinder, M., Presserecht, S. 19 (Rdnr. 11); Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 19 f. 158 Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 96.

I I . Die Individualrecht liehe Begründung des Informationsrechts

193

auch das IR nicht nur der „politisch zuverlässigen" Presse zugebilligt werden 159 . Das darin liegende Risiko ist der Preis der Freiheit. Ist die Grundrechtsbetätigung gegenständlich an ein „Presse"-Produkt gebunden, so ist zu fragen, ob auch der geschützte Personenkreis in irgendeiner Weise zu umgrenzen ist. ß) Es werden verschiedene Auffassungen vertreten. So hat die Feststellung „Pressefreiheit ist Verlegrerfreiheit" 160 einen realen Kern, wenn man die aus technischen und wirtschaftlichen Gründen fortschreitende Pressekonzentration ins Auge faßt, die auch die Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten immer weiter beschränkt 161 . Demgegenüber w i r d auch der Journalist als Träger der PF bezeichnet 162 . Schließlich w i r d anstelle der Freiheit des Individuums die „Freiheit der Presse und der öffentlichen Meinung" gesetzt, weil sich die Freiheit des Einzelnen auf das Kollektiv verschoben habe 163 . Der zuletzt genannten Ansicht kann allerdings nicht zugestimmt werden: Die Resignation vor der kollektiven Übermacht ist nicht am Platze, solange es — wenn auch wenige — Individuen gibt, die persönliche Freiheit für sich i n Anspruch nehmen. Der „Presse" als solcher, die ein soziologischer, aber kein rechtlicher Verband ist, kann gar kein Grundrecht zugestanden werden 164 . Grundrechtsträger ist vielmehr jeder, der im Pressewesen produktiv tätig ist, insbesondere auch der einzelne Journalist 165 . Der Schutz nur einer bestimmten Gruppe dieser Pressetätigen (etwa der Verleger) ist nicht gerechtfertigt, solange es u m die verfassungsrechtliche Frontstellung gegenüber der staatlichen Gewalt geht. Das faktische und rechtliche Verhältnis der Produktivkräfte innerhalb des einzelnen Presseunternehmens ist ein Problem der 159 So aber Ott auf der Nürnberger Tagung, lt. Bericht von Löffler, M., N J W 1964, 2292 (vgl. oben Fn. 6). F ü r einen „ungeteilten" Auskunftsanspruch ausdrücklich: Groß, R., Presserecht, S. 89; Löffler, M., Presserecht I I , S. 85 (Rdnr. 27). 160 Flach, K.-H., Macht u n d Elend der Presse, Mainz, 1967, S. 133; vgl. auch Löffler, M., Presserecht I, S. 23 (Rdnr. 69). 161 Dazu die Pressekommission, S. 16; zur Pressekonzentration ausführlich Löffler, M., Presserecht I, S. 589 ff.; Rheinheimer, H.-P., Pressekonzentration, S. 100 ff.; Kirn, M., Der Stand der Diskussion u m die Pressekonzentration, ZRP 1970, 102—109. 162 So Mallmann, W., Pressefreiheit u n d Journalistenrecht, Publizistik 1959, 323 (328). 183 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 283 f., 319 f., 336; vgl. auch die oben I I a zitierte Auffassung von Willms. 164 Eine andere Frage ist, ob der „Presse" aus institutioneller Sicht ein rechtliches Eigenleben zukommt (unten I V 2). Gegen die „Presse" als G r u n d rechtsträger auch: Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 72 (Fn. 214), 76, 98 (Ls. I I I 18), 183 (Aussprache). Z u r „Presse" als Anspruchsberechtigte einzelner landesrechtlicher Auskunftsrechte ausführlich: Löffler, M., Presserecht I I , S. 83 ff. 165 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 160.

13 Jerschke

194 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Drittwirkung, das hier nicht verfolgt werden kann 1 6 6 . A r t und Umfang der Berechtigung des einzelnen Grundrechtsträgers aus der PF bestimmen sich je nach der Nähe seines Tuns zum Kernbereich des Grundrechts: der Ermöglichung freier Kommunikation durch ein Presseerzeugnis 167 . So kann sich etwa ein Buchhalter auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Redaktionsgeheimnisses berufen, da auch die wirtschaftliche Verwaltung eines Presseunternehmens i n der Regel m i t der Informationsvermittlung eng zusammenhängt 168 . y) I m Zentrum der pressemäßigen Kommunikation steht der „Journalist". Er beschäftigt sich mit dem Sammeln, Sichten, Prüfen und Verbreiten von Nachrichten oder mit der Kommentierung aktueller Ereignisse 169 . Journalist ist ein weitgefaßter Oberbegriff, der sowohl Redakteure als auch Korrespondenten, ständige Mitarbeiter und „freie" Journalisten erfaßt 170 . Jener ist zwar nicht — wie aufgezeigt — der einzige Träger der PF, aber er vollzieht innerhalb des Presseunternehmens die Stoffbeschaffung und -Zubereitung. Das IR müßte deshalb dem Journalisten als dem sachnächsten Pressetätigen 171 zugestanden werden 172 . Der so bestimmte Kreis der Grundrechtsträger w i r d nun allerdings mit der Begründung i n Frage gestellt, die PF sei ein „JedermannRecht" 173. Dann würde sich insoweit kein Unterschied zur M F feststellen 186

Dazu Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 157 ff.; Rebe, B., Träger der PF, S. 46 f.; Löffler, M., Presserecht I, S. 603 (Rdnr. 98 c), jew. m . w . Nachw. S t r i k t gegen die „innere P F " : Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 34; Kuli, E., Redaktionsstatut u n d Pressefreiheit, ArchPR Nr. 81 (1970), S. 906 (909 ff.). 167 Zutreffende K r i t e r i e n entwickelt hierzu neuerdings Rebe, B., Träger der PF, S. 47 ff. i n differenzierender Betrachtung der einzelnen Pressetätigkeiten. Unrichtig ist es allerdings, den Leser als Grundrechtsträger der PF anzusehen (a.a.O. S. 71 ff.): Wie die M F schützt die P F n u r die Äußerung des K o m m u n i kators, nicht aber den Informationsempfang des Rezipienten, siehe oben C I V 2 c. iss BVerfGE 25, 296 (304). 169 Publizistik-Wörterbuch, S. 169; vgl. auch „Berufsbild des Journalisten", Beschluß des Gesamtvorstandes des Deutschen Journalisten-Verbandes v. 25. 3.1966, RdPubl, Bd. I I , Nr. 100 e. 170 Löffler, M., Presserecht I, S.459 (Rdnr. 52); Rebe, B., Träger des PF, S. 52—61. Ein Redakteur wurde als Grundrechtsträger angesehen vom BVerfGE 24, 278 (282). 171 Abwegig deshalb die von Löffler, M., Presserecht I I , S. 84 (Rdnr. 22 f.), zum landesrechtlichen Auskunftsrecht vertretene Ansicht, daß auch Sekretärinnen, Vertriebsleiter oder Hausanwälte anspruchsberechtigt seien. Solange das Begehren nicht unmittelbar zu einer Pressemeldung führen soll, sind diese Personen ebensowenig befugt w i e jeder andere Bürger. Andererseits ist auch der Ausschluß des „freien" Journalisten v o m Auskunftsanspruch durch Reh-Groß, Hessisches Pressegesetz, § 3, Anm. 2 (S. 32) nicht haltbar. Für i h n spricht die Vermutung, daß er pressemäßig zu Wort kommt. I m Zweifel muß er eine Publikationsmöglichkeit nachweisen. 172 Die Verknüpfung m i t einer Abdruckchance w i r d unter Ö) entwickelt. 173 Ausdrücklich Kuli, E., Pressefreiheit, S. 909.

I I . Die individualrechtliche Begründung des Informationsrechts

195

lassen, und auch das IR wäre wiederum nicht einem bestimmten Grundrechtssubjekt zurechenbar. „Die PF ist somit als ein ,Unterfair der allgemeinen MF, d. h. als ein originäres Recht zu verstehen, das jedermann zur Verfügung steht, die Meinung durch das M i t t e l der Druckerpresse oder entsprechender Vervielfältigungseinrichtungen zum Ausdruck und zur Geltung zu bringen 1 7 4 ." Diese Ansicht kann jedoch nur den Ausgangspunkt für differenziertere Überlegungen — auch i m H i n blick auf das IR — abgeben. Solange hiermit der berufsrechtliche Aspekt der PF angesprochen wird, ist der zitierten Auffassung zuzustimmen. „So bleibt der wichtigste individualrechtliche Gehalt des Art. 512 der freie Zugang zu den Presseberufen 175 ." Jedermann kann also einen Presseberuf ergreifen oder ein entsprechendes Unternehmen gründen 176 . I m Beruf des Journalisten stünde jedem Bürger dann auch ein IR zu. Die PF entfaltet ihre Wirkung auch dann, wenn sich der Bürger mittels der Presse äußert, falls etwa sein Leserbrief veröffentlicht 177 oder ein gelegentlicher Beitrag abgedruckt wird 1 7 8 . Auch insoweit ist jeder Bürger Träger der PF 1 7 9 . Eine berufliche Mitarbeit ist also für den Grundrechtsschutz nicht Voraussetzung 180 . Bezüglich des IR dieser „Amateur-Journalisten" müßte aber unterschieden werden: Wer von einer Zeitungsredaktion mit einem bestimmten Beitrag beauftragt ist, kann zu diesem Zweck das IR wahrnehmen, weil sichergestellt ist, daß die erteilte Information publizistisch verwertet wird. W i r d der Autor jedoch aus eigenem A n trieb tätig, kann er nicht sicher sein, daß seine Arbeit auch publiziert wird. Ein IR wäre nur dann gerechtfertigt, wenn er mit seinem A r t i k e l ein „Zugangsrecht" zu jedem beliebigen (fremden) Presseerzeugnis

174 175

141 f.

Schneider, P., Pressefreiheit, S. 62. Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 71; Maunz-Dürig-Herzog,

A r t . 5, Rdnr.

176 Ob diese „Gründungsfreiheit" wegen der hohen Investitionskosten eine reale Möglichkeit ist, w i r d verschieden beurteilt. Ablehnend: Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 320 (Fn. 15); zweifelnd: Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 67; optimistisch: Schneider, P., Pressefreiheit, S. 63 m. Fn. 130; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 104; Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 6 (S. 192 f.). 177 „Die klassische Pressefreiheit lebt noch schüchtern u n d verkümmert i n Leserbriefen fort", v.d.Heydte, F. A., Meinungsmonopol, S. 37; vgl. aber BVerfGE 27, 55 (64) : Gerade der Leserbrief hat sich zu einer besonderen F o r m der Meinungsäußerung entwickelt u n d ist zu einem anerkannten Faktor der öffentlichen Meinungsbildung geworden. 178 „Pressefreiheit hat jeder, der i n der Presse zu Wort k o m m t " , Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 183 (Aussprache). 179 So auch Schwenk, E., Meinungsfreiheit, S. 1322; Windsheimer, H., I n formation, S. 99 (Fn. 98); w. Nachw. b. Rebe, B., Träger der PF, S. 61 f. 180 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 161; Rebe, B., Träger der PF, S. 50 m. Fn. 139, m i t zutreffender Ablehnung der Gegenstimmen.

1*

196 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive h ä t t e . N u r w e n n diese F r a g e p o s i t i v b e a n t w o r t e t w e r d e n k a n n , ist die P F als e i n echtes J e d e r m a n n - R e c h t einzustufen. 8) E i n „Recht zur Presse" 181 k ö n n t e sich aus der M e i n u n g s v e r b r e i t u n g s f r e i h e i t des A r t . 5 1 1 G G ergeben. H i e r d u r c h w i r d n u r die M ö g l i c h k e i t der V e r b r e i t u n g , nicht aber ihre Form (etwa d u r c h die Presse) g a r a n t i e r t 1 8 2 . D i e M F g e w ä h r l e i s t e t andererseits j e d e m S t a a t s b ü r g e r das Recht, a n der öffentlichen D i s k u s s i o n t e i l z u n e h m e n 1 8 3 . Das G r u n d recht b e i n h a l t e t aber schon n i c h t d e n A n s p r u c h , sich b e i e i n e r a m t l i c h e n B e f r a g u n g ä u ß e r n z u d ü r f e n 1 8 4 . E r s t recht m u ß deshalb e i n A n s p r u c h m i t D r i t t w i r k u n g , w i e i h n das „ Z u g a n g s r e c h t " d a r s t e l l e n w ü r d e , a b g e l e h n t w e r d e n 1 8 5 . D a r ü b e r h i n a u s w ü r d e n die Z e i t u n g e n d a n n n u r noch eine S a m m l u n g v o n L e s e r b r i e f e n darstellen, die f ü r d e n Leser w e n i g a t t r a k t i v w ä r e 1 8 6 . Das „Recht z u r Presse" w i r d deshalb auch a l l gemein verneint 187. Vereinzelte Gegenstimmen können nicht überzeugen. W e d e r h a t das N i c h t f u n k t i o n i e r e n des „ H y d e - P a r k - S y s t e m s " die v e r f a s s u n g s n o t w e n d i g e Folge, j e d e m B ü r g e r kostenlos Pressespalten z u r V e r f ü g u n g zu s t e l l e n 1 8 8 , noch k a n n das Recht der C h a n c e n g l e i c h h e i t des B ü r g e r s i m öffentlichen M e i n u n g s b i l d u n g s p r o z e ß das „ Z u g a n g s r e c h t " b e g r ü n d e n 1 8 9 . Entsprechende Ü b e r l e g u n g e n h a b e n erst d a n n i h r e 181

Begriff von Reh-Groß, Hessisches Pressegesetz, §1, A n m . 6 (S. 28). 182 ß V e r w G E 27, 278 (279), das m i t dieser Begründung die Klage einer Nachrichtenagentur auf Zuteilung einer Funklizenz ablehnt. iss BVerfGE 12, 113 (125); E25, 256 (265), spricht v o m Grundsatz der Chancengleichheit. Das zitierte U r t e i l (E 12,113) ergibt f ü r das vorliegende Problem weiter nichts. Der Beschwerdeführer hatte seine Äußerung („Pressegegenschlag") i n einer anderen Zeitung w o h l ohne Zwangsmittel untergebracht (a.a.O. S. 117); ob er sich bei der i h m dabei zugestandenen W a h r nehmung öffentlicher Interessen auf das Grundrecht der PF berufen kann, bleibt offen (a.a.O. S. 128). 184

BVerfGE 8, 42 (Ls. 1), vgl. schon oben C Fn. 323. Das presserechtliche Gegendarstellungsrecht ist durch eine vorangegangene Presseäußerung bedingt und k a n n deshalb nicht zur Lösung des vorliegenden Problems beitragen, zutreffend Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 66. 186 Scheuner, UPrivatwirtschaftliche S t r u k t u r u n d öffentliche Aufgabe der Presse, ArchPR Nr. 74 (1968), S. 725 (727); auch die Einschaltung eines Redakteurs oder Beirats als „Zensor" bringt n u r noch weitere Probleme m i t sich, so aber Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 352 f. 187 Dagtoglou,P., Wesen u n d Grenzen der Pressefreiheit, Stuttgart 1963, S. 18 f. (Fn. 52); Mallmann, W., V V D S t R L 22,180 (Aussprache); Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 182 (Aussprache); Rehbinder, M., Presserecht, S. 18 (Rdnr. 9); Löffler, M., Presserecht I, S. 85 f. (Rdnr. 37); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 65, 68, 160; Groß, R., Presserecht, S. 54; Presserat (Empfehlung v. 14.6.1968), S. 63; K u I l , E . , Pressefreiheit, S. 909: auch das BVerfGE 27, 55 (64), sagt nur, daß sich jedermann eines Leserbriefes bedienen könne, u m seine Meinung einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. 188 So Schulz-Schaeffer, H., Staatsform, S. 180. 189 I n dieser Richtung der Versuch von Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 336 (Fn. 1), 352 ff. 185

I I . Die

n d i v i d u a l r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

197

Berechtigung, wenn auch i m Pressewesen eine „Sondersituation" eintritt, wie sie das BVerfG für den Bereich des Hundfunks festgestellt hat 1 9 0 . Selbst dann wäre das „Recht zur Presse" noch problematisch, wie die zurückhaltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einräumung von Sendezeiten für die noch dazu verfassungsrechtlich hervorgehobenen politischen Parteien beweist 191 . e) Aus diesen Erwägungen folgt: — Grundrechtsträger ist jeder, der sich in einem Presseerzeugnis äußert und sich sonst in der „Presse" betätigt. — Der Zugang zu den Presseberufen steht jedermann offen. — Als Subjekt des IR kommt nur der Journalist als sachnächster Grundrechtsträger der PF in Frage. — Die Ausübung des Informationsrechts ist davon abhängig, daß dem Journalisten ex ante die Gewähr der Veröffentlichung gegeben ist, da ein Zugangsrecht zu einem fremden Presseerzeugnis nicht besteht. d) Der Eigenwert der Pressefreiheit Das verfassungsrechtliche Eigengewicht der PF hat sich darin gezeigt, daß sie das breite Spektrum von medienbezogenen Tätigkeiten i n ihren Schutzbereich einbezieht und damit ihren Trägern eine „staatsfreie" Ausübung der Presseäußerungsfreiheit ermöglicht. Uber die Freiheit der Meinungsäußerung hinaus, deren Gewährleistung ebenfalls von der PF selbst übernommen wird, besteht der Unterschied zur M F vor allem i n der Berechtigung zur Beschaffung und Verbreitung von Informationen und i n der Eingrenzung der Grundrechtsträger auf die Pressetätigen (die PF ist nur ein potentielles Jedermann-Recht). PF und M F sind also nicht identisch. Sonst wäre eine eigenständige Erwähnung der PF i m Grundgesetz auch völlig überflüssig gewesen 192 . Die PF ist gegenüber der M F ein aliud. Ihr gegenseitiges Verhältnis ist nicht „unk l a r " 1 9 3 ; es besteht darin, daß durch die PF der Kreis der geschützten Betätigungen weiter und der Kreis der (effektiv) geschützten Personen enger gezogen ist als bei der MF. Die PF ist auch nicht nur deshalb „mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit, da darüber hinaus die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der 190 BVerfGE 12, 205 (261 ff.). Ä h n l i c h schon heute für die Presse, Roellecke G., Pressefreiheit, S. 1440 f.

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191 Darauf weisen m i t Recht Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 65 hin. Z u r Rechtsprechung des BVerfG: Leibholz-Rinck, A r t . 38, Rdnr. 14. Siehe auch oben C 12 u n d unten I I I 1 b, cc. 192 Roellecke, G., Arbeitskreis PF, S. 42, 52; Schwenk, E., Meinungsfreiheit, S. 1321. 193 So aber v. Mangoldt-Klein, A r t . 5, A n m . V I 2 (S. 245).

198 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung gewährleistet ist" 1 9 4 . Das verfassungsrechtliche Plus der PF liegt schon i n der weiterreichenden individuellen Berechtigung, nicht erst i n ihrem institutionellen Verständnis 195 . Das Grundrecht der PF hat sich i n einem „Dismembrationsprozeß" 196 verselbständigt 197 . aa) Einwand: Art. 18 GG Die Einwendungen gegen die Auffassung stützen sich — soweit nicht schon behandelt — auf den Wortlaut von Art. 18 GG („ . . . Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere der Pressefreiheit...") und leiten daraus die Unselbständigkeit der PF ab 198 . Es w i r d sogar behauptet, durch Art. 18 GG werde die Trennung dieser Grundrechte ausdrücklich wieder aufgehoben 199 . M i t ebensolchem Recht könnte man aber sagen, ihre Verbindung nach Art. 18 GG würde durch die Trennung nach A r t . 5 GG wieder beseitigt 200 . Richtiger Ansicht nach sollte man die Auslegung des A r t . 18 GG nicht überdehnen. Soweit sie zum Ausdruck bringt, daß das Grundrecht der PF i m Wirkungsfeld der M F liegt, ist dies die Bestätigung einer unbestreitbaren Interferenz dieser Grundrechte. Darüber hinaus ist Art. 18 GG nicht eine Änderung, sondern eine Bekräftigung des A r t . 5 GG, weil die PF erneut als eigenständiges Grundrecht angesprochen wird 2 0 1 . 194 ß V e r f G erstmals i n E 10, 118 (121). 195 Falsch demzufolge Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 12 f., der durch das Grundrecht der P F n u r die Meinungsäußerung durch die Presse geschützt sehen w i l l u n d deshalb u. a. die Nachrichtenverbreitung n u r der „Garantie des Presseinstituts" unterstellt; vgl. oben Fn. 126. 196 Begriff von Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 175; vgl. auch Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 250 („Abspaltung"), der jedoch daraus weitergehende Folgerungen i m H i n b l i c k auf die Institutionalisierung der „öffentlichen Meinungsfreiheit" zieht. 197 Z u r historischen Entwicklung der P F ausführlich: Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 19—68; Löffler, M., Presserecht I, S. 29—59; Kemper, G. H., Pressefreiheit, S. 13—24; Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 9 f.; Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 62 f.; siehe oben C I V 2 a den Nachweis der einschlägigen Verfassungstexte. 198 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 145 f.; Schnur, R., Pressefreiheit, S. 101 (Fn. 2); Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 25; vgl. auch: Geiger, W., BVerfGG-Kommentar, S. 145; v. Mangoldt-Klein, A r t . 18, A n m . I I I 1 d (S. 521); Wernicke, K., B K , A r t . 18, Anm. I I I b ; Schmitt-Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 118; Maunz, T., Staatsrecht, § 17 I I 2 (S. 137). 199 Reisnecker, H., Meinungsfreiheit, S. 67. Die Entgegnung v o n Schneider, F., Pressefreiheit, S. 89, A r t . 18 lasse sich aus A r t . 5, aber nicht umgekehrt, auslegen, lehnt Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 145 (Fn. 24), m i t dem H i n weis ab, der heuristische Wert von Verfassungstextstellen sei gleich. 200 Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 259 (Fn. 58), sieht die P F durch A r t . 18 GG sogar „hinaus- u n d herauf gesteigert". 201 Der 1956 eingeführte A r t . 17 a GG, der n u r die M F , nicht aber die PF

I I . Die

n d i v i d u a l r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

199

bb) Einwand: Inhaltliche Übereinstimmung Einer neueren Literaturmeinung zufolge stimmen PF und freie Meinungsäußerung inhaltlich überein. „Differenzierungen folgen allein daraus, daß die Presseäußerung regelmäßig schutzbedürftiger ist als die »individuelle 4 Meinungsäußerung es jemals sein kann. Das Sonderrecht der Presse gibt keine Privilegien, es besorgt lediglich, daß die Presseäußerung möglichst ebenso frei erfolgen kann, wie Äußerungen außerhalb der Presse möglich sind" 2 0 2 . — Diese Auffassung muß zunächst von der unzutreffenden Annahme ausgehen, daß die MF auch die Tatsachenverbreitung erfaßt (oben b). Selbst wenn man dieser Einheitsauffassung folgen wollte, trägt die zitierte Ansicht den Widerspruch i n sich: Eine inhaltliche Übereinstimmung kann nicht gegeben sein, wenn Differenzierungen notwendig sind; das „Sonderrecht der Presse" hebt die PF auch qualitativ von der M F ab. Die Bezeichnung als „Privileg" ist i n der Tat fehl am Platze, wenn der Begriff Bevorrechtigungen „contra ius" kennzeichnen soll. Zielt die Benennung „Privileg" aber auch auf eine sachgerechte Abweichung vom Normalfall, dann ist sie zwar mißverständlich, aber nicht falsch 208 . Die Einwendungen gegen die Selbständigkeit des Grundrechts der PF greifen also nicht durch; der oben skizzierte Eigenwert der PF bleibt erhalten. e) Ergebnis Die PF ist im Unterschied zur M F ein multifunktionales Grundrecht. Insbesondere enthält die i n Art. 512 GG zusätzlich verbürgte Freiheit der Informationsbeschaffung und Nachrichtenäußerung einen deutlichen Hinweis auf das besondere Gewicht der von dem Journalisten als Träger der PF vollzogenen Berichterstattung. Die negative Aussage der M F zum IR braucht deshalb für die PF nicht von vornherein aufrechterhalten zu bleiben. Aus dem „status negativus" kann ein Leistungsanspruch aber nicht folgen. W i r d er dafür vom „status publicus" des Journalisten gerechtfertigt?

der Soldaten unter einen persönlich begrenzten Gesetzesvorbehalt stellt (der dem nach Art. 5 I I GG vorgeht, BVerwG, Beschl. v. 11. 2.1970, N J W 1970, 908; dazu auch BVerfG, Beschl. v. 26. 5.1970, N J W 1970, 1837), k a n n weder für noch gegen A r t . 18 GG aussagen, da die PF i m Wehrdienstverhältnis k a u m eine Rolle spielt u n d deshalb nicht erwähnt wurde, vgl. auch Maunz-DürigHerzog, A r t . 17 a, Rdnr. 26; Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 25. 202 windsheimer, H., Information, S. 101; i h m folgend Rebe, B., Träger der PF, S. 31 f.; ähnlich Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 146 ff. 203

Z u r K l ä r u n g des Begriffs „Privileg" unten I V , 1 e, aa.

