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German Pages 299 Year 1991
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 597
Fernmeldewesen und Telematik in ihrer rechtlichen Wechselwirkung
Von
Bernd Köbele
Duncker & Humblot · Berlin
BERND KÖBELE
Fernmeldewesen und Telematik in ihrer rechtlichen Wechselwirkung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 597
Fernmeldewesen und Telematik in ihrer rechtlichen Wechselwirkung
Von
Bernd Köbele
JVincit) —^ /VeritasL J dSP'
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Köbele, Bernd: Fernmeldewesen und Telematik in ihrer rechtlichen Wechselwirkung / von Bernd Köbele. - Berlin : Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 597) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07254-5 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07254-5
Vorwort D i e A r b e i t wurde i m Sommersemester 1990 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu K ö l n als Dissertation angenommen. D i e A r b e i t befindet sich daher auf dem Stand v o m 31. März 1990. D i e erst danach vollzogene Einigung Deutschlands stellt i n tatsächlicher Hinsicht (auch) i m Bereich des Fernmeldewesens große Anforderungen. Jedoch enthält der E i n i gungsvertrag i m Bereich des Post- u n d Fernmeldewesens nur einige wenige Regelungen, so daß die wiedererlangte Einheit Deutschlands i m Rahmen dieser A r b e i t nicht zu berücksichtigen werden brauchte. Für die A n r e g u n g des Themas sowie für die gewährten Freiräume während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für öffentliches Recht u n d Verwaltungslehre der Universität zu K ö l n bin ich H e r r n Prof. D r . D r . h . c . Klaus Stern zu D a n k verpflichtet. Gleiches gilt für das Bundesministerium des Innern, welches das Erscheinen der A r b e i t auf w o h l t u e n d unbürokratische Weise durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß gefördert hat. Für engagierte Diskussionen b i n ich allen M i t a r b e i t e r n u n d Kollegen des Instituts für öffentliches Recht u n d Verwaltungslehre verbunden. Namentlich erwähnen möchte ich an dieser Stelle die H e r r e n Dres. Thomas M a y e n u n d Reiner Klaas. K ö l n , i m M a i 1991
B e r n d Köbele
Inhaltsverzeichnis Einleitung
21
Α. Begriffliche Erläuterungen
29
I. Die Begriffe „Telekommunikation" und „Telekommunikationsrecht" . . . II. Die Begriffe „Netze", „Dienste", „Endgeräte" 1. Netze
29 32 32
2. Dienste
34
3. Endgeräte
35
I I I . Integrated Services Digital Network (ISDN)
36
1. Netz(e)
36
2. Dienste
37
3. Endgeräte
38
4. Weitere Ausbauplanung
38
5. Kritik an ISDN
39
I V . Standardisierung
40
1. Standardisierungsbeteiligte
41
2. Das OSI-Referenzmodell der ISO
41
3. Rechtsrelevanz von Standardisierungsentscheidungen
43
B. Bisherige Problemlösungen I. USA II. Großbritannien
45 45 48
I I I . Niederlande
50
I V . Bundesrepublik Deutschland
51
1. Telekommunikationsordnung
52
2. Poststrukturgesetz
53
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
56
I. Vorüberlegungen zum Verständnis des § 1 Abs. 1 F A U 1. Wortlaut
56 56
8
nsverzeichnis 2. Systematik a) „Fernmeldeanlagen" als Sammelbegriff?
56 57
b) „Fernmeldeanlagen" als umfassender Oberbegriff?
57
c) Ermittlung des zu untersuchenden Gesetzesbegriffs
58
3. Die reichsgerichtliche Definition der „Telegraphenanstalt" als inhaltliche Ausfüllung des Begriffs „Fernmeldeanlagen"
60
II. Die Entwicklung der einzelnen Merkmale des unbestimmten Gesetzesbegriffs „Fernmeldeanlage"
60
1. Das Merkmal der sinnlich wahrnehmbaren Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort
61
a) Wegfall dieses Merkmals infolge Überalterung der reichsgerichtlichen Definition?
62
aa) E. Neugebauer
62
bb) E. Schumann
62
cc) Eigene Ansicht
64
b) Modifikation dieses Merkmals angesichts des Aufkommens von Datenverarbeitungsanlagen
65
aa) Die Forderung nach Wegfall der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Wiedererzeugung
66
bb) Bedenken gegen den Wegfall des Erfordernisses der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Wiedererzeugung
67
cc) Klärung durch das Bundesverfassungsgericht (Direktrufentscheidung)
67
α) Hintergrund der Direktrufentscheidung
67
ß) Einwände der Beschwerdeführer
68
γ) Die verfassungsgerichtliche Begründung des Wegfalls des Erfordernisses der sinnlichen Wahrnehmbarkeit c) Konsequenzen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung 2. Der Begriff der Nachricht a) Das Verständnis des Begriffs „Nachricht" bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Fernmeldeanlagen
68 69 71 71
aa) Reichsgericht
71
bb) Telegraphengesetz
72
cc) Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908
72
dd) Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs / Gesetz über Fernmeldeanlagen
73
b) Schwächen des historischen Nachrichtenbegriffs
73
c) Die Problematik einer inhaltlichen Bestimmung des Begriffs „Nachricht"
74
d) Zur Geeignetheit des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs
75
nsverzeichnis
9
3. Der Begriff der Übermittlung
78
a) Grundsätzliches aa) Übermittlung, obwohl der Empfänger nicht feststeht?
78 ....
79
bb) Rundfunk als Einwand gegen das Erfordernis der Empfängerbezogenheit?
79
cc) Übermittlungen an sich selbst
80
b) Abgrenzungen
81
aa) Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenproduktion
81
bb) Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenspeicherung . . . . α) Beeinflussung des Übermittlungscharakters der Anlage durch die Speicherung
83 84
ß) Übertragung der Grundsätze des Ersten Fernsehurteils? . .
84
γ) Erforderlichkeit der Speicherung für die Übermittlung? . .
85
δ) Eigene Ansicht
85
cc) Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenverarbeitung . . . .
87
c) Zur Problematik einer Einbeziehung der Nachrichtenverarbeitung in die Nachrichtenübermittlung
87
aa) Die Abgrenzung zwischen Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenverarbeitung in der Direktrufverordnung
90
bb) Übertragbarkeit dieser Abgrenzung auf den Problemkreis Fernmeldeanlage-Datenfernverarbeitung?
91
α) Grundsätzliches zu Übermittlungsvorgängen mittels Datenverarbeitungsanlagen
91
ß) Verwertbarkeit der Bereichseinteilung aufgrund von Schnittstellen für die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs?
93
....
94
dd) Konsequenzen einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Datenverarbeitungsanlagen aufgrund eines extensiven Verständnisses des Übermittlungsbegriffs
cc) Lösung der Problematik durch das Poststrukturgesetz?
94
ee) Folgerung: Verständnis des Begriffs „Übermittlung" auch als Erfordernis der technischen Geeignetheit einer Anlage nicht auch, sondern nur zur Übermittlung (restriktives Verständnis des Übermittlungsbegriffs)
97
α) Strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz
97
ß) Grundrechtsschutz aus Art. 13 Abs. 1 G G
100
γ) Fernmeldemonopol
100
Ô) Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . 100 ε) Entstehungsgeschichte als Gegenargument?
101
10
nsverzeichnis I I I . Näheres zu den vom Gesetz über Fernmeldeanlagen aufgezählten Beispielen 102 1. Fernsprechanlagen
102
2. Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten
103
3. Funk„anlagen"
103
a) Funk als drahtlose Nachrichtenübermittlung?
104
b) Umfaßt „Funk" auch die niederfrequente Übermittlung entlang von Leitungen? 105 I V . Abgrenzung der Fernmeldeanlagen zu sonstigen Transportanlagen
. . . 107
1. Postverkehr
107
2. Signalanlagen
108
3. Energieübertragungsanlagen
109
V. Die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs in Einzelfällen
....
110
1. Niederfrequent übermittelnde Anlagen
110
a) Klingelanlagen, Feuermelder etc
110
b) Fernwirkanlagen
111
aa) Fernmessen
111
bb) Fernanzeigen
112
cc) Ferneinstellen und Fernschalten
112
dd) Vereinigung von Fernüberwachen und Fernsteuern in einer Anlage c) Fernkopieranlagen (Telefax/Telebrief)
114 115
d) Teletex
116
e) Bildschirmtext
118
aa) Bildschirmtext als Fernmeldeanlage? 120 bb) Bildschirmtexteinrichtungen als Fernmeldeanlagen: Stellungnahme 121 α) Endgeräte
121
ß) Bildschirmtextzentrale
122
γ) Gesamtbetrachtung Bildschirmtext
128
f) Telebox
128
aa) Postrechner
129
bb) Endgeräte
130
g) Anlagen zur Datenkommunikation 2. Hochfrequent übermittelnde Anlagen (Funk„anlagen")
130 130
a) Radarsender und -empfänger
130
b) „Radarwarngeräte"
132
V I . Zusammenfassung
135
nsverzeichnis
D. Fernmelde verfassungsrecht I. Befund des Grundgesetztextes II. Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes
11
137 137 137
1. Zur Vermutung der Länderzuständigkeit
137
2. Kriterien der Auslegung von Kompetenznormen
139
a) Die Problematik des Fehlens allgemein anerkannter Maßstäbe zur Interpretation von Verfassungsnormen 139 b) Die Bedeutung der Entstehungsgeschichte als Auslegungskriterium bei der Interpretation von Kompetenznormen des Grundgesetzes 140 c) Die einzelnen Komponenten der historischen Auslegung aa) Heranziehbarkeit von Auslegungsergebnissen zu vergleichbaren Normen vorhergehender Verfassungen
141 141
bb) Zur Verwertbarkeit von Auslegungsergebnissen zu vorkonstitutionellen einfachen Gesetzen 143 cc) Die Bedeutung der Staatspraxis unter dem Geltungsbereich vergleichbarer Normen in den Vorläuferverfassungen 144 d) Grenzen der historischen Perspektive 3. Ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkeiten
144 145
I I I . Entstehungsgeschichtliche Aspekte der Art. 73 Nr. 7 GG, 87 Abs. 1 GG . 147 1. Vorbemerkung zum Verhältnis von Post-und Fernmeldewesen . . . .
147
2. Entstehungsgeschichtliche Aspekte des Postwesens
147
3. Entstehungsgeschichtliche Aspekte des Fernmeldewesens
152
a) Die Entstehung staatlicher Alleinrechte im Bereich der körperlosen Nachrichtenbeförderung 153 aa) Formen der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung im Altertum; Weiterentwicklung zum Semaphorsystem 153 bb) Die elektrische Télégraphié
155
α) Von theoretischen Überlegungen bis zur Einführung der elektrischen Télégraphié als Verkehrsmittel 155 ß) Vereinzelte rechtliche Regelungen der elektrischen Télégraphié bei fortschreitender technischer Entwicklung derselben 157 αα) Gesetze und Gesetzesvorhaben in den deutschen Partikularstaaten
157
ßß) Technische Weiterentwicklungen
159
γ) Auswirkungen der politischen und militärischen Ereignisse in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts auf die Zuständigkeiten für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung . . . 159
nsverzeichnis δ) Das Telefon als umkämpfte Lösung der finanziellen Probleme der RPTV im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung 161 αα) Die Verhinderung der Errichtung privater Fernsprechanstalten durch das Innenministerium und die RPTV
162
ßß) Die ablehnende Haltung der RPTV gegenüber städtischen und gemeindlichen Fernsprechanstalten . . . 163 ε) Das Telefon als Auslöser des Streits um staatliche Alleinrechte im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenbeförderung 163 αα) Befürworter eines aus Art. 48 R V 1871 abgeleiteten staatlichen Alleinrechts für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung 164 ßß) Gegner eines aus Art. 48 R V 1871 abgeleiteten staatlichen Alleinrechts für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung 165 γγ) Rechtsprechung
165
ζ) Eine polizeirechtliche Entscheidung als Auslöser der Schaffung des Telegraphengesetzes 1892 166 b) Der Begriff der Télégraphié
169
aa) Von der Entstehung des Begriffs „Télégraphié" bis zur Verwendung des Begriffs als Wortbestandteil im Gesetz über das Telegraphenwesen 1892 169 α) Die Entstehung des Begriffs „Télégraphié"
169
β) Unterschiedliches Verständnis dieses Begriffs in den Gesetzen anderer Staaten 170 γ) Der Begriff der „Telegraphenanstalt" in §§ 296 ff. des Preußischen Strafgesetzbuches 171 δ) Rohrpostanlagen als Telegraphenanstalten?
172
ε) Das Telefon als Auslöser von Überlegungen über das Wesen der Télégraphié 172 αα) Das Telefon als ein von der Télégraphié zu unterscheidendes Kommunikationsmittel 173 ßß) Das Merkmal der Reproduktion als Begründung der Subsumtion des Telefons unter den Begriff der „Telegraphenanstalt" 173 γγ) Der Versuch der Nutzbarmachung des damaligen umgangssprachlichen Verständnisses „Télégraphié" für juristische Zwecke 174 δδ) Das Merkmal der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort als Wesensmerkmal der elektrischen Télégraphié 175 εε) Die Definition der „Telegraphenanstalt" durch das Reichsgericht 175
nsverzeichnis
13
bb) Das Verständnis der „Telegraphenanlagen zur Vermittelung von Nachrichten" in § 1 T G 177 α) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" im RPTV-Entwurf 177 ß) Umfangreiche Erörterungen des Begriffs der Télégraphié in der X V I . Kommission 178 αα) Erste Lesung (1. Kommissionsbericht)
178
ßß) Zweite Lesung (2. Kommissionsbericht)
179
γγ) 2. Kommissionsbericht
180
γ) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" im Reichstag 181 c) Die Ausdehnung des staatlichen Alleinrechts im Bereich der drahtlosen Nachrichtenübermittlung durch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908 183 aa) Nachrichtentechnische Entwicklungen zum Ausgang des 19. Jahrhunderts und deren rechtliche Auswirkungen 183 bb) Die Modifikationen des Telegraphengesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908 185 cc) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" im Abänderungsgesetz 185 dd) Auswirkungen des Gesetzes zur Abänderung des Telegraphengesetzes 186 d) Der Rundfunk als Präzisierung und Begrenzung der staatlichen Alleinrechte im Fernmeldewesen 187 aa) Rundfunk als technische Fortentwicklung der drahtlosen Télégraphié 188 α) Die Entstehung des „Unterhaltungsrundfunks"
188
ß) Vermeintliche Hindernisse beim Aufbau des „Unterhaltungsrundfunks"
189
γ) Die Rechtslage bei Einführung des „Unterhaltungsrundfunks" 190 Ô) Gründe für den Erlaß der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs (FunkVO) 192 ε) Die Schwächen der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs als Ursache für den Erlaß des Gesetzes über Fernmeldeanlagen 193 αα) Inhaltliche Schwächen der FunkVO
193
ßß). Prinzipielle Schwäche der FunkVO
195
ζ) Die Entstehung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen . . .
196
bb) Der Rundfunk auch als ein publizistisch relevantes Phänomen 196 α) Die organisatorische und kulturelle Komponente des „Unterhaltungsrundfunks" 1919 -1923
197
nsverzeichnis β) Die organisatorische und kulturelle Komponente des Unterhaltungsrundfunks 1923 -1926 199 αα) Der Ressortstreit zwischen dem Reichspost- und dem Reichsinnenministerium um Zuständigkeiten im Bereich des Unterhaltungsrundfunks 199 ßß) Der Streit zwischen Reich und Ländern um den „Unterhalhingsrundfunk"
201
γγ) Reich-Länder-Kompromiß
202
δδ) Die „Rundfunkregelung" 1926
203
γ) Die weitere Entwicklung des Rundfunks bis 1932
206
δ) Post und Rundfunk im Nationalsozialismus
208
e) Auswirkungen der Besatzungszeit im Bereich des Fernmeldewesens 209 aa) Der Streit um die Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen im Bereich des Rundfunks 210 bb) Kein uneingeschränktes Wiederaufleben des Gesetzes über Fernmeldeanlagen im sonstigen Fernmeldewesen 213 cc) Die Erörterungen der Zuständigkeiten für das Post- und Fernmeldewesen im Herrenchiemseer Konvent und im Parlamentarischen Rat 217 f) Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung des Fernmeldewesens 217 aa) Begründung und Ausdehnung staatlicher Alleinrechte zugunsten der Post 217 bb) Umfang der staatlichen Alleinrechte
219
g) Übereinstimmung der tatsächlichen Entwicklung mit den einschlägigen Normen der Vorläuferverfassungen 220 aa) Art. 48 Verf. NdBd. bzw. Art. 48 R V 1871
220
bb) Art. 6 Nr. 7, 88 W R V
223
cc) Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG I V . Die übrigen Auslegungskriterien
225 226
1. Wortlaut
226
2. Systematik
226
3. Zweck des Art. 73 Nr. 7 GG
227
4. Zusammenfassung
229
.
V. Die höchstrichterliche Rechtsprechung V I . Das Schrifttum
230 231
1. Einengende Interpretation des 1. Fernsehurteils
233
2. Grundsätzliche Bedeutung des 1. Fernsehurteils
234
nsverzeichnis
15
3. Zum Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs sowie dem Vorschlag der Neudefinition des Begriffs der Datenverarbeitung 234 4. Stellungnahme VII. Der Begriff der „Übermittlung"
235 239
1. Der Begriff der Übermittlung und die Reichweite der Regelungsbefugnisse bei multifunktionalen Endgeräten 239 a) Teletexendgeräte
242
b) Telefax und Telebrief
244
c) Datenübertragung
244
2. Die Auswirkung des Kriteriums der Übermittlung auf die Ausübung technischer Kommunikationsdienste durch die Bundespost 246 a) Fernsprechauftrags- und Ansagedienste (§§ 221 ff. TKO) b) Bildschirmtext
247 248
aa) „Information für den Einzelnen"
248
bb) „Informationen für Mehrere"
249
cc) „Dialog mit dem Rechner"
250
dd) Gesamtbetrachtung
251
c) Telebox 3. Zusammenfassung
252 253
V m . Kongruenz der Sachbereiche in Art. 73 Nr. 7 bzw. Art. 87 Abs. 1 GG? . . 254 I X . Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der Bundespost im Fernmeldebereich 257 1. Die einzelnen Gehalte des Art. 87 Abs. 1 GG
257
a) Der Zuständigkeitsgehalt
258
b) Der Organisationsgehalt
258
c) Der Aufgabengehalt
261
d) Der Ermächtigungsgehalt
263
2. Ergibt sich aus dem Begriff „Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG eine Ermächtigung zu Eingriffen in grundrechtliche Positionen? 266
Zusammenfassung
274
Literaturverzeichnis
278
Abkürzungsverzeichnis a. Α .
anderer Ansicht
a.a.O.
am angeführten Ort
Abg.
Abgeordneter
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a.F.
alte Fassung
AfP
Archiv für Presserecht
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGBG
Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen
AK-GG
Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz
allg.
allgemein
amtl.
amtlich
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
ArchFunk
Archiv für Funkrecht
Art.
Artikel
APF
Archiv für das Post- und Fernmeldewesen
ArchPT
Archiv für Post und Télégraphié
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AZ
Aktenzeichen
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BB
Betriebsberater
Bd.
Band
Ber.
Bericht
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BIGFON
Breitbandiges Integriertes Glasfaser-Fernmeldeortsnetz
BK
Bonner Kommentar
Bsp.
Beispiel
Abkürzungsverzeichnis bspw.
beispielsweise
BT-Drucks.
Bundestagsdrucksache
BTX
Bildschirmtext
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
CCITT
Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique
CEI
Comparably efficient interconnection
CEN
Comité Européen de la Normalisation
CEPT
17
Conférence européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications
CoR
Computer-Report
CQ-DL
Fachzeitschrift für den Amateurfunkdienst
CuR
Computer und Recht
DAR
Deutsches Autorecht
DBP
Deutsche Bundespost
ders.
derselbe
DIN
Deutsches Institut für Normung
DirRufVO
Direktrufverordnung
Diss.
Dissertation
DJT
Deutscher Juristentag
DJZ
Deutsche Juristenzeitung
DKE
Deutsche Elektrotechnische Kommission
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DRiZ
Deutsche Richterzeitung
DRP
Deutsche Reichspost
Drucks.
Drucksache
DSWR
Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht
DuD
Datenschutz und Datensicherheit
DuR
Demokratie und Recht
DVB1.
Deutsches Verwaltungsblatt
DVR
Datenverarbeitung im Recht
DVZ
Deutsche Verkehrs-Zeitung
DWW
Deutsche Wohnungswirtschaft
ebda EE
ebenda Eger (Hrsg.), Eisenbahn- und verkehrsrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen
EG
Europäische Gemeinschaft
Einl.
Einleitung
EKM
Expertenkommission Neue Medien (Baden-Württemberg)
2 Köbele
Abkürzungsverzeichnis
18 ΕΚΝΙΚ
Expertenkommission Neue Informations- und Kommunikationstechniken
ETSI
European Telecommunications Standards Institute
EvStL
Evangelisches Staatslexikon
FAG
Gesetz über Fernmeldeanlagen
FAZ
Franfurter Allgemeine Zeitung
FCC
Federal Communications Commission
FN
Fußnote
FuR
Film und Recht
GG
Grundgesetz
Gruchot
Gruchot's Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts
GS
Gesetzes-Sammlung
GVB1.
Gesetz- und Verordnungsblatt
HA
Hauptausschuß
HChE
Herrenchiemseer Entwurf
HdbdStR
Handbuch des deutschen Staatsrechts (Hrsg. Anschütz-Thoma)
HdbStR
Handbuch des Staatsrechts (Hrsg. Isensee-Kirchhof)
HFrG
Hochfrequenzgerätegesetz
Hrsg.
Herausgeber
h.M.
herrschende Meinung
IDN
Integriertes Fernschreib- und Datennetz
ISDN
Integrated services digital network
ISO
International Standards Organisation
Jb.
Jahrbuch
JbDBP
Jahrbuch der deutschen Bundespost
JiR
Jahrbuch für internationales Recht
JR
Juristische Rundschau
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
KHz
Kilohertz
KtK
Kommission für den Ausbau der technischen Kommunikationsdienste
Komm.
Kommentar
LG
Landgericht
LK
Leipziger Kommentar
Losebl.
Loseblattsammlung
LT
Landtag
MDR
Monatsschrift für deutsches Recht
Abkürzungsverzeichnis Mhz
19
Megahertz
m. w. Nachw.
mit weiteren Nachweisen
NdBd
Norddeutscher Bund
net
Nachrichtenelektronik und Telematik (Zeitschrift)
n. F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
nöbL
nichtöffentlicher beweglicher Landfunkdienst
ntz
Nachrichtentechnische Zeitschrift
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NW
Nordrhein-Westfalen
ÖVD
Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung
o.J.
Ohne Jahrgang
OLG
Oberlandesgericht
ONA
Open network architecture
OSI
Open System Interconnection
OVG
Oberverwaltungsgericht
Pari.Rat
Parlamentarischer Rat
PC
Personal Computer
PostG
Postgesetz
PostStruktG
Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost
PostVerfG
Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost
PostVwG
Postverwaltungsgesetz
pr.
preußisch
PTO
Public telecommunications operators
Rdnr.
Randnummer
RDV
Recht der Datenverarbeitung
RFH
Reichsfinanzhof
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
RiA
Recht im Amt
RMI
Reichsministerium des Innern
RPM
Reichspostministerium
RPostG
Reichspostgesetz
RPTV
Reichspost- und -telegraphenverwaltung
RRG
Reichsrundfunkgesellschaft
RuF
Rundfunk und Fernsehen
RV
Reichsverfassung
2*
20
Abkürzungsverzeichnis
Sa/Sart.
Sartorius I
SchmollersJb
Schmoller (Hrsg. ), Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege im Deutschen Reich
S.
Seite
Sp.
Spalte
Sten.Ber.
Stenographische Berichte
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozeßordnung
TG
Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs
TKO
Telekommunikationsordnung
TWG
Telegraphenwegegesetz
u.a.
unter anderem
u. ä.
und ähnliche(s)r
UFITA
Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht
u. U.
unter Umständen
Verh.
Verhandlungen
Verk.Mit.
Verkehrs-Mitteilungen
VerwArch
Verwaltungsarchiv
VO-Funk
Vollzugsordnung für den Funkdienst (Anlage zum Internationalen Fernmeldevertrag)
Vorbem.
Vorbemerkung
WDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
WRV
Weimarer Reichsverfassung
WuW
Wirtschaft und Wettbewerb
ZAkdR
Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht
ZögU
Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen
ZG
Zeitschrift für Gesetzgebung
ZGHR ZPF
Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht (später: Z H R ) Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen (seit 1984 Zeitschrift für Post und Telekommunikation - ZPT)
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZUM
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
ZVEI
Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie
ζ. Z.
zur Zeit
Ergänzend wird auf H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis 3. Aufl. 1983, verwiesen.
der Rechtssprache,
Einleitung
Telegraphenverbindungen waren bereits seit Jahrzehnten in Betrieb, bis es zur Einführung des Telefons kam. 1 Und es sollte fast einhundert Jahre dauern, bis das Telefon in der Bundesrepublik nahezu jeden Haushalt erreichen und sich damit von einem Luxusgerät zu einem unentbehrlichen Kommunikationsmittel entwickeln konnte. Entscheidende Verbesserungen der Betriebsweisen waren hierfür erforderlich: vom manuellen Betrieb über die Halbautomatik hin zur vollautomatischen Betriebsweise; insbesondere im Bereich der Vermittlung. Damit einher ging eine gewisse Änderung der Technik, die sich aber - weil ihre Entwicklung ebenfalls Jahrzehnte in Anspruch nahm - verhältnismäßig einfach beherrschen und steuern ließ. Unangefochten dominierte die „Telekommunikationsbetrachtungsweise" : 2 Übertragungsnetz (öffentliche Wählnetze, Mietleitungen) und die Endgeräte an diesem Netz (Nachrichtenquellen und Nachrichtensenken, bspw. Telefonapparate) wurden als Einheit betrachtet, die als in sich Ganzes technisch und betrieblich optimiert werden konnte. 3 Der ordnungspolitische Regelungs- und Verantwortungsbereich des öffentlichen Netzträgers erstreckte sich von Endgerät zu Endgerät; wechselnde Eigentumsverhältnisse spielten dabei keine Rolle. Daraus resultierte der Regelungsanspruch des Netzträgers auch für jene Bereiche, die vollkommen von Dritten installiert, betrieben und gewartet wurden. Dieses beschauliche Bild hat sich in den letzten rund fünfzehn Jahren völlig geändert. Vor allem die sich überschlagende Entwicklung der Mikroelektronik und die Vorteile der aus ihr resultierenden Digitalisierung haben einen völligen Wandel im Fernmeldewesen ausgelöst, dessen Ende noch gar nicht absehbar ist. 4 Neue Dienste und Anwendungen - wie zum Beispiel die verschiedensten Arten der Datenübertragung, Teletex, Telefax, Bildschirmtext, Mobilfunk, Satellitenfunk und Videokonferenz - entstehen in kürzester Zeit und bereichern die Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung. Wie die „alten" Dienste werden auch sie - wohl aus einer im Laufe der Zeit entstande-
1 Erste Telegraphenlinie 1843 bei Aachen, erstmalige Einführung des Telefons 1877 in Berlin. Näher unten D I I I 3 a bb α. 2 Begriff nach F. Arnold, net special 2/87, S. 25 (28). 3 Vgl. zuletzt G. Tenzer, JbDBP 1985, S. 528 (529). 4 Vgl. EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 29; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 12ff.
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nen monopolartigen Sonderstellung - wie selbstverständlich vom bisherigen Netzbetreiber erbracht. Entstehung und fortschreitende Entwicklung der Mikroelektronik haben jedoch auch einen anderen Bereich entstehen lassen: den Bereich der Datenverarbeitung. Zwar gab es auch vorher schon vereinzelt Datenverarbeitungsanlagen.5 Herstellungs- und Betriebskosten waren jedoch derartig hoch, daß ihr Einsatz auf den Bereich des Staates und einiger weniger großer Unternehmen beschränkt blieb. Die Mikroelektronik aber löste gewaltige Kostensenkungen bei der Fertigung von Datenverarbeitungsanlagen aus und ermöglichte nun auch ihren Einsatz in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie bei Privatpersonen. Mittlerweile erreichen Personal Computer der heutigen Generation schon Rechenleistungen, die noch vor wenigen Jahren der sog. Mittleren Datentechnik vorbehalten waren. Je mehr Datenverarbeitungsanlagen aber installiert sind, umso mehr wächst auch das Bedürfnis, diese miteinander kommunizieren zu lassen.6 Zwar kann man Daten, die auf entsprechenden Datenträgern verkörpert sind, im Wege des körperlichen Transports zu anderen Datenverarbeitungsanlagen zwecks dortiger Verwendung versenden. Sehr viel schneller ist das aber möglich, wenn dies in körperloser Weise über Fernmeldenetze erfolgen kann, sog. Datenfernverarbeitung. Auch können Datenverarbeitungsanlagen infolge ihrer gestiegenen Leistungsfähigkeit sowohl im Fernmeldenetz als auch als Endgerät zunehmend Steuerungsfunktionen auch komplexer Art übernehmen, die bislang das Fernmeldenetz allein zu erbringen hatte. Schließlich ermöglichen Datenverarbeitungsanlagen Fernmeldedienstleistungen, die über den bloßen Transport einer Nachricht auf dem Fernmeldenetz weit hinausgehen und ohne ihren Einsatz gar nicht denkbar wären. Dies sind nur einige Beispiele, wie sich die ursprünglich einmal getrennten Bereiche Datenverarbeitung und Telekommunikation mittlerweile in vielfältiger Weise überlagern. Die aus dieser Überlagerung resultierenden Erscheinungsformen werden unter dem Schlagwort „Telematik" 7 zusammengefaßt.
5 Interessanterweise steht die Geschichte der elektronischen Datenverarbeitung im Zusammenhang mit Nachrichtenübermittlungen. Nachrichtenverbindungen im Krieg unterliegen dem Erfordernis der Chiffrierung. Die deutsche Wehrmacht verwendete im Zweiten Weltkrieg neben der bekannteren, aber einfacheren Chiffriermaschine „ E N I G M A " vor allem auf höheren Befehlsebenen das auf einem Zahlencode basierende Chiffriergerät „FISCH". U m dessen recht komplexen Code zu knacken, reichten die von den Alliierten zunächst entwickelten elektromechanischen Dechiffriergeräte nicht aus. Dies gelang erst mit der in England konstruierten, ersten voll elektronisch arbeitenden Datenverarbeitungsanlage „ U L T R A " . Der Rechner von Konrad Zuse, den dieser bereits Ende der 30er Jahre dieses Jahrhunderts fertiggestellt hatte, beruhte noch auf elektromechanischer Basis. 6 Vgl. E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 22f.
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Das Zusammenwachsen von Telekommunikation und Datenverarbeitung erwiese sich dann als unproblematisch, wenn es sich um zwei Bereiche handelte, in denen grundsätzlich jedermann tätig sein könnte. Indes ist dies weltweit nur im Bereich der Datenverarbeitung der Fall. Hingegen war der Telekommmunikationsbereich überall weitgehend monopolisiert, entweder zugunsten staatlicher Fernmeldeverwaltungen (so in Europa und Japan) oder aber zugunsten eines privaten Unternehmens (so in USA zugunsten A T & T ) . Daraus resultiert das Erfordernis einer Grenzziehung zwischen beiden Bereichen: 8 Aus Sicht der Datenverarbeitung ist eine Ausdehnung der regulierten Telekommunikation in ihren eigenen, unregulierten Bereich zu verhindern. Diese Gefahr besteht, wenn der Betreiber des Telekommunikationsbereiches zu weitgehende Anforderungen an den Anschluß von Datenverarbeitungsanlagen an ein Fernmeldenetz stellt, weil sie sich bspw. auch auf eine bestimmte Gestaltung von Programmen zum Zweck der Telekommunikation beziehen. Die „datenverarbeitende Betrachtungsweise" 9 sieht daher eine klare Trennung von Funktionen eines Fernmeldenetzes und Funktionen der Endgeräte vor. Das öffentliche Fernmeldenetz und damit auch die Verantwortung des Telekommunikationsbetreibers endet vor dem Endgerät an einer elektrischen Schnittstelle. 10 Der Telekommunikationsbetreiber ist nur für die einwandfreie Übermittlung der Information auf dem Netz verantwortlich. Dagegen ist aus der Sicht der „Telekommunikationsbetrachtungsweise" ein Datenverarbeitungsgerät als Endgerät an einem Fernmeldenetz wie jedes andere Endgerät zu behandeln. Es wächst quasi in den Regelungsbereich der Telekommunikation hinein. Damit sind alle Regelungen als zulässig zu erachten, die überhaupt einen Bezug zur Telekommunikation aufweisen. Andernfalls käme es zu einem Einbruch der Datenverarbeitung in die umfassenden Regelungsmöglichkeiten des Telekommunikationsbereichs. Wegen des Trends zu immer komplexeren Endgeräten würde dies über kurz oder lang zur Aufgabe der Regelungsbefugnis für Endgeräte führen, was mit der telekom-
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Kunstwort aus TELEkommunikation und InforMATIK, grundlegend Nora-Mine, L'informatisation de la société, 1978, S. 17ff. 8 Von der EG-Kommission, aaO, S. 34, als vordringlichstes Problem angesehen. Ähnlich auch die Begründung des Entwurfs zum Poststrukturgesetz, BT-Drucks. 11/ 2854, S. 32; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 13ff. Vgl. ferner/. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 56f. 9 F. Arnold, aaO, S. 28. 10 Charakterisiert wird eine Schnittstelle durch folgende Angaben (nach H.-J. Schneider, Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986, S. 513): 1. Technische Beschaffenheit der Schnittstellenleitung und Art ihrer Kopplung mit den Funktionseinheiten (Bsp. Steckanschluß) 2. Art der mit der Schnittstellenleitung übertragenen Signale 3. Bedeutung der übertragenen Signale.
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munikativen Betrachtungsweise von Netz und Endgerät als fernmeldetechnischer Einheit nicht zu vereinbaren ist. 11 Im Laufe der Zeit stellte sich der regulierte Telekommunikationsbereich im Verhältnis zum unregulierten Datenverarbeitungsbereich immer mehr als ein unerwünschtes Wettbewerbshindernis heraus: 12 - Ein alleiniger Anbieter im Telekommunikationsbereich ist irgendwann nicht mehr oder nur noch unvollkommen in der Lage, die aus der technischen Entwicklung resultierende Vielfalt möglicher Angebote vollständig abzudecken. - Damit ist zugleich die Kommunikationsindustrie betroffen, die sich heutzutage auf den Weltmarkt und dort auf die Teilmärkte mit der höchsten Entwicklung einzustellen hat. Es bedarf der Bereithaltung unterschiedlicher Produktionspläne für einen fortgeschrittenen Auslandsmarkt und einen stagnierenden Inlandsmarkt, was schon aus Kostengründen unzweckmäßig erscheint. - Die Wettbewerbsfähigkeit heutiger Unternehmen hängt mit von leistungsfähigen inner- und zwischenbetrieblichen Kommunikationssystemen ab, die zusehends mittels Datenverarbeitungsanlagen realisiert werden. Behinderungen in der Zulassung von Endgeräten und Dienstleistungen, überhöhte Gebühren 13 und zeitliche Verzögerungen führen dazu, daß jedenfalls Großunternehmen ihre Kommunikationszentralen ins Ausland verlagern. - Die datenverarbeitende Industrie erarbeitet Standards der Datenkommunikation andernorts. Die nationale Einflußnahme auf diese Standards entfällt damit. Ein zukünftiger Markt wird nicht erschlossen. Auf eine Kurzformel gebracht, führt die Aufrechterhaltung eines wettbewerblichen Ausnahmebereichs Telekommunikation dazu, daß die Möglichkeiten technischer Innovation nicht mehr voll ausgeschöpft werden. Dies wirkt sich nachteilig für die Konkurrenzfähigkeit einer Volkswirtschaft aus. 14
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Beide Denkweisen haben Eingang in die juristische Literatur gefunden. Stellvertretend hierfür stehen die Aufsätze von V. Emmerich, AfP 1984, 11 (13ff.) einerseits und U. Klingler, APF 1978, 186f. andererseits. Deutlich auch EG-Kommission, BTDrucks. 11/930, S. 35. Zu den Vorstellungen der EG-Kommission J. Müller, net Bd. 43 (1989), S. 108ff. 12 Vgl. E. Witte (Hrsg.), aaO, S. 28f.; Begründung des Gesetzesentwurfs zum Poststrukturgesetz, BT-Drucks. 11/2854, S. 32f.; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 14ff. 13 Bei den Telefongebühren nimmt die Bundespost bei Ferngesprächen einen unrühmlichen Spitzenplatz ein; bei den Ortsgesprächen reicht es nur zu einem Platz im Mittelfeld. A m billigsten sind erstaunlicherweise die Niederlande, gefolgt von den USA (vgl. Wirtschaftswoche Heft 9/1989, S. 89). 14 Vgl. EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 40; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 10.
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Angesichts dieser Problematik ist es nicht verwunderlich, daß die alleinige Ausübung des in § 1 Abs. 1 F A G a.F. zugunsten des Bundes angelegten umfassenden Fernmeldemonopols durch die Bundespost ab Beginn der 80er Jahre zusehends im Brennpunkt der Kritik stand. 15 Auf fruchtbareren Boden fiel diese Kritik aber erst mit der Regierungsübernahme Ende 1982 durch die CDU/CSU-FDP Koalition. Diese legte (entsprechend ihrer Regierungserklärung 1983) schon bald ein Konzept zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik sowie der Informations- und Kommunikationstechniken vor. 1 6 Darin wurde die Einsetzung eines unabhängigen Gutachtergremiums angekündigt, welches Vorschläge zur Neustrukturierung des Fernmeldewesens und zur Neuorganisation der Deutschen Bundespost erarbeiten sollte. Die geschäftsmäßigen Bedingungen der Kommission legte ein Kabinettsbeschluß vom 13. März 1985 fest. Zweieinhalb Jahre später übergab die Regierungskommission Fernmeldewesen ihren Schlußbericht 17 dem Bundeskanzler. Er bildete die Grundlage für die Reform der Bundespost, mit der ohne Vernachlässigung der infrastrukturellen Komponente des Fernmeldewesens dem Wettbewerb im Telekommunikationsbereich ein größerer Spielraum eröffnet werden soll. 18 Die Umsetzung dieses Leitgedankens erfolgte mittels des Poststrukturgesetzes 19 zum 1. 7. 1989, welches neben einer grundlegenden Umstrukturierung der Bundespost auch Änderungen im Gesetz über Fernmeldeanlagen mit sich brachte. Nunmehr dürfen zugelassene20 Endeinrichtun-
15 Eine erschöpfende Aufzählung kann hier nicht geleistet werden, vgl. daher P. Lerche, in: E. J. Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 1980, S. 139 (140); E. J. Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 1980, S. 162ff.; Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 9, Die Rolle der Deutschen Bundespost im Fernmeldewesen, 1981; Knieps-Müller-Weizsäcker, Die Rolle des Wettbewerbs im Fernmeldebereich, 1981; G. Püttner, ZögU Beiheft 4/1981, 115ff.; E. Stoll, ZPF Heft 1/82,14ff.; B.-P. Lange, ZPF3/82, 30ff.; G. Tenzer, ZPF 12/82, 26ff.; K. Stern, DVB1. 1982,1109 (1112); A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983; V. Emmerich, AfP 1984, l l f f . ; R. Hermes, BB 1984, 96ff.; F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657ff.; A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984; A. Eidenmüller, D Ö V 1985, 522ff.; Schlink-Wieland, Jura 1985, 570ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 618ff., 683ff.; A. Eidenmüller, APF 1986, 301 ff.; E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119ff.; P. Lerche, in: Festschrift Obermayer, 1986, S. 75ff.; E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 31 ff.; W. Möschel, CuR 1987, 532ff.; W. Schatzschneider, M D R 1988, 529ff.; ders., Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?, 1988; H. Fangmann, R D V 1988, 53ff.; Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562ff. 16 BT-Drucks. 10/1281 vom 11. 4. 1984. 17 E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation - Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen, 1987. Kritisch zu diesem J. Müller, net Bd. 43 (1989), S. 120ff. 18 Vgl. Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 20. 19 BGBl. 1989 I, S. 1026ff. 20 Dazu § 2 a F A G , der nunmehr gesetzlich regelt, welche Zulassungskriterien im Zulassungsverfahren zugrundegelegt werden dürfen.
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gen von jedermann im Rahmen der zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Fernmeldeverkehrs festgelegten Bedingungen errichtet und betrieben werden, § 1 Abs. 3 FAG. Bei Diensten nimmt das Gesetz eine Mittelposition ein. Dienste können grundsätzlich durch jedermann erbracht werden; hiervon ausgenommen ist aber der - in der Praxis mit Abstand ertragskräftigste 21 Dienst der Vermittlung der Sprache für andere (Telefondienstmonopol). Hinzu kommt, daß privaten Dienstträgern durch Rechtsverordnung die Verpflichtung auferlegt werden kann, Wettbewerbsbeeinträchtigungen der Bundespost T E L E K O M zu beseitigen, sofern diese bei der Erbringung von Diensten, die im besonderen öffentlichen Interesse liegen, aufgrund der in § 1 a Abs. 2 Nrn. 1 und 2 F A G genannten Voraussetzungen gehindert ist. Vollständig monopolisiert bleiben die Übertragungswege einschließlich der zugehörigen Abschlußeinrichtungen (Netzmonopol), sowie das Errichten und Betreiben von Funkanlagen, § 1 Abs. 2 FAG. Dies bedeutet eine deutliche Zurücknahme des in § 1 Abs. 1 F A G a. F. enthaltenen umfassenden Fernmeldemonopols, womit auch dessen Kritikern (jedenfalls teilweise) Rechnung getragen wurde. Hingegen hat sich der Anwendungsbereich des Gesetzes über Fernmeldeanlagen in keinster Weise verändert: Er bestimmt sich wie früher nach dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Fernmeldeanlage. Das mutet angesichts der dramatischen Fortschritte der Mikroelektronik mitsamt ihren Auswirkungen auf den Bereich der Telekommunikation erstaunlich an. Kann das diesem mittlerweile über 60 Jahre alten Begriff 22 beigelegte Verständnis wirklich so flexibel sein, daß es in der Lage ist, auch den neuen Erscheinungsformen der Telematik gerecht zu werden? Es drängen sich angesichts des Alters des Gesetzes und der der Technik grundsätzlich innewohnenden Dynamik mehrere Überlegungen auf: Entweder ist das dem unbestimmten Gesetzesbegriff „Fernmeldeanlage" beigemessene Verständnis so weit, daß es zwar neue Erscheinungsformen der Telematik mühelos erfaßt, aber Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes bestehen. Oder aber dieses Verständnis ist zwar hinreichend bestimmt, erfaßt aber - bisher unerkannt - nicht die neuen telematischen Erscheinungsformen. Denkbar ist schließlich auch eine dritte Möglichkeit: Das diesem Begriff bisher beigemessene Verständnis ist tatsächlich ein „ E i des Kolumbus", das den Widerstreit
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Über 90% der Einnahmen des Fernmeldewesens werden durch diesen Dienst erwirtschaftet, vgl. Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 31. Das Verbleiben dieses Dienstes im Monopol macht die Post-Reform insoweit zum Postreförmchen. Sehr kritisch auch H.-P. Boell, ÖVD-Online Heft 6/1988, S. 21. 22 Das Gesetz über Fernmeldeanlagen wurde am 14. 1. 1928 im RGBl. 1928 I, S. 8 verkündet.
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zwischen statischem Recht und dynamischer Technik 23 im Fernmeldebereich nicht zur Geltung kommen läßt. Dies sind Überlegungen akademischer Natur. Vor allem zwei Fragen lassen die Frage der Reichweite des Fernmeldeanlagenbegriffs aber auch für die Praxis relevant werden. Zum einen hängt von dem Umfang dieses Begriffs die Reichweite der Handlungsbefugnisse des Bundes und damit mögliche Ausübungsrechte der Bundespost im Bereich der Telematik ab. Die Gesetzesänderung hat entsprechend ihrer Zielsetzung nur den Telekommunikationsbereich (teilweise) „wettbewerbstransparent" gemacht, aber keine Antwort auf die Frage gegeben, inwieweit sich umgekehrt die Bundespost mit Hilfe des Gesetzes über Fernmeldeanlagen Zugang zu den durch die Telematik neu entstandenen Betätigungsfeldern verschaffen kann. 24 Daneben bestimmt sich auch die Strafdrohung des § 15 Abs. 1 F A G wie bisher nach dem Verständnis des Begriffs „Fernmeldeanlage". Angesichts des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) kann aber nicht bedenkenlos davon ausgegangen werden, daß das Errichten und Betreiben aller jetzigen und zukünftigen Erscheinungsformen, die unter vielem anderem auch Nachrichten übermitteln, gleichermaßen von § 15 Abs. 1 F A G erfaßt ist. Darüber hinaus ist denkbar, daß sich das Zusammenwachsen von Telekommunikation und Datenverarbeitung nicht nur auf den einfachgesetzlichen Fernmeldeanlagenbegriff auswirkt, sondern auch zu einer Überprüfung des verfassungsrechtlichen Verständnisses des Begriffs „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG zwingt; dies schon deshalb, weil die Erscheinungsformen der Telematik dem Verfassungsgeber noch nicht bekannt waren und nicht von vornherein angenommen werden kann, daß dieser Kompetenztitel eine Generalklausel zugunsten des Bundes für alle jetzigen und künftigen Erscheinungsformen darstellt, die überhaupt irgend etwas mit Fernmelden zu tun haben. 25 Auch begrenzt möglicherweise das verfassungsrechtliche Verständnis des Begriffs „Fernmeldewesen" die dem Bund durch das Gesetz über Fernmeldeanlagen eingeräumten Handlungsbefugnisse. Mit der nachfolgenden Untersuchung soll eine Antwort auf diese Fragestellungen gegeben werden. Dabei wird exemplarisch auf den Problemkreis der Datenfernübertragung/Verarbeitung abgestellt werden, weil dort eine Klärung der rechtlichen Verhältnisse infolge der massenhaften Verbreitung von Perso-
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Vgl. W. Berg, JZ 1985, 401 ff. Die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes scheint dies für selbstverständlich zu erachten, vgl. BT-Drucks. 11/2855, S. 7: „ . . . das Tätigkeitsfeld der Deutschen Bundespost (soll) nicht durch eine enge und statische Auslegung des Begriffs ,Post- und Fernmeldewesen' auf die Funktion der Informationsübermittlung eingeschränkt werden". 25 So aber offensichtlich Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 73 Rdnrn. 17f. 24
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nal Computern in den letzten Jahren besonders dringlich erscheint. Für vergleichbare Erscheinungsformen (bspw. Fern wirken) lassen sich die gefundenen Ergebnisse aber gleichermaßen verwenden.
A . Begriffliche Erläuterungen Zu Beginn dieser Arbeit sind vorab einige der bereits intuitiv verwandten Begriffe zu erläutern, da sie auch im weiteren Verlauf der Untersuchung ständig verwandt werden. Ergänzend kann mittlerweile auf Erklärungen verschiedener Begriffe, die im Zusammenhang mit Telekommunikation stehen, auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur verwiesen werden, da sich dort bereits umfassende Anmerkungen finden und so Wiederholungen vermieden werden können. 1
I. Die Begriffe „Telekommunikation" und „Telekommunikationsrecht" Der Begriff „Telekommunikation" wird mittlerweile häufig verwandt und hat sogar bereits Eingang in die Gesetzessprache gefunden. 2 Man sollte daher annehmen, daß sich ein feststehendes Verständnis mit diesem Begriff verbindet. Sieht man aber die Literatur darauf hin durch, so wird man feststellen, daß dies nicht unbedingt der Fall ist. Überwiegend wird zwar als „Telekommunikation" die Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und anderen Systemen mit Hilfe von nachrichtentechnischen Übertragungsverfahren bezeichnet.3 Teilweise wird dies dahin ergänzt, daß es sich bei Telekommunikation um die Übermittlung von Sprache, Text, Bildern und Daten in der Form der Individual oder Massenkommunikation mittels neuer Medien bzw. neuer Kommunikationstechniken handele,4 oder daß Telekommunikation im 1 Aus der rechtswissenschaftlichen Literatur ausführlich H. Redeker, Neue Informations und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 2ff. m. Nachw. aus der nachrichtentechnischen Literatur; vgl. desweiteren J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 34ff., sowie V.-K. Thieme, JuS 1989, S. 791 ff. Aus der Nachrichtentechnik bzw. Informatik bspw. A. Albensöder (Hrsg.), Telekommunikation - Netze und Dienste der Deutschen Bundespost, 1987; H.-J. Schneider (Hrsg.), Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986; Müller-Löbel-Schmid (Hrsg.), Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985; Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983. 2 Genauer: in die Sprache des Verordnungsgebers bei der Telekommunikationsordnung, BGBl. 1986 I, S. 1749ff. 3 H.-J. Schneider (Hrsg.), Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986, S. 592; Müller-Löbel-Schmid (Hrsg.), Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985, S. 655f.; Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 230 m.w.Nachw.; KtK, Telekommunikationsbericht, 1976, S. 21; 7. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 31.
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Α. Begriffliche Erläuterungen
engeren Sinne die Kommunikation ist, die über Hör- und Sichtweite hinausgeht. 5 Ergänzend findet sich auch häufig die Feststellung, daß das Wort aus dem Ausland übernommen und in seiner Bedeutung ähnlich den deutschen Begriffen Nachrichtentechnik, Fernmeldewesen, Nachrichtenübertragung sei.6 Auf internationaler Ebene wird der Begriff „Télécommunication" wie folgt definiert: „Toute transmission, émission ou réception de signes, de signeaux, d'écrits, d'images, de sons ou de renseignements de toute nature, par fil, radioélectricité, optique ou autres systèmes électromagnétiques". 7 Übersetzt wird dies mit: „Fernmeldeverkehr: Jede Übermittlung, jede Aussendung oder jeder Empfang von Zeichen, Signalen, Schriftzeichen, Bildern, Lauten oder Nachrichten jeder Art über Draht, Funk, optische oder andere elektromagnetische Systeme".8 Es existieren aber auch engere Definitionen dieses Begriffs. Wohl in Abgrenzung zu einem anderen viel verwendeten Schlagwort, den „Neuen Medien", wird unter Telekommunikation nur derjenige Teilbereich der Neuen Medien verstanden, der das beidseitige Kommunizieren über eine durch technische Mittel aufgehobene Distanz ermöglicht. 9 Wiederum ganz anders wird mit dem Begriff „telecommunication" nur die Datenfernverarbeitung umschrieben. 10 Hier soll dem wohl überwiegenden Verständnis gefolgt werden, da ansonsten die Gefahr von Begriffsverwirrungen besteht. Deshalb wird mit dem Begriff „Telekommunikation" im folgenden die Übermittlung von Sprache, Text, Bildern und Daten zwischen Menschen, Maschinen und anderen Systeme mit Hilfe nachrichtentechnischer Übertragungsverfahren bezeichnet. Man könnte daher den Eindruck gewinnen, daß der Begriff „Telekommunikationsrecht" das gleiche Rechtsgebiet bezeichnet wie der ältere Ausdruck „Fernmelderecht"; zumal auch eine wörtliche Übersetzung nichts anderes besagt als „Fern-Mitteilungs-Recht" oder auch „Fernmelderecht". 11 Jedoch läßt obenstehende Definition der Telekommunikation auch die Einbeziehung bspw. des Rundfunks zu. Damit aber ist neben dem Fernmelderecht ein weite4 So A. Eidenmüller, APF 1986, 301 (303), unter Bezugnahme auf P. Eichhorn (Hrsg.), Verwaltungslexikon, 1985, S. 902. 5 H.-J. Schneider (Hrsg.), aaO, S. 592; Müller-Löbel-Schmid (Hrsg.), aaO, S. 655f.; Fellbaum-Hartlep, aaO, S. 230. 6 KtK, aaO, S. 21; H.-J. Schneider, aaO, S. 592; Fellbaum-Hartlep, aaO, S. 230. 7 Internationaler Fernmeldevertrag Nairobi 1982, BGBl. 1985 I I , S. 425 (489). s AaO, S. 485. 9 So D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 17. 10 So bei Carl-Amkreutz, Wörterbuch der Datenverarbeitung L - Z , 4. Aufl. 1987, S. 573. 11 A. Eidenmüller, APF 1986, 301 (303).
I. Die Begriffe „Telekommunikation" und „Telekommunikationsrecht"
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res Rechtsgebiet berührt: das Rundfunkrecht. Und schließlich sind einige der neu aufgekommenen Telekommunikationsformen nicht mehr rein übermittelnde Formen, sondern weisen auch datenverarbeitende Elemente auf. Damit ist auch das Datenschutzrecht tangiert. Schon die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten für diese Gebiete sind jedoch völlig unterschiedlich. Der Begriff „Telekommunikationsrecht" kann daher aus jetziger Sicht nur ein Sammelbegriff für verschiedene, bereits bekannte Rechtsgebiete sein. Ob aus diesen Rechtsgebieten zukünftig eine eigenständige und homogene Rechtsmaterie mit dem Namen „Telekommunikationsrecht" entstehen kann, erscheint zweifelhaft. Die Entstehung wird durch die Tatsache, daß die zu diesem Sammelbegriff gehörenden einzelnen Rechtsgebiete ihrerseits ständig wachsen,12 eher noch erschwert. Skepsis ist gegenüber dem Versuch angebracht, den Begriff „Telekommunikationsrecht" mit dem Zusatz „ - DBP" zu versehen, 13 um damit klarstellen zu wollen, daß nur das Teilgebiet des Fernmelderechts im Unterschied zum Rundfunk- und Datenschutzrecht gemeint sein soll. Mit dem Ausdruck „Telekommunikationsrecht - DBP" wird die Vorstellung geweckt, daß das gesamte Fernmelderecht ausschließlich Recht der Bundespost sei. 14 Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die Gesetzgebungsbefugnisse im Fernmeldewesen gem. Art. 73 Nr. 7 GG beim Bund liegen. Inwieweit er davon - und bejahendenfalls auch gerade zugunsten der Bundespost - Gebrauch macht, liegt allein bei ihm. Die Bundespost kann (muß aber nicht) aufgrund einfachen Gesetzes zur Ausübung der dem Bund zustehenden Handlungsbefugnisse berufen sein; ob sie es ist, bestimmt nicht sie, sondern der Bund. Fernmelderecht ist daher längst nicht nur „Recht der Bundespost"; der Begriff „Telekommunikationsrecht - DBP" ist insoweit irreführend. In Betracht kommt dieser Begriff noch, soweit er als Oberbegriff für eigenständige Regelungsbefugnisse der Bundespost verwendet werden soll. Das ist der Fall im Bereich der fernmelderechtlichen Verordnungsgebung. Sie macht jedoch nur einen Teilbereich des Rechtsgebiets „Fernmelderecht" aus. Dies jedoch läßt die Bezeichnung „Telekommunikationsrecht - DBP" nicht hinreichend deutlich erkennen. Sie ist daher auch als Oberbegriff für den Teilbereich fernmelderechtlicher Verordnungsgebung abzulehnen.
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Vgl. A. Eidenmüller, APF 1986, 301 (303). So aber A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Bd. I I , Losebl. Stand Oktober 1987, Fernmelderecht - Grundlagen, Anm. 1. 14 Die wörtliche Übersetzung lautet „Fernmelderecht der Bundespost"! Das hat bereits Tradition; schon E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, 26 (27 FN 2); der s., D V Z 1936, 65ff., sprach entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 F A G von der Fernmeldehoheit der Reichspost. 13
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Α. Begriffliche Erläuterungen
Der Sammelbegriff „Telekommunikationsrecht" ohne den Zusatz „DBP" wiederum kann bei undifferenzierter Verwendung begriffliche Fehlvorstellungen verursachen. 15 Um dies zu vermeiden, soll er nachfolgend nur dann verwendet werden, wenn es unumgänglich erscheint.
I I . Die Begriffe „Netze", „Dienste", „Endgeräte" Wenn unter Telekommunikation die Übermittlung von Sprache, Text, Bildern und Daten zwischen Menschen, Maschinen und anderen Systeme mit Hilfe nachrichtentechnischer Übertragungsverfahren zu verstehen ist, dann bedingt dies das Vorhandensein eines nachrichtentechnischen Übertragungssystems. Es besteht im einfachsten Fall aus einem Sender, einem Übertragungskanal und einem Empfänger, allgemeiner formuliert: aus Übertragungswegen und Endstelleneinrichtungen. Bei einer Vielzahl von Übertragungswegen spricht man von einem Telekommunikationsnefz. 16 1. Netze Netze lassen sich in verschiedener Weise in Typen einteilen. Als mögliche Kriterien kommen in Betracht: -
Funktion der Netze Art der Signaldarstellung Übertragungskapazität Trägerschaft.
Funktion der Netze: Zu unterscheiden sind Vermittlungs-, Verteil- und Sammelnetze. Bei einem Vermittlungsnetz ist eine Kommunikation zwischen allen Teilnehmern möglich. Demgegenüber dienen Verteilnetze dazu, Nachrichten von einer Zentrale an die Teilnehmer zu verteilen; die Kommunikation zwischen den Teilnehmern ist nicht möglich. Sammelnetze schließlich dienen der Sammlung von Nachrichten verschiedener Teilnehmer bei einem Empfänger; sie sind quasi invertierte Verteilnetze. Das bekannteste Beispiel eines Vermittlungsnetzes ist das Fernsprechnetz. Auch das IDN-Netz 1 7 ist ein Vermittlungsnetz. Populärstes Beispiel für Verteilnetze sind Kabelfernsehnetze. 15 Ähnlich A. Eidenmüller, APF 1986, 301 (303). 16 Nach Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 163, Stich wort „Nachrichtennetz" ist hierunter die Gesamtheit aller Vermittlungs- und Übertragungseinrichtungen zur Übertragung von Nachrichten von Sendestellen zu Empfangsstellen zu verstehen. 17 Integriertes Fernschreib- und Datennetz. Man kann es als Vorstufe zu ISDN ansehen.
II. „Netze", „Dienste", „Endgeräte"
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Art der Signaldarstellung: Zu unterscheiden ist zwischen analogen und digitalen Netzen. 18 Bei analogen Netzen wird die Nachrichtenübertragung dergestalt durchgeführt, daß innerhalb eines festgelegten „Rahmens" (bspw. Spannungspegel zwischen 0 und 1 Volt) jeder beliebige Zustand zulässig ist. Damit kann eine elektrische oder optische Nachrichtenübertragung exakt den menschlichen Schallwellen korrespondieren. Hingegen kennt eine digitale Nachrichtenübertragung 19 nur zwei Zustände: „Impuls" (ein) bzw. „kein Impuls" (aus). 20 Eine einer analogen Übertragung entsprechende Übertragungsqualität erreicht man durch eine sehr schnelle Übermittlung dieser Zustände. Zugleich resultiert daraus eine gegenüber der analogen Übertragung höhere Unempfindlichkeit gegenüber Störungen im Übertragungskanal (bspw. Rauschen, Krachen etc.). Zu beantworten bleibt die Frage, warum es das Nebeneinander unterschiedlicher Signaldarstellung in unterschiedlichen Netzen bei den geschilderten Vorzügen der digitalen Übertragung überhaupt gibt. Hintergrund hierfür sind unterschiedliche Übertragungszwecke, sowie der unterschiedliche Zeitpunkt der Entstehung der verschiedenen Netze. Die Übertragung menschlicher Sprache erfolgt(e) analog, weil der Frequenzbereich der menschlichen Sprache (theoretisch) unendlich viele Frequenzen umfassen kann. Demzufolge wurde das herkömmliche Fernsprechnetz auch als analoges Netz konzipiert. Dagegen ist die Nachrichtendarstellung zwischen Datenverarbeitungsanlagen schon immer digital gewesen, weil diese überhaupt nur „Impuls (Spannung) ein/aus" auswerten können. 21 Daher wurden auch die Netze zur Nachrichtenübertragung zwischen Datenverarbeitungsanlagen von vorneherein digital eingerichtet, so auch das IDN-Netz. Damit Datenverarbeitungsanlagen nun auch über das (über eine höhere Anschlußdichte verfügende) Fernsprechnetz kommunizieren können, bedarf es nach den bisherigen Ausführungen der Wandlung der Signaldarstellung digital/analog bzw. auf Empfängerseite analog/digital. Das Gerät, das dies bewerkstelligt, nennt man Modem. 2 2 18 Vgl. J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 44ff. 19 Umfassend K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 36ff. 20 Demzufolge kann man auch die Morsetelegraphie als älteste digitale Betriebsart bezeichnen. 21 Ein analoges Signal bedeutet für eine Datenverarbeitungsanlage einen nicht definierten Zustand, der Fehlfunktionen hervorrufen kann. 22 MOdulator/DEModulator. Damit dürfte auch klar sein, daß ein Modem im Gegensatz bspw. zu einem Telefon oder Fernschreiber kein stand-alone Endgerät an einem Übertragungsnetz sein kann, weil die Reproduktion erst durch die Datenverarbeitungsanlage, nicht schon durch das Modem erfolgt. Falsch daher der Vergleich bei BVerfGE 46, 120 (144). Wiederum sind es Modems, die einen heftigen fernmelderechtlichen Streit ausgelöst
3 Köbele
34
Α. Begriffliche Erläuterungen
Übertragungskapazität: Kapazitätsärmere Netze werden als schmalbandige, kapazitätsreichere als breitbandige Netze bezeichnet. Die Kriterien hierfür sind bei analogen und digitalen Netzen unterschiedlich (Frequenzbereich bzw. Datenübertragungsrate). Für beide gemeinsam wird verlangt, daß sie mindestens die Übermittlung eines Farbfernsehprogramms erlauben müssen, um als breitbandig gelten zu können. Das erfordert für analoge Netze einen Frequenzbereich von 5 Mhz, für digitale Netze eine Übertragungsrate von mehreren Megabit/sec. Breitbandnetze werden mit Kupferkoaxial- und zunehmend mit leistungsfähigerem Glasfaserkabel realisiert. Bekanntes Beispiel für ein schmalbandiges Netz ist wieder das Fernsprechnetz. Als Beispiel für breitbandige Netze sind wiederum die Kabelfernsehnetze zu nennen. 2. Dienste23 Als (Fernmelde-)dienste bezeichnet man die Summe standardisierter Fernmeldedienstleistungen, die über ein Fernmeldenetz erbracht werden. 24 Die Differenzierung zwischen Fernmeldenetz und -dienst ist verhältnismäßig neu. In der Vergangenheit waren Netze dienstespezifisch aufgebaut, d.h. das Netz war im wesentlichen nur für den Dienst tauglich, für den es eingerichtet worden war. Auf die Unterscheidung nach Netzen und Diensten kam es daher nicht an. Typisch hierfür ist der über das Fernsprechnetz abgewickelte Fernmeldedienst „Fernsprechen"; im allgemeinen Sprachgebrauch unter dem Begriff „Telefon" zusammengefaßt. 25
haben. Ging es in der Direktrufentscheidung (BVerfGE 46, 120ff.) noch um die Frage, ob die Monopolisierung von Modems, die im Direktruf dienst eingesetzt werden sollten, zugunsten der Bundespost zulässig war, so ist nunmehr umstritten, ob nach dem Wegfall von § 15 Abs. 2 a F A G (vgl. BVerfGE 78, 374ff.) der Anschluß nicht postzugelassener Modems den Straftatbestand des § 15 Abs. 1 F A G erfüllt oder mangels gesetzlicher Bestimmung straffrei bleibt. Die bisher einzige dazu ergangene, rechtskräftige strafrechtliche Entscheidung spricht sich auf Antrag der Verteidigung und Staatsanwaltschaft für Straffreiheit aus, L G Hannover, A Z : 45 c 130/89 (dazu auch F A Z v. 7. 11. 1989, S. Τ 1). Ausführlich zum Problem unten C I I 3 c dd. S. auch P. M. Rütter, NJW 1990, 1586 ff. Angesichts von mittlerweile über 100000 nicht postzugelassenen Modems am Telefonnetz besitzt diese Frage erheblich mehr Relevanz als der damalige verfassungsgerichtliche Rechtsstreit um Eigentumsverhältnisse im Direktrufdienst. 23 Vgl. bspw. A. Albensöder (Hrsg.), Telekommunikation - Netze und Dienste der Deutschen Bundespost, 1987; H. Redeker, aaO, S. 6ff.; V.-K. Thieme, JuS 1989, 791 ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 36 ff. Näher zu einzelnen Diensten noch unten C V 1 und D V I I 2. 24 Vgl. J. Scher er, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 17; früher schon KtK, Telekommunikationsbericht, 1976, S. 24; siehe auch K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 18. 25 Vgl. auch § 1 Abs. 1 F A G („Fernsprechanlagen").
II. „Netze", „Dienste", „Endgeräte"
35
Mittlerweile hat sich dies aber geändert. Auf einem Übertragungsnetz können mehrere verschiedene Dienste stattfinden, so auf dem Fernsprechnetz neben dem Fernsprechdienst bspw. auch der Telefaxdienst. Umgekehrt kann ein Dienst auch mehrere Übertragungsnetze in Anspruch nehmen. Dies ist bspw. beim Bildschirmtextdienst der Fall, bei dem die Verbindung zwischen dem Teilnehmer und „seiner" Bildschirmtextzentrale über das Fernsprechnetz, die Verbindungen der Bildschirmtextzentralen untereinander und mit den sog. externen Rechnern hingegen über das IDN-Netz erfolgt. Die wichtigsten über das Fernsprechnetz erbrachten Dienste sind: - der Fernsprechdienst (Telefon) 26 - Telefax/Telebrief (Fernkopieren) - Bildschirmtext (standardisierte Übertragung von Text- und graphischen Informationen, Daten Verarbeitungsdienste sowie die Speicherung von Daten). - Einfache Datenübertragungsdienste - Fernwirken ( T E M E X ) 2 7 Über das I D N werden abgewickelt: -
Telex 28 (Fernschreiben) Teletex (Bürofernschreiben; Weiterentwicklung von Telex) Datex-L (Datenübertragung mit Leitungsvermittlung) 29 Datex-P (Datenübertragung mit Paketvermittlung) 30 Direktruf ( „ H f D " ) 3 1 3. Endgeräte 32
Endgeräte waren bisher dienstespezifisch. Mit einem Telefon ließ sich nur Sprachübermittlung, aber keine Datenübertragung durchführen, mit einem Fernschreiber konnte man Texte übermitteln, aber nicht telefonieren. Dies 26 In der Bundesrepublik ca. 26 Mill. Anschlüsse, woraus zusammen mit den Netzen über 90% der Gesamteinnahmen im Fernmeldebereich resultieren, vgl. E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 134. 27 Kunstwort für TEleMetry EXchange. 28 Kunstwort für „TELegraphy EXchange". 29 „Leitungsvermittlung" bedeutet, daß für die Dauer der Datenübertragung durch eine Verbindungsaufbauprozedur in den Netzknoten eine durchgehende, transparente Leitung zwischen den beteiligten Datenstationen besteht. 30 Die zu übermittelnde Nachricht wird in einzelne Blöcke zerlegt. Diese können sodann auf unterschiedlichen Übertragungswegen zu der Vermittlungsstelle des Empfängers versandt werden, wo sie wieder zusammengesetzt und ihm zugestellt werden. Es besteht keine durchgehende Leitung zwischen Sender und Empfänger. 31 Zwei Hauptanschlüsse sind durch einen Übertragungsweg („Standleitung") fest miteinander verbunden. 32 Vgl. EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 30.
3*
36
Α. Begriffliche Erläuterungen
ändert sich zeitgleich mit Einführung des ISDN. Nunmehr können über ein Endgerät (sog. „Mehrdienstendgerät") mehrere verschiedene Fernmeldedienste abgewickelt werden. Daneben sind seit einigen Jahren auch Personal-Computer als Endgeräte für verschiedene Fernmeldedienste verwendbar. 33 Hauptsächlich werden sie für jegliche Form von Datendiensten eingesetzt. Elektronische Zusatzbaugruppen, ja teilweise schon bloße Computerprogramme ermöglichen ihre Verwendung jedoch auch im Telefax-, Teletex- und Bildschirmtextdienst. In der Bundesrepublik ist die Verwendung von Personal Computern zu Telekommunikationszwecken von der Bundespost lange Zeit sehr restriktiv gehandhabt worden.
I I I . Integrated Services Digital Network (ISDN) 1. Netz(e) Die bisherigen Netze sind mehr oder weniger dienstespezifisch errichtet worden und ermöglichen daher nur beschränkt andere Fernmeldedienste als solche, für die sie ausgelegt sind. Will man aber die Errichtung neuer Fernmeldenetze für neue Fernmeldedienste, die über bereits bestehende Netze nicht mehr erbracht werden können, vermeiden, sowie das Nebeneinander bereits bestehender Netze wegen möglicherweise überflüssiger Mehrfachinvestitionen abbauen, so wird man danach trachten, ein Fernmeldenetz zu errichten, welches gleichermaßen sowohl die Abwicklung bereits bestehender als auch zukünftiger Fernmeldedienste ermöglicht. 34 Aufgrund der bereits geschilderten Vorzüge der digitalen Übermittlung kann ein derartiges Netz nur digital sein. Das Problem dabei ist, daß das gegenwärtig größte Fernmeldenetz, das Fernsprechnetz, weitestgehend noch nicht digitalisiert ist, sondern analog arbeitet. Um dieses in ein zukünftiges digitales Netz für alle Fernmeldedienste integrieren zu können, muß demnach zunächst erst dieses digitalisiert werden. In der Bundesrepublik geschieht dies durch Digitalisierung der Fernsprechübertragungs- und -Vermittlungstechnik. 35 Die digitalisierten Orts- und Fernvermittlungsstellen werden sodann mit ISDN-Komponenten ausgerüstet. 36 33 In den USA sind rund 25 % aller Personal Computer an das Fernmeldenetz angeschlossen, in Europa ca. 10%, EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 40. 34 Vgl. K.-H. Rosenbrock, net special Heft 2/87, S. 4; B. Wesseler, ÖVD-Online Heft 3/1988, S. 22ff. 3 5 Vgl. K -Η. Rosenbrock, ZPF Heft 9/1982, S. 24ff.; D. Soemer, ntz Bd. 39 (1986), S. 69f.; H. Schön, JbDBP 1986, S. 9 (21f.); Berning-Claus, ntz Bd. 40 (1987), S. 56 (57). Vgl. ferner Adelmann-Kahl, net special 1/1988, S. 80ff. 36 Vgl. Adelmann-Kahl, aaO, S. 84; Berning-Claus, ntz Bd. 40 (1987), S. 56ff.; H. Schön, aaO, S. 24. Bis 2003 sollen alle Fernvermittlungsstellen und bis 2020 alle Ortsvermittlungsstellen auf ISDN-fähige Vermittlungsstellen umgerüstet sein.
III. Integrated Services Digital Network (ISDN)
37
Erforderlich für ein diensteintegrierendes digitales Netz 37 ist außerdem die Digitalisierung der Teilnehmeranschlußleitung. 38 Da die vollständige Ablösung des Kupfer-Doppeladernetzes durch die leistungsfähigere Glasfasertechnik Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird, wird zunächst die Kupferdoppelader der Teilnehmeranschlußleitung digitalisiert 39 (sog. ISDN-Basisanschluß 40 ). Als Nachteil ist in Kauf zu nehmen, daß das auf Kupferkabeln basierende Netz keine Übertragung breitbandiger Signale wie bspw. UKW-Fernsehprogramme erlaubt. 41 2. Dienste Als zukünftige Fernmeldedienste, die über (Schmalband-)ISDN erbracht werden können, sind vorgesehen: 42 - Sprachdienste: - Fernsprechen 3,1 KHz. Neben einer verbesserten Dienstgüte beim Telefondienst wird dem Teilnehmer ein erweitertes Dienstleistungsspektrum offeriert. 43 - Fernsprechen 7,1 KHz. Gegenüber dem herkömmlichen Fernsprechen ergibt sich eine spürbare Verbesserung der Übertragungsqualität. - Datendienste: - Datenübermittlung 64 kbit/s (leitungsvermittelt). - Datenkommunikation 64 kbit/s (leitungsvermittelt). - Datenpaketvermittlung - Fernwirken (TEMEX) - Textdienste: - Teletex. Nachrichten hierüber können erheblich schneller übermittelt werden als bisher. - Bilddienste: - Bildschirmtext 64 kbit/s. Hieraus resultiert eine verkürzte Bildaufbauzeit sowie weitere Verbesserungen bei Bildschirmtext. 37
So die offizielle deutsche Bezeichnung für ISDN. Vgl. K.-H. Rosenbrock, aaO, S. 27; ders., net special Heft 2/1987, S. 4 (7). Darin liegt die Neuerung zum digitalen Fernsprechnetz. 39 A b 1989 werden bei allen Neubaumaßnahmen ISDN-Anschlüsse bereitgestellt, bis 1993 soll es möglich sein, 90% aller Teilnehmeranträge auf ISDN-Anschluß binnen 6 Monaten (!) entsprechen zu können. 40 Vgl. zu diesem Adelmann-Kahl, net special 1/88, S. 80ff. 41 Vgl. Kanzow, ZPF 11/1981, S. 22. 42 Vgl. statt vieler H. Schön, JbDBP 1986, S. 9 (39ff.); Berning-Claus, ntz Bd. 40 (1987), S. 56; K.-H. Rosenbrock, net special Heft 2/87, S. 50ff. 43 Bspw. Rufumschaltung zu einem anderen Teilnehmer, bei Fernsprechnebenstellenanlagen jedoch schon üblich. Vgl. zu weiteren neuen Merkmalen im Telefondienst via ISDN Berning-Claus, aaO, S. 60. 38
38
Α. Begriffliche Erläuterungen
- Telefax 64 kbit/s. Erheblicher Zeitgewinn beim Fernkopieren geht mit der spürbaren Verbesserung der Qualität der Kopie einher. - Weitere Bilddienste. Es sollen unterschiedliche neue Bilddienste angeboten werden, wie bspw. Fernzeichnen, Fernskizzen, Festbild und langsames Bewegtbild. 3. Endgeräte Endgeräte im Schmalband-ISDN: Mittels einer Anwender/Netzschnittstelle wird es ermöglicht, daß ein Teilnehmer in bis zu 8 verschiedenen Diensten unter der gleichen Rufnummer erreichbar ist. Damit korrespondierend werden (zunehmend) Mehrdienstendgeräte 44 angeboten, deren Vorteil darin liegt, daß der Teilnehmer nicht mehr für jeden Dienst ein dienstspezifisches Endgerät (bspw. Telefon, Fernschreiber, Telefax etc.) benötigt. Für den privaten Anwender sind diese Mehrdienstendgeräte zur Zeit jedoch noch zu teuer. Anstattdessen können aber auch Personal Computer als Endgeräte für die über ISDN abzuwickelnden Telekommunikationsdienste verwandt werden. 45 Ihr Vorteil liegt vor allem darin, daß sie bereits zahlreich vorhanden sind, so daß der Teilnehmer keine neuen Endgeräte nur für ISDN mehr anschaffen müßte. Die Möglichkeit der Verwendung von Personal Computern (auch) als ISDN-Endgeräte wurde von der Bundespost zunächst strikt abgelehnt. 46 Mittlerweile hat hier jedoch ein Umdenken eingesetzt; es werden jetzt sogar Werbeaktionen zusammen mit privaten Firmen für die Anschaffung von ISDNModulen für PC's durchgeführt. 4. Weitere Ausbauplanung Die Übertragung breitbandiger Dienste ist in der ersten Realisierungsstufe von ISDN nicht möglich. Hierfür bedarf es des Einsatzes breitbandiger digita44 Vgl. Κ.Ή. Rosenbrock, net special Heft 2/87, S. 4 (7f.). Der Terminus „multifunktionale Endgeräte" ist mißverständlich. Er wird sowohl für Endgeräte, die mehrere Telekommunikationsdienste ermöglichen (Mehrdienst-Endgeräte), als auch für Geräte, die neben Telekommmunikationsdiensten andere Aufgaben wahrnehmen können, wie bspw. Textverarbeitung, Dateiverwaltung etc., verwendet. Typisch für letztere Kategorie sind die mittlerweile weitverbreiteten Personal Computer (PC's). Hier sollen unter dem Terminus „multifunktionale Endgeräte" Geräte letzterer Kategorie verstanden werden, sofern sich nicht aus dem Zusammenhang etwas anderes ergibt. 4 5 Vgl. G. Siebert, net Bd. 43 (1989), S. 458ff. 46 Vgl. W. Hardrich, net Bd. 43 (1989), S. 99 (104). Das mutet realitätsfremd an, ist aber nichts Neues, wenn man sich die Beispiele Telebox und Bildschirmtext vor Augen hält. Der Zentralverband der Elektroindustrie ist deswegen auch schon bei der DBP vorstellig geworden.
III. Integrated Services Digital Network (ISDN)
39
1er Übertragungs- und Vermittlungstechnik sowie der Umrüstung des gesamten Netzes bis hin zum Teilnehmeranschluß auf Glasfasertechnik. Die Realisierung wird für das nächste Jahrhundert erwartet. Möglich werden dann an Diensten (neben denen im Schmalband-ISDN) vor allem breitbandige Dialogdienste (wie Videokonferenz, 47 Bildfernsprechen, schnelle Text- und Grafikkommunikation), Abrufdienste (Bewegtbildabruf, Datenbank-Abruf, Text-, Grafik- und Festbildabruf) sowie die Verbindung zwischen privaten Netzen und Endgeräten. Einzelne dieser Dienste werden abhängig vom jeweiligen Ausbaustand des Glasfasernetzes versuchsweise bereits jetzt betrieben; beispielhaft hierfür steht die Videokonferenz. Letzter Schritt ist schließlich die Zusammenführung von Individual- und Verteilkommunikation in ein integriertes Breitbandfernmeldenetz (IBFN) auf Glasfaserbasis. Über dieses sollen dann auch Fernseh- und Hörfunkprogramme verteilt werden. 48 Die Realisierung kommt ebenfalls frühestens Anfang bis Mitte des nächsten Jahrhunderts in Betracht. 5. Kritik an ISDN 4 9 Während die offizielle Einführung von ISDN auf der CeBit-Messe 1989 in Hannover in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wurde, wird ISDN in der Fachwelt bereits seit 1984 unter verschiedenen Aspekten kritisiert. Von Vertretern der fernmeldetechnischen Industrie wird das geplante Innovationstempo als zu langsam eingeschätzt. Fernmeldefachleute vor allem aus den USA interpretieren dagegen das ISDN-Konzept der europäischen Fernmeldeverwaltungen als Instrument zur Aufrechterhaltung von Monopolrechten und lehnen es ab, weil es den Wettbewerb behindere. 50 Von dritter Seite wird ISDN als betriebs- und volkswirtschaftlich unrentable, 51 die soziale Sicherung der Bevölkerung gefährdende, die Kultur beeinträchtigende und 47
Erste Anfänge werden beschrieben bei H.-H. Hofmann, net Bd. 41 (1987), S. 162 ff. 48 Ob daneben die Verbreitung über herkömmliche terrestrische Übertragungswege bzw. über Satelliten eingestellt wird, erscheint z.Z. eher unwahrscheinlich. 49 Zusammenfassende Darstellung der Argumente für und wider ISDN in der Empfehlung der Gesellschaft für Informatik, Informatik-Spektrum 1987, 205ff. Vgl. ferner P. Wagner, F A Z v. 17. 10. 1989, S. Β 26; Κ. Reon, F A Z v . 17. 4. 1990, S. Τ 1. Umfassend zu den durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien aufgeworfenen rechtlichen, ökonomischen und sozialen Problemen Neumann-Schnöring, JbDBP 1986, S. 51 ff., sowie H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 20ff. 50 Dieser Einwand scheint hinsichtlich der weiterbestehenden Netzmonopolrechte vieler europäischen Fernmeldeverwaltungen nicht unbegründet und wird von Neumann-Schnöring, aaO, S. 5Iff. auch nicht widerlegt. Er trifft allerdings auch auf die bereits bestehenden Netze zu und ist daher kein ISDN-spezifisches Phänomen. 51 Dagegen H. Schön, JbDBP 1986, S. 9ff.
40
Α. Begriffliche Erläuterungen
rechtlich nicht ausreichend legitimierte 52 Investition angesehen. Hinter dieser Position stehen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen 53 und gesellschaftspolitisch aktive Gruppen, 54 deren Position (teilweise) in Zusammenhang mit der allgemeinen Auseinandersetzung um großtechnische Systeme und um die sog. Informationsgesellschaft zu sehen ist.
I V . Standardisierung 55 Bei der zunehmenden Vielzahl und Komplexität von Netzen, Diensten und Endgeräten bedarf es (zunehmend) der Festlegung von Bedingungen, damit eine Kommunikation zwischen verschiedenen Teilnehmern möglich ist. Bspw. darf das Netz nicht mit Stromstärken oder Spannungen arbeiten, die für die Sende- oder Empfangsgeräte zu hoch oder zu niedrig sind. Innerhalb der Netze müssen die Leitungen zueinander und zu den anderen eingesetzten Geräten (Endgeräte, Vermittlungstechnik) passen; evtl. notwendige Steuerbefehle für den Signalfluß müssen überall gleich lauten. Weiterhin bedarf es der Festlegung, wann, wo und wie und mit welchen technischen Mitteln Kommunikatoren überhaupt miteinander in Verbindung treten können und welcher (Zeichen-)sprache sie sich bedienen müssen. Erforderlich sind ferner Festlegungen über Eigenschaften der Endgeräte sowie genormte Schnittstellenbedingungen am Übergang vom Endgerät zum Netz. Andererseits wirkt sich eine „Überstandardisierung" innovationshemmend und damit wettbewerbsfeindlich aus. Aus ökonomischer Sicht stellt sich daher vor allem die Frage, wie weit eine Standardisierung reichen soll.
52 Streitig ist, ob es für die Einführung von ISDN wegen der Wesentlichkeitstheorie eines formell-materiellen Gesetzes bedarf. Dafür J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 699ff.; H. Kubicek, D u D 1987, 21 ff.; dagegen K.-H. Ladeur, Z G 1987, S. 140 (153ff.); B. Jansen, APF 1989, 409ff. Vgl. ferner den Bericht von H. Schulze-Fielitz, NJW 1990, 31 (33f.) über die Staatsrechtslehrertagung 1989 in Hannover, insbes. über das Referat von B. Schlink über die Bewältigung der Folgen speziell der Veränderung der Informationstechnologien. Vorrangig ist angesichts der Telematik aber zu fragen, inwieweit (unabhängig von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage) Verfassungsrecht die Setzung von Kommunikationsstandards durch die Bundespost überhaupt erlaubt. 53 H. Kubicek, D u D 1987, 21 ff.; B. Mettler-Meibom, Media Perspektiven 1988, 409ff. mit einem abwegigem, da schon in der Ausgangsbasis verfehlten Vergleich zum Straßenverkehr. Dezidierte Auseinandersetzung mit den gängigsten Argumenten gegen ISDN bei O.-F. Schröter, net Bd. 43 (1989), S. 148ff. und Neumann-Schnöring, JbDBP 1986, S. 51 ff. 54 Hier tun sich D I E G R Ü N E N besonders hervor. Vgl. BT-Drucks. 10/3334; 10/ 3335; 10/3336. 55 Vgl. dazu bspw. G. Giller, datacom 9/88, S. 108ff.; Κ Sommer, net Bd. 43 (1989), S. 49ff.; Ν. N., ebda, S. 72; Ν. N., net Bd. 41 (1987), S. 160; W. Berndt, JbDBP 1986, S. 87ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 336ff.; H. Redeker, aaO, S. 20f.; EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 65ff.