200 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive 3. Der „status publicus" des Journalisten als Grundlage

Hiermit w i r d die Grundrechtsbetätigung i n Richtung auf die Gemeinschaft und den Staat unter Schutz gestellt. Der Journalist als (einer der) Träger der PF kann sich eines solchen Mitwirkungsrechts ebenso bedienen wie jeder andere Bürger als Subjekt der MF. Die Meinungsäußerung des Publizisten ist aber noch nicht allein deshalb mehr „wert", w e i l sie mit Hilfe des Presseprodukts eine wesentlich größere Reichweite besitzt. Die Informationsrezeption als klärende Voraussetzung der eigenen Meinungsbildung und -äußerung muß aus diesem Grund für Bürger und Journalisten gleichwertig ausgestattet sein. Ein IR als Annexrecht zur Realisierung des „status publicus" des Journalisten ist unter dem Postulat der rechtlichen Gleichbehandlung von Meinungsäußerungen sogar verboten. Nun weist die PF hinsichtlich der interventionsfreien Informationsbeschaffung wesentlich stärkere Konturen auf als die MF 2 0 4 . Die Recherchierfreiheit ist aber nicht wegen der Meinungsäußerung des Journalisten gewährt (wenngleich sie auch dazu i n Anspruch genommen werden kann), sondern i n Hinblick auf das Grundrecht der Berichterstattung. Der Publizist kann alle tatsächlich erreichbaren Informationen aufnehmen und verwerten, auch wenn sie aus Quellen stammen, die nur ihm offenstehen. Journalistischer Spürsinn und publizitätsbejahendes Entgegenkommen von Informanten werden zudem noch vom Redaktionsgeheimnis umschlossen. Die Berichterstattungsfreiheit findet dort ihre faktische Grenze, wo sich der Informationskanal staut. Das Publizitätsinteresse des Journalisten geht dann dahin, eine rechtlich verstärkte Informationsinitiative gegen die „schweigsame Staatsgewalt" zu führen. Aber diese Konsequenz w i r d von der individuellen Grundrechtsposition des Journalisten nicht gedeckt. Motiv für das IR wäre allein die Erweiterung der eigenen Berichterstattungskapazität, und damit ein persönliches, egoistisches Interesse 205 . Die isolierte Auslegung des Grundrechts rechtfertigt eine derartige Begünstigung nicht: Sie gewährt nur Befriedigung des Informationsbedarfs in Freiheit; ein weitergehendes subjektives Bedürfnis des Journalisten w i r d nicht sanktioniert. Der „status publicus" des Journalisten stellt deshalb kein tragfähiges Fundament für ein IR dar. 4. Zusammenfassung

Die individualrechtliche Begründung des IR aus dem Grundrecht der PF führt nicht zum Ziel. Die Untersuchung der Eigenständigkeit der 204 205

Oben 2 c, aa 5 = PF; C I V 2 d = MF. Vgl. oben S. 178.

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes

201

PF hat aber erwiesen, daß die Informationsvermittlung zum geschützten Kernbereich des Grundrechts gehört. Hierauf kann ein IR aufbauen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit liegt. Nur wenn sich dafür aus der Verfassung konkrete Anhaltspunkte erschließen lassen, verspricht die kollektivrechtliche Motivation des IR Aussicht auf Erfolg.

I I I . Die Rolle der Presse im Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes Schon die voraufgegangenen Erörterungen haben ergeben, daß die Verfassung den ständigen legitimierenden Kontakt zwischen Volk und staatlicher Gewalt, insbesondere der Exekutive voraussetzt 206 . Die nun folgende zusammenfassende Betrachtung soll klären, welche Kräfte i n diesem Prozeß wirken, wie sie verfassungsrechtlich einzustufen sind und welches Gewicht der Presse dabei zukommt. 1. Der Meinungs- und Willensbildungsprozeß

Bedeutung und Inhalt der so umschriebenen, vom Staatsvolk ausgehenden Kommunikation wurden vom Bundesverfassungsgericht näher erläutert. a) Die Rechtsprechung aa) Darstellung Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich i n der lebendigen Demokratie nicht nur i n der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern auch i n der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung 207 . Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit, Versammlungs- und Petitionsrecht sichern die Freiheit der Meinungs- und Willensbildung des Volkes; die freie Willensbildung, die sich i n einem demokratischen Staatswesen frei, offen und unreglementiert vollziehen muß, w i r d zusätzlich durch A r t . 21, 38 und 28 GG geschützt 208 . Der permanente Prozeß der Meinungsbildung m i t seinen i n der öffentlichen Meinung zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen, politischen Auffassungen und Stellungnahmen w i r d auch als „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" bezeichnet 209 . Die öffentliche Meinung, aber auch 206 Vgl. oben C I I 1 c (aus dem Staatsziel Demokratie), C I V 7 (aus der F u n k t i o n der Kommunikationsgrundrechte), D 11 b (aus dem Gesichtspunkt der Legitimität). 207 BVerfGE 8, 51 (68); E 14, 121 (132); E20, 56 (98 f.); E24, 300 (360). 208 BVerfGE 20, 56 (98). 209 BVerfGE 8, 104 (113); E20, 56 (98).

202 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive G r u p p e n , V e r b ä n d e u n d gesellschaftliche G e b i l d e verschiedener A r t , i n s besondere a b e r die p o l i t i s c h e n Parteien, beeinflussen d i e Beschlüsse d e r Staatsorgane 2 1 0 . D e r Prozeß der M e i n u n g s - u n d W i l l e n s b i l d u n g m ü n d e t e i n i n d e n f ü r die W i l l e n s b i l d u n g i m Staat entscheidenden A k t d e r P a r l a m e n t s w a h l 2 1 1 . A u c h w e n n h i e r die Ä u ß e r u n g des V o l k s w i l l e n s m i t d e r B i l d u n g des S t a a t s w i l l e n s z u s a m m e n f ä l l t , müssen diese V o r g ä n g e ansonsten geschieden w e r d e n , d e n n A r t . 2 1 1 G G h a n d e l t v o n d e r W i l l e n s b i l d u n g des V o l k e s u n d A r t . 20 I I G G v o n d e r B i l d u n g des S t a a t s w i l l e n s 2 1 2 . D i e V e r f a s s u n g gebietet, daß sich d e r g r u n d s ä t z l i c h staatsfreie u n d offene M e i n u n g s - u n d W i l l e n s b i l d u n g s p r o z e ß v o m V o l k zu d e n Staatsorganen, u n d n i c h t u m g e k e h r t , v o l l z i e h t 2 1 3 . D i e P a r t e i e n s i n d f r e i gebildete, i m gesellschaftlich-politischen B e r e i c h w u r z e l n d e G r u p p e n , die d a z u ber u f e n sind, b e i der p o l i t i s c h e n W i l l e n s b i l d u n g des V o l k e s m i t z u w i r k e n u n d i n d e n B e r e i c h der i n s t i t u t i o n a l i s i e r t e n S t a a t l i c h k e i t h i n e i n z u wirken214. D i e Presse ist n e b e n R u n d f u n k u n d Fernsehen das w i c h t i g s t e I n s t r u m e n t der B i l d u n g der öffentlichen M e i n u n g 2 1 5 . „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion i n Gang; sie beschafft die I n formationen, n i m m t selbst dazu Stellung und w i r k t damit als orientierende K r a f t i n der öffentlichen Auseinandersetzung. I n i h r a r t i k u l i e r t sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich i n Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen u n d erleichtern so dem Bürger U r t e i l u n d Entscheidung. I n der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem V o l k u n d seinen gewählten Vertretern i n Parlament u n d Regierung. Sie faßt die i n der Gesellschaft u n d ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen u n d Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung u n d trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der i m V o l k tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können 2 1 6 ."

210

BVerfGE 3, 19 (26); E 5, 85 (134); 14, 121 (133); E20, 56 (99). BVerfGE 14, 121 (132); E20, 56 (98). 212 BVerfGE 8, 104 (113); E20, 56 (98). 213 BVerfGE 20, 56 (99, 101 f.). 211

214

BVerfGE 20, 56 (101). BVerfGE 12, 113 (125). 216 BVerfGE 20, 162 (174 f.); zur Bedeutung dieses Urteils Häberle, m e i n w o h l udikatur, S. 115 ff., 294. Vgl. auch BVerfGE 27, 71 (81). 215

P., Ge-

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 203

Auch Presseunternehmen müssen sich i m gesellschaftlichen Raum frei bilden können; i n ihre gegenseitige geistige und wirtschaftliche Konkurrenz darf die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen 217 . bb) Kritische Würdigung Das Bundesverfassungsgericht unterstreicht in erster Linie die konstituierende Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte, insonderheit deren Mitwirkungsfunktion. Weiterhin w i r d die Zulässigkeit eines kontinuierlichen Legitimationsprozesses hervorgehoben, der seinen Ausdruck i n der öffentlichen Meinung findet. Die Unterscheidung von Volksund Staatswillensbildung hat zum einen ihren guten Sinn 2 1 8 : Die Ausgrenzung der öffentlichen Meinung aus dem staatsorganschaftlichen Bereich w i r d von der Verfassung zur Wahrung ihres repräsentativen Charakters gefordert 219 . Die organisierte (Staats-)Willensbildung ist auf Wahlen, Parlamentsbeschlüsse, Exekutivakte und Gerichtsentscheidungen festgelegt. Die nicht organisierte (Volks-)Willensbildung soll diesen Prozeß zwar nachhaltig beeinflussen, nicht aber das Kompetenzsystem zerstören. „Dieses Zusammenspiel ist nur solange möglich, als der Sinn für die Grenze zwischen verbindlicher Entscheidung und Meinungsäußerung' wachbleibt 220 ." Die Konzeption des Bundesverfassungsgerichts bietet aber auch A n laß zu Kritik. Die Begrifflichkeit verleitet dazu, zu übersehen, daß sich i n der Demokratie der Wille des Volkes i n den institutionellen Formen der Verfassung bildet, und demnach nicht unbesehen dem Staatswillen entgegengesetzt werden kann 2 2 1 . I n der linearen Ausrichtung des Prozesses der Meinungs- und Willensbildung „vom Volk zum Staat" bleibt unberücksichtigt, daß dieses Verfahren nur sinnvolle Ergebnisse zeitigen kann, wenn auch anregende Impulse von Seiten der organisierten Staatlichkeit einfließen 222 . Wenngleich sichergestellt sein muß, daß der Staat hier „Diener" und nicht „Herr" ist, w i r d die Struktur des Prozesses 217

BVerfGE 20, 162 (175). Insoweit sind die Vorwürfe, die hierin die Gefahr der Isolierung von Staat u n d Gesellschaft sehen, nicht berechtigt; Häberle, P., Parteienfinanzierung, S. 66 f.; Randelzhofer, A., Parteienrecht, S. 534 f.; kritisch auch Preuß, U., Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, Stuttgart 1969, S. 188 f. 219 F ü r die prinzipielle Trennung der Prozesse auch Hennis, W., A m t s gedanke, S. 60 f.; Zippelius, R., Staatslehre, §181111 (S. 108). 220 Schneider, P., Z u r Bedeutung der K r i t i k i n der freiheitlichen Demokratie, Studium Generale 12 (1959), S. 572 (578). 221 Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle, S. 381 f. 222 Bezeichnend die zitierte Passage des Spiegel-Urteils BVerfGE 20, 162 (174f.): Die Presse soll den Staatsorganen als Orientierungsmittel über die öffentliche Meinung dienen (dazu unten d, bb). Ob die Staatsorgane umgekehrt der Presse zur Erlangung von Informationen behilflich sein sollen, bleibt ungesagt. 218

204 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

zutreffend als „dialektisch" gekennzeichnet 223 . Besitzt das Volk die legitimierende Kraft der Staatsgewalt, so muß seiner Meinungs- und Willensbildung die größtmögliche Effizienz verschafft werden. Es ist deshalb fraglich, ob die öffentliche Meinung i m „gesellschaftlich-politischen Bereich" richtig plaziert ist; zu prüfen w i r d sein, ob sich nicht eine Kennzeichnung findet, die eine anregende Wechselwirkung zwischen Staatsvolk und Staatsorganen besser zum Ausdruck bringt (etwa der Begriff der „Öffentlichkeit"). Abzulehnen ist jedenfalls die Charakterisierung der Meinungsbildung als „Vorformung der politischen Willensbildung" 2 2 4 . Zum einen w i r d dadurch die Bedeutung der öffentlichen Meinung nicht hinreichend deutlich gemacht, zum anderen entsteht der Eindruck eines weiteren Trennbereichs innerhalb der Volkswillensbildung, die jedoch als ein auf die Wahl ausgerichteter Gesamtprozeß gesehen werden muß 2 2 5 . Aus diesen kritischen Anmerkungen ergibt sich das weitere Vorgehen. Nach vergleichender Darstellung der Faktoren der Volkswillensbildung (b) sollen der Begriff der Öffentlichkeit (c) und schließlich das Phänomen der öffentlichen Meinung (d) näher betrachtet werden. b) Die Faktoren der Volkswillensbildung Das Grundgesetz erwähnt die Massenkommunikationsmittel (Art. 5 I 2), die Korporationen (Art. 9), die Parteien (Art. 21) und die Kirchen (Art. 140 i. V. m. Art. 136 ff. WRV) als kollektive Gebilde, die als solche auch als Faktoren im Prozeß der Willensbildung i n Frage kommen. Die Verfassung kennt also nicht nur die Beziehung Individuum—Staat, sondern räumt auch den „intermediären Kräften" 2 2 6 ihren Platz ein. aa) Kirchen Die Kirchen nehmen sehr wesentlichen Einfluß auf die Volkswillensbildung, sei es durch Verkündigung von der Kanzel, sei es mittels der 223 Randelzhofer, A., Parteienrecht, S. 535; Ridder, H., öffentliche Aufgabe, S. 9. Es ist zweifelhaft, ob das BVerfG die dualistische Auffassung noch vert r i t t . Wurden die Parteien i n E20, 56 (114) noch als Wahlkampforganisationen angesehen, so w i r d ihre Rolle n u n praktisch für die gesamte Legislaturperiode anerkannt, E24, 300 (348), siehe Randelzhofer, A., a.a.O., S. 536; vgl. oben C Fn. 53. 224 Geprägt von Scheuner, U., Der Staat u n d die intermediären Kräfte, Zeitschrift für Evangelische E t h i k 1957, S. 30 (34); ders.: Pressefreiheit, S. 28; Hesse, K., Grundzüge, § 5 I I 1 c (S. 61 f.); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 5; Parteienbericht, S. 70 f. („Vorfeld"). 225 Ridder, H., Parteien, S. 35. 226 So der T i t e l des Aufsatzes von Scheuner, U., ZEE 1957, 30; dazu auch Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1, Rdnr. 53; Gastroph, C.-F., Politische Vereinigungen, S. 33 f. (insbesondere zur Ablehnung der „corps intermédiaires" i m Sinne Montesquieus durch J. J. Rousseau).

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 205

kirchlichen Presse oder i m Rahmen ihrer M i t w i r k u n g i n ständisch gegliederten Institutionen (Bayerischer Senat, Rundfunkrat). Dennoch kommt ihnen (trotz ihres öffentlich-rechtlichen Status) eine Ausnahmestellung i m Verfassungsaufbau zu, welche sie von den übrigen Faktoren der Willensbildung abhebt. Die organisatorische Trennung von Staat und Kirche verbietet es, ihre jeweiligen Aufgaben zu verschmelzen und so die Verstaatlichung der Kirchen bzw. die Aufhebung der weltanschaulichen Neutralität des Staates zu betreiben 227 . Sie sind ein „echtes Gegenüber des Staates" 228 , was sie jedoch nicht hindert, i n die politische Sphäre hineinzuwirken 2 2 9 . Für die „Repräsentation organisierter Interessen" oder gar für die Presse geben sie kein vergleichbares Vorbild ab. bb) Verbände Das Gewicht der Korporationsgebilde i. S. v. Art. 9 GG, insbesondere der Verbände, bei der Bildung des Volkswillens läßt sich deshalb schwer messen, weil die Vielgestaltigkeit der „organisierten Interessen" kaum eine einheitliche Aussage zuläßt 230 . Der faktische Einfluß ist jedoch als „Herrschaft der Verbände" (Eschenburg) wohl richtig angedeutet. „Die Soziologie der Machtverhältnisse läßt eine Trias der Kräfte erkennen, i n der intermediäre Gewalten ihren Platz zwischen und neben Staat und Individuum behaupten 231 ." Diese Erkenntnis hat zunächst strukturelle Folgerungen nach sich gezogen. Scheuner w i l l der alten Gegenüberstellung Staat—Individuum einen dritten Bereich des organisierten gesellschaftlichen Lebens hinzufügen, i n dem sich durch ständige Auseinandersetzung die Entscheidungen an der Spitze des Staates vorbereiten 232 . Auch Ridder spricht von einer „Dreifältigkeit: Privatgesellschaft, freie politische Gesellschaft, als Staatsorgan handelnde Gesellschaft" 233 ; die Mittelinstanz trägt den politisch-gesellschaftlichen Prozeß der öffentlichen politischen Meinungsbildung (Art. 5, 21 GG) 2 3 4 .

227 Weber, H., Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts i m System des Grundgesetzes, B e r l i n 1966, S. 71 f., lehnt deshalb die Zugehörigkeit der Kirchen zur „materiellen Öffentlichkeit" ab; dazu unten c. 228 Scheuner, U., Intermediäre Kräfte, S. 37. 229 Hierzu Weber, H., Religionsgemeinschaften, S. 77 ff.; Kaiser, J. H., I n teressen, S. 130 f., möchte die Kirchen bei dieser Betätigung deshalb den übrigen Interessenverbänden gleichsetzen. 230 Beispiele bei Scheuner, U., Intermediäre Kräfte, S. 34 f. 231 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 113. Z u dieser gesellschaftlichen Entwicklung auch Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 331 ff. 232 Scheuner, U., Intermediäre Kräfte, S. 34, 36. 233 Ridder, H., Gewerkschaften, S. 29 (Fn. 57 a). 234 Ridder, H., a.a.O., S. 22, 13.

206 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Aber auch rechtliche Konsequenzen werden gezogen. Kaiser, der die organisierten Interessen als hervorragende Artikulationsorgane der öffentlichen Meinung kennzeichnet 235 , erkennt ihnen Öffentlichkeitscharakter zu, weil sich ihre Repräsentation an dem Knotenpunkt zwischen Staat und Gesellschaft — der Öffentlichkeit — vollziehen müsse 236 . Preuß unterscheidet i m „Legitimationsbereich der Teilnahme" Realverbände von Willensverbänden: Beide agieren i m Bereich soziologisch feststellbarer Öffentlichkeit, aber nur letztere können einen verfassungsrechtlich qualifizierbaren öffentlichen Status haben, weil ihre Organisation auf umfassender Teilnahme und damit auf demokratischen Prinzipien beruht 2 3 7 . Solchen Ansprüchen genügen nach dieser Auffassung insbesondere die Parteien und die Gewerkschaften 238 . Daraus ergeben sich bereits zwei mögliche Gesichtspunkte, auf die es auch bei der verfassungsrechtlichen Verortung der Presse 239 ankommen wird: die demokratische Legitimation des Faktors der Willensbildung und seine Beziehung zu einem werthaft verstandenen Begriff der Öffentlichkeit. cc) Parteien Der „Rechtsbegriff des öffentlichen" w i r d auch für die verfassungsrechtliche Qualifizierung der politischen Parteien herangezogen 240 . Nach Hesse setzt die Zugehörigkeit zum Bereich des öffentlichen voraus 241 , daß der Träger der Öffentlichkeit an den Legitimitätsprinzipien der Gesamtordnung teilhat, daß sein Wirken sich nicht nur an die Allgemeinheit wendet, sondern daß er der Allgemeinheit auch Einsicht i n die Vorgänge gewährt, welche dieses Wirken hervorbringen, und daß er vor allem in Wahrnehmung einer aufgegebenen Verantwortung und i n realisierbarer Verantwortlichkeit tätig wird. A l l e i n die Parteien er235

Kaiser, J. H., Interessen, S.232; vgl. auch BVerfGE20, 56 (114). Kaiser, J. H., a.a.O., S. 355 f. 237 Preuß, U., öffentlich, S. 170 ff., 179 f. 233 Preuß, U., a.a.O., S. 180. Die Gewerkschaften sollen also nach dem V o r b i l d von A r t . 2113, 4 GG demokratische Strukturen haben; so auch Ridder, H., Gewerkschaften, S. 43; Ramm, T., Willensbildung, S. 36 f., 74 ff., 115 ff. Z u r Verbandspublizität allgemein Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 167 f. Z u r faktisch gegebenen u n d normativ gebotenen Publizität des „Gruppendrucks" auf die Exekutive oben B I I 1 c bzw. D I I 3 c. I m übrigen w a r n t Weber, W., Sozialstaat, S. 433, zu Recht davor, die politisch einflußreichen Verbandsmächte i n eine „sozialstaatliche" Gegenverfassung hineinwachsen zu lassen. 236

239 Preuß, U., a.a.O., S. 172 (Fn. 26), 183 (Fn. 54), läßt Zweifel erkennen, ob die privatwirtschaftliche S t r u k t u r der Presse einen verfassungsrechtlichen Sonderstatus erlaubt. 240 Z u ihrem Status der „Staatsnähe" siehe bereits oben C I 2 c. 241 Hesse, K , Parteien, S. 43.