41
IV. Standardisierung
1. Standardisierungsbeteiligte Da Telekommunikation die Staatsgrenzen überschreitet, werden nachrichtentechnische Standards nicht allein von der DBP, sondern von einer Vielzahl von nationalen, supranationalen und internationalen Normungsgremien 56 unter Beteiligung zahlreicher öffentlicher und privater Organisationen erarbeitet. Weltweite Standardisierung findet für alle Bereiche der Informationstechnologie, mithin auch für die Telekommunikation, in drei Gremien statt: In der ISO (Internationale Organisation für Standardisierung), der IEC (Internationale Elektrische Kommission), sowie im CCITT (Internationale Organisation der Fernmelde Verwaltungen). In Europa erfolgte die Standardisierung bisher ebenfalls durch drei Gremien, nämlich durch CEN (Europäisches Komitee für Normung), CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) und CEPT (Europäische Konferenz der Verwaltungen für das Post- und Fernmeldewesen), wobei die CEPT mittlerweile durch das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) ersetzt worden ist, welches mit CEN und CENELEC zusammenarbeiten soll. Nationale Standardisierungsgremien sind in der Bundesrepublik D I N (Deutsches Institut für Normung), D K E (Deutsche Elektrotechnische Kommission) und die Deutsche Bundespost. Information Technology
Telecommunication
weltweit
ISO
ICE
CCITT
europäisch
CEN
CENELEC
CEPT
F Τ ^ Τ c, ι ο ι
national
DIN
DKE
FM-Verwaltung (DBP)
2. Das OSI-Referenzmodell der ISO Vor dem Hintergrund, daß Nachrichten weltweit über Telekommunikationsnetze transportiert und ohne Verfälschung des Inhalts den Adressaten erreichen sollen, sind solche Standardisierungsverfahren im Bereich der Telekommunikation schon länger üblich. Im Bereich der Datenverarbeitung und der Datenfernverarbeitung legten dagegen die großen Hersteller darauf Wert, durch Entwicklung von Firmenstandards die Inkompatibilität zu einem Mittel
56 Unter Normen sind hier Regeln zur Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zu verstehen; über die rechtliche Verbindlichkeit dieser Normen ist damit nichts gesagt.
42
Α. Begriffliche Erläuterungen
des Wettbewerbs zu machen. 57 Die Reaktion von Anwendern und anderen Herstellern war die Entwicklung des sog. Ο SI-Referenzmodells 58 in der ISO, häufig auch als 7-Schichten-Modell bezeichnet, mit welchem auch im Bereich der Datenfernverarbeitung „offene Kommunikation", also jeder mit jedem, ermöglicht werden soll. Dieses Modell ist mittlerweile der zentrale Bezugspunkt aller Standardisierungsbemühungen auch im Bereich der Telekommunikation geworden. 59 Es bildet den Rahmen für die Einordnung und die Entwicklung von Kommunikationsprotokollen und Schnittstellen; bereits vorhandene Normungen für nachrichtentechnische Einrichtungen werden in dieses Modell integriert. 60 Dem kann sich auch eine rechtswissenschaftliche Untersuchung nicht von vorneherein verschließen, so daß eine (kurze) Darstellung des OSI-Referenzmodells sinnvoll erscheint. Eine ganz andere Frage ist, inwieweit dieses Modell mit den einschlägigen Rechtsvorschriften in Übereinstimmung zu bringen ist. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein. Das OSI-Referenzmodell besteht aus insgesamt 7 Schichten, bei denen immer die höhere auf der niedrigeren Schicht aufsetzt: 61 Schicht 7 = Application layer (Anwendung) Schicht 6 = Presentation layer (Darstellung) Schicht 5 = Session layer (Sitzung) Schicht 4 = Transport layer (Transport) Schicht 3 = Network layer (Netzwerk) Schicht 2 = Data link layer (Leitungsprozedur) Schicht 1 = Physical layer
Telefongesprächsthema Vorstellung, sowie Abmachung über Sprache Dienste der Telefonistin Dialogregeln Gewählte Nummer und Rufzeichen Hörer abnehmen und Tonaufforderung zur Wahl Angeschlossener Telefonapparat
In Schicht 1 wird festgelegt, wie die einzelnen Informationseinheiten (Bits, akustische Signale) die Strecke überwinden, welche Übertragungseinrichtungen (Modems, Lichtwellensender etc.) zum Einsatz kommen und wie die Übertragungseinrichtungen jeweils miteinander kommunizieren. Ferner geht 57
So z.B. I B M mit SNA (Systems Network Architecture), vgl. dazu EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930; S. 76f.; Digital Equipment Corporation (DEC) mit DecNet sowie Siemens mit Transdata, vgl. K. O. Stadtherr, net Bd. 41 (1987), S. 180 (182). 58 OSI - Open System Interconnection. 59 Deutliche Bezugnahmen bspw. bei der EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 68f. Die Sichtweise der DBP findet sich bei G. Giller, datacom Heft 9/88, S. 108 (lllf.). 60 Κ. Ο. Stadtherr, net Bd. 41 (1987), S. 180 (182); / . Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 20. 61 Vgl. R. Paykowski, net Bd. 43 (1989), S. 44ff.; R. Hölbling, datacom 8/88, S. 22 ff. mit einer Zusammenstellung der seitens der ISO bereits erarbeiteten Normungen, sowie J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 20ff.
IV. Standardisierung
43
es in dieser Schicht um Fragen der elektrischen Anpassung von Endeinrichtungen an Übertragungseinrichtungen und -medien. Schicht 2 sorgt für die Bereitstellung und Sicherung der Übertragungsstrecke. Es wird beschrieben, welche Maßnahmen für die Übertragungssicherheit ergriffen werden und worin diese Maßnahmen im einzelnen bestehen. In Schicht 3 wird die physikalische Gesamtstrecke (Netzverbindung) ausgewählt. Diese Schicht koppelt die einzelnen Übertragungs-Teilstrecken aneinander (Endgerät-Leitung-Vermittlungssystem-Leitung-Endgerät). Schicht 4 errichtet, steuert und beendet Transportverbindungen zwischen den Kommunikationspartnern. In Schicht 5 wird festgelegt, wie die Kommunikation Mensch-Maschine abgewickelt werden soll. Schicht 6 sorgt für die „Verständigung" der Kommunikationspartner. Schicht 7 schließlich legt fest, wie zwei Kommunikationspartner für die Lösung einer Aufgabe zusammenarbeiten. 3. Rechtsrelevanz von Standardisierungsentscheidungen Von den am OSI-Referenzmodell ausgerichteten international erarbeiteten Standards ist in technischer Hinsicht ein Abweichen nur schwer möglich, weil sie den Konsens der wichtigsten Fernmelde Verwaltungen, Betriebsgesellschaften und Herstellerunternehmen widerspiegeln. 62 Dagegen sind diese Standards in rechtlicher Hinsicht völlig unverbindlich. Die von CCITT und CEPT erarbeiteten Standards werden von vorneherein nur als „Empfehlungen" herausgegeben. Die Übernahme von ISO- und IEC-Normen ist schon für die Mitgliedsorganisationen nicht zwingend. 63 Bei den in den nationalen Normungsgremien D I N und D K E erarbeiteten Standards handelt es sich um Normungen von nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten, privatrechtlichen Normungsorganisationen . Daher werden die von den aufgeführten Normungsgremien erarbeiteten Standards durch die Bundespost häufig, aber nicht immer, 64 in Verwaltungsvorschriften übernommen. Dann aber könnten solche in Verwaltungsvorschriften umgesetzten Standards wegen einer reduzierten Kontrolldichte seitens der Gerichte eine (beschränkte) rechtliche Verbindlichkeit entfalten. Voraussetzung hierfür wäre aber, daß man die Differenzierung in der Wyhl62 J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 340 m.w.Nachw. Eine Ausnahme hierzu stellt der von der amerikanischen Firma Hayes entwickelte Modem-Befehlssatz dar, der sich gegenüber dem andersartigen CCITT V25-bis Standard durchsetzen konnte. 63 J. Scherer, aaO, S. 342. 64 Bei G. Giller, aaO, S. 111, wird dies mit „Anpassung der internationalen Standards an die nationalen Anforderungen" umschrieben. Offen bleibt, wer die „nationalen Anforderungen" beurteilt; fest steht, daß daraus eine Inkompatibilität zu internationalen Standards resultieren kann, die sich nachteilig auf die Einführung von Telekommunikationsdiensten auswirkt.
44
Α. Begriffliche Erläuterungen
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 65 nach norminterpretierenden und normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und der sich damit verbindenden beschränkten Überprüfungsbefugnis von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften durch die Gerichte übernimmt. Angesprochen ist damit die gleiche Problematik wie im Bereich des sog. technischen Sicherheitsrechts. Sie kann an dieser Stelle nicht näher erörtert werden, weil sonst der Umfang dieser Arbeit gesprengt würde. Nur soviel sei gesagt: Erkennt man die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an, so schafft man eine neue Rechtsquelle, die sich in das System der anerkannten Rechtsquellen nicht einordnen läßt. 66
65 BVerwGE 72, 300ff. 66 Einschränkend BVerfGE 78, 214 (227), das die Differenzierung nach norminterpretierenden und normkonkretisierenden Standards wohl als einen auf den Bereich des Atomrechts begrenzten Sonderfall ansieht. Zur Problematik insgesamt K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I I / l , 1988, § 73 I I I 6 d m.umf. Nachw., insbes. FN 140.
Β . Bisherige Problemlösungen Die durch die Telematik verursachten Regelungsprobleme 1 stellten sich nicht allein in der Bundesrepublik Deutschland. Bereits früher gab es in anderen Staaten Bestrebungen zur Lösung dieser Konflikte. Sie gingen dahin, zumindest teilweise Wettbewerb im bisherigen Ausnahmebereich Telekommunikation zu ermöglichen. Die Verfahren hierzu waren entsprechend den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen unterschiedlich.
I. USA Frühzeitig begann die Reregulierung des Telekommunikationsbereichs in den Vereinigten Staaten.2 Die markantesten Punkte sind die Above-890-Entscheidung von 1959, die Carterf one-Entscheidung von 1968, die ComputerInquiries I - III (1971, 1976, 1985) sowie die Entflechtung von AT& Τ (1984). Die Above-890 Entscheidung erlaubte gegen den Widerstand des damaligen Monopolunternehmens A T & T bestimmten Großnutzern erstmals, eigene Übertragungsnetze auf Mikrowellenbasis für die interne Nutzung aufzubauen. Wichtige Folgeentscheidungen ergingen 1969, in der M C I 3 gestattet wurde, ein Richtfunknetz zwischen Chicago und St. Louis zu errichten, sowie 1971 in der Execunet-Entscheidung des Appellationsgerichts in Washington D.C., in der wiederum M C I das Recht zugesprochen wurde, einen Dienst namens Execunet anzubieten, der vom Standpunkt des Nutzers als Wähldienst anzusehen war. Die Carterfone-Entscheidung von 1968 eröffnete den nahezu unbegrenzten Wettbewerb im Endgerätebereich, weil A T & T zur Unterbreitung von techni-
1
Oben Einleitung. Vgl. dazu J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 205ff.; ders., Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 63ff.; Heuermann-Neumann-Schnöring-Wieland, JbDBP 1986, S. 165ff.; E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 46f.; H. J. Kleinsteuber, RuF Bd. 35 (1987), S. 151 ff.; J. Plagemann, APF 1988, 16ff.; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BTDrucks. 11/2855, S. 15; W. Schatzschneider, Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?, 1988, S. 46f.; Ε. M. Noam, ZPFHeft 12/1988, S. 4ff.; McCue-Shannon, E D V und Recht 1989, S. 116ff. 3 Microwave Communications Inc. 2
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Β. Bisherige Problemlösungen
sehen Zulassungsstandards verpflichtet wurde, wonach der Anschluß nur noch bei technisch unzulänglichen Endgeräten verweigert werden konnte. 4 In der Computer-I Entscheidung versuchte das FCC 5 dann erstmals, auf das Zusammenwachsen von Telekommunikation und Datenverarbeitung zu reagieren, da sie Gefahr lief, ihre nur im Bereich der Telekommunikation vorhandenen Regelungsbefugnisse auch in den Bereich der Datenverarbeitung auszudehnen.6 Es wurden daher drei Formen von Diensten gebildet: Dienste, die eindeutig als Telekommunikation anzusehen waren, Dienste, die eindeutig der Datenkommunikation zuzurechnen waren, und schließlich nicht eindeutig zum einen oder anderen Bereich gehörende Zwischenformen (hybrid services). Bei letzteren sollte im Einzelfall entschieden werden, ob es sich überwiegend um Datenverarbeitung oder Telekommunikation handelt. Die Gefahr, daß ein Telekommunikationsunternehmen Gewinne aus dem regulierten Telekommunikationsbereich dazu nutzen konnte, Unterkostenpreise in unregulierten Wettbewerbsbereichen zu finanzieren, suchte man dadurch zu umgehen, daß Dienste der (überwiegenden) Datenverarbeitung nur durch eigene selbständige Tochtergesellschaften mit eigenem Kostenrechnungswesen und Management angeboten werden durften (separate subsidiary). 7 A T & T durfte sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht in der Datenverarbeitung betätigen. Nachdem sich endlose Streitereien um die Kategorie der Zwischenformen ergaben, wählte die FCC in der Computer-Ii Entscheidung einen neuen Ansatz. 8 Definiert wurden zwei Dienstekategorien: basic und enhanced services. Basic services sollten all diejenigen Dienste sein, die nur der Übertragung von Informationen ohne Veränderung ihrer Form dienten. Enhanced services entstehen durch zusätzliche zur Übertragung hinzukommende Dienstlei4 Vgl. J. Scher er, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 216ff. m.w.Nachw.; E. Witte (Hrsg.), aaO, S. 50. Diesen entscheidenden Unterschied zur restriktiven Zulassungspolitik der Bundespost unterschlägt U. Klingler, APF 1978, 184 (189) bei seinem Hinweis auf eine angeblich liberale Handhabung des (damals noch umfassenden) Fernmeldemonopols durch die Bundespost völlig. Er selbst hält ein Verbot der Anschaltung privater Endeinrichtungen schon dann für zulässig, wenn eine Konkurrenz zu den von der Bundespost überlassenen Einrichtungen verhindert werden soll (aaO, S. 188), was mit der Verhinderung von Störeinflüssen auf das Netz nichts mehr zu tun hat. 5 Das FCC ist eine dem amerikanischen Kongreß unterstellte Regierungskommission, die seit 1934 für die Regelung des Telekommunikationsbereichs auf Bundesebene zuständig ist. Innerhalb der Gliedstaaten erfolgt die Regulierung durch State Public Utility Commissions, vgl. J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 63f. 6 Vgl. J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 67ff. m.w.Nachw.; Heuermann-Neumann-Schnöring-Wieland, JbDBP 1986, S. 165 (166f.). 7 Vgl. J. Plagemann, APF 1988, 16. 8 Vgl. J. Scherer, aaO, S. 73ff. m.w.Nachw.; Heuermann-Neumann-Schnöring-Wieland, aaO, S. 167;/. Plagemann, aaO, S. 17.
I. USA
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stungsmerkmale wie Speicherungen oder Protokollumwandlungen. Die FCC hielt sich nunmehr für befugt, beide Kategorien von Diensten zu regulieren, erklärte aber zugleich, davon im Fall der enhanced services keinen Gebrauch machen zu wollen. Grundsätzlich festgehalten wurde an der Bestimmung, daß Telekommmunikationsunternehmen enhanced services nur durch verselbständigte Tochtergesellschaften wahrnehmen durften. Eine Einschränkung gegenüber der Computer I Entscheidung lag darin, daß sich das Gebot der separate subsidiary nur noch auf die beiden mächtigsten Netz- und Dienstträger A T & T und GTE bezog. Später wurde dies zugunsten von GTE noch re vidiert, so daß nur noch A T & T den Regeln der strukturellen Trennung unterlag. Eine Erweiterung gegenüber Computer I bedeutete die Ausdehnung der Trennungsregeln auf die Bereitstellung von Endgeräten. Damit war die „Telekommunikationsbetrachtungsweise" (alles aus einer Hand) in den USA endgültig aufgegeben. 9 Parallel hierzu lief seit 1974 ein Antitrustverfahren des Department of Justice gegen A T & T . 1 0 Zu diesem Zeitpunkt gehörten zu A T & T („BellSystem") 23 Fernmeldegesellschaften, die rund 85% des Ortsverkehrs abwikkelten. Das A T & T Long Lines Department hatte im Bereich des Fernverkehrs und der internationalen Telekommunikation einen Marktanteil von über 90 %. Zu A T & T gehörte ferner Western Electric Corp., der größte Hersteller von fernmeldetechnischen Geräten, der nahezu den gesamten fernmeldetechnischen Bedarf des Beil-Systems deckte und als zentrale Einkaufsorganisation fungierte, sowie schließlich noch die Bell Telephone Laboratories, bei der es sich um die größte private Forschungseinrichtung der Welt handelt. Das Verfahren endete schließlich 1982 mit einem Vergleich. A T & T hatte sich zum 1.1. 1984 von 22 seiner 23 Bell operating companies zu trennen, die ihrerseits zu sieben unabhängigen regionalen Holdinggesellschaften zusammengefaßt wurden. Im Gegenzug blieb die restrukturierte A T & T nicht länger auf den Telekommunikationsbereich und dort auf die basic services beschränkt, sondern konnte nun grundsätzlich auch im Bereich der enhanced services und der Datenverarbeitung tätig werden. 11 Die Entflechtung von A T & T ließ das Erfordernis der separate subsidiary hinfällig werden, weil nunmehr mildere Mittel zur Verfügung standen, um der Gefahr einer Quersubvention zu Lasten von Mitwettbewerbern allgemein begegnen zu können: Die Computer I I I Entscheidung stellte dafür als wichtigste Instrumente zum einen das Erfordernis der Gewährleistung eines gleichberechtigten Netzzu9
Siehe auch J. Scher er, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 80. 10 Dazu ausführlich//. / . Kleinsteuber, RuFBd. 35 (1987), S. 151 ff.; fernerE. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 47 ff.;/. Scherer, aaO,S. 86 ff. 11 Weitere Auswirkungen der A T & T Divestiture beschreibt E. M. Noam, ZPF 12/ 1988, S. 4ff.
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Β. Bisherige Problemlösungen
gangs für alle Dienstträger auf (comparably efficient interconnection, CEI) 1 2 und erhebt zum anderen das Erfordernis der Schaffung einer Offenen Netzarchitektur (Open Network Architecture, O N A ) . 1 3 Bis die endgültigen Pläne für eine Offene Netzarchitektur genehmigt sind, dürfen A T & T und die Bell operating companies nur einzelne enhanced services anbieten und müssen zudem vorher dem FCC einen CEI-Plan vorgelegt haben. Auf eine Kurzformel gebracht: Die Grenzziehung zwischen basic und enhanced services existiert zwar noch, ist aber aufgeweicht und wird nach Schaffung einer Offenen Netzarchitektur durch wettbewerbsrechtliche Kontrollen abgelöst werden.
I I . Großbritannien In Europa wurde die Deregulierung der Telekommunikation zuerst in Großbritannien angegangen. Markante Punkte sind die Umwandlung des Post Office in ein öffentliches Unternehmen und seine Trennung vom Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen (1969), die Abschaffung des Postministeriums, dessen Befugnisse auf das Wirtschaftsministerium übergingen (1974), der Telecommunication Act 1981 und der Telecommunication Act 1984.14 Erste weitreichende Auswirkungen hatte der Telecommunication Act 1981. Er spaltete das Post Office in zwei public corporations auf: das Post Office (neu, zuständig für Post- und Postbankdienste) sowie British Telecom (BT). BT wurde sogleich weitgehend dem Wettbewerb ausgesetzt: Zum einen gab es kein Endgerätemonopol mehr. 15 Zum zweiten wurde es privaten Anbietern aufgrund einer Lizenz des Wirtschaftsministeriums ermöglicht, über Mietleitungen oder öffentliche Netze Mehrwertdienste 16 zu betreiben. Verboten blieb lediglich der einfache Weiterverkauf von Leitungskapazität. Und schließlich wurden durch das Wirtschaftsministerium weitere Netzbetreiber zugelassen, nämlich Mercury sowie zwei cellular-radio 17-Gesellschaften. Die 12 Näher J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 102ff. 13 J. Scher er, aaO, S. 103; E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 50; J. Plagemann, APF 1988, 16 (18). 14 Umfassend J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 108ff.; vgl. ferner E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 51 ff.; Heuermann-Neumann-Schnöring-Wieland, JbDBP 1986, S. 165 (166f.); J. Plagemann, APF 1988, 16 (19ff.). 15 E. Witte (Hrsg.), aaO, S. 52. Das Monopol für einfache Telefonapparate lief 1986 aus. 16 U m Mehrwertdienste (value-added services) handelt es sich, wenn sie über die bloße Übermittlungsfunktion hinausgehende weitere Merkmale (insbesondere Speicherungen, Verarbeitungen) aufweisen. Ausführlich Frantzen-Trox, D u D 1988, 329ff. 17 Cellular radio wird landläufig mit Mobilfunk übersetzt. Gemeint ist regelmäßig aber nur der nichtöffentliche bewegliche Landfunkdienst (nöbL) „Autotelefon".
II. Großbritannien
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Verantwortlichkeit für nationale Telekommunikationsstandards wurde auf das British Standard Institute übertragen. Zulassungsstelle zwecks Gleichbehandlung aller Wettbewerber wurde das British Approvals Board. Der Telecommunication Act 1984 führte dann zum einen zur Privatisierung von British Telecom. Zum anderen wurde zwecks Überwachung der Einhaltung fairen Wettbewerbs das Office of Telecommunications (OFTEL) geschaffen. Das Wirtschaftsministerium behielt seine Lizensierungsfunktion. Seitdem ist der Rechtsbegriff des „Telekommunikationssystems" der Zentralbegriff des britischen Regulierungsmodells; zum zentralen Steuerungsinstrument wurde die Entscheidung über die Lizensierung von Telekommunikationssystemen im Einzelfall. Derzeit lassen sich drei Gruppen von lizensierten Betreibern unterscheiden: - Betreiber der öffentlichen Netze und Dienste (PTO 18 ). Ihnen obliegen gesetzliche Verpflichtungen, so die Gewährung des Netzzugangs, Diskriminierungsverbot, Tarifierungspflicht. - Betreiber von Mehrwertdiensten. - Betreiber von privaten Nebenstellenanlagen-Netzen. Die beiden letzten Gruppen operieren auf der Basis von Allgemein Verfügungen, deren Voraussetzungen 1987 neu gefaßt wurden. 19 Ausschlaggebend hierfür war das Vorhaben von BT und I B M , ein gemeinsames Daten(verarbeitungs)netz zu errichten, was zu einer weitgehenden Monopolisierung des Marktes für Mehrwertdienste geführt hätte. Andererseits war die Einführung der von BT und I B M geplanten Dienste durchaus erwünscht, wenn die Lizensierungsbestimmungen modifiziert und durch Regeln zur Kontrolle marktbeherrschender Betreiber ergänzt würden. Im Zuge der Neufassung stellte sich als wesentlicher Mangel der bisherigen Lizensierungsbestimmungen heraus, daß sie keine Definition eines value added network service, sondern nur eine allgemein gehaltene Klassifizierung von Mehrwertdiensten enthalten hatte. Eine der Computer I I Entscheidung entsprechende Grenzziehung wurde indes verworfen. Man erachtete vielmehr den Schutz des Tätigkeitsbereichs der PTO's als Grenze für die Tätigkeit privater Anbieter. Zum Tätigkeitsbereich der PTO's gehörte die flächendeckende Bereitstellung von Übertragungsdiensten. Als solche sieht das Wirtschaftsministerium den Fernsprech- und Telexdienst an. Dementsprechend gestattet die neue VADS-Lizenz die Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationssystemen zur Erbringung von Mehrwert- und Datenverarbeitungsdiensten, also sämtlicher Nachrichtenübertragungs- und Mehrwertdienste mit Ausnahme des Fernsprech- und Telexdienstes. Hinsichtlich der Träger der VADS-Lizenz werden nunmehr zwei Gruppen unterschieden, sog. marktmächtige und nicht marktmächtige Dienst18 19
Public Telecommunications Operators. Dazu/. Scherer, aaO, S. 131 ff.
4 Köbele
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Β. Bisherige Problemlösungen
träger. Erstere unterliegen schärferen wettbewerblichen Regelungen und müssen Zugang zu den von ihnen angebotenen Diensten nach Maßgabe des OSI-Standards gewähren. Letztlich ist in Großbritannien die Abgrenzung zwischen Telekommunikations- und Datenverarbeitungsbereich durch enumerative Aufzählung von Kommunikationsdiensten, die allein durch die PTO's betrieben werden dürfen, gelöst worden. Im übrigen wird das Instrument der wettbewerblichen Aufsicht verwendet.
I I I . Niederlande 20 In Kontinentaleuropa waren es interessanterweise zuerst die Niederlande, die sich mit Deregulierungsmaßnahmen befaßten. Im Unterschied zu den USA und Großbritannien, wo hinter der Grenzziehung von Datenverarbeitung und Telekommunikation letztlich die Abgrenzung von Tätigkeitsbereichen privater Unternehmen stand (BT war ab 1984 ebenfalls privatisiert), 21 stellte sich in den Niederlanden das Problem, daß mögliche Deregulierungen das Tätigkeitsfeld eines öffentlichen Unternehmens betrafen, ohne daß dieses aber privatisiert werden sollte: Die niederländische PTT stand als öffentliches Unternehmen unter der Aufsicht des Ministers für Verkehrs- und Wasserwirtschaft und wurde von einem Generaldirektor geleitet. Sie war in die beiden Hauptdirektionen Post- und Fernmeldewesen sowie in drei kleinere Hauptabteilungen (Personal, Finanzen, Technik) aufgeteilt. Zu ihren Aufgaben im Fernmeldewesen zählten die Bereitstellung von Fernmeldenetzen und -diensten, die Bereitstellung von Mietleitungen, Bereitstellung, Installation und Wartung von Endgeräten sowie die technische Standardisierung von nachrichtentechnischen Einrichtungen. Die Grundlage für eine Reform bildet der im Juli 1985 vorgelegte Steenbergen-Bericht, der im wesentlichen auf eine Umgestaltung der PTT abzielte. Danach wird die PTT in eine privatrechtliche Holding (Aktiengesellschaft nach niederländischem Recht) umgewandelt, deren Aktienkapital aber vollständig in staatlicher Hand verbleibt. Innerhalb der Holding sollen drei GmbH's (davon zwei für Telekommunikation) gegründet werden. Eine der beiden Telekommunikationsgesellschaften soll sich der gemeinnützigen, die andere der unternehmerischen Telekommunikation widmen. Quersubventionierung untereinander ist nicht von vorneherein ausgeschlossen. Die gemeinnützige Telekommunikation soll auf der Grundlage einer neu zu schaffenden 20 Dazu / . Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 142 ff.; Plagemann- Β achmann, D Ö V 1987, 807 (808 ff.); E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 60f.; Heuermann-Neumann-Schnöring-Wieland, JbDBP 1986, S. 165 (170ff.). 21 Ebenso/. Plagemann, APF 1988, 16.
IV. Bundesrepublik Deutschland
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Konzession, die durch eine neu zu schaffende Stelle unter direkter Verantwortung des für das Post- und Fernmeldewesen verantwortlichen Ministers für Verkehr und Wasserwirtschaft erteilt werden sollte, ausschließlich durch die dafür zuständige GmbH ausgeübt werden. Bei der Abgrenzung von gemeinnützigen und unternehmerischen Aufgaben orientierte sich die Kommission an den Empfehlungen der CCITT zur Unterscheidung von Übermittlungsund Tele(informations)diensten: Im Rahmen ihrer gemeinnützigen Aufgabe, für die öffentliche Infrastruktur zu sorgen, hat die PTT-Telekommunikation neben dem Netzmonopol das Alleinrecht, die Überbringerdienste Telefon, Telegraph, Telex und Datenkommunikation anzubieten. Außerdem ist sie verpflichtet, bestimmte Endgeräte bereitzustellen. Endeinrichtungen und Tele(informations)dienste können von der PTTTelekommunikation im Wettbewerb mit privaten Dienstträgern angeboten werden. Die von privaten Dienstträgern über Mietleitungen des Netzträgers anzubietenden Teledienste unterliegen einem staatlichen Genehmigungserfordernis. In der Genehmigung werden die Merkmale des betreffenden Dienstes festgelegt und durch Auflagen sichergestellt, daß der private Dienstträger der PTT-Telekommunikation im Bereich der Übertragungsdienste keinen unlauteren Wettbewerb macht. Zur Gründung einer Gesellschaft für die unternehmerische Telekommunikation ist es wegen des Widerstandes der PTT bisher nicht gekommen; es besteht lediglich eine getrennte Finanzverwaltung für den Konzessions- und den Nichtkonzessionsbereich. Auch ist die für den Erlaß von Vorschriften, Genehmigungen, Vorbereitung der Konzessionen und die Gemeinwohlauflagen zuständige Stelle nicht etwa eine unabhängige Regierungskommission, sondern eine Abteilung innerhalb des Ministeriums für Verkehr und Wasserwirtschaft. Vor allem aber haben Gesetzesänderungen bisher nur im Bereich des Postwesens stattgefunden. 22
I V . Bundesrepublik Deutschland Auf die Neuordnung der Situation des Fernmeldewesens in der Bundesrepublik Deutschland durch das Poststrukturgesetz wurde bereits oben 23 eingegangen. Die Darstellung der Neuordnung bedarf hier der Ergänzung, weil bereits vor Erlaß des Poststrukturgesetzes verordnungsrechtliche Grenzziehungen erfolgt sind.
22 So jedenfalls die Auskunft der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag vom 14. 2. 1990 gegenüber dem Verfasser. Die gesetzliche Änderung im Bereich des Postwesens ist durch das Postwet, Staatsblad van het Koninkrijk der Nederlanden, 1988, Nr. 522, erfolgt. Vgl. dort insbes. Art. 5 Postwet. 23 Einleitung.
4*
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Β. Bisherige Problemlösungen
1. Telekommunikationsordnung Diese Grenzziehungen hatte die Bundespost mittels der Telekommunikationsordnung ( T K O ) 2 4 vorgenommen, die noch auf der Basis von § 14 PostVwG 25 am 1. 1. 1988 als Rechtsverordnung in Kraft getreten ist. 26 Sie ersetzte die vier der davor geltenden Benutzungsverordnungen, nämlich die Fernmeldeordnung, die Verordnung über den Fernschreib- und Datexdienst, die Verordnung über das öffentliche Direktrufnetz für die Übertragung digitaler Nachrichten sowie die Telegrammordnung. 27 Mit dem Erlaß der T K O sollten vor allem drei Ziele erreicht werden, nämlich Schaffung eines der nachrichtentechnischen Entwicklung adäquaten verordnungsrechtlichen Regelungsrahmens, Harmonisierung der Gebühren für Wähl- und Festverbindungen („Mietleitungen") als Voraussetzung für die Zulassung privater Telekommunikationsdienstträger, sowie die Vereinfachung und Systematisierung bestehender benutzungsrechtlicher Regelungen. 28 In der Telekommunikationsordnung wird erstmals nach Telekommunikationsnetzen, -diensten und Endstelleneinrichtungen unterschieden, §§ 3, 4, 7 TKO. Das öffentliche, von der Bundespost zu betreibende Telekommunikationsnetz besteht (in Abhängigkeit vom jeweiligen Telekommunikationsdienst) aus dem in unterschiedliche Netzbereiche unterteilten leitungstechnischen Grundtatbestand und aus Teilnehmeranschlüssen. Der Teilnehmeranschluß (und damit das Netz) endet mit einer Anschalteinrichtung der Deutschen Bundespost bei der „Erst-Endeinrichtung" (§ 6 Abs. 1 Satz 2 TKO). Als öffentliche Telekommunikationsdimste werden die von der Post „im Rahmen" des öffentlichen Telekommunikationsnetzes ermöglichten Formen vermittelter und verteilter Kommunikation definiert (§ 4 Abs. 1 TKO). Eine Differenzierung nach einzelnen Diensten (insbesondere nach Basis- und Mehrwertdiensten) zwecks Zulassung privater Mehrwertdienstträger wurde dagegen bewußt nicht vorgenommen, weil man der Auffassung war, daß eine derartige Trennung nicht hinreichend trennscharf und wegen der Eigengesetzlichkeit von Physik und Technologie zum Scheitern verurteilt sei. 29 Vielmehr soll die Zulassung von Mehrwertdiensten mit Hilfe der Gebührenpolitik bewirkt werden. 30 Dabei spielt der Grundgedanke der nutzungszeitabhängigen Tari24 BGBl. 1986 I, S. 1749ff. Sie tritt zum 1. 7. 1991 außer Kraft. 25 Aufgehoben durch das Poststrukturgesetz vom 8. 6. 1989, BGBl. 1989 I, S. 1026 ff. 26 § 396 Abs. 1 TKO. 27 Vgl. § 396 Abs. 2 TKO. 28 Bundespostminister Chr. Schwarz-Schilling, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 83 vom 9. 7. 1986, S. 701 ff. 29 Vgl. Schön-Neumann, JbDBP 1985, S. 478 (480f.); H. Schön, JbDBP 1986, S. 9 (44ff.) und später auch Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, BT-Drucks. 11/2855, S. 33.
IV. Bundesrepublik Deutschland
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fierung eine entscheidende Rolle: Die Tarife für die Inanspruchnahme von (privaten) Festverbindungen und (öffentlichen) Wählverbindungen werden durch eine nutzungszeitabhängige Tarifierung aneinander angeglichen. Ein bloßer Weiterverkauf von Mietleitungen, der bei einer pauschal tarifierten Mietleitung ab einer bestimmten Nutzungszeit kostengünstiger ist als die Inanspruchnahme von zeitabhängig tarifierten Wählverbindungen, soll damit unterbunden werden. Dieses Konzept ist allerdings mit mehreren Einwänden behaftet. 31 Zum einen fällt auf, daß auch die Bundespost bei der Formulierung des Regelungsziels (Zulassung privater Mehrwertdienste) nicht ohne eine Unterscheidung zwischen denjenigen Diensten, für die man konkurrierende Dienstträger zulassen will und solchen Diensten, bei denen es bei ihrem Alleinrecht bleiben soll, auskommt. Zum anderen stellt sich die Frage nach der Wahrung allgemeiner gebührenrechtlicher Prinzipien, insbesondere des Äquivalenzprinzips, weil die nutzungszeitabhängigen Tarife weit höher liegen als die Kosten der bereitgestellten Mietleitungen. 32 Unabhängig hiervon ist nicht unproblematisch, ob die doch recht weitgehende Neustrukturierung, die die Telekommunikationsordnung vorgenommen hat, überhaupt von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des mittlerweile aufgehobenen § 14 PostVwG gedeckt ist. 33 2. Poststrukturgesetz Das IV2 Jahre nach Inkrafttreten der T K O erlassene Poststrukturgesetzes führte dann auch auf gesetzlicher Ebene zu umfassenden Veränderungen im Bereich des Post- und Fernmeldewesens. Betroffen hiervon sind vor allem die 30 Schön-Neumann, aaO, S. 480ff.; H Schön, aaO, S. 44ff. K.-H. Ladern, CuR 1989, 514 (521) bemerkt demgegenüber zu Recht, daß die Bundesrepublik mit dem geschilderten Tarifierungsprinzip international alleine dasteht, während die in der Telekommunikation führenden Staaten USA und Japan davon ausgehen, daß die Unterscheidung zwischen Basis- und Mehrwertdiensten auch administrativ durchführbar sei. 31 Ausführlich J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 168ff.; vgl. ferner K.-H. Ladeur, aaO, S. 514ff. 32 Weitere Bedenken bei J. Scherer, aaO, S. 171; kritisch auch K.-H. Ladeur, CuR 1989, 514 (516ff.). 33 Kritisch J. Scherer, CuR 1987, 115 (120); weitere Nachw. bei K.-H. Ladeur, Z G 1987, S. 140 (141 FN 4). Unerheblich ist allerdings, daß § 14 PostVwG als Ermächtigungsgrundlage der T K O weggefallen ist, da eine im Zeitpunkt ihres Erlasses auf gesetzlicher Grundlage ergangene Rechtsverordnung durch den Fortfall der Ermächtigungsvorschrift nicht ihre Gültigkeit verliert (BVerfGE 9, 3 (12)). Nach § 65 PostVerfG (Sa I Nr. 900) tritt die Telekommunikationsordnung zum 1. 7. 1991 außer Kraft. Gem. § 25 PostVerfG soll die Bundesregierung nach Anhörung des Bundesministers für Post und Telekommunikation mittels einer neuen Rechtsverordnung bestimmen, welche Infrastrukturleistungen die Unternehmen im besonderen öffentlichen Interesse erbringen müssen (Pflichtleistungen).
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Β. Bisherige Problemlösungen
Organisation der Deutschen Bundespost und der Fernmeldebereich, während im Postbereich nur geringfügige Abweichungen zur bisherigen Rechtslage eingetreten sind. Nach dem Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost (PostVerfG) 34 erhält die Deutsche Bundespost eine Unternehmensverfassung ähnlich der Deutschen Bundesbahn; die einheitliche Behördengliederung wird aufgegeben. Hoheitliche und unternehmerische Aufgaben werden getrennt; erstere (bspw. Zulassungen für Endgeräte) dem Bundesminister für Post und Telekommunikation (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 PostVerfG), letztere (bspw. der Betrieb der Fernmeldenetze) der (neuen) Deutschen Bundespost zugewiesen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PostVerfG). Unter dem Dach der (neuen) Deutschen Bundespost werden drei voneinander organisatorisch und wirtschaftlich prinzipiell unabhängige „öffentliche Unternehmen mit den Bezeichnungen Deutsche Bundespost - POSTDIENST, Deutsche Bundespost POSTBANK, und Deutsche Bundespost - T E L E K O M " gebildet, § 1 Abs. 2 PostVerfG, die im Volksmund als gelbe, rote und graue Post bezeichnet werden. Wie bisher stellt auch die neue Deutsche Bundespost ein Sondervermögen des Bundes dar, das sich in die Teilsondervermögen der drei soeben beschriebenen Unternehmen gliedert. 35 Die Bundespost als Ganzes und nun auch die drei Unternehmen gelten im Rechtsverkehr als selbständig, können klagen und verklagt werden. 36 Oberstes Leitungsgremium der neuen Deutschen Bundespost ist ein Direktorium, welches aus den Vorstands Vorsitzenden der drei Unternehmen besteht. 37 Das Direktorium übt Koordinationsfunktionen aus und legt die Grundsätze für die Finanzverwaltung fest. 38 Organe der drei Unternehmen sind ein Vorstand, 39 dessen Mitglieder in einem befristeten öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis stehen, 40 sowie ein Aufsichtsr at. 41 Letzterer überwacht u. a. die Geschäftsführung, stellt den Wirtschaftsplan und Jahresentgelte fest und bestimmt die Leistungsentgelte im Brief- und im noch monopolisierten Dienstebereich des Fernmeldewesens. 42 Zwischen den drei Unternehmen findet eine Quersubvention nur noch eingeschränkt statt. 43 34
Verkündet als Art. 1 des PostStruktG vom 8. 6. 1989, BGBl. 1989 I, S. 1026ff. § 2 Abs. 1 PostVerfG. 36 § 5 PostVerfG. 37 §§ 3 Abs. 1, 7ff. PostVerfG. 38 Vgl. § 8 PostVerfG. 39 §§ 12ff. PostVerfG. 40 § 12 Abs. 3 PostVerfG. 41 Vgl. §§ 3 Abs. 2, 16ff. PostVerfG. 42 Vgl. § 23 PostVerfG. 43 § 37 Abs. 2 und 3 PostVerfG. BVerfGE 28, 66ff. hat die Quersubvention zwischen dem Post- und dem Fernmeldebereich für zulässig erklärt. Ob sie geboten ist, ist eine ganz andere Frage, die das BVerfG nicht entschieden hat. 35
IV. Bundesrepublik Deutschland
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Der Bundesminister für Post und Telekommunikation ist u. a. für politische Zielvorgaben, die Rechtsauf sieht und die Vertretung in internationalen Organisationen zuständig. Ob sich allerdings die Neustrukturierung der Bundespost durch das PostVerfG mit Art. 87 Abs. 1 GG vereinbaren läßt, wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum im wesentlichen mit zwei Argumenten bezweifelt. 44 Nach Art. 87 Abs. 1 GG wird die Bundespost in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Durch die Verwendung der Organisationsbezeichnung „Die Bundespost" im Gegensatz zum Sachbereich „Postund Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG werde die organisatorische Einheit der Post gewährleistet, die nicht aufgespalten werden könne. 45 Das durch das PostVerfG eingesetzte Direktorium mit seinen geringen Kompetenzen könne aber in der Praxis kaum eine einheitliche Unternehmensführung und -Verantwortung sicherstellen, so daß die von Art. 87 Abs. 1 G G verlangte organisatorische Einheit nicht mehr gegeben sei. Ferner verlange Art. 87 Abs. 1 GG eine „bundeseigene" Verwaltung, was nach überwiegender Ansicht gleichbedeutend mit „bundesunmittelbar" sei. Die Aufgaben der Bundespost dürften daher keiner vom Staat verschiedenen Rechtspersönlichkeit übertragen werden. Die in Art. 87 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Ministerverantwortlichkeit gebiete es, daß die Exekutive die personellen und sachlichen Entscheidungskompetenzen „im Griff habe". 46 Angesichts dessen sei die Annäherung der Bundespost an ein rechtlich selbständiges Verwaltungsgebilde und die Reduktion ministerialer Leitungskompetenz auf bloße Rechtsauf sieht, Genehmigungsvorbehalte etc. gleichfalls nicht bedenkenfrei. 47 Neben den Änderungen hinsichtlich der Organisation der Bundespost brachte das Poststrukturgesetz auch Änderungen im Bereich des Gesetzes über Fernmeldeanlagen. 48 Im Anschluß an die Telekommunikationsordnung wird nunmehr auch im Gesetz über Fernmeldeanlagen nach Netzen, Diensten und Endgeräten unterschieden. Der Anwendungsbereich des Gesetzes bestimmt sich jedoch nicht nach dieser Einteilung, sondern wie früher nach dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Fernmeldeanlage. Daher soll sich der weitere Gang der Untersuchung zuerst mit diesem Begriff und dem ihm bisher beigemessenen Verständnis befassen. 44 Vgl. W. Schatzschneider, NJW 1989, 2371 (2372); H. Fangmann, CuR 1989, 647 (650ff.); H. Lecheler, N V w Z 89, 834 (836); früher bereits Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562ff. S. a. F. Wagner, DVB1. 1989, 277ff. sowie ferner Hustädt-Bach, DuR 1989, S. 294ff.; L. Grämlich, V R 1990, 82ff.; L. M. Büchner, JA 1990, 194ff. 45 Vgl. BVerfG (Vorprüfungsauschuß), NJW 1984, 1871 (1872). 46 W. Schatzschneider, aaO, S. 2372. 47 W. Schatzschneider, NJW 1989, 2371 (2372); vgl. auch H. Lecheler, N V w Z 1989, 834 (836). 48 Näher dazu oben Einleitung.
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage I. Vorüberlegungen zum Verständnis des § 1 Abs· 1 FAG „Das Recht, Fernmeldeanlagen, nämlich Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten, Fernsprechanlagen und Funkanlagen zu errichten und zu betreiben, steht (ausschließlich) dem Bund zu. Funkanlagen sind elektrische Sendeeinrichtungen sowie elektrische Empfangseinrichtungen, bei denen die Übermittlung oder der Empfang von Nachrichten, Zeichen, Bildern oder Tönen ohne Verbindungsleitungen oder unter elektrischer, an einem Leiter entlang geführter Schwingungen stattfinden kann". 1 1. Wortlaut Betrachtet man zunächst nur den Begriff „Fernmeldeanlagen" ohne die nachfolgende Aufzählung des § 1 Abs. 1 F A G , dann ergibt die wörtliche Interpretation, daß es sich bei einer Anlage schon dann um eine Fernmeldeanlage im Sinne des Gesetzes handelt, wenn sie Meldungen in die Ferne geben kann. 2 Ein solches Verständnis unterläge jedoch schon deshalb großen Bedenken, weil auch das Zeichengeben mit einer Fahne oder einer Glocke eine Meldung in die Ferne mit Hilfe einer Anlage 3 ist. 4 Der Kreis der unter den Begriff „Fernmeldeanlagen" fallenden „Anlagen" würde unübersehbar groß. 5 Der Wortlaut allein gibt deshalb für das Verständnis von § 1 Abs. 1 F A G nichts her. 2. Systematik Durch die Aufzählung der dem Begriff „Fernmeldeanlagen" nachfolgenden „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten", „Fernsprechanlagen" sowie „Funkanlagen" in § 1 Abs. 1 scheint aber schon das Gesetz selbst 1 So § 1 Abs. 1 F A G in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 3. 1977, BGBl. 1977 I, S. 573. In der neuen Fassung von § 1 Abs. 1 ist das Wort „ausschließlich" weggefallen; es ist deswegen hier in Klammern gesetzt. 2 Vgl. E. Neugebauer y Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 72. 3 Der Begriff der Anlage ist im weitesten Sinn zu verstehen, vgl. K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen, Bd. I, 5. Aufl. 1928, Anm. 6 zu § 1 TG. 4 E. Neugebauer, aaO, S. 72. 5 E. Neugebauer, aaO, S. 72.
I. Vorüberlegungen zum Verständnis des § 1 Abs. 1 FAG
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den Kreis der Fernmeldeanlagen konkretisieren und damit seinen Anwendungsbereich bestimmen zu wollen. Fraglich ist hierbei allerdings, ob aufgrund der Verwendung des Wortes „nämlich" die Aufzählung der nachfolgenden Anlagen den Begriff „Fernmeldeanlage" abschließend ausfüllen soll 6 oder nicht. 7 a) „Fernmeldeanlagen" als Sammelbegriff?
Wenn man der Auffassung ist, daß die nachfolgende Aufzählung abschließend ist, dann handelt es sich bei dem Begriff „Fernmeldeanlagen" um einen Sammelbegriff, der immer nur dann verwirklicht ist, wenn eine Anlage zugleich entweder eine Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten, eine Fernsprechanlage oder eine Funkanlage ist. Damit verbindet sich dann die Frage, wann eine „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" bzw. eine „Fernsprechanlage" gegeben ist und ob es sich bei ersterer wie im Telegraphengesetz um einen umfassenden Oberbegriff handelt. 8 Die Untersuchung hätte sich nicht mehr auf den Begriff der „Fernmeldeanlagen", sondern auf den - im Telegraphengesetz noch als Oberbegriff verwendeten - Begriff der „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" zu konzentrieren. b) „Fernmeldeanlagen" als umfassender Oberbegriff?
Hält man dagegen die Aufzählung der dem Begriff „Fernmeldeanlagen" nachfolgenden Anlagen für eine Aufzählung bloß beispielhaften Charakters (vergleichbar etwa den Regelbeispielen des § 243 Abs. 1 StGB), dann könnte eine Anlage auch dann eine Fernmeldeanlage sein, wenn sie keinem der drei nachfolgenden Beispielsfälle entspricht. Die Konsequenz hieraus wäre, daß es insbesondere auf den Aspekt, ob die Anlage gerade der Vermittlung von 6
So O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 7; Stübler-Kogel, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 150. 7 Das letztgenannte Verständnis wurde vor allem vom damaligen Ministerialrat im Reichspostministerium Dr. E. Neugebauer vertreten (Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 70ff.; Jb. d. Postwesens 1937, 26) und findet sich vorherrschend auch im neueren Schrifttum. Vgl. A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 83; J. Aubert, Fernmelderecht I, 3. Aufl. 1974, S. 92; M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186 ( Κ 187); H. Demme, Das Kabelfernsehen in rechtlicher Sicht, 1969, S. 44; E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 15ff., insbes. S. 31. Widersprüchlich Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (463ff.), wenn sie einerseits den Begriff der Fernmeldeanlagen als Oberbegriff bezeichnen (S. 463), dann aber den Begriff der „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" der näheren Bestimmung zuführen (S. 467ff.). 8 Dann käme es desweiteren darauf an, wie der Begriff der „Nachricht" zu verstehen ist, weil nach dem Verständnis des Telegraphengesetzes die Vermittlung gerade von Nachrichten das Wesensmerkmal der Telegraphenanlage sein sollte. Näher unten D I I I 3 b bb.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Nachrichten dient, nicht notwendig ankommen muß, da der Gesetzeswortlaut dieses zusätzliche Erfordernis nur bei den Telegraphenanlagen aufstellt. Der Begriff der Fernmeldeanlage wäre ein „gesetzlich nicht definierter Oberbegriff", 9 der allein konkretisierungsbedürftig wäre. c) Ermittlung des zu untersuchenden Gesetzesbegriffs Für ein Verständnis des Begriffs „Fernmeldeanlagen" als bloßem Sammelbegriff könnte sprechen, daß das Gesetz über Fernmeldeanlagen noch als Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes verkündet wurde, so daß das dem Telegraphengesetz zugrundeliegende Verständnis der „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" weiterhin Gültigkeit behalten sollte. Ein über die Reichweite des Begriffs „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" i.S. des § 1 TG noch hinausgehendes Verständnis, 10 welches Voraussetzung für die Qualifikation des Begriffs „Fernmeldeanlagen" als Oberbegriff wäre, wäre dann kaum noch denkbar. Entgegen steht dem aber bereits, daß die Aufzählung der dem Begriff „Fernmeldeanlagen" nachfolgenden Anlagen zu unsystematisch ist, um sie als abschließende verstehen zu können. 11 Mit den Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten und den Fernsprechanlagen nennt das Gesetz nämlich Arten von Fernmeldeanlagen, während die gesetzliche Definition der Funkanlagen lediglich ein Mittel des Fernmeldens beschreibt, dessen sich Telegraphenanlagen wie Fernsprechanlagen bedienen können. 12 Der Begriff der Funk„anlagen" umfaßt daher einerseits teilweise die vorgenannten Arten, geht aber andererseits auch weiter als der Begriff der „Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten", 13 weil er nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf die Übermittlung gerade von „Nachrichten" beschränkt ist. 14 Zum anderen spricht auch die Begründung des Gesetzes zur Änderung des Telegraphengesetzes 15 gegen ein Verständnis des Begriffs „Fernmeldeanla9 A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603. 10 Jede Anlage, die unkörperlich Nachrichten vermittelt, sollte eine „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" sein, vgl. dazu noch näher unten D I I I 3 b bb. 11 Vgl. H. Redeker, aaO, S. 84; früher bereits E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, S. 26. 12 H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetegzordnung, 1988, S. 84; J. Aubert, aaO, S. 89; W. Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 61; O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 11; E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, S. 26; ders., Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 80. 13 E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, S. 26 (27). 14 E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 81. 15 Der ursprüngliche Name des Gesetzes über Fernmeldeanlagen, vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Drucks. Nr. 3682, S. 5ff. Erst die Bekanntma-
I. Vorüberlegungen zum Verständnis des § 1 Abs. 1 FAG
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gen" als bloßem Sammelbegriff. Sie stellt fest, daß es sich bei den Funkanlagen nur um eine Unterart der Fernmeldeanlagen und nicht etwa der „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" handelt. 16 Bestätigt wird dies durch den deutlichen Hinweis, daß der früher maßgebende Oberbegriff der Telegraphenanlage durch den der Fernmeldeanlage ersetzt werden sollte. 17 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß sich in der Begründung zum Entwurf auch die Feststellung findet, am sachlichen Anwendungsbereich des Telegraphengesetzes nichts ändern zu wollen. Entgegen dieser Feststellung hat eine „Neu"definition des sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes über Fernmeldeanlagen doch stattgefunden. Wenn die Begründung vorweg feststellt, daß § 1 TG unter „Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten alle Anstalten und Einrichtungen zur Beförderung von Mitteilungen (verstanden habe), bei denen nicht eine Person oder Sache als Träger der Mitteilung selbst befördert wird, sondern Zeichen oder Laute zum sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck des Übermittelten an einem Ort erzeugt und an einem anderen Ort sinnlich wahrnehmbar nachgebildet werden", 18 dann entspricht diese Definition der der „Telegraphenanstalt" durch das Reichsgericht. 19 Ob diese aber auch dem Verständnis der „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" im Telegraphengesetz zugrundelag, steht damit noch nicht fest. Die Folge hieraus ist, daß das Gesetz über Fernmeldeanlagen nicht mehr als eine modernisierte Fassung des Telegraphengesetzes anzusehen ist, sondern ein völlig neues Gesetz darstellt. 20 Dann aber liegt es einmal mehr näher, den Begriff „Fernmeldeanlagen" und nicht, wie dies noch im Telegraphengesetz der Fall war, den der „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" als Oberbegriff näher zu bestimmen. Der Begriff „Fernmeldeanlagen" ist demnach als gesetzlich nicht definierter Oberbegriff zu verstehen, der näher zu bestimmen ist; die nachfolgend aufgeführten Anlagen sind lediglich Beispielsfälle typischer Fernmeldeanlagen. Daß mit den Funkanlagen davon abweichend ein Mittel des Fernmeldens beschrieben wird, erklärt sich aus der textlichen Zusammenfassung des Telegraphengesetzes und der als Notverordnung auf der Basis des Art. 48 Abs. 2 W R V ergangenen Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs 21 in einem einzichung erfolgte unter der Überschrift „Gesetz über Fernmeldeanlagen", vgl. RGBl. 1928 I, S. 8. 16 Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 17 Vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 18 Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 19 RGSt 19, 55ff. 20 Ebenso, aber aufgrund sonstiger Abweichungen des F A G gegenüber dem T G K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reiches, Bd. I I , 5. Aufl. 1931, Vorbem. § 1 FAG, S. 449. 21 RGBl. 19241, S. 271.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
gen Gesetz. Prinzipielle Bedenken gegen das soeben dargelegte systematische Verständnis des § 1 Abs. 1 F A G begründet diese Zusammenfassung wegen der Neubestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Gesetzes über Fernmeldeanlagen nicht. 3. Die reichsgerichtliche Definition der „Telegraphenanstalt" als inhaltliche Ausfüllung des Begriffs „Fernmeldeanlagen" Dem Begriff „Fernmeldeanlage" lag im Zeitpunkt des Entstehens des F A G die vom Reichsgericht vorgenommene Definition der „Telegraphenanstalt" zugrunde. Dies ergibt sich aus der fast wortwörtlichen Wiedergabe 22 der reichsgerichtlichen Definition der „Telegraphenanstalt" 23 in der Begründung zum Gesetz über Fernmeldeanlagen und wird zudem durch einen Verweis auf die Begründung des Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes über das Telegraphenwesen von 1908 bestätigt. 24 Diese hatte bereits die entscheidende Passage des reichsgerichtlichen Urteils als die dem Telegraphengesetz zugrundeliegende Begriffsbestimmung der „Telegraphenanlage" in Bezug genommen. 25 Nach dem Willen des Gesetzgebers des Gesetzes über Fernmeldeanlagen sollte wiederum lediglich das Wort „Telegraphenanlage" durch den Begriff „Fernmeldeanlagen" ersetzt werden, ohne das zugrundeliegende Verständnis zu ändern. Demnach war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über Fernmeldeanlagen unter dem Begriff „Fernmeldeanlagen" jede Nachrichtenbeförderung, welche nicht durch den Transport des körperlichen Trägers der Nachricht von Ort zu Ort, sondern dadurch bewirkt wird, daß der an einem Ort zum sinnlichen Ausdruck gebrachte Gedanke an einem anderen entfernten Orte sinnlich wahrnehmbar wieder erzeugt wird, 2 6 zu verstehen.
I I . Die Entwicklung der einzelnen Merkmale des unbestimmten Gesetzesbegriffs „Fernmeldeanlage" Analysiert man diese Definition des Reichsgerichts als inhaltliche Auffüllung des Begriffs „Fernmeldeanlagen", so ergibt sich, daß sie aus vier einzelnen Merkmalen besteht:
22
Vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 3 Vgl. RGSt. 19, 55 (58). 24 Vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 25 Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 5 (wenn auch zu Unrecht). 26 Vgl. RGSt 19, 55 (58). 2
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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- Es muß sich um die Beförderung einer Nachricht handeln. - Ein Gedanke muß an einem Ort sinnlich zum Ausdruck gebracht werden. - Die Nachrichtenbeförderung wird nicht dadurch bewirkt, daß ein körperlicher Träger der Nachricht von Ort zu Ort transportiert wird - Die Nachricht wird an einem anderen entfernten Ort sinnlich wahrnehmbar wiedererzeugt. Nicht enthalten ist in dieser Definition das Erfordernis eines bestimmten technischen Mittels, mittels dessen die Nachrichtenbeförderung zu bewerkstelligen ist. 27 Das Reichsgericht hatte seinerzeit den Verzicht auf das Erfordernis eines bestimmten technischen Mittels mit dem Argument begründet, daß das Wort „Telegraph" alle möglichen Methoden der Nachrichtenvermittlung in die Ferne umfasse, gleichviel, ob es sich um die Benutzung der Elektrizität oder pneumatischer Bewegungskräfte, um Optik oder Akustik handele. 28 Es hatte sich damit bewußt von früheren Definitionen abgewandt, die auf die Verwendung elektromagnetischer Kräfte für die Nachrichtenbeförderung abgestellt hatten 29 und deswegen als zu eng empfunden worden waren. 30 Übertragen auf den Begriff der Fernmeldeanlage bedeutet dies, daß er schon im Zeitpunkt des Entstehens des Gesetzes über Fernmeldeanlagen auch neuartige Übertragungstechniken erfassen sollte, sofern diese gleichfalls den soeben dargelegten Kriterien entsprachen. 31 Vom Gesetzgeber des Gesetzes über Fernmeldeanlagen war dies auch durchaus beabsichtigt, wie die Begründung des Entwurfs zum Gesetz über Fernmeldeanlagen deutlich erkennen läßt. 32 1. Das Merkmal der sinnlich wahrnehmbaren Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort Obwohl es die dem Gesetz über Fernmeldeanlagen zugrundeliegende reichsgerichtliche Definition ermöglichte, auch neuartige Übertragungstechniken »mit in den Begriff der Fernmeldeanlage einzubeziehen, blieb sie nicht ganz unbestritten. Die Kritik richtete sich insbesondere gegen das Erfordernis
27 Trotzdem findet man vereinzelt in der Literatur den Hinweis, daß die Elektrizität Wesensmerkmal der Fernmeldeanlage sei, so bspw. bei K. Friedrichs, Gesetz und Recht Bd. 29 (1928), S. 145 (148); A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbankund Fernmeldewesens, 1983, S. 38f. 28 RGSt 19, 55 (57). 29 So ζ. Β . § 1 des Gesetzes, betreffend die Anlegung und Benutzung elektromagnetischer Telegraphen im Königreich Sachsen, wiedergegeben bei J. Ludewig, Die Télégraphié, 1872, S. 16. 30 In der Literatur wurde dies vereinzelt unzutreffend auf Nachrichtenübertragung mittels Elektrizität verallgemeinert. Elektrizität ist aber nicht mit Elektromagnetismus gleichzusetzen! 31 Vgl. BVerfGE 46, 120 (144). 32 Vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
des Merkmals der sinnlich wahrnehmbaren Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort. a) Wegfall dieses Merkmals infolge Überalterung der reichsgerichtlichen Definition? aa) E. Neugebauer Schon bald nach der Machtergreifung durch das nationalsozialistische Regime wurde zur Begründung der Erweiterung der staatlichen Machtbefugnisse zu Lasten des Einzelnen vertreten, daß die dem Begriff der Fernmeldeanlage zugrundeliegende reichsgerichtliche Definition „längst überholt" sei. 33 Für elektrische Anlagen bestehe keine Notwendigkeit, das Merkmal der fernmeldemäßigen Übermittlung gerade in der „Nachbildung" von Zeichen am Durchgangsort oder am Empfangsort zu erblicken. Hieraus folgend müsse auch für die nicht-elektrischen Anlagen die Frage aufgeworfen werden, ob die reichsgerichtliche Begriffsbestimmung der Télégraphié mit ihrem Nachbildungserfordernis zu eng sei, da man auch mit optischen und akustischen Einrichtungen ohne Nachbildung an anderer Stelle Nachrichten und Zeichen recht weit in die Ferne übermitteln könne. 34 Ein starres Festhalten an „jener altehrwürdigen Reproduktionsidee" 35 würde in den Inhalt der Fernmeldehoheit der DRP 3 6 eine Einschränkung hineintragen, die ihrem Wesen widerstrebe und die Einrichtung dieser Hoheit erschüttere. Daher müßten Fernmeldeanlagen nunmehr alle technischen Einrichtungen für das körperlose Übermitteln von irgendwelchem Geistesgut in die Ferne sein, einerlei, welche Energie für die Übermittlung verwendet werde und auch völlig einerlei, welcher Übermittlungsmittel man sich dabei bediene. 37 bb) E. Schumann Den Gedankengang Neugebauers aufgreifend, wandte sich später E. Schumann 38 u.a. ebenfalls gegen das Erfordernis der Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort als Tatbestandsmerkmal des Begriffs „Fern33 E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, 26 (27 FN 2). Vorher schon ders., D V Z 1936, 65ff. 34 E. Neugebauer, D V Z 1936, 65 (66). 35 E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, 26 (28). 36 Schon das war unzutreffend. Die DRP war nur zur Ausübung der „Fernmeldehoheit" legitimiert, Inhaberin derselben war sie nicht, wie § 1 F A G a.F. deutlich erkennen läßt. 37 E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, 26 (29); ihm folgend Schuster, Jb. d. Postwesens 1938, 133 (137). 38 Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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meldeanlage". Er führte aus, daß die bisherige Interpretation des Begriffs schon deshalb zu eng erscheine, weil nicht nur menschliche Gedanken, sondern auch Tatsachen übermittelt werden könnten. 39 Auch sei eine Bedienung der Fernmeldeanlagen durch den Menschen nicht mehr erforderlich, da es mittlerweile selbständig arbeitende Anlagen gebe. 40 Ebenso wenig komme es auf das Merkmal „Korrespondenzverkehr" als bestimmendes Merkmal des Fernmeldeanlagenbegriffs an, wie der einseitige „Blindverkehr" belege. 41 Schließlich sei auch das Merkmal der Reproduktion unerheblich, da es Funkanlagen gebe, die gleichlange Wellen aussendeten und etwas ganz anderes als Empfang wiedergäben. 42 Bei optischen und akustischen Anlagen müsse es allerdings bei der alten Interpretation verbleiben, da bei einer extensiven Auslegung jede Fahrradklingel etc. eine Fernmeldeanlage wäre. Es sei daher erforderlich, daß mindestens zwei Anlagen gleichzeitig arbeiteten, nämlich eine Abgabe- und eine Empfangseinrichtung. Ferner müsse die Möglichkeit eines korrespondierenden Verkehrs bestehen, weil ohne einen solchen ein fernmeldemäßiger Verkehr undenkbar sei. Eine Reproduktion sei bei solchen Anlagen technisch unmöglich. 43 § 1 Abs. 1 F A G stehe dieser Differenzierung nicht entgegen. Es sei unwahrscheinlich, daß der Gesetzgeber 1928 ohne Rücksicht auf die technische Weiterentwicklung eine abschließende Regelung habe treffen wollen. Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Vorschrift ließen vielmehr eine weitergehende als die vom Reichsgericht vorgenommene Auslegung zu. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sollten Fernmeldeanlagen alle Anlagen sein, mit deren Hilfe man irgendetwas in die Ferne übermitteln könne, wobei die Entfernung keine Rolle spiele. Daher müsse man als „Fernmeldeanlagen alle Sende- und Empfangsanlagen, die geeignet sind, irgend etwas, wie z.B. Wellen, Zeichen, Mitteilungen, Bilder, Töne, Tatsachen, Vorgänge, fernmeldemäßig, d.h. ohne Übermittlung des Nachrichten- usw. Trägers über Draht oder Funk oder durch ein sonstiges elektromagnetisches System zu übermitteln, ohne daß es auf die Entfernung zwischen Sende- und Empfangsanlage ankommt, und darauf, ob die Anlage oder Einrichtung selbsttätig oder auf Grund menschlicher Tätigkeit arbeitet", ansehen. Weiterhin gehörten zu den Fernmeldeanlagen alle optischen oder akustischen Anlagen, die über eine räumliche Entfernung einen fernmeldemäßigen Verkehr ohne elektrische Wellen ausführten; dabei müßten mindestens eine Abgabe- und eine Empfangsanlage zusammenarbeiten". 44 39 40 41 42 43
E. E. E. E. E.
Schumann, Schumann, Schumann, Schumann, Schumann,
aaO, aaO, aaO, aaO, aaO,
S. S. S. S. S.
18. 24. 26. 25. 27f.
64
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
cc) Eigene Ansicht Gegenüber der Ansicht Neugebauers ist schon wegen des Hintergrundes, vor dem diese Ansicht vertreten wurde, Skepsis geboten. Hierauf braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, da ein derart verstandener Begriff der Fernmeldeanlage auch vor einem anderen als dem nationalsozialistischen Hintergrund als für juristische Zwecke unbrauchbar anzusehen ist. Bei Anwendung der Definition Neugebauers entfällt das vierte Merkmal der reichsgerichtlichen Definition, so daß es dann auf die Wiedererzeugung der Nachricht an einem anderen entfernten Ort für den Begriff der Fernmeldeanlage nicht mehr ankommt. Zur Folge hätte dies, daß jede Zeichengebung mit Hilfe eines Gegenstandes, die als unkörperliche Nachrichtenübermittlung anzusehen ist, unter den Begriff der Fernmeldeanlage fiele. Eine Fernmeldeanlage wäre dann bspw. eine Verkehrsampel, eine Autohupe, ein Leuchtturm usw. Damit begäbe man sich auf den Stand des französischen decret-loi von 1851 zurück, welches nach Art. 1 schon das Winken mit einem Taschentuch zu einem zehn Schritt entfernten Bekannten unter Strafandrohung stellte. 45 Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, daß dieser Definitions,,versuch" Neugebauers selbst unter der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes keine allgemeine Anerkennung fand. 46 Die Definition Schumanns vermag gleichfalls nicht zu überzeugen. Zum einen ist schon die von Schumann vorgenommene Klassifizierung in die Gruppen elektrische bzw. nicht-elektrische Anlagen angesichts der Nachrichtenübermittlung mittels Glasfasertechnik mittlerweile überholt. Desweiteren ist aber auch die Feststellung, daß der Gesetzgeber 1928 gewollt habe, daß Fernmeldeanlagen alle Anlagen sein sollten, mit deren Hilfe man irgend etwas in die Ferne übermitteln könne, unzutreffend. Die Begründung zum Fernmeldeanlagengesetz ergibt vielmehr, daß dem Begriff der Fernmeldeanlage die reichsgerichtliche Definition der „Telegraphenanstalt" zugrundeliegen sollte. 47 Schließlich begegnet der Ersatz des Merkmals „Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort" durch das Merkmal der Möglichkeit des 44
E. Schumann, aaO, S. 31. Art. 1 decret-loi, wiedergegeben bei G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 30 FN 1. 46 A n dem Merkmal der Reproduktion hielten fest: M. Freund, Der deutsche Rundfunk, Diss. Würzburg 1933, S. 11 ff; W. Holzke, Die materiellen Strafbestimmungen des Fernmeldeanlagengesetzes'vom 14. Januar 1928, Diss. Köln 1933, S. 16; K. Bley, Über die Grundlagen des Rundfunkrechts, 1935, S. 17; G. Quast, Die geschichtliche Entwicklung des Rechts der drahtlosen Télégraphié, Telephonie und des Rundfunks, Diss. Marburg 1939, S. 24. 47 Vgl. Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 45
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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Korrespondenzverkehrs bei nichtelektrischen Anlagen durchgreifenden Bedenken: Das Merkmal des Korrespondenzverkehrs wurde bereits zur Zeit der Weimarer Republik und später auch im Nationalsozialismus bemüht, um den damals noch neuartigen „Unterhaltungs„rundfunk aus dem Anwendungsbereich des Fernmeldeanlagengesetzes herauszunehmen. 48 Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang dabei weniger die Argumente, die für das Merkmal des Korrespondenzverkehrs als Wesensmerkmal des Begriffs „Fernmeldeanlage" angeführt wurden, als vielmehr diejenigen, die die Gegenansicht zur Ablehnung dieses Merkmals heranzog. 49 Es wurde vorgebracht, daß das Merkmal des Korrespondenzverkehrs unklar sei, da technisch betrachtet jeder Telegrammverkehr nur rein einseitiger Verkehr nach der Richtung zum Empfänger hin sei. 50 Auch das Gesetz über Fernmeldeanlagen lege dem Moment der Wechselseitigkeit des Nachrichtenaustauschs keine Bedeutung bei, weil es bei den Funkanlagen das die Einseitigkeit betonende Wort „Übermittlung" verwende, während es nur die rein einseitig arbeitenden Telegraphen als Anlagen „zur Vermittlung von Nachrichten" bezeichne. Diese Argumente sprechen auch gegen das Erfordernis des gegenseitigen Korrespondenzverkehrs im Sinne Schumanns bei nicht-elektrischen Anlagen. Hinzu kommt ein weiteres: Legt man die Definition Schumanns zugrunde, dann muß eine Anlage abhängig vom jeweiligen technischen Mittel, welches zur Übermittlung verwendet wird, unterschiedliche Merkmale erfüllen, um als Fernmeldeanlage angesehen zu werden. Eine Differenzierung nach dem jeweiligen technischen Mittel sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers des Gesetzes über Fernmeldeanlagen wie auch schon dem des Telegraphengesetzes gerade nicht stattfinden. 51 b) Modifikation dieses Merkmals angesichts des Aufkommens von Datenverarbeitungsanlagen Ernstere Probleme mit der dem Fernmeldeanlagenbegriff zugrundeliegenden reichsgerichtlichen Definition ergaben sich daher auch erst mit dem Aufkommen von Datenverarbeitungsanlagen. Setzt man solche zur Beförderung
48 Vgl. E. Staedler, ArchFunk Bd. 3 (1930), S. 212ff.; S. Wille, ArchFunk Bd. 4 (1931), S. 1 (7); H. G. Pridat-Guzatis, Z A k d R 1936, 544 (545). 49 Vgl. E. Neugebauer, ArchFunk Bd. 3 (1930), S. 155 (156ff.); ders., ArchFunk Bd. 4 (1931), S. 195 (197f.); M. Freund, Der deutsche Rundfunk, Diss. Würzburg 1933, S. 23; K. Bley, Über die Grundlagen des Rundfunkrechts, 1935, S. 19; Orth, Z A k d R 1937, 585 (586); G. Quast, Die geschichtliche Entwicklung des Rechts der drahtlosen Télégraphié, Telephonie und des Rundfunks, Diss. Marburg 1939, S. 25f. 50 So vor allem E. Neugebauer, ArchFunk Bd. 3 (1930), S. 155 (157). 51 Vgl. Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6; 1. Bericht der X V I . Kommission, Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode I. Session 1890/92, Sten. Ber. Anlagebd. 4, Drucks. Nr. 460, S. 2702f.
5 Köbele
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
von Nachrichten ein, können sowohl auf der Sende- als auch auf der Empfangsseite sinnlich nicht mehr wahrnehmbare Nachrichten vorliegen, da diese aus dem Speicher der einen Datenverarbeitungsanlage heraus direkt in den Speicher der anderen Datenverarbeitungsanlage gelangen können, ohne daß es zuvor der Sichtbarmachung des Übermittelten mittels Bildschirms oder Druckers bedarf. Die übermittelten Daten sind dann weder auf der Sendenoch auf der Empfangsseite ohne eine erneute Umänderung sinnlich wahrnehmbar. Bei Zugrundelegung der reichsgerichtlichen Definition wären nachrichtenbefördernde Datenverarbeitungsanlagen demnach keine Fernmeldeanlagen, weil es bei ihnen an der sinnlich wahrnehmbaren Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort fehlt. aa) Die Forderung nach Wegfall der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Wiedererzeugung In Erkenntnis dessen wurde vor allem seitens der Postjuristen vertreten, daß es bei dem Merkmal der Wiedererzeugung der Nachricht am anderen entfernten Ort auf den Aspekt der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Nachricht nicht mehr ankommen könne. 52 Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung trete im Fernmeldeverkehr mehr und mehr die Maschine an die Stelle des Menschen. Bei dieser aber sei eine sinnlich wahrnehmbare Reproduktion der Nachricht weder möglich noch notwendig. 53 Auch bliebe durch den Einsatz von Maschinen der Begriff der Nachrichtenvermittlung unberührt, da auch bei der Datenfernverarbeitung eine Vermittlung nicht gegenständlich verkörperter Nachrichten vorliege, die unter das Fernmeldewesen falle. 54 Der Begriff des Fernmeldewesens könne nicht auf die herkömmlichen Tätigkeiten beschränkt bleiben, da man dem Verfassungsgeber nicht unterstellen könne, daß er neue Erweiterungen, die Ergebnis technischer Entwicklungen seien, der Bundeszuständigkeit habe entziehen wollen. 55 Wollte man an dem Erfordernis der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der Nachricht festhalten, würde dies vielmehr genau zu dem führen, was der Gesetzgeber habe verhindern wollen. Dieser habe nämlich eine möglichst umfassenden Monopolisierung des Fernmeldewesens angestrebt. 56
52 J. Aubert, Fernmelderecht I, 3. Aufl. 1974, S. 91 ff.; M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186ff.; Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (472ff.); G. Weber, FuR 1975, 7 (8). 53 J. Aubert, aaO, S. 91. 54 G. Weber, FuR 1975, 7 (9). 55 G. Weber, aaO, S. 9. 56 Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (468); M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186f.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
bb) Bedenken gegen den Wegfall des Erfordernisses Wahrnehmbarkeit der Wiedererzeugung
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der sinnlichen
Gegen die Forderung nach Streichung des Erfordernisses der sinnlichen Wahrnehmbarkeit der wiedererzeugten Nachricht wandte sich vor allem O. Kimminich. 57 Nach der Formulierung des § 1 F A G gehörten zu den Fernmeldeanlagen Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten, Fernsprechanlagen und Funkanlagen. Wenn nunmehr in dem Merkmal der Reproduktion jede Nachrichtenübertragung unabhängig von ihrer sinnlichen Wahrnehmbarkeit Inbegriffen sei, so werde die Telegraphenanlage als eine Einrichtung zur Nachrichtenübermittlung definiert. Dies aber führe nach § 1 F A G dazu, daß Fernmeldeanlagen (als anderes Wort für Telegraphenanlagen) Nachrichtenübermittlungsanlagen zur Vermittlung von Nachrichten seien, was offensichtlich keinen Sinn mache. 58 Um diesen Widerspruch zu vermeiden, müsse daher die sinnlich wahrnehmbare Reproduktion eines in die Anlage eingegebenen gedanklichen Inhalts an einem entfernten Ort Wesensmerkmal der Télégraphié bleiben. 59 cc) Klärung durch das Bundesverfassungsgericht (Direktrufentscheidung) Der in der Literatur geführte Streit, ob nachrichtenübermittelnde Datenverarbeitungsanlagen ebenfalls unter den Begriff der Fernmeldeanlagen fallen, entschied schließlich das Bundesverfassungsgericht dahin, daß der Begriff der Fernmeldeanlage nicht nur die bei der Entstehung des Fernmeldeanlagengesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken umfasse, sofern es sich um körperlose Übertragung von Nachrichten in der Weise handele, daß diese am Empfangsort „wiedergegeben" werden. Demgemäß gehöre zum „Fernmeldewesen" auch die digitale Nachrichtenübertragung. 60 α) Hintergrund der Direktrufentscheidung Ursächlich für den verfassungsgerichtlichen Rechtsstreit war der Erlaß der Verordnung über das öffentliche Direktrufnetz für die Übertragung digitaler Nachrichten 61 auf der Basis des § 14 PostVwG, 62 mit der die Benutzung des 57
Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 8ff. O. Kimminich, aaO, S. 9. 59 O. Kimminich, aaO, S. 10, 12. Auch Stubler-Kogel, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 150 (151), hielten am Merkmal der sinnlichen Wahrnehmbarkeit fest. 60 BVerfGE 46, 120ff. - Direktrufentscheidung. 61 BGBl. 19741, S. 1325ff., mittlerweile aufgehoben durch die am 1. 1. 1988 in Kraft getretene Telekommunikationsordnung, BGBl. 1986 I, S. 1749ff. 58
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Direktrufnetzes geregelt werden sollte. 63 Sie ermöglichte der Deutschen Bundespost u.a. die Festlegung der fernmeldetechnischen und -betrieblichen Bedingungen für den Anschluß von Datenverarbeitungsanlagen und -endgeräten an das Direktrufnetz und bestimmte ferner, daß Zusatzgeräte (insbesondere Modems) für die Datenübertragung posteigen sein mußten. 64 ß) Einwände der Beschwerdeführer 65 Die Beschwerdeführer waren demgegenüber der Ansicht, daß der Erlaß der DirRufVO durch § 14 PostVwG nicht gedeckt gewesen sei. Der Inhalt des Begriffs Fernmeldewesen in § 14 PostVwG ergebe sich aus § 1 FAG. Unter die als einzige in Frage kommende Art von Fernmeldeanlagen, nämlich die Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten, falle die Datenfernverarbeitung in der Mehrzahl der Fälle nicht, da wesentliches Merkmal einer Telegraphenanlage die sinnlich wahrnehmbare Wiedergabe der Nachricht sei. A n einer solchen fehle es sowohl in den Fällen, in denen die Daten lediglich gespeichert oder verarbeitet oder mit oder ohne Verarbeitung von der Datenverarbeitungsanlage an den Absender zurückgesandt würden, als auch in den Fällen, in denen die Daten beim Empfänger erst nach ihrer Verarbeitung sinnlich wahrnehmbar reproduziert würden, weil es sich dann um eine andere Nachricht als die ursprünglich abgesandte handele. γ) Die verfassungsgerichtliche Begründung des Wegfalls des Erfordernisses der sinnlichen Wahrnehmbarkeit Den soeben dargestellten Einwänden der Beschwerdeführer folgte das Bundesverfassungsgericht nicht, sondern stellte vielmehr fest, daß die Datenübertragung als solche zum Fernmeldewesen gehöre und die Zusatzeinrichtungen „Einrichtungen des Fernmeldewesens" seien. Der Begriff des Fernmeldewesens brauche nicht im einzelnen bestimmt zu werden, da zu diesem Begriff jedenfalls die „Fernmeldeanlagen" i. S. des § 1 F A G gehörten. Da der Begriff der Fernmeldeanlage im Gesetz selbst nicht näher bestimmt sei, sei auf die Geschichte des Fernmeldeanlagengesetzes zurückzugreifen. Aus dieser ergebe sich, daß wesentliches Merkmal der Fernmeldeanlage der Zweck der körperlosen Nachrichtenbeförderung sein sollte und nur diejenigen Einrichtungen nicht dem Begriff der Fernmeldeanlage unterfallen sollten, die zur 62 Das Gesetz über Fernmeldeanlagen in der damaligen Fassung kam wegen fehlender Rechtsverordnungsermächtigung als Grundlage für den Erlaß der DirRufVO nicht in Betracht. 63 Zur Vorgeschichte der DirRufVO vgl. BVerfGE 46, 120 (121 ff.). 64 Vgl. §§ 2, 3 Abs. 4, 4 Abs. 1 DirRufVO. 65 Wiedergegeben bei BVerfGE 46, 120 (128f.).
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
69
Aufnahme oder Wiedergabe der übermittelten Nachricht am Empfangsort keine besondere Vorrichtung benötigten. Es könne daher kein Zweifel sein, daß auch die digitale Nachrichtenübertragung dem Fernmeldeanlagenbegriff unterfalle. Auf das Merkmal der sinnlichen Wahrnehmbarkeit komme es nicht an. Die Technik der Datenübertragung werde nicht wesentlich verändert, wenn die übermittelten Daten am Empfangsort durch zusätzliche technische Einrichtungen „sinnlich wahrnehmbar" gemacht würden. Die Zwischenschaltung eines Datensichtgeräts berühre den Vorgang der Datenübertragung als solchen nicht. Das Merkmal der sinnlichen Wahrnehmbarkeit am Empfangsort, welches durch die Entscheidung des Reichsgerichts Eingang in den Fernmeldeanlagenbegriff gefunden habe, beruhe auf der seinerzeit allein bekannten Möglichkeit der Nachrichtenübertragung von Mensch zu Mensch. Angesichts des sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden umfassenden Begriffs der Fernmeldeanlage ließe sich aber eine Ausgrenzung der Nachrichtenübertragung von Maschine zu Maschine nicht belegen. Wesentlich für den Begriff der Fernmeldeanlage erscheine vielmehr nur die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wieder erzeugt werden. Zu den Zusatzeinrichtungen führte das Bundesverfassungsgericht aus, daß diese ebenfalls dem Begriff des Fernmeldewesens in § 14 PostVwG unterfielen, da sich dieser Begriff nicht auf die Übertragungsleitungen einschließlich des Netzabschlusses beschränke, sondern auch diejenigen Einrichtungen erfasse, die die Übertragung erst ermöglichten, wie der Fernsprechapparat im Fernsprechverkehr und die Fernschreibmaschine im Fernschreib verkehr. c) Konsequenzen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung Analysiert man die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, so sind drei Merkmale erforderlich, um eine Anlage unter den Begriff der Fernmeldeanlage zu subsumieren, nämlich: - Übermittlung einer Nachricht - Die Übermittlung erfolgt körperlos - Die ausgesandten Zeichen werden am Empfangsort wiedererzeugt. Weggefallen ist zum einen das Erfordernis, daß die Nachricht am anderen entfernten Ort sinnlich wahrnehmbar sein mußte. Zum anderen wurde der „andere entfernte Ort" durch den Begriff „Empfangsort" ersetzt. Auffällig dabei ist, daß das Bundesverfassungsgericht nur den Wegfall des Erfordernisses der sinnlichen Wahrnehmbarkeit ausführlich begründet, nicht aber den Ersatz des Merkmals „am anderen entfernten Ort" durch das Merkmal „Empfangsort". Das wäre dann verständlich, wenn beide Merkmale dasselbe meinen. Dies ist indessen nicht der Fall. Der „andere entfernte Ort" muß nicht notwendig mit dem Empfangsort identisch sein, weil es sich bei dem
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
ersteren auch um einen bloßen Weiterleitungsort, eine Zwischenstation, 66 handeln kann. Zur Konsequenz hat diese verfassungsgerichtliche Modifikation, daß der Anwendungsbereich des Fernmeldeanlagenbegriffs gegenüber der reichsgerichtlichen Definition der „Telegraphenanstalt" eingeschränkt wird. Wenn nämlich nur das Erfordernis aufgestellt wird, daß die Nachricht am „anderen entfernten Ort" wiedererzeugt wird, so stellen bspw. mehrere Flaggenwinker schon eine Fernmeldeanlage dar, weil zumindestens der zweite Flaggen winker als weiterleitende Station die Flaggensignale des ersten Flaggenwinkers nachbildet und damit die Nachricht wiedererzeugt. 67 Erhebt man demgegenüber die Forderung, daß die Nachricht gerade am Empfangsort wieder nachgebildet wird, dann scheiden derartige Übermittlungssysteme aus dem Begriff der Fernmeldeanlage aus, weil bei ihnen eine Wiedererzeugung der Nachricht nur am Weiterleitungsort, aber nicht mehr am (endgültigen) Empfangsort erfolgt. Es verhält sich insoweit ebenso wie bei einem Leuchtturm, dessen Signale auch unmittelbar vom Menschen abgelesen werden und der nicht als Fernmeldeanlage angesehen wird, obwohl auch er in die Ferne meldet. 68 Noch deutlicher wird der Ausschluß solcher Übermittlungssysteme, wenn man sich vor Augen führt, daß auch der Weiterleitungsort wiederum in einen Empfangs- und einen Absendeort aufgeteilt werden kann. 69 Beim Chappe' sehen Telegraphen, mehreren Flaggenwinkern etc. erfolgt zwar eine Wiedererzeugung der Nachricht am Weiterleitungsort. Der Wiedererzeugung der Nachricht geht jedoch ihr Empfang mit den bloßen Sinnesorganen voraus, weil bei derartigen Systemen die Reproduktion der Nachricht auf Empfangsseite am jeweiligen Weiterleitungsort schon technisch unmöglich ist. 70 Zu klären bleibt, ob dem Erfordernis der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort gegenüber dem Erfordernis der Wiedererzeugung am anderen entfernten Ort der Vorzug zu geben ist. Das ist zu bejahen. Zwar wendet H. Redeker 71 ein, daß mit dem Erfordernis der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort zu sehr auf elektrische Übertragungstechniken abgestellt werde. Dem kann indessen nicht gefolgt werden, da dieses Erfordernis 66
E. Neugebauer, D V Z 1936, 65, nennt ihn einen Durchgangsort. So ausdrücklich E. Neugebauer, D V Z 1936, 65, und wohl auch M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186 ( Κ 188). 68 So schon die Begründung zum Entwurf des Fernmeldeanlagengesetzes, Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6; E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 73; Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90. 69 Beide Orte können physisch ein Ort sein. 70 Insoweit ebenso E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 28. 71 Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 84 FN 566. 67
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
71
die Einbeziehung bspw. von Anlagen, die sich der Glasfasertechnik und damit der optischen Übermittlung bedienen, nicht ausschließt. Beließe es man demgegenüber mit H. Redeker 72 bei dem Erfordernis der Wiedererzeugung am anderen entfernten Ort, würden alle möglichen menschlichen Verhaltensweisen, wenn sie sich zur Nachrichtenübermittlung nur irgendwelcher Gegenstände bedienen, mit in den Begriff der Fernmeldeanlage fallen. Das aber hätte die Uferlosigkeit dieses Begriffs zur Folge. A n dem Erfordernis der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort als einem Tatbestandsmerkmal des Begriffs „Fernmeldeanlagen" ist daher festzuhalten.
2. Der Begriff der Nachricht Während sich zum Merkmal der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort nähere Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts finden, verwandte das Gericht den Begriff der Nachricht häufig, ohne ihn näher zu bestimmen. Wenn aber eine Anlage nach den verfassungsgerichtlichen Ausführungen Nachrichten übermitteln muß, um unter den Begriff der Fernmeldeanlage subsumiert werden zu können, so fragt sich, was überhaupt „Nachrichten" im fernmelderechtlichen Sinne sind.
a) Das Verständnis des Begriffs „Nachricht" bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Fernmeldeanlagen Angesichts der vom Gericht betonten Bedeutung der Entstehungsgeschichte des Fernmeldeanlagengesetzes für die Auslegung des Begriffs der Fernmeldeanlage liegt es nahe, zunächst diese daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihr Anhaltspunkte zur Bestimmung des Begriffs „Nachrichten" ergeben. aa) Reichsgericht Ausgangspunkt hierfür ist wiederum die Entscheidung des Reichsgerichts zum Begriff der „Telegraphenanstalt". Das Reichsgericht bestimmte das Wesen der Télégraphié dahin, daß mittels Reproduktion von zwischen Absender und Empfänger gewillkürter Zeichen Nachrichten an einen anderen Ort befördert werden. 73 Zweifel, ob die Telephonie unter den Begriff der Telegraphenanstalt falle, meldete das Reichsgericht an, wenn es sich bei ihr nicht mehr um Sprache als dem Ausdruck und bewußten Träger von Gedanken 72 73
AaO, S. 84f. RGSt 19, 55 (57).
72
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
handele und wenn diese (die Telephonie) nichts mehr mit der Beförderung von Nachrichten eines konkreten Inhalts zu tun habe. 74 Daraus ergibt sich zwar nicht eindeutig, was das Reichsgericht unter „Nachrichten" verstand, wohl aber die Umstände, unter denen eine Nachrichtenbeförderung nach Ansicht des Reichsgerichts nur stattfinden kann: Es muß sich um einen Kommunikations Vorgang zwischen Menschen auf der Basis zwischen Absender und Empfänger vereinbarter Zeichen dergestalt handeln, daß eine Nachricht auch „als Nachricht" abgesandt sein muß. bb) Telegraphengesetz In den Beratungen zum Telegraphengesetz wurde zwar als bestimmendes Merkmal für den Begriff der Telegraphenanlage angesehen, daß die Anlage dem allgemeinen Nachrichtenvermittlungsverkehr dienen müsse. Wann ein solcher gegeben sein sollte, blieb indes weitgehend im Dunkeln. Nicht unter die Nachricht en Vermittlung sollte jedenfalls die Töne Vermittlung fallen. 75 Widersprüche gab es hingegen zu der Frage, ob Wasserregistrierungsapparate zu den Anlagen zählten, die Nachrichten vermitteln. In den Beratungen der X V I . Kommission wurde einerseits bei der Diskussion des § 1 TG von H. v. Stephan erklärt, daß es sich bei Wasserregistrierungsapparaten nicht um Nachrichtenvermittlung eines Menschen handele. 76 Andererseits wurde bei der Diskussion des § 3 T G festgestellt, daß in der Notierung des Wasserstandes gerade der Nachrichtendienst bestehe, obwohl eine Zustellung an das Publikum nicht stattfinde, so daß Wasserstandsmesser genehmigungspflichtig seien. 77 Im Reichstag selbst wurde zwar mehrmals das Wort Schnellnachrichtenverkehr für die Auslegung des § 1 TG herangezogen. Eine Erklärung, was man unter „Schnellnachrichtenverkehr" verstand, findet sich aber nicht. cc) Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908 Das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes von 1908 rekurrierte wieder auf die Entscheidung des Reichsgerichts, so daß für dieses die reichsgerichtlichen Ausführungen gleichfalls gelten.
74
RGSt 19, 55 (61). 1. Bericht der X V I . Kommission, Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode I. Session 1890/91, Anlagebd. 4, Drucks. Nr. 460, S. 2703 und 2705. 76 1. Bericht der X V I . Kommission, aaO, S. 2703. Übersehen von Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (470). 77 1. Bericht der X V I . Kommission, aaO, S. 2705. 75
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
73
dd) Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs! Gesetz über Fernmeldeanlagen Daß jedenfalls Töneübermittlung nicht vom Nachrichtenbegriff des Telegraphengesetzes umfaßt sein sollte, wird durch die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs, die in ihren Anwendungsbereich neben Nachrichten auch Zeichen, Bilder und Töne einbezog, deutlich. Es hätte dieser Erweiterung nicht bedurft, wenn dem Telegraphengesetz ein weiter, die Übermittlung von Tönen umfassender Nachrichtenbegriff zugrundegelegen hätte. 78 Bestätigt wird dieses Verständnis sodann durch die Begründung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen. In ihr findet sich die Feststellung, daß es nicht zum Begriff der Fim/canlage gehöre, daß sie gerade Nachrichten vermittele oder ihr bestimmungsgemäßer Zweck gerade die Vermittlung von Nachrichten im engeren Sinne sei. 79 Diese Feststellung wäre aber überflüssig gewesen, wenn den übrigen Fernmeldeanlagen, die sich nicht des Funks als Übertragungsmittel bedienen, gleichfalls ein weiter, die Übermittlung von Tönen etc. umfassender Nachrichtenbegriff zugrundegelegen hätte. Nicht gefolgt werden kann daher der Auffassung, daß die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs bzw. das Gesetz über Fernmeldeanlagen lediglich hätten klarstellen wollen, daß bereits dem Telegraphengesetz ein weiter, die Übermittlung von Tönen etc. umfassender Nachrichtenbegriff zugrundegelegen habe. 80 Dieser Ansicht könnte nur dann zugestimmt werden, wenn die Gesetzgebungsmaterialien zum Telegraphengesetz Anhaltspunkte für ein weites Verständnis des Begriffs „Nachrichten" böten. Dies ist indessen, wie bereits aufgezeigt, nicht der Fall. 8 1 b) Schwächen des historischen Nachrichtenbegriffs Beließe man es bei einem engen Verständnis des Nachrichtenbegriffs, so wäre der Begriff der Nachrichtenübermittlung auf die Mitteilung einer Einzelperson an eine andere reduziert. 82 Das würde den heutigen fernmeldetechni78
Soeben bb. Α . A . B G H , NJW 1981, 831, der der Auffassung ist, daß die FunkVO den Nachrichtenbegriff durch die zusätzliche Aufzählung nicht habe einschränken wollen. Wieso aber dem T G ein weiter Nachrichtenbegriff zugrundegelegen haben soll, wird in der Entscheidung nicht begründet. Vgl. auch Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (471) unter Bezugnahme auf E. Neugebauer. Näher dazu noch unten D I I I 3 b bb. 79 Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682, S. 6. 80 So aber H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 90; wie hier bereits K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen Bd. 1,5. Aufl. 1928, Anm. 8 zu § 1 TG. 81 Oben bb. 82 So schon Orth, Z A k d R 1937, 585 (588).
74
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
sehen Entwicklungen überhaupt nicht mehr gerecht, weil ein derart verstandener Nachrichtenbegriff bspw. die Kommunikation zwischen Maschinen nicht erfaßt. Schon dies spricht dafür, den Nachrichtenbegriff zeitgemäß zu definieren. 83 Hinzu kommt, daß es sich um Fww&anlagen auch bei solchen Anlagen handeln kann, wenn diese neben Nachrichten Zeichen, Bilder oder Töne übermitteln. Der Begriff Fernmeldeanlagen umfaßt aber die Funkanlagen, so daß für Anlagen, die sich nicht der Hochfrequenz als Übertragungsmedium bedienen, das gleiche gelten muß. Schließlich handelt es sich, wie sogleich gezeigt wird, bei den Begriffen Nachrichten, Bilder, Zeichen oder Töne auch nicht notwendig um begriffliche Gegensätze; diese können vielmehr ineinander übergehen. 84 c) Die Problematik einer inhaltlichen Bestimmung des Begriffs „Nachricht" Versucht man, dem Begriff „Nachricht" schärfere Konturen zu verleihen, ergibt sich die Schwierigkeit, daß es kein einheitliches Verständnis dieses Begriffs gibt. 85 So läßt sich im weitesten Sinne als eine Nachricht jede physikalisch meßbare Größe verstehen, weil sie Kunde eines Vorgangs gibt. 86 Demgegenüber wird in der Publizistik unter Nachricht eine Mitteilung bzw. Information über einen Sachverhalt oder ein Ereignis, die (durch Massenmedien verbreitet) Interesse in der Öffentlichkeit beansprucht, verstanden. 87 Die Nachrichtentechnik hingegen definiert als Nachricht die Zusammenstellung von Zeichen oder Zuständen, die zum Zwecke der Weitergabe Informationen darstellen, 88 wobei teilweise zusätzlich gefordert wird, daß Voraussetzung hierfür eine zwischen Sender und Empfänger verabredete Menge von Zeichen ist. 89 Umgangssprachlich dagegen wird unter Nachricht entweder wenig aussagekräftig eine Mitteilung, Meldung, Kunde verstanden 90 oder dieser Begriff 83
Vgl. auch/. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 91 f. Insoweit richtig B G H NJW 1981, 831. Vgl. ferner A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 8 zu § 1 FAG. 85 Vgl. die bei Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 163, wiedergegebenen Definitionen, sowie Duden-Lexikon Informatik, 1988, S. 273ff. 86 Vgl. K. Küpfmüller, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1954, S. 26; darauf stellt wohl auch BayObLG NJW 1979, 1837 (1839), ab. 87 Vgl. Meyers großes Taschenlexikon Bd. 15, 2. Aufl. 1987, S. 122; Großes Duden Lexikon Bd. 5, 1966, S. 668; Der große Brockhaus Bd. 8, 18. Aufl. 1979, S. 90. 88 H.-J. Schneider, Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986, S. 394; Müller-Löbel-Schmid, Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985, S. 455; Der große Brockhaus, Bd. 8, 18. Aufl. 1979, S. 90; Knaur, Bd. 4, 1975, bei „Informationstheorie"; DudenLexikon Informatik, 1988, S. 402; A. Schulz, Informatik für Anwender, 1973, S. 34; K. Küpfmüller, aaO, S. 26 „Nachricht im technischen Sinn". 89 So bei Brockhaus, aaO, S. 90; H.-J. Schneider (Hrsg.), aaO, S. 394; Müller-LöbelSchmid, aaO, S. 455; Knaur, aaO, bei „Informationstheorie". 90 Meyers großes Taschenlexikon Bd. 15, 2. Aufl. 1987, S. 122; Müller-LöbelSchmid, aaO, S. 455. 84
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
75
dahin bestimmt, daß Nachricht all das ist, was die Kenntnisse des Empfängers vermehrt oder ihn in sonstiger Weise auf geistigem Weg beeinflussen kann, indem es eine Reaktion bei ihm auslöst. 91 Der publizistische Nachrichtenbegriff bezieht sich auf die Verbreitung von Informationen durch Massenkommunikationsmittel. Für den Begriff der Fernmeldeanlagen ist dieses Verständnis nicht geeignet, da Fernmeldeanlagen nicht nur zur Übermittlung massenkommunikativer Inhalte dienen, sondern gerade auch die Individualkommunikation über räumliche Distanzen ermöglichen sollen. 92 Ebenso scheidet das umgangssprachliche Verständnis des Begriffs Nachrichten aus, da es nicht auf die Kommunikation zwischen Maschinen paßt. Dies ergibt sich schon aus der trivialen Überlegung, daß man Maschinen geistig nicht beeinflussen kann, um eine Reaktion bei ihnen auszulösen.93 Nahe liegt angesichts der engen Verbundenheit des Fernmeldebereichs mit dem der Nachrichtentechnik die Verwendung des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs. d) Zur Geeignetheit des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs Gegen die Verwendung des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs hat allerdings H. Redeker 94 aus terminologischen Gründen Bedenken erhoben. Die Zeichen seien gerade nicht der übermittelte Gegenstand, da sie während des Übermittlungsvorgangs geändert werden könnten. Der Gegenstand der Übermittlung werde in der Nachrichtentechnik nur als „Information" bezeichnet. 95 Dann aber könne man den nachrichtentechnischen Begriff „Nachricht" im Fernmeldebereich nicht verwenden. Die Verwendung der Worte „Zeichen", „Nachricht" und „Information" macht es erforderlich, diese Begriffe und ihr Verhältnis zueinander näher zu klären. 96 Im nachrichtentechnischen Verständnis ist - wie bereits erwähnt - eine Nachricht die Zusammenstellung von Zeichen oder Zuständen, die (zum
91 Vgl. Enzyklopädie der Naturwissenschaft und Technik, S. 2960; im Duden-Lexikon Informatik als „Information" bezeichnet. 92 Ebenso H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 89. 93 Im StGB: Man kann einen Automaten nicht täuschen. 94 AaO, S. 89. 95 Vgl. demgegenüber Duden-Lexikon Informatik, 1988, S. 273ff. 96 Bis in Einzelheiten kann und soll dies hier nicht erfolgen, weil genau diese Problematik schon einer der drei großen Problemk ι eise der Kybernetik ist. Vgl. dazu H.-J. Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, 9. Aufl. 1984, S. 50ff.
76
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Zwecke der Weitergabe) Informationen darstellen. Zeichen wiederum setzen sich aus Zeichenelementen zusammen, so bspw. beim Morse-Code aus Muster von Punkten und Strichen, 97 bei einer digitalen Datenübertragung aus einer bestimmten Anzahl von Nullen und Einsen. 98 Die Zeichenelemente können mit den Zeichen identisch sein, sind es aber regelmäßig nicht. 99 Jedes Zeichenelement wird wiederum durch zwei Zustände (bspw. Spannung/keine Spannung beim Morsen) und deren Zeitdauer bestimmt. 100 Es ergibt sich also folgender Aufbau: Bestimmte physikalische Zustände und deren Zeitdauer stellen ein Zeichenelement dar. Ein oder mehrere Zeichenelemente ergeben ein Zeichen. Mehrere Zeichen (Zusammenstellung) wiederum ergeben eine Nachricht. Geändert werden während einer Übermittlung nur die physikalischen Zustände und gegebenenfalls die Zeichenelemente, das Zeichen und damit auch die Zeichenzusammenstellung bleibt aber identisch. Offen bleibt bei diesem Aufbau noch, wo der Begriff der Information anzusiedeln ist. Er stammt vom lateinischen Begriff „informatio" ab, was sich mit „Bildung, Belehrung" übersetzen läßt. 1 0 1 Hierauf basierend wird das Verhältnis der Information zur Nachricht teilweise dahin umschrieben, daß es sich bei der Information um eine Nachricht handeln muß, die dem Empfänger neues Wissen vermittelt. 102 Häufig werden Information und Nachricht auch gleichgesetzt. 103 Für die Zuordnung des Begriffs „Information" zu den übrigen Begriffen hilft das nicht weiter. Wenn man sich vor Augen hält, daß das Wort „informatio" mit „Bildung, Belehrung" übersetzt wird, dann wird klar, daß schon jeder physikalisch meßbare Vorgang, weil die Kenntnisse des Empfängers vermehrend, eine Belehrung und damit eine Information darstellt. Mit dem nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriff hat dies aber nichts zu tun, weil es in der Nachrichtentechnik nicht um einen „Belehrungseffekt", sondern um den „Transport" eines „Gegenstandes" geht. 97
H.-J. Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, 9. Aufl. 1984, S. 56; W. Kaiser, Verh. des 54. DJT, Sitzungsbericht G/H, S. H 9 ( H 13). 98 W. Kaiser, aaO, S. H13. 99 Im Morsealphabet nur bei den Buchstaben e und t, weil dort ein Punkt dem Buchstaben e, ein Strich dem Buchstaben t entspricht, bei digitaler Nachrichtenübertragung besteht keine Identität. 100 Die Zeitdauer kann durch einen Zähler ersetzt werden, so daß nach einer vorher festgelegten Anzahl von Zeichenelementen das Zeichen ermittelt wird, so bspw. bei einer digitalen Datenübertragung, vgl. W. Kaiser, aaO, S. H 13. 101 Vgl. Der große Brockhaus, Bd. 5, 18. Aufl. 1979, S. 534. 102 So bei A. Schulz, Informatik für Anwender, 1973, S. 34; Duden-Lexikon Informatik, 1988, S. 273ff. 103 Vgl. H.-J. Schneider (Hrsg.), Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986, S. 394; Der große Brockhaus Bd. 5, 18. Aufl. 1979, S. 534f.; Meyers großes Taschenlexikon Bd. 10, 2. Aufl. 1987, S. 235ff.; H. Windsheimer, Die „Information" als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, 1968, S. 17.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
77
Wie in der Nachrichtentechnik geht es aber auch im Fernmeldebereich um Fragen, die den Transport eines „Gegenstandes" betreffen, nicht aber um Fragen der Bildung und Belehrung. Demzufolge kann dem Begriff der Information im Fernmeldebereich keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß es sich bei der Nachricht nicht um einzelne Zeichen oder Zeichenelemente handelt, die befördert werden. Die Nachricht gerade auch im nachrichtentechnischen Sinne ist vielmehr nichts anderes als der beim Fernmelden übermittelte „Gegenstand", der sich aus mehreren einzelnen Zeichen zusammensetzt. Es kann also grundsätzlich bei der Verwendung des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs bleiben, wonach eine Nachricht die Zusammenstellung von Zeichen oder Zuständen ist, die zum Zwecke der Weitergabe Informationen darstellen. Zwei Modifikationen sind allerdings angebracht. Zum einen muß die Zusammenstellung der Zeichen zwischen Sender und Empfänger verabredet sein. Andernfalls ist eine Kommunikation nicht möglich. Zum anderen kann es nicht darauf ankommen, daß die Zusammenstellung der Zeichen auch tatsächlich eine Information darstellt. Ob es sich um eine Information handelt, vermag weder der Absender noch der Übermittler zu beurteilen, sondern ausschließlich der Empfänger. Die Nachricht im fernmelderechtlichen Sinn läßt sich daher wie folgt definieren: Eine Nachricht ist die Zusammenstellung von zwischen Sender und Empfänger verabredeter Zeichen, die bei der Übermittlung durch physikalische Zustände repräsentiert werden. 104 Demnach ist neben der Wiedererzeugung am Empfangsort als weiteres Merkmal für den Begriff der Fernmeldeanlage erforderlich, daß eine Zusammenstellung von zwischen Sender und Empfänger verabredeter Zeichen übermittelt wird, wobei diesen bei der Übermittlung (wechselnde) physikalische Zustände korrespondieren.
104
Ähnlich wie hier BayObLG, NJW 1979, 1837 (1839); O L G Oldenburg, M D R 1980, 78; A. Eidenmüller, Kommentar zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 8 zu § 1 FAG. Vgl. auch L G Tübingen, NJW 1979,1839; L G Osnabrück, M D R 1979, 867 (868); Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (472). Weitergehend B G H , NJW 1981, 831 (832: Jeder funkmäßige Vorgang, der einem Empfänger Kenntnis vermittelt). Nach Meyer, in: Erbs-Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Dezember 1983, F 55, Anm. 2 b bb zu § 1 F A G soll die Verschaffung der Kenntnis von der Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten genügen. Aus früherer Zeit vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 83; H. Hellmuth, Zentralblatt für Handelsrecht Bd. 3 (1928), S. 197 (201); K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen, Bd. I, 5. Aufl. 1928, Anm. 8 zu § 1 TG, sowie ders., in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen Bd. I I , 5. Aufl. 1931, Anm. 3 zu § 1 F A G , die auf menschliche Gedankenäußerungen abstellten. Hiergegen E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 18ff. Vgl. ferner K. Friedrichs, Gesetz und Recht Bd. 29 (1928), S. 145 (147: „Mannigfachigkeit der Mitteilungen").
78
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
3. Der Begriff der Übermittlung a) Grundsätzliches Ebenfalls bereits häufig verwandt, aber noch nicht eingehend erörtert wurde, was unter dem Begriff „Übermittlung" zu verstehen ist. Sucht man aber in Lexika und Wörterbüchern nach entsprechenden Definitionen, so lassen sich solche nicht finden. 105 Näher erläutert werden lediglich ähnliche Begriffe wie Nachrichtenübertragung, Datenübertragung und Datenübermittlung. So wird unter Nachrichtenübertragung die Übermittlung von Nachrichten über eine Übertragungsstrecke mit Hilfe eines Übertragungsmediums von Sender zu Empfänger verstanden. 106 Den Begriff „Datenübertragung" definiert das Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung als einen Transport von Daten aus einem Speicher in einen anderen Speicher, wobei unter Speicher im weiteren Sinne wiederum Datenquellen und Datensenken zu verstehen sind. 107 Unter Datenübermittlung wiederum wird fast gleichlautend das Übermitteln von Daten von einer Datenquelle an eine Datensenke über einen oder mehrere Übermittlungsabschnitte verstanden. 108 Gemeinsam ist diesen Definitionen, daß bei Beginn der Übermittlung Sender, Empfänger, Nachricht sowie ein Übertragungskanal feststehen müssen. Fraglich ist, ob dies auch für den Begriff der Übermittlung in einem fernmelderechtlichen Verständnis zutrifft. Zum einen könnte man einer Übertragung des Übermittlungsbegriffs im obigen Verständnis in den Fernmeldebereich entgegenhalten, daß es Übermittlungen gibt, obwohl ein endgültiger Empfänger nicht feststeht. Desweiteren ist es beim Rundfunk unmöglich, einen konkreten Empfänger der Übermittlung festzustellen. Trotzdem werden die technischen Einrichtungen zur Übermittlung von Rundfunksendungen als Fernmeldeanlagen angesehen, 1 0 9 so daß auch das Zweifel begründet, ob das Erfordernis der Empfängerbezogenheit zum Begriff der Übermittlung im fernmelderechtlichen Sinn gehören kann. 1 1 0 105 So bspw. nicht bei H.-J. Schneider (Hrsg.), Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986; Müller-Löbel-Schmid (Hrsg.), Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985; Der große Brockhaus, 18. Aufl. 1979; Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983. Weitere Nachw. bei H. Redeker, Neue Informationsund Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 85. 106 Der große Brockhaus Bd. 8, 18. Aufl. 1979, S. 92. 107 So H.-J. Schneider (Hrsg.), Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, 2. Aufl. 1986, S. 159. Ähnlich Duden-Lexikon Informatik, 1988, S. 160ff. 108 Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, S. 159. 109 Vgl. BVerfGE 12, 205 (226ff.).
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
79
Schließlich könnte eine Übermittlung auch dann möglich sein, wenn Sender und Empfänger identisch sind. Es bedürfte dann nicht notwendigerweise eines Übertragungskanals. aa) Übermittlung,
obwohl der Empfänger nicht feststeht?
Der Einwand, daß eine Übermittlung stattfinden kann, obwohl der endgültige Empfänger noch nicht feststeht, begründet keine Bedenken gegen das Erfordernis einer Empfängerbezogenheit der Übermittlung. Nachrichten, deren Empfänger noch nicht feststeht, müssen, wie H. Redeker 111 zu Recht feststellt, zumindest zu einem Zwischenempfänger transportiert werden (der diese ggflls. an den endgültigen Empfänger weiterleitet), da andernfalls eine Übermittlung nicht möglich wäre. Bei der Übermittlung von Nachrichten, deren endgültiger Empfänger nicht feststeht, liegen vielmehr zwei Übermittlungen vor, wobei der Zwischenempfänger zunächst als Empfänger und später dann als Sender fungiert. 112 bb) Rundfunk als Einwand gegen das Erfordernis der Empfängerbezogenheit? Wesentliches Merkmal des Rundfunks ist die Aussendung von Darbietungen an eine räumlich getrennte, um den Sender verstreute Vielzahl ν on Personen, wobei jedermann, der dazu willens und in der Lage ist, die Sendungen unmittelbar mit einem geeigneten Empfangsgerät aufnehmen kann. 1 1 3 Der einzelne Empfänger bleibt somit unbekannt. Das steht dem Erfordernis der Empfängerbezogenheit der Übermittlung aber nicht entgegen. Der Sender beabsichtigt von vorneherein nur, an denjenigen Personenkreis als Empfänger zu übermitteln, der ihn technisch empfangen kann. Die vom Sender ausgesandten elektromagnetischen Wellen gelangen auch über die jeweiligen Empfangsantennen bis in das Empfangsgerät hinein, so daß beim Rundfunk nicht nur potentielle, sondern reale Empfänger vorhanden sind. Man kann demzufolge beim Rundfunk alle Hörer und Seher als Empfänger betrachten, die die Funkwellen tatsächlich empfangen. 110 Vgl. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 610 FN 6, sowie S. 637. 111 Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 85f. 112 Wobei es fraglich ist, ob die dazu verwendeten Anlagen als Fernmeldeanlage anzusehen ist. Dazu näher unten b bb δ. 113 So W. Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 136; ähnlich auch P. Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 27f. ; Η. Geiger, Grenzen des Rundfunkmonopols, Diss. Bonn 1971, S. 38ff.; A. Scharf, BayVBl. 1968, 337 (341); E. U. Schwandt, DÖV1972, 693 (695ff.).
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
80
Diese können es nunmehr durch Nichteinschalten des Empfangsgerätes ablehnen, die ausgestrahlte Nachricht zur Kenntnis zu nehmen, so daß der Abschluß der Übermittlung verhindert wird.· Der Sender will demgegenüber aber zu keinem Zeitpunkt gerade den konkreten einzelnen Empfänger feststellen. So verstanden steht aber der Empfänger (als Empfängerkreis) auch beim Rundfunk schon bei Beginn der Übermittlung fest, so daß die aus dem Rundfunk hergeleiteten Einwände gegen die Empfängerbezogenheit einer Übermittlung letztlich nicht durchgreifen. 114 cc) Übermittlungen an sich selbst Auf den ersten Blick spricht einiges gegen die Möglichkeit einer Übermittlung, wenn Sender und Empfänger identisch sind. Bei der Übermittlung einer Nachricht handelt es sich um die Übermittlung eines geistigen Gegenstandes. Es scheint aber unsinnig, sich einen selbst erzeugten geistigen Gegenstand zu übermitteln. Eine solche Betrachtungsweise verwechselt aber den Begriff der Nachricht mit dem der Information. Unmöglich ist es nur, an sich selbst eine Information zu übermitteln, weil es bei einem selbst erzeugten geistigen Gegenstand an der Vermehrung der eigenen Kenntnisse fehlt. Das aber schließt nicht aus, daß man eine Nachricht an sich selbst übermittelt, denn bei dem Begriff der Nachricht kommt es im Gegensatz zu dem Begriff der Information auf die Vermehrung der eigenen Kenntnisse nicht an. Eine Übermittlung kann deshalb auch bei Identität von Sender und Empfänger gegeben sein. In Betracht kommen Fälle, bei denen man Nachrichten erhält, die man vor dem Vergessen bewahren möchte, aber an dem Ort, an dem man sich befindet, nicht speichern kann. Als Beispiel möge eine wichtige Anschrift dienen, die man am Urlaubsort erhält und an seine Heimatadresse übermittelt, um sie dort nach der Rückkehr weiterzu verwenden. 115 Hierbei handelt es sich allerdings um Situationen, in denen Sender und Empfänger trotz personeller Identität räumlich getrennt sind. 116 Räumliche Trennung bedingt aber einen Übertragungskanal, wenn eine Übermittlung stattfinden soll.
114
H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 87f. Vgl. ferner U. v. Petersdorffi Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 125; G. B. Krause, Die Zuständigkeit zur Neuordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 49f. 115 Beispiel nach H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 86. 116 H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 87; früher schon E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 23.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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Es kann daher festgestellt werden, daß eine Übermittlung auch im fernmelderechtlichen Sinne nur dann stattfinden kann, wenn bei ihrem Beginn Sender, Empfänger, Nachricht sowie Übertragungskanal feststehen. 117 b) Abgrenzungen Nach den bisherigen Ausführungen sind die Voraussetzungen einer Übermittlung im fernmelderechtlichen Sinn ermittelt, aber noch nicht die Tätigkeit des „Übermitteins" näher bestimmt worden. Sie soll anhand von Tätigkeiten vorgenommen werden, die kein „Übermitteln" darstellen. Festzustellen ist zunächst, daß die Tätigkeit des „Übermitteins" nicht identisch ist mit der des Vermitteins. Zwar legt § 1 F A G dadurch, daß er neben dem Begriff der Übermittlung (bei der Definition der Funkanlagen) auch den der Vermittlung (bei den Telegraphenanlagen) verwendet, eine Identität beider Begriffe nahe. Versucht man aber, den Begriff der Vermittlung näher zu konkretisieren, kommen Zweifel auf. Bei einer Vermittlung geht es darum, eine Verbindung zwischen mindestens zwei von der Vermittlungsstelle verschiedenen Teilnehmern herzustellen. 118 „Übermitteln" bezeichnet demgegenüber, wie die Vorsilbe „Über-" erkennen läßt, einen räumlichen Vorgang, der bei der Vermittlung vorliegen kann, aber nicht notwendigerweise vorliegen muß. 1 1 9 Beide Begriffe sind demnach nicht identisch, so daß sich aus dem Verständnis des Begriffs „Vermittlung" nichts für die Deutung des Begriffs „Übermittlung" herleiten läßt. aa) Nachrichtenübermittlung
und Nachrichtenproduktion
Grundsätzlich wird man die Herstellung der Nachricht von ihrer Übermittlung zu unterscheiden haben. 120 Deutlich wird dies anhand eines Vergleichs mit dem Postwesen: Das Schreiben eines Briefes obliegt nicht der Post. 117 Auf die „Beschaffenheit" des Übertragungskanals kommt es dagegen nicht an, weil diese während der Übermittlung wechseln kann (bspw. Übergang von drahtgebundener in drahtlose Übermittlung), worauf Sender und Empfänger keinen Einfluß haben. A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603 (610), verwechselt die Frage der „Beschaffenheit" des Übertragungskanals mit dem Vorhandensein desselben, wenn er darauf abstellt, daß es eines Übertragungskanals wegen dessen nicht mehr feststellbarer Materialisierung nicht länger bedarf. Wenn es um räumliche Überwindung einer Entfernung geht, bedingt dies zwingend die Existenz eines Übertragungskanals. 118 Vgl. Der große Brockhaus Bd. 12, 18. Aufl. 1981 „Vermittlungstechnik"; MüllerLöbel-Schmid (Hrsg.), Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985, S. 703; ähnlich auch BT-Drucks. 11/2854, S. 60: „Vermittlungseinrichtungen sind die Bauteile, die die Verbindung zu den gewünschten Empfangsstellen herstellen". 119 U. v. Petersdorff\ Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 182. 120 Vgl. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 632; H. Redeker, aaO, S. 91 ff.; U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale,
6 Köbele
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Auch dem Fernmeldewesen ist diese Unterscheidung nicht unbekannt. Vorgenommen hat sie bereits das Bundesverfassungsgericht anhand des Rundfunks im ersten Fernsehurteil, 121 indem es festgestellt hat, daß die Veranstaltung von Rundfunksendungen und die Studiotechnik nicht dem Fernmeldewesen zuzurechnen sind. 122 Vielmehr beginne das Femmelde wesen „erst mit der Übermittlung der sendefertigen Ton- und Bildsignale vom Rundfunkstudio zu einem oder mehreren Sendern (Übermittlung durch Leitungen oder durch Funk) .. . " . 1 2 3 Von der Produktion der Nachricht wiederum zu unterscheiden ist die Herstellung der zur Übermittlung geeigneten physikalischen Repräsentation der Nachricht, bspw. in Form von Spannungen. Sie gehört zur Nachrichtenübermittlung, weil erst eine bestimmte physikalische Repräsentation der Nachricht die schnelle Übermittlung über große Entfernungen ermöglicht. Hieraus folgend gehört zur Übermittlung auch die Umwandlung dieser physikalischen Repräsentation in eine für den Empfänger wieder wahrnehmbare Form. Zu berücksichtigen ist außerdem, daß Übermittlungen nicht immer über eine geschlossene Übertragungsstrecke erfolgen, 124 sondern auch über verschiedenartige Teilstrecken durchgeführt werden können. 125 Benötigen die einzelnen Teilstrecken unterschiedliche physikalische Repräsentationen der Nachricht, 126 so gehört die Umwandlung der physikalischen Repräsentation der Nachricht in die für die andere Teilstrecke geeignete Repräsentation an der Übergangsstelle gleichfalls zur Übermittlung. Es fragt sich nunmehr, ob man die Herstellung einer Nachricht von der Herstellung der die Nachricht repräsentierenden physikalischen Zustände unterscheiden kann. Dies ist zu bejahen, weil die Nachricht der Fernmeldeeinrichtung immer schon in einer repräsentierten („hergestellten") Form übergeben wird, bevor die Herstellung der zur Übermittlung geeigneten physikalischen Repräsentation erfolgen kann. Sätze bspw. werden durch geschriebene Buchstaben oder Schallwellen dargestellt. Die Fernmeldeeinrichtung wandelt diese ihr übergebenen „Zeichen" bzw. „Zeichenelemente" in zur Übermittlung geeignete physikalische Zustände um. Dabei entspricht der physikalische
Diss. Berlin 1982, S. 125; früher bereits H. D. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1979, S. 31 f. 121 BVerfGE 12, 205ff. ι 2 2 BVerfGE 12, 205 (230). 123 BVerfGE 12, 205 (227). ι 2 4 Das aber setzt A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603 (608) wohl voraus, wenn er, darauf basierend, sodann feststellt, daß die Einheit der Fernmeldeanlage nicht mehr realistisch sei. 125 Was gerade das Beispiel bei A. Eidenmüller, aaO, S. 608, verdeutlicht. 126 Bsp. Auf der ersten Teilstrecke wird mittels Glasfaser (Licht) übermittelt, auf der zweiten mittels Funk.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
83
Zustand genau dem Zeichenelement; die Umwandlung eines Zeichenelements in einen nicht korrespondierenden physikalischen Zustand kommt nicht in Betracht. A m Beispiel des Morsens wird dies deutlich. Der zeitlichen Dauer des Drückens der Morsetaste und damit der Herstellung eines Zeichenelements (kurz/lang) entspricht die zeitliche Dauer des Vorhandenseins einer Spannung, die ihrerseits eine Einrichtung beim Empfänger für die Dauer des Vorhandenseins der Spannung zum Ansprechen bringt (Töne, Schreibstift etc.). Durch diese strenge Bestimmtheit erhält der Empfänger aufgrund des nur vom Sender gesteuerten „Ansprechens" der Empfangseinrichtung genau jene Zeichenelemente, die den abgesandten Zeichenelementen entsprechen. Die Nachricht als Zusammenstellung von Zeichenelementen bleibt unverändert. Wird in diese Bestimmtheit von dritter Seite eingegriffen, so kommt es zur Erzeugung anderer als der abgesandten Zeichenelemente. Es wird dann eine neue Nachricht hergestellt. Ebenso verhält es sich bei einer Umcodierung. Dort werden bestimmte physikalische Zustände in andere, ihnen genau entsprechende Zustände gewandelt. Die an der Empfangseinrichtung letztlich anliegenden physikalischen Zustände müssen daher nicht mit denen identisch sein, die seitens des Senders erzeugt worden sind. Sie müssen aber die gleichen Zeichenelemente wiedergeben, die seitens des Senders in physikalische Zustände gewandelt worden sind. Ist dies nicht der Fall, so kommt es auch hier zur Herstellung einer neuen Nachricht und damit zur Nachrichtenproduktion. Irrelevant ist, daß eine Übermittlungseinrichtung auch Nachrichten herstellen kann, um die eigentliche Nachrichtenübermittlung zu steuern. Diese sind zum einen mit der eigentlich zu übermittelnden Nachricht nicht identisch und vor allem erreichen sie auch nicht den Empfänger. Nach dem Gesagten ist die Trennung von Nachrichtenproduktion und Nachrichtenübermittlung möglich. Letztere zählt zum Fernmelden, erstere nicht. bb) Nachrichtenübermittlung
und Nachrichtenspeicherung
Als weiteres Problem erweist sich die Frage, ob zur Übermittlungsfunktion als eine der Voraussetzungen des Fernmeldeanlagenbegriffs auch die Speicherung von Nachrichten gehören kann. Bei vordergründiger Betrachtungsweise wäre diese Frage zu verneinen, da eine Fernmeldeanlage über räumliche, nicht aber über zeitliche Distanzen übermitteln soll. 1 2 7 Vereinfacht ausgedrückt: Es soll etwas gemeldet, nicht aber aufbewahrt werden. 127
Vgl. J. Scher er, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 636; ders., Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommuni*
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Beließe es man hierbei, so sind aber auch solche Anlagen keine Fernmeldeanlagen, die eine schnellstmögliche Nachrichtenübermittlung gerade durch Zwischenspeicherung erreichen. 128 Hiergegen spricht zum einen, daß es sich bei einer Zwischenspeicherung lediglich um eine technische Verbesserung handeln kann, die die Übermittlung als solche unberührt läßt. Zum anderen widerspräche es auch der grundsätzlichen Offenheit des Fernmeldeanlagenbegriffs für technische Entwicklungen, 129 wenn man Anlagen, nur weil sie u.a. Speicherfunktionen aufweisen, von vorneherein aus dem Begriff der Fernmeldeanlage herausnehmen würde. Da aber andererseits aus dem oben genannten Grund nicht jede beliebige Speicherung zur Übermittlung gerechnet werden kann, bedarf es eines Maßstabs, anhand dessen zu beurteilen ist, wann eine Speicherung noch Bestandteil einer Übermittlung ist. Nur dann können Anlagen, die Speicherfunktionen aufweisen, Fernmeldeanlagen sein. α) Beeinflussung des Übermittlungscharakters der Anlage durch die Speicherung Es liegt nahe, mittels wertender Beurteilung entweder im jeweiligen Einzelfall oder anhand von Gruppenbildungen darauf abstellen, ob die Speicherung den Übermittlungscharakter der Anlage unbeeinflußt läßt oder nicht. Eine solche Beurteilung läßt sich aber, wie die Folgeentwicklung nach der Computer I Entscheidung der amerikanischen FCC gezeigt hat, auf Dauer nicht durchhalten. 130 ß) Übertragung der Grundsätze des Ersten Fernsehurteils? Möglich wäre desweiteren, in Anlehnung an das Erste Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts 131 die bei den Kommunikatoren vorhandenen Speicher aus dem Bereich der Übermittlung herauszunehmen, weil es sich insoweit um das handeln könnte, was beim Rundfunk den Studiobereich ausmacht. Vorgeschlagen wurde dies für den Bereich der Textkommunikation von der baden-württembergischen Expertenkommission Neue Medien (EKM) zwecks Klärung der Bund-/Länderkompetenzen im Rahmen des Art. 73 Nr. 7 G G . 1 3 2 Dieser Abgrenzungsversuch stieß jedoch auf Ablehnung, weil der kationsrecht, 1987, S. 156ff.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 93f. 128 So bspw. bei Datex-P, vgl. F. Hillebrand, JbDBP 1978, S. 229 (241 f., 246). 129 Vgl. BVerfGE 46, 120 (143). 130 Ausführlich dazu J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 64ff. Vgl. bereits oben Β I. 131 BVerfGE 12, 205ff.
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,Studiobereich' eine Verkürzung der kompetenzrechtlichen Regel sei, wonach die Post keine Signale produzieren dürfe. 133 Die Textspeicher dienten jedoch gerade nicht der Signalproduktion, sondern der Aufbewahrung der Signale, so daß ein Vergleich mit der ,Studiotechnik4 verfehlt sei. Der Abgrenzungsversuch ginge daher ins Leere. 134 Hinzuzufügen ist dem, daß der Abgrenzungsversuch der E K M , weil auf Endgeräte abzielend, keine tauglichen Kriterien für im Netz stattfindende Speicherfunktionen bereithält. γ) Erforderlichkeit der Speicherung für die Übermittlung? Angesichts dessen wird im neueren Schrifttum bei einer im Zusammenhang mit einer Übermittlung stehenden Speicherung darauf abgestellt, ob sie gerade für die Übermittlung erforderlich ist. 1 3 5 Im Postwesen sei unzweifelhaft, daß Briefe oder Pakete solange gelagert werden dürften, bis der für ihre Beförderung am besten geeignete Zug abfährt. 136 Man könne darüber hinaus eine Speicherung solange noch für zulässig halten, bis wieder genügend Leitungskapazitäten für die Durchführung der Übermittlung frei seien. Ferner gehöre auch eine Speicherung, die dazu führe, daß der Empfänger die Nachricht zu einem ihm günstigen Zeitpunkt erhalte, noch zur Übermittlung. 137 Ô) Eigene Ansicht Die Ausdehnung der Zulässigkeit der Speicherung bis auf den Zeitpunkt, zu welchem der Transport zu einem für den Empfänger wahrscheinlich am günstigsten Zeitpunkt vorgenommen werden kann, erscheint indes zu weitgehend. Hierbei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die mit technischen Erfordernissen einer Übermittlung nichts zu tun hat. Es obliegt nicht dem Transportunternehmen, sondern dem Kommunikator selbst, zu entscheiden, wann den Empfänger die Nachricht erreichen soll. Das Transportunternehmen hat zwar technisch alles zu tun, damit die ihm übergebene Nachricht 132
EKM, Bd. I, S. 189; früher bereits Stübler-Kogel, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 150 ( Κ 152 f.). 133 Vgl. auch oben aa. 134 So / . Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 636; ähnlich U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 159f.: Bei einem Speicher fehlt es an der Inhaltsaufbereitung, die im Studiobereich erfolgt. 135 So H. Redeker, aaO, S. 94; enger/. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 636 („unerläßlich"). 136 H. Redeker, aaO, S. 94. 137 Relevant wird dies bei interkontinentalen Übermittlungen, weil dann Zeitverschiebungen eine Rolle spielen.
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den Empfänger so schnell wie möglich erreichen kann. Ob die Nachricht den Empfänger auch tatsächlich zum schnellstmöglichen Zeitpunkt erreicht, ist demgegenüber eine vom Verhalten des Empfängers abhängige Wertungsfrage. Das Empfängerverhalten aber kann das Transportunternehmen nicht vorhersehen, so daß es auch nicht beurteilen kann, ob die Übermittlung zum tatsächlich schnellsten Zeitpunkt stattfindet. Zu bedenken ist desweiteren, daß der Empfänger auf den Erhalt der Nachricht bspw. gerade außerhalb seiner Bürozeiten, damit aber aus Sicht des Transportunternehmens einem ungünstigen Zeitpunkt, warten kann. Die Übermittlung der Nachricht erst zu Bürozeiten würde dann eine zeitweise Vorenthaltung der Nachricht bedeuten, die unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist. Demnach sind nur solche Speicherungen im Netz erforderlich, die zur schnellstmöglichen Übermittlung technisch notwendig sind (Bsp. Ausnutzung von Leitungskapazitäten). Hierfür verwendete Speicheranlagen stehen einer Beurteilung des Gesamtsystems als Fernmeldeanlage nicht entgegen. Zu beachten ist aber, daß vor Beginn der Übermittlung Sender, Empfänger, Nachricht und Vorhandensein eines Übertragungskanals feststehen müssen. Daraus folgt, daß die Speicherung einer Nachricht, wenn der endgültige Empfänger der Nachricht nicht feststeht, keine Zwischenspeicherung mehr darstellt, da insoweit der Übermittlungsvorgang mit Eintreffen der Nachricht im Speicher abgeschlossen ist. 1 3 8 Die spätere Übermittlung der Nachricht aus dem Speicher heraus stellt dann einen neuen, selbständigen Übermittlungsvorgang dar, da erst mit Abruf der Nachricht aus dem Speicher der endgültige Empfänger festgelegt wird. Das Speichern zwischen diesen Übermittlungsvorgängen läßt sich nicht mehr dem Fernmelden zurechnen, weil es keine räumliche, sondern nur eine zeitliche Dimension aufweist. 139 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß auch beim Rundfunk der konkrete Empfänger nicht feststeht, er aber trotzdem zum Fernmeldewesen gerechnet wird, soweit es um technische Fragen geht. Es wurde bereits ausgeführt, daß beim Rundfunk die potentiellen Empfänger die ausgestrahlten Wellen tatsächlich erhalten, 140 was bei der Lagerung einer Nachricht in einem Speicher im Netz gerade nicht der Fall ist. Hier bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Anforderung eines (neuen) Empfängers, bevor ein neuer Übermittlungsvorgang stattfindet. 138
Hierin liegt der Unterschied zwischen den Speicherungen bei Datex-P und Bildschirmtext, was D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271), verkennt. 139 Ebenso im Ergebnis H. Redeker, aaO, S. 94; / . Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161; U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 127ff.; A . A J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (522); D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271). 140 Vgl. oben a bb.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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Speicheranlagen, die zwecks Durchführung verschiedener, voneinander unabhängiger Übermittlungsvorgänge errichtet sind, sind demzufolge keine Fernmeldeanlagen. cc) Nachrichtenübermittlung
und Nachrichtenverarbeitung
Die Nachrichtenverarbeitung ist die Herstellung einer neuen Nachricht. Infolgedessen kann auf die Ausführungen zur Nachrichtenproduktion verwiesen werden. c) Zur Problematik einer Einbeziehung der Nachrichtenverarbeitung in die Nachrichtenübermittlung Nach den bisherigen Ausführungen gehören zum Begriff der Fernmeldeanlage alle Einrichtungen, die die Übermittlung einer Zusammenstellung von - durch physikalische Zustände repräsentierten - Zeichen mit Nachbildung derselben am Empfangsort bewirken. Zur Übermittlung gehört auch die Erzeugung der für eine Übermittlung geeigneten physikalischen Repräsentation der zu übermittelnden Nachricht am Sendeort durch dazu geeignete Einrichtungen sowie ggflls. auch die Umcodierung und die Zwischenspeicherung der Nachricht. Nicht entnehmen läßt sich dem Fernmeldeanlagenbegriff eine Differenzierungsmöglichkeit nach Netz und Endgeräten; er umfaßt vielmehr beides gleichermaßen. 141 Daraus folgt, daß es auch nicht darauf ankommt, in welcher spezifischen Form eine Nachrichtenübermittlung stattfindet. Mit anderen Worten: der Begriff des Femmeidedienstes spielt für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlage eine Fernmeldtanlage i.S. von § 1 Abs. 1 F A G ist, keine Rolle. 1 4 2
141
Vgl. E. Wiechert, JbDBP 1986, 119 (133); R. Eck, APF 1986, 38 (40); A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 13; K. -L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 111 ff.; K. Gscheidle, JbDBP 1980, S. 9 (16); früher bereits J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90; hiervon dürften auch BVerfGE 46, 120 (144), sowie jetzt das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (BTDrucks. 11/2854, S. 60) ausgehen. Α . A . jetzt A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603 (609 f.). 142 Zum Zeitpunkt des Erlasses des Fernmeldeanlagengesetzes war die Unterscheidung nach Netzen und Diensten irrelevant, weil Fernmeldenetze dienstspezifisch eingerichtet waren (bspw. das Fernsprechnetz für den Telefondienst). Erst seit Anfang der siebziger Jahre werden Fernmeldenetze zur Erbringung mehrerer verschiedener Fernmeldedienste benutzt, so bspw. das Fernsprechnetz neben dem Telefondienst auch zum Telefaxdienst, vgl. K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 18ff.; J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 29 m.w.Nachw., sowie oben A I I 1.
88
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage Beläßt man es hierbei, dann werden aber infolge der nicht vorhandenen
Differenzierungsmöglichkeit zwischen Netz u n d Endgerät aufgrund der voranschreitenden Integration von Nachrichtenübermittlung u n d Nachrichtenverarb e i t u n g 1 4 3 zunehmend auch solche A n l a g e n v o m Fernmeldeanlagenbegriff e r f a ß t , 1 4 4 die zwar eine Ü b e r m i t t l u n g m i t anschließender R e p r o d u k t i o n der übermittelten Nachricht leisten können, zugleich aber über die bloße Übermittlungsfunktion hinausgehende weitere F u n k t i o n e n aufweisen, die ihrerseits wiederum m i t der Übermittlungsfunktion nichts zu t u n haben. Typisches Beispiel für derartige A n l a g e n sind Datenverarbeitungsanlagen. Z u r Folge hat dies die Ausdehnung des seit langem regulierten Fernmeldewesens i n bisher unregulierte Bereiche, insbesondere i n den der Datenverarb e i t u n g . 1 4 5 D a v o r aber wurde i m Schrifttum zu § 1 F A G a . F . vor allem deshalb gewarnt, weil sich nach alter Gesetzeslage m i t der Einbeziehung von multifunktionalen A n l a g e n 1 4 6 i n den Fernmeldeanlagenbegriff automatisch ihre Einbeziehung auch i n das von der D B P ausgeübte
Fernmeldemonopol
ergab.147 D e m könnte man zwar nunmehr entgegenhalten, daß der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 1 A b s . 1 F A G das bisherige ausschließliche H a n d -
143
Vgl. hierzu ausführlich F. Arnold (Hrsg.), Telekommunikation in Europa: Quo vadis?, Online'87 Kongreßband I, 1987, Symposium 02; ferner K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. Iff.; EKNIK, BT-Drucks. 9/2442, S. 39 f f . ; / . Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 55ff., 297ff.; P. Broß, Städte- und Gemeindebund 1987, S. 128ff. 144 Vgl. W. Schatzschneider, Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?, 1988, E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 18; V. Emmerich, AfP 1984, 11 (15). Vgl. ferner A. Hesse, aaO, S. 12, sowie E.-J. Mestmäcker, Kommunikation ohne Monopole, 1980, S. 161 (162). Die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auch auf Datenverarbeitungsanlagen, sofern diese an Übermittlungen beteiligt sind, bejahen E. Wiechert, JbDBP 1986, 119 (133); R. Eck, APF 1986, 38 (40); G. Tenzer, JbDBP 1985, 528 (529) unter unrichtiger Verallgemeinerung der Direktrufentscheidung (BVerfGE 46, 120ff.) auf Fernmeldeanlagen-, K.-L. Plank, aaO, S. 2; U. Klingler, APF 1978,184 (185); früher bereits Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (478); M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186; wohl auch A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603 (610). Begründet wird diese Ansicht mit dem Argument, daß die DBP immer dann zur Regelung befugt sei, wenn Übermittlungsvorgänge stattfinden, so jedenfalls deutlich Klingler-Mahler, aaO, S. 478 sowie M. Adelmann, aaO, S. Κ 186 (187). 145 Vgl. G. Knieps, in Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 155; B. Weinberger, Der Städtetag 1984, 174 (175f.).; E.-J. Mestmäcker, aaO, S. 162. 146 Unter multifunktionalen Anlagen werden hier in Anlehnung an die Terminologie „multifunktionale Endgeräte" solche Anlagen verstanden, die neben Übermittlungsfunktionen andere, mit der Übermittlung nicht zusammenhängende Funktionen in einer Anlage aufweisen, wie dies insbesondere bei Datenverarbeitungsanlagen der Fall ist. Vgl. S. Schindler, Informatik Spektrum Bd. 8 (1985), S. 225. 147 Vgl. vor allem V. Emmerich, AfP 1984, 11 (14ff.); früher bereits Stübler-Kogel, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 150.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
89
lungsrecht des Bundes auf eine einfache Handlungsbefugnis reduziert hat. 1 4 8 Dadurch sei aber klargestellt, daß das Fernmeldemonopol unabhängig vom Verständnis des Fernmeldeanlagenbegriffs einschränkbar sei, wodurch auch das Erfordernis der Abgrenzung des regulierten Fernmeldebereichs vom unregulierten Bereich der Datenverarbeitung viel von seiner Relevanz verloren habe. 149 Indes wird gerade die Abänderbarkeit von § 1 F A G a.F. im Schrifttum mit dem Argument bestritten, daß der Grundgesetzgeber das vorgefundene Fernmeldemonopol durch seine Billigung der Disposition des einfachen Gesetzgebers entzogen habe. 150 Daher könne die Existenzberechtigung des Monopols auch nicht ohne weiteres anhand der Grundrechte geprüft werden. Vielmehr seien Grundrechte und Fernmeldemonopol, da verfassungsrechtlich gleichwertig, in praktische Konkordanz zu bringen. 151 Folgt man letztgenannter Ansicht, so würde dies bedeuten, daß sich die Reichweite des Fernmeldemonopols aufgrund des Wortlauts von § 1 Abs. 1 F A G a.F. zwingend nach der Auslegung des Fernmeldeanlagenbegriffs bestimmt. Schon im Hinblick auf eine nicht von vorneherein völlig auszuschließende Verfassungswidrigerklärung von § 1 F A G n.F. aufgrund der soeben dargestellten Argumente bleibt daher zu prüfen, ob man den Begriff der Übermittlung als Bestandteil des Fernmeldeanlagenbegriffs nicht eher restriktiv zu verstehen hat. Andernfalls würden mit wachsender Ausdehnung eines verfassungsrechtlich gebilligten Fernmeldemonopols immer weitere Bereiche von der uneingeschränkten Anwendbarkeit der Grundrechte ausgenommen. Aber auch, wenn man eine verfassungsrechtliche Verfestigung des vorkonstitutionellen Fernmeldemonopols verneint, bedarf es der Klärung, ob auch multifunktionale Anlagen dem Fernmeldeanlagenbegriff unterfallen. Bei vorbehaltloser Anwendung des Fernmeldeanlagenbegriffs würde sich dieser zum Inbegriff aller mit einer Nachrichtenübermittlung in irgendeiner Weise zusammenhängenden Tätigkeiten entwickeln. Damit wären je nach Fortschritt der 148
Von den Ausnahmen Funk und Telefondienst soll hier zunächst abgesehen wer-
den. 149 In diese Richtung bereits H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 104, für die alte Fassung von § 1 FAG. 150 Vgl. Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rdnrn. 26, 31; U. Klingler, APF 1978, 184 (189); U. Wussow, RiA 1981, 107f.; F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657 (658); Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (566f.). Die verfassungsrechtliche Verfestigung eines historisch gewachsenen Kernbereichs des Fernmeldewesens bejahen E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (124f.) und G. Püttner, ZögU Beiheft 4/1981, S. 115 (118f.). 151 So F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657 (658). Vgl. zum Begriff der praktischen Konkordanz K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, Rdnr. 72, sowie ferner P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 126ff.; W. Rüfner, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 453 (461 ff.); H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 366.
90
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Technologie sämtliche Anlagen zur technischen Informations(fern)verarbeitung als Fernmeldeanlagen zu qualifizieren. 152 § 15 Abs. 1 F A G pönalisierte dann aber gleichzeitig den ungenehmigten Betrieb all dieser Anlagen, was dann schon angesichts des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 G G 1 5 3 nicht unproblematisch erscheint. aa) Die Abgrenzung zwischen Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenverarbeitung in der Direktrufverordnung Die Problematik der Einbeziehung des unregulierten Datenverarbeitungsbereichs in den regulierten Fernmeldebereich, hervorgerufen durch ein extensives Verständnis des Merkmals „Übermittlung", ist in der Vergangenheit auch durchaus bereits erkannt worden. So bezog schon die auf der Basis des § 14 PostVwG („Fernmeldewesen") ergangene D i r R u f V O 1 5 4 nicht unterschiedslos auch Datenverarbeitungsanlagen in ihren Anwendungsbereich ein, sondern differenzierte bei den Teilnehmereinrichtungen zwischen Endeinrichtungen und Zusatzeinrichtungen (§ 2 Abs. 1 DirRufVO), wobei unter Endeinrichtungen insbesondere Datenverarbeitungsanlagen zu verstehen waren (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 DirRufVO). Dieser Differenzierung folgend bestimmte § 2 Abs. 2 DirRufVO, daß die DBP bei Endeinrichtungen nur berechtigt sei, die Anschließungsbedingungen einschließlich der Schnittstellenbedingungen an das Direktrufnetz festzulegen. Demgegenüber mußten bei Hauptanschlüssen für Direktruf Zusatzeinrichtungen (insbesondere Modems) posteigen sein (§ 3 Abs. 4 DirRufVO). Diese Differenzierung war zwar umstritten, wurde aber vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform bestätigt. 155 Zugleich bezweifelte das Gericht aber, daß die Datenfernverarbeitung noch zur Zuständigkeit der DBP gehört. 156 152
So bereits H. Redeker, aaO, S. 104. Vgl. zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG BVerfGE 48, 48 (56f.); 51, 60 (70ff.); 75, 329 (340ff.); zuletzt BVerfGE 78, 374 (381ff. - Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 2 a FAG); B G H , JZ 1982, 214ff.; Ph. Kunig, in: I. v. Münch, GGKomm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 103 Rdnrn. 27ff.; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983; Art. 103 Rdnr. 7; R. Wassermann, in: A K - G G , Bd. I I , 2. Aufl. 1989, Art. 103 Rdnrn. 44ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 I V 4 f β; H. Schneider, Gesetzgebung, 1982, Rdnrn. 75ff. 154 BGBl. 1974 I, S. 1325ff., mittlerweile abgelöst durch die Telekommunikationsordnung, BGBl. 1986 I, S. 1749ff. 155 BVerfGE 46, 120ff. - Direktruf. Kein gutes Licht auf diese Entscheidung wirft es allerdings, daß die EG-Kommission, konsequent die gegenteilige Position vertretend, acht Jahre nach diesem Urteil mit der Drohung eines EuGH-Verfahrens die Aufgabe des DBP-Monopols an Modems herbeiführte (vgl. EG-Kommission, BT-Drucks. 11/ 930, S. 76). 156 BVerfGE, aaO, S. 151 f.; ebenso schon der V I I . Senat des Bundesverwaltungsgerichts als Vorinstanz, vgl. BVerfGE 46, 120 (134). Das weckt bereits Bedenken gegen 153
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
91
Hätte man demgegenüber Datenverarbeitungsanlagen als Fernmeldeanlagen angesehen, so wäre der Erlaß der DirRufVO überflüssig gewesen, da dann der Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen auch zu Übertragungszwekken bereits vom Fernmeldemonopol des § 1 Abs. 1 F A G a.F. erfaßt gewesen wäre. 157 bb) Übertragbarkeit dieser Abgrenzung auf den Problemkreis Fernmeldeanlage - Datenfernverarbeitung? Es liegt nahe, zur Lösung der oben c aufgezeigten Problematik eine Grenzziehung ähnlich derjenigen der DirRufVO zwischen den datenverarbeitenden und den datenübertragenden Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage vorzunehmen und letztere dem Fernmeldeanlagenbegriff zu unterstellen. Dabei stellt sich das Problem, daß der Begriff der Fernmeldeanlage einer Differenzierung nach Netz und Endgeräten nicht zugänglich ist. 1 5 8 Für die Übermittlung durch Datenverarbeitungsanlagen bedeutet dies, daß neben der Frage, ob eine Unterscheidung zwischen dem Übertragungsbereich und dem sonstigen datenverarbeitenden Bereich möglich ist, außerdem geprüft werden muß, ob der Übertragungsbereich allein unter den Fernmeldeanlagenbegriff subsumiert werden kann. Um diese Prüfung durchführen zu können, bedarf es zunächst der näheren Darlegung, inwieweit Datenverarbeitungsanlagen in Übermittlungsvorgänge eingebunden sein können.
α) Grundsätzliches zu Übermittlungsvorgängen mittels Datenverarbeitungsanlagen Der Datentransport zwischen Datenverarbeitungsanlagen kann sich einerseits mittels physischer Speichermedien wie z.B. Lochstreifen, Magnetbänder oder Plattenspeicher vollziehen. 159 Stehen die Datenverarbeitungsanlagen nahe genug beieinander, so kann eine Kommunikation zwischen ihnen auch
den Betrieb von Bildschirm text durch die Bundespost, weil es sich bei Bildschirmtext gerade auch um Datenfernverarbeitung für Dritte handelt. Vgl. dazu unten C V 1 e bb. 157 Wieso die Verbindung von „Nicht-"Fernmeldeanlagen mit dem öffentlichen Netz diese generell zu Fernmeldeanlagen werden lassen soll, ist schon angesichts der differenzierenden Regelungen der DirRufVO nicht mehr nachvollziehbar, so aber zuletzt wieder G. Tenzer, JbDBP 1985, 528 (529); R. Eck, APF 1986, 38ff.; früher bereits K. Gscheidle, JbDBP 1980, S. 9 (17). Hiergegen U. v. Petersdorff Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 147f. Bei einem Computer, der an das öffentliche Netz angeschlossen ist, erfolgt die Wiedererzeugung der Nachricht erst dann, wenn ein geeignetes Programm geladen worden ist, und nicht etwa bereits dann, wenn er physisch mit dem Netz verbunden wird. 158 159
Oben c. Sog. Offline-Übertragung, vgl. G. Müsch, F O R M A T Heft 1/89, S. 73.
92
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
mittels Übertragungsleitungen stattfinden. 160 Im einfachsten Fall beschränkt sich das Übertragungssystem auf zwei Computer, die Verbindungsleitungen sowie entsprechende Kommunikationsprogramme, die die Übermittlung steuern. Die Übertragung der Daten erfolgt ausschließlich digital; zusätzliche Geräte werden nicht benötigt. Der Aufbau eines derartigen Systems sieht wie folgt aus: Computer
Verbindungsleitung — digital
Computer
Diese Form der Übertragung läßt sich auch zu regelrechten Übertragungsnetzen ausbauen und wird dann mit dem Begriff L A N (local area network) umschrieben. 161 In der Praxis wurden diese Netze bisher zumeist auf den Inhouse-Bereich beschränkt, weil sich zum einen eine derartige Form der Datenübertragung mit zunehmender Entfernung technisch schwieriger gestaltet bzw. sogar unmöglich wird, 1 6 2 zum anderen aber auch, weil man einem Konflikt mit der DBP bisher aus dem Weg gehen wollte. Es lag daher nahe, sich zum Datentransfer über weitere Strecken der Telefonleitungen zu bedienen. Dabei stellt sich aber ein Problem: Auf Telefonleitungen werden die Signale analog übertragen, während Datenverarbeitungsanlagen nur digitale Signale zur Verfügung stellen können. 163 Um das Telefonnetz trotzdem benutzen zu können, bedarf es demnach einer Einrichtung, die die digitalen Signale der Datenverarbeitungsanlage in analoge Signale umwandelt bzw. diese wieder zurück wandelt. Hierfür wurden die Modems 164 entwikkelt. Der Aufbau eines Übertragungssystems zwischen Datenverarbeitungsanlagen unter Verwendung von Modems 165 sieht dann wie folgt aus: Computer - Modem digital
160
Telefonleitung analog
Modem - Computer digital
Sog. Online-Übertragung, vgl. G. Mitsch, aaO, S. 73. 161 W. Siebert, ntz Bd. 40 (1987), S. 98 (99). Gegenbegriff: Wide area network, mit dem bspw. das Telefonnetz bezeichnet wird, vgl. NJW-CoR Heft 2/1988, S. 3. 162 W. Siebert, aaO, S. 99. ι63 Gibson-Omenzetter, ntz Bd. 33 (1980), S. 658. Zum Unterschied zwischen analoger und digitaler Übertragung vgl. W. Kaiser, Verh. d. 54. DJT, 1982, Sitzungsbericht, S. H 9 ( H 13f.); K.-H. Rosenbrock, ZPF Heft 9/1982, S. 24 (25). 164 Kunstwort aus Modulation und Demodulation, vgl. nur BVerfGE 46, 120 (123). Zur technischen Funktionsweise von Modems vgl. E. Philippow, Taschenbuch der Elektrotechnik, Bd. 4, 1979, S. 157ff. ι 6 5 Nicht zu verwechseln ist das Modem mit dem Akustikkoppler. Zwar dient auch dieser der Datenübertragung. Er wird aber nicht direkt an die Verbindungsleitung (Telefonleitung) angeschlossen, sondern wandelt nur die vom Computer kommenden Signale in Niederfrequenz um, die sodann auf ein Telefon gegeben werden, wo sie wiederum in analoge Spannungen umgesetzt werden.
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
93
Die Datenübertragung unter Zuhilfenahme des Telefons läßt sich entsprechend dem Schaubild in folgende drei Abschnitte gliedern, die in der Praxis mittels Trenn- oder Schnittstellen durchgeführt werden kann: - Das Übertragungsnetz (bspw. das Fernsprechnetz) - Die Datenübertragungseinrichtungen (DÜE, bspw. ein Modem) - Die Datenendeinrichtungen (DEE, bspw. ein Computer). 166 ß) Verwertbarkeit der Bereichseinteilung aufgrund von Schnittstellen für die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs? Dieser aus den Schnittstellen resultierenden technischen Bereichseinteilung soll in rechtlicher Hinsicht die Bedeutung zukommen, den Verantwortungsbereich des Benutzers vom Zuständigkeitsbereich derjenigen Stelle abzugrenzen, die die Übertragungsnetze und Einrichtungen zur Verfügung stellt. Für die Übermittlung durch Datenverarbeitungsanlagen würde dies bedeuten, daß Modems als Datenübertragungseinrichtungen noch zum Bereich der Post gehörten, während die Datenendeinrichtungen dem Benutzerbereich zuzurechnen wären. 167 Für die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 F A G auf den Datenübertragungsbereich müßten Modems in Verbindung mit dem Telefonnetz die übermittelten Signale am Empfangsort wiedererzeugen. Das aber ist nicht der Fall, weil sie die empfangenen Signale nur wandeln und weiterleiten, während die Reproduktion in der Datenverarbeitungsanlage als Datenendeinrichtung erfolgt (ein geeignetes Kommunikationsprogramm vorausgesetzt). 168 Daraus folgt, daß die Bereichseinteilung anhand von Schnittstellen zwar zur Abgrenzung von Verantwortungsbereichen innerhalb des Begriffs „Fernmeldewesen" (Art. 73 Nr. 7 GG, § 14 PostVwG a.F.) herangezogen werden könnte, aber allein nichts darüber aussagt, daß Teile von Datenverarbeitungsanlagen Fernmeldeanlagen i.S. des § 1 Abs. 1 F A G sind. 169 Die in der Direktrufverordnung vorgenommene Grenzziehung zwischen Fernmelden und Datenverarbeitung löst demnach das Problem der Einbeziehung multifunktionaler Anlagen in den Fernmeldefl«/flge«begriff nicht. 166 Vgl Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 61; MüllerLöbel-Schmid (Hrsg.), Lexikon der Datenverarbeitung, 9. Aufl. 1985, S. 170; KtKBericht, Anlagebd. 3, 1976, S. 46ff. 167 Dieser Differenzierung folgte die DirRufVO. Auf diese Bereichseinteilung stellt letztlich auch G. Tenzer, JbDBP 1985, S. 528 (529f.) ab. 168 Unzutreffend G. Tenzer, aaO, S. 529. Die Eigenschaft eines Gerätes, ein Endgerät zu sein, macht es nicht automatisch auch zur Fernmeldeanlage i.S. von § 1 Abs. 1 FAG, vgl. U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 148. 169 Ähnlich auch J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 66 FN 169.
94
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
cc) Lösung der Problematik durch das Poststrukturgesetz? Ebensowenig hat die Novellierung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen dieses Problem erledigt, obwohl in den verschiedenen Absätzen des § 1 die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Netz, Diensten sowie Endgeräten angeordnet und ein Monopol nur noch für den Netzbereich 170 festlegt ist. Die meisten Vorschriften des Fernmeldeanlagengesetzes n.F. setzen für ihre Anwendbarkeit nach wie vor voraus, daß eine Anlage eine Fernmeldeanlage im Sinne des Gesetzes ist, so ζ. Β. § 15 Abs. 1 F A G . 1 7 1 Durch die in einzelnen Vorschriften vorgenommene Differenzierung nach Netzen, Diensten und Endgeräten ist demgegenüber lediglich bezweckt, daß sich der Umfang des Fernmeldemonopols nicht mehr zwingend nach der Reichweite des Begriffs „Fernmeldeanlagen" bestimmt. 172 Die Problematik der Einbeziehung der multifunktionalen Anlagen in den Fernmeldeanlagenbegriff bleibt daher bestehen, bzw. wird dort, wo auf Einzelkomponenten der Fernmeldeanlage abgestellt wird, in den Endgerätebereich verlagert. 173 dd) Konsequenzen einer uneingeschränkten Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Datenverarbeitungsanlagen aufgrund eines extensiven Verständnisses des Übermittlungsbegriffs Ergeben demnach die bisherigen Feststellungen, daß zwar eine Grenzziehung zwischen dem Fernmeldewesen und dem datenverarbeitenden Bereich grundsätzlich möglich ist, sich aber der dem Fernmeldewesen zurechenbare Teilbereich nicht isoliert unter den Begriff der Fernmeldeanlage subsumieren läßt, so fragt sich nunmehr, ob man das gesamte System, bestehend aus Datenstationen, 174 Übertragungsleitungen sowie geeigneter Kommunikationssoftware, als Fernmeldeanlage i. S. des § 1 Abs. 1 F A G erachten kann. 1 7 5 Das wäre dann zu bejahen, wenn man genügen läßt, daß bei einer Datenverarbei170
Sowie Funk und den Dienst der Vermittlung von Sprache für andere. Das wird in den Arbeiten, die sich (nur) mit dem Fernmeldemonopol beschäftigen, nicht behandelt. Vgl. exemplarisch: A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984; E.-J. Mestmäcker, Kommunikation ohne Monopole, 1980, S. 161 ff.; V. Emmerich, AfP 1984, 11 ff. 172 Vgl. BT-Drucks. 11/2855, S. 4. 173 Darüber hinaus wird durch die Gesetzesänderung nunmehr das Problem aufgeworfen, wie sich Vorschriften, in denen nur auf Einzelkomponenten wie Netz oder Endgeräte abgestellt wird, zu solchen Vorschriften verhalten, die die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs voraussetzen. 174 Zusammenfassender Begriff für Datenendeinrichtung und Datenübertragungseinrichtung, vgl. Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 60. 175 Alles oder Nichts-Prinzip resultierend aus der fehlenden Differenzierungsmöglichkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs zwischen Netz und Endgerät, vgl. E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (133). 171
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
95
tungsanlage auch Übermittlungsvorgänge m i t Wiedererzeugung am E m p fangsort stattfinden (extensives Verständnis des Übermittlungsbegriffs). 1 7 6 D e m stehen aber schwerwiegende Bedenken entgegen. B e i einer Datenverarbeitungsanlage sind die Voraussetzungen des Fernmeldeanlagenbegriffs erst dann erfüllt, wenn sie an das Fernmeldenetz angeschlossen und ein geeignetes K o m m u n i k a t i o n s p r o g r a m m i n den Rechner geladen worden ist, w e i l es vorher nicht zur Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort k o m m e n k a n n . 1 7 7 Desweiteren würden zugleich auch an die Datenverarbeitungsanlage angeschlossene Peripheriegeräte, wie bspw. D r u c k e r , sofern sie nur die Nachricht gleichfalls wiedererzeugen, ebenfalls zum Bestandteil der Fernmeldeanlage und damit genehmigungspflichtig, 1 7 8 o b w o h l sie allein für Ü b e r m i t t l u n g e n überhaupt nicht geeignet sind. D e r Bundespost würden damit Regelungsmöglichkeiten bei technischen Geräten eröffnet, die m i t Fernmelden nichts zu t u n haben. D e r Teilnehmer wiederum würde sich i n dem A u g e n b l i c k nach § 15 A b s . 1 F A G strafbar machen, i n welchem er ein geeignetes Programm i n den Computer geladen h a t . 1 7 9 U m dies zu vermeiden, benötigte er nach § 2 A b s . 1 F A G die Genehmigung der D B P hinsichtlich des Anschlusses der Datenverarbeitungsanlage incl. sämtlicher Peripheriegeräte an das Fernmeldenetz und der
176 Vgl. R. Eck, APF 1986, 38 (40); Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (478); M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186. 177 Die vor allem seitens der Post immer wieder geäußerte gegenteilige Ansicht, daß die Verbindung der Datenverarbeitungsanlage mit dem Fernmeldenetz diese zur Fernmeldeanlage mache (vgl. zuletzt A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 5 zu § 1 F A G ; R. Eck, APF 1986, 38 (40), sowie früher bereits K. Gscheidle, JbDBP 1980, S. 9 (16)), ist angesichts dessen unhaltbar. Der Verweis von R. Eck, APF 1986, 38 (40) auf E. Neugebauer und die bei WiechertSchmidt wiedergegebenen Entscheidungen verkennt, daß sich Neugebauer wie die Rechtsprechung nur zum Anschluß von Telefonen, Anrufbeantwortern etc. geäußert haben. Bei diesen kann mit dem Anschluß an das Netz die Wiedererzeugung am Empfangsort erfolgen, bei Datenverarbeitungsanlagen, Modems u.ä. noch nicht! Ebensowenig läßt sich diese Ansicht mit der Direktrufentscheidung des BVerfG belegen. Das BVerfG hat sich nur zur Zugehörigkeit von Modems zu Einrichtungen des Fernmeldewesens geäußert (BVerfGE 46, 120 (144)), aber keinesfalls festgestellt, daß Modems mit dem Anschluß an das Netz Teile einer Fernmeldeanlage werden, wie dies K. Gscheidle, aaO, S. 17, annimmt. 178 In diese Richtung offenbar R. Eck, APF 1986, 38 (39f.). 179 Das wird von R. Eck, aaO, S. 40, nicht erkannt. Um einen Fall des ehemaligen § 15 Abs. 2 a F A G (vgl. dazu BVerfGE 78, 374ff.) handelt es sich, wenn man davon ausgeht, daß es sich beim Telefon um eine (einheitliche) Fernmeldeanlage handelt, der ungenehmigte Komponenten (Modem, Datenverarbeitungsanlage, Programm) hinzugefügt werden. Für diese Betrachtungsweise spricht in der Tat, daß die Post selbst bisher immer davon ausgegangen ist, daß der Telefonapparat nicht mittels Schnittstelle vom Fernmeldenetz getrennt ist. Dann aber kann der (genehmigten) Fernmeldeanlage „Telefon" keine zweite ungenehmigte Fernmeldeanlage hinzugefügt werden. Diese „benutzt" vielmehr Teile der genehmigten Fernmeldeanlage „mit". Aber auch in einem solchen Fall könnte die Post die Genehmigung nach § 2 F A G widerrufen!
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Benutzung eines bestimmten Programms 180 (als Bestandteil der Fernmeldeanlage). Damit aber wäre der Bundespost über § 2 Abs. 1 F A G das Recht verschafft, Einfluß sowohl auf die Verwendung eines bestimmten Computers als auch auf die Programmauswahl beim Teilnehmer, sowie ferner auch bereits auf die Herstellung dieser Programme zu nehmen. 181 Neben ihren Regelungsmöglichkeiten in anderen „Hardwarebereichen" wäre der DBP damit auch ihre Ausdehnung in den Softwarebereich gestattet. Die genehmigte Verwendung eines bestimmten Computers und eines bestimmten Programms könnte die Bundespost darüber hinaus nur beim Teilnehmer selbst kontrollieren, was voraussetzt, daß sie jederzeit ein Zutrittsrecht zur Wohnung eines möglichen Teilnehmers hätte. Angesichts der mittlerweile überaus zahlreichen Verbreitung von Computern (und potentiellen Fernmeldeanlagen?) auch im Privatbereich führte dies zu Befugnissen der DBP, die sich nicht mehr hinreichend präzise umschreiben lassen. Schließlich würde die Anwendung des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Datenverarbeitungsanlagen auch verkennen, daß bei Datenverarbeitungsanlagen der Übermittlungsfunktion neben anderen Funktionen nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. 1 8 2 Nur um den Fernmeldeanlagenbegriff auf Datenverarbeitungsanlagen anwenden zu können, wird man den aufgezeigten Folgen schwerlich zustimmen können. 183 Datenverarbeitungsanlagen fallen daher, auch wenn mit ihnen Übermittlungen durchgeführt werden, nicht unter den Fernmeldeanlagenbegriff.
180 Man halte das nicht für bloße theoretische Überlegungen des Autors. Mittlerweile wird in Computerzeitschriften die ZZF-Zulassung für ein bestimmtes Kommunikationsprogramm schon als Werbeargument verwendet, vgl. bspw. CHIP, Heft 2/1989, S. 235 (BTX-Softwaredecoder). 181 Letzteres, weil sich die Programme nicht mehr absetzen ließen, wenn sie beim Teilnehmer nicht genehmigt würden. Die DBP hält diese Einwirkungsbefugnis offensichtlich für rechtmäßig, vgl. Zacher-Dibbern, JbDBP 1986, S. 281 (284f.). 182 Verdeutlicht wird dies anhand eines Programms, welches neben den Teilen Textverarbeitung, Adressenverwaltung, Tabellenkalkulation und Grafik auch einen Kommunikationsteil aufweist. 183
Gegen dieses Ergebnis spricht auch schon die (mittlerweile überholte) Vorschrift des § 2 Abs. 2 DirRufVO. Ihrer hätte es nicht bedurft, wenn man Datenverarbeitungsanlagen als Fernmeldeanlagen angesehen hätte. Genehmigungen hätten dann über § 2 F A G erteilt werden können. Vgl. ferner EG-Kommission, BT-Drucks. 11/930, S. 76; V. Emmerich, AfP 1987, 385ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 432 m.w.Nachw.
. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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ee) Folgerung: Verständnis des Begriffs „Übermittlung" auch als Erfordernis der technischen Geeignetheit einer Anlage nicht auch, sondern nur zur Übermittlung (restriktives Verständnis des Übermittlungsbegriffs) Wenn nach dem Gesagten Datenverarbeitungsanlagen auch dann keine Fernmeldeanlagen sind, wenn mit ihnen Übermittlungen bewirkt werden, dann weckt dies allgemein Bedenken gegen die Annahme, daß eine Anlage schon dann eine Fernmeldeanlage sein soll, wenn es (auch) zur Nachrichtenübermittlung mit Wiedererzeugung am Empfangsort kommt. Tatsächlich gibt es gewichtige Gründe, die gegen diese Annahme sprechen. Bei ihrer Zugrundelegung wären alle Anlagen, die nur am Rande etwas mit Übermittlung zu tun haben, im wesentlichen aber anderen Zwecken dienen, vom Fernmeldeanlagenbegriff erfaßt. 184 Dieser würde sich damit (abhängig von der technischen Entwicklung) zum Inbegriff aller mit einer Nachrichtenübermittlung in irgendeiner Weise zusammenhängenden Tätigkeiten entwikkeln, woraus folgende Probleme resultieren: α) Strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz Es ergibt sich eine Ausdehnung der Strafbarkeit nach § 15 Abs. 1 FAG, was dann wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG Bedenken gegen diese Vorschrift weckt: Art. 103 Abs. 2 GG will sicherstellen, daß der Normadressat anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist. 1 8 5 Zwar ist dafür in erster Linie der für den Adressaten verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Straftatbestandes (hier § 15 Abs. 1 FAG) maßgebend. 186 Die Verwendung von ausdeutungsbedürftigen Begriffen durch den Gesetzgeber ist aber wegen der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht von vorneherein ausge-
184 Das trifft neben den bereits besprochenen Datenverarbeitungsanlagen insbesondere auch für Fern wirkanlagen zu. 185 BVerfGE 47, 109 (120); 48, 48 (56); 57, 250 (262); 64, 389 (393); 71, 106 (114); 75, 329 (341); 78, 374 (381ff.); Ph. Kunig, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Aufl. 1983, Art. 103 Rdnr. 22; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 I V 4 f ß; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, Rdnr. 558; Pieroth-Schlink, Grundrechte - Staatsrecht I I , 5. Aufl. 1989, Rdnr. 1199; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. Η 37. 186 BVerfGE 47, 109 (121); 71, 106 (115); 73, 206 (235); 75, 329 (341); 78, 374 (381 ff.); Ph. Kunig, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 103 Rdnr. 30; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 I V 4 f ß; PierothSchlink, Grundrechte - Staatsrecht I I , 5. Aufl. 1989, Rdnr. 1199; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. Η 37; Η. Schneider, Gesetzgebung, 1982, Rdnr. 75.