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 207

füllten diese Bedingungen 242 : Die Teilhabe an der Legitimität der Gesamtordnung werde durch die Möglichkeit des Parteiverbots nach Art. 21 I I GG überwacht, die Eigentransparenz sei durch die Rechenschaftspflicht gesichert und die Verantwortlichkeit für das Ganze werde bei den Wahlen realisiert. Das „Prädikat des öffentlichen" für die Parteien 2 4 3 bedeute aber nicht — wie Hesse nachdrücklich betont 2 4 4 —, daß sie zum Bereich der organisierten und institutionalisierten Staatlichkeit gehörten. Den politischen Parteien kommt zu Recht eine Sonderstellung zu, weil sie „die Millionen der politisch freigesetzten Aktivbürger erst aktionsfähig machen und zu politischen Handlungseinheiten zusammenschließen" 245 . I h r verfassungsrechtlicher Sinn besteht also i n der Organisation der politischen Willensbildung 246. Da sie in dieser Funktion kraft Verfassungsrechts i n den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit hineinwirken 2 4 7 , ist die umfassende, auch das Parteiinternum ergreifende grundgesetzliche Regelung des Art. 21 GG erklärt und gerechtfertigt zugleich. M i t ihrer Ausrichtung auf das Organisatorische ist aber gleichzeitig dargetan, daß sie i m Prozeß der Meinungs- und Willensbildung zwar eine Vorrangstellung, nicht aber das Monopol besitzen 248 , ja es ist nicht einmal gesagt, daß nicht andere Faktoren wenn auch andersartige, aber ebenso wichtige Aufgaben erfüllen. Es erscheint deshalb durchaus zweifelhaft, ob das Rechtsprädikat des öffentlichen von vornherein für die politischen Parteien „reserviert" werden kann. dd) Der Vergleich mit der Presse Die demokratische Infrastruktur eines Faktors der Willensbildung ist ein untaugliches Mittel zur Bestimmung seines verfassungsrechtlichen Standorts. Dagegen spricht einmal, daß ein kollektives Gebilde in jedem Falle dann verfassungskräftige Vorrechte beanspruchen könnte, wenn es (freiwillig!) demokratisch strukturiert wäre, zum anderen, daß die Verfassung das Demokratiegebot in keinem Falle über den staatlichen Bereich ausdehnt. Demokratie ist eine Staatsformbestimmung, nicht aber ein zwingendes Organisationsmodell des nicht-staatlichen Sektors 249 . 242

Hesse, K., Parteien, S. 44. Bezeichnung von Häberle t P., Parteienfinanzierung, S. 73. 244 Hesse, K., Parteien, S. 116 (Aussprache). 245 Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 302, vgl. auch S. 76, 89 f. a.a.O. 246 Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1439. 247 BVerfGE 20, 56 (101). 248 Randelzhofer, A., Parteienrecht, S. 538; Gastroph, C.-F., Politische V e r einigungen, S. 75 f.; vgl. auch Scheuner, U., Intermediäre Kräfte, S. 34. 249 Dies ist n u r ein Gebot des politischen Stils, w i e es Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 267, für die freiheitliche Wirtschaftsordnung feststellt. K r i tisch auch Hennis t W., Demokratisierung, Z u r Problematik eines Begriffs, K ö l n 1970, insbes. S. 32 ff.; Weber, W., Spannungen, S.364f. 243

208 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Deshalb kann dieser Gesichtspunkt nicht gegen eine verfassungsrechtliche Hervorhebung der Presse sprechen. — Auch die Teilhabe an den Legitimitätsprinzipien der Gesamtordnung w i r d nicht allein für die politischen Parteien (über Art. 21 I I GG) gewährleistet. Ihnen w i r d zwar mit dieser Vorschrift ein „Parteienprivileg" 2 3 0 gegenüber sonstigen Vereinigungen eingeräumt, die Betätigung der PF aber ist gemäß A r t . 18 GG gleichermaßen an den Maßstab der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geknüpft und dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts unterworfen 2 3 1 . Eigentransparenz stellt für die Presse kein vorrangiges Problem dar, da der Inhalt des Presseerzeugnisses für jeden Bürger aufgrund seiner Informationsfreiheit ersichtlich und mit andersartigen Produkten vergleichbar ist 2 5 2 . Auch die Verantwortlichkeit für das Ganze, wie sie für die Parteien durch die Wahlen realisiert werden soll, ist kein entscheidendes Argument für oder gegen die Qualifikation des Faktors der Willensbildung. Es w i r d zwar gesagt, daß die Parteien Verantwortung anstrebten, die über die Vertretung der partikulären Interessen — etwa von Verbänden — hinaus am Ganzen orientiert sei 253 . Mag dieses Merkmal in praxi durch den Trend zur „Volkspartei" 2 5 4 durchaus gegeben sein, so ist es als unterscheidendes Moment gegenüber anderen Institutionen nur brauchbar, wenn die Bindung an das Gemeinwohl eine „einklagbare Rechtspflicht" wäre. Mehr als die Festlegung der inneren Ordnung auf demokratische Grundsätze (Art. 211 3 GG) ordnet die Verfassung jedoch nicht an. Unüberschreitbare Grenze ist nur das Parteiverbot nach Art. 21 I I GG. So gesehen ist die Ausrichtung der Parteien am Wohl der Allgemeinheit kein verfassungskräftiges Merkmal. Wenn demgegenüber eingewandt wird, sie werde durch die Gewährleistung von Öffentlichkeit und Opposition, durch die Verantwortung gegenüber dem Wähler und durch die Vertrauenswerbung für die Erteilung des 230

Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 21, Rdnr. 102. Vgl. oben I I 2 d, aa. 252 Damit w i r d die Bedeutung dieser Problematik i m Zeichen einer fortschreitenden Pressekonzentration und der damit verbundenen Einschränkung der „Meinungsvielfalt" innerhalb der Erzeugnisse eines Konzerns nicht verkannt. Eine Offenlegungspflicht der wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnisse k a n n deshalb durchaus zur Gewährleistung der PF notwendig werden. Vgl. die bereits bestehenden Regelungen i n § 8 I I I BayPrG u n d §5HessPrG; dazu Löffler, M., Presserecht I I , S. 9 f. (Rdnr. 24—29); Mallmann, W., Pressepflichten u n d öffentliche Aufgabe der Presse, JZ 1966, 625 (628, 632); grundlegend v. Münch, I., Offenlegungspflicht, S. 845 ff. I m übrigen empfahl die Pressekommission, S. 47, zur Sichtbarmachung der Machtkonzentration i m Pressewesen die allgemeine Einführung der Publizität der Besitzverhältnisse nach bayerischem u n d hessischem V o r b i l d ; positiv auch Presserat (Leitsätze v. 22.1.1970), S. 67 f. 253 Scheuner, U., Intermediäre Kräfte, S. 38. 254 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 133. 251

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes

209

Mandats gewährleistet 255 , so ist dies nicht mehr als ein Hinweis auf mehr oder weniger wirksame therapeutische Hilfen, welche die „Orientierung am gemeinen Besten" aber nicht erzwingen können. M i t diesen Bemerkungen soll die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien jedoch nicht minimalisiert werden. Zwischen ihnen und der Presse bestehen trotz allem entscheidende Unterschiede, die eine Parallelisierung ausschalten 256 . Die Parteien erstreben die Beteiligung an der Staatsgewalt, während die Presse trotz erheblichen faktischen Einflusses nicht in die organisierte Staatlichkeit einbezogen ist 2 5 7 . Der Sinn der PF liegt nachgerade darin, daß sie nicht vom Staat organisiert wird 2 5 8 . Als ihr wesentliches Element ist deshalb ihre privatwirtschaftliche Struktur anzusehen 259 . I n Anbetracht des daraus folgenden kommerziellen Charakters der von der Presse vermittelten Information muß diese für den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes von erheblichem Gewicht sein, wenn die Presse i n ähnlicher Weise wie die Parteien als Faktor der Volkswillensbildung hervorgehoben sein will. Der verfassungsrechtliche Funktionswert der Parteien liegt i n der Organisation dieses Prozesses; die vergleichbare Bedeutung der Presse könnte in der Konstituierung von „Öffentlichkeit" liegen. Deshalb ist zunächst die Tragweite dieses Begriffs herauszuarbeiten. c) Der Begriff

der Öffentlichkeit

Als „Herzstück der modernen politischen Begriffswelt" 2 6 0 gehört „Öffentlichkeit" zu den „juristischen Entdeckungen" 261 der jüngeren Zeit 2 6 2 . Neu 235

Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 134. I n eine erneute Auseinandersetzung m i t den Thesen Ridders, H., M e i nungsfreiheit, S. 243 ff., der A r t . 21 GG als H a u p t - u n d Grundnorm der i n stitutionellen öffentlichen Meinungsfreiheit ansieht u n d deshalb A r t . 21 GG m i t allen Konsequenzen auch auf die politische Presse anwenden w i l l (S. 257), soll hier nicht eingetreten werden. Die Unhaltbarkeit dieser Vorstellung ergibt sich schon aus dem auch hier vertretenen unterschiedlichen Charakter von Partei u n d Presse; zur K r i t i k an Ridder i n jüngerer Zeit Forsthoff, E., Tagespresse, S. 633 ff.; Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 93 (Ls. I 4 c ) ; Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 350; Windsheimer, H., Information, S. 112 f.; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 31 f., 58 ff., 97 f.; Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1439 f.; Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 32 f. 257 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 31; Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 20; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 135. 258 Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1439. 259 Löffler, M., Presserecht I, S. 16 f. (Rdnr. 55), m i t einer Aufgliederung der vertretenen Rechtsformen. 260 Smend, R., Z u m Problem des öffentlichen u n d der Öffentlichkeit, A b handlungen, S. 462. 281 Arndt, A., Das öffentliche, S. 424 f. 262 Eine Übersicht über den Meinungsstand gibt Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 17—22; vgl. oben die Beispiele unter b. 256

14 Jerschke

210 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

in das juristische Bewußtsein trat dabei nicht etwa die seit 150 Jahren bei allem Wechsel der Staatsform fortbestehende Identifikation von „öffentlich" mit „staatlich" 2 8 3 oder der Gesichtspunkt der Öffentlichkeit i m parlamentarischen System 264 , sondern die Erkenntnis ihrer normativen Wirkung als Grundlage des kollektiv-öffentlichen Lebens 265 . „Die letzte Begründung der Öffentlichkeit l i e g t . . . in der Erhebung des Begriffs vom Faktischen zum Normativen, von der Bezeichnung einer Lage des Offenbarseins zur Bezeichnung des eigentlichsten aufgegebenen Wesens moderner Staatlichkeit 268 ." Damit bleibt aber noch offen, in welchem Zusammenhang der Begriff rechtliche Wirksamkeit entfalten soll. Zur Präzisierung der normativen Öffentlichkeit w i r d deshalb u. a. vorgeschlagen, den Bezug auf das Ganze und die Verankerung in der demokratischen Legitimation durch die Nation als Maßstäbe anzusetzen 267 oder die Frage der Verantwortlichkeit als zusätzliches Kriterium voranzuschalten 268 . Diesen strengen Ansprüchen könnten aber wohl nicht einmal die politischen Parteien genügen (oben b, dd), so daß die Ablösung des Begriffs Öffentlichkeit von seiner Staatsverhaftung 269 ein Programm ohne Realisierungschance bliebe. aa) Die Arten von Öffentlichkeit I m übrigen w i r d neuerdings wieder darauf hingewiesen, daß der Begriff der Öffentlichkeit an sich eine rein formale Kategorie darstelle, die erst i n einer konkreten Problemlage einen bestimmten, nicht abstrakt faßbaren Wirkungswert entfalte 270 , „öffentlich" ist die Eigenschaft von Gegenständen, die für Personen entweder tatsächlich zugänglich oder sinnlich wahrnehmbar sind 271 . Diese passive Zugänglichkeit w i r d auch „Publizität" genannt 272 . Öffentlichkeit kennzeichnet aber ebenso den 263

Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 81. Oben C I I 1 a. 285 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 75, unter Hinweis auf Smend, R., Problem des öffentlichen, Abhandlungen, S. 469. 266 Smend, R., Problem des öffentlichen, Abhandlungen, S. 470. 287 Weber, H., Religionsgemeinschaften, S. 66, der die E r f ü l l u n g dieser A n forderungen n u r bei den Parteien für möglich hält, a.a.O., S. 71. 268 Hesse, K., Parteien, S. 41 f.; oben b, cc. 269 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 75. 270 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 43 ff., 59; sonst wäre das Prinzip der Öffentlichkeit tatsächlich nihilistisch, vgl. Arndt, H.-J., Öffentlichkeit als Staatsersatz, S. 245. 271 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 42; so schon Smend, R., Problem des öffentlichen, Abhandlungen, S. 463; Krüger, H., Staatslehre, S. 443. 272 I n diesem Sinn wurde i m bisherigen Verlauf der Untersuchung das „Öffentlichkeitsgebot" verstanden. Z u m Begriff der Publizität auch Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 175; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 46. 284

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes

211

Adressatenkreis als sein personales Korrelat und ist somit auch das Ersatzwort für „Publikum" 2 7 3 . Die Frage nach der Funktion der Öffentlichkeit indes erwartet Aufschluß über Sinn und Zweck der zwischen Publizität und Publikum bestehenden Relation. Eine normative Wirkung endlich als vierte Bedeutungsschicht von „Öffentlichkeit" kann erst nach Prüfung von Publizitätsobjekt, -adressat und -funktion i m Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes festgestellt werden. Gegenstand der Öffentlichkeit sind die ausübenden Organe der Staatsgewalt, hier also die Behörden der vollziehenden Gewalt, auf welche die Untersuchung sich beschränkt. Ihnen ist die prinzipiell unbeschränkte Wahrnehmbarkeit bzw. Zugänglichkeit ihres Handelns von Verfassungs wegen geboten, um dem Staatsbürger die sinnvolle Ausfüllung seines Grundrechtsraums und die staatsorganschaftliche Betätigung im „status activus" zu gewährleisten. Ist damit bereits die Funktion dieser Publizität unter Bezugnahme auf die bisherigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit angesprochen, so steht auch ihr Publikum fest: die Gesamtheit aller Staatsbürger als Träger der Staatsgewalt 274 . Der „Wert" dieser Öffentlichkeit ist darin zu sehen, daß sie das Staatliche, das alle angeht, zum öffentlichen macht, das für alle zugänglich ist 2 7 5 . Aus Qualität w i r d Quantität, der die Qualität weiterhin innewohnt. Die Werthaftigkeit der Publizität liegt in ihrem staatsgetragenen Inhalt. Sie ermöglicht staatserhaltendes Vertrauen und Kontrolle 2 7 6 . I n diesem Sinne umschreibt „Öffentlichkeit" also auch einen bestimmten Wirkungswert 2 7 7 i m Prozeß der Volkswillensbildung. Schließlich begründet diese Publizität einen sozialen Raum, der ebenfalls als „Öffentlichkeit" bezeichnet wird 2 7 8 . Dies ist das Kontaktfeld, auf dem sich staatliche Information und individuelle Reaktion begegnen, 273 Krüger, H., Staatslehre, S. 443; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 45 ff.; Isensee, J., a.a.O. 274 Eine Einschränkung auf die Aktivbürgerschaft empfiehlt sich i n diesem Zusammenhang nicht, da alle Bürger zumindest potentiell auch Wahlberechtigte sind. So aber Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 60, der allerdings das Publizitätsgebot n u r aus der sachgerechten Ausübung des W a h l rechts herleitet. Eine weitergehende Einschränkung des Adressatenkreises, w i e es Martens, W., a.a.O., S. 48, zutreffend für den jeweiligen Sachzusammenhang fordert, wäre hier i n keinem F a l l gerechtfertigt, w e i l die demokratische Publizität ein allumfassendes P u b l i k u m erfordert. 275 Diese Elemente sieht vor allem Schneider, P., Pressefreiheit, S. 89 f., i m Begriff des öffentlichen angesiedelt. 276 Oben D I . Wie hier: Scheuner, U., Verantwortung u n d Kontrolle, S. 382 f., 393, 395. 277 Allgemeine Skepsis w i r d dem Selbstwert von Öffentlichkeit als Vehikel der Wahrheit u n d Gerechtigkeit entgegengebracht, so schon Smend, R., Begriff des öffentlichen, Abhandlungen, S. 466 f.; Weber, H., Religionsgemeinschaften, S. 67; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 51 ff.; a. A. Krüger, H., Staatslehre, S. 441 ff. 278 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 48 f. 14*

212 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

es ist die Sphäre des dialektischen Widerspiels zwischen unorganisierter Teilnahme und organisierter Dezision 279 , es ist das Areal der dauernden Konfrontation zwischen Staatsbürger und Staatsgewalt, es ist die Quelle der Kommunikationsströme von und zum Staat, es ist der integrierende Fortgang 2 8 0 von pluralistischer Vielheit zu nationaler Einheit 2 8 1 , öffentlich ist dann nichts anderes als der Bereich des Prozesses der Meinungsund Willensbildung des Volkes. bb) Die hergestellte Öffentlichkeit A l l diese „Werte" können der „Öffentlichkeit" aber nur entspringen, wenn die verfassungsmäßig angeordnete Publizität der Exekutivorgane auch das Staatsvolk als ihr „Publikum" erreicht. Öffentlichkeit beruht auf Kenntnisnahme 282. Selbst wenn die Exekutive i m Rahmen des Öffentlichkeitsgebots ihre Tätigkeit der unmittelbaren Raumöffentlichkeit eröffnet 283 , ist dies nicht mehr als eine symbolische Handlung; schon aus Gründen des beschränkten Raumes könnten nicht einmal alle interessierten Staatsbürger Kenntnis erlangen. Das Grundgesetz selbst hat einen Anhaltspunkt gegeben, wie es dieses Dilemma zu lösen gedenkt: Die Parlamentsöffentlichkeit soll durch die Presse als Multiplikator an das Staatsvolk vermittelt werden, Art. 42 I, I I I GG 2 8 1 . Noch deutlicher t r i t t die Diskrepanz bei den anderen Formen der Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots zutage, bei Einsicht und Auskunft. K e i n Staatsbürger wäre hier i n der Lage, sich in Anbetracht der Fülle von Publizitätsthemen und -orten einen nur annähernden Uberblick zu verschaffen 285 . Schließlich kann die Kenntnisnahme weder nach Form noch nach Gegenstand mit Mitteln der staatlichen Eigeninformation ermöglicht werden 2 8 6 . Die Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit staatlichen Handelns wäre

279 Diesen modernen Öffentlichkeitsbegriff als ständigen Kollektivierungsprozeß vielfacher Kräfte stellt Leisner, W., Werbefernsehen, S. 203, heraus. 280 „Der Bereich des öffentlichen ist der Bereich der Integration der Res publica", Häberle, P., Parteienfinanzierung, S. 73. 281 Oben C I V 2 b, aa. Wenn Preuß, U., öffentlich, S. 169, meint, die E r gebnisse dieser Auseinandersetzung seien Kompromisse, nicht politische Einheit, so schließt sich das nicht gegenseitig aus: auch Einheit setzt den K o m promiß voraus. 282 Kaiser, J. H., Interessen, S. 221. 283 Dazu oben D I I I 3 a. 284 Ausführlich: C 1 1 a. 285 Ganz abgesehen davon, daß i h m auch kein rechtliches M i t t e l hierfür an die H a n d gegeben ist, siehe D I V 3. Hervorzuheben ist jedoch, daß hierbei nicht auf eine Überlastung der Behörden (oben D I V 1 ) , sondern auf die Überforderung des Publikums abgestellt w i r d . 286 v g l i n diesem Zusammenhang D I I I 1 c.

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 213

also für sich gesehen ohne Sinn; sie würde ihr Publikum nicht erreichen und könnte die oben skizzierten Werte nicht entfalten. Exekutivische Publizität bedarf deshalb der Vermittelbarung. Sie w i r d erst durch „hergestellte Öffentlichkeit" 287 effektiv. Diese Funktion im Volkswillensprozeß übernehmen die Massenmedien. Sie bewirken Kollektion, Translation und Transmission der staatlichen Öffentlichkeit 2 8 8 . Das Grundgesetz hat diese Bemühungen dem nicht-staatlichen Bereich zugewiesen, wie sich daraus ergibt, daß die Medienrechte i n Art. 5 1 2 GG grundrechtlich gesichert sind. Ihre nähere verfassungsrechtliche Ausgestaltung hätte sich auch schon deshalb verboten, weil die Kommunikationsmittel nicht, — wie die politischen Parteien —, i n den staatsorganschaftlichen Bereich hinübergreifen können. Die Bedeutung der Presse und der anderen Massenmedien liegt also in der Konstituierung von Öffentlichkeit cc) Ergebnis Der Begriff der Öffentlichkeit ist ambivalent. Er kennzeichnet Gegenstand, Adressaten, Wirkungsfeld und Wertaspekt der faktischen Offenheit. I n all diesen Bezügen ist er dem Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes immanent. Seine Werthaftigkeit liegt in der „hergestellten" Öffentlichkeit des qualitativ Staatlichen. Diese Funktion w i r d i m Volkswillensprozeß neben den anderen Medien von der Presse erfüllt, die so eine ähnlich bedeutende Rolle wie die Parteien innehat. I m Hinblick auf den Wert der Publifizierung können diesem Begriff der Öffentlichkeit auch normative Wirkungen entnommen werden. d) Die öffentliche

Meinung

Bisher wurde die Vermittlungsfunktion der Presse bezüglich der staatlichen Öffentlichkeit herausgestellt. Die Presse soll aber auch „Träger und Verbreiter der öffentlichen Meinung" 2 8 9 sein. Damit stellt sich die Frage, was dieser Terminus bedeutet, und in welcher Beziehung die Presse zu ihm steht. 287 Ausdruck von Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 78 f., 91 ff. Wenn Habermas, J., Strukturwandel, S. 220, sagt: „Öffentlichkeit muß »gemacht4 werden, es ,gibt' sie nicht mehr", und hierbei K r i t i k an der damit verbundenen politischen Pression übt, dann k a n n dem n u r entgegenwirken, daß Öffentlichkeit auch von außen her erzwungen w i r d . Aus „Öffentlichkeitsarbeit" w i r d dann „zweckfreie Öffentlichkeit", vgl. oben D I U 2 a . 288 I m einzelnen unten 2 b, aa. 289 BVerfGE 10, 118 (121). Presse u n d öffentliche Meinung werden auch i n E 7, 29 (39); E12, 113 (125); E12, 205 (260); E20, 56 (97 f.); E20, 162 (175); E 25, 256 (268); E27, 71 (81), i n Verbindung gebracht.

214 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

aa) Begriff und Wesen der öffentlichen Meinung „Eine wissenschaftliche Definition der öffentlichen Meinung gilt heute nahezu als Quadratur des Kreises, weil der Gegenstand für eine einfache Definitionsformel zu komplex ist 2 9 0 ". Dennoch w i r d eine formelmäßige Erfassung versucht: „öffentliche Meinung ist die während eines gewissen Zeitraumes i n einem größeren, i n d i v i d u e l l nicht bestimmten Teil der Bevölkerung vorherrschende übereinstimmende Ansicht bzw. Einstellung zu Personen, Ereignissen oder Zuständen 2 9 1 ."