7 Köbele
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
schlossen, sondern dann zulässig, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden oder gefestigter Rechtsprechung und Literatur eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen läßt, so daß der Einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen. 187 Bei dem Ausdruck „Fernmeldeanlage", von dessen Auslegung eine Strafbarkeit nach § 15 Abs. 1 wesentlich abhängt, hilft der bloße Wortlaut nicht weiter, da dann eine Anlage schon dann eine Fernmeldeanlage ist, wenn sie überhaupt Meldungen in die Ferne gibt. 1 8 8 Dafür kommen aber unendlich viele Vorrichtungen und Verhaltensweisen in Betracht (bspw. Winken mit einer Taschenlampe); 189 so daß dieser Ausdruck der Auslegung bedarf. 190 Für diese spielen sowohl die historische Betrachtungsweise 'als auch gefestigte Rechtsprechung und Literatur eine entscheidende Rolle. Sie ergeben, daß wesentlich für den Begriff der Fernmeldeanlage die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise ist, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wiedererzeugt werden. 191 Solange es dabei nur um Nachrichtenübermittlung geht, bestehen an der genügenden Bestimmtheit von § 15 Abs. 1 F A G keine Zweifel. Anders verhält es sich aber, wenn eine Anlage schon dann eine Fernmeldeanlage sein soll, wenn sie neben anderen Funktionen auch Übermittlungsfunktion mit Wiedererzeugung am Empfangsort aufweist. Hierfür gibt es bisher in der Rechtsprechung keine Anhaltspunkte. 192 Der vor der Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen
187 BVerfGE 45, 363 (371); 71, 108 (115); 73, 206 (234f.); B G H , JZ 1982, 214; K. Stern, aaO, § 20 I V 4 f ß; H. Schneider, aaO, Rdnrn. 75ff.; Pieroth-Schlink, Grundrechte - Staatsrecht I I , 5. Aufl. 1989, Rdnr. 1199; teilw. kritisch Ph. Kunig, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 103 Rdnr. 29. Vgl. zum Ganzen M. Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, 1986. 188 Vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 72. 189 Der Wortlaut wurde schon frühzeitig als viel zu weit empfunden, weil er nicht zum Ausdruck bringe, daß es auf die Übermittlung durch Zeichenwiedergabe am Empfangsort ohne körperliche Beförderung eines Nachrichtenträgers ankomme, vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 70. *9° Vgl. BVerfGE 46, 120 (140). 191 Vgl. nur BVerfGE 46, 120 (143f.); BVerwGE 77, 128 (129f.); O V G Münster, NJW 1985, 1916; BayObLG, NJW 1979, 1837 (1838); BayObLG NJW 1953, 1074; O L G Dresden, ArchPT 1928, 74; RGSt 19, 55 (57f.); RGSt 4, 406 (407); E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (132); J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90; E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 71; Scheffler, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 405ff. 192 Hierin liegt der Unterschied zur Ausdehnung des Gewaltbegriffs des § 240 StGB, die das BVerfG (E 73,206 (243)) als verfassungsgemäß ansah. Das Risiko einer Bestra-
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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Rechtsprechung stellte sich dieses Problem noch nicht. D i e D i r e k t r u f entscheid u n g 1 9 3 , die erstmalig m i t der fernmelderechtlichen Relevanz der Benutzung von Datenverarbeitungsanlagen befaßt war, hatte über die Reichweite des Begriffs „Fernmeldewesen" zu entscheiden u n d zog daher das Verständnis des Fernmeldeanlagenbegriffs nur zur näheren Bestimmung des Begriffs „Fernmeldewesen" heran. D i e Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf den Fernmeldeanlagenbegriff 1 9 4 beziehen, lassen aber offen, ob unter diesen auch A n l a g e n fallen, die neben Übermittlungsfunktionen auch andere hiervon unabhängige F u n k t i o n e n aufweisen oder ob nur solche A n l a g e n erfaßt sein sollen, die nur übermitteln, dies aber m i t neuartiger Technik t u n . 1 9 5 I n der Literatur ist die Behandlung multifunktionaler A n l a g e n als Fernmeldeanlagen u m s t r i t t e n . 1 9 6 O b daher bei Zugrundelegung eines extensiven Verständnisses des Fernmeldeanlagenbegriffs der Normadressat von § 15 A b s . 1 F A G noch vorhersehen kann, welche A n l a g e n , die er ohne Genehmigung errichtet, Fernmeldeanlagen sind, ist sehr fraglich. D i e Voraussehbarkeit einer Strafbarkeit ist aber gerade wesentliches Erfordernis des Bestimmtheitsgebots.
fung war infolge der Vergeistigung des Gewaltbegriffs aufgrund einer im Schrifttum weitgehend anerkannten Rechtsprechung vorhersehbar. 193 BVerfGE 46, 120ff. 194 BVerfGE 46, 120 (143: „Wesentlich für den Begriff der Fernmeldeanlage erscheint die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wiedererzeugt werden."). Vgl. auch BVerwGE 77, 128 (129f.) = DVB1. 1987, 845ff.: „Auch dieser Begriff (seil, der Fernmeldeanlage) ist ein offener, künftige Techniken der Nachrichten Übertragung einschließender Begriff. Er umfaßt . . . nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken, sofern es sich um körperlose Übertragung von Nachrichten in der Weise handelt, daß diese am Empfangsort wiedergegeben werden". 195 Die Ansicht von U. Klingler (APF 1978, 184 (185)), daß Oatcnübertragungsanlagen Fernmeldeanlagen seien, hilft nicht weiter, da grundsätzlich Datenübertragung und Datenverarbeitung von ein und demselben Gerät (abhängig vom jeweiligen Programm) ausgeführt werden, vgl. M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186 ( Κ 187). Ebensowenig geeignet ist der funktionale Fernmeldeanlagenbegriff von A. Eidenmüller (DVB1. 1987, 603 (610)), da sich dann das Problem der Multifunktionalität im Endgerätebereich stellt. 196 Bejahend: E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (133); R. Eck, APF 1986, 38 (40); G. Tenzer, JbDBP 1985, S. 528 (529); K.-L. Plank, aaO, S. 2; U. Klingler, APF 1978, 184 (185); früher bereits Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (478); M. Adelmann, ntz Bd. 27 (1974), S. Κ 186; wohl auch A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 607 (610). Verneinend: H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 105; / . Scher er, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161 f., sowie U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 164. i*
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
ß) Grundrechtsschutz aus Art. 13 Abs. 1 GG Desweiteren würde man bei extensiver Auslegung des Fernmeldeanlagenbegriffs, auch wenn man den Tatbestand des § 3 F A G für anwendbar erachtet, der DBP wegen §§ 6 Abs. 2, 21 F A G ein je nach technischer Entwicklung immer weitergehenderes Kontrollrecht zwecks Einhaltung der Voraussetzungen des § 3 F A G auch über Anlagen einräumen, die nur am Rande etwas mit Übermittlung zu tun haben. 197 Der Schutz vor allem des Art. 13 Abs. 1 GG wäre gegenüber der DBP in zunehmendem Maß reduziert. γ) Fernmeldemonopol Nach alter Gesetzeslage ergäbe sich ferner die Ausdehnung des Fernmeldemonopols insbesondere in den bislang unregulierten Bereich der Datenverarbeitung, was, wenn man der Theorie der verfassungsrechtlichen Verfestigung des Fernmeldemonopols folgt, auch immer weitergehende Bereiche der vorbehaltlosen Anwendbarkeit der Grundrechte überhaupt entzöge. δ) Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Schließlich spricht auch die Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eher gegen eine Ausdehnung des Fernmeldeanlagenbegriffs auf multifunktionale Anlagen. Festzustellen ist zunächst, daß die Direktrufentscheidung zum Begriff „Fernmeldewesen" in § 14 PostVwG a.F. erging 198 und das Verständnis des Fernmeldeanlagenbegriffs nur zur näheren Bestimmung des Begriffs „Fernmeldewesen" heranzog. 199 Der Begriff des Fernmeldewesens ist aber mit dem der Fernmeldeanlagen nicht identisch, sondern kann gegenüber letzterem einen weiteren Anwendungsbereich aufweisen. 200 Demnach konnten zwar 197 Bedenken gegen die Vereinbarkeit von § 6 Abs. 2 F A G mit rechtsstaatlichen Grundsätzen wegen der Unbestimmtheit dieser Vorschrift äußerte bereits die niedersächsische Landesregierung, vgl. B. Breuel, WuW 1981, 96 (101). 198 Das Bundesverfassungsgericht bejahte auch nur die Zugehörigkeit der Zusatzeinrichtungen zur Datenübertragung zum Fernmeldewesen (mittels eigenem Untergliederungspunkt, vgl. BVerfGE 46,120 (144)); verkannt bspw. von G. Tenzer, JbDBP 1985, 528 (529), der die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auf S. 144 auch auf Fernmeldeanlagen bezieht. 199 Daraus erklärt sich außerdem noch, warum sich das Bundesverfassungsgericht zur Frage des Fernmeldemonopols in § 1 F A G a. F. nicht äußerte: A u f die Prüfung des einfachgesetzlichen Fernmeldemonopols kam es für die vorliegende Entscheidung nicht an. Anders ausgedrückt: Das Bundesverfassungsgericht hätte ebenso entscheiden können, wenn es § 1 F A G gar nicht gegeben hätte. 200 So deutlich J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 66 FN 169; früher bereits G. B. Krause, Die Zuständigkeit zur Ordnung
II. Die Entwicklung der einz. Merkmale des Fm-Anlagenbegriffs
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Zusatzeinrichtungen für die Datenübertragung i.S. der DirRufVO durchaus zum Bereich des Fernmeldewesens gehören. Sie sind aber deshalb nicht notwendigerweise auch Fernmeldeanlagen i.S. des § 1 Abs. 1 F A G . 2 0 1 Entscheidend ist aber, daß das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Begriff Fernmeldewesen Zweifel daran geäußert hat, daß Datenfernverarbeitung durch die Bundespost betrieben werden könne. 2 0 2 Dann aber wird man demgegenüber kaum annehmen können, daß unter den gegenüber dem Begriff des Fernmeldewesens engeren Fernmeldeanlagenbegriff auch Datenverarbeitungsanlagen fallen. Andernfalls käme man zu dem Ergebnis, daß Datenfernverarbeitung weder durch die Bundespost ausgeübt werden dürfte, weil es an deren Zuständigkeit fehlt, noch durch den Einzelnen, weil sich dieser durch den Betrieb einer Daten(fern)verarbeitungsanlage wegen des ungenehmigten Betreibens einer Fernmeldeanlage nach § 15 Abs. 1 F A G strafbar machen würde. ε) Entstehungsgeschichte als Gegenargument? Dem kann auch nicht mit dem Hinweis auf die vom Gesetzgeber des Gesetzes über Fernmeldeanlagen beabsichtigte technische Offenheit dieses Begriffs entgegengetreten werden. Diese beabsichtigte technische Offenheit für neue Entwicklungen rührt noch aus der Entstehungsgeschichte des Telegraphengesetzes her. Begründet wurde sie (vor einem völlig anderen technischen wie rechtlichen Hintergrund) zum einen damit, daß man einen Widerspruch des gesetzgeberischen Verständnisses des Begriffs „Telegraphenanlagen" zum allgemeinen Sprachgebrauch, der unter Telegraph jede Einrichtung zur unkörperlichen Nachrichtenübermittlung verstand, vermeiden wollte. Zum anderen war man sich über die Wirkungsweisen physikalischer Übertragungsmed/erc nicht im klaren, 203 so daß für den Begriff der Telegraphenanlagen damals entscheidend sein sollte, daß eine Anlage nicht einzelnen bestimmten Zwecken, sondern dem allgemeinen „Nachrichten-Vermittlungsverkehr" diente. 204 Ob aber eine Einrichtung auch dann eine Telegraphenanlage und damit genehmigungspflichtig war, wenn sie neben anderen Funktionen auch Nachrichten übermittelte, blieb selbst für den extrem weit gefaßten Anwendungsbereich des Telegraphengesetzes unklar, wie die damaligen Diskussionen um Wasserstandsmesser belegen. 205 Schon deshalb kann die vor rund 100 Jahren beabdes Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 44; differenzierend auch H. Redeker, aaO, S. 104. 201 Zutreffend J. Scherer, aaO, S. 66 FN 169. Auch die durch die DirRufVO vorgenommene Differenzierung zwischen End- und Zusatzeinrichtungen spricht eher dagegen, da es ihrer sonst nicht bedurft hätte. 2 2 ° BVerfGE 46, 120 (151f.). 203 Vgl. bspw. die Aufsätze in ArchPT 1881, 191; ArchPT 1888, 635ff. 204 Ausführlich noch unten D I I I 3 b bb.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
sichtigte technische Offenheit des Telegraphengesetzes nicht als Begründung dafür angeführt werden, jetzt auch alle Anlagen, zwischen denen auch Übertragungsvorgänge stattfinden können, als Fernmeldeanlagen anzusehen.206 Der Begriff der Übermittlung als Bestandteil der Definition der Fernmeldeanlage ist deshalb nicht dahin zu verstehen, daß eine Anlage schon dann eine Fernmeldeanlage ist, wenn überhaupt eine Nachrichtenübermittlung mit Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort vorliegt. Fernmeldeanlagen sind vielmehr nur solche Anlagen, die der Übermittlung von Nachrichten dienen, diese am Empfangsort wiedererzeugen und daneben nicht noch eigenständige, von der Übermittlung unabhängige Funktionen in der gleichen Anlage aufweisen. 201
I I I . Näheres zu den vom Gesetz über Fernmeldeanlagen aufgezählten Beispielen Bevor näher bestimmt werden soll, was unter den im Fernmeldeanlagengesetz aufgezählten Beispielen von Fernmeldeanlagen zu verstehen ist, soll vorweg festgehalten werden, daß es nicht davon abhängt, ob eine Anlage einem der im Gesetz aufgeführten Beispielsfälle entspricht, um sie als Fernmeldeanlage zu qualifizieren. Dies folgt aus der Feststellung, daß der Begriff „Fernmeldeanlage" ein Oberbegriff ist, der durch die Beispielsfälle nicht abschließend ausgefüllt wird. In der Praxis ergeben sich daher trotz unterschiedlicher Bestimmung der Beispielsfälle insoweit keine Unterschiede, weil nur entscheidend ist, ob sich eine Anlage unter den Fernmeldeanlagenbegriff subsumieren läßt. 1. Fernsprechanlagen Fernsprechanlagen sind solche Anlagen, die ausschließlich dazu dienen, die zur Übermittlung körperlos ausgesandten Sprachsignale wieder in normaler Sprache (Schallwellen) zu reproduzieren. 208 Unrichtig ist die Ansicht von 205 vgl. verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/91, Anlagebd. 4, 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2703 bzw. 2705. 206 Vgl. aus damaliger Zeit A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. I , 1892, S. 415: „Aber immerhin fallen unter Post und Télégraphié nur specifisch technische Manipulationen, welche die räumliche Beförderung von Personen, Gütern und Nachrichten zum Gegenstande haben." 207 Im Ergebnis ebenso H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 105, sowie U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 164 („Fernmeldeanlagen dürfen nur Transportfunktionen ausüben"). Auch die Rechtsprechung kann in diese Richtung verstanden werden, wenn es heißt: „Wesentlich ... erscheint die körperlose Übermittlung . . . " (so BVerfGE 46, 120 (143 - Hervorhebung nicht im Original)).
III. Näheres zu den vom FAG aufgezählten Beispielen
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E. Neugebauer, 209 daß jede körperlich nicht fixierte Übermittlung mittels jeglicher Art von Schallwellen (also auch Tonwellen) dem Begriff der Fernsprechanlage unterfalle, weil § 1 F A G keine Einschränkung der Fernsprechanlagen auf Sprechverkehr enthalte. Dies verkennt zum einen die Entstehungsgeschichte des § 1 FAG. Schon die Vorgängernorm des § 1 T G bezog die Fernsprechanlagen deswegen in ihren Anwendungsbereich ein, um jegliche Zweifel über die Zuordnung der damals neu aufgekommenen Kommunikationsart Fernsprechen zu dem Begriff der Telegraphenanlagen auszuschließen. Davon nicht umfaßt war aber die „TöneVermittlung". 210 Daß das Fernmeldeanlagengesetz hiervon abweichend unter Fernsprechanlagen etwas anderes versteht, läßt sich den Materialien zum Fernmeldeanlagengesetz nicht entnehmen. Zum anderen besagt schon der Wortbestandteil Ferrisprec/zanlagen, daß nicht jede Form der körperlosen Übermittlung von Schallwellen jeglicher Art dem Begriff der Fernsprechanlagen zuzurechnen ist.
2. Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten Herkömmlicherweise wird die Telegraphenanlage von der Fernsprechanlage nur dadurch unterschieden, daß sie im Gegensatz zu Fernsprechanlagen Zeichen übermittelt. 211 § 1 F A G spricht aber nicht lediglich von Telegraphenanlagen, sondern von „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten". Daher wird man hierunter nur solche Fernmeldeanlagen zu verstehen haben, bei denen das fernmeldemäßig zu Übermittelnde zunächst vor der Übermittlung körperlich (Telegrammurschrift) fixiert und der Inhalt des so Festgelegten (Telegramm) ohne körperliche Übersendung des Fixierten durch die Sendestelle in Gestalt von Zeichen umgesetzt und dies durch die Empfangsstelle nachgebildet wird. 2 1 2
3. Funk„anlagen" Im Gegensatz zur bloßen Aufzählung der Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten und den Fernsprechanlagen als typischen Beispielen von Fernmeldeanlagen findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G eine Legaldefinition der Funkanlagen. Das legt den Schluß nahe, daß es sich bei den Funkanlagen 208 Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (474); J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90. 209 Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 82. 210 Vgl. RGSt 19, 55 (61) sowie Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/91, Anlagebd. 4, Drucks. 460, S. 2703. 211 Vgl. J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90; Klingler-Mahler, aaO, S. 474. 212 Vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 82; früher bereits RGSt 4, 406 (407); L. Fuld, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 202ff.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
um eine von Telegraphenanlagen bzw. Fernsprechanlage zu unterscheidende Art von Fernmeldeanlagen handelt. Das aber wäre unzutreffend, weil der Funk lediglich ein Mittel des Fernmeldens darstellt, dessen sich Telegraphenanlagen wie Fernsprechanlagen bedienen können. 213 Im Gegensatz zu sonstigen Fernmeldeanlagen unterfallen bei Fernmeldeanlagen, die Funk als Übertragungsmedium benutzen, aufgrund der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G schon die einzelnen Komponenten dem Gesetz. Daher ist zu prüfen, wann eine Fernmeldeanlage mittels „Funk" übermittelt. a) Funk als drahtlose Nachrichtenübermittlung? Geht man vom Gesetzeswortlaut selbst aus, dann kommt es für die Frage, ob eine Übermittlung mit Hilfe von Funk bewerkstelligt wird, nicht darauf an, daß die Übermittlung drahtlos erfolgt. Trotzdem wurde vereinzelt vertreten, daß § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G nur solche Fernmeldeanlagen erfasse, die die Nachrichtenübermittlung drahtlos bewirken. 2 1 4 Diese Einschränkung ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, insbesondere aus der Begründung des Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes über das Telegraphenwesen vom 7. 3. 1908 (Telefunkennovelle). Dort sei die Notwendigkeit der Abänderung damit begründet worden, daß sich bei der Funkentelegraphie die von der Gebestation entsandten Wellen nach allen Richtungen des Raumes ausbreiteten und damit andere Stationen beeinflußten. 215 Darüber hinaus erfasse die Definition des § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G auch deshalb nicht alle elektrischen drahtgebundenen Signalübertragungssysteme, weil sonst die Aufzählung der Telegraphen- und Fernsprechanlagen in § 1 Abs. 1 Satz 1 F A G überflüssig sei. Der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G könne daher nur dahin verstanden werden, daß drahtgebundene Anlagen nur dann unter den Begriff der Funkanlagen fielen, wenn es bei ihnen (analog den drahtlosen Anlagen) zu einer wesentlichen, andere Sendebereiche zu stören geeigneten Abstrahlung in den freien Raum komme. 2 1 6
213 Allgemeine Meinung, vgl. H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 84; J. Aubert, aaO, S. 89; W. Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 61; O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 11; früher bereits E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, 26; ders., Fernmelderecht mit Rundfunkrecht 1929, S. 80. 214 So H. Demme, Das Kabelfernsehen, 1969, S. 45ff.; ihm folgend G. Küchenhoff, BB 1969, 1320; W. Weber, Festschrift E. Forsthoff, 1972, S. 467 (477f.). 215 H. Demme, aaO, S. 47f. 216 H. Demme, aaO, S. 49.
III. Näheres zu den vom FAG aufgezählten Beispielen
105
Dem ist mit W. Lieb 217 entgegenzuhalten, daß die Telefunkennovelle gerade durch das Fernmeldeanlagengesetz abgelöst worden ist, so daß es für die Frage, ob leitungsgebundene Anlagen dem Begriff der Funkanlage unterfallen, nicht auf die Materialien zur Telefunkennovelle, sondern auf die des Gesetzes über Fernmeldeanlagen ankommt. Nur wenn insoweit Zweifel bleiben, kann zur Beantwortung dieser Frage auf die Materialien vorhergehender Gesetze zurückgegriffen werden. Die Begründung zum Fernmeldeanlagengesetz ist insoweit aber eindeutig, da sie ausdrücklich auch die leitungsgerichtete „Funkentelegraphie" jeder Art in den Begriff der Funkanlagen mit einbezogen wissen wollte. 2 1 8 Darüber hinaus erscheint die Ansicht von H. Demme auch nicht praktikabel, da ansonsten die Zuordnung einer Anlage zum Begriff der Funkanlage von komplizierten Messungen über ihr Abstrahlverhalten in den freien Raum abhinge. Die Leitungsgebundenheit einer Anlage steht daher ihrer Subsumtion unter den Begriff der Funkanlage nicht entgegen. 219
b) Umfaßt „Funk" auch die niederfrequente Übermittlung entlang von Leitungen? Beim niederfrequenten „Drahtfunk" werden nicht (hochfrequente) Schwingungen, sondern Gleichstromstöße zur Übermittlung von Nachrichten eingesetzt. Unter dem Blickwinkel der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G würde eine Zuordnung derartiger Übermittlungsformen unter den Begriff der Funkanlagen ausscheiden. Demgegenüber ist darauf abgestellt worden, daß es auf die Frage, welches elektrotechnische Prinzip einem leitungsgebundenen Rundfunkübermittlungsverfahren zugrundeliege, nicht ankomme. Entscheidend sei vielmehr die Gleichartigkeit des verkehrstechnischen Einsatzes von hoch- und niederfrequenter Übermittlung sowie ihre Wirkungen. 220 Zur Folge hätte dies, daß auch neue leitungsgebundene Kommunikationsdienste, sofern sie sich an die Allgemeinheit richteten, als Rundfunk zu qualifizieren wären.
217
Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 62f. Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924, Bd. 419, Anlage 3682, S. 5f. 219 O V G Münster, D Ö V 1978, 519f.; W. Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 43ff.; P. Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 14f.; G. Paptistella, D O V 1978, 495 (497); zuletzt P. J. Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht, 1980, S. 22 m.w.Nachw. 220 W. Lieb, aaO, S. 64 und wohl auch Rundfunkreferentenentwurf der Länder, FuR 1975, 651 ff. 218
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Dem kann indes nicht gefolgt werden. 221 Wie W. Lieb 222 selbst bemerkt, ist die Zuordnung niederfrequenter leitungsgebundener Übermittlungsformen zu den Funkanlagen vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G nicht gedeckt. Die beispielhafte Aufzählung der Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten und Fernsprechanlagen als typische niederfrequente Anlagen in § 1 Abs. 1 Satz 1 F A G spricht darüber hinaus gegen die Zuordnung niederfrequenter Anlagen zum Funk, denn ansonsten wären sie, wie H. Demme223 insoweit zu Recht bemerkt, überflüssig. Darüber hinaus verkennt die Ansicht von W. Lieb die Entstehungsgeschichte von § 1 Abs. 1 Satz 2 FAG. Dieser Satz wurde fast wortwörtlich aus der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs 224 übernommen. Diese erging aber, um die sich ausbreitende Begeisterung hinsichtlich hochfrequenter, drahtloser Anlagen zu disziplinieren. Daß demgegenüber zum Zeitpunkt des Erlasses des Fernmeldeanlagengesetzes unter die Definition der Funkanlagen in § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G auch niederfrequente Anlagen fallen sollten, läßt sich aus den Entstehungsmaterialien zum Fernmeldeanlagengesetz nicht herleiten. Auf die bloße Verwaltungspraxis der Reichspost, noch dazu unter dem nationalsozialistischen Regime, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Dem allgemeinen Sprachgebrauch ist die Zuordnung niederfrequenter Übermittlungsformen zum Funk schon gar nicht zu entnehmen, weil dieser unter Funk lediglich die drahtlose Übermittlung (mittels Hochfrequenz) versteht. 225 Auch im internationalen Bereich differenziert man zwischen hochfrequenten und niederfrequenten Übertragungsverfahren, wie die verschiedenen Vollzugsordnungen (Telegrafendienst, Funkdienst) zum zur Zeit gültigen Internationalen Fernmeldevertrag Nairobi 1982 226 klar belegen. Zu guter Letzt steht eine derartige Zuordnung nicht im Einklang mit technisch-physikalischen Gesichtspunkten, was auch W. Lieb 227 selbst erkennt. Demgegenüber kann der Tatsache, daß die Übermittlungsformen in verkehrstechnischer Hinsicht gleichartig sein können, keine ausschlaggebende 221 Kritisch auch P. J. Tettinger, JZ 1984, 400 (405f.), allerdings mit Blick auf die Presse. 222 AaO, S. 63. 223 AaO, S. 48. 224 RGBl. 1924 I, S. 273. 225 Vgl. die gerade bei W. Lieb, aaO, S. 32 FN 22 zu findenden zahlreichen Nachweise, sowie U. Klingler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1972, S. 353 (363); J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 92 unter Verweis auf Art. 1 Nr. 7 VO-Funk Genf 1959; ebenso Anlage 2 zum Internationalen Fernmeldevertrag Nairobi 1982, BGBl. 1985 I I , S. 425 (489). 22 6 BGBl. 1985 I I , S. 425ff. 227 AaO, S. 63.
IV. Abgrenzung der Fm-Anlagen zu sonstigen Transportanlagen
107
Bedeutung zukommen. Schon früher ist die Berücksichtigung verkehrstechnischer Gesichtspunkte (Stichwort: gegenseitiger V e r k e h r ) weit überwiegend abgelehnt w o r d e n , 2 2 8 weil dem Fernmelderecht solche Gesichtspunkte fremd seien. D a r a n ist festzuhalten. Niederfrequente drahtgebundene Übermittlungsformen fallen daher nicht unter den Begriff der F u n k a n l a g e . 2 2 9 Eine Ü b e r m i t t l u n g mittels F u n k liegt vielmehr erst dann vor, wenn als Übertragungsmedium Frequenzen oberhalb von 10 k H z benutzt w e r d e n . 2 3 0
I V . Abgrenzung der Fernmeldeanlagen zu sonstigen Transportanlagen 1. Postverkehr U m Fernmeldeanlagen kann es sich überhaupt nur handeln, wenn die Nachrichtenübermittlung unkörperlich
e r f o l g t . 2 3 1 Geschieht die Ü b e r m i t t l u n g dage-
gen i n der Weise, daß ein die Nachrichten festhaltender Gegenstand selbst an den Bestimmungsort übermittelt w i r d , so handelt es sich u m Postverkehr. Keine Fernmeldeanlagen sind demnach Rohrpostanlagen, weil bei ihnen der Nachrichtenträger selbst mittels D r u c k l u f t an eine andere Rohrpoststelle ver228 Vgl oben bei I I 1 a cc. 229 Vgl. G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 32ff., sowie P. Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 15 („Funkdienst im technischen Sinne"). Offengelassen bei F. Ossenbühl, D Ö V 1972, 293 (298). Anderer Ansicht O V G Münster, D O V 1978, 519 (520); G. Paptistella, D Ö V 1978, 495 (497), die sich zur Begründung auf die hier abgelehnte Ansicht von W. Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 55ff., beziehen. 2 30 E. König, Die Teletexte, 1980, S. 71; D. Stammler, AfP 1975, 742 (747); U. Klingler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1972, S. 353 (366); H. Demme, Das Kabelfernsehen (closed-circuit-television) in rechtlicher Sicht, 1969, S. 49; E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 44. Die Konsequenz hieraus ist, daß neue Kommunikationsdienste, die niederfrequent übermitteln, niemals Rundfunk sind, auch wenn eine Übermittlung an die Allgemeinheit vorliegt. Auf die Übertragungstechnik als Abgrenzungskriterium des Rundfunks von anderen Kommunikationsmitteln stellt insbesondere J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 601 ff., ab. Früher bereits W. Schmidt, Die Rundfunkgewährleistung, 1980, S. 25; P. Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 15; A. Scharf, BayVBl. 1968, 337 (340); zuletzt Chr. Degenhardt, B K , Art. 5 (Zweitbearb.) Rdnrn. 170f. Anders die sog. „funktionale Betrachtungsweise", die die Funktionen, die das Massenmedium in seinem jeweiligen Bereich erfüllt, sowie ihre inhaltliche Typik als entscheidend ansieht. In diese Richtung vor allem E. König, Die Teletexte, 1980, S. 131 f.; P. J. Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht, 1980, S. 27 m.w.Nachw. 231 Statt aller BVerfGE 46,120 (142); A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 5 zu § 1 F A G ; J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. 1,3. Aufl. 1974, S. 89; E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 79.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
sandt wird. 2 3 2 Ebensowenig kommen Plattenspieler o. ä. als Fernmeldeanlagen in Betracht, weil bei ihnen die Platte als körperlicher Gegenstand dorthin übersandt werden muß, wo sie abgespielt werden soll. 2 3 3
2. Signalanlagen Auch mit Signalapparaten können Nachrichten über u.U. recht beträchtliche Entfernungen übermittelt werden. Man könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, daß auch Signalapparate Fernmeldeanlagen seien, weil sie Meldungen in die Ferne geben. Trotzdem werden Signalapparate nicht als Fernmeldeanlagen angesehen, weil es bei ihnen an der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort fehlt. 2 3 4 Vielmehr werden die signalisierten Zeichen unmittelbar mit den menschlichen Sinnen wahrgenommen. Nicht unter den Begriff der Fernmeldeanlage fallen daher die auf optischer Basis beruhenden Signalanlagen wie Leuchttürme, 235 Taschenlampen, Spiegel, Flaggen usw., und zwar auch dann nicht, wenn mit Hilfe solcher Mittel Korrespondenzverkehr stattfindet. 236 Ebenfalls nicht zu den Fernmeldeanlagen zählen die Zeitballanlagen, die zum Stellen der Uhren an Bord von Schiffen dienen, da auch bei ihnen die Signale unmittelbar mit den menschlichen Sinnen wahrgenommen werden.
232 So frühzeitig bereits RGSt 4,406 (407); ferner K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen, Bd. I, 5. Aufl. 1928, Anm. 5 zu § 1 TG; E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 71; E. Schumann, aaO, S. 63f. m.w.Nachw.; a. A . R. Maurach, Strafrecht BT, 5. Aufl. 1969, § 57 V C, S. 542 ohne Begründung. 233 So bereits E. Neugebauer, aaO, S. 79. Überhaupt stellen Plattenspieler, Tonbandgeräte etc., auch wenn Lautsprecher mit Verbindungsleitungen angeschlossen sind, keine Fernmeldeanlagen dar. Zu einem anderen Ergebnis kann man nur kommen, wenn man den Lautsprecher als separate „Anlage" ansieht, wie dies KlinglerMahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (476 FN 229) tun. Wollte man ihrer Ansicht folgen, so wäre auch ein Tonbandgerät mit eingebautem Lautsprecher bereits eine Fernmeldeanlage, da auch dort Sender (Tonkopf), körperlose Nachrichtenübermittlung sowie Empfänger (Lautsprecher) vorhanden sind. Das aber erscheint weltfremd. Vgl. auch BVerfGE 12,205 (227). 234 Vgl. statt vieler BVerfGE 46, 120 (144); A. Eidenmüller, aaO, Anm. 5 zu § 1 F A G ; Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens, 1975, S. 419 (475); J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 90f.; frühzeitig bereits E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 71 ff.; teilw. abw. E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 27f., 61 ff. „gegenseitiger Korrespondenzverkehr"; a. Α . E. Neugebauer, Jb. d. Postwesens 1937, S. 26 (28f.). 235 Anders war dies noch zur Zeit des Telegraphengesetzes, vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode I. Session 1890/91, Sten. Ber. Anlagebd. 4, 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2702f. 236 Klingler-Mahler, aaO, S. 475; a.A. E. Schumann, aaO, S. 27f., 57f. Vgl. dazu bereits oben I I 1 a aa.
IV. Abgrenzung der Fm-Anlagen zu sonstigen Transportanlagen
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Auch die akustischen Signaleinrichtungen sind im allgemeinen keine Fernmeldeanlagen, weil es bei ihnen gleichfalls (wie bei den optischen Anlagen) an der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort fehlt. Keine Fernmeldeanlagen, sondern ebenfalls bloße Signalanlagen sind daher Autohupen, Trillerpfeifen, Nebelhörner, Trompeten etc. Anderes kann sich dagegen bei Unterwasserschallanlagen ergeben, wenn die abgegebenen Zeichen von einer Empfangsanlage wieder hörbar gemacht werden müssen. Die Verwendung mehrerer akustischer oder optischer Signalapparate, um bspw. eine Nachricht von A nach Β und von dort nach C zu übermitteln, macht diese nicht zur Fernmeldeanlage. Zwar erfolgt dann eine Nachbildung der Nachricht an einem anderen entfernten Ort (hier am Ort B). Der Nachbildung geht jedoch die Aufnahme der Nachricht unmittelbar mit den Sinnesorganen voraus, so daß es an der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort fehlt. 2 3 7 Es verhält sich insoweit nicht anders als bei der Zeichengabe durch einen einzelnen Signalapparat, die am Empfangsort ebenfalls unmittelbar mit den Sinnesorganen wahrgenommen wird. Darüber hinaus erfolgt auch die < Nachbildung der Nachricht nicht durch (kausal) einen Apparat, sondern durch den Menschen mit Hilfe eines Apparates. Keine Fernmeldeanlagen, sondern ebenfalls bloße Signalanlagen sind daher solche Übermittlungssysteme wie Heliographen 238 oder auch das Chappe'sche Übermittlungssystem. 239 3. Energieübertragungsanlagen Energieübertragungsanlagen sind keine Fernmeldeanlagen, weil es bei ihnen an einer Nachrichtenübermittlung fehlt. Auch eine Einordnung unter das Hochfrequenzgerätegesetz scheidet aus, da elektrische Energieübertragungsanlagen lediglich niederfrequente Schwingungen (50 Hz) benutzen.
237 Vgl. BVerfGE 46, 120 (143); BayObLG NJW 1979, 1837 (1838); F. Kirchhof\ DVB1. 1984, 657 (658). 238 Heliograph = Vorrichtung, mit der man mit einem beweglichen Spiegel Lichtreflexe auf weite Entfernung geben kann; durch Abblenden des Spiegels können verschiedene Zeichen signalisiert werden, vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 975. 239 Wie hier K. Friedrichs, Gesetz und Recht Bd. 29 (1928), S. 145 (146). Α . A . Klingler-Mahler, aaO, S. 475; E. Neugebauer, DVZ 1936, 65, und wohl auch H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 84. Widersprüchlich E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, einerseits S. 71 („durch eine andere Einrichtung" - Hervorhebung im Original), S. 73 andererseits.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
V . Die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs in Einzelfällen 1. Niederfrequent übermittelnde Anlagen a) Klingelanlagen, Feuermelder etc. Im Gegensatz zu den Signalanlagen liegt bei Klingelanlagen, Feuermeldern etc. eine Wiedererzeugung durch eine Einrichtung am Empfangsort vor. Aufgrunddessen sind sie häufig als Fernmeldeanlagen qualifiziert worden. 240 Gegen diese Einordnung bestehen allerdings Bedenken. Gemeinsam ist diesen Anlagen, daß bei ihnen durch einen Impuls (Drücken eines Knopfes) eine Reaktion am Empfangsort (Klingel, Aufleuchten einer Lampe o. ä.) ausgelöst wird. 2 4 1 Um aber Klingelanlagen etc. als Fernmeldeanlagen qualifizieren zu können, ist es erforderlich, daß durch diese Anlagen Nachrichten übermittelt werden. Zwar kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß das Auslösen eines Alarms eine Nachricht etwa mit dem Sinngehalt „Feuer" darstellt. Ein derartiges Verständnis des Begriffs „Nachricht" entspricht aber nicht dem hier vertretenen Verständnis des Begriffes der Nachricht als der Zusammenstellung von zwischen Sender und Empfänger verabredeter Zeichen, die durch physikalische Zustände repräsentiert werden. A n dieser Zusammenstellung fehlt es aber regelmäßig bei Klingelanlagen, Feuermeldern etc. Sie sind daher nur dann Fernmeldeanlagen, wenn es bei ihnen zur Übermittlung mehrerer Zeichen kommt. 2 4 2
240 U. Klingler, in: Eiserer-Rieder-Obernolte-Danner, Energiewirtschaftsrecht, Losebl. 3. Aufl. Stand Juli 1983, V I , Anm. 3 f zu § 1 F A G ; J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 92f.; E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 42; früher RGSt 65, 133; Grave, JW 1932, 2088. 241 Bei Feuermeldern ist zu differenzieren, ob es sich um solche handelt, bei denen durch Knopfdruck ein Alarm ausgelöst oder ob eine Sprechverbindung zur nächsten Zentrale hergestellt wird. Letztere fallen ohne weiteres unter den Fernmeldeanlagenbegriff. 242 Vgl. Dreher-Tröndle, StGB, 44. Aufl. 1988, Anm. 1 zu § 317 StGB; Wolff, in: L K , StGB, 10. Aufl. 1988, Anm. 2 zu § 317 StGB; BayObLG, JW 1932, 2088f.; K. Friedrichs, Gesetz und Recht Bd. 29 (1928), S. 145 (147); G. Maas, AöR Bd. 7 (1892), S. 479 (488); a. A . K G , ArchPT 1919, 271; E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 79; Grave, JW 1932, 2089; E. Schumann, aaO, S. 42; J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 92f.; zuletzt U. Klingler, in: Eiser-RiedererObernolte-Danner, Energiewirtschaftsrecht, Losebl., 3. Aufl. Stand Juli 1983, V I Anm. 3 f zu § 1 FAG. Richtig ist an der letztgenannten Ansicht nur, daß es nicht darauf ankommt, daß beliebige Zeichen übermittelt werden können. Mit dem Erfordernis einer Zusammenstellung von Zeichen hat dies aber nichts zu tun, da die Zusammenstellung auch aus einem beschränkten Zeichenvorrat erfolgen kann. Für den strafrechtlichen Schutz einfacher Feuermelder vgl. § 145 StGB.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
111
b) Fernwirkanlagen Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob Fernwirkanlagen unter den Fernmeldeanlagenbegriff fallen. Geht man nur vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 F A G („Fernrae/deanlage") aus, dann wäre dies zu verneinen, denn es soll etwas gemeldet, nicht aber bewirkt werden. Eine solche Bewertung wäre aber schon deshalb zu pauschal, weil es sich beim Fernwirken um einen Sammelbegriff für verschiedene Funktionen handelt, 243 von denen einzelne durchaus Fernmelden, und die dazu verwendeten Anlagen Fernmeldeanlagen sein könnten. Herkömmlich wird der Begriff des Fernwirkens in die Hauptfunktionen Fernüberwachen und Fernsteuern aufgeteilt, 244 die ihrerseits noch in weitere Funktionen wie Fernmessen, Fernanzeigen, Ferneinstellen und Fernschalten unterteilt werden können. 245 Daher ist zu untersuchen, ob die für diese Einzelfunktionen bestimmten Anlagen für sich betrachtet Fernmeldeanlagen sind. In einem weiteren Schritt ist sodann zu prüfen, ob auch Anlagen, die mehrere dieser Funktionen in sich vereinigen, Fernmeldeanlagen sein können. aa) Fernmessen Kennzeichnend für das Fernmessen ist, daß Größen überwacht werden, die mehr als zwei Werte annehmen können, z.B. elektrische Leistungen oder Wasserstände. 246 Werden die Meßergebnisse nicht lediglich an dem Ort, wo sie gewonnen werden, festgehalten, so sind Anlagen, die dem Fernmessen
243 Vgl. G. Schmidt, DSWR 1987, 265ff.; H. Lydorf\ JbDBP 1986, S. 237ff.; A. Heuermann, in: Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 91; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 118; D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 95; Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 98; KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 22ff.; Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens, 1975, S. 419 (476ff.); O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972. Zum Fernwirkdienst T E M E X vgl. nunmehr W. Faust, net Bd. 43 (1989), S. 161 ff.; U. Wiemer, ebda, S. 216ffSaage-Zoche-Gundrum, ebda, S. 200ff. 244 Vgl. vor allem H. Lydorf, JbDBP 1986, S. 237 (238ff.); ferner A Heuermann, in: Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 91; Fellbaum-Hartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 98; D. Ratzke, aaO, S. 95; KtK, aaO, S. 22; Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (476ff.); J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 93. 24 5 So bei G. Schmidt; DSWR 1987, 265 (268); H. Lydorf, JbDBP 1986, S. 237 (239); FellbaumHartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 98; KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 22. 24 6 G. Schmidt, DSWR 1987, 265 (268); H. Lydorf, JbDBP 1986, S. 237 (264); Fellbaum-Hartlep, aaO, S. 98; KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 22.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
dienen, Fernmeldeanlagen. 247 In der Übermittlung eines spezifischen Verbrauchswertes liegt die Übermittlung einer Nachricht, da sich ein Verbrauchswert nicht lediglich mittels einer einzigen Ja/Nein-Entscheidung darstellen läßt. Diese Nachricht wird auch am Empfangsort durch entsprechende Meßgeräte angezeigt und damit wiedererzeugt. bb) Fernanzeigen Im Gegensatz zum Fernmessen handelt es sich beim Fernanzeigen um binäre Zustands- oder Alarmmeldungen, also um Vorgänge mit den Zuständen E I N oder A U S . 2 4 8 Für die Übermittlung eines derartigen Vorgangs reicht 1 Bit bereits aus. 249 Das aber ist noch keine Zusammenstellung von Zeichenelementen, derer es aber bedarf, um das Vorliegen einer Nachricht annehmen zu können. Es fehlt daher bei Anlagen, die lediglich der Fernanzeige eines Ereignisses dienen, an der Übermittlung einer Nachricht. Solche Anlagen sind deshalb keine Fernmeldeanlagen. 250 Es verhält sich insoweit nicht anders als bei einfachen Feuermeldern, bei denen die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs ebenfalls verneint wurde. 2 5 1 cc) Ferneinstellen
und Fernschalten
Anlagen, die dem Ferneinstellen oder Fernschalten (Fernsteueranlagen) dienen, wurden in der Vergangenheit seitens der Postjuristen als Fernmeldeanlagen angesehen.252 Begründet wurde dies mit dem Argument, daß bei Funkfernsteueranlagen die Steuerung mit Hilfe von Fernmeldeanlagen, näm-
247 J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl.1974, S. 93; O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 12. 248 G. Schmidt, DSWR 1987, 265 (268); H. Lydorf, aaO, S. 264 (274); FellbaumHartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 98; KtK, Anlagebd. 4,1976, S. 22. 249 Vgl. G. Schmidt, DSWR 1987, 265 (268); H. Lydorf, JbDBP 1986, S. 237 (274). Innerhalb des Fernwirkdienstes T E M E X ist hierfür der Nutzeranschluß TSS 11 vorgesehen, vgl. G. Schmidt, aaO, S. 268; FL. Lydorf, aaO, S. 274 250 A . A . U. Klingler, in: Eiser-Riederer-Obernolte-Danner, Energiewirtschaftsrecht, Losebl., 3. Aufl. Stand Juli 1983, V I , Anm. 2 f zu § 1 F A G ; O. Kimminich, Die Fern wirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 12. Beide Autoren gründen ihre Ansicht darauf, daß eine Gedankenerklärung übermittelt werde. Dem Fernanzeigen muß aber nicht unbedingt eine menschliche Aktivität vorausgehen (Temperaturfühler!), so daß das dieser Ansicht zugrundeliegende Verständnis von der Nachricht als (menschlicher) Gedankenerklärung nicht paßt. 251 oben a. 252 Vgl. J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl.1974, S. 93; ihm folgen KlinglerMahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (479); früher bereits E. Schumann, aaO, S. 43, der allerdings eine andere Definition der Fernmeldeanlage zugrundelegt.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfllen
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lieh eines Funksenders und eines Funkempfängers durchgeführt werde. A n dieser rechtlichen Beurteilung ändere sich aber nichts, wenn Fernsteueranlagen sich nicht des Funks als Übertragungsmedium bedienten, da nicht erforderlich sei, daß ein gedanklicher Inhalt zum sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck einer anderen Person gebracht werde. 253 Das vermag die Zuordnung von Fernsteueranlagen, die sich nicht des Funks als Übertragungsmedium bedienen, zu den Fernmeldeanlagen noch nicht zu begründen, weil damit nur eine von mehreren Voraussetzungen des Fernmeldeanlagenbegriffs erfüllt ist. 2 5 4 Zunächst verbietet sich schon die Gleichsetzung von leitungsgebundenen Anlagen mit den Funkanlagen, weil bei Funkanlagen aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G schon das einzelne Gerät erfaßt ist, was bei sonstigen Geräten gerade nicht der Fall ist. Bei diesen muß vielmehr die Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort erfolgen, wozu ein einzelnes Gerät allein nicht in der Lage ist. Daran fehlt es bei Fernsteueranlagen, die sich nicht des Funks bedienen, weil die Nachricht am Empfangsort nicht unverändert, sondern nur in verarbeiteter Form durch die Aktivität einer Maschine erscheint. 255 Es wurde aber bereits ausgeführt, daß eine Übermittlung nur dann vorliegt, wenn die Nachricht am Empfangsort unverändert wieder erscheint, weil sonst die Produktion einer neuen Nachricht vorliegt. 256 Selbst wenn man aber in der Aktivität einer Maschine noch die Nachbildung der Nachricht am Empfangsort erblicken wollte, stellt sich immer noch das Problem, daß eben nicht nur übermittelt, sondern hiervon untrennbar auch verarbeitet wird. 2 5 7 Solche multifunktionalen Anlagen wurden aber, weil der Begriff der Übermittlung i.S. des Erfordernisses einer ausschließlichen Übermittlung zu verstehen ist, nicht unter den Begriff der Fernmeldeanlage subsumiert. 258 Fernsteueranlagen sind daher, wenn sie nicht auf Funk als Übertragungsmedium basieren, keine Fernmeldeanlagen. 259
253
J. Aubert, aaO, S. 93; Klingler-Mahler, aaO, S. 479. Kritisch zur Argumentation von J. Aubert bereits O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 13. 255 Im Ergebnis ebenso O. Kimminich, aaO, 1972, S. 12, der aber noch auf das vom BVerfG abgelehnte Kriterium der sinnlichen Wahrnehmbarkeit abhebt und einen anderen Nachrichtenbegriff („gedanklicher Inhalt") vertritt. 256 Vgl. oben I I 3 b aa, sowie H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 138. 257 Insoweit ebenso bereits Klingler-Mahler, aaO, S. 478. 258 Siehe oben I I 3 b cc. Α . A . Klingler-Mahler, aaO, S. 478. 259 Im Ergebnis ähnlich H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 138; O. Kimminich, Die Fernwirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 12f.; früher auch E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 79, für Uhrenregulierungsanlagen. 254
8 Köbele
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Bei Anlagen, die dem Fernschalten dienen, fehlt es darüber hinaus schon an der Übermittlung einer Nachricht. Im Gegensatz zu Anlagen, die dem Ferneinstellen dienen, wird beim Fernschalten (entsprechend dem Fernanzeigen) nur ein binärer Steuerbefehl mit dem Zustand E I N oder AUS übermittelt, 260 so daß keine Nachricht i.S. einer Zusammenstellung von Zeichenelementen vorliegt. Die Übermittlung einer Nachricht ist aber Voraussetzung für die Subsumtion einer Anlage unter den Fernmeldeanlagenbegriff. dd) Vereinigung von Fernüberwachen und Fernsteuern in einer Anlage Nicht selten sind auch Fernüberwachen (Fernmessen und Fernanzeigen) und Fernsteuern (Ferneinstellen und Fernschalten) in einer Anlage vereint, wobei der Mensch aus diesem Kreislauf völlig ausgeschaltet sein kann. So kann z.B. zunächst vom Steuerrechner eine Messung bspw. durch einen entfernten Temperaturfühler veranlaßt werden. Aufgrund des übermittelten Meßergebnisses veranlaßt sodann der Steuerrechner, nachdem er intern einen Vergleich der Ist- mit den Sollwerten durchgeführt hat, mittels eines Impulses das Anspringen einer Kühlvorrichtung und erteilt gleichzeitig den Befehl an den Temperaturfühler, weitere Meßergebnisse zwecks internen Vergleichs zu übermitteln, um bei Übereinstimmung der Ist- mit den Sollwerten die Kühlvorrichtung wieder abzuschalten. Damit fragt sich, ob man derartige Anlagen, deren einzelne Komponenten teils Fernmeldeanlagen sind (Fernmessen), teils nicht (Fernsteuern), insgesamt unter den Begriff der Fernmeldeanlage subsumieren kann. Dies ist zu verneinen. Ausschlaggebend hierfür ist die Überlegung, daß es nicht darauf ankommt, daß überhaupt Übermittlungsvorgänge stattfinden, sondern daß die Anlage ausschließlich zur Übermittlung einer Nachricht geeignet ist. Das aber ist bei derartigen Anlagen, wie gerade das dargestellte Beispiel belegt, nicht der Fall. Vielmehr ist die Übermittlung bei solchen Anlagen nur eine von mehreren Voraussetzungen für die Steuerung von Funktionsabläufen. Daß auch Übermittlungsvorgänge vorliegen, reicht aber allein für die Subsumtion unter den Fernmeldeanlagenbegriff nicht aus. Insgesamt ist daher festzustellen, daß Fern wirkanlagen nur in Ausnahmefällen dem Fernmeldeanlagenbegriff unterfallen. 261
260 Vgl. G. Schmidt, DSWR 1987, 265 (268); H. Lydorf, JbDBP 1986, S. 237 (264); FellbaumHartlep, Lexikon der Telekommunikation, 1983, S. 98; KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 22. Im Fernwirkdienst T E M E X ist hierfür der Nutzeranschluß TSS 12 vorgesehen, vgl. H. Lydorf, aaO, S. 274. 261 Vgl. H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 138; H.-P. Boell, ÖVD-Online Heft 10/ 1984, 82; O. Kimminich, Die Fern wirkanlagen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 1972, S. 12f. Anderer Ansicht: A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmel-
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriffs in Einzelfällen
115
c) Fernkopieranlagen (Telefax/Telebrief) Telefax wie Telebrief haben die Ü b e r m i t t l u n g von nicht bewegten Bildvorlagen über das Fernsprechnetz zum Gegenstand. 2 6 2 A l s Endgeräte werden überwiegend noch Fernkopiergeräte v e r w e n d e t , 2 6 3 die sich bei Telefax beim jeweiligen Teilnehmer befinden, während sie bei Telebrief i n Postämtern aufgestellt s i n d . 2 6 4 Bei der F o r m der Ü b e r m i t t l u n g handelt es sich i m Grunde genommen u m nichts Neues, da Telefax eine Weiterentwicklung der sog. Bildtelegraphie (Übertragung von Photos) darstellt. 2 6 5 Bildtelegraphenanlagen wurden aber früher bereits als Fernmeldeanlagen angesehen. 2 6 6 M a n konnte allenfalls daran zweifeln, ob bei Bildtelegraphie eine Nachricht übermittelt wurde, wenn man der Auffassung war, daß eine Nachricht nur dann vorliegt, wenn es sich u m eine Gedankenerklärung handelt. D a n n ergaben sich Probleme, wenn das zu übermittelnde Schriftstück keine Wiedergabe v o n Gedanken, sondern Tatsachenerklärungen e n t h i e l t . 2 6 7
dewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 5 zu § 1 F A G (bezüglich Uhrenregulierungsanlagen); U. Klingler y in: Eiser-Riederer-Obernolte-Danner (Hrsg.), Energiewirtschaftsrecht, Losebl., 3. Aufl. Stand Juli 1983, V I , Anm. 3 e zu § 1 F A G ; KlinglerMahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (479);/. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 93, sowie wohl B G H , APF 1982, 104. Warum der B G H Fernwirkanlagen (welche Einzelfunktion lag dem entschiedenen Fall zugrunde?) als Fernmeldeanlagen erachtet, läßt sich der Fundstelle nicht entnehmen, weil diese auf einer Einsendung von U. Klingler beruht. Bejahend schon E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 43, der allerdings eine andere Definition der Fernmeldeanlage zugrundelegt. Der von der DBP betriebene Fernwirkdienst T E M E X begegnet im übrigen datenschutzrechtlichen Bedenken (vgl. R. Leuze, in: W. Kaiser (Hrsg.), Telematica 1986, Kongreßband 2,S. 111(116);/. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 118, sowie H.-P. Boell, ÖVD-Online Heft 10/1984, 82). 262 Vgl. ausführlich Bohm-Wolf-Nitsch-Bardua, JbDBP 1978, S. 172 (173), sowie ferner J. Müller, NJW-CoR Heft 2/89, S. 12f. ; A. Heuermann, in: Diederich-HammZohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 79 (88); J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 44; D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 91. Die Beteiligung der Deutschen Bundespost mit eigenen Telefaxendgeräten auf dem Markt war zwischen dem Bundespost- und dem Bundeswirtschaftsministerium umstritten, vgl. dazu J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 405ff. 263 Bohm-Wolf-Nitsch-Bardua, JbDBP 1978, S. 172 (173); A. Heuermann, aaO, S. 88; / . Scherer, aaO, S. 44. 264 j. Müller, NJW-CoR Heft 2/89, S. 12f.; A. Heuermann, aaO, S. 88. Telefax und Telebrief werden im folgenden einheitlich behandelt. 265 Bohm-Wolf-Nitsch-Bardua, aaO, S. 173ff.; KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 43. 266 E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 83; E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 36. 267 Vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 83; E. Schumann, aaO, S. 22. 8*
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Das spricht aber nur gegen das Verständnis des Begriffs der Nachricht als Gedankenerklärung. Folgt man der hier vertretenen Auffassung von der Nachricht als der Zusammenstellung von Zeichenelementen, so wird klar, daß schon bei der Bildtelegraphie immer Nachrichten übermittelt wurden. Nichts anderes ergibt sich für Telefaxanlagen. Auch hier geht es um die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort reproduziert werden. Sofern Telefax ausschließlich mit Fernkopiergeräten betrieben wird, sind die hierzu verwendeten Einrichtungen Fernmeldeanlagen. Im Zuge der zunehmenden Integration von Nachrichtenübermittlung und Datenverarbeitung wird Telefax aber nicht mehr nur mit Fernkopiergeräten betrieben. Vielmehr finden sich am Markt nunmehr auch elektronische Baugruppen, durch deren Einbau in Personal Computer (in Verbindung mit einem Drucker und geeigneter Software) jene in die Lage versetzt werden, auch als Telefax-Endgeräte zu fungieren. 268 Zu einer Wiedererzeugung der Nachricht kommt es dann erst, wenn der PC an das Fernsprechnetz angeschlossen und ein für den Empfang von Telefax geeignetes Programm geladen ist. Datenverarbeitungsanlagen sind aber keine Fernmeldeanlagen i.S. von § 1 Abs. 1 FAG. Andernfalls würden der DBP durch Anordnung der Benutzung eines bestimmten Kommunikationsprogramms sowie dessen Kontrolle beim Teilnehmer Rechte in Bereichen eröffnet, die mit Fernmelden nichts zu tun haben. 269 Wird also Telefax nicht mit ausschließlich hierzu bestimmten Geräten betrieben, so handelt es sich bei den verwendeten Anlagen nicht um Fernmeldeanlagen i.S. des Gesetzes über Fernmeldeanlagen. d) Teletex Bei Teletex 270 handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Telex-(Fernschreib)dienstes, 271 die auf einer von der Bundesregierung aufgegriffenen Empfehlung der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems beruht. 272 Die Vorzüge von Teletex gegenüber Telex liegen zum 268 Vgl. J. Müller, NJW-CoR Heft 2/89, S. 12. 269 Vgl. oben I I 3 b cc. 270 Teletex ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Teletext". Bei letzterem handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene nachrichtentechnische Textkommunikationsformen. 271 D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 104 f. Α . A . F. Müller, ÖVD-Online Heft 9/1985, S. 48. 272 Vgl. Vorstellungen der Bundesregierung zum weiteren Ausbau des technischen Kommunikationssystems, Media Perspektiven 1976, 329 (336ff.); KtK, Anlagebd. 4, 1976, S. 30ff.; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277ff.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 6f.,115f.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
117
einen in der schnelleren Übertragung einer DIN-A4-Seite bei erweitertem Zeichenvorrat. 273 Zum anderen entspricht das für den Ausdruck verwendete Papierformat bei Teletex dem üblichen Briefformat. 274 Im Unterschied zu Telex erfolgt die Übermittlung der Nachricht nicht direkt von der Eingabe, sondern aus einem Speicher heraus. Bei den Teletexendgeräten handelt es sich im Unterschied zu Fernschreibern um kommunikationsfähige Speicherschreibmaschinen, 275 die zwei Bereiche beinhalten: den Lokalteil und den Kommunikationsteil. 276 Der Lokalteil dient der Erstellung von Texten und unterscheidet sich insoweit nicht von büroüblichen Speicherschreibmaschinen. 277 Mit dem Kommunikationsteil wird die Übertragung von Schriftstücken vorgenommen. 278 Ein Teletexendgerät ist somit gleichzeitig Endgerät des Übertragungsnetzes als auch (mehr oder minder komplexes) Textverarbeitungsgerät. Es liegt mithin eine unmittelbare Verknüpfung von Informationsverarbeitungs- und Informationsübertragungstechnik vor. 2 7 9 Fraglich ist deshalb, ob Teletex-Endgeräte Fernmeldeanlagen sind. Auf den ersten Blick scheint dies noch bejaht werden zu können, weil Fernschreiber schon frühzeitig als Fernmeldeanlagen anerkannt worden sind, 280 und Teletexgeräte nur eine Weiterentwicklung des Fernschreibers darstellen. Eine derartige Betrachtungsweise läßt aber die Funktion des Lokalteils außer acht, der zur Erstellung und Weiterverarbeitung von Texten dient, ohne daß diese anschließend notwendigerweise mit Teletex übermittelt werden müßten. Das aber sind Funktionen, die mit Fernmelden nichts zu tun haben. Fernmeldeanlagen sind nach dem oben Gesagten aber nur solche Anlagen, die der Übermittlung von Nachrichten dienen, diese am Empfangsort wiedererzeugen und daneben nicht noch eigenständige, von der Übermittlung unabhängige Funktionen aufweisen. 281 Gerade letzteres ist aber wegen des Lokalteils bei Tele273 A. Heuermann, in: Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 79 (87); F. Müller, aaO, S. 48; D. Ratzke, àaO, S. 105. 274 Vgl. Α. Heuermann, aaO, S. 79 (87); F. Müller, ÖVD-Online Heft 9/1985, S. 48; D. Ratzke, aaO, S. 105; Schenke-Rüggeberg-Otto, aaO, S. 277 (324). 275 In Betracht kommen aber auch Textverarbeitungsanlagen, Datenverarbeitungsanlagen sowie Telexgeräte, vgl. A Heuermann, aaO, S. 87. 276 A. Heuermann, aaO, S. 87; F. Müller, aaO, S. 48; D. Ratzke, aaO, S. 104; Schenke-Rüggeberg-Otto, aaO, S. 294. 277 A. Heuermann, aaO, S. 87; F. Müller, aaO, S. 48; D. Ratzke, aaO, S. 104; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277 (294). 278 F. Müller, ÖVD-Online Heft 9/1985, S. 48; Ζλ Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 105; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277 (295f.). 279 H. Redeker, aaO, S. 115. 280 Vgl. BayObLG, NJW 1953, 1074; E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 37f. 28 1 Vgl. oben I I 3 b cc.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
texendgeräten der Fall. D e r L o k a l t e i l stellt auch weder eine völlig untergeordnete Nebenfunktion des Kommunikationsteils d a r , 2 8 2 noch ist er physisch v o m K o m m u n i k a t i o n s t e i l g e t r e n n t , 2 8 3 so daß man letzteren allein als Fernmeldeanlage ansehen könnte. D i e Einrichtungen, die für Teletex verwendet werden, sind daher keine Fernmeldeanlagen i.S. des § 1 A b s . 1 F A G . 2 8 4 e) Bildschirmtext I m Gegensatz zu den bisher besprochenen Kommunikationsarten hat Bildschirmtext seit seiner erstmaligen V o r f ü h r u n g auf der Funkausstellung 1977 i n B e r l i n lebhaftes rechtliches Interesse erfahren. 2 8 5 I m Vordergrund stand dabei allerdings die Frage der verfassungsrechtlichen E i n o r d n u n g von Bildschirm-
282
Deutlich Schenke-Rüggeberg-Otto, aaO, S. 286. Vgl. F. Müller, ÖVD-Online Heft 9/1985, S. 48; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277 (286f.). 284 Ebenso H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 115. 285 Überblick bei D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 208ff.; H. Bartl, Handbuch Btx-Recht, 1984, sowie bei J. Scherer, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 ff. Umfassende Schrifttumsnachweise bei H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 119 f. In den letzten Jahren ist das rechtliche Interesse an Bildschirmtext stark zurückgegangen, weil die tatsächliche Entwicklung von Bildschirmtext (im Gegensatz zu Videotext) weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben ist. Für 1986 hatte die Bundespost 1 Mill. Teilnehmer, für 1989 sogar ca. 3 Mill. Teilnehmer erwartet. Ende 1988 gab es aber erst 120000 Teilnehmer, davon nur ca. 40000 private Haushalte (vgl. Bundesrechnungshof, BT-Drucks. 11/3056, S. 116). Die Zurückhaltung insbesondere der privaten Haushalte gegenüber Bildschirmtext dürfte zum einen auf eine bis vor kurzem sehr restriktive Zulassungspraxis der Bundespost, die vor allem die Geeignetheit von Home- und Personal Computer auch für Bildschirmtext fast völlig ignorierte und nur spezielle und sehr teure BTX-Tastaturen zuließ, zurückzuführen sein. Das nunmehr praktizierte Zulassungsverfahren verteuert die für BTX geeigneten Zusatzbausteine für Home- und Personal Computer über Gebühr, so daß der BTX-Zusatzbaustein teurer sein kann als der ganze Computer (so kostete ein C-64 Heimcomputer Ende 1988 ca. 270 D M , das für diesen Rechner geeignete und von der Bundespost zugelassene BTX-Modul aber 399 D M ) . Zum anderen zeigten sich beim Betrieb von Bildschirmtext trotz anderslautender Beteuerungen der Bundespost gravierende Mängel (erinnert sei nur an den Sparkassen„einbruch" des Hamburger Chaos-Computer-Club; näher 8. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, BT-Drucks. 10/4690, S. 19 f.), die dem Vertrauen der privaten Teilnehmer in Bildschirmtext alles andere als förderlich waren. Mit dem Ausbleiben privater Teilnehmer (und damit potentieller Nachfrager) verlor Bildschirmtext auch für gewerbliche Anbieter viel von seinem Reiz. Außerdem gestaltet sich die Datenfernverarbeitung mit eigenen Rechnern mittlerweile billiger und effektiver (vgl. Bundesrechnungshof, aaO, S. 116), so daß Bildschirmtext auch für diesen Kreis weitgehend uninteressant geworden ist. Vgl. ferner H. Grab, Wirtschaftswoche Heft 9/1989; S. 120 f. 283
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
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text, genauer, ob der Bund 2 8 6 , die Länder 287 oder beide (entsprechend der Kompetenzverteilung im 1. Fernsehurteil) 288 für den Erlaß von Regelungen über Bildschirmtext zuständig sind. Damit einhergehend, aber auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG, wurde außerdem untersucht, ob Bildschirmtext Rundfunk, 2 8 9 Presse 290 oder ein Medium sui generis 291 darstellt. Vergleichsweise selten finden sich demgegenüber Feststellungen zu der Frage, ob es sich bei den für Bildschirm text verwendeten Einrichtungen um Fernmeldeanlagen i.S. des § 1 Abs. 1 F A G handelt. Soweit sich Äußerungen
286 Vgl Vorstellungen der Bundesregierung zum weiteren Ausbau des technischen Kommunikationssystems, Media Perspektiven 1976, 329 (342f.); Bundesregierung, Medienbericht, BT-Drucks. 8/2264, S. lOOf.; Stellungnahme der Bundesregierung zum 5. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drucks. 10/1719, S. 29 (36); Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 23; Ferger-Junker, D Ö V 1981, 439 ff.; D. Müller-Using, JbDBP 1982, 259 (271); W. Florian, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 17 (26); Berndt-Hefekäuser, JbDBP 1985, S. 578 (604ff.); J. Schmidt, ebda, S. 609 (617 ff.). 287 Vgl. 1. Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen und des Rundfunkbegriffs vom 29. April 1975 („SchlierseePapier"), FuR 1975, 651 ff.; 2. Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage des Rundfunkbegriffs („Würzburger Papier"), Media Perspektiven 1979, 400ff.; EKM, Bd. I, 1981, S. 189ff.; LT-NW 9/2510, S. 16f.; Ring-Hartstein, Bildschirmtext heute, 1983, S. 45f.; Schlink-Wieland, JURA 1985, 570 (572); W. Brinkmann, Z U M 1985, 337; J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 158; H. Redeker, aaO, S. 130f.; Breinlinger-Gusbeth, Bildschirmtext und seine Anwendung, Losebl. Stand Mai 1988, V I I I 1.2.2, S. 13ff. 288 In diese Richtung M. Bullinger, Rechtsfragen der elektronischen Textkommunikation, 1984, S. 22; P. J. Tettinger, JZ 1984, 400 (406); R. Groß, D Ö V 1983, 437 (444ff.); J. Scherer, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 (370f.); ders., NJW 1983, 1832 (1834ff.); K. Berg, AfP 1980, 75 (79). 289 Dafür: Zweiter Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage des Rundfunkbegriffs, Media Perspektiven 1979, 400 (412f.); G. Paptistella, D Ö V 1978, 750 (752); J. Scherer, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 (368) und NJW 1983, 1832 (1836), soweit Massenkommunikation vorliegt; D. Merten, in: EvStL, Bd. I, 3. Aufl. 1987, Sp. 2088 „Massenmedien" (sofern die Wiedergabe auf dem Fernsehgerät erfolgt). 290 In diese Richtung Rudolf-Meng, Rechtliche Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der Breitbandkommunikation für die Kirchen, 1978, S. 58; W. Theisen, VerfassungsForderungen an Privatrundfunk-Normen, Diss. Mainz 1980, S. 8f.; D. Merten, in: EvStL, Bd. I, 3. Aufl. 1987, Sp. 2088 „Massenmedien" (sofern ein Ausdruck der empfangenen Nachricht erfolgt). Vgl. auch E. König, Die Teletexte, 1980, S. 195 f. 291 Wohl mittlerweile h . M . Vgl. BayVerfGH, AfP 1987, 394 (407f.); Chr. Degenhart, in: B K , Art. 5 (Zweitbearb.) Rdnr. 308; Chr. Starck, in: v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 5 Rdnr. 63; H. Bartl, Handbuch BtxRecht, 1984, Rdnr. 21; P. J. Tettinger, JZ 1984, 400 (406); ders., Neue Medien und Verfassungsrecht, 1980, S. 29; M. Bullinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 161 (165); ders., Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S. 41; B. Hendriks, Media Perspektiven 1983, 701 (704); H. Bismarck, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, 1982, S. 88ff.; J. Wieland, Der Staat Bd. 20 (1981), S. 97 (104); W. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, 1979, S. 184ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 26
120
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
finden, bejahen sie überwiegend die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Bildschirmtext. 292 aa) Bildschirmtext
als Fernmeldeanlage?
Zur Begründung, daß die für Bildschirmtext verwendeten Einrichtungen Fernmeldeanlagen i.S. des § 1 Abs. 1 F A G seien, wird angeführt, daß die Bildschirmtext-Verbindung mittels Telefon und Fernsehgerät abgewickelt werde. Diese seien aber unstreitig als Fernmeldeanlagen anzusehen. Daß die übermittelten Texte in der Bildschirmtextzentrale zwischengespeichert würden, schließe die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Bildschirmtext nicht aus. Der Speicher der Bildschirmtextzentrale sei zum einen vom Fernmeldenetz technisch nicht trennbar. 293 Zum anderen ermögliche er ausschließlich die körperlose Übermittlung von Nachrichten zu jeder Zeit und stehe direkt im Dienst des Nachrichtentransports, weil die Post die Seiten inhaltlich so übertrage, wie sie in den Postrechner vom Anbieter eingespeist würden. 294 Die Subsumtion von Bildschirmtext unter den Fernmeldeanlagenbegriff werde auch von der Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt, da dieser nicht entnommen werden könne, daß Anlagen zur Speicherung niemals zum Fernmeldewesen gehören könnten. 295 Vielmehr ergebe sich aus ihr, daß der Begriff des Fernmeldewesens dynamisch zu sehen sei und auch neuartige Techniken umfassen könne. 2 9 6 Eine Beschränkung auf die 292
Vgl. U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94f.); C. D. Müller-Hengstenberg, CuR 1986, 207 (208); H.-W. Hefekäuser, in: BTX-A. V. (Hrsg.), Das Bildschirmtext-Recht entwickelt sich, 1985, S. 97 (102); H. Bartl, Handbuch BTX-Recht, 1984, Rdnr. 82; D. Müller-Using, JbDBP 1982, 259 (271); R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 210t ; Rudolf-Meng, aaO, S. 24. Ablehnend U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, 1983, S. 184 und öfter. 293 So R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 210; Stellungnahme der Bundesregierung zum 5. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drucks. 10/ 1719, S. 29 (36). Für den Fernmeldeanlagenbegriff ist das in rechtlicher Hinsicht zwar richtig, weil dieser auch die Einrichtungen umfaßt, die die Übermittlung ermöglichen. Technisch aber ist diese Auffassung unhaltbar, weil auch die Bildschirmtextzentrale (wie jede Datenverarbeitungsanlage) nur über Schnittstellen mit dem Fernsprechnetz verbunden ist (wobei es hier dahinstehen kann, ob man die Schnittstelle vor oder hinter den der Zentrale vorgeschalteten Modems ansiedelt, vgl. dazu U. v. Petersdorff, aaO, S. 193). 294 So U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94 f.); ders., in: Isensee-Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I I I , 1988, § 81 Rdnr. 34; Schmidt, JbDBP 1985, 609 (617). Dagegen zu Recht bereits U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, 1983, S. 166. Vgl. auchBVerwG, NJW 1977,162, wonach es zur konkreten Bestimmung eines Postbenutzungsverhältnisses weder auf die Kommunikationsinhalte noch auf die Frage ankommt, von wem die Kommunikationsinhalte stammen. 29 5 R. Leuze, aaO, S. 210f.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
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bloße Übertragung von Nachrichten sei vom Gericht vermutlich nicht beabsichtigt gewesen. 297 Näher liege vielmehr, daß das Gericht die Einbeziehung von Speichern in den Begriff der Fernmeldeanlage mitmachen würde. 2 9 8 Dies ergebe sich aus seinen Ausführungen, daß die Nachbildung der übermittelten Nachricht durch eine Maschine oder sonstige technische Einrichtungen erfolgen könne, die diese Nachrichten speicherten oder verarbeiteten. 299 bb) Bildschirmtexteinrichtungen
als Fernmeldeanlagen: Stellungnahme
Hinsichtlich datenverarbeitender Funktionen spricht die Direktrufentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eher für das Gegenteil. Das Gericht bezweifelte gerade, daß Datenfernverarbeitung durch die Post betrieben werden dürfe und verwies hierzu auf das 1. Fernsehurteil. 300 Die in Bezug genommene Passage des ersten Fernsehurteils (S. 226f.) stellt somit (aufgrund der Verweisung) auch für den Bereich der Datenfernverarbeitung klar, was unter Fernmeldewesen zu verstehen ist: „ . . . ein technischer, am Vorgang der Übermittlung orientierter Begriff". 3 0 1 Zudem wird ausgeführt, daß es sich bei Fernmeldeanlagen um Einrichtungen handele, „mit deren Hilfe Signale in die Ferne gemeldet oder übermittelt werden". 302 Wenn demnach in der Bildschirmtextzentrale Datenverarbeitung stattfindet, so dürfte dies von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr gedeckt sein. Ob dies der Fall ist, soll im Rahmen der Prüfung, ob der Fernmeldeanlagenbegriff auf Bildschirmtext anwendbar ist, mit untersucht werden. α) Endgeräte Solange für Bildschirmtext nur Telefon bzw. Tastatur auf der Sendeseite sowie ein Fernsehgerät in Verbindung mit einem Modem als Empfangsgerät eingesetzt werden, steht von dieser Seite der Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs in der Tat kein Hindernis entgegen. Sowohl Telefon als auch Fernsehgerät sind ausschließlich dafür geeignet, die Nachricht am Empfangsort zu reproduzieren.
296
D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271); R. Leuze, aaO, S. 210. R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 210. Vgl. demgegenüber BVerfGE 46, 120 (151) und dort den deutlichen Verweis auf BVerfGE 12, 205 (226), sowie sogleich unter bb. 298 U. Steiner, in: Isensee-Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I I I , 1988, § 81 Rdnr. 34. 299 Vgl. D. Müller-Using, JbDBP 1982, 259 (271). 300 BVerfGE 46, 120 (151f.) mit Verweis auf BVerfGE 12, 205 (226f.). 301 BVerfGE 12, 205 (226). 302 BVerfGE 12, 205 (226). 297
122
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Auf Anbieterseite und zunehmend auch auf Teilnehmerseite werden aber für Bildschirmtext nicht mehr nur Telefon und Fernseher verwendet, sondern Datenverarbeitungsanlagen. 303 Die Voraussetzungen des Fernmeldeanlagenbegriffs sind dann erst erfüllt, wenn der Computer mit dem Fernmeldenetz verbunden und ein geeignetes BTX-Kommunikationsprogramm in den Rechner geladen worden ist. Die Subsumtion von Datenverarbeitungsanlagen unter den Fernmeldeanlagenbegriff wurde aber oben bereits abgelehnt, weil Datenverarbeitungsanlagen neben der Übermittlungsfunktion noch andere, davon unabhängige Funktionen aufweisen. ß) Bildschirmtextzentrale Werden hingegen als Endgeräte nur Telefon bzw. für Bildschirmtext geeignete Tastaturen sowie ein Fernseher verwendet, so ist weiter zu prüfen, ob nicht die Funktionen der Bildschirmtextzentrale der Subsumtion von Bildschirmtext unter den Fernmeldeanlagenbegriff entgegensteht. „Informationen für den Einzelnen" Bei der Funktion „Information für den Einzelnen" spricht auf den ersten Blick alles dafür, einen fernmeldemäßigen Übermittlungsvorgang zwischen Absender und Empfänger anzunehmen, weil die Nachricht an einen vom Absender bei Beginn des Übermittlungsvorgangs festgelegten Empfänger übermittelt wird. Die in der Bildschirmtextzentrale erfolgende Speicherung, die zudem den übermittelten Inhalt unbeeinflußt läßt, wäre demzufolge eine bloße Zwischenspeicherung, die der Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf Bildschirmtext nicht entgegenstünde. Zweifel kommen aber auf, wenn man bedenkt, daß die in der Bildschirmtextzentrale gespeicherten Nachrichten im Gegensatz bspw. zu Datex-P nicht automatisch von der Bildschirmtextzentrale an den Empfänger weitergeleitet werden, sondern dieser selbst aktiv werden muß, um die für ihn bestimmte Nachricht von der Bildschirmtextzentrale zu erhalten. Wird er es nicht, so bleibt die Nachricht in der Bildschirmtextzentrale „liegen". Damit ist die Annahme eines Übermittlungsvorganges zwischen Absender und Empfänger hinfällig. Es liegen vielmehr zwei selbständige Übermittlungsvorgänge vor: der erste zwischen Absender und Bildschirmtextzentrale, der mit der Einspeicherung der Nachricht in die Bildschirmtextzentrale durch den Absender beendet ist, sowie ein zweiter, der durch den Abruf seitens des Empfängers eingeleitet wird. 3 0 4 Die in der Bildschirmtextzentrale im Anschluß an die erste 303
Vgl. Bundesrechungshof BT-Drucks. 11/3056; S. 116, sowie Gottlob-Strecker, B T X professionell eingesetzt, 1984, S. 221 ff.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
123
Übermittlung erfolgende Speicherung ist daher nicht eine bloße Zwischenspeicherung in einem Übermittlungsvorgang, 305 sondern ein von den Übermittlungen zu unterscheidender eigenständiger Vorgang in Form der Überwindung einer zeitlichen Distanz. Gegenstand des Fernmeldens ist aber nicht die Überwindung einer zeitlichen, sondern nur einer räumlichen Distanz. 306 Aber selbst wenn man der Ansicht ist, daß die Speicherung im Rahmen eines Vermittlungsvorgangs die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf die Bildschirmtextzentrale noch nicht verhindert, so stehen der Einordnung der Bildschirmtextzentrale als Fernmeldeanlage schon bei der Funktion „Informationen für den Einzelnen" zwei andere Faktoren entgegen. Zum einen wird die in der Bildschirmtextzentrale gespeicherte Nachricht nach Abruf durch den Empfänger nicht automatisch gelöscht, sondern bleibt zu seiner freien Verfügbarkeit im Speicher erhalten. Zum anderen hat darüber hinaus jeder Teilnehmer die Möglichkeit, eigene Textinhalte zu formulieren und in einem „persönlichen Notizbuch" in der Bildschirmtextzentrale zu speichern. Beides sind Datenspeicherungen, die mit einer Übermittlung nichts zu tun haben. 307 Es handelt sich hier vielmehr um Datenbankfunktionen der Bildschirmtextzentrale. 308 Eine Datenbank ist aber keine Fernmeldeanlage. 309 Entscheidend ist nunmehr, daß für die Datenbankfunktionen der gleiche Speicher benutzt wird wie für die Vermittlungsfunktionen. Wenn daher der Speicher der Bildschirmtextzentrale auch als Datenbank verwendet wird, so schließt das die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf die Bildschirmtextzentrale schon deshalb aus, weil der gleiche Speicher nicht abhängig von seiner jeweiligen Funktion im Einzelfall einmal eine Fernmeldeanlage sein kann und dann wieder nicht. 3 1 0 304
Ebenso insoweit D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271). So a b e r - z u Unrecht - R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 211. 306 Für den Bereich der körperlichen Nachrichtenübermittlung deutlich § 2 PostG. Es ist zwar unbestritten, daß durch die Bildschirmtextzentrale (auch) eine V e r m i t t lung zwischen Absender und Empfänger erfolgt. Eine Nachrichten v e r mittlung muß jedoch nicht notwendigerweise in einem Übermittlungsvorgang stattfinden. Per se aber ist sie keine Domäne der Post (so richtig U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, 1983, S. 182 f.). Zum gleichen Ergebnis wie hier gelangt man, wenn man m i t / . Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161, fragt, ob die Speicherung in der Bildschirmtextzentrale unerläßlich ist, um die Übermittlung zwischen Absender und Empfänger zu ermöglichen. Dies ist zu verneinen, weil eben nicht eine, sondern zwei (selbständige) Übermittlungen vorliegen. 307 Das wird vielfach überhaupt nicht gesehen, so insbesondere auch nicht bei R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 210f.; D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271); U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94f.). 308 Vgl. U. V. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 173. 309 Andernfalls könnte jede öffentlich zugängliche Datenbank durch die DBP betrieben werden. Vgl. für Österreich W. Jaburek, Bildschirmtext und Recht, 1984, S. 25. 305
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
„Informationen für Mehrere" Bei der „Information für Mehrere" wird die Nachricht vom Absender inhaltlich aufbereitet und sodann an die Bildschirmtextzentrale geschickt, wo sie gespeichert wird. Im Gegensatz zur Funktion „Information für Einzelne" stehen im Zeitpunkt der Speicherung in der Bildschirmtextzentrale die endgültigen Empfänger der Nachricht nicht fest. Vielmehr werden sie erst in dem Augenblick bekannt, in welchem sie die gespeicherte Nachricht anfordern. Daher kann zum einen die vom Absender an die Bildschirmtextzentrale übermittelte Nachricht keine bestimmte Empfänger adresse aufweisen. Andernfalls wäre die Zustellung an andere Empfänger nicht möglich. Zum zweiten bedarf es der dauerhaften Speicherung der Nachricht in der Bildschirmtextzentrale, weil sonst ein Zugriff mehrerer Empfänger ebenfalls nicht möglich wäre. Zum dritten ist eine elektronische Vervielfältigung der Nachricht, abhängig von der Anzahl der abrufenden Personen, in der Bildschirmtextzentrale erforderlich. Andernfalls wäre nur die Übermittlung an einen Empfänger möglich. Bei den soeben beschriebenen Vorgängen in der Bildschirmtextzentrale handelt es sich nicht um Übermittlungsfunktionen. Zum einen erfolgt die Speicherung der Nachricht nicht im Rahmen einer Übermittlung, weil im Zeitpunkt der Speicherung noch kein Empfänger feststeht. Die dauerhafte Speicherung der Nachricht dient vielmehr nur ihrer Bereitstellung zum vielfachen Abruf. Das aber ist wieder eine typische Datenbankfunktion, die mit Fernmelden nichts zu tun hat. 3 1 1 Zum anderen werden von der Bildschirmtextzentrale Kopien der gespeicherten Nachricht erzeugt (Vervielfältigungsfunktion) sowie die Verbindung dieser Kopien mit Empfängeradressen vorgenommen (Herstellungsfunktion). Beides sind ebenfalls keine Übermittlungsfunktionen, sondern Nachrichtenproduktion. Diese zählt aber gleichfalls nicht zum Fernmeldebereich. Deutlich wird dies bei einem Vergleich mit dem Pressewesen. Auch dort erfolgt zunächst die Vervielfältigung der Nachricht. Wird diese aber zunächst auf Lager gelegt und erst später an einen Empfänger übermittelt, so wird niemand auf die Idee kommen, sowohl die Vervielfältigung als auch die Lagerung der Nachricht zu den Postaufgaben zu rechnen. Demgegenüber könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß es bei der Funktion "Information für Mehrere" wie beim Rundfunk zur massenkommu310 Ebenso bereits U. v. Petersdorff aaO, S. 173, sowie H. Redeker, Neue Informadons- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 125f. 311 Das erkennt auch U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94f.).
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
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nikativen Verbreitung von Nachrichten durch die Bildschirmtextzentrale 312 komme. Für den Rundfunk aber sei anerkannt, daß dessen technische Einrichtungen Fernmeldeanlagen seien. 313 Für Bildschirmtext könne dann wegen seiner Gleichartigkeit zum Rundfunk nichts anderes gelten. Das setzt voraus, daß bei der Funktion „Information für Mehrere" Übermittlungsvorgänge vorliegen, die mit denen des Rundfunks identisch sind. Das ist indessen nicht der Fall. 3 1 4 Zwar hängt es sowohl bei Bildschirmtext als auch beim Rundfunk vom jeweiligen Empfänger ab, ob er die Nachricht zur Kenntnis nimmt. Damit sind die Gemeinsamkeiten aber bereits erschöpft. Beim Rundfunk erreichen die abgestrahlten Wellen, abhängig von der verwendeten Sendeleistung, jeden potentiellen Teilnehmer. Der Empfänger braucht nur sein Empfangsgerät einzuschalten, um die abgestrahlte Nachricht zur Kenntnis zu nehmen. Bei Bildschirmtext bedarf es demgegenüber der ausdrücklichen Anforderung der Nachricht durch den Empfänger bei der Bildschirmtextzentrale. 315 Vorher erreicht den potentiellen Empfänger bei Bildschirmtext nichts. Es hängt damit bei Bildschirmtext allein vom Empfänger ab, ob eine Nachrichtenübermittlung von der Bildschirmtextzentrale an ihn erfolgt oder nicht. Beim Rundfunk bedarf es demgegenüber einer positiven Entscheidung auch des Senders, ob eine Nachrichtenübermittlung stattfindet oder nicht. Durch die Anforderung der Nachricht in der Bildschirmtextzentrale findet eine Individualisierung des Empfängers statt. 316 Das zeigt den nächsten Unterschied zum Rundfunk auf: Dort ist die Individualisierung des Empfängers anhand des Übermittlungsvorgangs unmöglich. Die Möglichkeit, eine in der Bildschirmtextzentrale gespeicherte Nachricht vielen Empfängern zur Verfügung zu stellen, bedingt die Vervielfältigung der Nachricht. Diese erfolgt, bevor der Übermittlungsvorgang an den Anfordernden stattfindet. Anders beim Rundfunk: Dort liegt die Vervielfältigung im Übermittlungsvorgang selbst. Zudem wird aufgrund der in der Übermittlung liegenden Vervielfältigung die abgestrahlte Sendung überall gleichzeitig empfangen. Das ist bei Bildschirmtext nicht möglich. Die Bildschirmtextzentrale 312
Nicht etwa durch den Absender, weil ein Übermittlungsvorgang aus der Sicht des Absenders nur mit der Bildschirmtextzentrale stattfindet. 3 3 * Seit BVerfGE 12, 205 (226) wohl unstreitig. 314 Von dem Aspekt, daß Rundfunk eine hochfrequente Nachrichtenübertragung voraussetzt, an der es bei Bildschirmtext fehlt, kann in diesem Zusammenhang sogar abgesehen werden. Er wird häufig ganz übersehen, so bspw. bei / . Scher er, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 (363 ff.). Rundfunk ist aber nicht jede fernmeldetechnische Übermittlung an die Allgemeinheit, sondern nur die (1) hochfrequente fernmeldetechnische Übermittlung (2) einer Information (3) an die Allgemeinheit. Ebenso bereits früher D. Stammler, AfP 1975, 742 (747). Vgl. ferner/. Seetzen, in Gallwas-Hassemer-Seetzen (Hrsg.), Bildschirmtexterprobung in Berlin, 1983, S. 87ff. 315 So richtig bereits E. König, Die Teletexte, 1980, S. 194. 316 Diese ist sogar erforderlich, wenn dieser entgeltpflichtige Seiten abruft.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
bedient vielmehr mehrere Anrufer nacheinander, weil die Rechnerleistung nicht teilbar ist. Daß trotzdem der Eindruck entsteht, als ob mehrere gleichzeitig Anrufende gleichzeitig bedient werden, liegt daran, daß die Bildschirmtextzentrale in der Lage ist, abwechselnd die volle Rechnerleistung in einem sehr kurzen Zeitraum jeweils einem Teilnehmer voll zur Verfügung zu stellen. 3 1 7 Es ändert aber nichts daran, daß mehrere Teilnehmer nur nacheinander bedient werden („Warteschlange"). 318 Unterschiede zwischen Bildschirmtext und Rundfunk sind aber nicht nur in der Technik des Verbreitungsverfahrens begründet. Um in der Bildschirmtextzentrale die gespeicherte Nachricht überhaupt finden zu können, bedarf es einer Gliederung, an der sich der Teilnehmer orientieren kann. Diese Gliederung spiegelt sich in dem sog. Suchbaum wider. Beim Abstrahlen eines Rundfunkprogramms ist eine vergleichbare Gliederung weder erforderlich noch vorhanden. Ferner tragen die übermittelten Nachrichten beim Rundfunk im Gegensatz zu Bildschirmtext keine Empfängeradresse. Demnach läßt sich auch aus dem Argument, daß Rundfunksende- und -empfangsanlagen Fernmeldeanlagen sind, nichts dafür herleiten, daß auch die für Bildschirmtext verwendeten Einrichtungen Fernmeldeanlagen i. S. des § 1 Abs. 1 F A G sind. 319 „Dialog mit dem Rechner" Bei dieser Nutzungsmöglichkeit kann die rechtliche Bewertung kurz ausfallen: Die Durchführung von Computerdienstleistungen oder Computerspielen durch die Bildschirmtextzentrale 320 ist keine Nachrichtenübermittlung, sondern Datenverarbeitung.
317 Sog. Time-Sharing. Vgl. Deutsche Bundespost, Bildschirmtext, 1977, S. 28, sowie U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss Berlin 1982, S. 188; Berndt-Hefekäuser, JbDBP 1985, S. 578 (605). 318 Vgl. U. v. Petersdorff, aaO, S. 188; Berndt-Hefekäuser, JbDBP 1985, S. 578 (605). 319 Wenn man die Funktion „Information für mehrere" überhaupt mit den herkömmlichen Massenmedien vergleichen will, dann weist sie eine größere Ähnlichkeit mit der Presse als mit dem Rundfunk auf. Wie bei der Presse kommt es (infolge Anforderung) zuerst zu Vervielfältigungen und sodann zur Übermittlung. Unterschiede zur Presse liegen einmal darin, daß die Übermittlung unkörperlich erfolgt. Zum anderen steht die Anzahl der Vervielfältigungen im Unterschied zu Presseerzeugnissen nicht von vorneherein fest. 320 Vgl. Deutsche Bundespost, Bildschirmtext, 1977, S. 19.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen Gesamtbetrachtung
127
der Bildschirmtextzentrale
A u s den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß es i m Zusammenhang m i t der Bildschirmtextzentrale zwar auch zu Übermittlungsvorgängen k o m m t , i m V o r d e r g r u n d aber die F u n k t i o n der Bildschirmtextzentrale als Datenbank s t e h t . 3 2 1 D e r Unterschied zu einer herkömmlichen Datenbank liegt nur darin, daß die Bildschirmtextzentrale über das Fernsprechnetz bedient wird. Erachtete man die Bildschirmtextzentrale ungeachtet dessen als Fernmeldeanlage, so würde man der Bundespost das Recht zusprechen, jede öffentlich zugängliche Datenbank betreiben zu können. D i e Bildschirmtextzentrale weist aber nicht nur Datenbankfunktionen auf. V i e l m e h r w i r d i n der Bildschirmtextzentrale auch Datenverarbeitung geleistet,. wie schon die F u n k t i o n „ D i a l o g m i t dem Rechner" sowie der Suchbaum deutlich belegen. 3 2 2 D e n Fernmeldeanlagenbegriff
trotzdem anwenden zu
wollen, hieße, der Bundespost (neue) Handlungsbefugnisse auch i n Bereichen einzuräumen, die m i t Fernmelden nichts mehr zu t u n h a b e n . 3 2 3
321 Ganz überwiegend wird die Bildschirmtextzentrale als Datenbank angesehen. Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 1980, S. 161 (164); U. v. Petersdorff, Medienfunktionen und Fernmeldewesen, 1984, S. 229; Ε. P. Rupp, Bildschirmtext, 2. Aufl. 1984, S. 17f.; J. Adams, Bildschirmtext im Bereich privater Haushalte, 1984, W. Jaburek, Bildschirmtext und Recht, 1984, S. 25; K. Gläser, in: Raasch-Kühlwein (Hrsg.), Bildschirmtext, 1984, S. 29 (30). Ausführlich zu den technischen Funktionen einer Bildschirmtextzentrale D. Lazak, Bildschirmtext, 1984, S. 325ff., sowie Breinlinger-Gusbeth, Bildschirmtext und seine Anwendung, Losebl. Stand Mai 1988, V I 3.1, S. 5f. 322 Weitere datenverarbeitende Funktionen der Bildschirmtextzentrale werden bei D. Lazak, Bildschirmtext, 1984, S. 325 (330ff.), sowie Breinlinger-Gusbeth, Bildschirmtext und seine Anwendung, Losebl. Stand Mai 1988, V I 3.1, S. 5f. aufgezeigt. Vgl. ferner 11. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drucks. 11/3932, S. 33ff. 323 Vgl. BVerfGE 46, 120 (151f.). Man wird den Eindruck nicht ganz los, daß die Bundespost das Bundesverfassungsgericht während des (1976/1977 stattgefundenen) Verfahrens um die Verfassungskonformität der Direktrufverordnung über ihre zukünftigen Absichten bewußt im Unklaren gelassen hat. Vor dem Gericht hatte der Bundespostminister erklärt, daß er keine Datenfernverarbeitung für Dritte betreibe und auch nicht die Absicht habe, dies in Zukunft zu tun (Vgl. BVerfGE 46,120 (132) - Beschluß vom 12. Oktober 1977). Bereits 1976 aber hatte die Bundespost das englische Viewdata-System mit Software und GEC4082-Rechnern übernommen (Maciejewski-LitkeBergmann, Bildschirmtext-Inhouse-Systeme, 1985, S. 23) und 1977 unter der Bezeichnung Bildschirmtext als zukünftigen Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost (so deutlich: Deutsche Bundespost, Bildschirm text, August 1977, S. 4,13) auf der Funkausstellung in Berlin vorgestellt. Der Bundespost war also schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klar, daß sie (im Gegensatz zu ihren eigenen Äußerungen vor dem Bundesverfassungsgericht) zukünftig sehr wohl Datenfernverarbeitung für Dritte betreiben wollte.
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage γ) Gesamtbetrachtung Bildschirmtext
Die Gesamtbetrachtung zu Bildschirmtext kann nunmehr kurz ausfallen. Die für Bildschirmtext verwendeten Einrichtungen weisen Funktionen auf, neben denen der Übermittlungsfunktion nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Eine Anlage ist aber nur dann eine Fernmeldeanlage i.S. des § 1 Abs. 1 FAG, wenn sie nicht neben der Funktion der Nachrichtenübermittlung noch eigene, hiervon unabhängige Funktionen aufweist. 324 Damit scheidet die Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf diejenigen Einrichtungen, die für Bildschirmtext verwendet werden, aus. f) Telebox Telebox ermöglicht dem Teilnehmer, Mitteilungen elektronisch in ein von der Post bereitgestelltes und betriebenes Rechnersystem einzugeben, dort zu speichern und von dort aus an einen oder mehrere Empfänger weiterzuübermitteln. 3 2 5 Die Mitteilungen können vom jeweiligen Empfänger im Postrechner abgelegt und weitergespeichert werden. Als Endgeräte kommen entweder mittels Modem oder Akustikkoppler an das Telefonnetz angeschlossene Computer 3 2 6 oder ein von der Post zur Verfügung gestellter Textautomat zum Einsatz, 327 wobei der Teilnehmer mit letzterem auch Texte erstellen kann, ohne sie zu übermitteln. Obwohl Telebox (sieht man von den verwendeten Endgeräten ab) damit insgesamt einige Ähnlichkeit zu Bildschirmt ext aufweist, wird es zumeist nur mit den Schlagworten „elektronisches Postfach" 328 bzw. „elektronischer Aktenschrank" 329 umschrieben. Immerhin deuten auch diese Begriffe an, worum es bei Telebox geht: um die Lagerung einer Nachricht. Eine Lagerung,
324 Vgl. oben I I I 3 b cc. Wie hier für den Anwendungsbereich des österreichischen Telegraphengesetzes W. Jaburek, Bildschirmtext und Recht, 1984, S. 25. 325 Vgl. hierzu H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 118f.; A. Heuermann, in: Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 79 (90);/. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161 FN 63; ders., A G 1985, 70 (73 FN 20); J. Schmidt, JbDBP 1985, S. 609 (628 f.). Detaillierte Beschreibung von Telebox bei R. Muchsei, ÖVD-Online Heft 4/1986, S. 66 ff. Von der neueren Diensten hat Telebox mit Abstand die geringste Verbreitung erfahren. Man dürfte daher in der Einschätzung nicht fehlgehen, wenn man Telebox als Totgeburt bezeichnet. 326 Vgl. A. Heuermann, aaO, S. 79 (90); J. Schmidt, aaO, S. 628. 327 Vgl. H. Redeker, aaO, S. 118. 328 Vgl / / Redeker, aaO, S. 118;/. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161 FN 63. 329
So A. Heuermann, aaO, S. 90.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
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die unkörperlich erfolgt, ist aber nichts anderes als eine Speicherung. Damit stellt sich (wie bei Bildschirmtext) die Frage, ob die bei Telebox erfolgenden Speicherungen der Anwendbarkeit des Fernmeldeanlagenbegriffs auf die für Telebox verwendeten Einrichtungen entgegenstehen. aa) Postrechner Ebenso wie bei Bildschirmtextfunktion „Informationen für den Einzelnen" läßt sich der Transport einer Nachricht vom Absender an den Empfänger bei Telebox in zwei Übermittlungsvorgänge aufteilen: der erste zwischen Absender und Postrechner, der zweite zwischen dem Postrechner und dem endgültigen Empfänger. Bei der im Postrechner stattfindenden Speicherung handelt es sich wieder um einen von den Übermittlungsvorgängen zu unterscheidenden eigenständigen Vorgang, der nicht zum Fernmeldebereich gehört, weil er nicht die Überwindung einer räumlichen Distanz zum Gegenstand hat. 3 3 0 Darüber hinaus verbleibt die Nachricht nach Abruf durch den Empfänger im Speicher des Postrechners. Selbst wenn man noch einen Übermittlungsvorgang zwischen Absender und Empfänger annehmen will, so ist dieser jedenfalls im Zeitpunkt des (erstmaligen) Abrufs der Nachricht durch den Empfänger beendet. Die weitere Speicherung steht mit einer Übermittlung in keinerlei Zusammenhang mehr, so daß sich die Anwendung des die Verwendung von Anlagen zur Überwindung räumlicher Distanzen regelnden Fernmeldeanlagenbegriffs auf den - nur der Überwindung einer zeitlichen Distanz dienenden - Speicher des Postrechners verbietet. Auch der aufgrund des Namens naheliegende Vergleich mit einem Postfach vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Post erhebt nämlich für die Speicherung nach erfolgter Übermittlung separate Gebühren. 331 Handelte es sich bei der Weiterspeicherung um ein bloßes Nebenprodukt der Übermittlung - entsprechend dem Postfach als bloßem Nebenprodukt zur Briefzustellung - , so wäre die Erhebung separater Gebühren zumindest ungewöhnlich. Wenn daher separate Gebühren erhoben werden, so deutet dies vielmehr darauf hin, daß eine weitere, von einer Übermittlung unabhängige, eigenständige Dienstleistung angeboten werden soll. Diese aber hat mit Fernmelden nichts zu tun, weil sie nicht die Überwindung einer räumlichen Distanz zum Gegenstand hat. 330 Vgl j Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161. Großzügiger insoweit H. Redeker, aaO, S. 118, der die Speicherung solange für zulässig hält, bis der erstmalige Abruf durch den Empfänger erfolgt ist. Dagegen spricht allerdings, daß nicht von vorneherein feststeht, ob überhaupt eine Übermittlung an den Empfänger erfolgt, weil bei Telebox ebenso wie bei Bildschirmtext die Nachricht nicht automatisch an den Empfänger weitergeleitet wird. Die Speicherung dient daher (im Gegensatz zu Datex-P) gerade nicht der (schnellstmöglichen) Übermittlung an den Empfänger. 331
H. Redeker, aaO, S. 119 m.w.Nachw.
9 Köbele
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C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
bb) Endgeräte Darüber hinaus scheitert die Subsumtion der für Telebox verwendeten Einrichtungen unter den Fernmeldeanlagenbegriff daran, daß bei den Teilnehmern Endeinrichtungen verwendet werden, die neben der Übermittlungsfunktion andere, mit der Übermittlungsfunktion in keinem Zusammenhang stehende eigenständige Funktionen besitzen. 332 Fernmeldeanlagen sind nach dem oben Gesagten aber nur solche Anlagen, die der Übermittlung von Nachrichten dienen, diese am Empfangsort wiedererzeugen und daneben nicht noch eigenständige, von der Übermittlung unabhängige Funktionen aufweisen. 333 g) Anlagen zur Datenkommunikation Datenkommunikation wird grundsätzlich mit Datenverarbeitungsanlagen durchgeführt. Diese fallen, wie bereits ausgeführt, 334 nicht unter den Fernmeldeanlagenbegriff, weil man sonst andere Funktionen der Datenverarbeitungsanlagen mit in den Fernmeldeanlagenbegriff einbeziehen würde, die ihrerseits mit Fernmelden nichts zu tun haben. Der Einwand, daß Datenübertragungsanlagen Fernmeldeanlagen seien, 335 ist demgegenüber nicht stichhaltig, weil es kaum isolierte Datenübertragungsanlagen gibt. 3 3 6 Vielmehr finden sich datenübertragende und datenverarbeitende Funktionen in der gleichen Anlage. Daß die für die Datenübertragung „zuständigen" Funktionsbereiche einer Datenverarbeitungsanlage nicht isoliert unter den Fernmeldeanlagenbegriff subsumiert werden können, wurde ebenfalls bereits aufgezeigt. 337 2. Hochfrequent übermittelnde Anlagen (Funk„anlagen") a) Radarsender und -empfänger Radaranlagen sind, soweit sich überhaupt Äußerungen finden, bisher den Funkanlagen zugerechnet worden. 338 Begründet wurde diese Ansicht mit dem 332 Beim Computer ist dies selbstverständlich. Der von der Post zur Verfügung gestellte Automat ist neben der Übermittlung zur Textverarbeitung geeignet. 333 Vgl. oben I I I 3 b cc. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Betrieb von Telebox durch die Post äußern J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161; dersAG 1985, 70 (73 FN 20); H. Redeker, aaO, S. 119. 334 Oben I I 3 b cc. 33 5 U. Klingler, APF 1978, 184 (185). 336 Ausnahme: Ein „dummes" Terminal wird mit der eigentlichen Rechnereinheit über das Fernmeldenetz verbunden. Diese Konstruktion ist aber heute kaum noch anzutreffen. 337 Oben I I 3 b cc.
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriffs in Einzelfällen
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Argument, daß sie funkmäßig mittels Hertz'scher Wellen arbeiteten, was ausreiche, um die sie ausstrahlende Anlage als Fernmeldeanlage zu qualifizieren. 3 3 9 Die erlangte Kenntnis werde auch vom Empfänger „als Nachricht" auf funktechnischem Weg aufgenommen. 340 Bestätigt werde die Zuordnung der Radaranlagen zu den Funkanlagen sodann durch ihre Aufnahme in die VO-Funk, der es nicht bedurft hätte, wenn Radaranlagen keine Funkanlagen seien. 341 Diese Argumente vermögen indes nicht zu überzeugen. Radaranlagen senden lediglich elektromagnetische Wellen aus, die beim Auftreten auf einen Gegenstand reflektiert werden. 342 Erst wenn überhaupt eine Reflexion erfolgt, erhält der Empfänger (der hier mit dem Sender regelmäßig identisch ist) die Kenntnis vom Vorhandensein eines Gegenstandes.343 Es fehlt demnach an der Abstrahlung einer Zusammenstellung von Zeichen durch den Sender und damit an der Übermittlung einer Nachricht. 344 Hieran ändert nichts, daß der Empfänger durch die Reflexion Kenntnis vom Vorhandensein eines Gegenstandes erhält, 345 da es auf den Empfänger für die Beurteilung der Frage, ob das ausstrahlende Radargerät eine Funkanlage ist, schon angesichts des Gesetzeswortlauts von § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G nicht ankommt. Die gegenteilige Ansicht läuft demgegenüber auf die Gleichung „Funk = Hochfrequenz" hinaus, die sich schon angesichts der Existenz des Hochfrequenzgerätegesetzes verbietet. Auch die Anlagen, die den reflektierten Radarstrahl zwecks Auswertung empfangen, sind keine Funkanlagen. 346 Wie bereits festgestellt, fehlt es beim Radarsender an der Abstrahlung einer Zusammenstellung von Zeichen. Die bloße Reflektion am Hindernis, die dann empfangen wird, bewirkt keine neue Zusammenstellung von Zeichen und damit einer Nachricht, da es sich bei dem Hindernis nicht um einen eigenen Sender handelt. 347 Zwar erhält der Empfän-
338
So zuerst bei E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 46; sodann B G H , NJW 1981, 831 (832); KG, APF 1980, 309ff.; E. Wiechert, APF 1981, 417f.; Meyer, in: Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Losebl. Stand Dezember 1983, F 55, Anm. 2 a ee zu § 1 F A G ; bejahend auch Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (479) unter der Voraussetzung, daß Zeichen ausgesandt werden. Verneinend bisher nur L G Osnabrück, M D R 1979, 866f. 339 So E. Schumann, aaO, S. 47. 340 B G H , NJW 1981, 831 (832). 341 E. Schumann, aaO, S. 47. 342 Genaue Beschreibung der Funktionsweise eines Radargerätes bei BayObLG, NJW 1979, 1837 (1838). 343 Vgl. BGH, NJW 1981, 831 (832); E. Schumann, aaO, S. 46. 344 Richtig L G Osnabrück, M D R 1979, 866; übersehen von KG, APF 1980, 309. 345 So aber BGH, NJW 1981, 831 (832). 346 Α . Α . E. Wiechert, APF 1981, 417. 9*
132
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
ger infolge der Reflexion des Radarstrahls Kenntnis vom Vorhandensein eines Gegenstandes. Das aber ist keine Nachricht, 348 sondern lediglich eine Information. Es wurde aber bereits festgestellt, daß der Begriff der Information als der Vermehrung der Kenntnisse des Empfängers schon deshalb fernmelderechtlich irrelevant ist, weil bei Übermittlungsvorgängen Maschinen beteiligt sein können, auf die das Kriterium „Vermehrung der Kenntnisse des Empfängers" nicht paßt. Die Einbeziehung von Radaranlagen in den Anwendungsbereich der VOFunk vermag an dieser Sichtweise nichts zu ändern. Im internationalen Bereich benutzen Radaranlagen häufig gleiche Frequenzen wie gewöhnliche Funkstationen anderer Staaten (Überhorizontradar), so daß es der Aufstellung entsprechender Kollisionsregeln und damit auch der Einbeziehung von Radaranlagen in den Anwendungsbereich der VO-Funk bedurfte. Damit steht aber nicht fest, daß Radaranlagen, die der VO-Funk unterliegen, deshalb zugleich auch als Funkanlagen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G anzusehen sind. Außerdem ist zu beachten, daß die internationalen Begriffsbestimmungen der VO-Funk innerstaatlich regelmäßig bedeutungslos sind, da die Einleitung zu Art. 1 VO-Funk selbst feststellt, daß die dort verwandten Begriffsbestimmungen über den Bereich der VO-Funk hinaus nicht ohne weiteres anwendbar sind. 349 Sowohl Radarsender wie Radarempfänger sind vielmehr reine Hochfrequenzquellen bzw. nutzen Hochfrequenz für Meßzwecke 350 aus. Sie können deshalb dem Hochfrequenzgerätegesetz unterliegen, sind aber keine Funkanlagen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 FAG. b) „Radarwarngeräte" Sehr viel umstrittener als die Frage, ob Radaranlagen zu den Funkanlagen zählen, ist die Frage, ob auch „Radarwarngeräte", die nicht ganz selten in Autos zwecks Hinweises auf Radaranlagen der Polizei zur Geschwindigkeitsmessung installiert werden, Funkanlagen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G darstellen. 351 347 So richtig E. Schumann, Der strafrechtliche Schutz im Fernmeldewesen, Diss. Köln 1961, S. 24. Insoweit abwegig A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Anm. 5 zu § 1 FAG. 348 Ebenso L G Osnabrück, M D R 1979, 866 (867) mit anderer Begründung; a.A. BGH, NJW 1981, 831 (832), der als Nachricht i. S. des Fernmeldeanlagengesetzes jede Vermehrung der Kenntnisse des Empfängers infolge hochfrequenztechnischer Vorgänge ansieht; dem folgt E. Wiechert, aaO, S. 417. 349 Vgl. J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 92 FN 405; ähnlich bereits P. Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 16. 350 Und nicht etwa für Übermittlungszwecke! 351 Bejahend: B G H , NJW 1981, 831 ff.; O L G Oldenburg, M D R 1980, 78; KG, APF 1980, 309 ff.; BayObLG, NJW 1979,1837ff.; Meyer, in: Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche
V. Die Anwendbarkeit des Fm-Anlagenbegriff s in Einzelfällen
133
Die Instanzgerichte verneinten überwiegend die Eigenschaft der Radarwarngeräte als Funkanlagen, wobei sie sich auf unterschiedliche Überlegungen stützten. So wurde darauf abgestellt, daß ein Radarwarngerät weder Nachrichten noch Zeichen, Bilder oder Töne übermitteln oder empfangen könnten, sondern lediglich anzeige, ob in einem bestimmten Umkreis ein Radargerät zur Verkehrsüberwachung in Betrieb sei. 352 Diese Anzeige könne aber nicht als Übermittlung und Empfang von Nachrichten ausgelegt werden, weil das von diesen Begriffen vorausgesetzte kommunikative Element fehle. 353 Der Betreiber des Radargerätes wolle dem vorbeifahrenden Verkehr gerade nicht mitteilen, daß das Radargerät in Betrieb sei oder nicht; es sei daher auch nicht etwa die Aussendung digitaler Nachrichten (Gerät in Betrieb ja/nein) bezweckt. Um die Ausbreitung derartiger Geräte zu verhindern, bedürfte es daher eines entsprechenden Verbotes seitens des Gesetzgebers. Demgegenüber stellten die Obergerichte darauf ab, daß das Radarwarngerät dazu geeignet und bestimmt sei, ein in Betrieb befindliches Radargerät zu orten, weil es die vom Radargerät notwendigerweise mit ausgesendete Information über sein Vorhandensein empfange. 354 Zwar sei die von den Radarstrahlen übermittelte Kenntnis „in der Nähe befindliches Radargerät in Betrieb" ihrem Inhalt nach denkbar gering, entspreche aber der kleinsten Nachrichteneinheit nach dem binären System. 355 Damit aber sei der Empfang von Nachrichten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G gegeben; das Radarwarngerät somit eine genehmigungspflichtige Funkanlage. Im übrigen reiche für den Begriff der Funkanlage bereits aus, daß der Empfang von Nachrichten stattfinden könne. Das Radarwarngerät sei ohne technische Änderung in der Lage, auch elektrische Schwingungen anderer Geräte zu empfangen und diesen vereinbarte oder bekannte Mitteilungen zu entnehmen, 356 da es auf mehrmaliges Ein- und Ausschalten der Schwingungsquelle reagiere und die Zeitdauer der Unterbrechung verzeichne. Damit liege es innerhalb seines bestimmungsmäßigen Zwecks, im zweiseitigen Funkverkehr eingesetzt zu werden. Andere elektrische Geräte, die Hochfrequenz benutzten, würden durch diese Auslegung nicht zu Funkanlagen, da sie ihrer Bestimmung nach für einen anderen Zweck gedacht seien. 357 Nebengesetze, Losebl. Stand Dezember 1983, F 55, Anm. 2 b ee zu § 1 F A G ; E. Wiechert, APF 1981, 417f.; ders., APF 1980, 310ff.; G. Heinzelmann, Genehmigungsverfahren im Funk, 1980, S. 39. Verneinend: L G Hamburg, NJW 1980, 2721; L G Osnabrück, M D R 1979, 866; L G Tübingen, NJW 1979, 1839; L G Regensburg, Verk. Mitt. 1979, 32; G. Reuker, D A R 1979, 85 f. 352 L G Tübingen, NJW 1979, 1839 unter Verweis auf L G Stuttgart, Beschl. v. 7. 12. 1978, V I I I QS 100/78. 353 L G Tübingen, NJW 1979, 1839; ähnlich L G Osnabrück, M D R 1979, 866 (867). 3 54 B G H , NJW 1981, 831 (832); BayObLG, NJW 1979, 1837 (1839); O L G Oldenburg, M D R 1980, 78; KG, APF 1980, 309ff. 3 55 B G H , NJW 1981, 831 (832). 356 B G H , NJW 1981, 831 (832).
134
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
Die obergerichtliche Rechtsprechung ist abzulehnen. Bei Verwendung des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs folgt dies bereits aus der Überlegung, daß ein Radarsender keine Zusammenstellung von Zeichen übermittelt und das Radarwarngerät deshalb auch keine Zusammenstellung von Zeichen empfängt. Aber selbst wenn man den von den Obergerichten verwendeten Nachrichtenbegriff zugrundelegt, ist die Subsumtion von „Radarwarngeräten" unter den Begriff der Funkanlagen unzutreffend, weil sie von der falschen Voraussetzung ausgeht, daß derartige Geräte den Betrieb 358 oder gar den Standort 359 einer Radaranlage anzeigten. Was das „Radarwarngerät" anzeigt, ist, daß Hochfrequenz mit einer bestimmten Schwingungszahl (regelmäßig 9,41 GHz) im näheren Umkreis des Gerätes aufgetreten ist. Nicht dagegen vermag es zu differenzieren, ob es sich hierbei um Hochfrequenz, herrührend von einer Radaranlage der Polizei, einer Alarmanlage auf Hochfrequenzbasis o.ä. handelt. Es kann sogar noch nicht einmal feststellen, ob der Sender die vom „Radarwarngerät" angezeigte Hochfrequenz überhaupt als Hauptfrequenz abstrahlt, da normale Funkgeräte neben ihren eigentlichen Nutzfrequenzen Oberwellen (Nebenfrequenzen) in mehr oder minder starkem Maße abstrahlen, die durchaus die Schwingungszahl haben können, auf die das „Radarwarngerät" anspricht. Der Empfänger eines „Radarwarngerätes" erhält deshalb weder die Nachricht „Radargerät in Betrieb" 3 6 0 noch die Nachricht über seinen Standort und erst recht nicht die Information „Vorsicht Radarfalle", sondern nur „Hochfrequenz mit 9,41 GHz aufgetreten". 361 Das aber ist nichts anderes als das Ergebnis einer Messung, wie sie durch jedes dazu geeignete Meßgerät gleichfalls vorgenommen werden könnte, 3 6 2 ohne daß deshalb solche Meßgeräte als Funkanlagen angesehen worden wären. Innerhalb des bestimmungsmäßigen Zwecks eines „Radarwarngerätes" liegt daher auch nicht etwa die Wahrnehmung zweiseitigen Funkverkehrs, sondern der schlichte Nachweis von Hochfrequenz. Daß der Besitzer eines derartigen Gerätes hofft, damit ein Radargerät der Polizei ausmachen zu können, ist irrelevant, weil das deutsche Strafrecht kein Gesinnungsstrafrecht ist. Wollte man demgegenüber der Ansicht des B G H 3 6 3 folgen, so müßte jegliches Hochfrequenzmeßgerät als Funkanlage angesehen werden, da dieses gleichfalls auf das Ein- und Ausschalten einer Schwingungsquelle reagiert und man diesem Ein- und Ausschalten sogar Nachrichten entnehmen kann. 3 6 4 357 BGH, NJW 1981, 831 (832). 358 so BGH, NJW 1981, 831 (832); O L G Oldenburg, M D R 1980, 78. 359 So BayObLG, NJW 1979, 1837 (1839); KG, APF 1980, 309 (310). 360 So aber B G H , NJW 1981, 831 (832). 361 Richtig daher A G Berlin-Tiergarten als Vorinstanz zu K G , APF 1980, 309; die Aufhebung dieses Urteils durch das K G mit der Begründung, daß den ausgesandten Wellen der Standort des Radargerätes entnommen werden könne, war unzutreffend. 362 Richtig L G Osnabrück, M D R 1979, 866 (867). 363 NJW 1981, 831 (832).
VI. Zusammenfassung
135
Ebenso fehl geht der Vergleich der „Radarwarngeräte" mit Peilfunkanlagen, 365 weil ein „Radarwarngerät" im Gegensatz zum Peilfunkgerät nicht die Richtung anzeigen kann, aus der die Hochfrequenzquelle strahlt, geschweige denn in der Lage ist, den Standort der Hochfrequenzquelle auszumachen.366 „Radarwarngeräte" unterfallen daher, sofern sie als hochfrequente Überlagerungsempfänger arbeiten, dem Hochfrequenzgerätegesetz, 367 so daß ihr ungenehmigter Betrieb eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 HFrG darstellt. Es sind aber keine Funkanlagen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 FAG, an deren ungenehmigten Betrieb sich die Strafdrohung des § 15 Abs. 1 F A G knüpft.
V I . Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß man den Begriff der „Fernmeldeanlage", abhängig vom Verständnis des Begriffs der Übermittlung, weit oder eng interpretieren kann. Beide Interpretationsmöglichkeiten weisen gravierende Nachteile auf. 3 6 8 Geht man von einem Verständnis des Fernmeldeanlagenbegriffs dergestalt aus, daß eine Fernmeldeanlage bereits dann gegeben ist, wenn es auch zur Nachrichtenübermittlung mit Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort kommt, so fallen je nach technischer Entwicklung alle Anlagen zur Informations(fern)verarbeitung unter den Fernmeldeanlagenbegriff. Dieser weitet sich so zu einer Generalklausel zugunsten der Bundespost aus, die sie ermächtigt, Regelungen auch in Bereichen vorzunehmen, die mit Fernmelden nichts zu tun haben. Als Beispiel hierfür mag die Ausdehnung der DBP in den bisher unregulierten Bereich der Datenverarbeitung genügen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, daß Fernmeldeanlagen nur solche Anlagen sind, die der Nachrichtenübermittlung (mit Wiedererzeugung am Empfangsort) dienen und daneben nicht noch weitere selbständige Funktio364
Wohin die Ansicht des B G H führt, macht noch folgendes Beispiel deutlich: Eine Leuchtstoffröhre, in die Nähe einer Hochfrequenzquelle gebracht, fängt ohne weiteres Dazutun an zu leuchten. Es müßte sich demnach um eine Funkanlage handeln, weil durch das Aufleuchten die Nachricht „Hochfrequenzsender vorhanden" vermittelt wird. 3 *5 Vgl. O L G Oldenburg, M D R 1980, 78; KG, APF 1980, 309 (310); BayObLG, NJW 1979, 1837 (1839). 3 66 L G Osnabrück, M D R 1979, 866 (867). 367 Insoweit richtig E. Wiechert, APF 1980, 310 (312). 368 Die Übertragung der Definition der Funkanlage auf den Fernmeldeanlagenbegriff, die A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603ff., vorschlägt, vermag dieses Problem gleichfalls nicht zu lösen. Auch bei ihr bleibt offen, ob nur solche Einrichtungen erfaßt werden sollen, deren Aufgabe ausschließlich darin besteht, der Nachrichtenübermittlung an einen anderen entfernten Ort zu dienen oder ob hierunter auch solche Anlagen fallen, bei denen die Nachrichtenübermittlung nur eine Funktion unter vielen anderen darstellt.
136
C. Der Begriff der Fernmeldeanlage
nen in der gleichen Anlage aufweisen, so bedeutet dies, daß die Erscheinungsformen der Telematik vom Fernmeldeanlagenbegriff nicht erfaßt werden. 369 Es bedürfte neuer, differenzierenderer Regelungen seitens des Gesetzgebers. Damit wird zum einen die Frage aufgeworfen, inwieweit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG den Erlaß von Regelungen bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht. 370 Die Antwort hierauf beantwortet auch zugleich die Frage, welche der bisher vertretenen Interpretationen des Fernmeldeanlagenbegriffs mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit die verwaltungsmäßige Zuständigkeit gerade der Bundespost (auch) für Fragen der IuK-Techniken gegeben ist. Das hängt davon ab, ob die Verwaltungskompetenz des Bundes aus Art. 87 Abs. 1 GG den gleichen Umfang wie die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG aufweist oder ob sie hinter letzterer zurückbleibt. Im folgenden Abschnitt soll daher näher geprüft werden, in welchen Grenzen das Verfassungsrecht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das (Post- und) Fernmeldewesen gem. Art. 73 Nr. 7 GG resp. die Verwaltungskompetenz für den Bereich „Bundespost" gem. Art. 87 Abs. 1 GG zuweist.
369 Es erschiene auch verwunderlich, daß ein im Grunde genommen fast 100 Jahre altes Gesetz auch heute noch angemessene Regelungen für einen Bereich enthalten soll, der sich zwischenzeitlich in technischer Hinsicht völlig verändert hat. 370 Mögliche Gesetzgebungskompetenzen des Bundes aus anderen Vorschriften des Grundgesetzes sollen hier außer Betracht bleiben, weil mit solchen keine Verwaltungskompetenz der Bundespost verbunden ist. Vgl. zu weiteren Gesetzgebungskompetenzen des Bundes H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988.
D . Fernmeldeverfassungsrecht Ι . Befund des Grundgesetztextes Vorweg ist festzustellen, daß der Begriff des „Post- und Fernmeldewesens" resp. der „Bundespost" außer in den bereits genannten Vorschriften auch an anderen Stellen im Grundgesetz auftaucht: - Im Verhältnis zum Postkunden wird das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis garantiert, Art. 10 Abs. 1, 44 Abs. 2 Satz 2 GG - Der Erlaß von Benutzungsverordnungen auf dem Gebiet des „Post- und Fernmeldewesens" ist der Zustimmung des Bundesrates unterworfen, Art. 80 Abs. 2 GG, 1 im Rahmen dieser Untersuchung den letztgenannten Vorschriften indes keine Bedeutung zukommt. Die Existenz und der Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses besagen nichts über den Verpflichteten und seinen Aufgabenbereich. 2 Art. 80 Abs. 2 wiederum deutet durch Verwendung des Wortes „Gebühr" nur auf eine öffentlich-rechtliche Organisationsform eines Trägers des Post- und Fernmeldewesens (und die öffentlichrechtliche Rechtsnatur der Benutzung der Einrichtungen der Post) hin. Bedeutsame Folgen für diese Arbeit ergeben sich aus dieser Vorschrift gleichfalls nicht. Damit konzentriert sich das Interesse auf die Kompetenzvorschriften der Art. 73 Nr. 7 und Art. 87 Abs. 1 GG. Erstere Vorschrift beinhaltet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Sachbereich „Post- und Fernmeldewesen"; letztere statuiert die Verwaltungskompetenz des Bundes für die „Bundespost".
I I . Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes 1. Zur Vermutung der Länderzuständigkeit Ausgangspunkt für eine Prüfung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes ist Art. 70 Abs. 1 GG. Danach hat der Bund Gesetzgebungsbefugnisse nur, 1
Art. 130 Abs. 1 GG kann von vorneherein außer Betracht bleiben. Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 31; F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 26; a. Α . P. Badura, JbDBP 1977, 76 (150). 2
138
D. Fernmeldeverfassungsrecht
soweit das Grundgesetz sie ihm verleiht. Die bloße Abwesenheit von Bestimmungen, die einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes entgegenstehen könnten, reicht im Gegensatz zu Art. 30 GG („zuläßt") nicht aus. Gefolgert wird hieraus teilweise eine Zuständigkeitsvermutung zu Gunsten der Länder 3 sowie - damit zusammenhängend - das Erfordernis einer „strikten" Interpretation der Art. 73ff. GG. 4 Indes ist zur Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder zu bemerken, daß sie nicht überzubewerten ist, da sie erst dann zum Zuge kommen kann, wenn sich in der Zuständigkeitsverteilung eine Lücke ergibt. 5 Ob aber eine derartige Lücke besteht, muß zunächst durch Auslegung mit Hilfe der normalen Auslegungsmittel festgestellt werden. 6 Das Erfordernis der „strikten" Interpretation der Art. 73ff. GG wiederum ist nicht mit dem einer „restriktiven" Interpretation gleichzusetzen, sondern steht nur der extensiven Interpretation der genannten Vorschriften entgegen.7 Zwar läßt sich das wiederum nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 70 GG herleiten. 8 Zu bedenken ist jedoch, daß eine extensive Interpretation der teilweise ohnehin schon weitgefaßten Kompetenztitel des Bundes zu einer weiteren Verschiebung der Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse zwischen Bund und Ländern zugunsten des Bundes führen kann. Dann aber hätte die Regel des Art. 70 GG nur noch rein formalen Charakter. „Strikte" Interpretation bedeutet daher, Kompetenztitel des Bundes weder eng noch weit auszulegen.9 Insoweit enthalten Art. 30, 70 GG einen Schutzgedanken zugunsten der Länder, der bei der Auslegung von Kompetenznormen zu berücksichtigen ist. 10
3
BVerfGE 26, 281 (297); 42, 20 (28); Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 20. E G Stand Nov. 1982, Art. 70 Rdnr. 30; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Vorbem. Art. 70 Rdnr. 3; Herrfahrdt, in: B K , Anm. I I 1 zu Art. 70 GG; Maunz-Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 27. Aufl. 1988, § 37 I I ; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. D 73. Ablehnend: v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I I , 2. Aufl. 1966, Anm. I I I 2 a zu Art. 70; H.-J. Rinck, in: Festschrift Gebh. Müller, 1970, S. 289 (290ff.); M. Bullinger, AöR Bd. 96 (1971), S. 237 (252); R. Scholz, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (255ff.); F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 33ff. ; W. Erbguth, DVB1. 1988, 317 (319). 4 BVerfGE 12, 205 (228); 26, 281 (297); 61,149 (174); Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG, 9. E G Stand Nov. 1980, Vorbem. Art. 70 Rdnr. 5; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 37f.; W. Erbguth, DVB1. 1988, 317 (318). Abi. I. v. Münch, GG- Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 16. 5 L v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 16. 6 I. v. Münch, a.a.O., Art. 70 Rdnr. 16; Th. Maunz, a.a.O., Rdnr. 30. 7 Vgl. BVerfGE 26, 246 (254); 55, 274 (319f.); R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 390f. 8 Richtig insoweit I. v. Münch, a.a.O., Art. 70 Rdnr. 16. 9 Vgl. BVerfGE 15, 126 (139); R. Stettner, a.a.O., S. 390; Lerche-Pestalozza, a.a.O., S. 38. 10 W. Erbguth, a.a.O., S. 319; R. Scholz, a.a.O., S. 270 m.w.Nachw. Vgl. auch R. Stettner, a.a.O., S. 391 ff.
. Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes
139
2. Kriterien der Auslegung von Kompetenznormen Als ausdrückliche Kompetenznormen zugunsten des Bundes kommen hier in erster Linie Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG in Betracht. Beide Vorschriften lassen indes den Umfang ihres Anwendungsbereichs nicht erkennen, weil es an einer Legaldefinition fehlt. Da es aber auf der Hand liegt, daß nunmehr nicht beliebige Inhalte in diese Vorschriften hineininterpretiert werden dürfen, ist der Umfang beider Vorschriften durch Auslegung zu ermitteln. Fraglich ist nur, nach welchen Kriterien die Auslegung zu erfolgen hat. Zu denken wäre zunächst an die herkömmlichen Kriterien der Gesetzesinterpretation. 11
a) Die Problematik des Fehlens aUgemein anerkannter Maßstäbe zur Interpretation von Verfassungsnormen Prüft man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Verwendung der herkömmlichen Auslegungskriterien, so stellt sich heraus, daß sich aus seinen Entscheidungen keine einheitlichen Interpretationsgrundsätze ableiten lassen.12 In vielen Fällen beschränkt sich das Gericht auf eine wörtliche Auslegung oder macht sie zumindest zum Ausgangspunkt für weitere Überlegungen. 13 In einigen Entscheidungen wird das aus dem Wortlaut gewonnene Ergebnis durch eine historische Sichtweise bestätigt; 14 nicht ganz selten wird auch ausschließlich historisch argumentiert. 15 Gelegentlich werden zusätzlich systematische Erwägungen angestellt16 oder auf das Wesen und die besonderen Strukturen bestimmter Regelungsmaterien hingewiesen.17 In der Literatur wird diese Rechtsprechung zwar als zu uneinheitlich kritisiert, 18 dann aber den Ergebnissen ohne nähere Begründung zumeist zuge-
11
Wörtliche, systematische, historische und teleologische Auslegung, vgl. nur K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, II. Abschnitt, Kap. I V , S. 298. 12 Vgl. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 4 I I I 7, S. 130 m.w.Nachw. 13 Vgl. BVerfGE 2, 213 (220f.); 3, 407 (424f.); 11, 105 ( U l f . ) ; 12, 205 (226ff.); 33, 52 (60); 42, 20 (29); 58, 137 (145f.); 62, 354 (368); 74, 51 (57ff.). 14 BVerfGE 3, 407 (425f.); 12, 205 (230ff.); 28, 66 (85); 41, 205 (220); 42, 20 (29); 72, 330 (393, 428ff.); 76, 363 (382ff.); 77, 1 (45). 15 Vgl. bspw. BVerfGE 46, 120 (139ff.); 61, 149 (174ff.); 67, 299 (315ff.); 71, 25 (38); 74,102 (116ff.); 75, 40 (56 ff.). Vgl. zur Entstehungsgeschichte als Auslegungskriterium in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung M. Sachs, DVB1. 1984, 73ff. m.w.Nachw. aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. 16 Vgl. BVerfGE 3, 407 (413ff.); 8,260 (268); 10,285 (290ff.); 15,1 (9f.); 39,1 (9f.); 58,45 (61 ff.). 17 Vgl. BVerfGE 7, 29 (38f.); 11, 105 (113); 36, 193 (203); 36, 314 (319); 48, 367 (373ff.); 67, 299 (315ff.); 72, 330 (397).
D. Fernmeldeverfassungsrecht
140
s t i m m t . 1 9 Zugrunde liegt dem w o h l , daß i n der Literatur bisher ebenfalls nicht gerade eindeutig geklärt ist, nach welchen Grundsätzen die Interpretation der Verfassung i m allgemeinen 2 0 u n d die von Kompetenznormen i m besonderen 2 1 zu erfolgen hat. Diskutiert w i r d insbesondere, ob die überkommenen M e t h o den juristischer Auslegung für die Auslegung des Grundgesetzes genügen 2 2 oder ob andere Entscheidungsmethoden an ihre Stelle treten oder sie ergänzen sollen. 2 3 b) Die Bedeutung der Entstehungsgeschichte als Auslegungskriterium bei der Interpretation von Kompetenznormen des Grundgesetzes D e n soeben aufgezeigten Fragen braucht hier nicht i m einzelnen nachgegangen zu werden, da in Rechtsprechung u n d Schrifttum jedenfalls E i n i g k e i t darüber besteht, daß bei der Interpretation
von Kompetenznormen
des G r u n d -
gesetzes der Entstehungsgeschichte der N o r m als Auslegungskriterium besonderes Gewicht z u k o m m t . 2 4 Begründet w i r d dies m i t dem A r g u m e n t , daß K o m -
is So bei M. Bullinger, AöR Bd. 96 (1971), S. 237 (241ff.); R. Scholz, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (257f.); vgl. ferner R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 415 ff. 19 Vgl. R. Scholz, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (265 f.). 20 Vgl. dazu Dreier-Schwegmann (Hrsg.), Probleme der Verfassungsinterpretation, 1976; F. Müller, Juristische Methodik, 2. Aufl. 1976; Koch-Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, § 17; K. Stern, a.a.O., § 4 I I I ; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 345ff.; B. Schlink, Der Staat Bd. 19 (1980), S. 73ff. 21 Ausführlich hat sich damit wohl bisher nur R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, auseinandergesetzt. Vgl. ferner W. Jakob, Der Staat Bd. 24 (1985), S. 527 (539ff.). 22 So noch ein Teil der Kommentarliteratur, vgl. I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 4; Schmidt-Bleibtreu - Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Einl. Rdnr. 58; eher zurückhaltend auch K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 347. 23 Vgl. vor allem Κ Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, Rdnrn. 60 ff.; B. Schlink, Der Staat Bd. 19 (1980), S. 73ff.; E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089ff.; H. Ehmke, VVDStRL Heft 20 (1963), S. 53 (70ff.). Siehe ferner K. Stern, a.a.O., § 4 I I I 7,8; Th. Maunz, in: MaunzDürig, GG, Art. 73 Rdnrn. 17f.; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG, 14. Lieferung September 1988, Einf. Rdnrn. 31 ff. 2 « Vgl. BVerfGE 1, 264 (271); 3, 407 (414ff.); 15, 1 (18ff.); 33, 125 (152f.); 41, 344 (355); 61, 149 (175f.); 65, 1 (39); 77, 1 (45ff.); /. v. Münch, GG-Komm., Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 74 Rdnr. 3; Schmidt-Bleibtreu - Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 9; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 384ff.; M. Sachs, DVB1. 1984, 73 (80); P. Badura, NJW 1981, 1337 (1338f.); R. Scholz, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (265f.); P. Lerche, JZ 1972, 468 (470). Zum Begriff „Postwesen" in Art. 73 Nr. 7 vgl. F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 81 f.; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 35ff.; zum Begriff „Fernmeldewesen" H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche
II. Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes
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petenznormen als Aufgabenzuweisungen im wesentlichen Überlegungen der politischen Vernunft und Zweckmäßigkeit folgten. 25 Sie seien in erster Linie Ausfluß politischer Entscheidungen und Entwicklungen, die sich nur aus der Vergangenheit verstehen und erfassen ließen, 26 während sie sich an Gerechtigkeitskriterien nur bedingt orientierten. Speziell die Begriffe „Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 bzw. „Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG werden denn auch durchweg im historischen Kontext interpretiert. 27 c) Die einzelnen Komponenten der historischen Auslegung aa) Heranziehbarkeit von Auslegungsergebnissen zu vergleichbaren Normen vorhergehender Verfassungen Für die historische Auslegung der Kompetenznormen des Grundgesetzes kommt in Betracht, Auslegungsergebnisse zu den entsprechenden Normen der Vorläuferverfassungen, insbesondere der W R V , zu übernehmen. 28 Unproblematisch wäre dies dann, wenn derartige Regelungen in einem fortlaufend gültigen und nur von Zeit zu Zeit abgeänderten (Verfassungs-)Gesetz enthalten wären, wie dies bei dem seit dem 1.1. 1900 gültigen Bürgerlichen Gesetzbuch der Fall ist. Für das Grundgesetz kann man aber auf diese Weise zunächst nur für den Zeitraum nach seinem Inkrafttreten verfahren. Ein Rückgriff auf Auslegungsergebnisse zu Normen vorhergehender Verfassungen könnte sich dagegen verbieten, weil das Grundgesetz gegenüber den Vorläuferverfassungen ein neues und eigenständiges Gesamtsystem darstellt. So
Kompetenzordnung, 1988, S. 67ff. sowie U. v. Petersdorff Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 84ff. 25 Vgl. R. Stettner, a.a.O., S. 137f.; F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 31; in diese Richtung auch P. Badura, NJW 1981, 1337 (1338f.). 26 Vgl. F. Ossenbühl, a.a.O., S. 31; ihm folgend U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 84. 27 Vgl. BVerfGE 12, 205 (230ff.); 28, 66 (76f.); 46, 120 (139ff.). Letztere Entscheidung bezog sich auf den Begriff „Fernmeldewesen" in § 14 PostVwG, den das BVerfG aber deckungsgleich mit dem Begriff „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG verstanden wissen will. Aus der Literatur vor allem: F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 31 f.; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 33ff.; H. Redeker, Neue Informations· und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 74; U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 84ff. Ohne nähere Begründung H. Fangmann, R D V 1988, 53 (55); Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (564); E. Wiechert, JbDBP 1986, 119 (123); J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (518f.). 28 Vgl. F. Müller, Juristische Methodik, 2. Aufl. 1976, S. 268 f.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
ist die Stellung des Bundes in den Kompetenznormen des Grundgesetzes nicht so stark ausgeprägt wie die des Reiches in den Vorläuferverfassungen. Eine vorbehaltlose Übernahme von Auslegungsergebnissen zu Kompetenznormen der Vorläuferverfassungen könnte demnach zu einer Aushöhlung der Länderkompetenzen quasi „durch die Hintertür" führen. Zum anderen ist das Grundgesetz auch nicht wie die R V 1871 im Sinne einer „offenen" Verfassung auf politische Fortentwicklung angelegt, sondern zählt die Bundeskompetenzen eher im Sinne einer perfektionistischen Verfassung sorgfältig auf, 29 so daß auch dies die Übernahme von Auslegungsergebnissen zu Normen der Vorläuferverfassungen verhindern könnte. Andererseits hat das Grundgesetz viele Normen wortgleich oder annähernd wortgleich aus der W R V übernommen, wobei diese ihrerseits in vielen Fällen auf die RV 1871 zurückgegriffen hat. Dieser Rückgriff des Grundgesetzgebers ist auch bewußt und gewollt erfolgt, 30 so daß man der Verwertung von Auslegungsergebnissen zu Normen früherer Verfassungen nicht von vorneherein mit dem Argument eines neuen Gesamtsystems ablehnend gegenüberstehen kann. Sicher verbietet sich ein Rückgriff bei solchen Normen, deren Auslegung mit dem neuen Gesamtsystem nicht mehr vereinbar ist. Andererseits ist aber eine (annähernd) wortgleiche Übernahme ein Indiz dafür, daß auch die hergebrachte Interpretation übernommen werden sollte, so daß es dann umgekehrt der gesonderten Begründung bedarf, um eine abweichende Auslegung vornehmen zu können. Man wird daher der Verwertung von Auslegungsergebnissen zu (annähernd) wortgleich aus der W R V übernommenen Verfassungsnormen zustimmen können, 31 sofern sie nicht in Widerspruch zu dem neuen Gesamtsystem Grundgesetz geraten.
29 M. Bullinger, A ö R Bd. 96 (1971), S. 237 (239). 30 Vgl. BVerfGE 3, 407 (414f.) m.w.Nachw. 31 Wohl einhellige Meinung; vgl. BVerfGE 3, 407 (415); 33, 52 (61); 67, 299 (320); 77, 1 (45ff.); st. Rspr.; /. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 74 Rdnr. 3; A K - G G , Bd. I I , 1984, Art. 70 Rdnrn. lOff.; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 9; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG, 9. Lieferung 1983, vor Art. 70-82 Rdnr. 6; G. Roellecke, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 22 (46); R. Scholz, ebda, S. 265f.; W. Schick, AöR Bd. 94 (1969), S. 353 (358f.); einschränkend R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 387; M. Bullinger, AöR Bd. 96 (1971), S. 237 (259); F. Rottmann, DVB1. 1974, 407 (410); R. Wolfrum, D Ö V 1982, 674 (676). Speziell zum Begriff des „Post- und Fernmeldewesens" resp. „Bundespost" F. Ossenbühl, a.a.O., S. 32; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 33 f.
II. Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes
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bb) Zur Verwertbarkeit von Auslegungsergebnissen zu vorkonstitutionellen einfachen Gesetzen Zu prüfen ist desweiteren, ob man bei der historischen Analyse von Verfassungsnormen auf die Auslegung einfacher Gesetze zurückgreifen kann. 32 Dies könnte zu bejahen sein, weil die in der jeweiligen Verfassung verwendeten Begriffe hauptsächlich im Rahmen einfacher Gesetze ausgelegt oder durch den Gesetzeswortlaut konkretisiert wurden und dem Grundgesetzgeber die Begriffe in der sich für die einfachen Gesetze ergebenden Auslegung vertraut gewesen sein dürften. Zur Folge hat dies aber, daß der Inhalt von Verfassungsnormen des Grundgesetzes aus dem Inhalt der vorkonstitutionellen einfachen Gesetze gewonnen wird. Es kommt zur „Gesetzmäßigkeit der Verfassung". 33 Das aber widerspricht der Rangfolge der Rechtsquellen, nach der Gesetzesbegriffe aus Verfassungsbegriffen zu entwickeln sind und nicht umgekehrt. Es bedarf daher eines Maßstabes, inwieweit die Auslegung von einfachen Gesetzen unter vorhergehenden Verfassungen zur Auslegung von Normen des Grundgesetzes herangezogen werden kann. Dieser könnte darin zu sehen sein, daß die Auslegung von Begriffen in einfachen Gesetzen ein widerlegbares Indiz darstellt, wie die Verfassungsnorm zum Zeitpunkt ihres Erlasses verstanden wurde. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß sich der einfache Gesetzgeber möglicherweise nicht innerhalb der ihm von der damaligen Verfassung gezogenen Grenzen gehalten hat. Eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit des gesetzgeberischen Verhaltens in Form einer Verfassungsgerichtsbarkeit hat es aber unter den Vorgängerverfassungen des Grundgesetzes nur in sehr bescheidenem Maße gegeben. Das Indiz, welches durch das Verhalten des damaligen einfachen Gesetzgebers erzeugt wurde, wäre mithin unter dem Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht mehr widerlegbar; eventuell rechtswidriges Verhalten des damaligen einfachen Gesetzgebers wäre durch Übernahme in die entsprechende Verfassungsnorm des Grundgesetzes im nachhinein legitimiert. 32 Dies wird grundsätzlich für zulässig gehalten. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet sie als „Staatspraxis", vgl. BVerfGE 12, 205 (226ff.); 33, 125 (152f.); 42, 20 (29); 61, 149 (176ff.); 68, 319 (328f.); 77, 308 (331), was mißverständlich erscheint, wenn damit nicht nur die Praxis des einfachen Gesetzgebers, sondern auch der sonstigen Staatsorgane gemeint sein soll. Aus der Literatur: Maunz-Dürig, GG, Art. 73 Rdnrn. 13ff.; R. Scholz, a.a.O., S. 265f.; F. Ossenbühl, a.a.O., S. 32; Lerche-Pestalozza, a.a.O., S. 34f. 33 Vgl. nach wie vor W. Leisner, JZ 1964, 201 ff.; ders., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964, S. 42ff. Völlig übersehen wird dieser Mechanismus von F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657 (658). Zu unkritisch auch Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 73 Rdnr. 119: „ . . . weitet sich fortschreitend auch die Zuständigkeit des Bundes ohne Änderung des Grundgesetzes und des Fernmeldeanlagengesetzes aus". Angesichts Art. 79 GG hätte dies zumindest der näheren Begründung bedurft!
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Richtiger erscheint es daher, nur den Rechtsgrundsatzgehalt eines damaligen einfachen Gesetzes in eine Verfassungsnorm des Grundgesetzes zu übernehmen und dies auch nur, soweit sich eine Identität mit dem feststellbaren Gehalt vorhergehender Verfassungsnormen feststellen läßt. Insoweit ein „Überschießen" des einfachen Gesetzes zu konstatieren ist, ist dies von der Verfassungsnorm des Grundgesetzes nicht rezipiert, es sei denn, daß dies vom Grundgesetzgeber ausdrücklich so gewollt ist. cc) Die Bedeutung der Staatspraxis unter dem Geltungsbereich vergleichbarer Normen in den Vorläuferverfassungen Fraglich bleibt, ob als Auslegungsergebnis auch die frühere Staatspraxis heranzuziehen ist. Dafür spricht, daß sie dem Grundgesetzgeber besser bekannt gewesen sein dürfte als viele in der Literatur vertretene Auslegungen. Zu bedenken ist aber, daß die Staatspraxis durchaus nicht in Einklang mit dem damals geltenden Verfassungsrecht gestanden haben muß, wie gerade die Vorgänge um den Rundfunk in der Weimarer Republik belegen. 34 Man wird daher der Forderung nach Berücksichtigung der früheren Staatspraxis mit Vorsicht zu begegnen haben. d) Grenzen der historischen Perspektive Die starke Betonung der historischen Sichtweise bei der Auslegung von Kompetenznormen darf indes nicht als starres Dogma mißverstanden werden. Andernfalls käme es zu einer „Versteinerung" der Zuständigkeitsnormen und zu einem „Einfrieren" eines historisch zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Rechtszustandes.35 Die Verfassung wäre für Wandlungen der Wirklichkeit nicht mehr aufnahmefähig. Zur Folge hätte dies, daß sie mit zunehmenden Zeitablauf keine angemessenen Lösungen für die Frage mehr bereithielte, wer zur Regelung neuer Sachverhalte überhaupt befugt ist. Demzufolge kann die historische Auslegung nicht die anderen Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck) in einer Weise überspielen, daß sie automatisch zu einer Rezeption des gesamten historischen Normenbefundes führt. Auch Kompetenznormen sind vielmehr grundsätzlich zukunftsoffen und für Wandlungen in der Wirklichkeit aufnahmefähig. 36 Dies gilt vor allem 34 Vgl. unten I I I 3 d. 35 Vgl. F. Ossenbühl, a.a.O., S. 33; R. Stettner, a.a.O., S. 142ff., jew. m.w.Nachw. In Österreich ist dagegen die „Versteinerungstheorie" für das allgemeine Verfassungsverständnis bestimmend geworden. Neuregelungen werden aber für zulässig erachtet, sofern ein inhaltlich-systematischer Zusammenhang mit der Kompetenzmaterie besteht, vgl. H. Schambeck, Rechtstheorie Bd. 16 (1985), S. 163 (178). 36 R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 143 f.; Chr. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, § 2 I I Rdnr. 109.
II. Grundsätzliches zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes
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dort, wo technische und soziale Entwicklungen stattfinden, wie dies gerade beim Fernmeldewesen der Fall ist. 37 Schon wegen Art. 79 GG kann dies aber nicht in beliebigem Maße erfolgen. 38 Hinzu kommt, daß die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Bund und Ländern den formalen Rahmen der Gesetzgebung im Bundesstaat bilden und daher in hohem Maße der Festigkeit und Berechenbarkeit bedürfen. 39 Man wird demzufolge der Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte unter einen bestehenden Kompetenztitel mit einer gewissen Zurückhaltung zu begegnen haben und sie nur dann für zulässig erachten können, wenn sich neue Lebenssachverhalte noch dem historisch erschlossenen Inhalt des jeweiligen Kompetenzbereichs zuordnen lassen.40
3. Ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkeiten Angesichts der Grundregel des Art. 70 Abs. 1 sowie der in Art. 73ff. GG genannten Kompetenzmaterien bleibt zu prüfen, inwieweit daneben ungeschriebene Bundeszuständigkeiten möglich sind. Probleme werden durch die Unklarheit des Begriffs „ungeschrieben" aufgeworfen, da er verschiedene Ausdeutungsmöglichkeiten zuläßt. Es könnten sowohl solche Kompetenzgegenstände umfaßt sein, die aus Gewohnheitsrecht oder überverfassungsmäßigem Recht abzuleiten sind, als auch solche, die bei geschriebenen Kompetenztiteln stillschweigend mitgeschrieben und daher interpretatorisch aus dem in Betracht kommenden geschriebenen Titel zu ermitteln sind. 41 Allgemein anerkannt ist nur die zweite Ausdeutungsmöglichkeit. 42 Demgegenüber gerät die erstgenannten Kompetenzbegründung in Widerspruch zu Art. 70 Abs. 1 GG, da diese Vorschrift eine Verleihung von Gesetzgebungs37 R. Scholz, Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (266). 38 Vgl. J. Wieland, Der Staat Bd. 20 (1981), S. 97 (103f.). 39 BVerfGE 61, 149 (175). 40 Vgl. Chr. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, § 2 I I , Rdnrn. 108ff. Strenger wohl für den Bereich der Telekommunikation J. Wieland, a.a.O., S. 104, der hier Verfassungsänderungen nach Art. 79 Abs. 1, 2 GG für erforderlich hält. 41 Vgl. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 37 115. 42 Vgl. Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 20. EG Stand Nov. 1982, Art. 70 Rdnr. 52; I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 17; ders., Grundbegriffe des Staatsrechts I I , 4. Aufl. 1987, Rdnrn. 326ff.; H.-J. Wipfelder, DVB1. 1982, 477 (478); N. Achterberg, AöR Bd. 86 (1961), S. 63 (84, 88ff.); E. Küchenhoff, A ö R Bd. 82 (1957), S. 413 (416ff.); teilw. abw. F. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, § 2 I I Rdnrn. 101 f. Grundlegend bereits H. Triepel, Festgabe P. Laband, Bd. I I , 2. Abdr. 1925, S. 249ff. sowie für die W R V G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 6 Anm. 1. 10 Köbele
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befugnissen durch „dieses Grundgesetz" verlangt. 43 Konsequenz hieraus ist, daß der Begriff „ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz", da beide Ausdeutungsmöglichkeiten umfassend, zu vermeiden und durch den Begriff „stillschweigend mitgeschriebene Bundeskompetenz" zu ersetzen ist. Damit wird zugleich auch verdeutlicht, daß es einer geschriebenen Kompetenz als Basis bedarf, um das Vorhandensein einer stillschweigend mitgeschriebenen Kompetenz überhaupt in Erwägung ziehen zu können. 44 Als stillschweigend mitgeschriebene Bundeskompetenzen werden die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, die Annexkompetenz sowie die Kompetenz kraft Natur der Sache genannt, 45 wobei fraglich ist, ob es sich bei der Annexkompetenz um einen unselbständigen Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs handelt 46 oder ob sie einen eigenständigen Charakter auf weist. 47 Im Rahmen dieser Arbeit bedarf es hierzu keiner näheren Ausführungen, da es in der Sache allein darum geht, von einer (ausdrücklich) geschriebenen auf sachzusammenhängende oder annexe Materien zu schließen. In Betracht wird dies dann kommen, wenn die Einbeziehung einer ungeschriebenen Materie unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der ausdrücklich zugewiesenen Materie ist. 48 A n noch engere Voraussetzungen gebunden ist die Anerkennung einer Bundeskompetenz kraft Natur der Sache. Sie ist nur dann zu bejahen, wenn es sich um eigenste Bundesangelegenheiten handelt, die der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entzogen sind. 49 Schlußfolgerungen aus 43 v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1966, Art. 70 Anm. I I I 4; K. Stern, a.a.O., S. 610. 44 A. v. Mutius, Jura 1986, 498 (499). 45 Vgl. bspw. Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 20. EG Stand Nov. 1982, Art. 70 Rdnrn. 46ff.; I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnrn. 17f.; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. D 75f.; Chr. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, § 2 I I , Rdnrn. 101 ff.; A. v. Mutius, Jura 1986, 498 (499f.). Ausführlich R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 423ff. 46 So vor allem K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 37 I I 5 a; ferner I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 17; R. Scholz, in: Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 272ff.; M. Bullinger, AöR Bd. 96 (1971), S. 237 (243); wohl auch Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG-Komm., Stand August 1977, Vorbem. Art. 70 Rdnrn. 8ff. 47 So wohl Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 20. E G Stand Nov. 1982, Art. 70 Rdnr. 49; Chr. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, Rdnrn. 105f.; N. Achterberg, D Ö V 1966, 695 (700). 4 8 Vgl. BVerfGE 3, 407ff.; 12, 205 (238); 22, 180 (210); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 37 I I 5 a; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. D 75; Maunz-Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 27. Aufl. 1988, § 37 I I 4; /. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 18; Schmidt-Bleibtreu Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Vorbem. Art. 70 Rdnrn. 5 f.; R. Scholz, in: Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (272ff.). 49 Vgl. BVerfGE 11, 89 (99); 12, 205 (251ff.); 22, 180 (217); 26, 246 (257); Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 20. EG Stand Nov. 1982, Art. 70 Rdnr. 46; I. v.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG
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der Natur der Sache müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern; 50 bloße Zweckmäßigkeit reicht nicht aus.
I I I . Entstehungsgeschichtliche Aspekte der Art. 73 Nr. 7 GG, 87 Abs. 1 GG 1. Vorbemerkung zum Verhältnis von Post- und Fernmelde wesen Wenn auch in erster Linie der Umfang des Begriffs „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG ermittelt werden soll, so soll ein Blick auf den Begriff „Postwesen" in der gleichen Vorschrift nicht ganz ausgespart bleiben. Es kann sich nämlich als sinnvoll erweisen, bei der Auslegung des Begriffs „Fernmeldewesen" in Problemfällen auch Auslegungsergebnisse zum Begriff „Postwesen" heranzuziehen. Post- und Fernmeldewesen werden in Deutschland seit jeher - sieht man von der Zeit des Norddeutschen Bundes und den Anfangsjahren des Kaiserreichs ab - gemeinsam verwaltet, 51 weil es sich um gleichartige Sachbereiche handelt. Darüber hinaus werden auch seit jeher Überschüsse aus einem Bereich zum Ausgleich von Defiziten im jeweils anderen Bereich verwandt, 52 was eine Wechselbeziehung zwischen beiden Bereichen gleichfalls deutlich belegt. 2. Entstehungsgeschichtliche Aspekte des Postwesens Jahrhunderte lang hatten in Deutschland zwei verschiedene Systeme miteinander konkurriert: die kaiserliche Reichspost sowie die Post der Territorialherren. 53 Erstere ging auf eine Idee von Maximilian I. zurück und wurde im Laufe der Zeit durch die Familie Thum und Taxis aufgebaut. 54 Anfangs diente sie ausschließlich staatspolitischen Interessen, wurde dann aber schon bald unter der Bedingung, daß die kaiserlichen Belange nicht gefährdet würden, zur Benutzung durch Privatpersonen freigegeben. Die Taxis betrieben die Reichspost zunächst aufgrund von Nutzungsrechten, ab 1615 dann auf der Münch, GG- Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 21; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 37 I I 5 a; F. Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, § 2 I I Rdnrn. 102f.; J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1989, § 10 V I 3; Battis-Gusy, Einführung in das Staatsrecht, 2. Aufl. 1986, § 4 Rdnr. 143. Zurück geht diese Formulierung auf G. Anschütz, HdbDStR, Bd. 1,1930, S. 363 (366). 50 BVerfGE 11, 89 (99); 12, 205 (251). 51 Näher unten I I I 3 a. 52 Vgl. unten I I I 3 a bb γ, δ, sowie aus neuerer Zeit BVerfGE 28, 66ff. 53 Ausführlich H.-J. Altmannsperger, Jb. d. Postwesens 1969, S. 236ff. 54 Ausführlich zur Familie von Thum und Taxis M. Piendl, Das fürstliche Haus Thum und Taxis, 1980. 1*
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Basis eines - von den Territorialherren bestrittenen - kaiserlichen Regals als privatwirtschaftliches Unternehmen. 55 Der weitere Ausbau des Postnetzes durch die Taxis führte zunehmend zu Konflikten mit den einzelnen Reichsständen, die mehr und mehr den staatspolitischen Wert einer eigenen Posteinrichtung erkannten. 56 Stellvertretend hierfür steht die Errichtung der brandenburgisch-preußischen Post. Auch sie entstand aus der Notwendigkeit, dauerhafte Verkehrsverbindungen zwischen den teilweise weit auseinanderliegenden Landesteilen herzustellen. Im Gegensatz zur kaiserlichen Reichspost wurde sie unmittelbar durch den Staat betrieben und diente (neben der Wahrung der Sicherheit des Staates durch Nachrichtenverbindungen) später vor allem als Einnahmequelle zur Deckung der preußischen Kriegskasse. 57 Hierfür wurden schon früh Alleinrechte durch den Staat in Anspruch genommen (Postregal) und diese durch die Einführung des Postzwangs im Laufe der Zeit immer weiter ausgedehnt.58 Zwei politische Ereignisse bewirkten schließlich das Ende des Nebeneinanders beider Postsysteme. Bereits durch das Ende des Reiches 1806 hatte die Thum und Taxische Post die kaiserliche Protektion sowie viele ihrer Postlinien verloren. Zwar konnte sie - nunmehr als fürstliche Lehenspost - in den darauffolgenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wieder einigen Boden gutmachen. 59 Der Sieg Preußens über Österreich 1866 bedeutete dann aber ihr endgültiges Aus, da die nunmehr noch für einen eigenen Postdienst in Betracht kommenden Gebiete zu klein waren, um einen rentablen Betrieb gewährleisten zu können. Gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3 Mill. Taler wurde das gesamte Thum und Taxische Postwesen in die preußische Post eingegliedert, 60 die ihrerseits in der Post des Norddeutschen Bundes und dann der Reichspost aufging. 61 Für die Ermittlung des Umfangs des Begriffs „Postwesen" sind demnach für die Zeit nach 1871 die entsprechenden Normen der Verfassungen sowie unter den obengenannten Voraussetzungen - 6 2 die einschlägigen Reichsge55
A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank und Fernmeldewesens, 1983, S. 3; H.-J. Altmannsperger, Jb. d. Postwesens 1969, S. 236 (241); P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 194. Man könnte sie als beliehene Unternehmer bezeichnen. 56 Vgl. A. Eidenmüller, a.a.O., S. 4; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte Heft 2/1974, S. 6 (10); H.-J. Altmannsperger, a.a.O., S. 252; P. Badura, a.a.O., S. 194f. 57 G. North, a.a.O., S. 6(10). 58 Vgl. H.-J. Altmannsperger, Jb. d. Postwesens 1969, S. 236 (253). Zu den Begriffen „Postregal" und „Postzwang" vgl. P. Badura, a.a.O., S. 199f. 59 Vgl. M. Piendl, a.a.O., S. 89; A. Koch, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1972, S. 153; P. Badura, a.a.O., S. 196. 60 Vgl. pr. GS 1867 I, S. 353ff. 61 Art. 48 Verf. NdBd.; Art. 48 RV 1871.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG
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setze, für die Zeit davor die einschlägigen Gesetze namentlich Preußens heranzuziehen. Eine gesetzliche Regelung des Aufgabenbereichs der preußischen Post enthielt erstmals das preußische Gesetz über das Postwesen vom 5. 6. 1852.63 Zu den Aufgaben der Post zählten danach die Beförderung von Personen und Sachen sowie von schriftlichen Mitteilungen und Zeitungen. 64 Dieser Aufgabenkreis blieb in den nachfolgenden Postgesetzen des Norddeutschen Bundes65 und des Deutschen Reiches66 unverändert und ist im wesentlichen noch mit den heutigen Aufgaben der Bundespost gem. § 1 PostG identisch. 67 Gemeinsames Kennzeichen der postalischen Aufgaben des vorigen Jahrhunderts ist der Transport- und Übermittlungseffekt. 68 Dieser ist auch beim später hinzugekommenen Postscheckdienst noch erkennbar, da man den Postscheckdienst als Ersatz des Transports von Geld durch die Post ansehen kann. Das legt es nahe, den Transport- und Übermittlungseffekt auch als wesentliches Kriterium des Begriffs „Postwesen" anzusehen. Entgegenstehen könnte dem die Existenz des Postsparkassendienstes. Indes wurde dieser erst 1938 aufgrund eines „Führererlasses" in Deutschland eingeführt, weil seine'Zugehörigkeit zum Postwesen vorher immer wieder bezweifelt wurde. 69 Ob er unter dem Geltungsbereich des Grundgesetzes zum Begriff „Postwesen" gezählt werden kann, ist höchst fraglich, weil es an Gemeinsamkeiten mit den bereits seit Mitte des vorherigen Jahrhunderts gesetzlich fixierten Postdiensten fehlt. 70 Unter dem Geltungsbereich des Grundgesetzes läßt 62
Vgl. oben I I c bb. Pr. GS 1852, S. 345. In Preußen gab es zwar bereits im 18. Jahrhundert Regelungen des Postwesens (vgl. H.-J. Altmannsperger, a.a.O., S. 253), die hier aber außer Betracht bleiben sollen, weil sie sich nicht in die heutigen Konkretisierungsstufen staatlicher Normsetzung einordnen lassen. 64 Vgl. § § 1 , 5 des pr. Gesetzes über das Postwesen, pr. GS 1852, S. 345ff. 65 Vgl. § § 1 , 2 des Gesetzes über das Postwesen des Norddeutschen Bundes, BGBl. 1867, S. 61. 66 § 1 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reiches, RGBl. 1871, S. 347ff. 67 Dies liegt daran, daß erst das PostG 1969 (BGBl. 1969 I, S. 1006) das RPostG 1871 abgelöst hat. Hinzugekommen sind Postscheck- und Postsparkassendienst, weggefallen ist nunmehr aufgrund Art. 2 Nr. 1 des PostStruktG (BGBl. 1989 I, S. 1026ff.) der Postreisedienst gem. § 1 Nr. 3 PostG a.F. 68 F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 39. 69 Vgl. F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 40ff.; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 51 ff. 70 Die Zuordnung des Postsparkassendienstes zum Begriff des „Postwesens" in Art. 73 Nr. 7 GG wird abgelehnt von Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 79 und öfter, G. Feigenbutz, Die Bindungen des Post- und Fernmeldewesens an und durch das Rechtsinstitut der Gebühr, 1977, S. 71 ff.; offenge63
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
sich seine Existenz eher damit erklären, daß die Post schon immer auch solche Aufgaben wahrgenommen hat, die nicht als typische Post auf gaben anzusehen sind, wie z.B. die Annahme von Wechselprotesten. 71 Die Existenz des Postsparkassendienstes spricht demnach nicht gegen den Transport- und Übermittlungseffekt als wesentliches Kriterium des Begriffs „Postwesen". Eine Durchsicht der sich mit dem Postwesen befassenden Verfassungsbestimmungen des Norddeutschen Bundes, 72 der Reichsverfassung 187173 und der Weimarer Reichsverfassung 74 bestätigt diesen Befund. So legten Art. 48 Verf. NdBd bzw. der RV 1871 fest, daß das Post- und das Telegraphenwesen für das gesamte Gebiet des Norddeutschen Bunde bzw. des Deutschen Reichs als einheitliche Staatsverfce/irsanstalten eingerichtet und verwaltet werden sollten. Daraus wurde gefolgert, daß die Post eine Einrichtung zur Beförderung von Personen, Gütern und Nachrichten sei. 75 In den entsprechenden Vorschriften der Weimarer Reichs Verfassung (Art. 6 Nr. 7, Art. 88 WRV) wird zwar die Reichspost nicht mehr ausdrücklich als Staatsverkehrsanstalt bezeichnet. Es findet sich aber nirgends eine Stimme, die in dieser Änderung gegenüber dem Wortlaut des Art. 48 RV 1871 auch eine Abkehr von dem Verständnis der Post als einer Verkehrsanstalt erblickte. 76 Auch bei der Schaffung des Grundgesetzes ging man von dem Verständnis der Post als einer Verkehrsanstalt aus. Zwar ergeben sich weder aus dem Herlassen bei F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 55f., der aber zur Einordnung des Postsparkassendienstes in den Bereich der sonstigen Hoheitsverwaltung des Bundes tendiert. Α . Α . A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand Januar 1987, Vorbem. „Postbankdienst" Anm. 1. 2., der aber nicht begründet, worin beim Postsparkassendienst der Transport- und Übermittlungseffekt liegen soll. 71 F. Ossenbühly a.a.O., S. 43f.; ihm folgend U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 94f.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 77. Im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 55ff. 72 Pr. GS 1867, S. 817ff. 73 RGBl. 1871, S. 63ff. 74 RGBl. 1919, S. 1383ff. 75 Allerdings ist die engere Entstehungsgeschichte insoweit unergiebig, weil die Entstehungsmaterialien zu den Verfassungen des Norddeutschen Bundes bzw. der RV 1871 den Postbegriff nicht näher erläutern. Ihnen lag vielmehr bereits die Vorstellung einer Verkehrs- und Beförderungsanstalt zugrunde, so Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 41 mit umf. Nachw. in FN 81 ff. Aus damaliger Zeit bspw. A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1892, § 69, S. 415; A. Arndt, Verfassung des Deutschen Reichs, 5. Aufl. 1913, Vorbem. Art. 48, S. 232. 76 Vgl. Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 50; aus damaliger Zeit G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 88 Anm. 2; F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl. 1931, Art. 88 Anm. 2 m.w.Nachw.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG
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renchiemseer Entwurf noch aus den Materialien des Parlamentarischen Rates genaue Anhaltspunkte, welches Verständnis dem Begriff des „Postwesens" zugrundeliegen sollte. Immerhin knüpfte aber Art. 117 HChE als Vorgängernorm zu Art. 87 Abs. 1 GG deutlich an den Wortlaut von Art. 48 RV 1871 an, wenn er anordnete, daß das Post- und Fernmeldewesen als einheitliche Verkehrsanstalten des Bundes geführt werden sollten. Im Parlamentarischen Rat war Art. 117 bereits einstimmig angenommen worden, bis er später ohne Erörterung gestrichen wurde. Daraus läßt sich aber nun nicht etwa folgern, daß sich an der Transport- und Übermittlungsfunktion als Hauptaufgabe der Post etwas geändert hatte. Dagegen spricht bereits, daß die Streichung des Art. 117 ohne jegliche Erörterung erfolgte, nachdem man die Vorschrift bereits angenommen hatte. Bei einer Veränderung des dieser Vorschrift zugrundeliegenden Verständnisses von der Post als einer Verkehrsanstalt hätte es dagegen zu Diskussionen hierüber kommen müssen. Sehr viel wahrscheinlicher erscheint, daß Art. 117 schlicht als überflüssig erachtet und deshalb gestrichen wurde. Wesensbestimmend für den Begriff des „Postwesens" in Art. 73 Nr. 7 GG ist demnach der Transport- und Übermittlungseffekt. Diesen müssen neue Postdienste aufweisen, um zum Begriff des „Postwesens" in Art. 73 Nr. 7 GG gezählt werden zu können. Der Transport- und Übermittlungseffekt läßt sich, wie H. Redeker 77 anhand der einfachgesetzlichen Entwicklung im Bereich des Postwesens nachgewiesen hat, noch dahin präzisieren, daß im Laufe der Zeit der Transport und die Übermittlung verkörperter Mitteilungen Hauptaufgabe der Post geworden sind und mittlerweile einen gewissen Schwerpunkt bilden. Erstreckten sich Postregal und Postzwang Mitte des vorherigen Jahrhunderts auf die Beförderung von Personen, Sachen, Briefe, alle der Stempelsteuer unterliegenden Zeitungen und Anzeigeblätter, Pakete sowie Geld und andere Kostbarkeiten, so ist in § 2 Abs. 1 des zur Zeit gültigen PostG die Errichtung und der Betrieb von Beförderungseinrichtungen zur entgeltlichen Beförderung von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen oder sonstigen Nachrichten ausschließlich der Bundespost vorbehalten. Demgegenüber ist die Beförderung von Personen (Postreisedienst) mittlerweile ganz aufgegeben worden. 78 Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, daß das Postwesen durch den Transport- und Übermittlungseffekt gekennzeichnet ist, 79 wobei der 77
AaO, S. 77ff. § 1 Nr. 3 PostG (Postreisedienst) ist durch Art. 2 des PostStruktG 1989 (BGBl. 1989 I S. 1026ff.) ersatzlos gestrichen worden. 79 So bereits Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 17. EG Stand August 1979, Art. 87 Rdnr. 46 („technische Bewältigung des Nachrichten Verkehrs"); S. Broß, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 87 Rdnr. 14; A. Eidenmüller, a.a.O., Anm. 1. 2.; H. Redeker, a.a.O., S. 79; G. Feigenbutz, Die Bindung an und durch das 78
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Schwerpunkt zunehmend auf dem Transport und der Übermittlung verkörperter Mitteilungen liegt. 3. Entstehungsgeschichtliche Aspekte des Fernmeldewesens Die entstehungsgeschichtlichen Aspekte des Begriffs „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG sind in Literatur und Rechtsprechung bisher nur bruchstückhaft dargestellt worden. 80 Dies ist um so erstaunlicher, als das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, daß sich der Begriff des „Fernmeldewesens" hinreichend deutlich aus der historischen Entwicklung und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebe. 81 Dies bietet Anlaß genug, sich mit der Entstehungsgeschichte dieses Begriffs ausführlicher zu beschäftigen. Eine entstehungsgeschichtliche Untersuchung des Begriffs „Fernmeldewesen" kommt nicht ohne eine Untersuchung des Verhaltens der Vorgängerverwaltungen der Bundespost aus, da diese die Entwicklung des Fernmeldewesens maßgeblich beeinflußt haben. Damit eng verbunden ist die Entstehungsgeschichte des Fernmeldemonopols, da es, wie noch zu zeigen sein wird, immer das Bestreben der Fernmeldeverwaltungen war, sich möglichst weitgehende Alleinrechte zu verschaffen. Dabei erweist sich vor allem letzterer Punkt auch heute noch als von Interesse, da möglicherweise die Aktivitäten der Vorgängerverwaltungen der Bundespost dazu geführt haben, daß das Fernmeldemonopol eine verfassungsrechtliche Verfestigung erfahren hat. Das aber würde die Verfassungswidrigkeit seiner teilweisen Aufhebung durch das zum 1.7. 1989 in Kraft getretene Poststrukturgesetz bedeuten.