Aber hier beginnen gleich die Fragen: Ist nicht auch eine spontane, augenblickliche, kurzlebige Auffassung „öffentliche Meinung"? Müßte nicht das Mehrheitsprinzip für ihre Gewichtung ausschlaggebend sein? Und wer ermittelt, wer konstatiert „öffentliche Meinung"? Wegen dieser Schwierigkeiten w i r d festgestellt, daß ihr Begriff mit Rechtskategorien nicht voll erfaßbar sei 292 . öffentliche Meinung ist die „moderne A r t der Akklamation" 2 9 3 , sie ist der „Gerichtshof der Meinungsbildung" 2 9 4 , sie ist ein „unsichtbares Parlament" 2 9 5 , sie ist „jenes wesentlich demokratische Integrationsmedium außerhalb der Wahlen" 2 9 6 , sie ist der „Integrationsmotor eines jeden Staates" 297 , so lauten nur einige der Metaphern zu ihrer Umschreibung. Aber auch Qualitätsansprüche werden gestellt, wenn sie von der „fluktuierenden Tagesmeinung" 298 oder der „gemeinen Meinung" 2 9 9 abgehoben wird. Schließlich w i r d sie als diffuser Begriff bezeichnet 300 oder gar als reine Fiktion, weil es die öffentliche Meinung nicht gebe 301 . 290 Schneider, F., P o l i t i k u n d Kommunikation, S. 48; zur historischen E n t w i c k l u n g Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 98 ff.; Baumert, G., A r t . öffentliche Meinung, i n : Wörterbuch der Soziologie, S.750ff.; soziologische Analysen bei Habermas, J., Strukturwandel, S. 257 ff.; Luhmann, N., öffentliche Meinung, PVS 1970, S. 2 ff. 291 Löffler, M., Presserecht I, S. 159 (Rdnr. 15). 292 Lerche, P., Presse, Sp. 1603; zu einseitig aber (wegen A r t . 5 1 GG) Weber, W., Spannungen, S. 43: „Auch das Phänomen der öffentlichen Meinung k l i n g t i m Grundgesetz nicht an." 293 Schmitt, C., Verfassungslehre, S. 246; vgl. dazu Kaiser, J. H., Interessen, S. 218 ff. 294 Hämmerlein, H., V e r w a l t u n g u n d Öffentlichkeit, S. 29, 68. 295 Löffler, M., Presserecht I, S. 10 (Rdnr. 30). 296 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 264; anders Forsthoff, E., Tagespresse, S. 635, der sie ihrem Wesen nach f ü r liberal u n d nicht f ü r demokratisch hält. 297 Ridder, H., öffentliche Aufgabe, S. 11. 298 Heller, H., Staatslehre, S. 174; Forsthoff, E., Tagespresse, DÖV 1963, 635; ders.: Strukturwandlungen, S. 14, spricht von der „öffentlichen Aufregung, der die Kontinuität, der lange A t e m fehlt". 299 Hennis, W., Meinungsforschung, S. 35. 300 Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 18. 301 Schneider, F., Pressefreiheit, S. 119; Hentig, H. v., öffentliche Meinung,

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 215 I n dieser l e t z t e n A u f f a s s u n g l i e g t der A n s a t z p u n k t f ü r L o b u n d T a d e l des Begriffs der öffentlichen M e i n u n g . Z u w a r n e n ist v o r seiner W i r k u n g als A l i b i e f f e k t u n d als a n o n y m e A u t o r i t ä t 3 0 2 . Z u b e g r ü ß e n ist der f o r m e l h a f t e H i n w e i s a u f die dauernde, l e g i t i m i e r e n d e u n d k o n t r o l l i e r e n d e A n w e s e n h e i t des Staatsvolkes; sie l ä ß t die öffentliche M e i n u n g als „ d e m o k r a t i s c h e I n s t a n z " 3 0 3 erscheinen, die den Prozeß der M e i n u n g s b i l d u n g des V o l k e s w i d e r s p i e g e l t 3 0 4 , ö f f e n t l i c h e M e i n u n g b e i n h a l t e t die G e s a m t h e i t a l l e r M e i n u n g e n jedes E i n z e l n e n 3 0 5 . Es ist deshalb n i c h t a n gebracht, d a m i t q u a l i t a t i v e u n d e l i t ä r e V o r s t e l l u n g e n zu v e r k n ü p f e n 3 0 8 . E b e n s o w e n i g k a n n die D e m o s k o p i e öffentliche M e i n u n g e r m i t t e l n . Schon die N i c h t - Ö f f e n t l i c h k e i t der i n d e n U m f r a g e n e r m i t t e l t e n M e i n u n g e n steht zu i h r e m angeblichen C h a r a k t e r als „ ö f f e n t l i c h e r M e i n u n g " i n W i d e r s p r u c h 3 0 7 ; gerade öffentliche M e i n u n g m u ß z u m V o r s c h e i n k o m men. W e n n sie es t u t ( e t w a i n V e r s a m m l u n g e n oder D e m o n s t r a t i o n e n ) , d a n n ist dies i m m e r n u r e i n A u s s c h n i t t eines p l u r a l i s t i s c h e n P h ä n o m e n s 3 0 8 . Es k o m m t n i c h t auf die a l l z e i t i g e F e s t s t e l l b a r k e i t u n d die d a -

öffentliche Erregung, öffentliche Neugier, Göttingen 1969, S. 6, betont, daß „öffentliche Meinungen" ein Widerspruch i n sich seien u n d des Appellcharakters entbehrten. 802 I n diese Richtung gehen die Bemerkungen von Schneider, P., K r i t i k , S. 573 ff.; Baumert, G., Publizitätsgespräch, S. 107. 303 Begriff von Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 64; zu dieser politischen Relevanz der öffentlichen Meinung Zippelius, R., Staatslehre, § 18 I I I 2, 3 (S. 108 f.), u n d nunmehr BVerfGE27, 71 (81): „ E i n demokratischer Staat k a n n nicht ohne freie u n d möglichst gut informierte öffentliche M e i nung bestehen." 304 Wesentlich ist also die freie B i l d u n g u n d das freie Funktionieren des öffentlichen Meinungsprozesses, nicht öffentliche Meinung als Ergebnis, vgl. Lerche, P., Meinungsfreiheit, S. 204. 305 Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1439; so auch Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 127; vgl. auch Schneider, F., P o l i t i k u n d Kommunikation, S. 67. Ohne den freien u n d verantwortlichen Bürger gibt es deshalb keine lebendige öffentliche Meinung, Scheuner, U., Regierungssystem, S. 637; siehe C I I I 2 b. 308 es Hennis, W., Meinungsforschung, S. 27 u n d passim, t u t , aus einer i m Grunde berechtigten K r i t i k an der Demoskopie heraus. 307 Baumert, G., öffentliche Meinung, S. 754; kritisch auch Hennis, W., Meinungsforschung, insbes. S. 32 ff.; Kaiser, J. H., Interessen, S. 219. Leisner, W., Privatinteressen als öffentliches Interesse, S. 222, prägt w a r n e n d den Ausdruck „Demoskopietyrannis". V e r m i t t e l n d zwischen der Elitetheorie u n d der numerischen Auffassung: Schneider, F., P o l i t i k u n d Kommunikation, S. 51 ff.; ähnlich Arndt, A., Begriff u n d Wesen der öffentlichen Meinung, i n : Die öffentliche Meinung, hrsg. v. M. Löffler, München 1962, S. 1 (3), der die quantitativ-konstatierbare Meinung (demoskopisch) u n d die q u a l i t a t i v - k o n s t i t u ierte Meinung (repräsentativ, herrschend) unterscheidet. Daneben t r i t t noch die qualitativ-konstitutionelle Meinung (als technisch potenzierte, besonders einflußreiche Meinung). 308 So Morstein Marx, F., Nachrichtenfreiheit u n d Verantwortung: A m e r i kanische Blickweisen, DVB1. 1963, 689 (692); Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 128; BVerfGE 12, 113 (125).

216 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive d u r c h b e w i r k t e p e r m a n e n t e A n g l e i c h u n g v o n V o l k s w i l l e n u n d Staatsw i l l e n a n 3 0 9 , s o n d e r n a u f die kontinuierliche Präsenz u n d i h r e — w e n n auch n u r sporadisch-partielle — Impulsgebung in Richtung Staat310. D e s h a l b erscheint es w e s e n t l i c h v o r d r i n g l i c h e r , d i e u n g e h i n d e r t e Bildung e i n e r m ö g l i c h s t g u t i n f o r m i e r t e n öffentlichen M e i n u n g z u e r m ö g l i c h e n u n d z u sichern 3 1 1 . D e n n es ist z w a r G e m e i n g u t der Staatslehre, daß öffentliche M e i n u n g n i c h t o r g a n i s i e r t sei u n d auch n i c h t o r g a n i s i e r t w e r d e n s o l l e 3 1 2 , die p r a k t i s c h e n E r f a h r u n g e n v o n M e i n u n g s l e n k u n g u n d d e m Einsatz o r g a n i s i e r t e r Interessen stellen diese B e h a u p t u n g aber i n F r a g e 3 1 3 . A u s diesem G r u n d ist die A u f r e c h t e r h a l t u n g eines u m g r e i f e n d e n öffentlichen Meinungsmarktes 314 z u r M e i n u n g s b i l d u n g eine berechtigte Forderung 316. bb) Presse u n d öffentliche M e i n u n g D e r Manipulationsvorwurf, der a n G e w i c h t z u n i m m t , w e n n m a n v o n d e r „ A l l m a c h t der M a s s e n m e d i e n " spricht, t r i f f t v o r a l l e m die Presse 3 1 6 . N a c h d e n n e u e r e n Ergebnissen der K o m m u n i k a t i o n s f o r s c h u n g l ä ß t sich aber die These v o n der d i r e k t e n B e e i n f l u ß b a r k e i t des P u b l i k u m s d u r c h

309 Insofern geht die K r i t i k von Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 129, an der öffentlichen Meinung als Ausdruck eines plebiszitären Verfassungssystems fehl; vgl. dazu oben D 11 b. 310 Auch das B V e r f G hat verschiedentlich die „öffentliche Meinung" als maßgeblichen Faktor für seine Entscheidungen angesehen u n d damit Öffentlichkeit aktualisiert, z.B. E l , 14 (44, 49); E 18, 112 (117); E25, 167 (186); vgl. den diesbezüglichen Hinweis von Häberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 298 m. Fn. 229. 311 V o r allem Noltenius, J., Freiwillige Selbstkontrolle, S. 101, stellt den Prozeßcharakter der öffentlichen Meinung heraus; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 80 ff. 312 Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 18; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 99 m. w . Nachw. i n Fn. 229. 313 Kaiser, J. H., Interessen, S. 214 f. — Scheuner, U., öffentliche Aufgabe, S. 728, hält sogar dafür, daß öffentliche Meinung n u r i n organisierter F o r m bestehen kann. Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 23 ff.; Zippelius, R., Demokratie u n d Meinungslenkung, JuS 1965, 379ff.; Hesse, K , Grundzüge, § 5 1 1 1 c (S. 62). 314 Der Gefährdung des Informationsspektrums u n d der Meinungsvielfalt w o l l e n auch die Vorschläge über die Begrenzung der Marktanteile f ü r Presseunternehmen begegnen, Pressekommission, S. 44 ff. Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Presse- u n d Meinungsfreiheit jedoch nach w i e v o r gewährleistet, Zwischenbericht der Bundesregierung über die Lage von Presse u n d Rundfunk i n der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucksache VI/692 (S. 8). 815 Arndt, A., öffentliche Meinung, S. 13, 19; Zippelius, R., Meinungslenkung, S. 381 f.; ders.: Staatslehre, §1811 (S. 105ff.); Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 26, 76 f.; Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1440; v.Gamm, O.-F., Massenmedien, S. 3 f. (Rdnr. 5). 316 Dazu allgemein Zippelius, R., Meinungslenkung, S. 382 f.; vgl. auch Windsheimer, H., Information, S. 31.

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes 217

das Medium nicht halten. Vor allem der Einfluß der Primärgruppe (z. B. Familie, Arbeitskollegen oder Freundeskreis), drängt den Uniformitätsdruck der Massenmedien zurück und fängt ihn auf 317 . „Massenkommunikation ist eher ein M i t t e l der Bestärkung als der Veränderung 3 1 8 ". Aus dieser Erkenntnis heraus muß auch das Verhältnis der Presse zur öffentlichen Meinung bestimmt werden. Die Überredungskraft des Mediums ist klein, seine Informationskraft ist groß 819. Schon gar nicht ist die i n der Presse geäußerte Meinung „die öffentliche Meinung"; es ist nur „veröffentlichte Meinung" 3 2 0 . Viel wesentlicher ist ihre Aufgabe der Information 3 2 1 und der Artikulation, d. h. der Themenstellung, Sichtung und Klärung von anstehenden Fragen 322 . Was in der Zeitung steht, ist nicht öffentliche Meinung, aber es führt zu öffentlicher Meinung. Die Presse w i r k t ihrerseits auch als „orientierende K r a f t " für die Exekutivorgane 323 . Der Fluß von Informationen und Ideen läuft also zweispurig jeweils in entgegengesetzter Richtung 324 . Wie schon von jeher 3 2 5 , kann sich die zweite Gewalt über die jeweiligen Tendenzen, Stimmungen und Meinungen anhand der veröffentlichten Meinung unterrichten. Die Ubersicht über den Meinungsmarkt an die staatlichen Organe zu vermitteln, gehört deshalb auch zu den wichtigsten Aufgaben des BPA 3 2 8 . 317 Glotz, P., u n d W. Langenbucher, Manipulation—Kommunikation—Demokratie, i n : Heft B 25/69 (v. 21.6.1969) der Beilagen zur Wochenzeitung Das Parlament, S. 3 (9 ff.); Baumert, G., öffentliche Meinung, S. 753; P u b l i zistik-Wörterbuch, S. 232 f., 263 f.; Löffler, M., Presserecht I , S. 5 f. (Fn. 14 f.). 318 Klapper, J., Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Massen-Kommunikation, i n : Grundfragen der Kommunikationsforschung, hrsg. v. W. Schramm, München 1964, S. 85 (89). Die Pressekommission läßt den Grad der Meinungsbeeinflussung durch die Presse dagegen offen, S. 16, 39. 319 Sola Pool, I., Die Auswirkungen der K o m m u n i k a t i o n auf das Wählerverhalten, i n : Kommunikationsforschung, S. 155 (165); Arndt, A., Die Rolle der Massenmedien i n der Demokratie, hrsg. v. M. Löffler, München 1966, S. 1 (17). 320 Große, H., öffentliche Meinung u n d politischer Wille, S. 8; Roellecke, G., Pressefreiheit, S. 1440. W e i l die Öffentliche Meinung k a u m rechtlich organisierbar ist, läßt sich die Presse auch nicht als i h r „Organ" bezeichnen, Lerche, P., Presse, Sp. 1603. 321 Die öffentliche Meinung w i r d eine m i t der Vernunft nicht vereinbare Politik vor allem dann verfolgen, „wenn die zur B i l d u n g der öffentlichen Meinung berufenen Gruppen u n d Individuen nicht i m Besitz der vollen Kenntnis der Tatsachen sind u n d daher ein vernünftiges U r t e i l sich nicht bilden können", so Leibholz, G., Strukturprobleme, S. 219. 322 Zippelius, R., Staatslehre, § 1 8 I V 1 (S. 109 f.); BVerfGE20, 162 (175); vgl. auch Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 253 (Fn. 39). 328 BVerfGE 20, 162 (174 f.); Sänger, G., Pressestellen, S. 100; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 86. 324 Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 80. 325 Historische Hinweise etwa bei Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 40, 46; Kaps-Küffner, BPA, S. 9, 11, 35, 45. 326 Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 14, 31; Kaps-Küffner, B P A , S. 77 f. Die von der Nachrichtenabteilung des B P A erfaßten Meldungen erreichen

218 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

e) Ergebnis Die Presse besitzt i m Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes eine ebenso wichtige kreative Position wie die politischen Parteien, indem sie Öffentlichkeit konstituiert und öffentliche Meinung durch Information und Artikulation ermöglicht. 2. Die Presseerzeugnisse als Informationsquellen

Die rechtliche Beurteilung hat erbracht, daß die Presse als „Medium und Faktor der öffentlichen Meinung" 3 2 7 zu kennzeichnen ist. I n dieser Funktion stehen ihre Erzeugnisse dem Staatsbürger als „allgemein zugängliche Quellen" offen 328 . Die Presse ist das „ständige Verbindungsund Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung" 329 . Wenn demgemäß gefordert wird, alle ihre Schleusen der Informationskraft zu öffnen, weil jede Informationsbehinderung die Demokratie schwäche, indem sie die Fähigkeit zu der auf jedermann lastenden Mitverantwortlichkeit mindere 330 , dann geht dieser Appell nicht nur an die staatliche Gewalt, sondern auch an die Presse selbst. Zu fragen ist deshalb, welche Qualität die Presseerzeugnisse als Informationsfaktoren besitzen. a) Die Informationskraft

der Presse

Schon der Begriff „Zeitung" hatte ursprünglich den Sinn von „Nachricht" und „Neuigkeit" 3 3 1 . Das Nachrichtenblatt des 18. Jhd. wurde im 19. Jhd. von der kritischen Publizistik in „Moralischen Wochenschriften" und „Intelligenzblättern" abgelöst 332 . Als Anwalt und Sprecher für Volks- und Bürgerrechte trat die Zeitung dann i m Vormärz, insbesondere aber nach 1848 auf 3 3 3 . I m letzten Drittel des 19. Jhd. wurde die politische „Meinungspresse" wiederum von der grundsätzlich meinungslosen Presse des „Generalanzeigertyps" überflügelt 334 . Deren Prinzipien: täglich ein Volumen von über 1,5 M i l l . Wörtern u n d werden durch die Ausw e r t u n g von u. a. 21 Nachrichtenagenturen, 18 deutschen Tageszeitungen u n d fünf deutschen Wochenzeitungen gewonnen; Kaps-Küffner, BPA, S. 109, 114. 327 Diese Wendung gebraucht BVerfGE 12, 205 (260) expressis verbis n u r für den Rundfunk, bezieht sie aber a.a.O. sinngemäß auf die Presse; vgl. auch Pressekommission, S. 13. 328 Dazu oben C I V 3 b (Informationsfreiheit). 329 BVerfGE 20, 162 (175). 330 Arndt, A., Massenmedien, S. 19. 331

Publizistik-Wörterbuch, S. 259. Einen guten Überblick über den wechselvollen Charakter der Presse gibt Kapp, W., Staatsform und Zeitung, ZgesStW86 (1929), S. 225 ff.; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 22 ff. 333 Kapp, W., Staatsform u n d Zeitung, S. 230. 334 Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 56. 332

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes

219

Rücksichtnahme auf den Lesergeschmack, dadurch hohe Auflagen und überdurchschnittliche Anzeigeneinnahmen, sind nunmehr Allgemeingut i m Pressewesen geworden 335 . Die Sammlung und Übermittlung von Informationen als älteste und ursprünglichste Funktion der Presse 338 hat sich deutlich in den Vordergrund geschoben. I n der Nachkriegszeit ist ein Rückgang der reinen Meinungspresse zu beobachten 337 , so daß nur noch etwa 25 °/o der bundesdeutschen Tagespresse eine Parteirichtung 3 3 8 oder wenigstens eine ausgeprägte politische Zielsetzung vertreten 3 3 9 . Das durch die moderne Technik ermöglichte weltweite Nachrichtensystem hat das Informationsbedürfnis des Menschen unserer Zeit geweckt und die Bedeutung der Information außerordentlich ansteigen lassen 340 . Deshalb ist es angebracht, neben einem „Meinungsmarkt" (oben 1 d, aa) auch von einem „Nachrichtenmarkt" zu sprechen 341 . Die Massenmedien erweitern den Erfahrungsbereich des Menschen und erhöhen die Kommunikationsdichte 342 . Die Multiplikation der Rezeptionsmöglichkeiten 343 und die Sozialadressierung 344 geben den „Mass Media" ihre unverwechselbare Wesensgestalt. Unter den Funktionen der Presse w i r d deshalb auch allenthalben an erster Stelle die Informationsvermittlung genannt 345 . 335

Publizistik-Wörterbuch, S. 136. Löffler, M., Presserecht I, S. 8 (Rdnr. 25). Die Tendenz, der Nachricht absoluten Vorrang vor der Meinung einzuräumen, kommt darin zum Ausdruck, daß die großen überregionalen Zeitungen, wie „Die W e l t " und die „Süddeutsche Zeitung", ihre Kommentare nunmehr erst i m Inneren des Blattes auf S. 4 zusammenfassen; dazu auch Publizistik-Wörterbuch, S. 247. 337 Bericht der „Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen u n d F i l m " — Michel-Kommission, B T - D r u c k sache V/2120, S. 159. 338 Dagtoglou, P., Die Parteipresse, Berlin 1967, S. 25, vermerkt ein „parteipolitisches Disengagement" der Presse. „Der politisch interessierte Leser unserer Zeit b e v o r z u g t . . . einen sachlichen, vielfältigen, aber nicht zu langen Nachrichtenteil u n d ein eindeutiges u n d konsequentes, aber nicht aufdringliches U r t e i l der Zeitung", so Dagtoglou, P., a.a.O., S. 28. 339 Löffler, M., Presserecht I, S. 4 (Rdnr. 11). 340 Forsthoff, E., Pressefreiheit, S. 2 f.; ders.: Zeitungspresse, S. 51; Löffler, M., Presserecht I, S. 7 (Rdnr. 18). Über die Zunahme des Informationsangebots durch die Medien, Michel-Kommission, S.142; vgl. Pressekommission, S. 17, 22, 42. 341 Lenz, F., zitiert bei Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 192 (Fn. 95). 342 Wohland, W., Informationsfreiheit, S. 33. 343 Oppermann, T., Kulturverwaltungsrecht, S. 130, 477 f.; Maunz-DürigHerzog, A r t . 5, Rdnr. 131, 195, stellen ebenfalls den „Vervielfältigungseffekt" heraus. 344 Lerche, P., Presse, Sp. 1603. 345 Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 21, 23; B G H Z 3 1 , 308 (312); Schneider, F., Pressefreiheit, S. 125; Hesse, K., Grundzüge, § 1 2 1 5b, cc (S. 150 f.); Leisner, W., Werbefernsehen, S. 193; Löffler, M., Presserecht I, S. 8 (Rdnr. 25); Schneider, P., Pressefreiheit, S. 27; Groß, R., Presserecht, S. 40. 336

220 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

b) Die Bedeutung für den Leser aa) Kollektion, Translation, Transmission Die Informationskraft der Presse kommt den Bedürfnissen der Leser entgegen. Die Journalisten filtern und komprimieren die Quantität des Informationsangebots. Ohne diese „Kollektion" wäre es dem „LeserBürger" 3 4 8 nicht möglich, einen Überblick über den Nachrichten- bzw. Meinungsmarkt zu erhalten 3 4 7 ; im übrigen würde eine Überbeanspruchung seiner Aufnahmebereitschaft („Kanalkapazität") zu Verwirrung oder unrepräsentativer Selektivität führen 3 4 8 . Die Pressetätigen vermögen weiter, komplizierte Sachverhalte aufzuhellen und in allgemeinverständlicher Sprache wiederzugeben 349 . Sie sichern Überschaubarkeit und Verständnis durch „Translation". Schließlich werden dem Leser die Vorgänge, die er aus eigener Anschauung nicht miterleben kann, durch „Transmission" nahegebracht. Diesen Sachverhalt faßt die Pressekommission wie folgt zusammen 350 : „Der direkte K o n t a k t zum Staate als echtes demokratisches Element ist verloren gegangen. Zumeist fehlt dem Bürger auch Sachkunde und die technische Möglichkeit, die Arbeit von Exekutive und Legislative zu durchschauen. Hier liegt die wesentliche Tätigkeit der Presse, die dem Bürger die Fakten übermitteln soll, aus denen er sich sein B i l d über das politische u n d sachliche W i r k e n der von i h m gewählten Vertreter schafft. Die Aufgabe der Presse ist es u. a., i n dieser Richtung Fehler aufzudecken und K r i t i k zu üben."

bb) Der Leser als Konsument Andererseits drängt die Informationsmacht der Presse den Leser noch mehr als es die Verfassungsrealität durch ihre tatsächliche Distanz zwischen Bürger und Staatsorganen erwarten läßt, in eine Zuschauerrolle. Das B i l d von einem Podiumsgespräch, an dem der Staatsbürger als passiver Beobachter teilnimmt, macht diese Situation anschaulich 351 . Auch Leserbriefe bringen Leser und Redaktion nur i n vereinzelten Kon346 Begriff von Küchenhoff, E., Besondere Schranken der Pressefreiheit von Großverlegern, ZRP 1970, 49 (50). 347 Vgl. oben zu Fn. 285. 348 Höf stätter, P., Publizitätsgespräch, S. 78; vgl. schon oben C H I 2 b. Zu der Tatsache des Informationsüberschusses auch: Schramm, W., K o m m u n i kationsforschung i n den Vereinigten Staaten, i n : Kommunikationsforschung, S. 9 (20). 349 Dazu D I I I 2 a. „ V o n dieser W i r k u n g können wiederum leistungssteigernde Impulse i n den einzelnen Lebensbereichen ausstrahlen", Schneider, P., Pressefreiheit, S. 95. 350 Pressekommission, S. 42. 351 Zippelius, R., Staatslehre, § 1 8 I V 2 (S. 111); Krüger, H., Massenmedien, S. 7: Die Mehrheit hört, die Minderheit spricht. Vgl. auch Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 64 (Fn. 130), der von „Meinungskonsumenten" spricht.

I I I . Die Presse i m Meinungs- u n d Willensbildungsprozeß des Volkes

221

takt 3 5 2 . Die „Abstimmung" am Kiosk ist keine Wahl, sondern Ausfluß der Marktgeltung, der sich der Käufer nicht entziehen kann 3 5 3 . Dennoch wäre es unangebracht, den Leser nur als passiven Reproduzenten des Zeitungsinhalts aufzufassen 354 . Die Gewährleistung einer freien Presse muß vielmehr als eine anders nicht zu schaffende Möglichkeit gesehen werden, den Bürger mit „brauchbaren" Nachrichten zu versehen und ihm Gelegenheit zu eigenschöpferischer Verwertung zu geben. c) Gefährdung

der Informationskraft

Es ist freilich unübersehbar, daß die Wirksamkeit der Presse als Informationsfaktor auch aus ihrer eigenen Struktur heraus in Frage gestellt ist 3 5 5 . Als kommerzielle, privatwirtschaftliche Unternehmen erstreben sie Gewinnmaximierung. Durch Anpassung an die Leserbedürfnisse 356 steigt die Auflage, und mit steigender Auflage erhöhen sich Marktgewicht und Anzeigerierlös. Erst mit dem verlegerischen Erfolg ist u. U. auch eine Ausweitung des redaktionellen Angebots verknüpft. Die bedingungslose Auslieferung an die magische Auflagenziffer läßt inhaltliche Kompromisse zu, die der journalistischen Qualität abträglich sein können. Ist der Zwang zur „Popularisierung" 3 5 7 ein möglicher Grund für den Niveauverlust, so kann sich die Presse andererseits zum „Abladeplatz ministerieller Eitelkeiten" 3 5 8 herabwürdigen lassen. Dieser „Gefälligkeitsinterdependenz" 359 steht die „Kompliziertheitszensur" 3 6 0 nicht nach. Oft fehlen der Presse Fachjournalisten, die den nötigen spezialisierten Sachverstand mitbringen 3 8 1 . Überdies leidet gerade die 352

Dazu oben I I 2 c, bb r, S. So die Pressekommission, S. 39; zustimmend: Kirn, M., Pressekonzentration, S. 108. Kritisch dazu: Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 51 f. Der Vergleich von demokratischer Wahlentscheidung u n d „Abstimmungen" auf dem M a r k t ist jedenfalls unangebracht, Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 266 f. 354 Schneider, P., Pressefreiheit, S. 30. 355 v g l bereits die Vorbehalte bzgl. der Außeninformation, oben D I I I 2 b. 353

356 Kapp, W., Staatsform u n d Zeitung, S. 242, weist zutreffend darauf hin, daß die Zeitung keine „Gemeinde" mehr habe, sondern u m i h r P u b l i k u m werbe. 357 Windsheimer, H., Information, S. 28; vgl. aber (oben b) den Hinweis auf die notwendige Translation durch die Presse. 358 Eschenburg, T., i n : Presse u n d Behörden, S. 49. Die Öffentlichkeitsabhängigkeit führender Politiker läßt die Presse zum bevorzugten M i t t e l ihrer eigenen Imagebildung werden, vgl. Pressekommission, S. 42. 359 Eschenburg, T., Kritische Betrachtungen eines Zeitungslesers, i n : Institutionelle Sorgen i n der Bundesrepublik, Stuttgart 1961, S. 170 (186, 188). 360 Begriff von Eschenburg, T., mitgeteilt von Windsheimer, H., Information, S. 28. 381 Vgl. die kritischen Hinweise von Knappstein, H., i n : Presse u n d Behörden, S. 14 ff. „Unabhängigkeit k a n n n u r der Journalist beanspruchen, der die Materie beherrscht", Eschenburg, T., Institutionelle Sorgen, S. 175.