Institut der Gebühr, 1977, S. 71 ff. Vgl. ferner U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 98ff. 80 Zur Entstehungsgeschichte des Fernmeldeanlagenbegriffs äußert sich BVerfGE 46,120 (139ff.) auf drei Seiten. In der Literatur finden sich umfangreichere Ausführungen nur bei E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß diese Darstellung mittlerweile über 60 Jahre alt ist und außerdem die Ereignisse aus Sicht der Fernmeldeverwaltung darstellt. Leider fehlt in den neueren Untersuchungen von J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, und H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, ein entstehungsgeschichtlicher Überblick fast ganz. 81 Vgl. BVerfGE 12, 205 (226ff.); 28, 66 (85); 46, 120 (139).
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG
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a) Die Entstehung staatlicher Alleinrechte im Bereich der körperlosen Nachrichtenbeförderung aa) Formen der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung im Altertum; Weiterentwicklung zum Semaphor system Schon im Altertum wurden nicht nur Personen und Sachen von Ort zu Ort transportiert. Man bediente sich daneben bereits unmittelbar mit den Augen oder Ohren wahrnehmbarer Zeichen, wie z.B. Rauchzeichen, Trommeln, Trompeten, Signalfeuer etc. 82 Berühmt unter den Formen antiker Nachrichtenübermittlung waren die persischen Rufposten unter dem Perserkönig Xerxes. 83 Ein weiteres Anwendungsgebiet, um die beschleunigte Nachrichtenübermittlung gegenüber dem bloßen Transport verkörperter Mitteilungen zu ermöglichen, war die Verwendung von Flaggensignalen und Laternen in der Schiffahrt, insbesondere im Mittelalter. 84 Voraussetzung für die ausgedehntere Anwendung der Signalisierung von Nachrichten mittels optischer Signale wurde aber die Erfindung des Fernrohres, 85 mit dem man optische Signale auch auf größere Entfernungen ablesen konnte. Basierend auf dieser Erfindung setzten im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts Überlegungen ein, die optischen Übermittlungsmethoden des Altertums zu vervollkommnen. 86 Der einzige indes, der über theoretische Überlegungen hinausgelangte, war der Franzose Claude Chappe, der die praktische Verwendung seiner Erfindung wohl der damaligen politischen Situation Frankreichs zu verdanken hatte, die das Land zwang, seine Verkehrsmittel zu perfektionieren. 87 Das von ihm erdachte Übermittlungssystem wurde 1794 mit der Meldung der Eroberung von le Quesnoy zwischen Paris und Lille erstmalig in Dienst gestellt. Auf diese Strecke (Länge 225 km) waren 21 Übermittlungsstationen verteilt. 88 Die einzelne Übermittlungsstation bestand aus 82 Vgl. V. Aschoff, ntz Bd. 30 (1977), S. 23ff.; G. Korella, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 100; G. North, ebda, S. 6 (13f.); / . Bruns, Die Télégraphié in ihrer Entwickelung und Bedeutung, 1907, S. l f . ; L. F. W. Rother, Der Telegraphenbau, 1865, S. 1. 83 Näher zu ihnen V. Aschoff, ntz Bd. 30 (1977), S. 451 ff. 84 G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 189 f. 85 L. F. W. Rother, a.a.O., S. 2; G. Schöttle, a.a.O., S. 176. 86 Näher hierzu H. Drogge, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1982, S. 5ff.; G. Schöttle, a.a.O., S. 176ff. 87 L. F. W. Rother, a.a.O., S. 2; G. Schöttle, a.a.O., S. 179. W. Korella, a.a.O., S. 100, führte die Perfektionierung der optischen Übermittlungssysteme auf die Anforderung nach Übermittlung beliebigen Textes zurück. Aber das konnten auch schon viele antiken Übermittlungssysteme, vgl. n u r / . Bruns, a.a.O., S. 2. 88 Α. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 22; V. Aschoff, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1979, S. 66; G. North, a.a.O., S. 14;/. Bruns, a.a.O., S. 2; G. Schöttle, a.a.O., S. 180ff.
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einem Mast auf dem Dach eines Hauses, an dessen Spitze ein zweiarmiger Hebel angebracht war. A n den beiden Enden befand sich je ein einarmiger Flügel. Die beweglichen Teile konnten von einem Stationszimmer aus in jede beliebige Stellung gebracht werden 89 und ermöglichten so die Darstellung von 49 verschiedenen Zeichen. 90 In ca. 10 km Entfernung befand sich die nächste Station, in welcher der sich dort befindende Beobachter mittels Fernglases die Stellung der Flügel ablas und seinerseits die Flügel so einstellte, wie er sie erkannt hatte. Die nächste Station verfuhr dann ebenso, bis die Nachricht ihren Zielort erreicht hatte. 91 In der Folgezeit wurden mehrere solcher Linien in Frankreich angelegt, 92 während die Anbindung Deutschlands an dieses Netz erst 1813 mittels Errichtung einer Linie von Mainz nach Metz erfolgte. 93 Ursächlich für diese Anbindung waren wiederum militärische Gründe. Napoleon wollte in den Schlachten gegen Zar Alexander I. von Rußland, Kaiser Franz II. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit Hilfe dieser Nachrichtenlinie die Beschleunigung des Nachrichtenflusses von und nach Paris erreichen. Die Niederlagen Napoleons konnte diese Linie indessen nicht verhindern. In der Neujahrsnacht 1813/14 setzte Marschall Blücher bei Kaub über den Rhein und Mitte Januar 1814 fiel die Nachrichtenlinie in die Hände von Napoleons Gegnern. Das warf diese Art der Nachrichtenübermittlung weit zurück, da sie von den Siegern nicht weiterbenutzt wurde und deshalb in kurzer Zeit verfiel. 94 So dauerte es bis 1832, bis dieses Übermittlungssystem (in verbesserter Form) in Preußen Eingang fand. Zwischen 1832 und 1834 wurde eine Übermittlungslinie mit 61 Stationen von Koblenz über Köln nach Berlin entsprechend den Vorschlägen des Geheimen Postrats Pistor errichtet 95 und von Militärbeamten unter dem Oberbefehl von Major O'Etzel betrieben. 96 Sie sollte vor allem Nachrichten über den damals sehr unruhigen Nachbarn Frankreich nach Berlin befördern. 97 Infolge der hohen Kosten für ihren Betrieb waren nur staatliche Depeschen zugelassen;98 private Mitteilungen wurden nicht befördert. 89
Abbildung des Chappe'schen „Telegraphen" bei V. Aschoff, a.a.O., S. 66 (67). G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 180 FN 1. J. Bruns, a.a.O., S. 2, gibt sogar 196 verschiedene Zeichen an. 91 Vgl. G. Schöttle, a.a.O., S. 180. 92 Übersicht bei V. Aschoff, a.a.O., S. 66 (68). 93 Vgl. A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 22; G. Korella, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 100; früher bereits G. Sautter, ArchPT 1901, 731 ff. 94 G. North, a.a.O., S. 6(14). 95 Näher H. Drogge, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1982, S. 5 (17). 96 Vgl. A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 22; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 6 (14); J. Bruns, Die Télégraphié in ihrer Entwickelung und Bedeutung, 1907, S. 2; G. Sautter, ArchPT 1901, S. 731 (736). 97 G. Korella, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 100 (101). 90
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Dies änderte sich erst aufgrund einer Kabinettsordre vom 31. 3. 1849, mit der zugleich das Telegraphenwesen aus dem Ressort des Kriegsministeriums gelöst und dem Generalpostamt, welches damals eine Abteilung des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten war, unterstellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte aber die elektrische Télégraphié bereits ihren Siegeszug angetreten, weil sie nicht mehr die Nachteile der optischen Übermittlungssysteme wie Wetterabhängigkeit sowie langsame Übermittlungsgeschwindigkeit aufwies. 99 Sie verurteilte die optische „Télégraphié" ab ca. 1845 sehr bald zur Bedeutungslosigkeit. bb) Die elektrische Télégraphié α) Von theoretischen Überlegungen bis zur Einführung der elektrischen Télégraphié als Verkehrsmittel Schon lange vor der ersten Indienststellung der optischen Signalanlagen gab es Überlegungen, sich der - bis dahin aber nur höchst ansatzweise bekannten - Elektrizität auch zur Übermittlung von Nachrichten zu bedienen. 100 Diese Überlegungen blieben aber lange Zeit reine Theorie. Erst infolge neuer Erfindungen zur Erzeugung elektrischen Stroms (bspw. die Voltaische Säule) glückten im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auch erste Versuche der Übermittlung von Zeichen mit Hilfe des elektrischen Stroms. Stellvertretend für solche Versuche steht der Sömmering'sche Gastelegraph, 101 der um 1809 entstand. 102 Aber auch hier blieb es bei einzelnen praktischen Versuchen, da zum einen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, Drähte über längere Strekken zu isolieren. Zum anderen war die Zahl der Drähte, die der Sömmeringsche Apparat benötigte, zu groß. 103 Spätere Versuche, durch Verringerung der Zahl der Drähte die praktische Verwendbarkeit dieser Apparatur herbeizuführen, wurden durch die Entdekkung der Wechselwirkung zwischen Galvanismus und Magnetismus durch Oerstedt 1819 gegenstandslos.104 Theoretische Vorschläge, sich diese Wech98
J. Bruns, a.a.O., S. 3; G. Sautter , a.a.O., S. 736. L. F. W. Rother, Der Telegraphenbau, 1865, S. 6. 100 vgl. Noebels, ArchPT 1888, 732 (735); Κ Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 25 m. Nachw. in FN 1. 99
101 Die Bezeichnung Gastelegraph ist irreführend. Sömmering benutzte die durch eine Voltaische Säule verursachte elektrochemische Zersetzung des Wassers in seine Bestandteile entstehenden Gasbläschen zur Zeichengebung. 102 Ausführlich Noebels, ArchPT 1888, 732 (735ff.); vgl. auch K. Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 21 und dort FN 11 sowie J. Bruns, Die Télégraphié in ihrer Entwickelung und Bedeutung, 1907, S. 4. 103 Vgl. Noebels, a.a.O., S. 737. 1 04 Vgl. J. Kniestedt, APF 1989, 41 (42).
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sel Wirkung für die Zeichengebung zunutze zu machen, gab es ab 1820; 105 der erste erfolgreiche Versuch gelang 1833 den Professoren Gauß und Weber in Göttingen. 106 Zur allgemeinen Einführung in die Praxis eignete sich ihre Konstruktion wegen ihrer Größe nicht; das zugrundeliegende Prinzip (Ausschlag einer Zeigernadel) fand durch Wheatstone/Cooke aber schon wenig später als Zeigertelegraph Eingang bei den englischen Eisenbahngesellschaften 107 und gelangte um 1842 zurück nach Deutschland. 108 Den Nachteil des Zeigertelegraphen, die fehlende Aufzeichnungsmöglichkeit der gegebenen Zeichen, beseitigte Samuel Morse, 109 dem es 1837 gelang, die Bewegungen der ausschlagenden Zeigernadel auf einem vorbeigeführten Papierstreifen festzuhalten. 110 Er stellte ferner eine Strich-Punkt-Schrift auf, die (nach Modifikation durch F. C. Gerke) noch heute gebräuchlich ist. 1 1 1 Aufgrund seiner Erfindung gab es in Amerika, woher Morse stammte, 1845 bereits Telegraphenlinien von 1455 km Länge. 112 Die erste Inbetriebnahme eines elektrischen Telegraphen in Deutschland erfolgte 1843 zwischen Aachen und Ronheide anläßlich des Baus einer Eisenbahnlinie von Aachen nach Antwerpen; 113 die erste dem allgemeinen Verkehr zugängliche 114 Telegraphenanlage entstand 1847 zwischen Bremen und Bremerhaven und wurde von einer privaten Gesellschaft erbaut und betrieben. 115 Ab 1849 waren dann auch die preußischen Staatstelegraphen dem allgemeinen Verkehr zugänglich. 116 Gleichzeitig wurden sie durch die bereits erwähnte Kabinettsordre vom 31. 3. 1849 in das Ministerium für Handel und Gewerbe 105
Insbes. durch den Franzosen Ampère. Λ. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 22; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 6 (14); Noebels, a.a.O., 740 ff; K. Knies, a.a.O., S. 22. 107 Vgl. V. Aschoff, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1979, S. 66 (73), sowie Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 9. io» Vgl. Noebels, ArchPT 1888, 762 (766f.). 109 A. Eidenmüller, a.a.O., S. 23; Noebels, a.a.O., S. 768ff. 110 Steinheil, dem dies wohl als erstem gelungen war, entwickelte seine Erfindung im Gegensatz zu Morse nicht weiter. 111 Insbes. im See- und Amateurfunkdienst. 112 Noebels, a.a.O., 762 (769). Κ Knies, a.a.O., S. 115 gibt für das Jahr 1846 1224 englische Meilen an. 1847 waren es bereits 1659 englische Meilen, so Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 10. 113 V. Aschoff, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1979, S. 66 (73), und damit nicht, wie häufig zu lesen ist, auf der Taunusbahn, auf der eine Telegraphenleitung erst 1845 angelegt wurde. 114 Vorher errichtete Linien waren solche von Eisenbahngesellschaften, die deren innerem Betriebsdienst dienten. 115 V. Aschoff, a.a.O., S. 74f.; F. Thole, APF 1950, 50 (51); Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. lOf. 116 Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 29f., dort auch näheres zu den Benutzungsbedingungen. 106
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eingeordnet und in der Folgezeit gegen den entschiedenen Widerstand der Militärs von zivilen Beamten betrieben. 117 ß) Vereinzelte rechtliche Regelungen der elektrischen Télégraphié bei fortschreitender technischer Entwicklung derselben Alle bis dahin entwickelten Formen der elektrischen Télégraphié hatten u.a. den Nachteil, daß sie in der Herstellung und Unterhaltung sehr teuer waren. 118 Dies hatte zur Konsequenz, daß größere private Telegraphenanlagen mit Ausnahme derjenigen der Eisenbahngesellschaften nicht entstanden. 1 1 9 Infolgedessen bestand seitens der Exekutive in den deutschen Partikularstaaten auch kein Handlungsbedarf bezüglich einer Monopolisierung des Telegraphenwesens. Hinzu kam, daß die größeren Partikularstaaten die Benutzung ihrer Telegraphenlinien zu vergleichsweise mäßigen Gebühren ermöglichten, 120 was die Errichtung privater Telegraphenlinien finanziell unattraktiv machte. αα) Gesetze und Gesetzesvorhaben in den deutschen Partikularstaaten Anders verhielt es sich lediglich im Königreich Sachsen. Dort erging am 21. 9. 1855 ein Gesetz, 121 in welchem die Anlegung von elektromagnetischen Telegraphen von der ausdrücklichen Genehmigung der Minister des Innern und der Finanzen abhängig gemacht wurde (§ 1). Die konzessionierten Telegraphen waren einer besonderen staatlichen Aufsicht unterworfen (§ 4). Verstöße gegen die Konzessionsbestimmungen waren gem. § 3 strafbar. 122 Seinem Umfang nach beschränkte sich dieses Gesetz auf elektromagnetische Telegraphen. Dies erwies sich aber angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung sehr bald als nachteilig 123 und wurde später als Beleg dafür angeführt, staatliche Regelungen nicht auf bestimmte Übertragungsformen zu beschränken. 117 Vgl. näher Η. A. Wessel, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1979, S. 86ff.; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 6 (14); G. Korella, ebda, S. 102, sowie bereits Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 34ff. us W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (108). 119 Neben der bereits erwähnten Linie von Bremen nach Bremerhaven gab es nur noch eine Linie von Hamburg nach Cuxhaven, hierzu V. Aschoff, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1979, S. 66 (75ff.); W. Ludewig, a.a.O., S. 109; K. Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 259. 120 Die kleineren Partikularstaaten unterhielten wegen der hohen Kosten keine eigenen Linien. 121 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 18. Stück 1855. 122 Geldbuße von 100 Talern oder entsprechende Gefängnisstrafe. 123 Vgl. J. Ludewig, Die Télégraphié, 1872, S. 17.
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In Preußen gelangte im gleichen Jahr ein Gesetzentwurf, der das Telegraphenwesen zugunsten des Staates monopolisieren sollte, zur Beratung in die gesetzgebenden Körperschaften. 124 Begründet wurde dieser Gesetzentwurf zum einen mit der Erforderlichkeit der Überwachung des telegraphischen Verkehrs in Bezug auf Politik und unlautere Börsenmanöver. Zum anderen befürchtete man durch einen unkontrollierten Telegraphenbetrieb finanzielle Einbußen im Postwesen.125 Nicht ganz deutlich war der Umfang des Anwendungsbereichs des Entwurfs. Während der Entwurf selbst von „Telegraphenanstalten" sprach, ließ die Begründung erkennen, daß nur die elektrische Télégraphié erf aßt sein sollte. 126 Zu einer Klärung dieser Frage kam es aber nicht, da der Entwurf keine Gesetzeskraft erlangte. Ursächlich hierfür war die Überzeugung, daß die Überwachung des telegraphischen Verkehrs kein geeignetes Instrumentarium zur Verhinderung unlauterer Börsenmanöver oder unerwünschter politischer Aktivitäten sei, da die Möglichkeit bestünde, diese Überwachung mittels verschlüsselter Meldungen ohne weiteres zu umgehen. Allein die Möglichkeit finanzieller Verluste im Postwesen erachtete man als nicht ausreichend, Private von der Befugnis zur Errichtung und Betrieb von Telegraphenanlagen „auf alle Zeiten" auszuschließen.127 In der Folgezeit vertraute daher Preußen wie alle anderen deutschen Staaten 1 2 8 mit der oben erwähnten Ausnahme Sachsens darauf, durch möglichst günstige Bedingungen für die allgemeine Nutzung des staatlichen Telegraphenbetriebs sowie durch Versagung der polizeilichen Erlaubnis zur Überführung von Leitungen über öffentliche Wege tatsächlich jeden privaten Betrieb von Telegraphenanlagen unterbinden zu können. 129 Später ging man dazu über, ein Monopol zu beanspruchen, soweit die Télégraphié dem allgemeinen Verkehr diente, obwohl es keine rechtliche Grundlage hierfür gab. 130 Trotzdem beschäftigten juristische Probleme im Zusammenhang mit der Télégraphié nach 1855 für längere Zeit nur die Zivilrechtler. 131 124 Vgl. L G Berlin I, AöR Bd. 6 (1891), S. 535 (553) m.w.Nachw.; näher zu ihm G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 21; Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 47ff. 125 Vgl. Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 48. Ein auch heute noch aktuelles Argument, vgl. BVerfGE 28, 66ff. 126 Vgl. Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 48. 127 Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 48 f. 128 Elsaß-Lothringen, in welchem ebenfalls ein Alleinrecht zugunsten des Staates bestand, gehörte zum damaligen Zeitraum zu Frankreich. 1 29 Vgl. J. Ludewig, Die Télégraphié, 1872, S. 19f.; W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (108). no Reyscher, der als erster eine Regalität der Télégraphié behauptete, (in: Zeitschrift für deutsches Recht Bd. 19 (1859), S. 271 (284)), folgerte diese nicht aus gesetzlichen Regelungen, sondern ausschließlich aus der bisherigen Praxis des Staates, die auf einem Regal beruhen müsse.
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ßß) Technische Weiterentwicklungen In technischer Hinsicht wiesen die Telegraphieformen um 1850 die Nachteile auf, daß zum einen ihre Übermittlungsgeschwindigkeiten relativ gering waren. Zum anderen konnten sie nur durch ausgebildetes Personal bedient werden. 132 Die technische Entwicklung ging infolgedessen dahin, die Übermittlungsgeschwindigkeit der Zeichen zu erhöhen und die Bedienbarkeit der Telegraphenanlagen zu erleichtern. So entstand 1855 der Typendrucktelegraph. 133 Er hatte den Vorzug, daß er die empfangene Nachricht unter Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit im Klartext wiedergeben konnte. Technische Probleme zögerten aber seine allgemeine Einführung in Preußen bis 1866 hinaus. 134 Schon seit längerem überlegte man außerdem, ob es nicht möglich sei, auch die menschliche Sprache mit Hilfe des elektrischen Stroms zu übertragen. 135 Der erste, der über theoretische Überlegungen hinausgelangte, war Philipp Reis im Jahre I860. 1 3 6 Der von ihm erfundene Fernsprecher diente jedoch lediglich als Demonstrationsobjekt für physikalische Versuche, so daß seine Erfindung zunächst wieder in Vergessenheit geriet. Es sollte dann Graham Bell vorbehalten bleiben, durch seine Anmeldung des Telefons zum Patent 1876 zwei Stunden vor Elisha Gray diesem Verständigungsmittel zu seinem weltweiten Siegeszug zu verhelfen. γ) Auswirkungen der politischen und militärischen Ereignisse in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts auf die Zuständigkeiten für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung Die militärischen und politischen Ereignisse in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts blieben nicht ohne Auswirkungen auf das Telegraphenwesen. Schon seit 1849 hatte es in Preußen permanente Streitigkeiten zwischen 131
Vgl. bspw. F. B. Busch, AcP Bd. 45 (1862), S. Iff. m.w.Nachw.; Mittermaier, AcP Bd. 46 (1863), S. Iff.; ders., AcP Bd. 47 (1864), S. 214ff. 132 Auch dies ein Grund, der das Entstehen privater Telegraphengesellschaften verhinderte. 133 Auf ihn dürfte der Fernschreiber zurückzuführen sein. Erfinder war David Hughes. 134 Vgl. W. Klein, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1978, S. 91 ff.; A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 23; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 6 (14). 135 Als erster Charles Bourseul. 136 E. Horstmann, 75 Jahre Fernsprecher in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 27 ff; G. Basse, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1981, S. 124 (125). Zur Geschichte des Telefons vgl. ferner A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbankund Fernmeldewesens, 1983, S. 24; J. Bruns, Die Télégraphié in ihrer Entwickelung und Bedeutung, 1907, S. 45ff. ; J. Jung, Entwickelung des deutschen Post- und Telegraphenwesens in den letzten 25 Jahren, 1893, S. 80ff.
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dem Handels- und dem Kriegsministerium um die Zuständigkeit für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung gegeben, weil das Kriegsministerium die elektrische Télégraphié mit dem Argument für sich beanspruchte, daß eine moderne Kriegsführung ohne die uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit des Militärs über die schnellen Nachrichtenmittel undenkbar sei. 137 Die Entstehung des Norddeutschen Bundes nach dem gewonnenen Krieg Preußens gegen Österreich 1866 führte schließlich zur Gründung einer einheitlichen Telegraphenverwaltung des Norddeutschen Bundes, die zwar in den Händen der preußischen Regierung verblieb, aber aus dem Ressort des Ministers für Handel und Gewerbe ausgegliedert und unter Umbenennung der Direktion in eine Generaldirektion für das Telegraphenwesen dem Bundeskanzleramt als Abteilung I I unterstellt wurde. 1 3 8 Gleiches geschah mit dem Postwesen, welches als Abteilung I unter Umbenennung in ein Generalpostamt nunmehr ebenfalls dem Bundeskanzleramt unterstand. Damit war das Telegraphenwesen vom Postwesen getrennt, was sich finanziell sehr bald nachteilig bemerkbar machen sollte. 139 Die fehlende finanzielle Unterstützung des Verlustgeschäfts Télégraphié 140 durch die Einnahmen aus dem Postwesen erschwerte die notwendige Ausdehnung und Verdichtung sowie die technische Erneuerung der Telegraphenanlagen immer mehr, so daß bald nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 Überlegungen einsetzten, das chronische Defizit im Telegraphenwesen durch eine Zusammenfassung von Post und Télégraphié zu beseitigen. Der Zufall begünstigte diese Überlegungen, als 1875 der Leiter der Telegraphenverwaltung Generalmajor v. Meydam plötzlich verstarb. Damit konnte das Militär der Zusammenführung von Post und Télégraphié vorübergehend keinen personellen Widerstand mehr entgegensetzen. In diesem Zeitraum wurden Post- und Telegraphenwesen mit Unterstützung von Bismarck gegen den Willen des Kaisers 141 vereinigt und Η. v. Stephan, der bereits die Postverwaltung leitete, unter Ernennung zum Generalpostmeister 1876 die Gesamtleitung der Reichspost- und -telegraphenverwaltung (RPTV) übertragen. Ein Erlaß vom 23. 2. 1880 brachte der RPTV die Erhebung zum Reichspostamt und damit die Gleichstellung mit anderen Reichsämtern. „Die Post" war in die Reihe der klassischen Verwaltungen eingerückt. 142 137 Ausführlich hierzu H. A. Wessel, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/ 1979, S. 94. 138 H. A. Wessel, a.a.O., S. 94; A. Eidenmüller, Post und Politik, 1985, S. 20. 139 G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1974, S. 6 (16); H. A. Wessel, a.a.O., S. 94; Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 69. 140 Ausführliche Darstellung der Einnahmen und Ausgaben bei K. Schubel, APF 1968, 365 (408ff.). Vgl. auch G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 323. Aus seiner Aufstellung ergibt sich, daß ab 1868 die Ausgaben der Telegraphenbetriebs die Einnahmen überstiegen. 141 Und zugleich König von Preußen. 142 A. Eidenmüller, Post und Politik, 1985, S. 21.
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δ) Das Telefon als umkämpfte Lösung der finanziellen Probleme der RPTV im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung Neben der Bildung der Reichspost- und -telegraphenverwaltung (RPTV) sollte ab 1877 vor allem das Telefon maßgeblich zum Abbau des Defizits und zur Erwirtschaftung hoher Einnahmen beitragen. Im Gegensatz zur Einrichtung von Telegraphenstationen waren Telefone geradezu spottbillig. Während sich die Kosten zur Einrichtung einer Telegraphenstation auf 600 - 700 R M beliefen, kostete ein Fernsprechapparat gerade 5 R M . 1 4 3 Als zusätzlicher Vorteil des Fernsprechers kam hinzu, daß die kostspielige Ausbildung des Personals sowohl im Telegraphieren als auch im Behandeln der Apparate und Batterien wegfiel. 144 Es lag daher nahe, sich dieser neuen Kommunikationsart zu bedienen, um zum einen die Ausdehnung des Telegraphennetzes auf das Land voranzutreiben, zum anderen aber auch, das mit wirtschaftlichen Verlusten arbeitende Telegraphenwesen zu sanieren. 145 Vor diesem Hintergrund ließ H. v. Stephan ab 25. 10. 1877 mit den ersten Bell'schen Apparaten, die überhaupt nach Europa gelangt waren, Versuche durchführen, die so erfolgreich verliefen, daß bereits 4 Wochen später die Indienststellung des Fernsprechers in den praktischen Fernmeldeverkehr erfolgte. 146 Den Nachteil, daß sich Fernsprechverbindungen zu dieser Zeit nur über eine Distanz von wenigen Kilometern aufbauen ließen, umging man zunächst dadurch, daß man Fernsprechverbindungen zu Telegraphenstationen errichtete und den zu übermittelnden Text zur Telegraphenstation durchsprach, von wo er dann über längere Distanzen weitertelegraphiert werden konnte. 1 4 7 A b 1880 wurde der Fernsprecher dann zu seinem eigentlichen Zweck, der Führung von Gesprächen, eingesetzt. 148 Trotzdem verlief die Einführung des neuen Kommunikationsmittels zunächst nur schleppend. 149 Das änderte sich aber rasch, nachdem die ersten Stadt-Fernsprechleitungen (ab 1881) in Betrieb genommen und ab 1882 auch erste Verbindungsleitungen von Ort zu Ort errichtet worden waren. Bis 1889 ergaben sich sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Verkehrszahlen Zuwachsraten von 30% und mehr gegenüber dem jeweiligen Vorjahr. 1 5 0 "3 Vgl. K. Schubel, APF 1968, 365 (414). E. Horstmann, 75 Jahre Fernsprecher in Deutschland 1877-1952, 1952, S. 141; K. Schubel, a.a.O., S. 414; J. Bruns, Die Télégraphié in ihrer Entwickelung und Bedeutung, 1907, S. 47; / . Jung, Entwickelung des deutschen Post- und Telegraphenwesens in den letzten 25 Jahren, 1893, S. 83. Vgl. K. Schubel, a.a.O., S. 418 und 420ff. 146 E. Horstmann, a.a.O., S. 141; A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbankund Fernmeldewesens, 1983, S. 24; G. Basse, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1981, S. 124 (127), datiert die Einführung auf den 12. 11. 1877. 147 Denkschrift 50 Jahre elektrischer Télégraphié, 1899, S. 81. 148 Κ. Schubel, a.a.O., S. 418. 149 Vgl. E. Horstmann, a.a.O., S. 143; G. Basse, a.a.O., S. 128; J. Bruns, a.a.O., S. 46f. 150 K. Schubel, a.a.O., S. 420. 144
11 Köbele
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Danach flachten die Zuwachsraten zwar ab, lagen aber weiterhin erheblich über den Ergebnissen der Dienstzweige Post u n d T é l é g r a p h i é . 1 5 1 α α ) D i e Verhinderung der Errichtung privater Fernsprechanstalten durch das Innenministerium und die R P T V Es lag nahe, daß die soeben skizzierte E n t w i c k l u n g des Telefons private Unternehmer auf den Plan rief, die i m Fernsprechwesen die Möglichkeit sahen, sich einen gewinnbringenden Erwerbszweig zu erschließen. Bereits 1880 gab es Anfragen an die R P T V bezüglich der Zulässigkeit der Errichtung von Privatfernsprechanstalten. H . v. Stephan lehnte aber derartige A n s i n n e n stets m i t der Begründung ab, daß eine Genehmigung verfassungsgemäß nicht erteilt werden könne; vielmehr müsse sich die R P T V vorbehalten, die Ausführung und den Betrieb derartiger A n l a g e n ihrerseits i n die H a n d zu n e h m e n . 1 5 2 H i e r m i t korrespondierend erging seitens des Innenministeriums noch 1880 ein Runderlaß, i n dem die nachgeordneten Behörden angewiesen wurden, gegen Telegraphenanstalten, die nicht v o n der R P T V betrieben oder von ihr genehmigt waren, m i t polizeilichen M i t t e l n einzuschreiten. 1 5 3 E i n weiterer Runder151 Wenn man berücksichtigt, daß auch das Postwesen in diesem Zeitraum erhebliche Überschüsse erwirtschaftete, kann man ermessen, welche Verdienstmöglichkeiten das Fernsprechwesen auch nach 1889 bot. 152 Vgl. E. Horstmann, a.a.O., S. 288; G. North, Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 1/1982, S. 107 (116); Ν. N., 40 Jahre Fernsprecher, ArchPT 1919, 72 ff. Ferner sei auf die Vorgänge aus dem Jahr 1883, abgedruckt im Centraiblatt für Elektrotechnik Bd. 5 (1883), S. 557f., 633f. und 777ff. hingewiesen. 153 Der Runderlaß hatte folgenden Inhalt: „Nach Art. 48 der Reichsverfassung soll das Telegraphenwesen für den gesamten Umfang des Deutschen Bundes als einheitliche Staatsverkehrsanstalt eingerichtet werden. Unter den Begriff der Telegraphen im Sinne jener Bestimmung fallen auch die Fernsprech-(Telephon-) Anlagen. Es kann daher der Einrichtung und dem Betriebe von Fernsprech-(Telephon-) Verbindungen als Verkehrsanstalten durch Andere, als die Reichs-Telegraphenverwaltung oder Diejenigen, welchen die Anlage und der Betrieb von Telegraphenlinien für bestimmte Strecken gestattet ist, im polizeilichen Wege entgegengetreten werden. Mit Rücksicht auf die Nachtheile, welche aus derartigen Verkehrsanstalten, wenn sie ohne staatliche Kontrole bestehen, dem Gemeinwohle und den staatlichen Interessen erwachsen können, veranlasse ich die Königlichen Regierungen und die Königlichen Landdrosteien, von der gedachten polizeilichen Befugniß im vollen Umfange Gebrauch zu machen und die nachgeordneten Polizeibehörden mit entsprechender Anweisung zu versehen." (Ministerialblatt für die gesammte innere Verwaltung in den königlich preußischen Staaten, Bd. 41 (1880), S. 305 - Hervorhebung im Original). Zu Unrecht geht Herb. Krüger, Der Rundfunk im Verfassungsgefüge und in der Verwaltungsordnung von Bund und Ländern, 1960, S. 23ff., davon aus, daß die Beanspruchung des Telegraphenwesens aus Sicherheitsgründen erfolgt sei. Diese spielten nach der Entstehung der RPTV und der damit verbundenen Zurückdrängung der Militärs nach Gründung des Reiches 1871 bis in die Weimarer Republik keine große Rolle mehr.
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laß folgte 1882, in welchem näher definiert wurde, wann eine Telegraphenanlage den Charakter einer Verkehrsanstalt habe und damit dem nach Ansicht der Reichsverwaltung vorhandenen Telegraphenregal unterfiel. 154 Nur für solche Telegraphenanlagen, die innerhalb eines Grundstücks angelegt wurden, wurde eine Genehmigung nicht für notwendig erachtet. Sobald aber eine Anlage die Grundstücksgrenze überschritt, sollte sie genehmigungsbedürftig sein, und zwar auch dann, wenn sie zwei Grundstücke des gleichen „Besitzers" (gemeint war wohl „Eigentümers") miteinander verband. 155 ßß) Die ablehnende Haltung der RPTV gegenüber städtischen und gemeindlichen Fernsprechanstalten Nicht nur private Unternehmer, sondern auch die Städte und Gemeinden erkannten die Chance, nicht länger auf ihre Anschließung an das Leitungsnetz der Reichstelegraphenverwaltung warten zu müssen, und sich zugleich eine gute Einnahmequelle zu erschließen. Exemplarisch hierfür ist der Fall der Stadt Mainz. 1 5 6 Dort hatte die Bürgermeisterei eine Ausarbeitung von Bedingungen, unter welchen die Herstellung (!) von Fernsprechleitungen durch Privatpersonen zulässig sein sollte, der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt. In diesen Bedingungen war der Passus enthalten, daß eine Genehmigung erst nach Abgabe einer Ein Verständniserklärung der RPTV erteilt werde. Dieser Passus wurde von der juristischen Kommission der Stadtverordnetenversammlung beanstandet, woraufhin die Stadtverordnetenversammlung die Streichung dieses Passus beschloß. Das führte zu einer Intervention der Oberpostdirektion Darmstadt beim Ministerium des Innern und der Justiz. Dieses wies seinerseits den Kreisrat an, den Beschluß der Stadtverordnetenversammlung zu „inhibieren", was dieser ohne Angaben von Gründen tat. ε) Das Telefon als Auslöser des Streits um staatliche Alleinrechte im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenbeförderung Es fragt sich, welche Rechtsgrundlage das rigorose Vorgehen der RPTV in der Zeit vor Erlaß des Telegraphengesetzes 1892 rechtfertigen konnte. Exakt diese Frage löste den ersten großen Rechtsstreit im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung seit ihrer Entstehung überhaupt aus.
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Vgl. Ministerialblatt für die königlich preußischen Staaten Bd. 43 (1882), S. 170. Interessant ist, daß das spätere Telegraphengesetz eine dem Runderlaß von 1882 ähnliche Struktur aufweist. 156 Wiedergegeben bei Horch, AöR Bd. 6 (1891), S. 138ff. 155
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αα) Befürworter eines aus Art. 48 RV 1871 abgeleiteten staatlichen Alleinrechts für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung Vereinzelt wurde vertreten, daß sich ein ausschließliches Recht der RPTV, Telegraphen zu errichten und zu betreiben, aus Art. 48 Abs. 1 RV 1871 157 ergebe. 158 Zur Begründung wurden Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm herangezogen. So führte O. Dambach aus, daß das Telegraphenwesen in Deutschland deshalb zum Regal erhoben sei, weil es als Staßtaverkehrsanstalt einheitlich eingerichtet und verwaltet werden solle. 159 W. Ludewig versuchte aus der Entstehungsgeschichte des Art. 48 die Existenz eines (beschränkten) Regals zu belegen. 160 In den Verhandlungen zur Verfassung des Norddeutschen Bundes sei ein Antrag von Abgeordneten auf Aufhebung des Telegraphenmonopols zurückgewiesen worden. Es habe daher wahrscheinlich in der Absicht der gesetzgebenden Faktoren gelegen, das Regal durch Art. 48 Verf. NdBd zu legalisieren. Der Gegenbeweis könne dann nur dergestalt geführt werden, daß die Worte dieses Artikels den vom Gesetzgeber vermutlich untergelegten Sinn nicht haben könnten. Das aber habe die Gegenansicht bisher nicht getan. Andere Autoren verwiesen demgegenüber nur darauf, daß es das öffentliche Interesse erfordere, die Telegraphenanstalten als Staatsanstalten zu behandeln und die Regalität wie bei der Briefpost auch auf diese zu erstrekken, 1 6 1 ohne aber näher zu erläutern, warum gerade die Monopolisierung der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung im öffentlichen Interesse liege.
157 „Das Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet des Deutschen Reichs als einheitliche Staatsverkehranstalten eingerichtet und verwaltet". 158 O. Dambach, Der Gerichtssaal, Bd. 23 (1871), S. 241 (248); J. C. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, Bd. I I , 6. Aufl. 1885, S. 522; P. Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I I , 1883, S. 17 (ohne Begründung); W. Ludewig, Z G H R , Bd. 31 (1885), S. 63 (107ff.). Der Aufsatz von Reyscher (Zeitschrift für deutsches Recht, Bd. 19 (1859), S. 271 (284ff.) konnte zur Frage eines Regals aus Art. 48 RV noch nichts sagen. Die Praxis, daß zu seiner Zeit (1859) Telegraphen ausschließlich vom Staat betrieben wurden, beruhte nicht, wie er annahm, auf einem Regal, sondern lag an den enormen Errichtungskosten von Telegraphenanlagen, die Private i. a. nicht aufbringen konnten. Unentschieden P. D. Fischer, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege Bd. 1 (1871), S. 409 (440f.: „faktisch vorhandenes Telegraphenregal"); G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 262ff. 159 O. Dambach, a.a.O., S. 241 (248); ebenso W. Ludewig, a.a.O., S. 112. 160 w. Ludewig, a.a.O., S. 110.
161 J. C. Bluntschli, a.a.O., S. 522. Interessanterweise gab es zu diesem Zeitpunkt keine Regalität der Post. Der Postzwang umfaßte nicht die unentgeltliche Beförderung von Briefen innerhalb des gleichen Ortes. Daraus könnte man folgern, daß J. C. Bluntschli nur für ein auf den Fernverkehr beschränktes Regal eintrat.
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ßß) Gegner eines aus Art. 48 R V 1871 abgeleiteten staatlichen Alleinrechts für die unkörperliche Nachrichtenübermittlung Die weit überwiegende Ansicht lehnte dagegen ein Telegraphenregal aus Art. 48 RV 1871 ab. 1 6 2 Tragendes Argument dieser Ansicht war, daß Art. 48 ein Mitwirkungsrecht der einzelnen Bundesstaaten (mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg) im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung ausschließe, darüber hinaus aber nicht besage, daß Post- und Telegraphenanstalten nur vom Staat betrieben werden dürften und deshalb Privatunternehmern untersagt seien. Schon das Fehlen jeglicher Grenze für ein so gefolgertes Monopol mache dessen Annahme unmöglich. Auch aus allgemeinen Gründen ließe sich ein Telegraphenregal nicht herleiten, da ein allgemeines, a priori feststehendes Recht des Staates auf die Télégraphié aufgrund ihrer besonderer Natur nicht begründet werden könne. Äußerungen zur Entstehungsgeschichte des Art. 48 RV 1871 finden sich nicht. 1 6 3 γγ) Rechtsprechung Ab Mitte der 80er Jahre des vorherigen Jahrhunderts hatte sich dann auch die Rechtsprechung mit der Frage, ob aus Art. 48 R V 1871 die Regalität der Télégraphié folge, zu befassen. Zunächst bejahten das A G Ratibor und ihm folgend das L G Oppeln ein Regal auch bezüglich des Telefonwesens, schränkten dieses aber dahin ein, daß es sich nur auf solche Anlagen beziehe, die dem öffentlichen Verkehr dienten. Es sei daher unzweifelhaft, daß es auch Telegraphen- bzw. Fernsprech-
162 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I I , 1878, § 71, S. 311ff.; L. v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. 4, 4. Aufl. 1884, S. 610 FN 2; H. Schulze, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes, Bd. I I , 1886, § 312, S. 201; A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1,1892, S. 414 FN 418; G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes, Bd. I, 1883, § 179, S. 563; E. Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, 1884, S. 611; W. Lewis, in: F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Rechtslexikon, Bd. III/ 2, 1881, Art. „Telegraphenrecht", S. 861; A. v. Kirchenheim, ebda, Art. „Telegraphenverwaltung", S. 865; Schott, in: W. Endemann (Hrsg.), Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, Bd. I I I , 1885, S. 584 (588); frühzeitig bereits G. Beseler; System des gemeinen deutschen Privatrechts, 3. Aufl. 1873, § 94, S. 363. Spezialschriftsteller: J. Ludewig, Die Télégraphié in staats- und privatrechtlicher Beziehung vom Standpunkte der Praxis und des geltenden Rechtes, 1872, S. 11 ff.; F. Meili, Das Telephonrecht, 1885, S. 29ff., der damit auch seine frühere Ansicht (Das Telegraphenrecht, 1871, S. 12ff.) aufgab. 163 Was wohl daran liegt, daß dieses Argument erst 1885 von W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (109f.) in die Debatte geworfen wurde. Vgl. gegen dieses Argument L G Berlin I, A ö R Bd. 6 (1891), S. 535 (551 ff.).
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anlagen geben könne, die nicht unter das Regal fielen. 164 Die Klage des Reichsfiskus auf Zahlung von 75 RM, die dieser als Konzessionsgebühr für eine privat errichtete Telegraphenanlage erhoben hatte, wurde abgewiesen. Im Gegensatz hierzu verneinte das königliche Landgericht Berlin I mit Urteil vom 10. 7. 1890 ein Telegraphenregal aus Art. 48 Abs. 1 R V 1871 mit ausführlicher Begründung. 165 Das Gericht argumentierte zum einen mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Im Reichstag 1871 habe keine Erörterung dieser Verfassungsbestimmungen (Art. 48ff.) stattgefunden, weil man die Rechtslage der Verfassung des Norddeutschen Bundes habe übernehmen wollen. Dort sei man zwar von der Existenz eines Monopols ausgegangen. Diese Annahme sei aber unzutreffend gewesen, da lediglich in Sachsen de jure ein Telegraphenmonopol bestanden habe. Demzufolge hätte der Verfassungsgeber von 1871 seinem Willen, ein Telegraphenmonopol schaffen zu wollen, unzweifelhaft Ausdruck geben müssen. 166 Auch aus dem Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 RV 1871 lasse sich nichts zugunsten einer Regalität der Télégraphié herleiten. Er besage nur, daß sämtliche Staatstelegraphenanstalten (der einzelnen Bundesstaaten) eine einheitliche Reichs Verkehrsanstalt bilden sollten, nicht aber, daß Telegraphenanstalten nur vom Staat betrieben werden dürften. Art. 48 bezwecke lediglich die Abgrenzung der Kompetenz des Reiches gegenüber den einzelnen Bundesstaaten, schaffe aber kein Monopol zu Gunsten des Reiches. 167 Zu einem Grundsatzurteil kam es nicht, da der beklagte Fiskus einer endgültigen Entscheidung mittels Vergleichs in der Berufungsinstanz aus dem Weg ging. 168 ζ) Eine polizeirechtliche Entscheidung als Auslöser der Schaffung des Telegraphengesetzes 1892 Angesichts der massiven Zweifel hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Verwaltungspraxis der RPTV und des Innenministeriums hätte es nahegelegen, diese Zweifel mittels eines Gesetzes auszuräumen. Dafür bestand aus Sicht der RPTV aber kein Bedürfnis, weil die Verwaltungspraxis von RPTV und Innenministerium, die Überführung privater Telegraphendrähte über öffentliche Wege und damit die Errichtung privater Anlagen mittels polizei164 Urteile vom 22. 6. 1886 bzw. 27. 10. 1886, auszugsweise wiedergegeben bei Horch, AöR Bd. 6 (1891), S. 138 (150ff.). Hinweise auf diese Urteile ferner bei L G Berlin I, ebda, S. 535 (541) und bei G. Maas, Der Telegraphengesetzentwurf und seine Gefahren, 1891, S. 24 F N * . 165 L G Berlin I, AöR Bd. 6 (1891), S. 535ff. 166
L G B e r l i n i , a.a.O., S. 551f.
167 L G B e r l i n i , a . a . O . , S . 5 5 4 .
ι 6 « Vgl. L G Berlin I, a.a.O., S. 555.
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lichem Einschreiten zu verhindern, lange Zeit nicht auf nennenswerten Widerstand stieß. Ein Gesetz hätte demgegenüber aus Sicht der RPTV die Nachteile gebracht, daß es ähnlich wie das Postgesetz auch andere wichtige Punkte des Telegraphenwesens geregelt und damit der Telegraphen Verwaltung, die sich zu diesem Zeitpunkt einer Freiheit wie keine andere Verwaltung erfreute, unbequeme Schranken auferlegt hätte. 169 Es vergingen deshalb noch 10 Jahre seit den ersten Anfragen von privaten Unternehmern an die RPTV 1880 zwecks Errichtung privater Fernsprechanstalten, bis das Preußische Oberverwaltungsgericht die Praxis des polizeilichen Einschreitens gegen private Telegraphenanlagen stoppte. 170 Das Gericht ließ zwar die Frage der Regalität der Télégraphié ausdrücklich dahinstehen, betonte aber, daß die Reichstelegraphenanstalten keine polizeilichen Anstalten seien, und am wenigsten ihre Rechtsverhältnisse, soweit sie unter den Gesichtspunkt des Regals und dessen Grenzen gegenüber konkurrierenden Privatunternehmen fielen, einen Gegenstand der öffentlichen, polizeilichen Ordnung bildeten. Die Polizeibehörden seien weder nach allgemeinen, noch nach speziellen Rechtsnormen für die Entscheidung über die Frage, ob ein Reichstelegraphenregal bestehe, ob es sich auf die Telefonie erstrecke und inwieweit private Verkehrsanstalten gleicher Art daneben rechtlich bestehen könnten, zuständig. 171 Entsprechende Verfügungen, die nur zum Schutze eines (fraglichen) Telegraphenregals ergingen, seien infolgedessen rechtswidrig. Durch diese Entscheidung wurde der RPTV die bis dahin wirksamste Waffe aus der Hand geschlagen, so daß ihr nunmehr keine Mittel mehr zur Verfügung standen, die die Ausbreitung privater Telegraphen- und Fernsprechanlagen samt der damit einhergehenden Einnahmeverluste aus dem Fernsprechwesen hätten verhindern können. Dieser Zustand erschien der RPTV so untragbar, daß demgegenüber die mit Schaffung eines Telegraphengesetzes für die RPTV verbundenen Nachteile jetzt das kleinere Übel darstellten. 172 Es waren daher auch nicht einmal drei Monate seit dem Erlaß des Urteils des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vergangen, bis der Entwurf eines Telegraphengesetzes, den H. v. Stephan (!) dem Bundesrat vorgelegt hatte, 173 im Reichsanzeiger veröffentlicht wurde. 1 7 4 Die RPTV konnte auf wohlwollende
169
Vgl. P. Laband, in: F. Meili, Das Telephonrecht, 1885, S. 32 FN 66. Pr. O V G E 20, 403 ff. Merkwürdigerweise wird diese Entscheidung fast nirgendwo wiedergegeben; vermutlich deshalb, weil sie sich nur zur Rechtmäßigkeit polizeilicher Verfügungen, nicht aber zur Frage des Telegraphenregals äußerte. 171 Pr. OVG, a.a.O., S. 406. 172 Vgl. P. D. Fischer, Schmollers Jb. Bd. 16 (1892), S. Iff. 173 Zum Gesetzgebungsverfahren unter der RV 1871 vgl. P. Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht, Bd. I, 6. Aufl. 1912, § 15 II. 174 Deutscher Reichs-Anzeiger und königlich preußischer Staats-Anzeiger Nr. 20 vom 22. Januar 1891; kritisch zu dem Entwurf nach Verabschiedung durch den Bundesrat G. Maas, Der Telegraphengesetzentwurf und seine Gefahren, 1891; gegen Maas, 170
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Behandlung des Entwurfs in den gesetzgebenden Körperschaften rechnen, da zum einen das Reich in eine Rezession geraten und infolgedessen auf Einnahmen dringend angewiesen war. Zum anderen war es gängige Auffassung, daß Private zur Monopolbildung neigten, und wenn man nur die Wahl zwischen Staats- und Privatmonopol habe, dem Staatsmonopol wegen seiner (angeblich) besseren Kontrollierbarkeit durch die gesetzgebenden Körperschaften der Vorzug zu geben sei. 175 Die Vorlage des RPTV Telegraphengesetz-Entwurfs erfuhr einige hier nicht zu berücksichtigende Veränderungen im Bundesrat und gelangte am 22. Februar 1891 zur erstmaligen Beratung in den Reichstag. Das Gesetzgebungsverfahren im Reichstag zog sich dann aber über ein Jahr hin, bis das Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs in seiner endgültigen Fassung am 12. April 1892 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurde. 1 7 6 Zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 237 Petitionen beim Reichstag eingegangen, woraus erkennbar ist, daß das Gesetz auch außerhalb des Reichstags heftig umstritten war. 1 7 7 Der ursprüngliche Entwurf wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht unerheblich modifiziert. Hinzugefügt wurde vor allem die Vorschrift des § 12 T G (heute § 23 FAG), die den Kollisionsfall zwischen Telegraphenanlagen und Starkstromanlagen regelte und von allen Vorschriften des Telegraphengesetzes am meisten umstritten war. 1 7 8 Das Telegraphengeheimnis wurde aber nicht überzeugend, W. Ludewig, ArchPT 1891, 595ff. Die Entscheidung des L G Berlin I, A ö R Bd. 6 (1891), S. 535ff., machte die Argumentation Ludewigs gegenstandslos. 175 Vgl. bspw. G. Maas, a.a.O., S. 16ff. Die Möglichkeit der Verhinderung privater Monopole durch eine Staatsaufsicht wurde nirgends in Erwägung gezogen. 176 RGBl. 1892, S. 467. 177 27 Petitionen enthielten den Antrag auf Ablehnung des Telegraphengesetzes. 31 Petitionen verlangten, das Regal auf Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr dienten, zu beschränken. 37 Petitionen verlangten, den Städten ihr Verfügungsrecht über den eigenen Boden zu erhalten. 93 Petitionen verlangten den Schutz der Reichstelegraphen gegen Einwirkungen elektrischer Anlagen. 37 Petitionen verlangten die Vereinigung des Telegraphengesetzes mit einem Gesetzesentwurf über elektrische Anlagen. 12 Petitionen hatten unterschiedlichen Inhalt. 178 Vgl. bspw. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode I. Session 1890/92, Sten. Ber., 180. Sitzung vom 25. 2. 1892, S. 4382ff. (dort noch als § 7 a zur Diskussion gestellt). Technischer Hintergrund: Sowohl Télégraphié als auch Starkstrom benutzten zu diesem Zeitpunkt die Erde als Rückleiter. Die RPTV wehrte sich gegen § 12, weil sie aufgrund dieser Regelung gezwungen war, bei neu zu errichtenden Anlagen eine weitere Leitung zu legen, anstatt weiterhin die Erde als Rückleiter benutzen zu können. Das kostenintensivere Verfahren der Télégraphié mit zwei separaten Leitung setzte sich erst in der Folgezeit durch, nachdem sich herausgestellt hatte, daß es gegenüber der Erde als Leiter weniger Verluste aufwies und zudem unempfindlicher gegen die Einwirkungen durch Starkstrom war.
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gesetzlich geschützt (§ 8 TG). Außerdem wurde festgelegt, daß jeder bei Zahlung der Gebühren das Recht auf die Beförderung von Telegrammen sowie der Führung von Telefongesprächen habe (§ 5 TG) und jeder Eigentümer eines Grundstücks bei Erfüllung öffentlich bekannt zu machender Bedingungen die Anschließung an das Lokalnetz verlangen konnte (§ 6 TG). § 3 T G (nicht genehmigungspflichtige Telegraphenanlagen) wurde auf Anlagen der Deichkorporationen, Siel- und Entwässerungsverbände ausgedehnt sowie die in § 3 Nr. 3 TG ursprünglich auf 15 km festgelegte Entfernung auf 25 km erweitert. § 2 TG wurde dahin erweitert, daß den Gemeinden unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung des Betriebs von eigenen Telegraphenanlagen zustand. Auch § 1 TG wurde geändert. Das ursprünglich vorgesehene ausschließliche Recht des Reiches, Telegraphenanlagen herzustellen und zu betreiben, wurde auf das ausschließliche Recht reduziert, Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten zu errichten und zu betreiben. Die soeben dargestellten Einschränkungen gegenüber dem Entwurf der RPTV waren aus ihrer Sicht hinnehmbar. Entscheidend war für sie, daß in § 1 TG das ausschließliche Recht des Reiches zur Errichtung und dem Betrieb von Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten festgelegt wurde und darüber hinaus zur Klarstellung hinzugefügt war, daß vom Begriff der Telegraphenanlagen auch Fernsprechanlagen umfaßt waren. Damit wird der Blick auf die Frage gelenkt, was das Telegraphengesetz unter „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" verstand. Dies setzt die Klärung der Frage voraus, welches Verständnis man dem Begriff der Télégraphié in der damaligen Zeit beimaß. Beiden Fragen ist nunmehr nachzugehen. b) Der Begriff der Télégraphié aa) Von der Entstehung des Begriffs „Télégraphié " bis zur Verwendung des Begriffs als Wortbestandteil im Gesetz über das Telegraphenwesen 1892 α) Die Entstehung des Begriffs „Télégraphié" Der Begriff der Télégraphié geht zurück auf den Divisionschef Miot, der die Chappe'sche Apparatur, die jener als „Tachygraphe" bezeichnet hatte, 1793 in „Télégraphe" umtaufte. 179 Treffend für das Chappe'sche Übermittlungs179 G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 30 FN 1; W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (74); L. F. W. Rother, Der Telegraphenbau, 1865, S. 2; Grawinkel, Centralblatt für Elektrotechnik Bd. 5 (1883), S. 179 FN 1.
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system waren beide Worte nicht, denn sowohl das Wort „Tachygraphe" (Schnellschreiber) als auch das Wort „Télégraphe" (Fernschreiber) assoziieren, daß etwas geschrieben wird, was weder das Chappe'sche Übermittlungssystem, noch die ihm nachfolgenden Varianten taten. Auch den elektrischen Telegraphen fehlte zunächst die Aufzeichnungsmöglichkeit (Bsp. Zeigertelegraph), bis es Morse gelang, die Bewegungen des Zeigers auf einem Papierstreifen festzuhalten. Es hätte nunmehr nahegelegen, unter dem Wort „Telegraph" nur solche Geräte zu verstehen, die die übermittelte Nachricht auch aufzeichneten. Da man nun einmal aber auch sonstige Methoden der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung mit dem Wort „Télégraphié" bezeichnete, 1 8 0 behielt man diesen Begriff bei, um mit ihm den Unterschied zum Postwesen, bei dem die Nachrichtenübermittlung durch körperlichen Transport derselben erfolgt, zu kennzeichnen. Für juristische Zwecke war ein derartiges Verständnis des Begriffs „Télégraphié" unbrauchbar, da es eine unübersehbare Anzahl von Gegenständen und Verhaltensweisen gibt, mittels derer eine unkörperliche Nachrichtenübermittlung stattfinden kann. Als Beispiele seien angeführt: Buschtrommeln, Flaggen winker, Rufpostenketten, veränderbare Rauchzeichen usw., bei denen jeweils ein Transport der Nachricht in nicht verkörperter Form erfolgt. ß) Unterschiedliches Verständnis dieses Begriffs in den Gesetzen anderer Staaten Trotz der soeben aufgezeigten Unzulänglichkeit fand der Begriff „Télégraphié" Eingang in die Gesetze verschiedener Staaten. Einige dieser Staaten begrenzten aber den Anwendungsbereich ihrer Gesetze von vorneherein auf die elektrische Télégraphié (bspw. Belgien, England), andere noch weitergehend auf die elektromagnetische Télégraphié (so bspw. Niederlande, im Deutschen Bund Sachsen). Dagegen verzichteten andere Staaten in ihren Gesetzen auf irgendwelche Definitionen oder Begrenzungen des Begriffs, so bspw. Frankreich. 181 In den Staaten, in denen eine Begrenzung der staatlichen Vorherrschaft auf bestimmte Telegraphieformen nicht stattfand, war demgemäß die Handhabe gegeben, beliebige Handlungen, die eine körperlose Nachrichtenübermittlung darstellten, zu untersagen, gegebenenfalls auch zu bestrafen. 1 8 2 Ein Korrektiv zu dieser „unzulänglichen Fassung der einschlägigen
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Vgl. Grawinkel, Centralblatt für Elektrotechnik, Bd. 5 (1883), S. 777. Einen Überblick über die damalige Gesetzgebung gibt W. Ludewig, a.a.O., S. 93ff. 182 Deutlich G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 30 FN 1 am Beispiel Frankreichs. Er führt aus:"Nach dem strengen Wortlaute dieses Artikels (seil. Art. 1 Decret-loi vom 27. 12. 1851, bei Schöttle im Wortlaut wiedergegeben) wäre es schon strafbar, wenn Jemand ohne behördliche Erlaubniß einem 181
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Gesetzesbestimmungen" 1 8 3 bot nur die tatsächliche Handhabe der Exekutive, die i n mehr oder minder weitem Maße hinter der Gesetzgebung zurückblieb.184 γ) D e r Begriff der „Telegraphenanstalt" i n §§ 296 ff. des Preußischen Strafgesetzbuches I n den deutschen Partikularstaaten tauchte der Begriff „Télégraphié" zuerst i m Preußischen Strafgesetzbuch als Wortbestandteil des Begriffs „Telegraphenanstalt" a u f , 1 8 5 u n d zwar i n § 296 Pr. S t G B . 1 8 6 D e r Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkte sich auf die elektrische Télégraphié. D e u t l i c h w i r d dies durch die Verwendung des Wortes „ D r a h t l e i t u n g " i n zwei der insgesamt fünf A l t e r n a t i v e n dieser Vorschrift. D i e anderen A l t e r n a t i v e n paßten zwar nach ihrem W o r t l a u t auf alle Formen der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung, aber auch hier ist die V e r w i r k l i c h u n g so recht nur beim elektrischen Telegraphen vorstellbar. Z i e h t man ferner i n Erwägung, daß i m Z e i t p u n k t des Erlasses des Gesetzes 1851 die letzte staatliche optische Übermittlungslinie i n Preußen bereits außer Betrieb gestellt war, während gleichzeitig die elektrische Télégraphié stark i m Vordringen begriffen war, so läßt auch dies den Schluß zu, daß v o m Schutz
zehn Schritte entfernten Bekannten mit dem Finger oder dem Taschentuch winkt." In die gleiche Richtung W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (105). 183 W. Ludewig, a.a.O., S. 106. 184 W. Ludewig, a.a.O., S. 106; ebenso G. Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Hinsicht, 1883, S. 30. Anders ausgedrückt: Die Exekutive hatte einen gesetzlichen Freibrief, wann und wo immer sie wollte, gegen einen Bürger einzuschreiten. 185 Pr. GS 1851, S. 161. Die Verordnung wegen Bestrafung der Beschädiger von Eisenbahnanlagen vom 30. 11. 1840 (pr. GS 1841, S. 9) bezog Telegraphen nicht in ihren Anwendungsbereich ein, weil dort das Wort „Telegraph" nirgends erwähnt ist, so daß man lediglich an die Worte „sonstigem Zubehör" in § 1 dieser Verordnung hätte anknüpfen können. Darunter waren aber keine Telegraphen zu verstehen, weil die elektrische Télégraphié zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung noch nicht zum Einsatz kam, während sich die optischen „Telegraphen" ausschließlich in der Hand des Militärs befanden, vgl. W. Ludewig, Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (81); Κ . Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 19. 186 p r GS 1851, S. 161: „Wer gegen eine Telegraphenanstalt des Staates oder einer Eisenbahn-Gesellschaft vorsätzlich Handlungen verübt, welche die Benutzung dieser Anstalt zu ihren Zwecken verhindern oder stören, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Handlungen dieser Art sind insbesondere: die Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung der Drahtleitung, der Apparate und sonstigen Zubehörungen der Telegraphenanlagen, die Verbindung fremdartiger Gegenstände mit der Drahtleitung, die Fälschung der durch den Telegraphen gegebenen Zeichen, die Verhinderung der Wiederherstellung einer zerstörten oder beschädigten Telegraphenanlage, die Verhinderung der bei der Telegraphenanlage angestellten Personen in ihrem Dienstberufe." (Hervorhebung nicht im Original).
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des § 296 nur elektrische Telegraphen erf aßt werden sollten, weil für den strafrechtlichen Schutz der optischen Übermittlungssysteme kein Bedarf mehr bestand. 187 Große Schwierigkeiten schien die Anwendung des § 296 Pr. StGB in der Zeit nach seinem Erlaß nicht zu bereiten, denn es vergingen ziemlich genau 30 Jahre seit Inkrafttreten des Preußischen Strafgesetzbuches, bis die Frage, was unter dem Begriff „Telegraphenanstalt" zu verstehen ist, anläßlich der Beschädigung einer Rohrpostanlage durch Kanalisationsarbeiten in einem Strafverfahren relevant wurde. 1 8 8 Ô) Rohrpostanlagen als Telegraphenanstalten? Schon nach dem Verständnis der Télégraphié als Sammelbegriff für alle Formen der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung fielen jedenfalls Rohrpostanlagen nicht unter den Begriff der „Telegraphenanstalt", weil bei ihnen die Nachrichtenbeförderung gerade körperlich erfolgt. Trotzdem mußte sich sogar das Reichsgericht mit der Frage befassen, ob Rohrpostanlagen den gleichen strafrechtlichen Schutz nach § 318 RStGB genossen wie Telegraphenanstalten. Die Beantwortung dieser Frage nahm es 1881 zum Anlaß, den Begriff der Telegraphenanstalt dahin zu definieren, daß „sie eine ihr zur Weiterbeförderung an einen entfernten Ort zugehende schriftliche oder auch nur mündliche Mitteilung an dem Bestimmungsorte mittels vorausbestimmter Zeichen, mögen dieselben auch in Buchstaben bestehen, reproduziert". 189 Wie die Vorinstanz lehnte das Reichsgericht dann die Subsumtion der Rohrpostanlagen unter den Begriff der Telegraphenanstalt ab und wies damit die Revision der Staatsanwaltschaft zurück. ε) Das Telefon als Auslöser von Überlegungen über das Wesen der Télégraphié Im Gegensatz zur Klassifizierung der Rohrpostanlagen als Postverkehr gestaltete sich die Qualifizierung des neu aufgekommenen Telefons als „Telegraphenanstalt" erheblich schwieriger und löste auch erste Überlegungen über einen juristisch faßbaren Begriff der Télégraphié aus. 190 187 Ebenso bereits L. Fuld, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 202 (207) zur Nachfolgevorschrift des § 318 RStGB. 188 Es ging um die Frage, ob die Beschädigung einer Rohrpostanlage § 318 RStGB als Nachfolge vor schrift von § 296 Pr. StGB verwirklichte. ι » RGSt 4, 406 (407). 1 90 Angesichts der großen Anzahl derjenigen, die sich zur Frage des Telegraphenregals aus Art. 48 R V 1871 geäußert hatten, blieb es allerdings bei erstaunlich wenigen Überlegungen hierüber, obwohl der Streit neben der staatsrechtlichen auch strafrechtliche Relevanz besaß.
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Verstand man „Télégraphié" als Sammelbegriff für alle Formen der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung und damit nur als Gegenbegriff zum Postverkehr, so war die Zuordnung des Telefons zur Télégraphié unproblematisch, weil es sich bei ihm gleichfalls um unkörperliche Nachrichtenübermittlung handelt. Ging man dagegen von der bis dahin aktuellen reichsgerichtlichen Definition der Telegraphenanstalt 191 aus, dann war die Subsumtion des Telefons unter den Begriff „Telegraphenanstalt" zweifelhaft, weil es beim Telefon eines Zugangs einer Mitteilung zwecks Weiterbeförderung an einen entfernten Ort seit 1880 gerade nicht mehr bedurfte und darüberhinaus die Wiedererzeugung der Mitteilung am Bestimmungsort nicht mittels vorausbestimmter Zeichen, sondern durch Worte erfolgte. αα) Das Telefon als ein von der Télégraphié zu unterscheidendes Kommunikationsmittel Demzufolge wurde auch vereinzelt die Zuordnung des Telefons zum Begriff der Telegraphenanstalt abgelehnt. 192 Begründet wurde diese Ansicht mit mehreren Argumenten. Zum einen erscheine beim Telefon im Gegensatz zur Telegraphenanstalt das Original des aufgegebenen Inhalts am Bestimmungsort. 1 9 3 Zum anderen befördere das Telefon nicht Zeichen, sondern Worte. 1 9 4 Darüber hinaus sei auch beim Telefon das aufnehmende Organ des Adressaten nicht wie bei der Télégraphié der Gesichtssinn, sondern das Gehör. Das juristisch relevante Moment des Telegraphenbetriebs sei aber allein darin zu sehen, daß der Adressat kein Original, sondern nur eine Beurkundung des Originals erhalte. 195 Im Gegensatz hierzu vernehme der Empfänger beim Telefon das Original der gesprochenen Worte des Absenders. ßß) Das Merkmal der Reproduktion als Begründung der Subsumtion des Telefons unter den Begriff der „Telegraphenanstalt" Grawinkel 196 und Scheffler 197 erachteten demgegenüber das Merkmal der Reproduktion der Nachricht an einem entfernten Ort ohne körperlichen Transport der Nachricht als ausschlaggebend für den Begriff der Télégraphié. 1 9 8 Zwar seien Télégraphié und Telefonie in ihren Eigenschaften und Lei191
RGSt 4, 406 (407). So vor allem von L. Fuld, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 202ff.; ihm folgend Horch, A ö R Bd. 6 (1891), S. 138 (144f. m.w.Nachw.). * 93 L. Fuld, a.a.O., S. 204f. 192
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L. Fuld, a.a.O., S. 205. i 9 * L. Fuld, a.a.O., S. 207. * 9 6 Centralblatt für Elektrotechnik, Bd. 5 (1883), S. I I I . Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 481 (486).
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stungen dem Grade nach verschieden. Dies ändere aber nichts daran, daß beide dem Gedankenaustausch dienten. 199 Es komme nicht darauf an, ob der Gedankenaustausch mittels Zeichen oder Worten erfolge. Darüber hinaus reproduziere auch das Telefon ebenso wie der Telegraph die gesprochenen Worte nicht im Original. Ebenso wenig sei zutreffend, daß der Adressat bei der Télégraphié die Nachricht immer mit dem Gesichtssinne wahrnehme, da die Aufnahme der Nachricht aufgrund des Einsatzes von Morseklopfern auch vielfach nach dem Gehör erfolge. 200 Daher sei „Telegraph" bereits jede Vorrichtung, welche eine Nachrichtenbeförderung dadurch ermögliche, daß der an einem Ort zum sinnlichen Ausdruck gebrachte Gedanke an einem entfernten Ort wahrnehmbar wieder erzeugt wird, ohne daß der Transport eines Gegenstandes mit der Nachricht erfolgt. 201 Diese Anforderungen erfülle aber das Telefon gerade in gleicher Weise, so daß auch letzteres unter den Begriff der Telegraphenanstalt falle. 202 γγ) Der Versuch der Nutzbarmachung des damaligen umgangssprachlichen Verständnisses „Télégraphié" für juristische Zwecke Gegen den Begriff der Reproduktion als konkretisierendes Merkmal wandte sich wiederum W. Ludewig. 203 Nehme man das Wort „Reproduktion" als entscheidendes Kriterium für die Konkretisierung des Begriffs der Télégraphié, dann wäre unter Umständen ein Chappe'scher Telegraph, der zu dem Namen den Anlaß gegeben habe, dann nicht zu den Telegraphen zu rechnen, wenn nur einer dieser Apparate am Ort des Gebenden aufgestellt wäre, von dem am entfernten Ort unmittelbar ohne Vermittlung von Zwischenapparaten die Signale abgelesen werden könnten. Man müsse daher das Merkmal der Reproduktion aus der Begriffsbestimmung der Télégraphié weglassen und den Begriff der Télégraphié dergestalt definieren, daß es sich um Télégraphié bei jeder Mitteilung von Nachrichten in die Ferne handele, bei welcher die Ortsveränderung der zu dieser Mitteilung mitwirkenden Personen oder Sachen ausgeschlossen sei. 204 Nicht hierunter fielen allerdings Signale, die an die Allgemeinheit gerichtet seien. 205 198
Grawinkel, Centralblatt für Elektrotechnik Bd. 5 (1883), S. III mit kritischer Anmerkung der Schriftleitung, ebda, S. 778; Scheffler, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 481 ff. 199
Scheffler, a.a.O., S. 483. Scheffler, a.a.O., S. 482. 2 «i Scheffler, a.a.O., S. 486. 200
202 Ygi Scheffler, a.a.O., S. 487. Die Zuordnung des Telefons zur Télégraphié wurde ferner bejaht von F. Meili, Das Telephonrecht, 1885, S. 47ff. ; L G Berlin I, AöR Bd. 6 (1891), S. 535 (548f. m.w.Nachw.); Preuß. O V G E 20, 403 (407), sowie durch Urteil der englischen Queens's Bench vom 20. Dezember 1880, abgedr. bei F. Meili, a.a.O., S. 294ff. 203
Z G H R Bd. 31 (1885), S. 63 (80f.).
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ÔÔ) Das Merkmal der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort als Wesensmerkmal der elektrischen Télégraphié Einen anderen Gesichtspunkt hatte sehr viel früher bereits K. Knies, wenn auch mehr beiläufig, aufgezeigt, wenn er ausführte: „Und hier muß alsbald nachträglich hervorgehoben werden, daß auch der so verwendete elektrische Telegraph spezifisch verschieden ist von den . . . Instrumenten der 'akustischen und optischen Télégraphié' in der voraufgehenden Zeit. Diese machen . . . ihre Zeichen am Absendungsorte wahrnehmbar für den entfernten Empfänger, sie signalisieren nach der Ferne hin, der elektrische Telegraph signalisiert in der Ferne, macht seine Zeichen am Standort des Empfängers wahrnehmbar". 206 εε) Die Definition der „Telegraphenanstalt" durch das Reichsgericht Wiederum war es eine Entscheidung des Reichsgerichts, die grundsätzliche Ausführungen zum Begriff der Telegraphenanstalt enthielt und damit in diesem Punkt vorläufig für Klarheit sorgte. 207 Zugrunde lag dieser Entscheidung der Sachverhalt, daß bei Errichtung einer privaten Telegraphenanlage durch Kontakt mit städtischen Fernsprechleitungen ein Kurzschluß verursacht worden war, der den telefonischen Verkehr für mehrere Stunden unterbrach. Nach Stellung des Strafantrags durch die Oberpostdirektion Erfurt hatte das L G Erfurt unter Berufung auf die bisherige reichsgerichtliche Definition der „Telegraphenanstalt" 208 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Nachdem das OLG Naumburg auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren eröffnet hatte, sprach das Landgericht nunmehr den Angeklagten frei. Dem lag die Auffassung zugrunde, daß die beschädigten Fernsprechleitungen nicht dem Begriff der „Telegraphenanstalt" unterfielen, weil im Gegensatz zur Télégraphié beim Fernsprechen jedes Geräusch dem Ohr des Hörers unverändert und als dieselben zugeführt würden. 209 Die Revision der Staatsanwaltschaft beim Reichsgericht hatte Erfolg. Dieses erachtete die Auffassung des Landgerichts (damit aber auch seine eigene Definition) als zu eng und führte u.a. aus: 204 205 206
W. Ludewig, a.a.O., S. 78. W. Ludewig, a.a.O., S. 79. K. Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 33 (Hervorhebung im Origi-
nal). 207 RGSt 19, 55 ff. Mit Sachverhalt und prozessualer Vorgeschichte findet sich die Entscheidung in ArchPT 1889, 398ff. 208 RGSt 4, 406 (407). 209 Vgl. auch L. Fuld, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 202ff.
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„Nur geringer Wert für die Beantwortung der so gestellten Frage (seil, ob die Fernsprecheinrichtungen technisch und begrifflich eine Unterart der Telegraphenanstalten seien oder etwas von ihnen wesensverschiedenes) wird der Wortbedeutung des Ausdrucks ,Telegraph' beizulegen sein. Insoweit die §§. 317. 318 St.G.B.'s von ,Telegraphenanstalten' sprechen, führt der Ausdruck auf die §§. 296 - 300 preuß. St.G.B.'s und über diese hinaus auf die Bestimmungen des preuß. Gesetzes vom 30. November 1840 (G. S. 1841 S. 9), das heißt auf eine Zeit zurück, in welchen die elektrische Télégraphié sich in den ersten Anfängen ihrer Entwickelung befand, in Deutschland elektrische Telegraphenanstalten noch gar nicht bestanden, und deshalb auch von einem eigentlichen in die Ferne Schreiben noch gar nicht gesprochen werden konnte. Es waren damals wesentlich nur die optischen Telegraphen und das auf optischen Zeichen beruhende Signalwesen der Eisenbahnen, welche man als wichtige Verkehrsanstalten, in unmittelbarer Verbindung mit den Eisenbahnen selbst, gegen alle frevelhafte Beschädigung besonders zu schützen für geboten erachtete, und unter dem einmal üblich gewordenen Namen ,Telegraphenanstalt' zusammenfaßte. Erst die Heranziehung der Elektrizität in den Dienst der Télégraphié hat dann die Erzeugung urkundlich fixierter Zeichen (Punkte, Striche, Druckschrift, handschriftliche Buchstaben) mittels des vom Elektromagneten am Ankunftsorte in Bewegung gesetzten Mechanismus ermöglicht, solchergestalt zu einem eigentlichen in die Ferne Schreiben geführt und so dem Ausdrucke ,Telegraph', statt der ursprünglich nur figürlichen, auch eine wortgetreue Bedeutung verliehen. Immerhin aber umfaßt auch heute noch das Wort ,Telegraph' alle möglichen Methoden der Nachrichtenvermittlung in die Ferne, gleichviel, ob es sich dabei um die Benutzung der elektrischen Kraft oder pneumatischer Bewegungskräfte, um optische oder um akustische Zeichen handelt. Hiervon ausgehend, erscheint gewiß, daß, wenn das Wesen der Télégraphié darin besteht, mittels Reproduktion vorausbestimmter, das ist zwischen Absender und Empfänger gewillkürter Zeichen Nachrichten an einen entfernten Ort zu befördern, das Begriffsmerkmal der ,Ζβ/c/zenreproduktion' im weitesten Sinne verstanden werden muß. Insbesondere kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ebenso, wie die, sei es durch Lichterscheinungen, sei es durch Figurenbilder erzeugten optischen Signale trotz ihres unfixierten Charakters zur telegraphischen Zeichensprache gehören, so auch akustische Erscheinungen reproduzierte Zeichen der Télégraphié sein können. Die Läutesignale, die Töne des Morseschen Klopfers sind unbestritten längst bekannte Bestandteile der Télégraphié. Gehören aber einmal die Schallbewegungen der Akustik mit zu den der Télégraphié unterworfenen Zeichen, dann ist auch schlechterdings kein Grund mehr findbar, das artikulierte, der menschlichen Stimme nachgebildete Wort als Lauterscheinung anders zu behandeln, wie den unartikulierten, von einer Metallglocke oder einem metallenen Stifte erzeugten Ton. Mit anderen Worten: jede Nachrichtenbeförderung, welche nicht durch den Transport des körperlichen Trägers der Nachricht von Ort zu Ort, sondern dadurch bewirkt wird, daß der an einem Orte zum sinnlichen Ausdrucke gebrachte Gedanke an einem anderen entfernten Orte sinnlich wahrnehmbar wieder erzeugt wird, fällt dem Wesen der ,Telegraphenanstalten' anheim." 2 1 0
210 RGSt 19, 55 (57f. - Hervorhebung im Original). Ähnlich argumentierte das Urteil der Queens Bench vom 20. 12. 1880, abgedruckt bei F. Meili, Das Telephonrecht, 1885, S. 294 ff., allerdings beschränkt auf Télégraphié mittels Elektrizität sowie Entgeltlichkeit der Übermittlung.
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Sodann wies das Reichsgericht die Auffassung zurück, daß beim Telefon vergleichbar dem Sprachrohr das Original der am Absendeort gesprochenen Worte am Ankunftsort erscheine. Mit der Elektrizität sei eine anders wirkende Kraft tätig als in der Schallbewegung der Luft, so daß es sich bei den am Ankunftsort erzeugten Schallwellen nicht um die Fortpflanzung der am Abgangsort erzeugten Schallwellen der Luft handele. Infolgedessen bestehe auch beim Telefon keine Identität zwischen der Nachricht am Absendeort und der am Empfangsort. 211 Dann aber folgte eine Einschränkung: Das Reichsgericht stellte fest, daß die Telefonie nicht nur imstande sei, die menschliche Sprache, sondern auch „Tongebilde der musikalischen Kunst aufzunehmen und über die Grenzen gewöhnlicher Hörweite hinaus zu einer mehr oder minder vollkommenen Reproduktion zu bringen". 212 Es sei aber zweifelhaft, ob man derartige Anwendungsformen, die es nicht mehr mit der Sprache als dem unmittelbaren Ausdruck von Gedanken und mit der Beförderung von Nachrichten eines konkreten Inhalts zu tun hätten, noch als Telegraphieformen ansehen könne. 213 Aufgrund dieser Entscheidung war damit für den strafrechtlichen Bereich der Anwendungsbereich der „Telegraphenanstalt" hinreichend präzisiert. Es lag daher nahe, bei Schaffung des Telegraphengesetzes nur drei Jahre nach dieser Entscheidung auf die reichsgerichtliche Begriffsbestimmung der „Telegraphenanstalt" auch für den Begriff der „Telegraphenanlagen" zurückzugreifen. Ob diese Definition tatsächlich Eingang in das Telegraphengesetz gefunden hat, soll nunmehr näher untersucht werden. bb) Das Verständnis der „Telegraphenanlagen zur Vermittelung von Nachrichten" in § 1 TG α) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" im RPTV-Entwurf Der von der RPTV im Bundesrat eingebrachte Entwurf des Telegraphengesetzes214 enthielt keine eigene Begriffsbestimmung des Begriffs „Telegraphenanlagen", während man bezüglich der Zuordnung der Fernsprechanlagen zu den Telegraphenanlagen auf die Entscheidung des Reichsgerichts 215 Bezug 211
RGSt 19, 55 (58ff.). * RGSt 19, 55 (61). 2 13 RGSt 19, 55 (61). 214 Deutscher Reichs-Anzeiger und königlich preußischer Staats-Anzeiger vom 22. 1. 1892. Zum Gesetzgebungsverfahren des Deutschen Reiches allgemein P. Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht, Bd. I, 6. Aufl. 1912, § 15 II. 215 RGSt 19, 55ff. 2 2
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nahm. Das legt die Vermutung nahe, daß man aufgrund der reichsgerichtlichen Definition der Telegraphenanstalt auch den Begriff der Telegraphenanlagen für so hinreichend geklärt erachtete, daß man sowohl auf eine eigene Definition als auch auf einen ausdrücklichen Verweis auf die reichsgerichtliche Entscheidung verzichten zu können glaubte. Für den vom Bundesrat dem Reichstag vorgelegten Entwurf 2 1 6 gilt das gleiche, da die gesamte Begründung, die sich auf den Anwendungsbereich des geplanten Gesetzes bezog, wörtlich aus dem RPTV-Entwurf übernommen worden war. 2 1 7 ß) Umfangreiche Erörterungen des Begriffs der Télégraphié in der X V I . Kommission Während in der ersten Lesung des Entwurfs im Reichstag nur der Abgeordnete Frhr. v. Buol-Berenberg die Zuordnung des Telefons zur Télégraphié mit der Verwendung der Elektrizität zur Nachrichtenübermittlung begründet hatte, kam es in der X V I . Kommission, an die der Entwurf zwecks eingehender Beratung überwiesen worden war, zu umfangreichen Erörterungen über den im Gesetz vorgesehenen Begriff der „Telegraphenanlagen". 218 αα) Erste Lesung (1. Kommissionsbericht) Ausgangspunkt der Erörterungen war ein Antrag, der die sprachliche Gleichbehandlung von Télégraphié und Telefonie bezweckte und u.a. die Worte enthielt: „Das Recht, Telegraphen- und Telephonanlagen (Fernschreib- und Fernsprechanlagen) herzustellen .. , " . 2 1 9 Dem wurde aber entgegengehalten, daß die Übersetzung von Telegraph in Fernschreibanlage das Wesen des ersteren nicht treffe, da es auch akustische und optische Telegraphen gebe. Telegramm werde besser mit „Schnellnachricht in die Ferne" wiedergegeben. Das Telefon sei richtiger als Unterart des Telegraphs anzusehen, während dieser alle möglichen Arten von Nachrichtenvermittlung umfasse. 220 216
Verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode I. Session 1890/91, Anlagebd. 3, Drucks. Nr. 308, S. 2103ff. 217 Diese Drucksache wird häufig als Beleg dafür zitiert, daß dem Begriff der „Telegraphenanlagen" im Telegraphengesetz die reichsgerichtliche Definition der „Telegraphenanstalt" zugrunde gelegen habe, so bspw. in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Telegraphengesetzes, Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Drucks. Nr. 560, S. 5. 218 Vgl. verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode I. Session 1890/91, Anlagebd. 4, 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2699ff. 219
Verh. d. Reichstags, a.a.O., 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2701. 220 Verh. d. Reichstags, a.a.O., 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2701. Das entsprach zwar der Definition des Telegraphs durch das Reichsgericht
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ßß) Zweite Lesung (1. Kommissionsbericht) In der zweiten Lesung lagen der Kommission mehrere Abänderungsanträge zu § 1 TG vor. 2 2 1 Der erste Antrag beinhaltete eine Definition des Wortes Telegraphenanlage mit dem Inhalt, daß darunter alle diejenigen Anlagen, welche zur Übermittlung von Erklärungen und Worten vermittelst des elektrischen Stroms durch Worte und Zeichen benutzt werden, zu verstehen seien. Antrag 2 wollte die Vorherrschaft des Reiches auf die Errichtung und den Betrieb elektrischer Leitungen zum Zweck der Versendung von Telegrammen und der Vermittlung von telefonischen Unterredungen gegen Bezahlung beschränken. Antrag 3 wiederum verlangte, daß das Vorrecht des Reiches, Telegraphenanlagen für den allgemeinen Vermittlungsverkehr 222 zu errichten und zu betreiben, auf die Ausdehnung zu beschränken sei, in welcher im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes Telegraphenanlagen Elektrizität zur Vermittlung von Nachrichten benutzten. Inhalt von Antrag 4 war demgegenüber, dem Wort „Telegraphenanlagen" den Passus „für den allgemeinen Vermittelungsverkehr" hinzuzufügen. Die ersten drei Anträge wurden alle mit dem Argument begründet, daß es die Pflicht des Gesetzgebers sei, für möglichst genaue Präzisierung dessen zu sorgen, was verboten sein solle. 223 Es könne nicht der Telegraphenverwaltung überlassen werden, jeweils nach dem Stand der Wissenschaft zu definieren, was unter Telegraph zu verstehen sei. Auch könne nicht beabsichtigt werden, mit diesem Gesetz dem Reich bereits jetzt auf etwa später in Existenz tretende Arten von Nachrichtenvermittlung Vollmachten zu erteilen. 224 Begründung des Antrags 4 war demgegenüber, daß zwar eine Definition des Telegraphen in § 1 TG wünschenswert sei, es aber nicht anginge, das Regal auf den durch elektrische Kraft vermittelten Verkehr zu beschränken und ζ. B. den optischen Verkehr auszuschließen. Es müsse daher genügen, zum Ausdruck zu bringen, daß sich das Regal nicht auf solche Anlagen erstrecken solle, die nur zu einzelnen bestimmten Zwecken, wie bspw. Signalapparate, Höhenmesser etc. errichtet seien. Vielmehr sollten nur solche Anlagen erfaßt
(RGSt 19,55 (57), ließ aber bereits die dort nachfolgenden Definitionen der Télégraphié und der Telegraphenanstalt (Zeichenreproduktion am anderen entfernten Ort!), auf die das Reichsgericht noch entscheidend abgestellt hatte, außer acht. 221 Vgl Verh. d. Reichstags, a.a.O., 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2702. Es soll hier aber nur auf diejenigen Anträge eingegangen werden, die für den Begriff der „Telegraphenanlage" interessant sind. 222
Man beachte den Zusatz! Eine späte Bestätigung dieser schon damals geäußerten Forderung kann, in BVerfGE 78, 374ff. gesehen werden, in welcher just mit diesem Argument § 15 Abs. 2 a F A G für nichtig erklärt wurde. 224 Vgl. Verh. d. Reichstags, a.a.O., 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2702. 223
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sein, die dem allgemeinen „Nachrichten-Vermittlungsverkehr" einer Person dienten, was durch den zusätzlichen Passus deutlich gemacht werde. Das war wohl auch die Ansicht der Kommissionsmehrheit, denn die ersten drei Anträge wurden (mit unterschiedlichen Begründungen) abgelehnt. 225 Seitens der Mitglieder der einzelnen Bundesstaaten wurde vorgebracht, daß der Begriff der Telegraphenanlage bis zu diesem Zeitpunkt keinem Zweifel unterlegen habe und zudem durch die zitierte reichsgerichtliche Entscheidung 226 hinlänglich gegen mißbräuchliche Auslegung geschützt sei. Mit Definitionsversuchen, die Klarheit schaffen sollten, werde demgegenüber nicht selten das Gegenteil erreicht und die Rechtsanwendung erschwert. Von mehreren Kommissionsmitgliedern wurde die Ansicht geäußert, daß es auf die Art der Kraft, welche zur Verkehrsübermittlung diene, nicht ankommen könne, zumal einer Einschränkung staatspolitische wie wirtschaftliche (!) Bedenken entgegenstünden. Ob und welche etwaigen späteren Erfindungen unter das Gesetz fielen, sei Sache späterer Erörterungen; optische Anlagen seien älter als die elektrischen und gerade bezüglich jener sei angesichts des Mißbrauchs an den Seeküsten die Notwendigkeit, sie in die Hände des Staates zu legen, sehr einleuchtend. 227 Dem schloß sich die Kommission an und stellte heraus, daß sie als das wesentliche Merkmal des Begriffs „Telegraphenanlagen" die Vermittlung von Nachrichten ansehe. 228 γγ) 2. Kommissionsbericht Die Kommission mußte sich aber ein zweites Mal mit dem Entwurf befassen, 229 weil die Mehrheit im Reichstag angesichts der Erkenntnisse der zwischenzeitlich stattgefundenen elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt und aufgrund zahlreicher zwischenzeitlich eingegangener Anträge der Auffassung war, daß eine erneute Beratung des Entwurfs in der Kommission not225 vgl. verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode I. Session 1890/91, Anlagebd. 4, 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2702f. 226 RGSt 19, 55 (57). 227 Letzteres läßt sich aber mit der reichsgerichtlichen Definition der Telegraphenanstalt kaum in Einklang bringen, denn bei den „optischen Anlagen an den Seeküsten" ( = Leuchttürme) fehlt es an der Zeichenreproduktion am entfernten Ort. Nur ein Verständnis der Telegraphenanlagen als „Anlagen für unkörperliche Nachrichtenübermittlung" erklärt die Argumentation der Kommissionsmitglieder. 228 vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 3930. Ein Verweis auf RGSt 19, 55ff. fehlt jetzt völlig. Ähnlich bereits G. Maas, Telegraphenwesen, 1892, Anm. 1 zu § 1 TG: „Eine gesetzliche Definition des Begriffs fehlt. Nach den Materialien sollen unter Telegraphenanlagen alle dem Schnellnachrichtenverkehr dienenden Anlagen ohne Rücksicht auf die von ihnen benutzten Naturkräfte verstanden werden.". 229 Vgl. Verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode I. Session 1890/92, Anlagebd. 4, 2. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 676, S. 3783ff.
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wendig s e i . 2 3 0 D o r t wurden nochmals zwei A n t r ä g e gestellt, § 1 T G enger zu fassen, die aber beide der A b l e h n u n g verfielen. Dagegen wurde ein A n t r a g , nach dem der Passus „ f ü r den allgemeinen Vermittelungsverkehr" durch die W o r t e „ f ü r die V e r m i t t e l u n g v o n Nachrichten" ersetzt werden sollte, als redaktionelle Verbesserung (und Verdeutlichung des wesentlichen Merkmals des Begriffs „Telegraphenanlagen") der bisherigen Fassung des § 1 T G angenommen.231
γ) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" i m Reichstag I m Reichstag wurde das Verständnis der X V I . Kommission, daß unter Telegraphenanlagen alle A n l a g e n zur V e r m i t t l u n g v o n Nachrichten zu verstehen seien, v o m Abgeordneten Schräder heftig angegriffen. 2 3 2 E r führte u . a . aus: „Durch diesen Paragraphen würde nach der Auslegung, welche ihm in der Kommission gegeben ist, jedwede Vermittlung von Nachrichten in die Ferne, auch die unentgeltliche, durch welches Mittel es auch sei, nicht bloß durch Elektrizität, sondern auch durch jedwedes bereits erfundene oder noch zu erfindende Mittel, in die Hände der verbündeten Regierungen beziehungsweise der Reichstelegraphenverwaltung gelegt werden. Es ist uns das ausdrücklich ausgeführt, es ist ausdrücklich verlangt; und wenn man bei der Interpretation dieses Paragraphen demnächst den Bericht zu Grunde legen würde, so würde man zu der Überzeugung kommen, es sei die Absicht gewesen, ein so weit ausgedehntes Monopol zu geben. . . . Also wenn nun jedwedes Mittel, welches überhaupt zur Nachrichtenvermittlung gebraucht werden kann, monopolisiert werden soll, dann kommen Sie zu folgenden reizenden Resultaten . . . Wenn ζ. B. das Büreau des Reichstags Veranlassung haben sollte, sich mit dem Herrenhaus nebenan in Verbindung zu setzen, sei es durch eine elektrische Anlage, die durch ein Loch der Mauern zwischen den beiden Häusern geführt würde, sei es durch einen Klingelzug, der dazu dient, um etwa anzuzeigen, daß an der einen Stelle
230 Vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 3929ff. 231 Vgl. Verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode I. Session 1890/92, Anlagebd. 4, 2. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 676, S. 3784. Wohin es allerdings führt, wenn man ausschließlich auf die Vermittlung von Nachrichten als das wesentliche Merkmal des Begriffs Telegraphenanlagen abstellt, zeigt bereits der erste Kommissionsbericht. Während H. v. Stephan in der Speziallesung zu § 1 T G in der Kommission noch erklärt hatte, daß Wasserregistrierungsapparate und Signalapparate nicht in den Bereich der Nachrichtenvermittlung eines Menschen i. S. von § 1 fielen (vgl. Verh. d. Reichstags, Sten. Ber., 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/91, Anlagebd. 4,1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2703), wurde in der Speziallesung zu § 3 T G ausgeführt, daß in der Notierung des Wasserstandes gerade der Nachrichtendienst bestehe und infolgedessen hierfür Genehmigung einzuholen sei (Vgl. Verh. d. Reichstags, a.a.O., 1. Bericht der X V I . Kommission, Drucks. Nr. 460, S. 2705). 232 vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 4319ff.
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jemand ist, der einen anderen zu sprechen wünscht, oder wenn ein paar gute Nachbarn sich verständigen, daß, wenn der eine wünscht, der andere soll zu ihm zum Skat kommen, er eine rothe Fahne - entschuldigen Sie, eine blaue Fahne oder gelbe Fahne heraussteckt, wenn irgend welche kleine Anlage damit verbunden wird, auch nur ein Nagel eingeschlagen wird, so sind das Telegraphenanlagen, die unter diesen Paragraphen fallen. Daß so etwas von dem Gesetz nicht beabsichtigt werden darf, werden Sie mir zugeben; es steht aber mit dürren Worten in diesem § 1. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß z.B. ein Sprachrohr, vom Reichstag zum Herrenhaus hinübergeleitet, eine Anlage ist, bestimmt, Nachrichten zu vermitteln."
Ergänzend verwies Schräder darauf, daß nach diesem Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" eine ganze Reihe von unverfänglichen Anlagen unter den Begriff des Gesetzes fielen und deshalb vom Gericht verfolgt werden müßten. 233 Diese schwerwiegenden Bedenken konnten die Mehrheit des Reichstags indes nicht überzeugen. Schräder wurde entgegengehalten, daß sich aus der ratio von Art. 48 R V 1871, auf die allein abzustellen sei, ergebe, daß das Schnellnachrichtenwesen unmittelbar unter der Macht der Regierung stehen müsse. 234 In Art. 48 sei aber weder von Elektrizität noch von Optik noch von Akustik, sondern nur von Télégraphié die Rede, was ein viel weiterer Begriff als „elektrische Télégraphié" sei. Im übrigen fänden sich in § 3 T G „alle diese Ausnahmen, zu denen die Unternehmer nicht einmal der Konzession bedürfen". 2 3 5 Die Mehrheit im Reichstag hielt es - dem folgend - für genügend, Ausnahmen zu dem umfassenden Ausschließlichkeitsanspruch des Reiches kombiniert mit der Einräumung eines Ermessens zugunsten der Verwaltung festzulegen. Stellvertretend führte der Abg. Hammacher aus, daß die Telegraphenverwaltung keinen Einspruch erheben werde, wenn es sich um eine lediglich für den Privatgebrauch bestimmte Anlage handele. In § 2 sei es ausdrücklich zugelassen, Konzessionen für derartige private Anlagen zu erteilen, so daß es einfach sei, durch eine Eingabe an den Reichskanzler um die Erteilung einer diesbezüglichen Konzession zu ersuchen. 236 Was das Gesetz wolle, sei die rechtliche Festlegung des vorhandenen tatsächlichen Zustandes. 237 233 Vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 4332. 234 So Η. v. Stephan (!), vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 4322ff. 235 Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 4323. Siehe auch S. 4331, wo Η.'v. Stephan von „für die Vermittlung von Nachrichten überhaupt" spricht. 236 vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Sten. Ber., S. 4334. 237 So Η. v. Stephan, vgl. Verh. d. Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/ 92, Sten. Ber., S. 4327; ebenso Abg. Graf v. Arnim, ebda, S. 4328 und nochmals Η. v. Stephan, ebda, S. 4335. Mit dem Hinweis auf den tatsächlichen Zustand dürfte
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A m Anwendungsbereich des § 1 änderte sich nichts mehr. Jede Anlage, die der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung diente, sollte grundsätzlich vom Ausschließlichkeitsanspruch des Reiches erfaßt sein. 238 c) Die Ausdehnung des staatlichen Alleinrechts im Bereich der drahtlosen Nachrichtenübermittlung durch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908 aa) Nachrichtentechnische Entwicklungen zum Aus gang des 19. Jahrhunderts und deren rechtliche Auswirkungen Die technische Entwicklung der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung war zwischenzeitlich nicht stehengeblieben. Die Erfindung des Kohlemikrofons durch David E. Hughes bereits im Jahr 1878 sowie die Einführung der Pupinspule 239 zum Ausgang des 19. Jahrhunderts ermöglichten die Führung des Fernsprechverkehrs auf lange Distanzen, beseitigten aber noch nicht die Leitungs- und damit Standortgebundenheit von Sender und Empfänger. Dies sollte erst die Entdeckung und Nutzbarmachung der drahtlosen Nachrichtentechnik ermöglichen, welche ebenso wie das Telefon aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Mit der Entdeckung des Funks als neuem Mittel der Nachrichtenübermittlung sind vor allem zwei Namen verbunden, die von Heinrich Hertz 240 und Gugliemo Marconi. Ersterem gelang als erstem die Erzeugung elektromagnetischer Wellen, was zugleich die Umsetzung der Theorien von Maxwell und Faraday über die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in die Praxis bedeutete. Die mittels eines einfachen Dipols durch elektrische Entladungen erzeugten elektromagnetischen Wellen überbrückten einen Raum von mehreren Metern und konnten als kleine Fünkchen nachgewiesen werden. 241 Mardie Forderung nach Legalisierung der Verwaltungspraxis der RPTV gemeint gewesen sein, da der tatsächliche Zustand gerade ein bestrittener war. 238 § 1 hätte auch lauten können: „Das Recht, Telegraphenanlagen (Anlagen für die Vermittlung von Nachrichten) zu errichten und zu betreiben, steht ausschließlich dem Reich zu". So auch die überwiegende Literaturmeinung nach Inkrafttreten des Telegraphengesetzes, vgl. W. Stenglein, Die strafrechtlichen Nebengesetze des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 1895, S. 203; G. Maas, Telegraphenwesen, 1892, Anm. 1 zu § 1 T G ; ders., A ö R Bd. 7 (1892), S. 479 (490); P. D. Fischer, SchmollersJb. Bd. 16 Heft 3 (1892), S. Iff.; später F. Scholz, in: Stengel-Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. I I I , 2. Aufl. 1914, S. 150. A . A . wohl nur L. Fuld, Der Gerichtssaal Bd. 48 (1893), S. 61 (63), der dem Begriff „Telegraphenanlagen" die reichsgerichtliche Definition der Telegraphenanstalt zugrundelegt. Danach wäre eine „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" eine Nachrichtenübermittlungsanlage zur Vermittlung von Nachrichten, was offensichtlich keinen Sinn ergibt. 239 Wirkung: Herabsetzung der Leitungsdämpfung. 240
Ausführlich zu H. Hertz/. Kniestedt, APF 1989, 41 ff.
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coni erfand 1895 die geerdete Sendeantenne und errichtete aufgrund seiner Erfindung 1897 auch die erste Anlage zur drahtlosen Nachrichtenübermittlung. Die Erzeugung von Hochfrequenz mittels elektrischer Funken und deren Abstrahlung in den freien Raum ermöglichten die Zeichengebung ohne Leitungen, nicht aber die Übermittlung von Sprache, weil dafür die Zahl der Funken und damit die Zahl der erzeugten elektrischen Schwingungen zu gering war. 2 4 2 Daher wurde nach neuen Methoden gesucht, die Schwingungen kontinuierlich und ungedämpft zu gestalten, um reine einwellige Schwingungen zu erhalten. Dies führte zur Erfindung der Elektronenröhre im Jahr 1906 durch den Amerikaner Lee de Forest und den Österreicher Robert von Lieben, die der gesamten Nachrichtentechnik zugute kommen sollte. 243 Sie kompensierte zum einen die Energieverluste auf Leitungen (Verstärkerfunktion) und war zum anderen ein idealer Erzeuger ungedämpfter Schwingungen (Oszillatorfunktion), der für jeden Funkbetrieb notwendigsten Voraussetzung. 244 Die geschilderten Erfindungen bewirkten die schlagartige Ausbreitung des Funkwesens, wodurch eine Regelungslücke im Telegraphengesetz entstand. Diese Regelungslücke betraf zwar nicht § 1 TG, da auch Anlagen, die sich des Funks als Übertragungsmittel bedienten, unter den Begriff der „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten" subsumiert werden konnten. § 3 TG ließ aber Ausnahmen vom bestehenden Regal zu, und eine gesetzliche Regelung, die Funkanlagen von dieser Ausnahmebestimmung ausschloß, fehlte. Eine einheitliche Regelung des Betriebs von Funkanlagen war aber schon wegen der Gefahr der gegenseitigen Störungen des jeweiligen Funkverkehrs durch andere Aussendungen unabdingbar. 245 Außerdem war zweifelhaft, ob sich das Telegraphenregal auch auf deutsche Schiffe außerhalb deutscher Hoheitsgewässer erstreckte. 246 Selbst wenn man dies bejahte, stellte sich die weitere Frage, ob nicht die zugunsten der Transportgesellschaften getroffene Ausnahme Vorschrift des § 3 Nr. 2 T G auch auf Schiff ahrtsunternehmen anwendbar war. 2 4 7 Ferner hatte Deutschland 1906 den Internationalen Funk241
Beschreibung der Hertz'schen Versuche bei J. Kniestedt, a.a.O., S. 45ff. 242 Ygi ψ Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 56 m.w.Nachw. 243
Vgl. H. Bredow, Aus meinem Archiv, 1950, S. 16. 244 y g i }i Bredow, a.a.O., S. 16f., sowie A. Eidenmüller, Die Einheit des Post-, Postbank- und Fernmeldewesens, 1983, S. 25. In letzterer Funktion ist die Röhre mittlerweile bis in höchste Frequenzen hinein von Transistoren und integrierten Schaltkreisen abgelöst worden; als verstärkendes Element findet sie hingegen zur Erzeugung sehr hoher Sendeleistungen noch Verwendung. 245 ygi. verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 5. Ein auch heute noch gültiges Argument. 246 vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 6. 247
Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 6.
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telegraphenvertrag in Berlin mit unterzeichnet. Dieser Vertrag enthielt aber eine ganze Reihe von Bestimmungen, deren Durchführbarkeit von der Möglichkeit abhing, den Land- und Schiffsstationen ihre Befolgung durch innerstaatliches Gesetz auferlegen zu können. 248 bb) Die Modifikationen des Telegraphengesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes 1908 Die soeben aufgezeigten Gründe veranlaßten den Gesetzgeber 1908, das Telegraphengesetz zu modifizieren. 249 Der Vorschrift des § 3 wurde ein zweiter Absatz hinzugefügt, in welchem die Funkanlagen von den genehmigungsfreien Anlagen ausgenommen wurden. Ferner wurde in § 3 a und § 3 b festgelegt, daß Telegraphenanlagen auf deutschen Schiffen nur mit Genehmigung des Reichs errichtet und betrieben werden durften, wenn sie nicht ausschließlich zum Verkehr innerhalb des Fahrzeugs bestimmt waren. Für ausländische Schiffe, die sich in deutschen Hoheitsgewässern aufhielten, wurde der Reichskanzler ermächtigt, entsprechende Anordnungen zu treffen. Abhängig war die Anwendbarkeit der neu hinzugekommenen Vorschriften wiederum vom Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen". Es soll daher der Frage nachgegangen werden, welches Verständnis das Abänderungsgesetz zum Telegraphengesetz diesem Begriff beimaß. cc) Das Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" im Abänderungsgesetz Dem von der RPTV eingebrachte Entwurf lag einerseits die Auffassung zugrunde, daß das Telegraphengesetz unter „Telegraphenanlagen" jede Nachrichtenbeförderung verstanden habe, die dadurch bewirkt werde, daß der an einem Ort zum sinnlichen Ausdruck gebrachten Gedanke am anderen entfernten Ort sinnlich wahrnehmbar wieder erzeugt werde, und nahm insoweit (fälschlicherweise) Bezug. 250 Im Widerspruch hierzu stellte der Entwurf fest, daß es bei der Schiffstelegraphie angezeigt sei, die gesetzlichen Regelungen 248 Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 7f. 249 Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes, RGBl. 1908, S. 79. Das Gesetz wird häufig mit dem Namen „Funknovelle" (weil in ihm die drahtlose Nachrichtentechnik erstmals ausdrücklich erwähnt wird), manchmal auch mit dem Namen „Telefunkennovelle" (weil das Gesetz angeblich auch einen Schutz der Firma Telefunken gegen ein Monopol der Marconi-Funkgeräte bezweckte), bezeichnet. 250 vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 5. Bei dieser Definition handelte es sich nicht um das Verständnis des Telegraphengesetzes (vgl. dazu oben b bb), sondern um die reichsgerichtliche Definition der Telegraphenanstalt (RGSt 19, 55ff.).
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nicht auf die Funkentelegraphenanlagen zu beschränken. Gewisse Arten der optischen und akustischen Télégraphié, so bspw. die Télégraphié mittels Scheinwerfer und Blinkfeuer, dürften der Genehmigung des Reichs nicht entzogen werden. 251 Eine Unterscheidung zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Arten von Télégraphié sei untunlich, so daß es sich empfehle, die zum Verkehr mit dem Land oder mit anderen Schiffen bestimmten Telegraphenanlagen allgemein der Genehmigungspflicht zu unterwerfen. 252 Demgegenüber kamen bei den Verhandlungen im Reichstag sehr viel engere Auffassungen dessen, was unter Télégraphié zu verstehen war, zum Vorschein. So führte selbst der Staatssekretär des Reichspostamts aus, daß der Funkentelegraphie noch Unvollkommenheiten anhafteten, da sie nicht wie die sonstige Télégraphié an einen metallischen (!) Leiter gebunden sei und nur diejenigen Apparate in Tätigkeit setze, die an diesen Leiter angeschlossen seien. 253 Noch deutlicher war der Abg. Schneider, der - ohne Widerspruch seitens anderer Abgeordneter - meinte, daß die gewöhnliche Télégraphié eine metallische (!) Leitung benutze, deren Endpunkt das Ziel der Nachricht sein solle. 254 Weder mit der reichsgerichtlichen Definition der Telegraphenanstalt, auf die der Entwurf der RPTV tatsächlich Bezug nahm, noch mit den soeben dargestellten Auffassungen zur Télégraphié läßt sich aber vereinbaren, daß §§3 a und b auch die akustische und optische „Télégraphié" zum Gegenstand des Abänderungsgesetzes machten. 255 Hier kam nochmals das dem Telegraphengesetz zugrundeliegende Verständnis zum Ausdruck, daß unter Télégraphié jede Form der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung zu verstehen sei. 256 dd) Auswirkungen des Gesetzes zur Abänderung des Telegraphengesetzes In der Folgezeit sollte sich dieses widersprüchliche Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" bis zum Erlaß des Gesetzes über Fernmeldeanlagen 251
Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 10. 252 Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode, I. Session 1907/1908, Sten. Ber. Bd. 244, Drucks. Nr. 560, S. 10. 253 Verh. d. Reichstags 1908, 12. Legislaturperiode I. Session, Sten. Ber. Bd. 230, S. 2590. 254 Verh. d. Reichstags 1908, 12. Legislaturperiode I. Session, Sten. Ber. Bd. 230, S. 2591. 255 y g i Verh. d. R eichstags, 12. Legislaturperiode I. Session, Sten. Ber. Bd. 246, Bericht der X X I . Kommission, Drucks. Nr. 681, S. 4379. 256 Vgl. Verh. d. Reichstags, 12. Legislaturperiode I. Session, Sten. Ber. Bd. 246, Bericht der X X I . Kommission, Drucks. Nr. 681, S. 4379. Das widersprüchliche Verständnis des Begriffs „Telegraphenanlagen" dokumentiert sich sehr deutlich bei A. Landsberg, Die drahtlose Télégraphié im deutschen und internationalen Verkehrsrecht, 1909, S. 10,14 (nur elektrische Télégraphié), S. 19f. (jede Art von Télégraphié).
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nicht bemerkbar machen. Größere Bedeutung erlangte von den abändernden Vorschriften vielmehr nur die Herausnahme der Funkanlagen aus dem Bereich der genehmigungsfreien Telegraphenanlagen. Sie ist noch heute in § 3 Abs. 2 F A G zu finden und leitet ihre Berechtigung damals wie heute aus dem Erfordernis der Ordnung des Funkverkehrs her.
d) Der Rundfunk als Präzisierung und Begrenzung der staatlichen Alleinrechte im Fernmeldewesen Durch den Ersten Weltkrieg erhielt die Nachrichtenübermittlung per Funk wegen der zunehmenden Zerstörung der interkontinentalen Kabelverbindungen durch die verfeindeten Staaten noch mehr Auftrieb. Standen zum Zeitpunkt der Mobilmachung am 2. August 1914 der Telegraphentruppe 800 Offiziere und 75000 Mann zur Verfügung, so kehrten am Ende des Krieges 4381 Offiziere und 185000 Mann der Nachrichtentruppe, die zwischenzeitlich eine selbständige Waffengattung geworden war, nach Hause zurück. 257 Nach Kriegsende bildete sich aus Truppenresten der Militärfunker eine „Zentralfunkleitung", die zunächst einen internen Funkbetrieb im Reichsgebiet aufrechterhielt. 258 Reichsregierung und Vollzugsrat befürchteten, daß die unter keiner Kontrolle stehenden Militärfunker ihre Funkgeräte zu revolutionären Zwecken mißbrauchen könnten. Sie riefen daher alsbald die schon vor dem Ersten Weltkrieg gebildete „Reichsrundfunkkommission" zusammen, in der neben dem Reichspostministerium das Ministerium des Innern, das Reichswehrministerium sowie das Auswärtige Amt ständig vertreten waren. 259 Diese Kommission gründete Ende Januar 1919 die Reichsfunkbetriebsverwaltung als Reichsbehörde, welche die Verwaltung des Personals und der Betriebsmittel der aufgelösten Heeres- und Marinefunkstellen übernehmen sollte. 260 Die Reichspost, die befürchtete, durch diese neu geschaffene Behörde in den Hintergrund gedrängt zu werden, bot daraufhin dem damaligen Vorsitzenden des Direktoriums des Telefunken-Konzerns, Hans Bredow, die Leitung des Funkbetriebs der Reichspost an. 2 6 1 H. Bredow übernahm neben dieser Leitung auch sogleich die der Reichsfunkbetriebsverwaltung mit der Folge, daß nun257 W. B. Lerg, Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland, 1965, S. 43; C. Haensel, Rundfunkfreiheit und Fernsehmonopol, 1969, S. 19. Mit der Entwicklung des Funkwesens vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigte sich schon früh der Aufsatz von Grallert, ArchPT 1921, Iff. 258 Vgl. w. B. Lerg, Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland, 1965, S. 43ff.; H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 11. 2 59 W. B. Lerg, a.a.O., S. 59; H. Bausch, a.a.O., S. 11. Vgl. E. Staedler, ArchFunk Bd. 3 (1930), S. 212 (220). 2 6i G. Herrmann, U F I T A Bd. 97 (1984), S. 1 (2); W. Β. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 42f.; H. Bausch, a.a.O., S. 11.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
mehr die Reichspost ihre dominierende Stellung bezüglich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung zurückgewonnen hatte. 262 aa) Rundfunk als technische Fortentwicklung
der drahtlosen Télégraphié
α) Die Entstehung des „Unterhaltungsrundfunks" Bredow war es auch, der als erster die Idee hatte, die drahtlose Telephonie als Mittel für die Unterhaltung und Belehrung aller Bevölkerungsschichten nutzbar zu machen. 263 Zusammen mit Funkern der bereits erwähnten Nachrichtentruppen hatte er schon im Ersten Weltkrieg, wenn auch in kleinem Rahmen, Musikübertragungen durchgeführt. Für kommerzielle Zwecke waren diese Versuche bei Kriegsende aber noch nicht weit genug fortgeschritten. 2 6 4 Nach Kriegsende führte die Reichspost deshalb zunächst einen „telegraphischen Rundfunk" ein, der ca. 80 Stationen im ganzen Reich täglich mit Nachrichten belieferte. 265 Wegen der Bedienungsfrage (Kenntnis von Morsezeichen) konnte dieser aber nur als Vorgänger für einen „telephonischen Rundfunk", bei dem jeder seinen eigenen Empfänger wie ein Telefon bedienen konnte, gelten. 266 Verstärkt wurde die Idee der Umstellung auf einen „telephonischen Rundfunk" noch durch die Tatsache, daß das Bedürfnis nach schnellerer Übermittlung von Wirtschaftsnachrichten ab 1920 durch den „telegraphischen Rundfunk" nicht mehr ausreichend befriedigt werden konnte. 2 6 7 Aber erst ein der Reichspost 1921 unterbreiteter Vorschlag der „Eildienst für amtliche und private Handelsnachrichten GmbH" zeigte die wirtschaftliche Grundlage auf, auf welcher die geplante Umstellung durchführbar erschien. 268 Die Gesellschaft garantierte, für eine Reihe von Jahren alle Betriebskosten für einen Telephoniesender zu übernehmen sowie für eine Mindestzahl von Beziehern der Nachrichten zu sorgen. Die erforderlichen Empfangsanlagen sollten von der Reichspost gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt werden.
262 Vgl. G. Herrmann, a.a.O., S. 2; H. Bausch, a.a.O., S. 12; E. Staedler, a.a.O., S. 220. 263 Entwickelt im sog. Urania-Vortrag am 16. 11. 1919 in Berlin, wo Bredow der Öffentlichkeit erstmals eine Musikübertragung mittels Funk vorführte, vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 11. 264 Vgl. H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 12. 265 Vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 9; H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 24; H. Bausch, a.a.O., S. 12; W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 48 ff. 266 H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 9f. 267 H. Bredow, a.a.O., S. 10. 268 H. Pohle, a.a.O., S. 24f.; Η. Bausch, a.a.O., S. 14.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 1 8 9
Den Schutz des Telegraphengeheimnisses glaubte man dadurch wahren zu können, daß die Empfangsgeräte fest auf die für den Wirtschafts„rundfunk" bestimmte Frequenz abgestimmt und darüberhinaus plombiert wurden. 269 Im August 1922 war die Umstellung auf den telephonischen „Rundfunk" als neuem Nachrichtendienst der Reichspost mit der ersten telephonischen Rundspruchsendung erfolgreich vollzogen. Damit waren zugleich die Vorarbeiten für die Einführung eines „Unterhaltungsfunks" geleistet. 270 Da dieser aber von den technischen Voraussetzungen her aufwendiger war als ein bloßer „telephonischer Rundfunk", erforderte seine allgemeine Einführung zusätzliche Zeit. In der Zwischenzeit (Ende 1922) verschlechterte sich aber die wirtschaftliche Lage (auch) der Reichspost zusehends, so daß sie sich nicht mehr in der Lage sah, das finanzielle Risiko der Einrichtung eines Unterhaltungsrundfunks allein zu übernehmen. 271 Es mußten daher Geldgeber gefunden werden, die bereit waren, die Kosten für die tägliche Durchführung von Programmen zu übernehmen und die der Reichspost entstehenden Unkosten für den Betrieb der Rundfunksender zu decken. Ein Betrieb von Rundfunksendern durch Private erschien der Reichspost wegen ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Telegraphengeheimnisses ausgeschlossen; die Sender sollten vielmehr durch die Reichspost selbst betrieben werden. Unter diesen Voraussetzungen Geldgeber zu finden, die bereit waren, einen Teil der Kosten für den zukünftigen Unterhaltungsrundfunk zu übernehmen, benötigte (neben den technischen Entwicklungsarbeiten) gleichfalls einige Zeit. Der Unterhaltungsrundfunk konnte daher erst im Oktober 1923 offiziell eingeführt werden. ß) Vermeintliche Hindernisse beim Aufbau des „Unterhaltungsrundfunks" In der Zwischenzeit hatte aber bereits die Zahl der Funkbegeisterten, inspiriert zum einen durch die allgemeine Freigabe des Rundfunks in den Vereinigten Staaten, zum anderen durch die Kriegsfunker, schlagartig zugenommen, und man schätzte ihre Zahl bereits auf Zehntausende im Jahr 1923. 272 Sie for269
H. Bredow, a.a.O., S. 10. Bereits am 22. 12. 1920 hatte der posteigene Sender Königswusterhausen ein Weihnachtskonzert gesendet; ab Mai 1922 wurden vom gleichen Sender laufend „Sonntagskonzerte" veranstaltet, vgl. H. Pohle, a.a.O., S. 24. 271 G. Herrmann, U F I T A Bd. 97 (1984), S. 1 (3). 272 H. Pohle, a.a.O., S. 25. Vgl. ferner E. Neugebauer, ArchPT 1924,152 (154 FN 7); H. Bredow, a.a.O., S. 12, 19; Schäfer, JR 1928, 215; H. Thum, ArchPT 1928, 273; Schuster, APF 1949, 309 (310); H. Bausch, a.a.O., S. 26 FN 31. Für das Jahr 1925 gibt O. Opet, Gruchot's Beiträge Bd. 68 (1927), S. 466 (468) die Zahl der Schwarzhörer mit über 200. 000 an. Diese Entwicklung wird auch durch einige Oberlandesgerichtsentscheidungen aus dieser Zeit belegt. Vgl. O L G München, ArchPT 1923, 182; O L G 270
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
derten vehement, das die technische Entwicklung hemmende Telegraphen„regal" aufzuheben und den Betrieb des „Unterhaltungsrundfunks" gänzlich freizugeben. Damit einhergehend dachten sie nicht daran, von der Reichspost zur Verfügung gestellte, plombierte Empfangsgeräte zu benutzen. 273 Das war aus der Sicht der Reichspost eine höchst unerwünschte Entwicklung. In der ständigen Zunahme nicht von ihr genehmigter Funkempfangsanlagen sah sie vor allem den Schutz des Telegraphengeheimnisses gefährdet. 274 Darüber hinaus bedeutete ein ungenehmigter Empfang den Ausfall von Genehmigungsgebühren, die die Reichspost dringend benötigte, um den Aufbau und Betrieb von Sendern für den „Unterhaltungsrundfunk" finanzieren zu können. Erst recht untragbar erschien ihr nach wie vor der Betrieb eines Rundfunks ganz durch Private. Es drohte aus ihrer Sicht zum einen ein Wellenchaos, wie es beim amerikanischen Rundfunk bereits aufgetreten war („wireless craze"). Zum anderen dachte man mit Schrecken daran, daß private Gruppen den Funk wiederum zur Verbreitung von Revolutionsaufrufen benutzen könnten, wie es bereits 1917 in der russischen Revolution und kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs auch in Deutschland geschehen war. 2 7 5 γ) Die Rechtslage bei Einführung des „Unterhaltungsrundfunks" Die Rechtslage sprach hinsichtlich des „Unterhaltungsrundfunks" nicht gerade eindeutig für ein Ausschließlichkeitsrecht des Reiches, zu dessen Ausübung die Reichspost allein berechtigt gewesen wäre. Zwar konnten Funkanlagen schon seit dem Erlaß des Telegraphengesetzes unter das in § 1 T G statuierte Ausschließlichkeitsrecht des Staates fallen, aber nur dann, wenn sie Nachrichten vermittelten. 276 Das aber war beim Unterhaltungsrundfunk im Braunschweig, ArchPT 1923, 424; O L G Dresden, ArchPT 1928, 156; O L G Breslau, ArchPT 1928, 269; O L G Hamm, ArchPT 1928, 300. 273 Zu diesem Zeitpunkt gab es überhaupt nur 1300 von der Reichspost genehmigte Funkempfangsanlagen, vgl. H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 25. 274 So I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 23; W. B. Lerg, a.a.O., S. 159f.; ebenso schon H. Thum, ArchPT 1922, 345 (361). Vgl. ferner Schäfer, JR 1928, 215. 275 Vgl. I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 23 m.w.Nachw.; H. Thum, in: H. Bredow (Hrsg.), Aus meinem Archiv, 1950, S. 25 (26). 276 Vgl. oben bb, sowie RGSt 19, 55 (61); F. Scholz, in: Stengel-Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. I I I , 2. Aufl. 1914, S. 150; K. Schneidewin, in: M. Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen, Bd. I, 5. Aufl. 1928, Anm. 8 zu § 1 TG; aus neuerer Zeit H. Ridder, in: G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964, S. 292 (300). Anderer Ansicht E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 47f.; E. Reiche, Funkrecht, 1925, S. 2 m.w.Nachw.; O. Hoechstetter, Beiträge zur Entwicklung des Rundfunkrechts, Diss. Erlangen 1928, S. 19.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 1 9 1
Gegensatz zu den bisher bekannten Kommunikationsarten, die sich des Funks bedienten, problematisch, weil unter Nachrichten nach damaligem Verständnis menschliche Gedankenerklärungen zu verstehen waren, 277 beim Unterhaltungsrundfunk aber vorwiegend Musik gesendet werden sollte. Darüberhinaus war in der Literatur und in der Öffentlichkeit die Anwendbarkeit des Telegraphengesetzes auf reine Empfangsanlagen zusätzlich mit dem Argument bestritten, daß die Bestimmungen des Telegraphengesetzes einen gegenseitigen Funkverkehr (Vermittlung) voraussetzten. 278 Bei Funkempfangsanlagen fehlte es aber am Merkmal der Gegenseitigkeit, bei solchen zu Zwecken des Rundfunks darüber hinaus auch an der Vermittlung gerade von Nachrichten. War aber das Telegraphengesetz auf Funkempfangsanlagen nicht anwendbar, so war eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Teilnehmergebühren für den Rundfunkempfang von vorneherein nicht ersichtlich. Diese insoweit nicht eindeutige Rechtslage machte aus Sicht der Reichspost ein Gesetz erforderlich, mit welchem der Schutz des Telegraphengeheimnisses besser zu gewährleisten war als mit dem Telegraphengesetz. Zudem sollte das neue Gesetz eine eindeutige Regelung hinsichtlich der Gebührenpflicht der Rundfunkteilnehmer beinhalten. Nach seinem Erlaß sollte sodann durch eine großzügigere Erteilung von Funkempfangsgenehmigungen die „Funktelephonie" für unterhaltende Zwecke nutzbar gemacht werden. Andererseits stand die Einführung des Unterhaltungsrundfunks Ende 1923 unmittelbar bevor, die wegen zu erwartender immenser Gewinne nicht bis zum Inkrafttreten eines neuen und zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal in Umrissen vorliegenden Gesetzes hinausgezögert werden sollte. Entsprechende Verfügungen sollten daher (vorübergehend) den Schutz des Telegraphengeheimnisses gewährleisten sowie die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren begründen. 279 Damit aber stieß die Reichspost auf heftigsten Widerstand in weiten Teilen der Bevölkerung. 280 Vor allem die Funkverbände kämpften erbittert gegen die „Beschlagnahme des Luftraums" 281 mit der Folge, daß Zehntausende sich weigerten, die Verfügungen überhaupt zur 277
Vgl. RGSt 19, 55 (57); K. Stenglein, a.a.O., Anm. 8 zu § 1 TG. Vgl. für drahtgebundene Anlagen bereits RGSt 19, 55 (61). Ferner A. Wolcke, Telegraphenrecht, Bd. I, 1911, S. 100; F. Scholz, in V. Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts Bd. V/II, 1915, § 221, S. 761. Α . A . dagegen K G , ArchPT 1919, 271 (272) sowie die in FN 784 nachgewiesene Rspr.; K. Schneiderin, a.a.O., Anm. 9 zu § 1 TG. Ersteres Argument fand, bezogen auf Rundfunkempfänger, auch nach Erlaß der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs 1924 weiter Unterstützung. Vgl. RFH DJZ 1925, 1337; R G Z 116, 93 (94). 279 Vgl. Verfügung Nr. 815 vom 24. Oktober 1923 über die „Einführung eines Unterhaltungsrundfunks in Deutschland", Amtsblatt RPM 1923, S. 885ff.; Verfügung Nr. 975 vom 30. 11. 1923, Amtsblatt RPM 1923, S. 1057. 280 W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 97ff. 281 Vgl. bei E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 49 und bei Schuster, APF 1949, 309 (311). 278
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Kenntnis zu nehmen. Sie hörten den Rundfunk ohne die nach den Verfügungen erforderliche Genehmigung, sie bauten sich eigene Empfangs- und auch Sendegeräte und kauften solche Funkgeräte und Geräteteile, die nicht mit dem von der Reichspost zu erteilenden Zulassungsstempel versehen waren. 282 δ) Gründe für den Erlaß der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs (FunkVO) Angesichts dieser Reaktionen aus der Bevölkerung drohte aus Sicht der Reichspost sowohl der Schutz des Telegraphengeheimnisses als auch die Finanzierung des Rundfunks durch Gebühreneinnahmen ad absurdum geführt zu werden. Noch weitergehend glaubte das Reichsministerium des Innern, in dem Verhalten der Bevölkerung eine schwere Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit des Reiches erblicken zu müssen. 283 Man gab vor, daß auch Empfangsanlagen mit nur geringen Veränderungen zu Sendern ausgebaut werden könnten, so daß ein der Staatsgewalt entzogenes, geheimes Nachrichtennetz entstehen könnte, 2 8 4 welches in Fällen der Gefahr die Durchführung von Maßnahmen der verfassungsmäßigen Regierung ernstlich gefährden könnte. 285 Das geplante Gesetz zum Schutz des Telegraphengeheimnisses blieb auf der Strecke. Anstattdessen erging am 8. März 1924, vom Reichspräsidenten erlassen, die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs als Notverordnung auf der Grundlage des Art. 48 Abs. 2 W R V . 2 8 6 282 Vgl. H. Bredow, bei E. Reiche, Funkrecht, 1925, S. I I I f., sowie H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 25f. 283 Vgl. Schuster, APF 1949, 309 (310); H. Bausch, a.a.O., S. 26f.; W. B. Lerg, Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland, 1965, S. 160. 284 Kritisch zu diesem „Funkerspuk" W. B. Lerg, a.a.O., S. 162, der zu Recht der Auffassung ist, daß zu diesem Zeitpunkt (Ende 1923) die aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Funkgeräte bereits völlig veraltet waren. Andererseits darf man die politisch besonders unsicheren Verhältnisse der Jahre 1919 -1923 nicht ganz unberücksichtigt lassen. 285 Insoweit verkannt von O L G Dresden, ArchPT 1928, 156, wenn es ausführte, daß die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs der Gefahr entgegenwirken sollte, daß ungenehmigte Funkanlagen postgenehmigte Anlagen in ihrem Betrieb beeinträchtigten. Das hätte aber keinesfalls gereicht, um den Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V zu genügen. 286 RGBl. 1924, S. 273. Veranlaßt wurde die Verordnung durch das Reichspostministerium, /. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 43; W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 99f. Unabhängig von dem Gedanken der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konnte eine neue Verordnung den Schutz des Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses vorübergehend besser gewährleisten als das alte Telegraphengesetz. Man gewann dadurch Zeit, die Regelungen des Telegraphengesetzes auf die aktuellen Erfordernisse anzupassen. Zum anderen konnte nur eine eindeutige Genehmigungspflicht auch der Funkempfangsanlagen sicherstellen, daß die Kosten für die Rundfunksender von den Teilnehmern (in Form von Genehmigungsgebühren) aufgebracht wurden.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 1 9 3
Überzeugend war die Begründung der Abwehr von Gefahren durch zu Sendegeräten umgebauten Funkempfangsanlagen als Grund für den Erlaß der FunkVO keineswegs.287 Dafür hätte es der FunkVO nicht bedurft, weil das Errichten und Betreiben eines zum Sender umgebauten Empfangsgerätes bereits nach § 9 T G strafbar war. Mit der außerordentlichen Verschärfung der strafrechtlichen und -prozessualen Bestimmungen des Telegraphengesetzes durch die FunkVO bei ausdrücklicher Einbeziehung auch der Empfangsanlagen war etwas anderes beabsichtigt: Die Disziplinierung Hunderttausender, 288 die sich nicht an die (jedenfalls hinsichtlich reiner Funkempfangsanlagen wohl nicht gegebene) Funkhoheit des Reiches hatten halten wollen. 2 8 9 So wurde bspw. das vorsätzliche Errichten und Betreiben auch einer Funkempfangsanlage entgegen den Bestimmungen der Verordnung direkt „mit Gefängnis" bedroht (§2), die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe war nicht vorgesehen. Auch wurde erstmals die Einziehung der verwendeten Geräte vorgesehen, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Schwarzhörer gehörten oder nicht. ε) Die Schwächen der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs als Ursache für den Erlaß des Gesetzes über Fernmeldeanlagen αα) Inhaltliche Schwächen der FunkVO Gerade die Verschärfungen der FunkVO wiesen aber in der Folgezeit deutliche Schwächen in ihrer Anwendung auf. Zwar hatte § 1 FunkVO im Gegensatz zu den früheren von der Postverwaltung initiierten Gesetzen präzise 287
Die Begründung zur FunkVO findet sich bei W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 99f. Im verfassungsrechtlichen Schrifttum der Weimarer Republik wurde der Erlaß der FunkVO als typisches Beispiel einer verfassungswidrigen Anwendung von Art. 48 genannt, vgl. nur F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, 6. Aufl. 1925, Anm. 4 zu Art. 48; A. Arndt, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 3. Aufl. 1927, Anm. 4 zu Art. 48. Eine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Berechtigung des Erlasses einer auf Art. 48 basierenden Verordnung gab es nicht, vgl. RG, JW 1927, 793. 288 Dies läßt auch die Entscheidung des O L G Dresden, ArchPT 1928,156 erkennen. Vgl. auch H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 8. 289 Tatsächlich ist ein Ausschließlichkeitsrecht des Staates hinsichtlich reiner Funkempfangsanlagen nicht überzeugend zu begründen. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Funkwellen kann sie jeder empfangen, der ein Empfangsgerät auf die Sendefrequenz abstimmt. Damit aber handelt es sich bei jedem Sender um eine tatsächlich allgemein zugängliche Informationsquelle. A n diesem physikalischen Tatbestand ändern auch Vorschriften, die Besitz, Errichten und Betreiben von geeigneten Empfangsfunkanlagen ohne Genehmigung verbieten, nichts. Will der Sender das Mithören wirksam verhindern, so muß er seine zu sendenden Nachrichten verschlüsseln. Damit wird zugleich der Schutz des Fernmeldegeheimnisses besser gewährleistet als durch Verbote seitens des Staates, bestimmte Frequenzbereiche zu empfangen. Ansatzweise in diese Richtung jetzt auch L G Wiesbaden, D W W 1989, 25f. 13 Köbele
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bestimmt, daß Sende- und Empfangseinrichtungen jeder Art, die geeignet seien, Nachrichten, Bilder oder Töne auf elektrischem Weg ohne Verbindungsleitungen oder mit elektrischen, an einem Leiter geführten Schwingungen zu übermitteln, genehmigungspflichtig seien, womit zum ersten Mal eine begriffliche Bestimmung, wenn auch nur eines Mittels der Nachrichtenübertragung, verwendet wurde. 2 9 0 Aber schon die Strafdrohung des § 2 FunkVO wurde durchweg als zu hart empfunden. Die fehlende Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe bei vorsätzlichen Verstößen gegen die FunkVO veranlaßte die Gerichte sehr bald, auf die Verordnung über Vermögensstrafen vom 6. 2. 1924 auszuweichen, um gleichwohl mit der Verhängung von Geldstrafen auf entsprechende Verstöße gegen die FunkVO angemessen reagieren zu können. 291 Zu Ungereimtheiten führte ferner § 4 Abs. 1, der die Einziehung der benutzten Funkgeräte unabhängig von der Eigentumslage und in Erweiterung der allgemeinen Einziehungsregeln des Strafgesetzbuchs anordnete. Zum einen unterlagen Gegenstände, die zur Begehung wesentlich schwererer Straftaten verwendet worden waren, nicht ohne weiteres der Einziehung, sondern nur dann, wenn sie dem Täter oder Teilnehmer gehörten. Die unzureichende Berücksichtigung der Eigentumslage führte zum anderen dazu, daß ein Funkgerät, welches vor Rechtskraft des Strafurteils gegen den Täter von einem Käufer gutgläubig erworben wurde, der Einziehung unterlag. War das Urteil dagegen bereits rechtskräftig, so griffen die Regeln des bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb vom Nichtberechtigten zugunsten des Erwerbers ein. 2 9 2 Zu Recht wurde demgegenüber darauf hingewiesen, daß die Gutgläubigkeit in beiden Fällen die gleiche sei, so daß sich die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen lasse. 293 Als zu großzügig zugunsten der Exekutive erwies sich ferner § 5 FunkVO, der der Polizei die Durchsuchung von Wohnungen auch zur Nachtzeit bei bloßem Verdacht des Verstoßes gegen Vorschriften der FunkVO gestattete. Weder bedurfte es einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, noch mußte wenigstens „Gefahr im Verzug" bestehen. Die Folge dieser Vorschrift war, daß sich die Polizei jederzeit Zutritt zu jeder beliebigen Wohnung verschaffen konnte, was den in Art. 115 W R V niedergelegten Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung gegenstandslos machte. 294 290 Der Verordnungsgeber sah aber wohl Funkanlagen als Anlagen eigener Art an, wie sich aus § 3 der V O ergibt. Allerdings erfaßte die Verordnung nicht alle Telegraphenanlagen, wie § 8 deutlich erkennen läßt. 29 1 Vgl. O. Opet, Gruchot Bd. 68 (1927), S. 466 (470ff.). 292 Vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 FunkVO. 293 Vgl. O. Opet, a.a.O., S. 472. 294 Allerdings ist heute der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG in dieser Richtung auch nicht viel besser, weil Zufallsfunde aus rechtswidrigen Durchsuchungen verwertet werden können, vgl. § 108 StPO.
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§ 7 FunkVO, der denjenigen, die in der Öffentlichkeit Sende- und Empfangseinrichtungen sowie die für solche Einrichtungen bestimmten Einzelteile darstellten, die Verpflichtung auferlegte, einen deutlichen Hinweis auf die Strafbarkeit der Errichtung und des Betriebs derartiger Einrichtungen ohne Genehmigung der Reichspost beizufügen, 295 und darüber hinaus einen Verstoß gegen die Hinweispflicht unter Strafe stellte, erntete nach Inkrafttreten der FunkVO beißende Kritik und wurde bereits 3 Monate nach Inkrafttreten der FunkVO wieder aufgehoben. 296 In anderer Hinsicht erwiesen sich die Strafvorschriften der FunkVO als zu eng, da sie nur den vorsätzlichen Verstoß unter Strafandrohung stellten. Dadurch gelang es vielen Tätern, sich unter Berufung auf eine fahrlässige Begehungsweise der Bestrafung überhaupt zu entziehen. ßß) Prinzipielle Schwäche der FunkVO Neben den soeben dargestellten inhaltlichen Schwächen war die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs auf Dauer allein nicht geeignet, eine sichere Rechtsgrundlage für die Regelung des Funkwesens abzugeben, da sie als Notverordnung auf der Basis des Art. 48 W R V ergangen war. Dadurch war bereits die Frage aufgeworfen, ob die Voraussetzungen des Art. 48 W R V bei Erlaß der FunkVO überhaupt gegeben waren. 297 Bereits dies war zweifelhaft, da Art. 48 Abs. 2 W R V eine erhebliche Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlangte und es doch sehr fraglich war, ob das bloße Schwarzhören, ja selbst das Schwarzsenden den Tatbestand der erheblichen Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verwirklichte. Aber selbst wenn man dies bejahte, so mußten die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V weiterhin gegeben sein, um die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs aufrechterhalten zu können. Das aber war angesichts der fortschreitenden Stabilisierung der politischen und wirt-
295 Vgl. nunmehr §§ 15 Abs. 1 F A G , 27 StGB. 296 RGBl. 1924 I, S. 670. Vgl. dazu E. Reiche, Funkrecht, 1925, S. 82f. und aus neuerer Zeit I. Fessmann, a.a.O., S. 45; W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 106. Die Reichspost versuchte nach Erlaß der FunkVO, dieser durch Allgemeingenehmigungen, die Erleicherungen für Produktion, Vertrieb und Eigenbau von Funkempfangsanlagen brachten, einige Spitzen zu nehmen (Vgl. vor allem die Bekanntmachung über den Unterhaltungsrundfunk vom 24. 8. 1925, Amtsblatt RPM 1925, S. 445ff.). Die meisten Funkbastler verloren in der Folgezeit das Interesse an dem Hobby Funkempfang. Einige dagegen wandten sich demgegenüber der Sendeseite zu. Aus ihnen rekrutierten sich die „Funkfreunde" (später: Funkamateure), deren Rechtsstellung seit 1949 durch ein eigenes, vom Gesetz über Fernmeldeanlagen weitgehend unabhängigen „Gesetz über den Amateurfunk" geregelt wird (vgl. dazu unten e). 297 Vgl. W. Kronheimer, A ö R Bd. 46 (1924), S. 304 (311f.); Plagge, D R i Z 1926,179
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schaftlichen Verhältnisse der Weimarer Republik selbst bei Zugrundelegung der offiziellen Begründung (Gefahr der Entstehung geheimer Nachrichtennetze) für den Erlaß der FunkVO schon bald nicht mehr der Fall, 2 9 8 so daß es zur dauerhaften Regelung des Funkwesens eines Gesetzes bedurfte. ζ) Die Entstehung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen Schon bald nach Erlaß der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs war die Reichspost damit beschäftigt, die Bestimmungen der FunkVO in das Telegraphengesetz einzuarbeiten. Gleichzeitig sollten andere neu aufgekommene Fragen des Fernmelderechts eine gesetzliche Regelung erfahren. 299 Bereits im Juni 1925 wurde daher der Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung des Telegraphengesetzes dem Verwaltungsrat der Reichspost vorgelegt, der der Vorlage vorbehaltlos zustimmte. Im November 1926 erfolgte sodann die Vorlage an den Reichsrat, der einige hier nicht näher zu untersuchende Abänderungen vornahm. Fast ein Jahr später ging der Entwurf dem Reichstag zu, 3 0 0 wo er unverändert angenommen wurde. 3 0 1 Das Gesetz wurde am 3. Dezember 1927 ausgefertigt und als „Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes" im Reichsgesetzblatt verkündet. 302 Die Bekanntmachung erfolgte am 14. Januar 1928 unter dem Namen „Gesetz über Fernmeldeanlagen". 303 bb) Der Rundfunk auch als ein publizistisch relevantes Phänomen Auffallend ist, daß das Gesetz über Fernmeldeanlagen keinerlei Regelungen enthält, die sich speziell auf den Rundfunk beziehen, obwohl die Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs, die als Reaktion speziell auf Entwicklungen im Zusammenhang mit dem „Unterhaltungsrundfunk" erging, mit Modifikationen in das Gesetz über Fernmeldeanlagen eingegangen ist. Das Fehlen spezifischer rundfunkrechtlicher Regelungen im Gesetz über Fernmeldeanlagen kann zwei Gründe haben: Entweder erachtete man das Gesetz über Fernmeldeanlagen als ausreichende Ermächtigungsgrundlage, um den Rundfunk als ganzes zu regeln, weil es bei diesem (auch) zu Übermittlungsvorgängen kommt. Spezieller Regelungen hinsichtlich des Rundfunks bedurfte es dann 298 Vgl. auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Telegraphengesetzes, Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Band 419, Drucks. Nr. 3682, S. 5. Klagen gegen die FunkVO blieben allerdings erfolglos, vgl. BayObLG, JW 1926, 2544; L G Hannover, ArchPT 1926, 225; L G Leipzig ArchPT 1926, 226. 299 Zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes über Fernmeldeanlagen E. Neugebauer, ArchPT 1928, 41 ff. 300 V g l . Verh. d. Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 419, Drucks. Nr. 3682. soi vgl. Verh. d. Reichstags 1924/1927, Sten. Ber. S. 11719, 11732 D. 302 303
RGBl. 19271, S. 331. RGBl. 1928 I , S. 8.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG
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nicht. Oder man war der Ansicht, daß es schon an der verfassungsrechtlichen Kompetenz für Regelungen des Unterhaltungsrundfunks, die über fernmelderechtliche Fragen hinausgingen, fehlte. Dann aber konnte das einfache Gesetz nur solche Regelungen enthalten, die den „Unterhaltungsrundfunk" wie jeden anderen Fernmeldedienst gleichermaßen betrafen, mithin den „Unterhaltungsrundfunk" nur in seinem technischen Teil. Welche von den beiden Möglichkeiten tatsächlich zutraf, soll im folgenden nachgegangen werden. Danach läßt sich die Frage beantworten, ob die Reichspost anhand des „Unterhaltungsrundfunks" ihren Aufgabenkreis zulässigerweise über den Bereich der Nachrichtenübermittlung hinaus ausdehnen konnte.
α) Die organisatorische und kulturelle Komponente des „Unterhaltungsrundfunks" 1919 - 1923 Zu dem Zeitpunkt, als Bredow seine Idee von einem Funkdienst „an alle" zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte, 304 war man bei der Reichspost noch allgemein der Ansicht, daß ein „Unterhaltungsrundfunk" weder ins Postressort falle, noch wegen seiner publizistischen Eigenheiten zu den Aufgaben der Post passe, weil er keine „Verkehrsaufgabe" sei. 305 Es bestand daher zunächst kein Interesse, sich mit der Schaffung einer Rundfunkorganisation zu befassen. 306 Auf Betreiben Bredows entschloß man sich in der Reichspost dagegen rasch, die für die nach Ansicht der Reichspost dritte Art der Nachrichtenübermittlung 307 erforderlichen Rundfunksender selbst zu betreiben. 308 Die Zusammenstellung und Darbietung von Rundfunkprogrammen allerdings konnte die Reichspost schon aus finanziellen Gründen nicht übernehmen; das sollte vielmehr durch private Gesellschaften besorgt werden. 309 Den Einfluß auf diese sicherte sich die Reichspost über die Einführung einer Konzessionspflicht, d. h. die Rundfunkgesellschaften sollten einer fernmelderechtlichen (Sende)Konzession zur Herstellung und Verbreitung von Rundfunksendungen bedürfen. Diese erhielten sie aber nur, wenn sie der Reichspost Kapitalanteils-Stimmrechte einräumten.
304 Im sog. Urania-Vortrag am 16. 11. 1919 in Berlin, wo Bredow der Öffentlichkeit erstmals eine Musikübertragung mittels Funk vorführte, vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 11. 305 Vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 25. 306 H. Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. I I , 1956, S. 171; H. Pohle, Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 33; H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 13. 307 „Nachrichten an alle", vgl. Schuster, APF 1949, 309 (311). 308 Vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 12. 309 Vgl. H. Pohle, a.a.O., S. 33ff.; K. Magnus (Hrsg.), Der Rundfunk in der Bundesrepublik und West-Berlin, 1955, S. 16.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Bei dem geplanten „Unterhaltungsrundfunk" handelte es sich aber nicht nur um eine dritte Art der Nachrichtenübermittlung, sondern auch um ein Instrument, um die Meinungsbildung vieler zu beeinflussen. 310 Im Hinblick auf das Publikationsinstrument Rundfunk trat schon in der Phase der Planung der Einführung des „Unterhaltungsrundfunks" das Reichsministerium des Innern auf den Plan und beanspruchte den Rundfunk für sich. 311 Er sollte in den Dienst überparteilicher Öffentlichkeitsarbeit gestellt und insbesondere der Reichsregierung nutzbar gemacht werden, damit diese ein wirksames Publikationsorgan zur politischen Selbstdarstellung besaß. 312 Der Reichspost schwebte demgegenüber ein unterhaltender und belehrender Funkdienst vor. 3 1 3 Demzufolge sollte sich das „Kulturinstrument" Rundfunk überhaupt nicht mit aktueller Berichterstattung befassen, um nicht in die Niederungen der tagespolitischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Dies sicherzustellen konnte nach Ansicht der Reichspost nur sie selbst gewährleisten, weil sie lediglich sachlichen Verwaltungsprinzipien verpflichtet und damit inhaltlich neutral sei. 314 Die Ausgangsposition der Reichspost im Streit mit dem Reichsministerium des Innern erschien nicht allzu günstig; war ihr doch selbst klar, daß sich ihre Verwaltungskompetenz nur auf die Technik des Rundfunks erstreckte, während eine Prüfung des auszusendenden Nachrichtenstoffs zur Zuständigkeit der inneren Verwaltung gehörte. 315 Trotzdem gelang es ihr, sich in Verhandlungen weitgehend gegen das R M I durchzusetzen. 316 Der Post wurde neben der Aufgabenwahrnehmung des technischen Rundfunkbetriebs auch die Ausgestaltung des programmlichen Rundfunkwesens dadurch eingeräumt, daß sie die Verträge mit den Rundfunkgesellschaften abschließen sollte. Zurückstekken mußte die Reichspost nur insoweit, als die Programmgestaltung der Rundfunkgesellschaften von zwei Sendegesellschaften vorgenommen werden sollte: durch die Drahtlose Dienst A G ( D R A D A G ) , die vom R M I beherrscht wurde, sowie der Deutsche Stunde GmbH, die von der Reichspost protegiert wurde. Dabei sollte die D R A D A G die Herstellung und Verbreitung des
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Publizistisch-kulturelle Komponente des Rundfunks. Vgl. W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 85; /. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 26ff. 312 Vgl. bei W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 85ff. 313 Vgl. K. Sautter, ArchPT 1922, 249 (250ff.); H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 19. 314 H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 19. 315 Vgl. Schreiben des RPM an das R M I vom 20. 12. 1922, auszugsweise wiedergegeben bei W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 83f.; H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 18f., 40. 316 So I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 27. 311
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publizistisch relevanten Teils des Rundfunkprogramms übernehmen (Tagesnachrichten und Darbietungen politischen Inhalts), während die Deutsche Stunde für die musikalischen und literarischen Darbietungen, also für die kulturelle Gestaltung der Rundfunkprogramme zuständig sein sollte. 317 Vor der Tür blieben bei dieser Aufteilung die Länder, obwohl doch gerade ihre Zuständigkeit für Fragen des Rundfunks, die nicht dessen Technik betrafen, nicht von der Hand zu weisen war. 3 1 8 Diese waren aber auch nicht sonderlich daran interessiert, ihrerseits Regelungen für den zukünftigen „Unterhaltungsrundfunk" zu erlassen, sondern verhielten sich zunächst abwartend. 319 Hintergrund dieser Haltung war die Entscheidung der Reichspost, das Reichsgebiet in neun Rundfunkbezirke aufzuteilen, weil ein zentraler Unterhaltungsrundfunk technisch zu aufwendig war und damit auch finanziell unerschwinglich geworden wäre. 320 Für jeden mit einem eigenen Netz funktechnischer Übermittlungsanlagen ausgestatteten Rundfunkbezirk sollte eine Sendegesellschaft zuständig sein, die ein durch die jeweilige Region bestimmtes Programm ausstrahlen sollte. 321 Damit waren die Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen gewahrt, womit zugleich dem Anliegen der Länder, ihre Kultureigenheiten zu wahren, ausreichend Rechnung getragen war. ß) Die organisatorische und kulturelle Komponente des Unterhaltungsrundfunks 1923 - 1926 αα) Der Ressortstreit zwischen dem Reichspost- und dem Reichsinnenministerium um Zuständigkeiten im Bereich des Unterhaltungsrundfunks Die vorher nicht erwartete Ausbreitung des „Unterhaltungsrundfunks" ab 1923 sollte diese Konstellationen aber schon bald wieder hinfällig machen. Zusehends wurde deutlich, daß sich der Rundfunk in hohem Maße zum Objekt und Werkzeug politischen Handelns eignet. Zwangsläufig lebte daher die Auseinandersetzung zwischen dem Reichspostministerium und dem Reichsministerium des Innern darüber, von wem und insbesondere in welcher 317 Dem R M I gelang es weder, einen Vertrauensmann in die Vorstände der jeweiligen Rundfunkgesellschaften zu entsenden (vgl. H. Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. I I , 1956, S. 246), noch die Leitung der Informationsressorts der Gesellschaften von der D R A D A G besetzen zu lassen (vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 33). 318 Vgl. Art. 12 Abs. 1 WRV. 319 H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 28. 320 Vgl. H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 15; H. Bausch, a.a.O., S. 17f.; K. Magnus (Hrsg.), Der Rundfunk in der Bundesrepublik und West-Berlin, 1955, S. 16; W. Β. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 78ff.; G. Herrmann, U F I T A Bd. 97 (1984), S. 1 (3). 321 Vgl. K. Magnus (Hrsg.), a.a.O., S. 16; H. Bausch, a.a.O., S. 17.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Weise eine staatliche Aufsicht über die Rundfunkveranstaltung, namentlich über die Rundfunkprogrammgestaltung, ausgeübt werden durfte, wieder auf. Vor allem Haentzschel, Ministerialrat im R M I und dort Referent für Verfassungs- und Pressefragen, hatte frühzeitig nach Einführung des „Unterhaltungs„rundfunks dessen publizistische und politische Bedeutung voll erkannt. 322 Er strebte an, den Rundfunk als Kampfmittel für die Erhaltung und Festigung der zum damaligen Zeitpunkt gefährdeten Weimarer Republik einzusetzen. Die Kontrolle über die Rundfunkprogrammgestaltung sollte dabei nicht die staatliche Exekutive, sondern die verfassungstreuen politischen Parteien, namentlich die SPD erhalten. 323 Verwirklicht werden sollte dies dadurch, daß die D R A D A G nunmehr die alleinige Verantwortung für die politischen Sendungen im deutschen Rundfunk bekommen sollte. Bredow wiederum war sowohl die in Aussicht genommene politische Akzentuierung des Rundfunks als auch die Idee, die Rundfunkprogrammgestaltung ganz der staatlichen Verwaltung zu entziehen und einseitig den „linksdemokratischen" Parteien zu übertragen, zuwider. 324 Zwar konnte auch er nicht mehr abstreiten, daß er bei seinen früheren Überlegungen das publizistische Element der dritten Art der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung verkannt hatte. Auch war sein Wunsch, den „Unterhaltungs"rundfunk von der aktuellen Berichterstattung gänzlich fernzuhalten, um der Programmgestaltung die völlige Abstinenz vom politischen Geschehen auferlegen zu können, aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Rundfunks nicht mehr zu verwirklichen. Um so mehr sah er es als seine wichtigste Aufgabe an, den Rundfunk so weit wie möglich aus der politischen Diskussion herauszuhalten und ihm Neutralität zu verschaffen. 325 In der Annahme, daß die Reichspost als eine nur der Ordnung und Sicherheit verpflichtete Behörde politisch neutral sei, sollte auch nur ihre alleinige Aufsicht über den Rundfunk diesem eine unabhängige Programmgestaltung garantieren können und damit zugleich gewährleisten, daß der Rundfunk „im Dienst des Volkes" stand. 322 Vgl. Die Sendung, Heft 1/1924, S. 36 (38). Die dort zu findende Formulierung, daß der Rundfunk nicht nur als wichtiger Kulturfaktor für den Staat Bedeutung habe, sondern auch ein politischer Faktor ersten Ranges sei, an dessen Ausgestaltung für den Staat ein vitales Interesse bestehe, erwies sich als treffend und wird in neuerer Zeit fast wortwörtlich verwendet, vgl. BVerfGE 12, 205 (244). 323 Vgl. /. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 53. Von diesem Modell ist das heutige binnenplurale Modell des öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht mehr weit entfernt. Ob die Staatsferne des Rundfunks noch gewahrt ist, erscheint fraglich. Immerhin schafft das Hinzutreten privater Rundfunkveranstalter jetzt einen gewissen Ausgleich, wenn auch die teilweise sehr weitgehenden Anforderungen an die Zulassung privater Rundfunkveranstalter (insbes. in NRW) und deren Beaufsichtigung durch Landesanstalten für Rundfunk nicht unbedenklich sind. Weitergehende Liberalisierungen werden wohl erst aufgrund europäischer Entwicklungen eintreten. 324 Vgl. I. Fessmann, a.a.O., S. 54ff. 325 Vgl. H. Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. II, 1956, S. 298 ff.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 0 1
Der grundlegende Streit wurde durch eine Einigung Bredows mit seinem gleichrangigen Kollegen im R M I , Staatssekretär Zweigert, beendet. Bredow gelang es, die Rundfunkveranstaltung organisatorisch und wirtschaftlich in den Verwaltungsbereich der Reichspost zu integrieren. Noch während des Ressortstreits hatte bereits eine Zentralisierung des Rundfunkprogrammbetriebs stattgefunden. 1924 wurde der Reichsfunkverband ins Leben gerufen; 1925 die Reichsrundfunkgesellschaft (RRG) gegründet, die die Programmtätigkeit der Sendegesellschaften aufeinander abstimmte, koordinierte und unter wirtschaftlich-organisatorischen Gesichtspunkten zusammenfaßte. 326 Die Möglichkeit der Aufsicht über die Programmgestaltung mußte die Reichspost dagegen verloren geben. 327 Es sollte vielmehr allein dem Reichsministerium des Innern obliegen, die inhaltliche Programmtätigkeit zu überwachen. Darüber hinaus sollte es sogar zu einer politischen Berichterstattung im Sinne einer Programmleitungsfunktion durch das R M I selbst kommen. Es hatte sich zwischenzeitlich die Aktienmehrheit bei der D R A D A G verschafft und hielt somit jenes Organ in Händen, welches bei der in Aussicht genommenen Regelung für das programmliche Rundfunkwesen die politische Programmgestaltung des Rundfunks innehaben sollte.
ßß) Der Streit zwischen Reich und Ländern um den „Unterhaltungsrundfunk" Unmittelbar nach der Einigung zwischen dem Reichspost- und dem Reichsinnenministerium entstand ein weiterer Streit über die endgültige Ausgestaltung des Rundfunkwesens: die Konfrontation zwischen Reich und Ländern in der Frage, ob dem Reich überhaupt die Organisationsgewalt für den programmbetrieblichen Rundfunk zustand. 328 Auslöser hierfür war die Vorlage betreffend den weiteren Ausbau des Unterhaltungsrundfunks, die das Reichspostministerium im März 1925 dem Verwaltungsrat der Reichspost vorgelegt hatte. 329 Sie kündigte die Gründung der Reichsrundfunkgesellschaft sowie den Abschluß von „Normalverträgen" mit den einzelnen Rundfunkgesellschaften an. Die Normalverträge sollten wiederum Bestimmungen enthalten, wonach die Überwachung der Rundfunkprogrammgestaltung der D R A D A G vorbehalten sein sollte. 326 y g i υ Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 36ff. 327 I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 56f. 328 ygi. ψ. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 223ff.; H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 40 ff.; H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 40ff. 329 W. B. Lerg, a.a.O., S. 223; H. Bausch, a.a.O., S. 41.
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D. Femeldeverfassungsrecht
Aus der Sicht der Länder konnte dies nur als Versuch erscheinen, einen ausschließlich vom Reich beherrschten Funkdienst zu errichten, dessen Organisation nur formell föderalistische Züge tragen sollte. 330 Es überraschte daher nicht, daß das den Ländern im Verwaltungsrat der Reichspost eröffnete Vorhaben des Reiches deren Widerspruch hervorrief. Sie wollten der geplanten Neuregelung des Rundfunks nur zustimmen, wenn ihnen eine Teilhabe an der staatlichen Aufsicht über den Rundfunk eingeräumt würde. Begründet wurde diese Forderung mit dem Argument, daß es sich bei dem für eine Regelung durch das Reich in Aussicht genommenen publizistischen Teil des Rundfunks um „Angelegenheiten der geistigen Beeinflussung des Volkes" handele. 331 Dafür aber sei das Funkhoheitsrecht des Reiches nicht einschlägig. Das Reich besitze keine Verwaltungszuständigkeit für „den Betrieb des Rundfunksenders", weil ihm diese weder in der Verfassung noch im Telegraphengesetz übertragen worden sei. Wenn daher das Reich mittels RRG und D R A D A G den gesamten Rundfunk in seine Verwaltung integrieren wolle, so fehle es dafür an jeglicher Rechtsgrundlage. 332 Auf Seiten des Reichs - und dort in erster Linie das R M I - 3 3 3 ging man auf die Argumentation der Länder nicht näher ein. Man berief sich lediglich auf eine aus dem Funkhoheitsrecht (?) hergeleitete umfassende Verwaltungszuständigkeit für den gesamten Rundfunk und stützte diese These durch Bezugnahme auf die (gerade zwei Jahre bestehenden) faktischen Rundfunkverhältnisse sowie auf die Zweckmäßigkeit einer Regelung, bei der das Reich die Ausgestaltung des gesamten Rundfunkwesens vornehmen könne. 3 3 4 Von Bredow findet sich demgegenüber die Feststellung, daß die Reichspost nur die Verantwortung für den technischen Teil des Rundfunks übernehmen könne, während die politische und die kulturelle Überwachung nicht in ihren Machtbereich falle. 335 Eine primäre Zuständigkeit des Reiches sei aber gegeben, weil man beide Rundfunkteile nicht voneinander trennen könne. γγ) Reich-Länder Kompromiß Ende 1925 schlossen Reich und Länder einen Kompromiß, der eine gemeinsame Durchführung der Rundfunkaufsicht beinhaltete. 336 Das Reich sollte die 330 Vgl. bei Η. Bausch, a.a.O., S. 55, 197ff., sowie K. Magnus (Hrsg.), Der Rundfunk in der Bundesrepublik und West-Berlin, 1955, S. 18. 33 * Vgl. H. Bausch, S. 197, 55, 102f., 199f. 332 Vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 199f. 333 Das macht bereits deutlich, daß es sich beim Rundfunk schon nach damaligem Verständnis nicht mehr nur um eine allein technische, vom Fernmelderecht allein zu regelnde Einrichtung handelte. 334 Vgl. I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 63 ff., sowie K. Magnus (Hrsg.), a.a.O., S. 18. 335 Reichsratsitzung vom 6. November 1925, vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 49.
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RRG errichten und mit der D R A D A G darüber hinaus auch die zentrale Nachrichtenstelle des Rundfunks erhalten. Außerdem sollte es befugt sein, mit Hilfe einer fernmelderechtlichen, den Rundfunkgesellschaften zu erteilenden Sendekonzession Bestimmungen über die Programmgestaltung zu erlassen. Den Ländern wurde eine wirksame Teilhabe an der Überwachung der Programmgestaltung eingeräumt: Es wurde beschlossen, für jede Rundfunkgesellschaft zwei Kontrollausschüsse zu schaffen, den Überwachungsausschuß (für die Kontrolle des aktuellen politischen Programms) und den Kulturbeirat (für die Überwachung der kulturellen, unterhaltenden und wissenschaftlichen Sendungen). Beide Ausschüsse sollten überwiegend von Ländervertretern besetzt sein. Das Reich behielt im Gegenzug hierfür die D R A D A G ; die RRG sollte die Aufgaben der aufzulösenden Deutsche Stunde A G übernehmen. Bei dieser Einigung handelte es sich um eine Einigung rein pragmatischer Natur; der zugrundeliegende Verfassungsrechtsstreit wurde während der Weimarer Zeit nicht entschieden. 337 δδ) Die „Rundfunkregelung" 1926 Von einer gesetzlichen Regelung oder einem Verwaltungsabkommen hatten Reich und Länder bewußt Abstand genommen. 338 Die sog. Rundfunkregelung von 1926 stützte sich vielmehr allein auf das Telegraphengesetz, genauer, auf die „Genehmigung zur Benutzung einer Funksendeanlage der Deutschen Reichspost". 339 Diese Genehmigung bildete wiederum die einzige Rechtsgrundlage für die gesamte nun entstehende programmliche Rundfunkordnung. Auf sie stützten sich - die Bestimmungen über den Überwachungsausschuß und den Kulturbeirat - die Regelung, wonach die D R A D A G die zentrale Nachrichtenstelle bilden sollte. - eine Umverteilung der Eigentumsverhältnisse in den einzelnen Rundfunkgesellschaften, an die die Aushändigung der Genehmigungsurkunden geknüpft wurde. 336 ygi. ψ. β. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 239f.; H. Pohle, a.a.O., S. 40ff. 337 BVerfGE 12, 205 (235). Dem ähnelt die heutige verfassungsrechtliche Situation bei Bildschirmtext. 338 Dem Reichstag sollte keine Gelegenheit gegeben werden, sich in die Diskussion um die Ausgestaltung des Rundfunkprogrammwesens einzuschalten. Die Länder befürchteten, daß bei Einschaltung des Reichstags ihrer Forderung nach Teilhabe an der Rundfunkverwaltung wenig, u. U. gar nicht entsprochen würde. Für die Reichsregierung bestand wiederum die Gefahr, daß sich die politischen Parteien als eigenständiger Faktor für die Programmüberwachung ins Spiel brachten. Vgl. I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 64; H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 57. 339 Abgedruckt bei Schuster, APF 1949, 309 (315).