222 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

überregionale und weltweite Berichterstattung der deutschen Presse an einer gewissen Konformität, weil sie an das Informationsmonopol der großen Nachrichtenagenturen gebunden ist; so besitzt z. B. mehr als ein Drittel der i n der Bundespressekonferenz vertretenen Zeitungen keine exklusive Berichterstattung aus der Bundeshauptstadt 362 . Und dennoch können all diese Momente die publizistische Funktion der Presse nicht entscheidend beeinträchtigen. „Obwohl selbst zur Konsumware abgesunken und dementsprechend bestrebt, die Konsumentenerwartungen ihrer Leserschaft mit den Inseratenerfordernissen zu harmonisieren, leistet die Presse immer noch ein beträchtliches Maß an Ausfilterung oder kritischer Verarbeitung des ihr von staatlichen Stellen überlassenen Materials 3 8 3 ". Die Presse ist also i n der Lage, kritische Distanz zu den Behörden zu wahren und sich nicht zum Erfüllungsgehilfen einer staatlichen Informationspolitik zu degradieren; ein IR könnte diese Grenze, die keine Kluft sein soll, noch deutlicher markieren. Auf der anderen Seite ist die Presse kein Erziehungsmittel 364 . Weil die PF für alle Presseveröffentlichungen ohne Rücksicht auf deren Wert gewährt wird 3 6 5 , ist auch niveausenkendes Gewinnstreben verfassungsrechtlich geschützt. „ M i t dem Warencharakter der Nachrichten . . . werden weniger die Zeitungen kritisiert als vielmehr die Kommunikationsbedürfnisse der Leser 366 ". Die Bedeutung der Pressebetätigung für die Gemeinschaft bleibt auch trotz ihres kommerziellen Hintergrundes erhalten 387 . Die privatwirtschaftliche Struktur der Presse macht es zwar notwendig, sich marktkonform zu verhalten 3 6 8 , gewährleistet dafür aber auch Freiheitlichkeit vor staatlicher Bevormundung. Wie diese Chance genutzt wird, liegt in den Händen von Zeitungsmachern, — und Zeitungslesern 389. 362 Michel-Kommission, S. 140; vgl. auch Löffler, (Rdnr. 18); Arbeitskreis PF, S. 66 f., 73 ff. 363 Ridder, H., Öffentlichkeitsarbeit, S. 69. 364 Scheuner, U., öffentliche Aufgabe, S. 727 f. 365 BVerfGE 25, 296 (307); B G H Z 51, 236 (246 f.). 366

M., Presserecht I, S. 7

Glotz, P., u n d W. Langenbucher, Manipulation, S. 23. Vgl. Leisner, W., Werbefernsehen, S. 193; Lerche, P., Werbung, S. 83. 368 Die Forderung nach politischer Chancengleichheit k a n n allerdings den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten vorgehen, Kübler, F., u n d S. Simitis, Presse u n d Wettbewerb, S. 450 f., i n positiver Würdigung des B l i n k f ü e r Urteils des BVerfGE 25, 256 (265). 369 Beruhigend i m m e r h i n die Tatsache, daß 82 °/o der Bevölkerung an einem durchschnittlichen Werktag von politischen Informationen, die mindestens auf Landesebene erheblich sind, erreicht werden. Dieses Ergebnis w i r d von allen Medien zusammen erzielt. Die Tageszeitung muß zwar bei der Erstinformation dem Aktualitätsvorsprung von Rundfunk u n d Fernsehen T r i b u t zollen, dominiert aber als weiterinformierendes Medium. Die Nutzung verschiedener politischer Informationen verteilt sich bei Tageszeitungen wie folgt: von den Personen, die zumindest h i n und wieder eine Tageszeitung 367

I .

Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

223

3. Zusammenfassung

Die Presse eröffnet den Kommunikationsprozeß von und zum Staat, indem sie staatlich qualifizierte Öffentlichkeit vermittelt. Ihre Informationskraft gibt dem Prozeß der Meinungs- und Willensbildung stets neues Material und neuen Antrieb. Die Pressefreiheit stellt die Garantie dieses Kommunikationsvorganges dar 3 7 0 .

IV. Die kollektivrechtliche Begründung des Informationsrechts Nach Klärung des Verfassungsstandorts der Presse kann das IR nun unter kollektivrechtlichem Blickwinkel untersucht werden. Dies bedeutet nicht, daß hierbei eine Berechtigung des „Kollektivs" Presse geprüft würde, denn Träger des IR kann nicht ein Sozialgebilde (wie die Gesamtheit der Presseunternehmen), sondern nur der Journalist als Individuum sein 371 . Die Frage ist vielmehr, ob die Informationsvermittlung durch den Journalisten gleichzeitig im Interesse der Allgemeinheit erfolgt und dabei von solchem Gewicht ist, daß sie das IR rechtfertigt. Wie bereits hervorgehoben (oben II 1 c), ist es möglich, daß der Anspruch originär i n der Person des Journalisten begründet ist, oder aber für ihn aus der „institutionellen Garantie" der Presse abgeleitet wird. Die erste Variante läßt sich danach beantworten, ob der Journalist maßgeblich zu der Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse beiträgt (unten 1), die zweite Variante setzt die Erörterung von Sinn und Zweck der institutionellen Garantie voraus (2). 1. Vollzug der „öffentlichen Aufgabe" der Presse

Wer den Begriff der öffentlichen Aufgabe heranziehen und dabei Rechte und Pflichten der Presse untersuchen will, muß sich im klaren sein, welche historische Hypothek auf dieser Kennzeichnung lastet. § 1 des Schriftleitergesetzes vom 4. 10. 1933 (RGBl. I 713) bestimmt die „ M i t wirkung an der Gestaltung des geistigen Inhalts der im Reichsgebiet herausgegebenen Zeitungen und politischen Zeitschriften durch Wort, Nachricht oder Bild" zu einer „ i n ihren beruflichen Pflichten und Rechten vom Staat durch dieses Gesetz geregelte(n) öffentliche(n) Aufgabe". Die amtliche Begründung erläuterte dazu u. a.: „Das neue Recht der Presse kann nicht mehr Freiheitsgarantie sein, sondern es ist Organisazur Hand nehmen, lesen regelmäßig bis häufig 6 0 % politische Meldungen, 43 °/o Kommentare u n d Leitartikel, 37 °/o zeitkritische Beiträge u n d 84 °/o den L o k a l t e i l ; Angaben der Michel-Kommission, S. 144. 370 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 349. 371 Oben I I 2 c, bb ß.

224 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

tionsrecht" 372 . Die auf diese Weise verordnete staatliche Presselenkung bedeutete das Ende der freien Presse 373. Es kann deshalb gar nicht deutlich genug betont werden, daß die öffentliche Aufgabe der Presse trotz terminologischer Ubereinstimmung i n der Sache nicht an das verhängnisvolle Vorbild anknüpft 3 7 4 . Der tatsächliche Gebrauch des Begriffes macht es allerdings notwendig, sich mit ihm auseinanderzusetzen 375 ; Mißverständnisse können nur vermieden werden, wenn man ihn scharf konturiert 3 7 6 . Dies fällt allerdings schwer, weil der Terminus nicht auf den Bereich der Presse begrenzt ist, vor allem aber in seiner Abgrenzung zu „staatlichen Aufgaben" sehr umstritten ist 3 7 7 . Es erscheint sogar zweifelhaft, ob der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben durch gesellschaftliche Kräfte überhaupt rechtliche Relevanz innewohnt. Es ist deshalb zunächst der allgemeine Bedeutungsinhalt einer „öffentlichen Aufgabe" festzuhalten. a) Der allgemeine Begriff

der öffentlichen

Aufgabe

Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß „öffentliche Aufgabe" der engere Begriff zur „Aufgabe i m Bereich des öffentlichen" 3 7 8 und der weitere Begriff zu einer „staatlichen Aufgabe" 3 7 9 ist. M i t der Befreiung aus der etatistischen Zwangsjacke 380 kann die „öffentliche 372

Zitiert nach Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 65. Nähere Einzelheiten bei Löffler, M., Presserecht I, S. 50 ff. (Rdnr. 68); Czajka, D., a.a.O. 374 Scharf abgelehnt werden muß deshalb die Formulierung von Kemper, G. H., Pressefreiheit, S. 26: „Die öffentliche Aufgabe der Presse wurde zum ersten Male i n § 1 des Schriftleitergesetzes v o m 4.10.1933 gesetzlich festgelegt; heute ist sie allgemein anerkannt." Deutlich Distanz nehmen dagegen u.a.: Leisner, W., öffentliches A m t u n d Berufsfreiheit, AÖR93 (1968), 161 (186); Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 126. 375 Schneider, P., Pressefreiheit, S. 93; Kaiser, J. H., V V D S t R L 2 2 , S. 177 (Aussprache); Leisner, W., Werbefernsehen, S. 27. 378 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 126f.; Leisner, W., Werbefernsehen, S. 196. 377 Peters, H., öffentliche u n d staatliche Aufgaben, i n : Festschrift f ü r H. C. Nipperdey, Bd. I I , München 1965, S. 877, spricht i n diesem Zusammenhang von einer „juristischen V e r w i r r u n g von schwerwiegenden politischen Folgen". 378 Leisner, W., Werbefernsehen, S. 23, unter Hinweis auf BVerfGE 12, 205 (245); vgl. oben I I I 1 c. 379 Peters, H., öffentliche Aufgaben, S. 878—882; Klein, H., Z u m Begriff der öffentlichen Aufgabe, DÖV 1965, 757 ff.; Leisner, W., Werbefernsehen, S. 22 f.; Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 127; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 93, 98; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 118, 124; Häberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 106 m. Fn. 59. 380 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 337; oben I I I 1 c, v o r aa (Lösung des Begriffs des öffentlichen von seiner Staatsverhaftung). 373

I .

Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

225

Aufgabe" i n ihrer positiven Bedeutung für das Gemeinwohl 3 8 1 folgendermaßen umschrieben werden: „öffentliche Aufgaben sind solche, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist" 3 8 2 . Somit könnte auch die Presse als gesellschaftliches Phänomen derartige Aufgaben wahrnehmen. Die Begriffsabgrenzung ist jedoch zu vage, um rechtliche Folgerungen zeitigen zu können. Zum einen muß dem staatlichen Dezisionismus in der Bestimmung öffentlicher Aufgaben Einhalt geboten werden 3 8 3 , zum anderen ist es unzulässig, daß eine rein empirische Betrachtung unbesehen die rechtliche Anerkennung der Aufgabenwahrnehmung rechtfertigt 3 8 4 . Deshalb vermittelt „der faktische Besitz gesellschaftlicher Macht . . . noch keinen rechtlich öffentlichen Status" 385 . Die rechtserhebliche und rechtsverbindliche staatliche Entscheidung in Verfassung und Gesetz muß das notwendige Richtmaß für die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben durch Staat und Gesellschaft setzen 386 . Zu den staatlichen Aufgaben 3 8 7 gehören die „wesentlichen Staatsaufgaben", die den Einsatz von Hoheitsgewalt erfordern bzw. deren A n wendung vorbereiten oder unterstützen 388 , sowie die Aufgaben, m i t denen der Staat sich von Rechts wegen befassen darf, öffentliche Aufgaben können von der Rechtsordnung aber auch gesellschaftlichen Kräften zur Erfüllung überwiesen sein. Prinzipiell ist es also möglich, daß auch die Presse bei Vorliegen einer legislatorischen Anknüpfung 3 8 9 m i t einer öffentlichen Aufgabe betraut ist 3 9 0 . 881

S. 26.

Klein,

H., öffentliche Aufgabe, S. 759; Leisner,

W., Werbefernsehen

582 Peters, H., öffentliche Aufgaben, S. 878; Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 176 f. (m. w. Nachw. i n Fn. 94); Leisner, W., Werbefernsehen, S. 26; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 99, 117f.; Partsch, K . J., i n : Pressefreiheit u n d Persönlichkeitsrecht i n Deutschland u n d Italien, K a r l s ruhe 1968, S. 107 (112). 383 Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 175 (Fn. 85); Peters, H., öffentliche Aufgaben, S. 895; Leisner, W., öffentliches A m t , S. 187 ff.; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 98 f., 119, 131; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 92 f. 384 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 20, 102, 118, 120, 124, 134. 385 Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 125 f. 386 Klein, H., öffentliche Aufgabe, S. 758; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 120, 124; zur Verrechtlichung öffentlicher Interessen bereits oben D I I 2 a, cc. I m Bereich der Leistungsverwaltung läßt sich die staatliche Aufgabenerfüllung aber praktisch nicht reglementieren, so Leisner, W., öffentliches A m t , S. 186 f. Über den aktuellen Rechtszustand hinaus ist der potentielle Kreis staatlicher Aufgaben notwendig offen, Krüger, H., Staatslehre, S. 760 f.; Klein, H., a.a.O. 887 Z u r Klarstellung soll ausschließlich dieser Begriff die staatlichen (öffentlichen) Aufgaben kennzeichnen, vgl. Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 119; siehe auch A r t . 30 GG. 888 Leisner, W., Werbefernsehen, S. 14 ff., 19. 389 Ausdruck von Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 124. 390 Das BVerfGE 20, 162 (175), hat gerade die k r a f t Verfassung der Presse

15 Jerschke

226 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

b) Der externe Informationsanstoß

als öffentliche

Aufgabe

Wendet man diese Grundsätze auf die bisherigen Ergebnisse der A r beit an, so ergibt sich folgendes: — Die Öffentlichkeitspflicht als solche, d. h. die Öffnung des Arkanbereichs, ist der Exekutive durch die Verfassung auferlegt (oben D I ) . Es handelt sich um eine staatliche Aufgabe. — Damit ist aber noch nichts über die Erfüllung des Öffentlichkeitsgebots, genauer: über die Initiativberechtigung zur Informationserteilung ausgesagt. Dies wäre nur dann eine unumschränkt staatliche Aufgabe, wenn der Staat seine Kompetenzen selbst bestimmen könnte (oben a) 391 . — Zumindest die auf Eigeninitiative beruhende Öffentlichkeitsarbeit (Eigeninformation —, D I I I 1 a, b) ist dennoch als staatliche Aufgabe anzusehen, weil sie als notwendige Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit i n engem Zusammenhang m i t hoheitlicher Aufgabenerfüllung steht 392 . — Eigeninformation kann das Öffentlichkeitsgebot aber nicht in vollem Umfang erfüllen (D I I I 1 c). Die Exekutive besitzt also kein Initiativmonopol bezüglich der Infcrmationsabgabe 393 . Die ergänzend notwendige und zulässige Außeninformation (D I I I 2) kann demzufolge keine staatliche Aufgabe sein. — Der komplementäre Informationsanstoß von außen bleibt aber eine öffentliche Aufgabe, weil anders die Öffentlichkeitsverpflichtung der Exekutive nicht realisiert werden könnte (D I I I 4). Wegen dieses Annexcharakters ist auch die externe Informationsinitiative (Außeninformation) wie das Öffentlichkeitsgebot verfassungskräftig fundiert. — Die Informationskraft der Presse bewirkt, — ohne Rücksicht darauf, ob ein exekutivischer oder ein externer Informationsanstoß vorliegt —, die Vermittlung der staatlichen Öffentlichkeit an das Staatsvolk ( I I I 1 c, bb). Außerdem artikuliert sie öffentliche Meinung ( I I I 1 d, bb). Zu fragen ist deshalb: — Ist die Informationsvermittlung und:

der Presse eine öffentliche Aufgabe?,

zufallende „öffentliche Aufgabe" ausdrücklich als nicht-staatliche anerkannt, Häberle, P., Gemeinwohljudikatur, S. 116 m. Fn. 82. 391 Schneider, P., Pressefreiheit, S. 91, spricht i n diesem Zusammenhang von einem „Öffentlichkeitsmonopol" des Staates. 392 Den Rechtscharakter der Öffentlichkeitsarbeit entwickelt ausführlich: Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit, S. 50, 54 f., 62 f., 103. 393 Schneider, P., Pressefreiheit, S. 100, kennzeichnet diesen Umstand treffend als „Veröffentlichungsmonopol".

I .

Die

ivrechtliche Begründung des Informationsrechts

— steht der Presse aus diesem G r u n d auch die öffentliche Außeninformation zu? c) Die öffentliche

Aufgabe

Aufgabe

227 der

der Presse

aa) I n h a l t I m K e r n w i r d allseits d i e A u f g a b e der M e i n u n g s b i l d u n g herausges t e l l t 3 9 4 , w e i l die Presse e i n politisches F o r u m schafft 3 9 5 , öffentliche A n g e l e g e n h e i t e n e r ö r t e r t 3 9 6 u n d k r i t i s c h z u s a m m e n f a ß t 3 9 7 . A m w e i t e s t e n geht Löffler i m A n s c h l u ß a n d i e n u n m e h r i n a l l e n Landespressegesetzen (außer Hessen) 3 9 8 e r f o l g t e N o r m i e r u n g : „Die öffentliche Aufgabe ist ihre i m öffentlichen Interesse (im Sinne des Gemeinwohls) liegende F u n k t i o n vor allem der Information der Bürger, der Kontrolle u n d K r i t i k des Staats- u n d Wirtschaftslebens sowie der M i t w i r k u n g bei der B i l d u n g der öffentlichen Meinung 3 9 9 ." Sie w i r d a u s d r ü c k l i c h a u f die politische Presse b e s c h r ä n k t 4 0 0 oder aber als v e r a n t w o r t u n g s v o l l e „ F ü h r u n g s a u f g a b e " angesehen 4 0 1 . K l a r a u f das h i e r interessierende V e r h ä l t n i s v o n V o l k u n d E x e k u t i v e ist sie v o n Scheuner b e z o g e n 4 0 2 : „ I m Vorfeld der politischen Entscheidung, i n der Herstellung des legitimierenden Kontakts zwischen der politischen L e i t u n g und dem Volk, i n der von i h r bewirkten Permanenz öffentlicher K r i t i k u n d Kontrolle liegt die öffentliche Aufgabe der Presse i m demokratischen Staat." N a c h dieser A u f f a s s u n g w ä r e also die i n F r a g e stehende Informationsvermittlung d u r c h d i e Presse als öffentliche A u f g a b e einzustufen. Scheuner w i l l sie dennoch n u r als „soziologische B e o b a c h t u n g der p o l i t i schen F u n k t i o n der Presse" v e r s t a n d e n wissen, ohne i h r n o r m a t i v e n W e r t beizumessen 4 0 3 . 394 395

Leisner, W., Werbefernsehen, S. 104 f., 192 ff., 197 m. ausf. Nachw. Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629; Schneider, P., Pressefreiheit,

S. 95. 396 BVerfGE 12, 113 (128); B G H Z 3 1 , 308 (312); Oppermann, waltungsrecht, S. 488.

T., K u l t u r v e r -

397

BVerfGE20, 162 (174 f.); ähnlich Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S.29. Nachw. bei Löffler, M., Presserecht I I , S. 62 ff. 399 Löffler, M., Presserecht I, S. 159 (Rdnr. 14). 400 Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 257 f., 260 f., unter Umformulierung v o n A r t . 2 1 1 1 GG. 401 Krüger, H., Staatslehre, S. 448; ders.: Massenmedien, S. 98, passim. 398

402 Scheuner, U., Pressefreiheit, S.29 f.; ähnlich Stein, E., Staatsrecht, §20 I I I 1 (S. 123). 403 Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 74, 93 ( L s . I 4 b ) , 98 ( L s . I I I 2 0 ) , 170 f.; ders.: öffentliche Aufgabe, S. 726. I n seinem Schlußwort nennt sie Scheuner aber weniger zurückhaltend eine „wahre verfassungsrechtliche Aufgabe", S. 204 f. I h r rechtlicher Gehalt soll auch darin bestehen, daß sie die i n s t i t u tionelle Gewährleistung verstärkt, S. 75, S. 98 (Ls. I I I 20).

1*

228 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive bb) Rechtliche I r r e l e v a n z oder S o n d e r b i n d u n g ? A u c h v o n a n d e r e n A u t o r e n w i r d es abgelehnt, i n der öffentlichen A u f g a b e der Presse m e h r als e i n W i c h t i g k e i t s a t t r i b u t zu sehen; rechtliche K o n s e q u e n z e n k ö n n t e n i h r n i c h t e n t n o m m e n w e r d e n 4 0 4 . Sie b e r u f e n sich insbesondere d a r a u f , daß die W a h r n e h m u n g der ö f f e n t l i c h e n A u f gabe v e r s c h i e d e n t l i c h als Sonderbindung der Presse u n d d a m i t als B e s c h r ä n k u n g des Grundrechtsschutzes angesehen w u r d e . S y m p t o m a t i s c h h i e r f ü r ist die A n s i c h t v o n F r a n z Schneider: W e n n e i n B l a t t öffentliche A u f g a b e n , die u. a. e i n sozial u n d ethisch gesundes Z u s a m m e n l e b e n der B ü r g e r erzielen s o l l e n 4 0 5 , n i c h t w a h r n e h m e , v e r l i e r e es d e n Schutz der P F u n d sei e i n G e w e r b e b e t r i e b w i e j e d e r a n d e r e 4 0 6 . E i n e d e r a r t i g e „ E t h i k f ü r Z e i t u n g s j o u r n a l i s t e n " 4 0 7 ist jedoch ebenso als verfassungswidrig abzulehnen, w i e d e r V e r s u c h H e r b e r t K r ü g e r s , die Presse u n d i h r e F r e i h e i t nach i h r e r „ L e i s t u n g " i n der V e r m i t t l u n g v o n K u l t u r w e r t e n zu bemessen 4 0 8 . Das G r u n d r e c h t der Pressefreiheit ist eine u n t e i l b a r e E i n h e i t : es steht g u t e r und schlechter Presse z u 4 0 9 . E i n e

494 Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S 26 f.; ders.: V V D S t R L 22, 198 (Aussprache); Rehbinder, M., öffentliche Aufgabe, S. 126; Schnur, R., Pressefreiheit, S. 113ff., 156 (Ls.13); Ipsen, H. P., V V D S t R L 2 2 , 186ff. (Aussprache); Klein, H., öffentliche Aufgabe, S. 759; Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 13, 118, 120 f.; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 84 ff.; Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 129f. („bloßer Ehrentitel"); Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 28; Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 20 f.; Roellecke, G., Arbeitskreis PF, S. 42; Kuli, E., Pressefreiheit, S. 908 ff.; Oppermann, T., K u l t u r v e r w a l tungsrecht, S. 482, 488, 491 (zweifelnd). Widersprüchlich Groß, R., der zwar den verfassungsrechtlichen Informationsanspruch der Presse der öffentlichen Aufgabe entnimmt (oben 12 a), die öffentliche Aufgabe selbst aber nicht als verfassungskräftig verbürgt ansieht, Presserecht, S. 39. 405

Schneider, F., Pressefreiheit, S. 117. Schneider, F., a.a.O., S. 142. Nicht ganz so weitgehend Schule, A., Pressefreiheit, S. 23; ders.: V V D S t R L 22, 164 ff. (Aussprache), der n u r die (wohl drittgerichtete) „privatrechtliche" PF von der öffentlichen Aufgabe abhängig macht. Vgl. zur inhaltlichen Begrenzung des Pressebegriffs durch v. MangoldtKlein, A r t . 5, Anm. V I 3 (S. 246), oben I I 2 c, bb a. Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 257, beschwört eine Pflichtbindung der politischen Presse herauf, indem er sie nach A r t . 21 GG behandeln w i l l ; anders ders.: öffentliche A u f gabe, S. 21, wonach die aufgabenbestimmte P F auch die „unseriöse" Presse decken soll. 407 Arndt, A., N J W 1963, 193 (194), i n der Besprechung des Schneiderschen Buches; dagegen auch Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 27 ff., m i t der richtigen Bemerkung, daß es sich hier u m eine V e r w i r k u n g des Grundrechts ohne Beachtung des A r t . 18 GG handele. 408 Krüger, H., Massenmedien, S. 11, u. passim; ders.: V V D S t R L 2 2 , 160f. (Aussprache). Kritisch dazu: Dagtoglou, P., V V D S t R L 2 2 , 198 (Aussprache); Scheuner, U., öffentliche Aufgabe, S. 726. 409 Was gemeinschaftswichtig ist, entscheidet die Presse, u n d damit letztlich die Öffentlichkeit, Lerche, P., Meinungsfreiheit, S. 214. Gegen die Unterscheidung auch Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 6 (S. 192). 406

I .

Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

229

Grundrechtsbegrenzung nach Maßgabe öffentlicher Interessenwahrnehmung ist von daher ausgeschlossen. d) Begünstigungen

aus der öffentlichen

Aufgabe

Es verrät eine einseitige Betrachtungsweise, wenn der Begriff der öffentlichen Aufgabe nur zur Schrankenziehung herangezogen w i r d 4 1 0 ; ebenso kann die Erfüllung von öffentlichen Interessen auch begünstigende Rechtsregeln nach sich ziehen 411 . Als Beispiele werden aufgeführt: die Wahrnehmung berechtigter Interessen 412 , das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen 413 und der Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Staatsorganen 414 . Ein derartiges IR ist gegeben, wenn die Informationsvermittlung eine öffentliche Aufgabe der Presse darstellt, und daraus folgend der Presse auch die öffentliche Aufgabe der Außeninformation zukommt (oben b). aa) Die Informationsvermittlung als öffentliche Aufgabe der Presse — Die Presse macht die verfassungsrechtlich gebotene Publizität der vollziehenden Gewalt dadurch effizient, daß sie staatsgetragene Informationen an das Staatsvolk vermittelt. Sie stellt Öffentlichkeit her (oben I I I 1 c, bb). „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, indem sie Öffentlichkeit i m Sinne von Allgemeinzugänglichkeit schafft 418 ". Staatliche Information behält die Gemeinwohlqualität, die der m i t rechtlicher Vollmacht vorgenommenen Staatsaktivität eo ipso innewohnt ( I I I 1 c, cc). — Das Medium konstituiert durch Kollektion, Translation und Transmission einen verbrauchergerechten Informationsmarkt ( I I I 2 b, aa). Die Aufbereitung der Information und die Artikulation der öffentlichen Meinung ( I I I 1 d, bb) ermöglichen es den Staatsbürgern, i n legitimierende und kontrollierende Kommunikation m i t den ausübenden Organen der Staatsgewalt zu treten (D I). Die Presse bew i r k t „Kommunifikation" 41S . 410

I n diesem Sinne auch Schneider, P., Pressefreiheit, S. 93 f. Nachdem die öffentliche Aufgabe zu einer Sonderbindung der Presse nicht führen darf, w i r d die Bevorrechtigung die einzige Möglichkeit ihrer A n w e n d u n g bleiben; vgl. Leisner, W., Werbefernsehen, S. 197. Ebenso Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 108, allerdings n u r mittels Tätigwerden des Gesetzgebers (dazu unten f). 418 Dazu oben I I 1 b. 418 Vgl. bereits I I 2 c, aa e. 414 Diese Aufzählung bei Maunz-Dürig-H erzog, A r t . 5, Rdnr. 122. 415 Schneider, P., Pressefreiheit, S. 93; ähnlich Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 349. 416 Dieser Begriff wurde von Altmann, R., Öffentlichkeit, S. 127, i n der Be411

230 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

— Diese öffentliche Aufgabe ist zugunsten der Presse in der Verfassung rechtlich verankert (oben a). Das Grundrecht der PF schützt die Informationsvermittlung als eigenwertige Betätigung gegenüber der M F (II 2 b und c, aa 5). Die Einschaltung der publifizierenden Presse zwischen Repräsentanten und Repräsentierten w i r d von der Verfassung vorausgesetzt (Grundgedanke des Art. 42 I, I I I GG; C 1 1 a). — Staatliche Öffentlichkeit soll über allgemein zugängliche Quellen an die Bürger herangetragen werden (C I V 3 b). Die grundrechtliche Absicherung der Medienrechte zeigt, daß diese Quellen außerhalb des staatlichen Organisationszusammenhanges liegen müssen (oben I I I 1 c, bb). Die öffentliche Aufgabe der Informationsvermittlung ist deshalb in staatsfreier Ungebundenheit zu vollziehen. — Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie kommunifizierend zwischen Staatsbürger und Staatsgewalt tritt. Der Grundrechtsschutz der PF bleibt allen Presseerzeugnissen ohne Rücksicht auf die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe ungeschmälert erhalten 417 . Ob sich die einzelnen Presseorgane um die öffentliche Aufgabe der Kommunifikation bekümmern, liegt in ihrem freien Willen und kann keine nachteiligen Folgen für sie haben. bb) Die öffentliche Aufgabe der Außeninformation als Aufgabe der Presse Der Presse steht damit auch die öffentliche Aufgabe der externen Informationsinitiative zu. Dies folgt aus den nachstehenden Erwägungen: Wer stets Informationen von staatlicher Seite weitergibt, ohne selbst das Recht zum Informationsanstoß zu besitzen, gerät i n die Gefahr, vom Partner zum Diener zu werden. Die organisatorische Ausgliederung der nicht-staatlichen Informationsmittler wäre gefährdet, wenn sie nur auf das Wohlwollen der informierenden Staatsorgane angewiesen wären. Soll die Zuweisung einer öffentlichen Aufgabe an gesellschaftliche Kräfte überhaupt einen Sinn haben, dann muß dafür gesorgt sein, daß nicht gerade dadurch die Distanz zwischen gebundener Staatlichkeit und ungebundener Freiheitlichkeit auf ein unerträgliches Maß reduziert wird 4 1 8 . deutung „commune facere = jemandem etwas gemeinsam machen" eingeführt. D a r i n liegt jedoch ein zu starkes voluntatives Moment. Die Presse macht zugänglich, d . h . sie initiiert Kommunikation. I n diesem Sinn soll der Ausdruck hier verstanden werden; vgl. auch Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 78. 417 Das Grundrecht der PF u n d die Öffentliche Aufgabe der Presse brauchen sich also i n ihrem Umfang nicht zu decken; vgl. dazu Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629 m. Fn. 31. 418 Davor w a r n t auch Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 126 f. Beispielhaft für diese Gefahr ist eine Äußerung des früheren Bundespresse-

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Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

231

Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben darf nicht zur Staatsabhängigkeit führen 4 1 9 . Das IR stellt als Schutzrecht die partnerschaftliche Unabhängigkeit der Presse sicher 420 . M i t Hilfe des IR kann die Presse die publizistische Sachkunde ins Spiel bringen, deren Fehlen die Unvollkommenheit der Eigeninformation erwiesen hat (oben D I I I 1 b, cc und c). Ihre Aufspürbefugnis läßt das Informationsbedürfnis des Publikums erkennen, macht eine verschleiernde oder beschönigende Informationspolitik zunichte, deckt Fehler auf und mildert die Werbeintensität. Das IR der Presse in Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Außeninformation stellt also den angemessenen Instrumentalisierungsschutz 421 für die öffentliche Aufgabe der Kommunifikation dar. Das IR ist nicht auf bestimmte, qualitativ hervorgehobenen Presseerzeugnisse beschränkt; wer es ausübt, stellt sich in den Dienst der Informationsvermittlung und ist demzufolge Träger der öffentlichen Aufgabe der Presse. cc) Ergebnis I m Vollzug ihrer öffentlichen Aufgabe der Kommunifikation zwischen den Exekutivorganen und dem Staatsvolk steht der Presse das IR gegen Organe der vollziehenden Gewalt zu. Da die Bedeutung des Mediums aus der Grundrechtsbetätigung vieler Einzelner herrührt, ist das individuelle Grundrechtssubjekt mit dem Anspruch ausgestattet. Der Journalist als Träger der pressemäßigen Kommunikation 4 2 2 ist deshalb Anspruchsinhaber des originären Informationsrechts. e) Bedenken gegen Sonderrechte aus der öffentlichen

Aufgabe

Von einem Teil der Lehre w i r d die juristische Verbindlichkeit von öffentlichen Aufgaben von dem Vorliegen einer rechtlich auferlegten

chefs K.-G. v. Hase v o m „Staatsauftrag" der Presse (zit. bei Flach, K.-H., Presse, S. 25): „Der S t a a t . . . überträgt der Presse die Aufgabe der K r i t i k eben an diesem Staat, gibt i h r Macht u n d Möglichkeiten, Nachrichten zu beschaffen, zu vermitteln u n d sie gleichzeitig m i t der Ü b e r m i t t l u n g zu k r i t i sieren." I n gleicher Weise sollte die Bezeichnung v o m „Verfassungsauftrag" vermieden werden; unten e, cc. 419 Thiele, W., Pressefreiheit, S. 15; Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629; Leisner, W., Werbefernsehen, S. 197; Partsch, K . J., Pressefreiheit, S. 113. 420 Vgl. oben S. 222. 421 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 346, gebraucht diesen Begriff i n Hinblick auf die institutionelle Garantie, von der hier aber nicht die Rede ist. 422 Dazu oben I I 2 c, bb y-

232 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Erfüllungspflicht abhängig gemacht 423 . Wenn als „Privilegien" bezeichnete Sonderrechte aber unvermeidliche Verpflichtungen nach sich zögen 424 , dann wäre die Freiheit der Presse zwar nicht von vornherein begrenzt, aber durch eine kompensatorische Inpflichtnahme wiederum gefährdet 425 . Es ist deshalb die Berechtigung der Forderung nach einer Pflichtbindung der Presse als „Preis" für ihr Sonderrecht zu prüfen. aa) Sonderrechte als „Privilegien"? Die moderne Demokratie ist nicht Privilegienstaat (R. Thoma m). Diese Feststellung w i r d zu Recht getroffen, weil der Begriff „Privileg" einer überlebten Rechts- und Sozialordnung entstammt; er hat eigentlich nur noch dort seinen Platz, wo die Abweichung vom Normalfall „contra ius" vorgenommen wird 4 2 7 . Wenn deshalb i m Zusammenhang mit der öffentlichen Aufgabe der Presse von „Privilegien" die Rede ist, so liegt darin gleichzeitig der V o r w u r f der Widerrechtlichkeit; auch der Ruf nach einer sichernden Pflichtbindung w i r d so verständlich. Die Begrifflichkeit ist jedoch für das IR des Journalisten unangemessen, weil es eben gerade nicht eine sachwidrige Begünstigung enthält 4 2 8 . Von der Bezeichnung des Sonderrechts der Presse als „Privileg" sollte Abstand genommen werden, u m das erwähnte Mißverständnis auszuschalten. bb) Die Fehlinterpretation von „Aufgabe" I n gleicher Weise gibt der Terminus „Aufgabe" zu Fehldeutungen Anlaß. Er verleitet zu dem Gedankensprung von „Auftrag" zu „Erfüllung" oder von „Auftraggeber" zu „Beauftragten". Andererseits setzt 428 Deutlich Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67, 123, 125; vgl. oben I I a . 424 Aus dieser Überlegung heraus lehnen die öffentliche Aufgabe der Presse ab: Forsthoff, E., Tagespresse, S. 634; Schnur, R , Pressefreiheit, S. 113 ff., 156 (Ls. 13); Klein, H., öffentliche Aufgabe, S. 759 m. Fn. 44. 425 Dazu Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 65 f. 426 Thoma, R., zitiert bei Schmitt, C., Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien der Reichsverfassung, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, B e r l i n 1958, S. 140 (169). 427 Schumann, H.-G., A r t . Privileg, i n : HDSW, Bd. V I I I , Stuttgart 1964, Sp. 569 (571); vgl. schon oben I I 2 d, bb. C. Schmitt hat den Weg von der a l l gemeinen Freiheit „über die speziellen Garantien u n d Sicherungen der Freiheit" zum Privilegium kritisch vermerkt, a.a.O., S. 169—171. 428 Auch das BVerfG versteht sich zu dieser Auffassung von „ P r i v i l e g " : „Die i n gewisser Hinsicht bevorzugte Stellung der Presseangehörigen ist ihnen u m ihrer Aufgabe w i l l e n u n d n u r i m Rahmen dieser Aufgabe eingeräumt. Es handelt sich nicht u m persönliche Privilegien; Befreiungen von allgemein geltenden Rechtsnormen müssen nach A r t u n d Reichweite stets von der Sache her sich rechtfertigen lassen", E 20, 162 (176, vgl. ebd. S. 212, 213); E 25, 296 (306).

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Die

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sich der Gebrauch der Wendung „öffentliche Aufgabe" dem Verdacht aus, „durch das begriffsjuristische Kunststück der Einführung einer neuen Kategorie rechtliche Konsequenzen zu induzieren, die ohne dieses Kunststück zu ziehen nicht möglich wäre" 4 2 9 . Demgegenüber ist zu bemerken, daß es sich bei der „öffentlichen A u f gabe" der Informationsvermittlung weder um einen Auftrag des Staates noch des Gesetzgebers handelt, sondern um eine tatsächlich ausgeübte, verfassungsmäßig als lebenswichtig anerkannte 430 und m i t dem IR instrumentalisierte Tätigkeit der Presse. Ebensogut könnte man von einer Funktion der Presse sprechen 431 als einem „Beitrag, der von einer gegebenen E i n h e i t . . . zur Erhaltung des strukturellen Zusammenhalts einer Gesellschaft geleistet w i r d " 4 8 2 . Dieser Hinweis erhellt, daß die aufgezeigte Bevorrechtigung der Presse völlig unabhängig ist von der Benutzung des Begriffs „öffentliche Aufgabe" 4 3 3 . Deshalb gibt auch der isolierte Wortsinn kein Argument für eine Pflichtbindung. cc) Besteht eine Erfüllungspflicht? Ein Zwang zur Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe würde den Sinn der Grundrechtlichkeit in sein Gegenteil verkehren. Von Grundrechten kann, aber muß nicht Gebrauch gemacht werden 4 3 4 : die PF schließt das Recht zum Schweigen ein 4 3 5 . Deshalb muß die Formel vom „Verfassungsauftrag" 438 der Presse als „lebensgefährliche Sprachverwirrung" 4 3 7 zurückgewiesen werden 438 . 429

Maunz-Dürig-H erzog, A r t . 5, Rdnr. 120. So ausdrücklich Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629. 431 Vorgeschlagen v o n Mallmann, W., a.a.O., i. S. v. „Verrichtung". 432 Deutsch, K . W., Politische Kybernetik, S. 91 f., über die amerikanische „Struktur-Funktions-Analyse". Vgl. allgemein zur sozialen „ F u n k t i o n " der Grundrechte Haberle, P., Wesensgehaltgarantie, S. 8 ff. 433 V o n einem „Taschenspielertrick" (Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 13, zu dem insoweit gleichgelagerten Problem der „institutionellen Garantie") k a n n also keine Rede sein. Es ist sehr aufschlußreich, daß das BVerfGE25, 296 (306), n u r noch von der „publizistischen Aufgabe" der Presse spricht u n d damit v o n der herkömmlichen Terminologie Abstand gewinnen w i l l . 434 Herzog, R., Grundrechte u n d Gesellschaftspolitik, i n : Festschrift für E.Hirsch, Berlin 1968, S. 63 (70); vgl. oben C Fn. 316. 435 Partsch, K . J., Pressefreiheit, S. 112; Ridder, H., öffentliche Aufgabe, S. 19 („Die Preisgabe der Freiheit durch Nichtgebrauch bleibt möglich"); Kaiser, J. H., V V D S t R L 22, 177 (Aussprache) m i t dem Hinweis auf die „öffentliche Aufgabe" des Wahlrechts; Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 629, 631; a. A. Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 92: Die publizistische Öffentlichkeit sei aus Gründen demokratischen Meinungskampfes u n d demokratischer Meinungsbildung zur Berichterstattung u n d kommentierenden Stellungnahme verpflichtet. 436 Sie w i r d insbes. von M. Löffler gebraucht; vgl. Presserecht I, S. 17 (Rdnr. 56); Presserecht I I , S. 68 (Rdnr. 19). 437 Arndt, A., Massenmedien, S. 4. 438 Ablehnend auch: Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67; Forst430

234 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

Die Ablehnung der Erfüllungspflicht bedeutet aber nicht, daß die „öffentliche Aufgabe" der Presse keine Wirksamkeit entfalten kann 4 3 9 . Wenn öffentliche Aufgaben auch von Erscheinungen des nicht-staatlichen Bereichs erfüllt werden können (oben a), dann müssen die rechtlichen Konditionen außerhalb des staatlichen Organisationszusammenhangs beachtet werden. Erst dann erhält die „legislatorische Anknüpfung" der öffentlichen Aufgabe ihren vollen Sinn. Für das Grundrecht der PF bedeutet dies, daß die Grenzziehung nur über Art. 5 I I GG bzw. Art. 18 GG vorgenommen werden kann 4 4 0 . Rechte und Pflichten der Presse sind damit auf verschiedenen Stufen festgelegt 441 . Wenn der Presse doch Pflichten auferlegt werden, dann können diese stets nur allgemein für die Pressebetätigung, keinesfalls aber als kompensatorische Maßnahmen für die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe gelten. Andernfalls würde eine Kraft der freien Gesellschaft im Gefolge ihrer öffentlichen Aufgabe fernab von jeder rechtlichen Ausgestaltung in Pflicht genommen. Würde dennoch auf der rechtlichen Erfüllungspflicht bestanden, könnte die öffentliche Aufgabe in der außerstaatlichen Sphäre nicht wirksam werden. Damit wären aber auch alle Bemühungen um die Ablösung des Begriffs des „öffentlichen" von seiner Staatsverhaftung zum Scheitern verurteilt. Aus alledem folgt: Der öffentlichen Aufgabe der Presse steht keine öffentliche Rechtspflicht gegenüber 442 . dd) Die Sorgfaltspflicht der Presse Auch die sog. Sorgfaltspflicht 443 der Presse ist nicht rechtlich erzwingbar 4 4 4 . Sie w i r d zwar verschiedentlich auf verfassungsrechtlicher Ebene hoff, E., Zeitungspresse, S. 21 f. Richtigerweise spricht m a n w o h l n u r von einem „Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber"; so etwa Fikentscher,W., G. Sandberger, Arbeitskreis PF, S. 54, zum Schutz der I n s t i t u t i o n Presse. 439 Diesen Schluß zieht Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67,123. Martens, a.a.O., S. 67 (oben 1 1 a), ist i m übrigen entgegenzuhalten, daß die verfassungsrechtliche Pflicht der Behörden zur Presseinformation nicht Korrelat der öffentlichen Aufgabe der Presse ist, sondern die öffentliche A u f gabe der Informationsvermittlung m i t dem daraus folgenden, distanzschaffenden I R ein Korrelat des Öffentlichkeitsgebots der Exekutive. 440 Groß, R. Presserecht, S. 43. 441 Ridder, H., öffentliche Aufgabe, S. 23; vgl. Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 344 f. 442 Leisner, W., Werbefernsehen, S. 197. 443 Beispielhaft § 6 S. 1 BaWüPrG: „Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung m i t der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf W a h r heit, I n h a l t u n d H e r k u n f t zu prüfen". A r t . 1111BV u n d § 3 I I BayPrG fordern sogar eine wahrheitsgemäße Berichterstattung; vgl. schon A r t . 7 I I des Herrenchiemsee-Entwurfes, oben I I 2 a, aa. 444 Scheuner, U., öffentliche Aufgabe, S. 728; Löffler, M., Presserecht I I , S. 126 (Rdnr. 16).

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angesiedelt 4 4 5 , k a n n aber n u r a u f d e m S e k t o r des Ehrenschutzes i m Z i v i l - u n d Strafrecht A u s w i r k u n g e n h a b e n 4 4 8 . Das Bundesverfassungsg e r i c h t b e g r ü n d e t d i e Sorgfaltspflicht d a r ü b e r h i n a u s m i t d e r B e d e u t u n g der P F f ü r die öffentliche M e i n u n g s b i l d u n g 4 4 7 . Dies ist f ü r sich gesehen n i c h t m e h r als e i n Appell a n das V e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t s e i n der Presseangehörigen, d e n n eine Pflicht zur Wahrheit wäre m i t dem Grundrecht der P F nicht vereinbar 448. D i e z w e i f e l l o s e r s t r e b e n s w e r t e Sorgfaltspflicht der Presse ist e i n P r ü f s t e i n f ü r die F ä h i g k e i t z u r Selbstregulierung im Bereich der Freiheit. I m ü b r i g e n sorgen v i e l f ä l t i g e andere M ö g l i c h k e i t e n , w i e das Recht d e r G e g e n d a r s t e l l u n g , der B e r i c h t i g u n g s z w a n g , die z i v i l r e c h t l i c h e Schadensersatzpflicht, strafrechtliche S a n k t i o n e n , aber auch die i n s t i t u t i o n a l i s i e r t e S e l b s t k o n t r o l l e d e r Presse 4 4 9 , u n d n i c h t z u l e t z t die A u s g e w o g e n h e i t des I n f o r m a t i o n s - u n d M e i n u n g s m a r k t e s 4 5 0 f ü r eine gewisse „ A n n ä h e r u n g an die W a h r h e i t " . Sogar das I R e n t s p r i c h t d e m G r u n d g e d a n k e n d e r Sorgfaltspflicht, g i b t es doch d e m J o u r n a l i s t e n die Gelegenheit, d e n W a h r h e i t s g e h a l t v o n i h m z u r V e r f ü g u n g stehenden I n f o r m a t i o n e n d u r c h Nachfrage zu ü b e r p r ü f e n 4 5 1 . 445 Mallmann, W., öffentliche Aufgabe, S. 630 ff., m i t kritischer Würdigung der sonstigen Pressepflichten (u. a. der Vollständigkeits- u n d der Sorgfaltspflicht); Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 144 ff., bemühen sich u m eine wohlabgewogene Berücksichtigung der typisch pressemäßigen Erfordernisse (Zeitknappheit etc.): sie wollen bewußte oder leichtfertige Falschmeldungen ausscheiden. Gegen eine verfassungsmäßige Abgrenzung Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 28. 448 Hubmann, H., Persönlichkeitsrecht, S. 211 (Fn. 34) m. ausf. Nachw.; Beispiele auch bei v. Gamm, O.-F., Massenmedien, S. 48 f. (Rdnr. 66). 447 BVerfGE 12,113 (130); E 20,162 (212): „Das Korrelat der P F ist eine v e r antwortungsbewußt arbeitende Presse". Zustimmend Mallmann, W., a.a.O.; kritisch Faber, H., Innere Geistesfreiheit, S. 93 ff. 448 Formulierungen w i e „ P F ist heute, w e n n nicht nur, so doch jedenfalls auch als ein Recht auf Wahrheit zu verstehen, das jedermann zusteht", v. d. Heydte, F. A., Meinungsmonopol, S. 37, besagen deshalb rechtlich wenig! Das schließt nicht aus, eine unzulängliche Informationssituation als M i ß stand anzusehen, Heinze, C., Meinungsfreiheit u n d Demonstrationsfreiheit, S. 724. 449 Z u r Notwendigkeit der Selbstkontrolle Geiger, W., Pressefreiheit, S. 39 f.; sie stellt jedoch n u r ein Edukations-, kein Zensurinstrument dar, Ridder, H., öffentliche Aufgabe, S. 24; Löf ler, M., Zensurverbot, S. 2228. Z u r Bedeutung der Presseselbstkontrolle, speziell des Deutschen Presserats, Löf ler, M., Presserecht I, S. 148 ff.; zur „Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften" (SIZ) B V e r w G E 27,21 (24 f.); weitere Nachw. bei Oppermann, T., K u l t u r v e r w a l tungsrecht, S. 493 f. 450 „Die (relative) Wahrheit ist n u r durch das Konkurrenzverhältnis i m weiten Bereich der Presse gewährleistet", Flach, K . H. Presse, S. 37; Nachw. zum Problem der Pressekonzentration, oben Fn. 161,252 u n d 314 u n d unten 490. 451 „ F ü r jeden Journalisten, wo immer er t ä t i g ist, muß es vornehmste Pflicht sein, von i h m zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten m i t jeder n u r möglichen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen", Presserat (Resolution v. 4.12.1969), S. 30.

236 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive ee) I n p f l i c h t n a h m e des J o u r n a l i s t e n

Wenn schon die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Kommunifikation weder einer Erfüllungspflicht noch einer Kontrolle unterliegt, so könnte eine Pflichtbindung doch bei der Person des Journalisten als dem Träger des IR ansetzen. I m Zusammenhang damit steht die staatstheoretisch grundlegende Frage 452 , ob überhaupt berufliche Tätigkeiten von besonderer Bedeutung für die Gemeinschaft m i t Sonderrechten ausgestattet sein können. Die positive A n t w o r t hierauf ergibt sich aus der Erschließung des Begriffsinhalts der öffentlichen Aufgaben: läßt es die Rechtsordnung zu, daß solche auch von gesellschaftlichen Kräften wahrgenommen werden können (oben a), dann ist es folgerichtig, einzelne Berufe oder Personen mit diesen Aufgaben zu betrauen. Von einem „ständischen Vorrecht" 4 5 3 kann nicht die Rede sein, solange es sich um sachgerechte, rechtlich verdichtete Funktionsbetätigungen handelt. Zudem ist das IR nicht an den „Stand" des Journalisten gebunden. Wie nachgewiesen 454 , kann es auch von einem Amateur-Publizisten ausgeübt werden, wenn er eine Abdruckchance für seinen Beitrag besitzt. Wesentlich schwerer wiegen die Bedenken, wenn i m Gefolge der öffentlichen Aufgabe der Presse der Beruf des Journalisten als „öffentlich-rechtlich gebundener" charakterisiert wird 4 5 5 . Dieselbe Tendenz liegt in Bezeichnungen wie „Privatbeamter der Öffentlichkeit", „Diener der Allgemeinheit", „Beamter des Volkes" oder Inhaber einer „öffentlichen Magistratur" 4 5 8 . Ein einschlägiges Beispiel für die Veramtung der Presseberufe bietet das Schriftleitergesetz (oben 1, vor a) mit der Zwangsmitgliedschaft zur Reichskulturkammer und der Kontrolle über die Berufsausübung 457 . Deshalb muß deutlich unterstrichen werden, daß nur solche Aufgaben ein öffentliches Amt rechtfertigen, welche der Staat zu erfüllen berechtigt oder gar verpflichtet ist 4 5 8 . Die Informationsvermittlung 452

Sie w i r d von Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 124, angeschnitten. Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 78 (oben I I a ) ; zur Vorsicht v o r Standesrechten mahnend auch Schneider, P., Pressefreiheit, S. 61 f. 454 Oben I I 2 c, bb r455 So Mallmann, W., Journalistenrecht, S. 331; vgl. dazu Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 132 f., 343 f. 456 Nähere Einzelheiten bei Dagtoglou, P., Pressefreiheit, S. 16 f.; Windsheimer, H., Information, S. 162 f.; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 54 f.; Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 344 (Fn. 40); unkritisch: Sänger, G., Pressestellen, S. 100 f.; die heutige „dürre gesellschaftliche F u n k t i o n " gegenüber dem früheren „öffentlichen A m t " des Journalisten bedauernd, Hennis, W., Meinungsforschung, S. 44. 457 Leisner, W., öffentliches A m t , S. 171 m. Fn. 54; Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 66 f.; Forsthoff, E., Tagespresse, S. 634; ders.: Zeitungspresse, S. 32. 458 Leisner, W., öffentliches A m t , S. 183. 453

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m i t dem daraus entspringenden IR ist aber gerade keine staatliche, sondern eine öffentliche Aufgabe (oben d). Aus diesem Grund, und weil i n Art. 5 I GG die „freie Presse" garantiert ist 4 5 9 , sind die Presseangehörigen gegen eine Veramtung gesichert. Die öffentliche Aufgabe der Presse läßt keine Inpflichtnahme des Journalisten zu; entsprechende Umschreibungen sind ohne juristische Verbindlichkeit, und in ihrer Konsequenz freiheitsgefährdend 46°. ff) Ergebnis Damit sind die Bedenken ausgeräumt, die gegen Sonderrechte aus der öffentlichen Aufgabe der Presse i m allgemeinen, und gegen das IR des Journalisten i m speziellen (oben I 1 b), vorgebracht werden: — Das historische Argument läßt sich nicht halten, weil unter Geltung des Grundgesetzes die Exekutive zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebotes auf die Informationsvermittlung durch die Presse angewiesen ist (oben d); — das Verantwortungsargument läßt sich nicht halten, weil die rechtliche Zuweisung von öffentlichen Aufgaben an Kräfte des gesellschaftlichen Bereichs nicht dadurch in Frage gestellt werden darf, daß Erfüllungspflichten und Kontrollen die dort vorhandene Freiheit gefährden (oben cc, dd); — das Privilegierungsargument läßt sich nicht halten, weil das IR des Journalisten weder ein Vorrecht „contra ius" darstellt (oben aa) noch eine ständische Begünstigung beinhaltet (oben ee). Trotz allem w i r d die Ernsthaftigkeit der Einwände nicht verkannt. Der „Verfassungsauftrag zur Grundrechtsverwirklichung" 4 6 1 fordert aber, daß den Trägern der Freiheit (ohne Beeinträchtigung ihrer Freiheit!) die Mittel an die Hand gegeben werden, die ihren Beitrag zur Erhaltung und Bereicherung des Ganzen ermöglichen. Dazu gehört der Informationsanspruch des Journalisten. Zu untersuchen bleibt: Welches Gewicht kommt der gesetzgeberischen Ausgestaltung des IR zu? f) Die Weite des Normsetzungsermessens Damit ist die grundsätzliche Frage angeschnitten, wie weit sich die Aussage des Grundgesetzes ohne Einschaltung des Gesetzgebers prak459

Leisner, W., a.a.O., S. 186 m. Fn. 118. Das wäre das Ende des Journalistenberufs als „einer der letzten w i r k lich freien Berufe" (Flach, K . H., Presse, S. 51). 461 Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 438. 460

238 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

tisch realisieren läßt. Auszugehen ist davon, daß die Verfassung als allgemeine und höchste Norm notwendig pauschale Garantien enthält. Aber das Grundgesetz hat mit Art. 1 I I I GG der Programmsatztheorie eine Absage erteilt und den Grundrechten unmittelbare Verbindlichkeit verliehen 482 . Es ist deshalb verfehlt, von einer „Aktualisierung" der Verfassung durch den Gesetzgeber zu sprechen, wenn schon die Grundrechte selbst geltendes Recht darstellen 463 . Andererseits w i r d mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß Normsetzung nicht nur der Begrenzung der Grundrechte im Rahmen der Gesetzesvorbehalte, sondern auch ihrer Ausgestaltung dient 4 8 4 . Ist aber die gesetzliche Konkretisierung der Grundrechte — wie dargetan — nicht unbedingt erforderlich, kommt auch der Entscheidungsfreiheit des Richters eine entscheidende Rolle Die Schwerpunktverteilung in der Verfassungskonkretisierung zwischen Legislative und Judikative kann hier nicht weiter verfolgt werden. Entscheidend ist, daß das IR dem Journalisten i m Vollzug einer Verfassungsverpflichtung gewährt ist, welche der vollziehenden Gewalt auferlegt ist. Die Exekutive als Organbezirk der ausübenden Staatsgewalt soll sich ihrem Öffentlichkeitsgebot nicht dadurch entziehen können, daß sie sich auf eine noch ausstehende Ausgestaltung durch den Normgeber beruft. I n gleicher Weise muß das der Realisierung des Öffentlichkeitsgebots und der Freiheit des publifizierenden Journalisten dienende IR ohne Rücksicht auf ein gesetzgeberisches Eingreifen w i r k sam sein 466 . 462 Bachof, O., Verfassungsrecht I, S. 7; Maunz-Dürig-Herzog, Art. 1 III, Rdnr. 93. Wenn Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O., Rdnr. 95, aber meinen, daß Teilhaberechte ohne nähere Gesetzgebung nicht vollziehbar seien, dann kann dies n u r für die Rechte des „status positivus" gelten (vgl. dazu Schmitt Glaeser, W., Mißbrauch von Grundrechten, S. 112, Fn. 185). Das B V e r w G hat dagegen den Privatschulen wegen der Wahrnehmung öffentlicher Bildungsaufgaben sogar einen unmittelbaren Leistungsanspruch auf Subventionen aus A r t . 7 I V GG zuerkannt, E 23, 347 (350); E 27,360 (362 ff.); ausführlich dazu Kloepfer, M., Grundrechte, S. 8 ff.; kritisch Martens, W., öffentlich als Rechtsbegriff, S. 127 f. (Fn. 293). Einen Subventionierungsanspruch eines Privattheaters aus A r t . 5 I I I GG lehnt ab: O V G Lüneburg, (Urt. v. 23.10.1968), DVB1. 1969, 875. 468 a . A . Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, S. 185; derselbe Autor, a.a.O., S. 202, betont aber gleichzeitig, daß der Bürger sich auf die Grundrechte auch ohne gesetzliche Ausführungen berufen könne. 464 Luhmann, N., Grundrechte als Institution, S. 208 ff.; vor allem aber Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, insbes. S. 116, 165, 180 ff.; zu den Pressegesetzen als Konkretisierung der PF Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, A n m . B 10 (S. 197). 465 Forsthoff, E., Verfassungsauslegung, S. 33, befürchtet, daß sich der Richter mittels der wertmaterialen Auslegungsmethode zum „ H e r r n der V e r fassung" aufwerfe. 468 Auch das Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen w i r d v o m B V e r f G prinzipiell direkt i n A r t . 5 1 2 GG als verankert angesehen, vgl. oben I I 2 c, aa e.

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Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

239

Das schließt eine Interpretation des I E auf Gesetzesebene nicht aus 467 . Ein Normsetzungsermessen kann dem Gesetzgeber dabei selbstverständlich nicht abgesprochen werden, weil sich die detaillierte Regelung nicht schon aus der Verfassung ergibt. Die konkreten Anhaltspunkte i m Grundgesetz legen den Normgeber aber auf eine strenge Linie zugunsten der Publizität fest. Deshalb ist das Normsetzungsermessen des Gesetzgebers nicht als „weit" zu bezeichnen 468 . g) Zusammenfassung Journalisten können von Verfassungs wegen ein IR gegen Organe der vollziehenden Gewalt geltend machen, um die so erlangten Daten an die Leser-Bürger zu vermitteln. Obwohl ihnen dieses Recht im Interesse der Allgemeinheit übertragen ist, unterliegen sie bei seiner Ausübung keinem Zwang und keiner Uberprüfung. 2. Informationsrecht und institutionelle Garantie der Presse

Auch die institutionelle Garantie der Presse w i r d als Begründung für das IR genannt 469 . Aus diesem Grund ist deren gegenseitiges Verhältnis über die bereits erfolgte Grundlegung des IR i n der öffentlichen Aufgabe der Presse hinaus kurz zu überdenken 470 . a) Die Bedeutung der „institutionellen

Garantie"

Wesentlich für das hier untersuchte Problem ist, ob eine institutionelle Garantie überhaupt m i t subjektiven Rechten (wie dem IR) ausgestattet sein kann, und wie sich eine solche Gewährleistung zu dem eigentlichen Grundrecht verhält. aa) Die Anspruchsbewehrung Diese ist grundsätzlich zu bejahen, weil der mit der Garantie bezweckte objektive Schutz sonst nicht in die Tat umgesetzt werden

467 Dahinter steht dann nicht n u r die A u t o r i t ä t des einfachen Gesetzes, sondern die der Verfassung. Anders aber etwa bei der Ausgestaltung der Sozialstaatsklausel, vgl. oben C I I 3 a; dazu Weber, W., Sozialstaat, S. 416. 468 Aus diesem G r u n d spricht das Praktikabilitätsargument (oben I I b ) nicht entscheidend gegen das verfassungsrechtliche I R des Journalisten. 469 Deutlich Leihe, B., BPA, S. 445: „Der Auskunftsanspruch . . . ist ein w e sentlicher Bestandteil der PF als institutioneller Garantie". BVerfGE 20,162 (175 f.) macht u.a. Auskunftpflichten der öffentlichen Behörden v o n dem I n s t i t u t „Freie Presse" abhängig; w. Nachw. oben I 2 a. 470

Siehe die Ausgangsfragestellung oben I I 1 c u n d I V , v o r 1.

240 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

könnte 4 7 1 . Die Ansprüchlichkeit darf das eigentliche Grundrecht aber nicht überspielen, sondern muß streng an die Funktion der institutionellen Garantie als Bestandsschutzgewährleistung gebunden sein; deshalb sind subjektive Rechte nur insoweit der Institution unter geordnet* 72. Allgemein hat dies für die „primären Einrichtungsgarantien" 473 zu gelten, die subjektive Rechte erst zur Entstehung bringen (etwa die kommunale Selbstverwaltungsgarantie 474 , Art. 28 I I GG, oder das Berufsbeamtentum 475 , A r t . 33 V GG). Unter dem Grundgesetz w i r d aus diesem Grund mit Recht zwischen grundrechtsbezogenen und anderen institutionellen Garantien unterschieden, um nicht in bezug auf die Ansprüchlichkeit Ursache und Wirkung zu verkehren 478 . bb) Zweck: Grundrechtsverstärkung Es ist überhaupt bestritten, ob es notwendig ist, eine ganz neue Kategorie parallel zu den Grundrechten zu entwickeln, nur weil von ihnen rein tatsächlich massenhaft Gebrauch gemacht wird 4 7 7 . Die Lehre von der institutionellen Garantie hat deshalb nur Sinn, wenn sie den Schutz des Grundrechts verstärkt; sie muß mehr sein als der objektive Ertrag der Grundrechtsbetätigung 478 . Ein typischer Anwendungsfall ist die Entwicklung von Wertvorstellungen aus den Grundrechten, die zugleich ein 471 Die Frage wurde auf der Tagung der Staatsrechtslehrer aufgeworfen, Leisner, W., V V D S t R L 22,179,186 (Aussprache), und hat i m Grunde eine positive A n t w o r t gefunden, vgl. Bachof, O., a.a.O., S. 184 f., 192 f.; Scheuner, U., S. 203 f. Allgemein w i r d die Ansprüchlichkeit aus der institutionellen Garantie bejaht von: Lerche, P., Übermaß, S. 239 f.; Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, S. 83 ff.; Denninger, E., F.-W. Beye, Arbeitskreis PF, S. 26; Schneider, P., Pressefreiheit, S. 73. Letzterer (a.a.O., S. 57 f.) mißdeutet aber wohl, ebenso wie Scholler, H., Person und Öffentlichkeit, S. 271 f., die Entscheidung des BVerfG (E 10,118,121: „Diese institutionelle Sicherung der Presse . . . schließt das subjektive öffentliche Recht der i m Pressewesen tätigen Personen ein, ihre Meinung . . . zu äußern . . . " ) , wenn er i n i h r eine derivative Konzeption erblickt. Bei Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 269, verleiht die „öffentliche Meinungsfreiheit" nicht einmal mehr subjektive Rechte, sondern n u r noch Rechtsreflexe; ebenso SchwarJc, E., Allgemeine Gesetze, S. 102. 472

Mißverständlich Schmitt, C., Institutionelle Garantien, S. 149. Ausdruck von Leisner, W., Werbefernsehen, S. 201 (Fn. 325). 474 Dazu ausführlich Stern, K , B K , A r t . 28, Rdnr. 65, 174 ff. (175 m.w. Nachw.). 475 Jess,E., B K , A r t . 33, A n m . 116; Maunz-Dürig-Herzog, Art.33, Rdnr. 82; BVerfGE 8,1 (17); E 12, 81 (87); a. A. Ule, C. H., öffentlicher Dienst, S. 565 ff. 476 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1 I I I , Rdnr. 97 f. 473

477 Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 13; Herzog, R., Gesellschaftspolitik, S. 68 ff. 478 Schmitt Glaeser,W., Mißbrauch v o n Grundrechten, S. 82 f. (Fn. 55); Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 95 (Ls. I I , I I b ) ; Leisner, W., Werbefernsehen, S. 201 ; a. A. Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 92.

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Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

241

bestimmtes Leitbild vom Ordnungsgefüge der Gemeinschaft festlegen und die staatliche Gewalt binden 4 7 9 . Die terminologische Verwirrung 4 8 0 in diesem Fragenkreis erklärt sich aus der Anknüpfung an die Weimarer Lehre, der andere Problemstellungen zugrunde lagen. Bestand damals der Zweck der Institutionalisierung darin, die Grundrechte vor der Beseitigung durch den einfachen Gesetzgeber zu schützen 481 , so verhindern dies jetzt bereits das abgestufte System der Gesetzesvorbehalte und die Wesensgehaltssperre des A r t . 19 I I GG. Die Funktion der institutionellen Garantie muß heute darin gesehen werden, daß sie analog zu Art. 19 I I GG die Substanz der objektiven Verfassungsgewährleistung gegen Verengung und Verfremdung schützt 482 . Ein weiterer Unterschied zur Weimarer Situation zeigt sich i n der Ausdehnung der Schutzobjekte: Neben privaten Rechtsinstituten (Eigentum, Erbrecht) und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (Selbstverwaltung, Beamtentum) werden nun auch Erscheinungen des gesellschaftlichen Bereichs in die Garantielehre einbezogen 483 . Erst dieser Umstand macht es möglich, auch i n der „Presse" eine institutionelle Garantie zu erblicken. b) Die institutionelle

Garantie der Presse

Der eigentliche Beweggrund für die Institutionalisierung der Presse ist die Anerkennung ihrer öffentlichen Aufgabe 484. Nur ein vielfältiges, in sich freies, von wirtschaftlichen Pressionen und staatlichen Interventionen unbeeinflußtes Pressewesen kann die Wirkungen entfalten, die dem verfassungsmäßigen Leitbild der PF entsprechen 485 . Schutzobjekt ist 479 Z u r Wertlehre oben C I V 1 . Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip, S. 263,285, sieht darin eine Gefahr für die Mobilität u n d Spontaneität der Gesellschaft. Herzog, R., Gesellschaftspolitik, S. 75, stellt die Richtlinienfunktion der Grundrechte aber keineswegs i n Abrede. 480 Schmitt Glaeser, W., a.a.O. 481 Vgl. etwa Schmitt, C., Verfassungslehre, S. 170; siehe auch die Hinweise bei Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 1 I I I , Rdnr. 98; Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 22. 482 Leisner, W., Werbefernsehen, S.213; Scholler, H., Person u n d Öffentlichkeit, S. 398, bezieht A r t . 19 I I GG zu Unrecht direkt auf die Einrichtungsgarantie. 483 Herzog, R., Gesellschaftspolitik, S. 69. 484 Leisner, W., Werbefernsehen, S. 199. 485 Z u r Garantie der Pressevielfalt Leisner, W., Werbefernsehen, S. 201 ff.; zum Schutz vor wirtschaftlichem Druck BVerfGE 25,256 (268); zur institutionellen Deutung allgemein: Scheuner, U., Pressefreiheit, S. 69 ff., 97 ff. (Ls. I I I 16, 21). Positive Stellungnahmen u. a. bei: Scheuner, U., Institutionelle Garantien, S. 93,95,106 ff.; Mallmann, W., Journalistenrecht, S. 329; Dagtoglou,P., Pressefreiheit, S. 12 ff.; Löffler, M., Presserecht I, S. 76 (Rdnr. 10); Groß, R., Presserecht, S. 39 ff.; negativ: Forsthoff,E., Tagespresse, S. 633 f.; ders.: Zeitungspresse, S. 22—-27, u n d passim; Schnur, R., Pressefreiheit, S. 116 ff., 156

16 Jerschke

242 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

deshalb nicht das einzelne Presseunternehmen, weil dies eine ständische Besitzgarantie bedeutete 486 . Auch der niederrangige Normenkomplex i m Vollzug der PF kann nicht alleine der Garantie unterliegen, u m eine „Verfassung nach Gesetz" zu vermeiden 487 . Andererseits würde die Gewährleistung der bloßen Faktizität den „status quo" ungerechtfertigt zementieren 488 . Geschützt ist deshalb der Kernbereich des rechtlichsoziologischen Sachverhalts, der von der Idee einer „freien Presse" als Substrat des Grundrechts der PF getragen wird 4 8 9 . Die institutionelle Garantie ist ganz wesentlich Manipulationsvorsorge. Adressat ist der Gesetzgeber, der den Bestand der freien Presse nicht beeinträchtigen darf, aber regulierend eingreifen muß, wenn eine Gefährdungssituation eintritt 4 9 0 . Bestandsschutz besteht aber auch gegenüber der vollziehenden Gewalt, die nicht manipulierend intervenieren darf. Hier stellt sich die Frage nach der Auswirkung der institutionellen Garantie auf die Informationsbeziehungen von Presse und Behörden. c) Informationsminimum

als Manipulationsvorsorge

Die bisherigen Hinweise lassen folgende Aussagen zu: — Die institutionelle Gewährleistung setzt den Grundrechtsschutz und die Anerkennung der öffentlichen Aufgabe voraus. Sie kann das IR des Journalisten also nicht begründen, sondern nur bestätigend absichern (oben a, bb). Andernfalls würde sich die individuelle Rechts(Ls. 14); Czajka, D., öffentliche Aufgabe, S. 90—95, u n d passim; Windsheimer, H., Information, S. 101—117; Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 25—33; Schwark, E., Allgemeine Gesetze, S. 101 f.; Kull,E., Pressefreiheit, S. 908, 911. 486 Forsthoff, E., Tagespresse, S. 633, interpretiert BVerfGE 10,118 (121) i. S. einer derartigen Unternehmensgarantie u n d n i m m t ablehnend dazu Stellung. Bedenklich B G H Z 51, 236 (247 ff.), wo einem einzelnen Betrieb über § 1 U W G der Schutz der Institution Presse gegenüber einem unentgeltlichen Anzeigenblatt zugestanden w i r d ; es k o m m t n u r auf das Gesamtbild der Presseunternehmen an, nicht auf die wirtschaftliche Gefährdung eines Einzelnen; vgl. Leisner, W., Werbefernsehen, S. 205, 212. 487 So aber Lerche, P., Übermaß, S. 238 f.; Schnur, R., Pressefreiheit, S. 117 (m. Fn. 38); Häberle, P., Wesensgehaltgarantie, S. 96; dagegen Leisner, Vf., a.a.O., S. 210 f. 488 Diese Sorge äußern Lerche, P., Übermaß, S. 241 (Fn. 336); Czajka, ID., öffentliche Aufgabe, S. 92; Herzog, R., Gesellschaftspolitik, S. 70 f.; vgl. oben 1 e, cc. 489 Das BVerfG scheint sich jetzt auf den Begriff „ I n s t i t u t der freien Presse" festlegen zu wollen, E 20,162 (175); E 25, 256 (268); zuvor sprach es von „institutioneller Eigenständigkeit" — E 10,118 (121) ; E 12, 205 (260) —, „institutioneller Sicherung" — E 10,118(121) — oder von „institutioneller Freiheit" — E 12,205 (261). Der von Forsthoff, E., Zeitungspresse, S. 9,25, 27 (Fn. 30), 54 erhobene Einwand, hier handele es sich u m bloße unverbindliche „obiter dicta" überzeugt angesichts der häufigen Verwendung der Formel nicht. 490 Die institutionelle Sicht rechtfertigt das Einschreiten gegen die Pressekonzentration. Dazu zuletzt: Küchenhoff,E., Schranken der PF, S. 49 f.; Groß,

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Die

ivrechtliche Begründung des Informationsrechts

243

gewährung unzulässig zu Lasten des Grundrechts verschieben (oben a, aa). — Die Grundrechtsbetätigung des Journalisten ist eingebettet i n den Gesamtzusammenhang des Instituts „Freie Presse". Vielfalt bewirkt Sorgfalt (oben 1 e, dd). Die Aufrechterhaltung der Konkurrenzsituation i m Pressewesen sichert also auch die Qualität der Informationsvermittlung. — Der autonome Eigenbereich der Presse i n bezug auf die Berichterstattung wäre dann gefährdet, wenn die Journalisten von jeder staatlichen Information abgeschnitten würden. Ein Auskunftsverbot wäre verfassungswidrig 491. — Da die institutionelle Sicht aber nur den Kernbereich der „Freien Presse" sichert (oben b), fordert die Manipulationsvorsorge nur die Leistung eines Informationsminimums. Dem könnte ein subjektives Recht der Träger der PF entsprechen (oben a, aa). — Das allgemeine IR des Journalisten (oben 1) ist damit nicht zu vergleichen; jenes besteht bereits i m Normalfall zwecks Realisierung der Öffentlichkeitsverpflichtung der Exekutive, dieses entsteht nur i m Ausnahmefall zur Wahrung der Freiheit der Presse. d) Ergebnis Die institutionelle Garantie kann für das Informationsrecht des Journalisten keine Begründung abgeben. Die Gewährleistung der freien Presse kommt aber seiner Effektivität zugute. 3. Die Durchsetzung des Informationsrechts

A n dieser Stelle sollen die wesentlichen Fragen zur Vollziehung des IR behandelt werden. a) Die praktische

Durchführung

Das IR richtet sich gegen alle Exekutivorgane (oben B I 4 d). Darunter sind Behörden als selbständige Dienststellen des Staates oder einer R., Machtkonzentration i m Pressewesen, DVB1.1970,337 (340 ff.); Kirn,M., Pressekonzentration, S. 108 f. m. w . Nachw. Nach einer anderen L i t e r a t u r meinung soll das „demokratische Prinzip" ein Antimonopolgesetz zulassen, Maunz-Dürig-Herzog, A r t . 5, Rdnr. 185 ff.; Friesenhahn, E., Pressefreiheit, S. 34 ff.; Schwark, E. t Allgemeine Gesetze, S. 105 ff. E i n allgemeiner Überblick bei Rheinheimer, H.-P., Pressekonzentration, passim. 491 So m i t Recht Ridder, H., Meinungsfreiheit, S. 276; zum Verbot der U n terbindung von Nachrichtenquellen auch Geiger, W., Pressefreiheit, S. 15; Leisner, Vi., Werbefernsehen, S.213; Hesse, K., Grundzüge, § 1215 (S. 159); Hamann-Lenz, GG, A r t . 5, Anm. B 5 (S. 186 f.).

16*

244 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

sonstigen Person des öffentlichen Rechts zu fassen, selbst wenn sie fiskalische Tätigkeiten wahrnehmen 492 , aber auch juristische Personen des Privatrechts, wenn sie mit öffentlicher Gewalt beliehen oder zum Zweck des Einsatzes öffentlicher Mittel gegründet sind 493 . Wer innerhalb der anspruchsverpflichteten Organe das IR erfüllt, ist eine Frage ihrer internen Organisation 494 . § 63 BBG bestimmt: „Auskünfte an die Presse erteilt der Vorstand der Behörde oder der von ihm bestimmte Beamte" 4 9 5 . Die Formulierung berücksichtigt allerdings nicht, daß die Verwaltungsinformation auch durch Zutritt und Einsicht vollzogen werden kann (oben D I I I 3). Die Konzentration der Informationsverantwortlichkeit 4 9 6 ist sinnvoll, weil sie dem Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz Genüge leistet (oben D I I 2 b). Sie darf aber nicht wegen anderweitiger Belastungen des Behördenleiters dazu führen, daß dieser nicht stets zur Informationserteilung zur Verfügung steht. Zumindest auf der Mittel- und Oberstufe der Verwaltungshierarchie ist deshalb von der Möglichkeit der Delegation Gebrauch zu machen und ein eigener Informationsverantwortlicher, etwa als Vorstand einer Pressestelle, zu bestimmen. Dieser hat während der Dienststunden jederzeit abrufbereit zu sein. Wenn Zweifel über die Erteilung der Information bestehen, muß der Journalist unmittelbar Gelegenheit bekommen, auf Kosten der Verwaltung mit dem übergeordneten Informationsverantwortlichen telefonisch Kontakt aufzunehmen und dessen Entscheidung herbeizuführen. Die Entscheidung über das IR hat sich in Form und Schnelligkeit dem Aktualitätsbedürfnis der Presse anzupassen.

492 Z u m Behördenbegriff Forsthoff, E., Verwaltungsrecht S. 411 ff. (414 f.); Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I , § 7 6 1 (S. 77 ff.); Löffler, M., Presserecht I I , S. 86 (Rdnr. 31). 493 Das Ausweichen der öffentlichen Hand i n privatrechtliche Organisationsformen darf das I R nicht beeinträchtigen, sonst entsteht ein neues Fiskalprivileg; vgl. Groß, R., Presserecht, S. 100; Löffler, M., Presserecht I I , S. 87 (Rdnr. 34); unrichtig daher Rebmann-Ott-Storz, Das baden-württembergische Gesetz über die Presse, S. 65 (Rdnr. 9). 494 F ü r den staatlichen Organisationszusammenhang ist dies eine beamtenrechtliche, keine presserechtliche Frage, so m i t Recht Windsheimer, H., I n formation, S. 173. 495 Dazu näher Fischbach, O.G., B B G I, §63 (S. 479 f.); Plog-Wiedow-Beck, BBG, §63. Das B R R G kennt keine entsprechende Regelung. Sie ist aber dennoch z. B. i n A r t . 72 B a y B G enthalten. 496 Schief ist die Wendung von Rudolf, W., Presse u n d Rundfunk, S. 611, wonach die Tätigkeit von amtlichen Pressestellen u n d Informationsdiensten sich nicht auf das Auskunftsrecht der Presse gründe, sondern der Öffentlichkeitsarbeit der betreffenden Körperschaften und Behörden diene. Nachdem die Exekutivorgane einem I R ausgesetzt sind, gehören Pressestellen auch zur zweckentsprechenden E r f ü l l u n g der Auskunftsverpflichtung gegenüber der Presse.

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Die

i v r e c h t l i h e Begründung des Informationsrechts

245

Die Exekutivorgane haben auch die informatorische Gleichbehandlung der Presse zu beachten 497 . Ihre Eigeninformation muß allen interessierten Journalisten in gleicher Weise zugänglich sein; das IR ist jedem Journalisten gegenüber ohne Rücksicht auf dessen sachliche oder persönliche Qualifikation gleichmäßig zu erfüllen 4 9 8 . A u f der anderen Seite dürfen die Behörden auf die Nachfrage eines einzelnen Publizisten nicht ohne weiteres m i t breitgestreuter Eigeninformation antworten: Dem Journalisten ist ein angemessener Aktualitätsvorsprung zu belassen. b) Sanktionen Das IR ist ein Anspruch öffentlich-rechtlicher Art, der zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gehört 499 . Ein Urteil eines langen Verwaltungsstreitverfahrens durch alle Instanzen ist für die aktuelle Presse nutzlos: über eine präjudizielle Wirkung hinaus ist der Rechtsschutz insoweit ohne Wert 5 0 0 . Die einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO könnte hier die gebotene Beschleunigung bringen. Die Gangbarkeit dieses Wegs w i r d aber bezweifelt, weil ein vorläufiges Verfahren schon das Ergebnis des Hauptprozesses vorwegnehmen würde 5 0 1 . Ohne Einschränkung kann diese Auffassung allerdings nicht gelten; auch die einstweilige Anordnung vermag eine „endgültige" Entscheidung zu bringen, falls anders der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz (etwa durch Zeitablauf) keine Wirksamkeit entfalten könnte 5 0 2 . Wegen ihrer Zeitbedingtheit ist deshalb auch die Informationserteilung im Verfahren nach § 123 VwGO erzwingbar. Zur Klärung wäre die Einführung eines Schnellverfahrens durch den Gesetzgeber angebracht, etwa nach Vorbild der Durchsetzung des Anspruchs auf Gegendarstellung 503 . Dem IR können aber auch Gegenvorstellungen, Aufsichtsbeschwerden oder Schadensersatzansprüche 504 , sowie die öffentliche Schilderung des Sachverhalts zur Durchsetzung verhelfen. Auf diese Weise w i r d letzten Endes doch eine Disziplinierung der Informationserteilung erreicht. 497

Dazu ausführlich Löffler, M., Presserecht I I , S. 94 ff. Eine Beschränkung des I R auf die „seriöse Presse" ist unzulässig, oben 1 c, bb« 499 Löffler, M., Presserecht I I , S. 96 (Rdnr. 66). 500 Dieser Gesichtspunkt bewegt Willms, G., Der Informationsanspruch der Presse u n d die Gerichtsbarkeit, S. 512, dazu, die Berechtigung des I R überhaupt i n Frage zu stellen; hiergegen Groß, R., Presserecht, S. 92,101. 501 E t w a Löffler, M., Presserecht I I , S. 97, Rdnr. 68. 502 Vgl. Maunz-Mang-Mayer-Obermayer, S. 273; Wolff, H. J., Verwaltungsrecht I I I , § 174 I I I c 2 (S. 422). 503 Kohlhaas hat ein beschleunigtes Verfahren vor dem jeweiligen V e r w a l tungsgerichtshof vorgeschlagen, Bericht von Löffler, M., N J W 1964, 2292; zum Gegendarstellungsanspruch Löffler, M., Presserecht I I , S. 246 f. 504 Dazu Groß, R., Presserecht, S. 101 f.; Löffler, M., Presserecht I I , S. 97 (Rdnr. 69). 498

246 E. Das Informationsrecht des Journalisten gegen Organe der Exekutive

V. Zusammenfassung Die positiven Stellungnahmen zum IR des Journalisten lassen sich bestätigen (oben I 2 a). Da eine individualrechtliche Begründung nicht haltbar ist (II), muß der kollektivrechtlichen Variante der Vorzug gegeben werden. Aus ihrer Bedeutung i m Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes (III) folgt die öffentliche Aufgabe der Presse. Der Journalist kann i n ihrem Vollzug ein verfassungskräftiges Informationsrecht gegen Organe der Exekutive ausüben (IV).

F. Schlußbemerkung Nach dem Ergebnis dieser Arbeit hat die Exekutive als „informierte Gewalt" auch „informierende Gewalt" zu sein. Ihre Publizitätsbilanz (oben B) darf nicht negativ bleiben, denn das allgemeine Öffentlichkeitsgebot der Verfassung an die ausübende Staatsgewalt (oben C) besitzt für die Exekutive besondere Intensität (oben D). Die Verwaltungskompetenz birgt die Pflicht zur sachnächsten Information. I n gestufter Eindringlichkeit werden so staatliches Dasein begründet und erhalten, und die Entscheidungen der 2. Gewalt erleichtert, gemäßigt und kontrolliert. Publizität schafft legitimierende Nähe und zugleich kalkulierbare Distanz zwischen Staatsbürgern und Staatsorganen. So wie Öffentlichkeit das Staatsgefüge belebt, so kann sie es aber gefährden, und wie sie dem Individuum nützt, so kann sie ihm schaden. Die notwendige Grenzziehung darf das Öffentlichkeitsgebot nicht i n Frage stellen; der Informationsanstoß von außen bewahrt vor der Verkehrung der Regel zur Ausnahme. Da die Idylle der Landgemeinde der Unübersehbarkeit des Großraums gewichen ist, muß exekutivische Publizität vermittelt werden. Diese Aufgabe übernimmt die Presse (oben E). Das verfassungsrechtliche Informationsrecht des Journalisten verwirklicht stets wiederkehrend die Öffentlichkeitspflicht der Exekutive.

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Zweiter Bericht der Bundesregierung über die A n w e n d u n g der elektronischen Datenverarbeitung i n der Bundesverwaltung, BT-Drucksache VI/648 Zwischenbericht der Bundesregierung über die Lage von Presse u n d Rundfunk i n der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucksache VI/692

Sachregister Abgeordnete 33, 581, 65 f., 68, 70 ff., 131 f. Abstimmungen 65, 69 Fn. 97, 221 Aktenöffentlichkeit 80, 144 f., 160, 163 f., 212, 244 Amtsgeheimnis 137 ff. Anzeige 152, 154, 186 f., 219, 221 A r t . 10 82 Fn. 193 A r t . 17 a 116 Fn. 422, 198 Fn. 201 Ausfertigung 39, 43 A u s k u n f t 145, 160 f., 165, 212, 244 Ausschüsse 36 ff., 55, 58 ff., 68 Außeninformation 151, 158 ff., 226 f., 229, 231 Auswärtige Gewalt 26, 28, 32, 50 f., 51 Fn. 215 f., 137, 144 Beamter 29, 33, 36 f., 84, 139 ff., 236, 240 f., 244 Berichterstattung 57, 180 ff., 185 f., 200 Bestimmtheitsgrundsatz 42, 47, 79 f. Betreuungspflicht 84 f. Buchpresse 191 ff. Bürger 86 ff., 90 f., 95, 98, 111, 116, 120 ff., 161 ff., 195, 201 ff., 211 Fn. 274, 220 f., 247 Bundesgesetzblatt 40, 43, 47, 78 f. Bundespresseamt 51, 151 ff., 217 Fn. 326 Bundesrat 32, 59, 60 Bundesrechnungshof 48, 129 Bundesregierung 32 ff., 39 f., 59 Bundestag 32, 55 ff., 69, 73 f. Datenverarbeitung 34, 109 Fn. 366, 147 Fn. 191, 162 Delegation 69, 71 ff., 75, 121, 244 Demokratie 64 ff., 75, 95 ff., 112 f., 162, 202, 207 f. Demonstration 75,111 Fn. 381,112, 215 Demoskopie 215 Effizienz 135, 141 ff., 161 f., 244 Eigeninformation 150 ff., 212, 226 Ermessen 30 f., 79, 82, 129, 164 Exekutive 23 ff., 33 ff., 40 ff., 46 ff., 71 ff., 80, 82, 89 f., 117 ff., 132 f., 227, 243 ff., 247

Exekutivorgane 30 f., 72, 139, 162, 168, 211, 243 f., 246 Experten 34, 37 f., 133 Fernsehen 56 Fn. 6, 152, 186 Fn. 113, 189 Fn. 131, 202, 222 Fn. 369 Fiskalverwaltung 49 f. Freiheit 92, 99, 177, 235 Gegendarstellung 196 Fn. 185, 235, 245 Gerichtsöffentlichkeit 76 f. Gesellschaft 97 Fn. 300, 125, 205 f. Gesetz 26, 32 ff., 38 f., 43 ff., 78 f., 123 Gewaltenteilung 23 ff., 41, 52, 55, 65 Gewaltverhältnis, besonderes 49, 129 f , 198 Fn. 201 Grenzen des Öffentlichkeitsgebots 75, 103, 135 ff., 150 Grundrechte 90, 92 ff., 121 ff., 233, 238, 240 f. Haushaltsrecht 32, 47 f., 73, 81, 131, 152 Hearing 36 Fn. 112, 59 f., 145, 160 Hergestellte Öffentlichkeit 212 f., 229 I m Namen des Volkes 77, 117 Fn. 1 Information 102, 108 Fn. 364, 121, 124 f., 183, 185 Fn. 105, 217, 219, 247 Informationsbeschaffung 188 f., 194, 200 Informationsempfang 101 ff., 104 ff. Informationsfreiheit 101 Fn. 329, 104 ff., 110 f., 166, 168, 189 Informationsgewalt 21, 34, 54, 133, 247 Informationskraft der Presse 217 ff., 226 Informationsquellen 102, 105 ff., 110 f., 166, 189, 200, 218 ff., 230 Informationsrecht — Zielbereich 29 ff., 40, 43, 46, 48, 50, 54, 71 — allgemeines 103 f., 117, 161 ff., 179 — der Presse 21, 55, 58, 60, 117, 167 ff., 172 ff., 179, 197, 200 f., 229 ff., 235, 237, 242 f., 247 Institutionelle Garantie 174, 179, 188 Fn. 126, 193 Fn. 164, 198, 223, 239 ff., 242 Fn. 489 Integration 28 f., 72, 96 ff., 114, 214 Interpellationsrecht 37, 59, 73, 131 ff.

Sachregister Journalisten 21, 55, 57 f., 117, 152, 168 ff., 172, 174, 178 f., 190 ff., 194, 197, 200, 221 f., 228, 231, 235 Fn. 451, 236 f. 244 f. Judikative 23, 25 f., 76 f., 129 f. Kirchen 204 f. Kommuniflkation 229 f., 231 K o m m u n i k a t i o n 75, 86, 88, 98 Fn. 313, 115 f., 121, 134, 212, 216 f., 223, 229 ff. Kommunikationsgrundrechte 98 f., 113, 115 f., 116 Fn. 422, 203 Kontrolle 57, 60, 67, 69, 73 f., 76, 127 ff., 134, 157, 202, 211, 215, 227, 229, 247 Kooperation Regierung — Mehrheitsfraktion 33 Fn. 75, 73, 133 f. Legislative 23, 25 ff., 41, 46, 74, 130 ff. Legitimation 25, 53, 66 f., 74, 76, 96 f., 118 ff., 134, 203, 206 f., 215, 229, 247 Leistungsverwaltung 46 ff., 81 ff., 85, 225 Fn. 386 Leserbrief 195 Fn. 177, 196 Fn. 187, 220 Manipulation 216 f., 242 f. Meinung 98, 102, 104, 113, 180 ff., 199 Meinungsäußerungsfreiheit 93 ff., 98 ff., 106, l l l f . , 166, 175 ff., 180, 184 ff., 195 ff., 201 Meinungsmarkt 187 Fn. 121, 216, 219 f., 235 Menschenwürde 87 ff., 146 f., 165 Ministerialsystem 30, 34 Mißtrauensvotum 73, 130 Mitwirkungsrecht 98 ff., 112, 114 Nachricht s. Information Nachrichtenagentur 183, 192, 222 Normklarheit 42, 79 f., 82, 84 Normsetzungsermessen 172, 237 ff. öffentliche Aufgabe 172, 174, 178, 223 ff., 227 ff., 232 f., 237, 241 öffentliche Interessen 139 ff., 148, 178 f. öffentliche Meinung 201 ff., 206, 213 ff. 217 226 Öffentlichkeit 21, 64 Fn. 59, 204, 206 f., 209 ff., 213, 229, 247 Öffentlichkeitsarbeit 51, 54, 151 ff., 156, 213 Fn. 287, 226 Fn. 392 Öffentlichkeitsgebot 21, 55, 60, 63 f., 75, 77, 82 f., 85 f., 91, 93, 100 f., 103, 106, 110 f., 115 ff., 122, 127, 135, 141, 150 ff., 157, 166 f., 210 Fn. 272, 212, 226 237 f. 247 Opposition 68, 71, 118, 132 f., 155

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Organisationsgewalt 26, 48 f. Parlament 30, 39 f., 65 ff., 130 ff., 202 Parlamentsöffentlichkeit 54 ff., 65 ff., 70 f., 131, 212 Parteien 61 ff., 67 f., 96, 118 ff., 197, 202, 206 ff., 213, 219 Parteienöffentlichkeit 61 ff. Parteienstaat 67 f., 119 Parteipflege 120, 155 f. Persönlichkeitsrecht 146 f., 148 Fn. 198, 149 Petitionsrecht 113 f., 164 f., 201 Pflichtbindung 228, 231 ff., 237 Planung 125 ff., 143 f., 160 Plebiszit 68, 74, 119 f., 216 Fn. 309 Politische Willensbildung 201 ff., 204, 207, 213 Politischen, Begriff des 29, 100 Fn. 324 Presse 56 ff., 94, 107,108 Fn. 365,110 f., 152, 180, 191 ff., 201 ff., 207 ff., 213, 216 ff., 221 ff., 227 ff., 241 f. Pressefreiheit 93, 106, 109 f., 168, 175 ff., 179 ff., 185 ff., 197 ff., 223 Pressekonzentration 193 Fn. 161, 208 Fn. 252, 216 Fn. 314, 235 Fn. 450, 242 Fn. 490, 243 Pressequalität 192 f., 228 Pressestellen 153, 244 Privatinteressen 145 ff., 149 Fn. 200, 159 178 f Privileg 172, 178, 199, 232, 237 Propaganda 155 f., 159, 181 Prüfungsgewalt 27, 52 Publiflzierung 58, 181 f., 185, 190, 200 ff., 212 f., 219, 227, 230, 247 Publikationsprinzip 39 f., 45, 46 Fn. 184 f., 47, 53, 78 f., 82, 122 f. Publizitätsverhalten der Exekutive 23, 40, 43, 45 ff., 50, 52, 54, 151 ff., 157, 247 Raumöffentlichkeit 55 f., 103, 145, 159 f., 212, 244 Rechtliches Gehör 80, 89, 164 Rechtsschutz 45, 80 ff., 89, 129, 164 ff., 245 f. Rechtsstaat 44, 64, 77 ff., 82 f., 92, 122 ff., 130 Rechtsverordnungen 30, 40 ff., 43 Fn. 161, 79, 122 Redaktionsgeheimnis 135 Fn. 126, 189 f. 194 Regierung 27 ff., 31 ff., 71 ff., 117 ff., 121 f., 134, 202 Repräsentation 65 ff., 70, 103, 117 ff., 121 203 Rundfunk 5 6 F n . 5 f . , 107, 110 f., 152, 158 Fn. 254, 180 f., 186 Fn. 113, 188 Fn. 131, 202, 222 Fn. 369

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Sachregister

Selbstkontrolle — der Presse 235 — der V e r w a l t u n g 128 f. Selbstverwaltung 31 Fn. 60, 52 ff., 127, 240 f. Sorgfaltspflicht der Presse 234 f. Sozialstaat 64, 83 ff., 88, 92, 97, 122 Staatliche Aufgaben 223 f. Staatsgeheimnis 135 ff., 160 Staatspflege 154 ff. Status — activus 96, 100 f., 104, 114, 211 — negativus 93 ff., 100, 175, 189, 199 — politicus 100 Fn. 324 — positivus 96, 100, 114, 238 Fn. 462 — publicus 99 ff., 103 f., 110, 114, 175, 199 f. Steuergeheimnis 147 Fn. 193, 148 Fn. 194 f. Subsidiaritätsprinzip 154 Fn. 233 Übermaßverbot 123, 147 Fn. 192 Unterhaltung 112 Fn. 389, 187 Untersuchungsausschuß 52 f., 59 f., 73, 132 Verantwortung 73, 89, 102 f., 112, 116, 141, 172, 206 ff., 235, 237 Verbände 26, 35 f., 42, 96, 125, 149 f., 202, 205 f. Vereinigungsfreiheit 111 ff., 201 Verfassungsauftrag 233, 237

Verkündung 39, 43, 45 Verleger 188, 193 f. Versammlungsfreiheit 111 ff., 189 Fn. 133, 201, 215 Verteidigungsausschuß 51 f., 59 f. Verteidigungsgewalt 26, 28, 51 f., 136, 138, 144, 153 Vertrauen 69 ff., 118, 124 f., 211 V e r w a l t u n g 25 Fn. 18, 29 f., 31, 41, 43 ff., 121 ff., 127, 134, 141 ff., 247 Verwaltungsvorschriften 44 ff., 47, 49, 122 V e r w i r k u n g 198, 218 Fn. 407, 234 Videokassetten 189 Fn. 131 Vorbehalt des Gesetzes 44, 46 ff., 50 f., 53 f., 74, 82, 85, 123 Wahlen 65, 67 ff., 72, 74 f., 96, 100, 104, 117 ff., 134, 155, 189 Fn. 136, 202 Wahlkampf 63Fn.53, 118 f., 155 f. Wahrnehmung berechtigter I n t e r essen 178 f., 229 Werbung 183 f., 186 f. Wertordnung 92 f., 136, 240 f. Widerstandsrecht 115 Zeitungspresse 158 Fn. 254, 183, 191 ff., 192 Fn. 148, 218 ff., 222 Fn. 369 223 Zensur 196 Fn. 186, 221, 235 Fn. 449 Zeugnisverweigerungsrecht 135 Fn. 126, 189 f., 229, 238 Fn. 466 Zugangsrecht zur Presse 195 ff.