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D. Fernmelde verfassungsrecht
- Die Gründung der Reichsrundfunkgesellschaft (RRG), mit deren Errichtung die Entstehung des Amtes eines Reichsrundfunkkommissars, einem weiteren Organ für die Rundfunkauf sieht, verbunden war. Die Reichsrundfunkgesellschaft war der Zusammenschluß der einzelnen Rundfunkgesellschaften zu einer Dachgesellschaft. Mit 51% hielt die Reichspost die absolute Mehrheit in diesem Unternehmen. 340 Zudem hatten die einzelnen Rundfunkgesellschaften 17 v. H. ihres Aktienkapitals, und zwar die mit mehrfachem Stimmrecht ausgestatteten Vorzugsaktien an die Post abtreten müssen. 341 Damit besaß diese außerdem mit insgesamt 53,3 v.H. der Geschäftsanteile die Majorität bei den einzelnen Rundfunkunternehmen. Hauptaufgaben der von der Post beherrschten RRG waren: 342 - die zentrale Leitung und Überwachung der Rundfunkgesellschaften auf wirtschaftliche Betriebsführung - die Verwaltung der von den einzelnen Gesellschaften erzielten, an die RRG abzuführenden Überschüsse sowie Finanzausgleich zwischen den einzelnen Rundfunkgesellschaften - zentrale Regelung der Finanz-, Steuer-, Rechts- und Tarifangelegenheiten - Vertretung aller über die Nachrichtenorganisationen und der Presse sowie den am Rundfunk beteiligten Reichs- und Länderbehörden, soweit dafür nicht unmittelbar das Reichspostministerium zuständig war - allgemeine Überwachung der Rundfunkgesellschaften auf Einhaltung des Grundsatzes der politischen Überparteilichkeit - Verfolgung der grundsätzlichen Beschwerden über die Programmgestaltung, soweit nicht die politischen Überwachungsausschüsse oder die Kulturbeiräte zuständig waren. Der Rundfunkkommissar (des Reichspostministers) wiederum war der Koordinator zwischen Reichspostministerium, Reichsrundfunkgesellschaft und den einzelnen Rundfunkgesellschaften, womit auch eine personelle Bindung zwischen dem Reichspostministerium und den einzelnen Rundfunkgesellschaften hergestellt war. Damit war die Reichspost neben dem Reichsministerium des Innern der große Gewinner der Rundfunkordnung 1926. 343 Zum einen war es ihr gelun-
340 Vgl. H. Ridder, in: G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964, S. 292 (301); H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 47ff.; K. Magnus (Hrsg.), Der Rundfunk in der Bundesrepublik und West-Berlin, 1955, S. 18. 34 1 H. Pohle, a.a.O., S. 48. 342 Vgl. RRG-Satzung, abgedr. bei H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 45 ff.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 0 5
gen, den von ihr vorgeprägten faktischen Zustand der Weimarer Rundfunkorganisation weitgehend zu verfestigen. Zum anderen hatte sie neben der Gebührenerhebung nunmehr auch die wirtschaftliche Leitung und Kontrolle des gesamten Rundfunkprogrammbetriebs und damit auch die Macht über die Bezirksgesellschaften übernommen. Lediglich der Bereich der inhaltlichen Kontrolle des Rundfunkprogramms war ihr entzogen, weil sich das R M I insoweit als zu starker Gegner erwiesen hatte. 344 Rechtlich stand die gesamte Konstruktion der Weimarer Rundfunkordnung auf tönernen Füßen, weil sie allein auf einer Genehmigung zum Betreiben einer Funksendeanlage der Reichspost, 345 basierend auf dem Telegraphengesetz bzw. der Verordnung zum Schutz des Funkverkehrs, beruhte. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebs der Sendeanlagen durch Rundfunkgesellschaft und Reichspost 346 aber, die als einziger Anknüpfungspunkt für das Erfordernis einer fernmelderechtlichen Genehmigung in Betracht kam, war problematisch, weil die Programmunternehmen mit der Funktechnik nichts zu tun hatten. 347 Diese befand sich ausschließlich in Händen der Reichspost. Mit fernmelderechtlichen Erfordernissen überhaupt nicht mehr zu begründen waren die der fernmelderechtlichen Genehmigung beigefügten Auflagen, politische Nachrichten nur von der D R A D A G zu beziehen, sowie den Weisungen des für die jeweilige Rundfunkgesellschaft zuständigen Überwachungsauschusses Folge zu leisten. Ihre Beifügung wurde denn auch nicht aus dem Fernmeldehoheitsrecht begründet, sondern mit einer „Anwendung des Verleihungsrechts zugunsten der verfassungsmäßigen Aufgaben des Reichs und der Länder auf dem Gebiet der Kultur und Volksbildung". 348 Die Reichspost ging mithin davon aus, daß sie selbst auf den Inhalt dessen, was sie beförderte, keinen Einfluß hatte. 349
343 H. Bausch, a.a.O., S. 58. Ähnlich H. Bredow, Im Banne der Ätherwellen, Bd. I I , 1956, S. 260. 344 Vgl. W. B. Lerg, Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik, 1980, S. 440. 345 Vgl. dazu noch die Richtlinien über die Regelung des Rundfunks, Verh. d. Reichstags, I I I . Wahlperiode 1924/26, Drucks. Nr. 2776. 346 So E. Neugebauer, ArchPT 1925, 46 (47); ders., Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 702; ders., ArchFunk Bd. 3 (1930), S. 155 (203); H. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1928, S. 20; M. Freund, Der deutsche Rundfunk, Diss. Würzburg 1933, S. 54; Schuster, APF 1949, 309 (314). 347 I. Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, 1973, S. 73; W. Mallmann, in G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964, S. 234 (251 ff.). Ursprünglich auch E. Neugebauer, ArchPT 1924, 152 ff. 348 So E. Neugebauer, a.a.O., S. 705. Man glaubte, nur auf diese Weise den Einfluß auch der Länder auf die privatrechtlichen Rundfunkgesellschaften erreichen zu können. 349 Deutlich E. Neugebauer, a.a.O., S. 702; ders., ArchFunk Bd. 4 (1931), S. 195 (198); ders., EE Bd. 52 (1932), S. 305f.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Damit aber ist die Annahme, daß das zwei Jahre später erlassene Gesetz über Fernmeldeanlagen den Rundfunk insgesamt erfassen sollte, hinfällig. Zu einer umfassenden Regelung des Rundfunks bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes kein Bedürfnis mehr, weil die Verhältnisse im Rundfunk schon geklärt schienen. Eine ausdrückliche Einbeziehung des gesamten Rundfunks in das Gesetz über Fernmeldeanlagen hätte demgegenüber eine vorhergehende Erörterung im Reichstag erfordert. Gerade dies aber sollte, wie bereits ausgeführt, vermieden werden. γ) Die weitere Entwicklung des Rundfunks bis 1932 Die Rundfunkordnung von 1926 sollte angesichts der durch die gesamte Zeit der Weimarer Republik andauernden unsicheren politischen Verhältnissen nicht von langer Dauer sein. A b 1928 gewann die These der „Rundfunkeinheit" immer mehr an Boden. 3 5 0 Diese These beinhaltete, daß der Rundfunk in eine einheitliche staatliche Organisation umzuwandeln sei, welche der Reichsregierung als Publikationsmittel zur Verfügung stehen müsse, um das Ansehen Deutschlands nach innen wie gegenüber dem Ausland zu stärken. Diese These aufgreifend war es (wiederum) das Reichsministerium des Innern, welches die Forderung nach einer weiteren Neuregelung des programmlichen Rundfunkwesens in Richtung auf eine Rundfunkeinheit stellte. 351 Unter weitgehender Beibehaltung der bisherigen Rundfunkorganisationsformen sollte vor allem das System für die politische Aufsicht über den Rundfunk geändert werden. Neben dem Rundfunkkommissar des Reichspostministeriums sollten zwei weitere Staatskommissare für den Rundfunk als Rundfunkkommissare des Reichsinnenministers eingesetzt werden. 352 Die D R A D A G sollte aufgelöst und statt dessen bei der RRG eine unter Leitung des R M I stehende Abteilung errichtet werden, welche die Aufgaben der D R A D A G übernehmen sollte. 353 Die Rundfunkgesellschaften sollten in die öffentliche Hand übergeführt werden, 354 weil man die nicht unbeträchtlichen Gewinne nicht länger Privataktionären überlassen wollte. Der Streit von 1925 zwischen Reichspost, Reichsministerium des Innern sowie den Ländern erlebte aufgrund dieser Forderungen des R M I eine Neuauflage. 350 Ein auch später von den Nationalsozialisten gern gebrauchtes Schlagwort, vgl. H. Dreßler-Andreß, ArchFunk Bd. 7 (1934), S. Iff. 351 Beruhend auf einem Aktenvortrag des Rundfunkreferenten im R M I , E. Scholz. Vgl. H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 87ff. Der Aktenvortrag ist auszugsweise abgedruckt bei H. Bausch, a.a.O., S. 202 ff. 352 Nr. 4 i.V.m. Nr. 6 a des Entwurfs von Scholz. 353 Nr. 9 des Entwurfs. 354 Nr. 1 des Entwurfs.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 0 7
Wiederum opponierte H. Bredow gegen die Forderungen des R M I aufgrund seiner Vorstellung, den Rundfunk aus dem parteipolitischen Geschehen herauszuhalten. 355 Und wie früher sollte der Reichspost die Rolle der nur sachlichen Verwaltungsprinzipien verpflichteten Aufsichtsbehörde über den Rundfunk zukommen. Die Rundfunkgesellschaften sollten aber in Selbstverwaltungskörper mit dem Charakter von öffentlich-rechtlichen Körperschaften umgewandelt werden, 356 womit sich der Einflußbereich des R M I auf die Programmgestaltung aufgrund genauer Satzungsvorschriften hätte hinreichend präzise bestimmen lassen. 357 Angesichts einer Bewegung der nationalen Konzentration stand Bredow diesmal aber auf verlorenem Posten, zumal die Reichsregierung entschlossen war, den Rundfunk mit allen Mitteln zu einem Instrument für ihre politische Öffentlichkeitsarbeit umzugestalten. Auch der Verfassungskonflikt mit den Ländern wies nicht mehr die Brisanz von 1925 auf, da diese nicht mehr gewillt waren, grundsätzlichen Widerstand gegen die Reformpläne des Reichsministeriums des Innern zu leisten. Beide Seiten bekräftigen nur ihre bereits früher geäußerten Rechtsstandpunkte. 358 Auch der Aspekt, daß mittlerweile klar war, daß der Rundfunk in erster Linie nicht einen technischen Funkdienst, sondern eine publizistisch-kulturelle Einrichtung darstellte, für deren Errichtung das Fernmeldehoheitsrecht nicht einschlägig war, änderte daran nichts. Die Länder befürchteten noch stärker als 1925, daß bei Einschaltung des Reichstags eine gesetzliche Regelung geschaffen würde, die den Rundfunk vollständig zum Reichsrundfunk machte. Sie verhielten sich einmal mehr kompromißbereit. Die Neuregelung des Rundfunkwesens 1932 basierte daher wiederum nicht auf einem Gesetz, sondern immer noch auf „der Genehmigung zur Benutzung einer Funksendeanlage der Deutschen Reichspost", die den Rundfunkgesellschaften 1926 erteilt worden war. Auf sie stützten sich die von der Reichsregierung am 27. 7. 1932 erlassenen „Leitsätze für die Neuregelung des Rundfunks" 3 5 9 sowie die „Richtlinien für den Rundfunk" vom 18. November 1932. 360 Sie führten zum einen zu einer Abänderung der Kapitalverhältnisse im Rundfunk. In den regionalen Rundfunkgesellschaften, die zu GmbH's umgewandelt wurden, schieden die Privataktionäre aus. 361 Die jeweiligen 355 Vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 89f. 356 Ein Vorläufer der heutigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber ohne binnenplurale Organisation. 357 H. Bausch, a.a.O., S. 90. 358 Vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 94. 359 Abgedruckt bei H. Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik 1923-1933, 1956, S. 205ff. 360 Abgedruckt bei H. Bausch, a.a.O., S. 212ff. 361 Nr. 1 der Leitsätze.
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Länder übernahmen 49% der Gesellschaftsanteile, 51% übernahm das Reich. 362 Entsprechendes vollzog sich in der Reichsrundfunkgesellschaft. 363 Zum zweiten wurde der Aufgabenbereich der RRG dahin erweitert, daß nunmehr auch der zentrale politische Nachrichtendienst und der Programmaustausch zu ihren Tätigkeiten gehörte. 364 Ferner wurde ein Reichsrundfunkkommissar des Reichsministerium des Innern eingesetzt, der den gesamten Komplex der Programmgestaltung allein zu überwachen hatte. 365 Bei den regionalen Rundfunkgesellschaften wurden staatliche Rundfunkkommissare eingesetzt, die den Weisungen des R M I unterlagen. 366 Sie hatten die Aufgabe, zusammen mit einem von den Regierungsvertretern der Länder zu bildenden Ausschuß die politische Überwachung anstelle der aufgelösten Überwachungsausschüsse vorzunehmen. Zusätzlich hierzu wurde bei jeder Rundfunkgesellschaft noch ein Programmbeirat aus Mitgliedern der Länder (im Benehmen mit dem RMI) gebildet, der die Zusammenstellung der Sendungen vornehmen sollte. 367 Die kulturellen Beiräte wurden entsprechend den neugebildeten politischen Überwachungsausschüssen umgewandelt. Damit war der Rundfunk ein politisches Publikationsorgan im Sinne eines staatlichen Propagandainstruments in den Händen der Reichsregierung geworden. Es war nunmehr nur noch ein kurzer Schritt zum Einheitsrundfunk des „Dritten Reichs", ohne daß es noch einer besonderen Rundfunkregelung für die Gleichschaltung bedurft hätte. 368 δ) Post und Rundfunk im Nationalsozialismus 369 In der Zeit zwischen 1933 und 1945 wurde der Einflußbereich der Post noch weiter zurückgedrängt. Zuständig blieb sie nur für den fernmelde- und sendetechnischen Bereich, 370 während nunmehr auch für wirtschaftliche und organisatorische Fragen des Rundfunks das Reichsministerium für Volksaufklärung 362
Nr. 6 der Leitsätze. Nr. 3 der Leitsätze. 364 Nr. 4 der Leitsätze. 365 Nr. 4 der Leitsätze. 363
366
Nr. 6 a der Leitsätze. Nr. 6 b der Leitsätze. 368 H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 136; E. Ziegler, Deutscher Rundfunk in Vergangenheit und Gegenwart, Diss. Heidelberg 1949, S. 55. 369 Der Auffassung von BVerfGE 12, 205 (236), daß dieser Zeitraum außer Betracht zu bleiben habe, ist für die Untersuchung der Zuständigkeit der Post im Bereich des Rundfunks zur Zeit des Nationalsozialismus nicht zu folgen, weil die Frage der organisatorischen Aufteilung mit der inhaltlichen Ausgestaltung des Rundfunks wenig zu tun hat (so zu Recht H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 97). 370 Schuster, APF 1949,309 (320), nimmt zu Unrecht an, daß diese Aufteilung bereits während der Weimarer Republik bestanden habe. 367
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 0 9
und Propaganda zuständig war. 3 7 1 Aber auch in dem der Post noch verbliebenen Zuständigkeitsbereich hatte sie den Reichspropagandaminister so weit zu beteiligen, wie es für dessen Aufgaben erforderlich war. 3 7 2 In der Literatur wurde teilweise eine noch weitergehende Umgestaltung des Rundfunks im Sinne einer Einheit als Propagandamittel verlangt, 373 die aber in der Praxis nicht verwirklicht wurde. Eine Gesamtzuständigkeit der Post für den Rundfunk wurde demgegenüber selbst seitens der Reichspost nicht mehr vertreten. 374 e) Auswirkungen der Besatzungszeit im Bereich des Fernmelde wesens375 A m 8. Mai 1945 war die Ära des „Dritten Reichs" aufgrund der Kapitulation der deutschen Streitkräfte beendet. Gemäß der von den Alliierten auf der Konferenz in London am 12. September 1944 beschlossenen Festlegungen wurde das Reichsgebiet in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die ehemalige Reichshauptstadt Berlin erhielt einen Sonderstatus und wurde in vier Sektoren unterteilt. Mittels der Berliner Erklärung (sog. Vier-Mächte Erklärung) vom 5. Juni 1945 376 übernahmen die Regierungen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Provisorische Regierung der Französischen Republik die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. In dieser Erklärung wurde u.a. angeordnet, daß „bis zur Herbeiführung einer Aufsicht über alle Nachrichtenverkehrsmittel durch die Alliierten Ver371 Ausführlich zum Rundfunk im sog. „Dritten Reich" A. Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, 1980. 372 Vgl Verordnung über die Aufgaben des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda vom 30. 6. 1933, RGBl. 1933 I, S. 499, Abs. 3 Nr. 4. Aus der Literatur: K. Bley, Über die Grundlagen des Rundfunkrechts, 1935, S. 41; G. Quast, Die geschichtliche Entwicklung des Rechts der drahtlosen Télégraphié, Telephonie und des Rundfunks, Diss. Marburg 1939, S. 33ff. Aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg: F. Schuster, APF 1949, 309 (320); L. Kämmerer, D Ö V 1950, 432; H. Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S. 188f.; Κ Lademann, JiR Bd. 8 (1959), S. 307 (315); G. B. Krause, Die Zuständigkeit zur Ordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 67; zuletzt G. Herrmann, UFITA Bd. 97 (1984), S. 1 ( l l f f . ) . 373 Vgl. H. Dreßler-Andreß, ArchFunk Bd. 7 (1934), S. Iff.; H. G. Pridat-Guzatis, ArchFunk Bd. 8 (1935), S. 313 (314); Κ Bley, Über die Grundlagen des Rundfunkrechts, 1935, S. 48ff.; Becker, Rundfunkarchiv Bd. 12 (1939), S. 197ff. 374 Vgl. aus nationalsozialistischer Zeit zuletzt Orth, Z A k D R 1937, 585 (588), sowie G. Herrmann, U F I T A Bd. 97 (1984), S. 1 (15). 375 Mit Blick auf den Rundfunk ausführlich H. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945 Erster T e i l - , 1980, S. 24ff. 376 Declaration regarding the defeat of Germany, Military Government Gazette British Zone of Control No. 5, S. 25ff. Eine Zusammenstellung der Gesetze und Proklamationen der Besatzungsmächte bezüglich des Post- und Fernmeldewesens findet sich bei Schuster, APF 1949, 65ff.
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treter alle von Deutschland beherrschten Funk- und Fernnachrichtenverkehrseinrichtungen und sonstigen Draht- und drahtlosen Nachrichtenmittel auf dem Lande oder auf dem Wasser zu senden auf (hören)". 3 7 7 Damit befand sich auch die Gewalt über das gesamte Nachrichtenwesen in Deutschland einschließlich des Rundfunks in der Hand der Besatzungsmächte. Die Oberbefehlshaber in den Besatzungszonen schufen am 30. 8. 1945 den Kontrollrat. 3 7 8 Ihm wurde die oberste Machtgewalt in Angelegenheiten, die Deutschland als Ganzes betrafen, übertragen. 379 Die bis dahin bereits ergangenen Gesetze in den jeweiligen Besatzungszonen blieben in Kraft. 3 8 0 Ändern sollte sich diese Situation erst durch die Einsetzung des Wirtschaftsrates m aufgrund des im Dezember 1946 in New York geschlossenen Abkommens über den Zusammenschluß der amerikanischen und der britischen Zone zur Bizone sowie des „Abkommens über die Neugestaltung zweizonaler Wirtschaftsstellen". 3 8 2 Ihm wurde u.a. die Gesetzgebung für den Post- und Nachrichtenverkehr mit Ausnahme des Rundfunks übertragen, 383 wobei die von ihm erlassenen Gesetze der Zustimmung des Bipartite Board bedurften. 384 aa) Der Streit um die Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen im Bereich des Rundfunks Nicht für zuständig erklärt worden war der Wirtschaftsrat für eine den Rundfunk betreffende Gesetzgebung. Vielmehr hatten die Alliierten Rundfunk zunächst allein betrieben, während den neu entstandenen Post- und Fernmeldeverwaltungen lediglich zugebilligt wurde, die Genehmigungen für 377 Art. I X der Viermächte-Erklärung. Ebenso Gesetz Nr. 76 der Militärregierung Deutschlands, welches sowohl die Anordnung der Einstellung des öffentlichen (in Art. I) als auch des privaten Nachrichtenwesens (in Art. II) enthielt. Für den Bereich des Rundfunks, der vom Gesetz Nr. 76 noch ausgenommen war, geschah gleiches durch das Gesetz Nr. 191. Beide Gesetze sind abgedruckt bei Schuster, APF 1949, 65 f. 378 y g i Proklamation Nr. 1 (Aufstellung des Kontrollrats), Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Britische Zone, No. 5, S. 26. 379
Vgl. Proklamation Nr. 1, Art. II. 380 vgl. Proklamation Nr. 1, Art. III. 381 Nach Umbildung setzte sich der Wirtschaftsrat aus 104 Mitgliedern zusammen, die von den verschiedenen Landtagen gewählt wurden, vgl. Verordnung No. 126 Art. II. Hinzu kam der Länderrat, der aus je 2 Vertretern eines Landes bestand, und der Verwaltungsrat, der sich aus einem koordinierenden Vorsitzenden ohne besonderen Geschäftsbereich sowie den vom Wirtschaftsrat gewählten Direktoren der Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zusammensetzte. Vgl. zum ganzen Verordnung No. 126, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Britische Zone, S. 686ff. 382 Anhang A zur Verordnung der britischen Militärregierung No. 88, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet, S. 529ff. Abänderung durch Verordnung No. 126, ebda, S. 686ff. 383 Verordnung No. 126, Art. I I I Abs. 2. 384 Verordnung Nr. 126, Art. X Nr. 1
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das Betreiben von Rundfunkempfangsanlagen zu erteilen. 385 Grund hierfür war die Absicht der Besatzungsmächte, jeden Eingriff des Staates auf die öffentliche Meinungsbildung auszuschließen.386 Da aber das Post- und Fernmeldewesen eine Staatseinrichtung gewesen war, galt es, Einwirkungsmöglichkeiten der Post im Bereich des Rundfunks zu verhindern. 387 Fraglich war aber, ob dem nicht das Gesetz über Fernmeldeanlagen, welches die Ausübung der staatlichen Alleinrechte dem Postminister vorbehielt, entgegenstand. Die in der amerikanischen Besatzungszone vorgenommene Umgestaltung des Rundfunks ließ die Frage einer Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen in der Besatzungszeit deutlich zu Tage treten. 388 Dort war bereits 1946 den Länderregierungen die Weisung erteilt worden, den Rundfunk zu privatisieren; 389 ein diesbezüglicher Beschluß des Länderrats war gefaßt worden. Dagegen hatte die Post opponiert, weil sie der Ansicht war, daß den Ländern Hessen, Württemberg-Baden und Bayern Änderungsbefugnisse auf Gebieten des früheren Reichsrechts nicht zuständen. Sie hätten zwar die volle gesetzgebende Gewalt kraft Proklamation Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung erhalten. Das Gesetz über Fernmeldeanlagen als Reichsrecht sei aber durch die Militärregierung nicht aufgehoben worden. Eine Änderung des Reichsrechts könne nach seiner Schaffung jedoch nunmehr nur noch der Kontrollrat, nicht aber die Länder selbst vornehmen. 390
385 Vgl. O L G Stuttgart, JZ 1951, 116 (117); Schuster, APF 1949, 309 (322); L. Kämmerer, D Ö V 1950, 432 (433); H. Steinmetz, Bundespost und Rundfunk, 1959, S. 14. 386 Vgl. Bericht der Kommission zur Untersuchung der rundfunkpolitischen Entwicklung im südwestdeutschen Raum (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland), o. J., S. 32; früher bereits Schuster, APF 1949, 309 (321); P. Sympher, DVB1. 1951, 464. 387 Vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 20; K. Kröger, NJW 1979, 2537 (2538 m.w.Nachw.). 388 Sie dokumentierte sich (nach 1949) anhand der Frage, ob das „Schwarzhören" noch nach § 15 Abs. 1 F A G strafbar war. Vgl. allgemein zur Weitergeltung des F A G im Bereich des Rundfunks: Th. Maunz, in G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. 1,1964, S. 276 (285ff.); Ο. H. Leiling, Die Gesetzgebungsbefugnis zur Neuordnung im Rundfunkwesen, 1955, S. 40 ff., 64; H. U. Reichert, Der Kampf um die Autonomie des deutschen Rundfunks, 1955, S. 155f.; H. P. Ipsen, Die Rundfunkgebühr, 1953, S. 17ff. (verneinend); H. Eckner, in: H. Steinmetz (Hrsg.), Bundespost und Rundfunk, 1959, S. 55; H. Peters, Die Zuständigkeit des Bundes im Rundfunkwesen, 1954, S. 19ff. sowie die übrigen Rechtsgutachten zum Fernsehstreit, vgl. bei G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964 (bejahend). Speziell zur Strafbarkeit des Schwarzhörens aus § 15 Abs. 1 FAG: L G Stuttgart, NJW 1951, 43f.; A. Moser, JZ 1951, 118f. (verneinend); O L G Stuttgart, JZ 1951, 116 ff.; F. Giese, NJW 1951, 62; P. Sympher, DVB1. 1951, 464ff. (bejahend). 389 L. Kämmerer, D Ö V 1950, 432 (433); Schuster, APF 1949, 309 (321). 390 Vgl. Schuster, a.a.O., S. 321; H. Eckner, a.a.O., S. 54. Diese Argumentation vertrat auch das O L G Stuttgart, JZ 1951, 116 (117) und hob das entgegenstehende Urteil des Landgerichts Stuttgart, NJW 1951, 43f. auf. Anderer Ansicht später BVerfGE 7, 330 (337). Dieses Argument bildete eine Sperre in den Verhandlungen 14*
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Nachdem eine Einigung zwischen Post und Ländern nicht zustande kam, 3 9 1 wurde die Post von der Beteiligung am Rundfunk bis auf die Einziehung der Rundfunkgebühren sowie die Unterhaltung eines Entstördienstes ausgeschlossen.392 Über die von der Post eingezogenen Rundfunkgebühren sollte sie den Ländern Rechnung legen. 393 Erneut opponierte die Post, weil sie der Ansicht war, daß die Rundfunkgebühr eine (fernmelderechtliche) Verleihungsgebühr sei, die nicht auf kalkulatorischer Grundlage beruhe. 394 Nach langwierigen Verhandlungen kam es schließlich zu einer Einigung dahingehend, daß vom Tage der Währungsreform (21. 6. 1948) von den eingenommenen Rundfunkgebühren 75% an die Rundfunkanstalten zu zahlen waren, während die übrigen 25% der Post verbleiben sollten. Der Anteil der Post wurde aber aufgrund eines Befehls der Militärregierung vom 24. Januar 1949 auf 19,3% herabgesetzt. 395 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, daß der Post die für die Wahrnehmung von Funkhoheitsaufgaben berechneten 6% der Rundfunkgebühren nicht zuständen, da ihr bereits 1947 die Ausübung der Funkhoheit im Bereich des Rundfunks verboten worden sei. 396 Demgegenüber vertrat die Post die Auffassung, daß die Herabsetzung unzulässig sei, weil sie auf dem Gebiet des Funkwesens die Verwaltungsstelle sei, der die Durchführung des Weltnachrichtenvertrages nebst der Funkvollzugsordnung von Atlantic City obliege. Dies folge aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen, wonach die Post- und Fernmeldeverwaltung die Trägerin derjenigen Aufgaben sei, die sich aus dem zwischenstaatlichen Fernmelderecht ergäben. 397 Die Ansicht der Post, daß aufgrund einer Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen die Übertragung der bisher dem Reichspostminister zustehenden Regelungsbefugnisse im Bereich des Rundfunks auf die einzelnen Sendeanstalten unzulässig sei, konnte sich zu keiner Zeit durchsetzen. 398 Bereits 1947 waren von den Länderregierungen Bayerns, Hessens, Württem-
über die Rechtsgrundlagen für die neuen Rundfunkanstalten, die erst durch den Befehl von General Clay vom 21. 11. 1947 aufgebrochen wurde, vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 20. 391 L. Kämmerer, D Ö V 1950, 432 (433); Schuster, APF 1949, 309 (321f.). 392 Befehl von General Clay vom 21. 11. 1947, abgedr. bei L G Stuttgart, NJW 1951, 43; P. Sympher, DVB1. 1951, 464; Schuster, APF 1949, 309 (322). Ausführlich H. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945 - Erster Teil - , 1980, S. 31 ff. 393 Vgl. H. Bausch, a.a.O., S. 37f. 394 Schuster, APF 1949, 309 (322). 395 Vgl. Schuster, APF 1949, 309 (322); H. P. Ipsen, Die Rundfunkgebühr, 1953, S. 19. 396 H. Bausch, a.a.O., S. 38. 397 Vgl. H. Eckner, a.a.O., S. 54; Schuster, APF 1949, 309 (322). 398 Ähnlich H. Bausch, a.a.O., S. 42: „Für die Erben der Reichspost war das Ergebnis der vielfältigen Verhandlungen bis zum Vorabend der Gründung der Bundesrepublik Deutschland mehr als enttäuschend".
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berg-Badens sowie Bremens Rundfunkgesetze verabschiedet worden, die den Rundfunkanstalten zum einen das Recht einräumten, die Funksendeanlagen des Rundfunks selbst zu betreiben und zum anderen auch die Rechte des Reichspostministers aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen hinsichtlich der Rundfunkempfangsanlagen selbst auszuüben. 399 Daß die Länder dabei davon ausgingen, daß das Gesetz über Fernmeldeanlagen keine Gültigkeit mehr habe, dokumentiert sich am deutlichsten im damaligen bayerischen Rundfunkgesetz, wo man abweichend von § 15 F A G noch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes eine eigene Bestimmung über die Strafbarkeit des Schwarzhörens (§ 14 a) einfügte. Das erwies sich zwar, weil insoweit ein Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG vorlag, als unzulässig. Die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes durch einige Ländergesetze auf die Rundfunkanstalten übertragenen Sendebefugnisse wurden hingegen als zulässig erachtet, 400 so daß es insoweit einen Einbruch in die Ausübungsrechte der Post aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen gegeben hat. bb) Kein uneingeschränktes Wiederaufleben des Gesetzes über Fernmeldeanlagen im sonstigen Fernmeldewesen Während der Streit um die Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen im Bereich des Rundfunks einige Beachtung in Rechtsprechung und Literatur fand, blieb weitgehend unbekannt, daß sich dieser Streit nicht nur im Bereich des Rundfunks, sondern auch im allgemeinen Funkwesen ausgewirkt und schließlich zum Erlaß eines Gesetzes über den Amateurfunk geführt hat, das noch heute für Funkamateure im Funkwesen günstigere Regelungen gegenüber dem Gesetz über Fernmeldeanlagen trifft. 4 0 1 Die „Funkfreunde" hatten sich von den alliierten Sendeverboten trotz massiver Strafdrohung nur für kurze Zeit von ihrer Tätigkeit abhalten lassen. Wie 399 Ausdrücklich Radiogesetz des ehemaligen Landes Württemberg-Baden vom 6. 4. 1949, RegBl. S. 71, in § 5, sowie in Hessen mit Gesetz über den Hessischen Rundfunk vom 2. 4. 1948, GVB1. S. 123 (§ 17), indirekt auch in Bayern über die Anordnung, die Rundfunkgebühren an den Bayerischen Rundfunk zu entrichten (Gesetz über die Errichtung und Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk" vom 10. 8. 1948 (Bay. GVB1. S. 135). Ebenso bereits P. Sympher, DVB1. 1951, 464 (465). 4 Vgl. BVerfGE 7, 330 (337); H. Schneider, in G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964, S. 417 (440); vgl. ferner Th. Maunz, ebda, S. 276 (286). 401 WiGBl. 1949, S. 20; Sa I Nr. 926. Vgl. dazu B. Köbele, APF 1989, 28ff. sowie M. Ronellenfitsch, VerwArch Bd. 81 (1990), S. 113 ff. Bspw. hat nach § 2 AFuG der Funkamateur einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, während das Gesetz über Fernmeldeanlagen im Bereich des Funks nach wie vor die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Post stellt.
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bereits u m 1923 waren sie ab 1947 als „ S c h w a r z s e n d e r m i t selbstgewählten Rufzeichen wieder i m Ä t h e r erschienen. D i e Besatzungsmächte reagierten darauf aber nicht, wie dies die Postverwaltung 1923 getan hatte, m i t Verschärfung der Strafverfolgung, sondern sahen vielmehr die Gelegenheit gekommen, den Betrieb aller Funkdienste (außer R u n d f u n k ) auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen u n d eine deutsche Behörde vorzusehen, die die Aufsicht über die Funkdienste ausüben u n d die Sendegenehmigungen erteilen sollte. I n diesem Sinne wurde das Bipartite C o n t r o l Office beim Verwaltungsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes v o r s t e l l i g , 4 0 2 der dessen Aufforderung an die Hauptverwaltung für das Post- u n d Fernmeldewesen weiterleitete. D o r t erkannte man klar, daß dies den Ausschluß der Post v o n der Regelung des Funkwesens überhaupt bedeuten konnte. A l s R e a k t i o n erfolgte
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8. September der A n t r a g des Verwaltungsrates, basierend auf einem Schreiben der Post- u n d Fernmeldeverwaltung, über den „ E n t w u r f eines Gesetzes über die A u s ü b u n g der Rechte aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen v o m 14. Januar 1928 durch den D i r e k t o r der Verwaltung für das Post- u n d Fernm e l d e w e s e n " . 4 0 3 Dieser E n t w u r f bestand aus nur zwei Vorschriften: „§ 1 Der Direktor der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen übt die Rechte aus, die dem Reichspostminister nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 (RGBl. I S. 8) zustanden, soweit dem nicht Anordnungen der Militärregierungen entgegenstehen. § 2 Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft." 402 BiCO/Sec (48) 456, Anlage zu Drucks. Nr. 891 des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes:
1. In Übereinstimmung mit der Ermächtigung, die dem Wirtschaftsrat mit Artikel I I I (1) der Proklamation Nr. 7 der US. Mil. Reg. und der Verordnung Nr. 126 der britischen Mil. Reg. übertragen wurde, wird angeregt, daß ein Gesetzentwurf vorbereitet und dem Wirtschaftsrat vorgelegt werden möge, der die erforderlichen Vorschriften enthält und die Bildung oder Bezeichnung einer deutschen Behörde vorsieht, die die folgenden Aufgaben wahrnehmen soll. (a) Aufsicht über alle Funksendeeinrichtungen im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (mit Ausnahme von Rundfunkeinrichtungen), welche von Personen betrieben werden, die im Vereinigten Wirtschaftsgebiet leben. 3. Diese Behörde kann keine Frequenzen zuteilen oder die Aufsicht über den Rundfunk ausüben. 4. Diese Behörde kann an internationalen Funkkonferenzen nur mit vorheriger Genehmigung der Militärregierung teilnehmen." Das läßt deutlich erkennen, daß die Besatzungsmächte nicht von einer Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen ausgingen. Die bis dahin erfolgte Aufgabenübertragung an die Post hatte nur vorläufigen Charakter, während eine endgültige Aufgabenzuweisung an eine andere Behörde als die Post durch eine neue gesetzliche Regelung erfolgen sollte. 403 Vereinigtes Wirtschaftsgebiet, Drucks. Nr. 533, S. 767f.
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Begründet wurde dieser Entwurf mit dem Argument, daß die Militärregierung mit ihren Einzelanweisungen, in denen sie der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen die ihr nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen zustehenden Rechte zurückübertragen habe, zu erkennen gegeben habe, daß die für die Ausübung aller Rechte auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens in Frage kommende deutsche Behörde die Post- und Fernmeldeverwaltung sei. Das geplante Gesetz könne sich daher auf die Festlegung beschränken, daß der Direktor der Verwaltung für das Post- und Fernmeldewesen diejenigen Rechte ausüben kann, die dem Reichspostminister nach dem Fernmeldeanlagengesetz zustanden, soweit dem nicht Anordnungen der Militärregierung entgegenstünden.404 Die Ausübung des Amateurfunks könne der Direktor der Verwaltung des Post- und Fernmeldewesens per Rechtsverordnung sodann selbst regeln. Die geplante Wiedererlangung derjenigen Rechte, die die Reichspost innegehabt hatte, scheiterte am Einspruch der Besatzungsmächte.405 Ursächlich hierfür waren zwei Gründe. Zum einen war zweifelhaft, ob der Direktor des Post- und Fernmeldewesens die rechtliche und tatsächliche Stellung des Reichspostministers überhaupt wiedererlangen konnte, weil schon die Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen umstritten war. 4 0 6 Zum anderen erschien den Besatzungsmächten die Stellung der Funkamateure nur auf der Basis einer Rechtsverordnung zu unsicher. 407 Die umfassenden Befugnisse, die dem Reichspostminister aus dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vor dem Zweiten Weltkrieg zustanden, waren damit nicht mehr wiederzuerlangen. 408 Es galt nunmehr aus Sicht der Post- und Fernmelde Verwaltung, den Schaden zu begrenzen. Die Hauptverwaltung für das Post- und Fernmeldewesen legte im November 1948 einen erneuten Gesetzesentwurf vor, der nur die Regelung der Tätigkeit der Funkamateure zum Gegenstand hatte. Wiederum fand sich in der Begründung zum Entwurf
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Vereinigtes Wirtschaftsgebiet, Drucks. Nr. 533, S. 768. Vgl. 31. Vollversammlung des Wirtschaftsrates, Wirtschaftsrat des Vereinigtes Wirtschaftsgebietes, Sten. Ber., S. 1363. 406 F. Kirchner, CQ-DL 1989, 151 (152) m.w.Nachw. Vgl. auch U. Klingler, in: Das Deutsche Bundesrecht, Losebl. Stand Juni 1982, V I H 45 Erl. vor § 1 AFuG „Allerdings war das Schicksal des F A G damals nicht unumstritten". 4 07 Nachw. bei B. Köbele, APF 1989, 28 (30). 408 Vgl. auch Berichterstatter Abg. Horn, 31. Vollversammlung des Wirtschaftsrates: „Der damalige Gesetzentwurf sah vor, daß alle Rechte und Vollmachten, die früher der Reichspostminister im Fernmelde- und Anlage-Gesetz gehabt hat, auf die Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen übergehen sollten. Das wäre eine generelle Lösung für alle Sparten gewesen, die auf diesem Gebiet in Frage kommen. Man hätte mit diesem Rahmen- oder Grundgesetz die Geschichte ein für allemal wenigstens dem Grunde nach geregelt." (Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Sten. Ber., S. 1363). 405
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die Feststellung, daß die Militärregierung den Standpunkt eingenommen habe, daß die Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen die für die Ausübung der Rechte auf dem Gebiet des Funkwesens zuständige deutsche Stelle sei, weil die Militärregierung ihr mit Einzelanweisungen die Inbetriebnahme der wesentlichen Fernmelde- und Funkdienste übertragen habe. 409 Auch dieser Entwurf erfuhr nochmals den Widerspruch der Besatzungsmächte. 410 Dieser betraf aber nur eine Einzelbestimmung, so daß nach diesbezüglicher Änderung das Gesetz über den Amateurfunk schließlich am 14. März 1949 in Kraft treten konnte. 4 1 1 Klargestellt war damit, daß es keine neue Behörde für das Funkwesen geben, sondern vielmehr die Verwaltung für das Post- und Fernmeldewesen die zuständige Stelle bleiben sollte. Nicht geklärt war dagegen die Frage der Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen, was §§ 1 und 6 AFuG erkennen lassen. So findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 2 AFuG die Feststellung, daß es zum Errichten und Betreiben einer Funkstation durch einen Funkamateur einer Genehmigung bedarf. 412 Dieses separate Genehmigungserfordernis wäre aber nicht erforderlich gewesen, wenn man im Gesetzgebungsverfahren von der Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen ausgegangen wäre, denn dort ist das Genehmigungserfordernis (auch für Funkanlagen) in § 1 Abs. 1 F A G bereits enthalten. Ebenso wenig wäre die Regelung des § 6 AFuG nötig gewesen, denn dessen Regelungsgehalt weisen schon §§ 10, 11 F A G auf. Die Frage einer Weitergeltung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen sollte ihre Klärung erst durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes (Art. 123,124,73 Nr. 7 GG) finden. 413 409 Vgl Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Drucks. Nr. 891. 410 Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Drucks. Nr. 1000. 411
WiGBl. 1949, S. 20 (Sart. I, Nr. 926). Es sollte das einzige (Bundes-)Gesetz bleiben, welches Teile des Fernmeldewesens abweichend vom Gesetz über Fernmeldeanlagen regelt. Nachdem auch das Gesetz über Fernmeldeanlagen gem. Art. 123,124, 73 Nr. 7 GG Eingang in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gefunden hat, wird das Gesetz über den Amateurfunk heute allgemein als Spezialgesetz zum Gesetz über Fernmeldeanlagen angesehen, vgl. A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand Mai 1982, Vorbem. § 1 AFuG; U. Klingler, a.a.O., Einf. vor § 1 AFuG; B. Köbele, APF 1989, 28 (30 m. w. Nachw). 412 Unter „Funkstation" ist nicht etwa nur eine solche zu verstehen, die Amateurfunkfrequenzen enthält. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 AFuG. Unrichtig daher Κ. H. Mechtel, APF 1989, 40. Die Einschränkungen ergeben sich im wesentlichen aus § 3 AFuG bzw. § 7 AFuG i.V.m. der DV-AFuG. 413 Genauer: Durch das 1. Fernsehurteil des BVerfG (E 12,205ff.), in dem die Übertragung der Sendebefugnisse auf den N D R durch § 3 des Gesetzes über den Norddeutschen Rundfunk als unzulässig erachtet wurde, weil insoweit der Bund die Gesetzgebungskompetenz innehatte (und diese durch das Gesetz über Fernmeldeanlagen ausgefüllt hatte). Damit ist nicht ausgeschlossen, daß einzelne Vorschriften des Gesetzes
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cc) Die Erörterungen der Zuständigkeiten für das Post- und Fernmeldewesen im Herrenchiemseer Konvent und im Parlamentarischen Rat Sowohl im Herrenchiemseer Konvent als auch im Parlamentarischen Rat wurde nur erörtert, inwieweit die Zuständigkeit für das Post- und Fernmeldewesen auch den Rundfunk erfaßte. Der Chiemseer Konvent war der Auffassung, daß der Rundfunk einschließlich der Rundfunktechnik nicht zum Fernmeldewesen gehöre. 414 Hintergrund dieser Haltung dürften die zu diesem Zeitpunkt in den in der US-Besatzungszone gelegenen Ländern anstehenden Regelungen gewesen sein, nach denen die dortigen Rundfunkanstalten selbst senden und die Rundfunkempfangsgenehmigungen erteilen sollten. 415 Diese Auffassung wurde im Parlamentarischen Rat indessen nicht geteilt. Dort ging man davon aus, daß die technische Seite des Rundfunks zum Fernmeldewesen gehöre, die kulturelle Seite hingegen nicht. 4 1 6 Offen blieb, ob die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG auch die Befugnis umfaßte, die organisatorische Seite des Rundfunks mitzuregeln. Dies erwuchs nach Inkrafttreten des Grundgesetzes bekanntermaßen zur Streitfrage, die erst durch das 1. Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachteil des Bundes entschieden wurde. 4 1 7 f) Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung des Fernmeldewesens aa) Begründung und Ausdehnung staatlicher Alleinrechte zugunsten der Post Aus dem historischen Überblick wird erkennbar, daß die jeweiligen Postverwaltungen im Bereich der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung seit jeher darauf bedacht waren, diese allein zu betreiben und insbesondere Private als mögliche Konkurrenten auszuschließen. Ob dieses Vorgehen auf einer Rechtsgrundlage basierte, war demgegenüber zweitrangig. Zwar regte sich an dieser Verhaltensweise zunächst lange Zeit kein Widerspruch, weil die unkörperliche Nachrichtenübermittlung anfangs ausschließlich militärischen Zwecken diente und, als dies nicht mehr der Fall war, aufgrund der hohen Kosten weiterhin vom Staat allein betrieben wurde. 4 1 8 Das aber änderte sich über Fernmeldeanlagen gegen höherrangiges Recht verstoßen und deshalb nichtig sind, wie dies bei § 15 Abs. 2 a F A G der Fall ist (vgl. BVerfGE 78, 374 ff.). 414 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 32. 415 Vgl. oben aa. 416 Vgl. JöR Bd. 1 (1951), S. 476ff. 417 BVerfGE 12, 205ff.
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just in dem Augenblick, als der Betrieb der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung durch die Entdeckung des Telefons finanziell erschwinglich wurde. Die nunmehr aufkommenden Bestrebungen durch Private unterdrückte die RPTV mit Hilfe von Verfügungen und polizeilichen Mitteln, anstatt die unkörperliche Nachrichtenübermittlung einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Grund hierfür war die Gefahr des Entstehens von gesetzlichen Verpflichtungen (bspw. Zugang für alle zu gleichen Bedingungen), denen man aus dem Weg gehen wollte. Nachdem aber ihre bisherige Verhaltensweise an der Rechtsprechung gescheitert war, war die RPTV nunmehr sehr schnell bereit, auch gesetzliche Verpflichtungen in Kauf zu nehmen, um die Ausübung ihrer Alleinrechte" erhalten zu können. 419 Tatsächlich wurden Allein rechte zugunsten des Staates erst mit dem Telegraphengesetz geschaffen, dessen Entstehung zudem heftig umstritten war. 4 2 0 Diese Verhaltensweise der Post wiederholte sich bei der Einführung des Rundfunks. Als wiederum klar war, daß ein Alleinrecht im Bereich des „Unterhaltungsrundfunks" nicht gegeben war, weil das Telegraphengesetz nur die Vermittlung von Nachrichten monopolisierte, wurde zunächst wiederum mit Verfügungen versucht, ein Alleinrecht" zu begründen. Nachdem diese Vorgehensweise (erneut) scheiterte, initiierte die Post wieder gesetzgeberische Aktivitäten, um Private erneut ihrem Diktat zu unterwerfen. Zugute kam ihr dabei die Möglichkeit des Erlasses von Notverordnungen gem. Art. 48 Abs. 2 W R V durch den Reichspräsidenten; das Gesetz über Fernmeldeanlagen legalisierte diese Verfahrensweise. Einer gesetzlichen Regelung der organisatorischen und inhaltlichen Komponente des Rundfunks konnte man hingegen aus dem Weg gehen, weil man sich mit dem R M I und den Ländern „unter der Hand" über die Verteilung der Regelungsbefugnisse einigen konnte. Einbrüche in die Bestrebungen der Post gab es bisher nur aufgrund „außerdeutscher" Vorstellungen. Die Wiedererlangung derjenigen Rechte nach dem zweiten Weltkrieg, die der Reichspostminister aufgrund des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vor dem zweiten Weltkrieg innehatte, scheiterte an den Besatzungsmächten und führte zu Abweichungen im Bereich des Rundfunks sowie zur eigenen gesetzlichen Regelung des Amateurfunkdienstes. Damit aber kam auch eine Rezeption des im F A G angelegten umfassenden Fernmeldemonopols durch das Grundgesetz nicht mehr in Betracht. 421 418 Abgesehen von den Telegraphenanlagen der Eisenbahngesellschaften, die aber nur deren innerem Betriebsdienst dienten. 419 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Rolle von H. v. Stephan bei der Entstehung des Telegraphengesetzes. Er wirkte in zweifacher Weise mit: Als Leiter der RPTV bei der Einbringung des Entwurfs sowie dann bei allen Beratungen als Vertreter der einzelnen Bundesstaaten! Die Schaffung des Telegraphengesetzes war H. v. Stephans letzter persönlicher Erfolg. Er starb fünf Jahre später (1897). 420 Unzutreffend Λ. Eidenmüller, D Ö V 1985, 522 (525).
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bb) Umfang der staatlichen Alleinrechte Anhand des Rundfunks wurden aber auch die Grenzen des staatlichen Alleinrechts deutlich. Der Rundfunk stellte nicht mehr nur „eine dritte Art der Nachrichtenübermittlung" dar, wie dies bei den bisherigen unkörperlichen Kommunikationsformen der Fall war, sondern wies auch eine publizistischkulturelle Komponente auf. Eine Regelung des Rundfunks durch die Post in seiner Gänze, weil er auch die Komponente „Nachrichtenübermittlung" beinhaltete, hat es aber zu keiner Zeit gegeben. Aufgrund einer Präjudizierung der Rundfunkverhältnisse in Weimar durch den Betrieb der posteigenen Rundfunksender gelang es der Post zwar, neben dem technischen auch den organisatorischen Teil des Rundfunks für sich zu vereinnahmen. Aber schon während des nationalsozialistischen Gewaltregimes wurde die Post wieder auf den übermittlungstechnischen Bereich des Rundfunks zurückgedrängt. 422 Die Wiederherstellung der Weimarer Verhältnisse im Bereich des Rundfunks 423 unter den Besatzungsmächten schlug dann nicht nur fehl, sondern verdrängte die Post teilweise sogar aus dem übermittlungstechnischen Teil des Rundfunks. Aus den Entstehungsmaterialien des Grundgesetzes wird nur klar, daß man den fernmeldetechnischen Teil des Rundfunks, also seine Übermittlungskomponente, unter die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen fassen wollte. Dagegen blieb offen, ob darüber hinausgehende Regelungen gleichfalls von der Kompetenz für das Fernmeldewesen erfaßt sein sollten. Diesen Streit entschied schließlich das 1. Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es stellte, da der Umfang der Bundeskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG zu bestimmen war, 4 2 4 anhand des Rundfunks klar, daß die Kompe421 Nach Erlaß des Grundgesetzes führte die Bundespost die Tradition ihrer Vorgängerverwaltungen auf einfachgesetzlicher Basis lange Zeit ungehindert fort. Beispiele hierfür sind die Monopolisierung von Modems sowie der Alleinbetrieb von Bildschirmtext trotz Widerspruchs der Länder. Lediglich der EG-Kommission gelang es mit der Drohung der Einleitung eines Verfahrens gegen die Post vor dem EuGH, zur Zeit der Geltung des F A G a. F. einen Einbruch in die Vormachtstellung der Post zu erzielen. Bezeichnenderweise geschah dies ausgerechnet bei Modems, wo sogar das Bundesverfassungsgericht knapp 10 Jahre vorher eine Monopolisierung noch für zulässig erachtet hatte. Die nunmehrigen Änderungen des Gesetzes über Fernmeldeanlagen dürften ebenfalls aufgrund europäischer Entwicklungen erfolgt sein. Ob eine umfassende Liberalisierung in tatsächlicher Hinsicht eintritt, muß angesichts der mittlerweile über einhundertjährigen Verwaltungsübung der Post bezweifelt werden. 422 Daß dies geschah, um der nationalsozialistischen Propaganda zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. 423 Das dürfte der Grund gewesen sein, warum eine von Bredow 1947 den Amerikanern vorgeschlagene Organisation des Rundfunks nicht deren Zuspruch fand, vgl. Bericht der Kommission zur Untersuchung der rundfunkpolitischen Entwicklung im südwestdeutschen Raum (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland), o. J., S. 32, sowie Schuster, APF 1949, 309 (321). 424 Nicht etwa ging es um die Bestimmung der Regelungsbefugnisse der Länder im Bereich des Rundfunks. Einer derartigen Annahme steht schon Art. 30 GG entgegen.
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tenz des Bundes zur Regelung des Fernmeldewesens nur den Bereich der unkörperlichen Nachrichten Übermittlung, nicht mehr und nicht weniger, umfaßt. 425 g) Übereinstimmung der tatsächlichen Entwicklung mit den einschlägigen Normen der Vorläuferverfassungen Es bleibt noch zu prüfen übrig, inwieweit sich die geschilderte Entwicklung mit den Vorstellungen gerade der Verfassungsgeber der Vorläuferverfassungen zum Begriff „Telegraphenwesen" vereinbaren ließ, und inwieweit sich die einfachen Gesetzgeber innerhalb des jeweiligen verfassungsrechtlichen Verständnisses bewegt haben. aa) Art. 48 Verf.
NdBd. bzw. Art. 48 RV 1871
Hinsichtlich der sich mit dem Telegraphenwesen befassenden Normen der Verfassungen des Norddeutschen Bundes bzw. der RV 1871 erweist sich die Ermittlung des dahinterstehenden Verständnisses als nicht unproblematisch. Im Gegensatz zum Postwesen fehlte es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens beider Verfassungen fast völlig an gesetzlichen Regelungen der Télégraphié in den Bundesstaaten, an die man bei Schaffung der Verfassungsnormen hätte anknüpfen können. Ursächlich hierfür war, daß zum einen kein Handlungsbedarf für gesetzliche Regelungen bestand, weil sich die Télégraphié wegen der immensen Errichtungskosten ohnehin in Händen der Staaten befand. Zum anderen brachte aber auch die nachrichtentechnische Entwicklung in kurzer Zeit immer wieder neue Telegraphieformen hervor, 426 so daß eine gesetzliche Regelung auch Gefahr gelaufen wäre, infolge der weiteren technischen Entwicklung binnen kurzer Zeit überholt zu sein. 427 Ebensowenig hatten Rechtsprechung und Literatur bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfassung des Norddeutschen Bundes bzw. der Reichsverfassung Ansatzpunkte für die Ermittlung eines dem Begriff der Télégraphié zugrundezulegenden Verständnisses geliefert, an welches man bei den Verfassungsberatungen hätte anknüpfen können. 428
4
25 Vgl. BVerfGE 12, 205 (226f.). Das dürfte durch BVerfGE 46, 120 (151 f.) bestätigt worden sein, wenn an der Zulässigkeit der Datenfernverarbeitung durch die Post Zweifel geäußert werden. 426 Vgl. bspw. L. F. W. Rother, Der Telegraphenbau, 1865, S. 10 ff. 427 Vgl. oben 3 a bb. 428 Eine Ausnahme kann man vielleicht in der Schrift von K. Knies, Der Telegraph als Verkehrsmittel, 1857, S. 33, sehen. Allerdings zeigte Knies auch nur Unterschiede zwischen elektrischen Telegraphen und optischen Übermittlungssystemen auf.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 2 1
Diese Situation spiegelt sich deutlich in den Materialien zu den Verfassungen des Norddeutschen Bundes bzw. der RV 1871 wider. Bei der Erörterung des Art. 48 der Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde lediglich die Abschaffung eines de jure aber nur in Sachsen vorhandenen Telegraphenmonopols 429 ausführlicher diskutiert. 430 Dagegen ergeben sich keine Anhaltspunkte, was der Begriff „Telegraphenwesen" umfassen sollte; erwähnt wurden lediglich einige der damals verwandten Telegraphieformen. Aus den Materialien zu Art. 4 Nr. 10, 48 R V 1871 läßt sich gleichfalls nichts für eine Antwort auf die Frage entnehmen, was unter dem Begriff „Telegraphenwesen" zu verstehen sein sollte. 431 Anhaltspunkte für das damalige Verständnis des Begriffs „Telegraphenwesen" bieten demnach nur die nach Erlaß der Verfassungsbestimmungen ergangene Rechtsprechung und Literatur. Diese kann grundsätzlich zur Ermittlung des damaligen Verständnisses herangezogen werden, weil sich aus ihr Hinweise ergeben können, wie dieser Begriff zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungen verstanden wurde. Jedoch hat erst die Neueinführung des Telefons überhaupt zu Diskussionen über das Wesen der Télégraphié in Rechtsprechung und Literatur geführt. 432 Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungen des Norddeutschen Bundes bzw. des Reiches aber war das Telefon noch unbekannt, 433 so daß dieses die Vorstellungen der Verfassungsgeber bei der Verwendung des Begriffs „Telegraphenwesen" noch nicht beeinflußt haben konnte. Soweit daher Rechtsprechung und Literatur versucht haben, den Begriff der Télégraphié unter Berücksichtigung des Telefons zu bestimmen, könnten deren Erkenntnisse nur dann ohne weiteres verwertet werden, wenn sich aus den Verfassungsmaterialien selbst Anhaltspunkte für ein weites, auch die Einbeziehung des Telefons zulassendes Verständnis des Begriffs „Telegraphenwesen" ergäben. Da aber bei den Verfassungsberatungen des Norddeutschen Bundes nur einige Telegraphieformen erwähnt wurden, wird man dies nicht annehmen können. Für die Ermittlung des Verständnisses der Verfassungsgeber sind demnach in erster Linie Rechtsprechung und Literatur vor Einführung des Telefons heranzuziehen. Sieht man daraufhin den Zeitraum vor etwa 1882 - dem Jahr, in welchem die ersten echten Telefonverbindungen geschaffen wurden - 4 3 4
429
Vgl. oben 3 a bb ß. 430 ygi. verh. d. Reichstags des Norddeutschen Bundes, Sten. Ber. 1867 Bd. I, S. 515 (516). 431 Das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte machte sich später in den Beratungen zum Telegraphengesetz deutlich bemerkbar, vgl. oben 3 b bb. 432 Vgl. oben 3 b aa ε. 433 Vgl. oben 3 a bb δ.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
durch, so finden sich in der Literatur überhaupt keine Erörterungen zum Begriff des Telegraphenwesens; man schien bei der Erörterung der einschlägigen Verfassungsnormen vielmehr die damaligen technischen Verhältnisse zugrundezulegen. 435 Übrig bleibt die Entscheidung des Reichsgerichts vom 20. 9. 1881 zur Frage, ob Rohrpostanlagen unter den Begriff der „Telegraphenanstalt" fallen. 436 Wenn auch diese Entscheidung nicht unmittelbar den verfassungsrechtlichen Begriff des Telegraphenwesens zum Gegenstand hatte, so lassen sich doch aus der dortigen Definition der „Telegraphenanstalt" Rückschlüsse auf das damalige Verständnis des verfassungsrechtlichen Begriffs Telegraphenwesen ziehen. Als „Telegraphenanstalt" bezeichnete das Reichsgericht in dieser Entscheidung jede Einrichtung, die eine ihr zur Weiterbeförderung an einen entfernten Ort zugehende schriftliche oder mündliche Mitteilung an dem Bestimmungsort mittels vorausbestimmter Zeichen reproduziert. 437 Daraus wird man rückschließen können, daß nach damaligem Verständnis der verfassungsrechtliche Begriff des „Telegraphenwesens" die Gesamtheit der sächlichen und persönlichen Mittel umfassen sollte, die dazu dienten, Mitteilungen mittels vereinbarter Zeichen oder Buchstaben an einem entfernten Bestimmungsort wiederzuerzeugen. 438 Damit aber ist höchst fraglich, ob man das später hinzugekommene Telefon noch zum verfassungsrechtlichen Begriff des Telegraphenwesens zählen kann, weil es eben nicht Zeichen, sondern Worte übermittelt. 439 434 Eingeführt wurde das Telefon zwar bereits 1877, aber bis 1882 nur zum Durchsprechen von Mitteilungen an die nächstgelegene Telegraphenstation verwendet, von wo aus die Mitteilung weitertelegraphiert wurde, vgl. oben 3 a bb δ. 435 Vgl. bei E. Riedel, Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871, 1871, S. 129ff.; R. v. Mohl, Einleitung in das Deutsche Staatsrecht, 1873, S. 213ff.; P. D. Fischer, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege Bd. 1 (1871), S. 409ff.; J. Ludewig, Die Télégraphié, 1872. F. Meili, Das Telegraphenrecht, 1871, geht bei seiner Betrachtung vom Morse'sehen Telegraphen aus (S. 6 ff.). Keinerlei Äußerungen zum Telegraphenwesen finden sich bei F. v. Holtzendorff (Hrsg.), Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1882. 436 RGSt 4, 406f. 437 RGSt 4, 406 (407). 438 Soweit sich nach 1882 Äußerungen im staatsrechtlichen Schrifttum finden, gehen sie in diese Richtung. Vgl. H. Schulze, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, II. Buch, 1886, S. 201; E. Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, 1884, S. 612, sowie ansatzweise A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1892, S. 415. Anderer Ansicht L. v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie, Bd. I V , 4. Aufl. 1884, S. 608, der auf die Elektromagnetizität als entscheidendes Kriterium abstellt. Zur strafrechtlichen Diskussion vgl. oben 3 b aa ε. 439 Anderer Ansicht RGSt 19, 55 (57) zum strafrechtlichen Begriff der Telegraphenanstalt. Indes vermag die Parallele, die das Reichsgericht von den wiedererzeugten akustischen Signalen des Morseklopfers zum gesprochenen Wort zog, nicht zu überzeugen. Zwar erfolgt die Wiedererzeugung in beiden Fällen auf akustischem Wege, aber weder kann man wiedererzeugte akustische Zeichen als Worte ansehen noch umgekehrt. Anders ausgedrückt: Die Übermittlungsmethoden bleiben unterschiedlich! Richtig erkennt dies bereits Scheffler, Der Gerichtssaal Bd. 36 (1884), S. 481 (482); die bei ihm
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Vergleicht man das verfassungsrechtliche Verständnis des Begriffs „Telegraphenwesen" in Art. 4 Nr. 10, 48 RV 1871 mit dem Verständnis des Telegraphengesetzgebers, nach dem wesentliches Merkmal einer Telegraphenanlage die (unkörperliche) Vermittlung von Nachrichten sein sollte, 440 so ist zunächst festzustellen, daß es jeweils um den nicht verkörperten Transport von Nachrichten geht. Im Gegensatz zum verfassungsrechtlichen Verständnis sollte es aber nach den Vorstellungen des einfachen Gesetzgebers gerade nicht auf das begrenzende Merkmal der Wiedererzeugung von Mitteilungen mittels vereinbarter Zeichen oder Buchstaben an einem entfernten Bestimmungsort ankommen. 441 Daraus resultierte ein gegenüber der Verfassung erweiterter Anwendungsbereich des einfachen Gesetzes. Anders ausgedrückt: Der einfache Gesetzgeber hat mit dem ausufernden Anwendungsbereich des Telegraphengesetzes die von der Reichsverfassung 1871 gezogenen Grenzen überschritten. bb) Art. 6 Nr. 7, 88 WRV Fraglich ist nunmehr, ob der Weimarer Reichs Verfassung das Verständnis des Begriffs des „Telegraphenwesens" in Art. 48 RV 1871 oder das der „Telegraphenanlage zur Vermittlung von Nachrichten" in § 1 TG zugrundegelegen hat. Von diesem Ergebnis hängt der Umfang der Rezeption der Tradition durch das Grundgesetz ab, weil dieses in erster Linie an die Weimarer Reichsverfassung und nur durch ihre Vermittlung an die RV 1871 bzw. die Verfassung des Norddeutschen Bundes angeknüpft hat. Art. 6 Nr. 7 W R V beinhaltete für den Bereich des Telegraphen- einschließlich des Fernsprechwesens die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Reiches; damit korrespondierend legte Art. 88 W R V fest, daß das Telegraphenwesen samt dem Fernsprechwesen Verwaltungssache des Reiches war. Mit diesen Vorschriften behielt die Weimarer Reichsverfassung die unter der RV 1871 bestehende Kompetenzverteilung bei, 4 4 2 sieht man von der hier nicht weiter interessierenden Aufhebung der unter der RV 1871 vorhandenen Sonderrechte Bayerns und Württembergs ab. A n beiden Verfassungsbestimmungen fällt auf, daß das Fernsprechwesen ausdrücklich erwähnt ist. Das könnte den Schluß zulassen, daß sich der Verangeführten Ausnahmefälle erklären sich aus der damaligen technischen Unvollkommenheit des Telefons und treffen längst nicht mehr zu. 440 Vgl. oben 3 b bb y am Ende, dort m.w.Nachw. aus der Literatur nach Inkrafttreten des Telegraphengesetzes. 441 Dahinstehen kann daher, ob man die ausdrückliche Einbeziehung des Telefons in den Anwendungsbereich des Telegraphengesetzes als noch von der Kompetenzmaterie „Telegraphenwesen" gedeckt ansieht oder nicht. 442 Statt aller G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Anm. 1 zu Art. 88 WRV.
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fassungsgeber das Verständnis des Telegraphengesetzes zu eigen machen wollte, weil § 1 TG im Gegensatz zu den Vorschriften der RV 1871 (erstmalig) die Fernsprechanlagen ausdrücklich in seinen Anwendungsbereich einbezogen hatte. Denkbar wäre andererseits auch, daß man das verfassungsrechtliche Verständnis des Begriffs Telegraphenwesen unter der RV 1871 und nicht das des Telegraphengesetzes zugrundelegte. Dann aber bedurfte es der ausdrücklichen Einbeziehung der Fernsprechanlagen, weil diese nach dem Verständnis der R V 1871 vom Begriff „Telegraphenwesen" nicht umfaßt waren. Die besseren Gründe sprechen für letztere Annahme. Nach damaliger Rechtsprechung und einfacher Gesetzgebung wurde das Fernsprechwesen als Unterfall des Telegraphenwesens angesehen, so daß es dieses Zusatzes in der Verfassung nicht mehr bedurft hätte. Auch kann die Erwähnung des Fernsprechwesens im Verfassungstext nicht etwa als ausdrückliche Rezeption der durch das Telegraphengesetz geschaffenen einfachgesetzlichen Rechtslage gewertet werden. Während der Verhandlungen der verfassunggebenden Nationalversammlung zum späteren Art. 88 W R V gab es nämlich einen der einfachgesetzlichen Rechtslage entsprechenden Änderungsantrag, das Fernsprechwesen nicht besonders zu erwähnen, weil unter Post und Télégraphié der gesamte Verkehr der Post einschließlich Fernsprechens und Fernschreibens gleichermaßen erfaßt, und auch die „Funkentelegraphie" nicht ausdrücklich erwähnt sei. 443 Indes kam es hierüber weder zu Diskussionen noch erfolgte gar eine Änderung des Entwurfstextes. Das läßt nur den Schluß zu, daß der Verfassungsgeber der Weimarer Reichsverfassung den Begriff „Telegraphenwesen" nicht im Sinne der einfachgesetzlichen Rechtslage, sondern im notwendigerweise engeren Sinn der letzten Verfassungsentscheidung (1871) verstanden hat. 4 4 4 Demnach blieb es unter dem Geltungsbereich der W R V dabei, daß der Begriff „Telegraphenwesen" (nur) die Gesamtheit der sächlichen und persönlichen Mittel umfaßte, die dazu dienten, Mitteilungen mittels vereinbarter Zeichen oder Buchstaben an einem entfernten Bestimmungsort wiederzuerzeugen. 445 Die Ausdehnung der Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse des Reiches gegenüber der R V 1871 beruhte allein auf der ausdrücklichen Erwähnung des Fernsprechwesens im Verfassungstext. Unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung kam es auch zur Änderung des Telegraphengesetzes, welches unter der Überschrift „Gesetz über Fernmeldeanlagen" neu bekanntgemacht wurde. 443 Vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, Sten. Ber. Anlagebd., Drucks. Nr. 351, S. 339. 444 Ebenso Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 48. Der scheinbare Widerspruch zu ihren Ausführungen auf S. 49f. löst sich auf, wenn man die Anknüpfung der W R V an die Ausgangslage 1919 in der ausdrücklichen Aufnahme des Fernsprechwesens in den Verfassungstext sieht. 445 Vgl. E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 70.
III. Entstehungsgeschichtl. Aspekte der Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 G G 2 2 5
Nach dem Willen des Gesetzgebers des Gesetzes über Fernmeldeanlagen sollte zwar lediglich das Wort „Telegraphenanlage" durch den Begriff „Fernmeldeanlagen" ersetzt werden, ohne das zugrundeliegende Verständnis zu ändern. Durch die Verweisungen in den Gesetzesmaterialien ergibt sich aber, daß gerade nicht an das Verständnis des Telegraphengesetzes angeknüpft wurde; vielmehr wurde der unbestimmte Gesetzesbegriff „Fernmeldeanlagen" durch die reichsgerichtliche Definition der Telegraphenanstalt ausgefüllt. 4 4 6 „Fernmeldeanlagen" waren daher alle Anlagen zur Nachrichtenbeförderung, „welche nicht durch den Transport des körperlichen Trägers der Nachricht von Ort zu Ort, sondern dadurch bewirkt wird, daß der an einem Ort zum sinnlichen Ausdruck gebrachte Gedanke an einem anderen entfernten Orte sinnlich wahrnehmbar wieder erzeugt wird. 4 4 7 Vergleicht man dies mit dem Umfang der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen der Weimarer Reichsverfassung, so kann festgestellt werden, daß sich der einfache Gesetzgeber noch innerhalb der von den Verfassungsnormen gezogenen Grenzen gehalten hat. Zwar sollte es nach dem Begriffsverständnis des einfachen Gesetzgebers nicht darauf ankommen, daß die Wiedererzeugung mittels Zeichen oder Worten erfolgt. Das ist indessen unschädlich, da eine körperlose Nachrichtenübermittlung ohne Verwendung von Zeichen oder Sprache nicht denkbar ist. 4 4 8 Daß die Gesetzesänderung anläßlich der erst nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Zuge des neu aufgekommenen „Unterhaltungsrundfunks" eingetretenen Zustände erfolgte, 449 ändert an diesem Befund nichts. Es wurde oben bereits dargelegt, daß die Zuständigkeitsverteilungen im Bereich des Rundfunks bereits vor Erlaß des Gesetzes über Fernmeldeanlagen außerhalb jeglicher gesetzlicher Grundlagen erfolgten. 450
cc) Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG Woran hat nun das Grundgesetz angeknüpft? In den Entstehungsmaterialien des Grundgesetzes finden sich nur Erörterungen zur Frage, ob der Kompetenztitel „Fernmeldewesen" auch den Rundfunk umfasse. 451 Ansonsten läßt sich aus dem Schweigen der Entstehungsmaterialien nur folgern, daß man den Oben C I 3. 447 Vgl. RGSt 19, 55 (58). 448 Richtiger wäre es allerdings, anstatt von Zeichen von wechselnden physikalischen Zuständen zu reden, die in ihrer Zusammenstellung Zeichen und daraus resultierend die Nachricht ergeben, vgl. oben C I I 2 d. 449 Vgl. oben D I I I 3 d aa; E. Neugebauer, Fernmelde recht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 46ff. 450 Vgl. oben I I I 3 d bb ß, y, sowie bereits BVerfGE 12, 205 (231 ff.). 451 Oben I I I 3 e cc. 15 Köbele
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D. Femeldeverfassungsrecht
Begriff „Fernmeldewesen" aufgrund der historischen Entwicklung für bereits so hinreichend geklärt hielt, daß Erörterungen hierzu nicht mehr erforderlich schienen. Demnach bestätigt eine Durchsicht der verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Vorgängerverfassungen und der einfachen Gesetze das bereits oben gefundene Ergebnis, daß unter „Fernmeldewesen" i.S. des Art. 73 Nr. 7 GG ähnlich wie während der Weimarer Reichsverfassung unter „Telegrapheneinschließlich des Fernsprechwesens" die Gesamtheit der sächlichen und persönlichen Mittel zur körperlosen Übermittlung von Nachrichten in der Weise, daß ausgesandte Signale am Empfangsort wieder erzeugt werden, zu verstehen ist.
I V . Die übrigen Auslegungskriterien Wie bereits oben ausgeführt, kommt bei der Interpretation von Kompetenznormen der Entstehungsgeschichte eine gewichtige Rolle zu. Sie darf andererseits nicht die anderen Auslegungskriterien derart überspielen, daß es zu einer Festschreibung des 1949 vorgefundenen Zustandes kommt. Infolgedessen ist weiter zu prüfen, ob sich aus den sonstigen Auslegungskriterien Abweichungen gegenüber dem mittels der historischen Auslegung ermittelten Umfang des Begriffs „Fernmeldewesen" ergeben. 1. Wortlaut Die wörtliche Interpretation gibt für die Auslegung dieses Begriffs nicht viel her. Aus dem Wortlaut („Femmeldewesen") läßt sich nur im Umkehrschluß folgern, daß Meldevorgänge mit rein lokalem Charakter nicht unter Art. 73 Nr. 7 GG fallen. Zur weiteren Konkretisierung trägt eine wörtliche Interpretation nichts bei, da es unübersehbar viele Methoden und Verhaltensweisen gibt, mit denen in die Ferne gemeldet werden kann. 4 5 2 2. Systematik Aus dem Zusammenhang von Art. 73 Nr. 7 GG mit anderen Vorschriften des Grundgesetzes ergeben sich im Gegensatz zum Begriff „Rundfunk" 4 5 3 keine Anhaltspunkte, mit denen der Umfang des Begriffs „Fernmeldewesen" bestimmt werden könnte. Als Anknüpfungspunkt kommt daher lediglich die Nennung des „Postwesens" in der gleichen Vorschrift in Betracht. Für dieses 452 Vgl. zum Begriff der Fernmeldeanlage, bei dem es sich insofern nicht anders verhält, bereits E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 72. 4 53 Vgl. BVerfGE 12, 205 (228).
IV. Die übrigen Auslegungskriterien
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wurde oben festgestellt, daß es durch den Transport- und Übermittlungseffekt gekennzeichnet ist, 4 5 4 wobei der Schwerpunkt zunehmend auf dem Transport und der Übermittlung verkörperter Mitteilungen liegt. Handelte es sich beim Fernmeldewesen um etwas hiervon völlig verschiedenes, so wäre die Nennung beider Materien in derselben Vorschrift Zumindestens ungewöhnlich. Aus der Aufführung beider Materien in einer Vorschrift läßt sich daher der Schluß ziehen, daß es beim Fernmeldewesen wie beim Postwesen um den Transport von Mitteilungen geht; der Unterschied zum Postwesen liegt in der körperlosen Übermittlung von Nachrichten. 3. Zweck des Art. 73 Nr. 7 GG Versucht man anhand von Rechtsprechung und Literatur Aussagen über den Zweck der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für das Fernmelde wesen zu ermitteln, so finden sich hierzu kaum einmal Ausführungen. Das Bundesverfassungsgericht 455 sieht den Zweck der Fernmeldekompetenz darin begründet, daß die Interessen der Allgemeinheit eine einheitliche Regelung und Ordnung des Fernmeldeverkehrs erforderten, die wirksam nur vom Bund vorgenommen werden könne. Hinzu komme, daß für eine sinnvolle Ordnung des Fernmeldeverkehrs auch der Abschluß internationaler Verträge erforderlich sei, die der Bund aber nur abschließen könne, wenn ihm auch die innerstaatliche Gesetzgebungsbefugnis für diesen Bereich zukomme. 456 Beiden Zwecken ist gemeinsam, daß sie die Funktionsfähigkeit des Fernmeldeverkehrs sicherstellen sollen. Das Regelungsbedürfnis hierfür ergibt sich (national wie international) aus zwei Gründen. Zum einen können sich die Teilnehmer eines Fernmeldeverkehrs ohne ordnendes Eingreifen des Staates sehr leicht gegenseitig stören. Diese Gefahr besteht vor allem im nicht leitungsgebundenen Funkverkehr. Zum anderen erfordert eine technische Kommunikation zwischen vielen Teilnehmern die Festlegung technischer Grundbedingungen für das Übermittlungsnetz, weil nur so sicherzustellen ist, daß viele Teilnehmer sich untereinander verständigen können.
454 So bereits Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, 17. E G Stand August 1979, Art. 87 Rdnr. 46 („technische Bewältigung des Nachrichtenverkehrs"); S. Broß, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 87 Rdnr. 14; A. Eidenmüller, a.a.O., Anm. 1. 2.; H. Redeker, a.a.O., S. 79; G. Feigenbutz, Die Bindung an und durch das Institut der Gebühr, 1977, S. 71 ff. Vgl. ferner U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 98 ff. 455 BVerfGE 12, 205 (230); ihm folgend P. Badura, in: B K , Art. 73 Nr. 7 (Zweitbearb.) Rdnr. 1. 456 BVerfGE 12, 205 (230); G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 262f. Vgl. auch E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 118 (121 f.).
15*
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Häufiger wird demgegenüber der Zweck der Gesetzgebungskompetenz des Bundes mit dem Zweck des in § 1 Abs. 1 F A G a. F. enthaltenen umfassenden Fernmeldemonopols gleichgesetzt;457 teilweise geschieht dies unter der Überschrift „Fernmeldehoheitsrecht". 458 Erklären läßt sich dies damit, daß in der Vergangenheit die Kompetenzen zur Regelung des Fernmeldewesens eng mit der Frage des Fernmeldemonopols verbunden waren, ja teilweise bis heute versucht wird, aus ihnen ein Fernmeldemonopol abzuleiten. 459 Ebenso beziehen sich auch Gegner des Fernmeldemonopols bei ihrer Kritik auf Art. 73 Nr. 7 GG, obwohl sie das in § 1 Abs. 1 F A G a.F. verortete Fernmeldemonopol meinen. 460 Es könnte von vorneherein bedenklich sein, den Zweck des in einer einfachgesetzlichen Vorschrift enthaltenen und mittlerweile sogar weitgehend aufgehobenen Fernmeldemonopols noch zur Ermittlung des Zwecks einer verfassungsrechtlich festgelegten Gesetzgebungskompetenz heranzuziehen, weil die Gefahr besteht, daß eine Verfassungsnorm durch ein einfaches Gesetz „gesteuert" wird. 4 6 1 Andererseits bedarf es eines näheren Eingehens hierauf nicht, wenn sich auch bei Berücksichtigung des Zwecks des Fernmeldemonopols keine neuen Gesichtspunkte gegenüber dem unmittelbaren Zweck der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG ergeben. Für das Fernmeldemonopol werden im wesentlichen drei Zwecke genannt. 462 Zum einen diene es dazu, ein funktionsfähiges Fernmeldesystem zu sichern. 463 Daneben ermögliche es der Post, ihrer Verpflichtung zur Be457 Vgl. BVerfGE 78, 374 (385ff.); H. Fangmann, R D V 1988, 53 (55); RoßnagelWedde, DVB1. 1988, 562 (564). 458 Vgl. J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 79, 88ff.; A. Eidenmüller, D Ö V 1985, 522 (524ff.); ders., Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand August 1987, Fernmelderecht Grundlagen Anm. 2. 2. Zutreffend gegen die Verwendung dieses Begriffs, da kein Gesetzesbegriff W. Schatzschneider, Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?, 1988, S. 16. Kritisch bereits P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 205 („zu unspezifisch"). 459 Zu Art. 48 RV 1871 vgl. oben I I I 3 a bb α. Nunmehr wird teilweise versucht, das Fernmeldemonopol im Umfang des § 1 Abs. 1 F A G a. F. aus Art. 87 Abs. 1 GG herzuleiten, vgl. Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (566f.); F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657 (658); U. Wussow, R i A 1981,107f.; U. Klingler, APF 1978,184 (189). Die verfassungsrechtliche Verfestigung eines historisch gewachsenen Kernbereichs des Fernmeldewesens bejahen E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (124f.), G. Püttner, ZögU Beiheft 4/ 1981, S. 115 (118f.) sowie jetzt D. Müller-Using, in: Fuhr-Rudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 213 (218ff.). 460 So bspw. R. Hermes, BB 1984, 96 (103); vgl. auch die von den Beschwerdeführern in der Direktrufentscheidung vorgebrachte Argumentation (BVerfGE 46, 120 (128)). 461 Vgl. auch F. Giese, D Ö V 1953, 587 (588). 462 Vgl. BVerfGE 78, 374 (385ff.); A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand Oktober 1987, Fernmelderecht Grundlagen Anm. 2. 2; ders., D Ö V 1985, 522 (524ff.). 463 BVerfGE 78, 374 (385f.); A. Eidenmüller, Komm, zum Post- und Fernmeldewesen, Losebl. Stand Oktober 1987, Fernmelderecht Grundlagen Anm. 2. 2.; E. Wie-
IV. Die übrigen Auslegungskriterien
229
reitstellung eines umfassenden und jederzeit nutzbaren Fernmeldenetzes zugunsten der Allgemeinheit nachzukommen (Daseinsvorsorgeargument). 464 Schließlich solle es auch dazu dienen, die erforderlichen Geldmittel für die Erhaltung, den Ausbau und die Weiterentwicklung der Fernmeldeanlagen zu erwirtschaften. 465 Zwei weitere Zwecke, nämlich das militärische Interesse an einem Schnellnachrichtensystem 466 sowie das (vorgeschobene) Interesse an der Verhinderung der Entstehung geheimer Nachrichtensysteme 467 haben zwar in der Vergangenheit vorübergehend eine Rolle gespielt, können hier aber außer Betracht bleiben, da ihnen heutzutage keine Bedeutung mehr zukommt. Aus den genannten Zwecken des Fernmeldemonopols ergeben sich für die Ermittlung des Zwecks der Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine neuen Gesichtspunkte. Zweck des Art. 73 Nr. 7 GG ist auch unter Berücksichtigung der Zwecke des Fernmeldemonopols die Sicherstellung der unkörperlichen Nachrichtenübermittlung durch einheitliche Regelungen. 4. Zusammenfassung Demnach bestätigen die übrigen Auslegungskriterien den mittels der historischen Auslegung ermittelten Umfang des Begriffs „Fernmeldewesen". Es bleibt daher dabei, daß unter Fernmeldewesen die Gesamtheit der sächlichen und persönlichen Mittel zur körperlosen Übermittlung von Nachrichten in der Weise, daß ausgesandte Signale am Empfangsort wieder erzeugt werden, zu verstehen ist.
chert, JbDBP 1986, S. 118 (137); Klingler-Mahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (424); P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 205; früher bereits E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 50ff. Ablehnend H. Krüger, Der Rundfunk im Verfassungsgefüge und in der Verwaltungsordnung von Bund und Ländern, 1960, S. 16ff. 464 Dem scheint das Bundesverfassungsgericht („sollen") aber eher reserviert gegenüber zu stehen (vgl. BVerfGE 78, 374 (387). Großzügiger die fachgerichtliche Rechtsprechung, vgl. L G Hannover, APF 1982, 110 und O L G Celle, ebda mit zustimmender Anmerkung von U. Klingler; ders., APF 1978,184 (187); H. Fangmann, R D V 1988, 53 (59); Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (566ff.); A. Eidenmüller, Komm, zum Postund Fernmeldewesen, Losebl. Stand Oktober 1987, Fernmelderecht Grundlagen Anm. 2. 2; E. Wiechert, a.a.O., S. 137f.; F. Kirchhof, DVB1. 1984,657 (658); KlinglerMahler, Jb. d. elektr. Fernmeldewesens 1975, S. 419 (421); vgl. ferner P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 204f. 4 *5 Vgl. R G Z 116, 24 (28); 141, 420 (426); 155, 333 (335); BGH, M D R 1960, 476; J. Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 81 m.w.Nachw.; U. Klingler, APF 1978, 184 (187); E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 118 (137). Auch diese Funktion macht sich das Bundesverfassungsgericht wohl nicht unbedingt zu eigen (vgl. BVerfGE 78, 374 (387)). 4 *6 Vgl. oben I I I 3 a bb ß, y. 467 Vgl. dazu oben I I I 3 d aa δ.
230
D. Femeldeverfassungsrecht
Y. Die höchstrichterliche Rechtsprechung Hiervon scheint auch die höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen, soweit sie sich mit dem Begriff des „Fernmeldewesens" zu befassen hatte. So hat das Bundesverfassungsgericht schon bald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in seinem 1. Fernsehurteil ausgeführt, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Fernmelde wesen ein technischer, am Vorgang der Übermittlung von Signalen orientierter Begriff sei. 468 Sodann stellte es anhand der technischen Verhältnisse im Rundfunkbereich weiter fest, daß das Ferameldewesen erst mit der Übermittlung der sendefertigen Ton- und Bildsignale vom Rundfunkstudio zu einem oder mehreren Sendern beginne, so daß die Studiotechnik von diesem Begriff nicht umfaßt sei. 469 In der Direktrufentscheidung 470 präzisierte das Gericht seine Ausführungen noch dahin, daß zum Begriff des Fernmeldewesens die Fernmeldeanlagen gehörten, für die die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise wesentlich sei, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wiedererzeugt würden. 471 Ob aber hierzu auch eine über die bloße Übermittlungsfunktion hinausgehende Datenfernverarbeitung gehört, bezweifelte das Gericht unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Ausführungen im 1. Fernsehurteil. 472 In eine ähnliche Richtung weist die Breitbandverkabelungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anwendungsbereich des Telegraphenwegegesetzes.473 Nach seiner Auffassung umfaßt das Fernmelde wesen den Netzbereich auf dem gesamten Gebiet der Telekommunikation, d.h. die technische Seite des Übermittlungsvorgangs, wobei es weder darauf ankomme, ob es sich um Individual- oder Massenkommunikation handelt, noch, ob die Übermittlung mittels Leitungen oder durch Funk erfolgt. Sonstige Entscheidungen zum Post- und Fernmeldewesen sind weniger ergiebig. Sie stellen entweder nur darauf ab, daß sich der Inhalt des Begriffs Fernmeldewesen hinreichend deutlich aus der historischen Entwicklung und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebe, 474 oder erwähnen den Umfang des Fernmeldewesens nur am Rande. 475 468 BVerfGE 12, 205 (226). 469 BVerfGE 12, 205 (227). 470 BVerfGE 46, 120 (142ff.). 47 1 BVerfGE 46, 120 (139, 143). 472 Vgl. BVerfGE 46, 120 (151 f.). 473 BVerwGE 77, 128 (131). Allerdings ist diese Entscheidung angreifbar, weil sie den Begriff der „Telegraphenlinie" entsprechend dem der Telegraphenanlage versteht. Bei den Verhandlungen zum Telegraphenwegegesetz nahm man aber nicht etwa auf das Telegraphengesetz Bezug, wie dies schon das V G Köln als erste Instanz irrig annimmt, sondern legte einen eigenständigen Begriff der Telegraphenlinie zugrunde. Danach aber bietet das T W G für eine Breitbandverkabelung mittels Glasfasertechnik keine gesetzliche Grundlage.
VI. Das Schrifttum
231
VI· Das Schrifttum Dieses folgte lange Z e i t den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, ohne sich selbst näher zum U m f a n g des Fernmeldewesens zu ä u ß e r n . 4 7 6 Erst die Entstehung der M i k r o e l e k t r o n i k u n d ihre Auswirkungen auch i n der Nachrichtentechnik (Stichwort: Telematik) führten ab M i t t e der 70er Jahre zu V e r suchen, die neu aufkommenden Informations- u n d Kommunikationstechniken vorhandenen rechtlichen Strukturen zuzuordnen. I m M i t t e l p u n k t stand dabei zunächst allein Bildschirmtext, bei dem sich die Diskussion zum einen darum drehte, ob der B u n d 4 7 7 , die L ä n d e r 4 7 8 oder beide (entsprechend der Kompetenzverteilung i m 1. Fernsehurteil) 4 7 9 für den Erlaß von Regelungen über Bildschirmtext zuständig sind. Z u m anderen wurde m i t B l i c k auf A r t . 5 A b s . 1 G G außerdem untersucht, ob Bildschirmtext R u n d f u n k , 4 8 0 Presse 4 8 1
474 So BVerfGE 28, 66 (85); BVerwGE 28, 36 (45). BVerfGE 78, 374ff. äußert sich über den Umfang der Regelungsbefugnisse, sagt aber nur wenig über die Voraussetzungen aus. 47 5 So BVerfGE 78, 374 (386). 47 * Vgl. bspw. I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 45; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG-Komm., Stand November 1975, Art. 73 Rdnr. 5; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 23; G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Bundesrepublik Deutschland, 1975, § 47; / . Aubert, Fernmelderecht, Bd. I, 3. Aufl. 1974, S. 89. 477 Vgl. Vorstellungen der Bundesregierung zum weiteren Ausbau des technischen Kommunikationssystems, Media Perspektiven 1976, 329 (342f.); Bundesregierung, Medienbericht, BT-Drucks. 8/2264, S. lOOf.; Stellungnahme der Bundesregierung zum 5. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drucks. 10/1719, S. 29 (36); Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnr. 23; Ferger-Junker, D Ö V 1981, 439ff.; D. Müller-Using, JbDBP 1982, 259 (271); ders., in: FuhrRudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 211 (240 ff.); W. Florian, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 17 (26); Berndt-Hefekäuser, JbDBP 1985, S. 578 (604ff.); J. Schmidt, ebda, S. 609 (617 ff.). 478 Vgl. 1. Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen und des Rundfunkbegriffs vom 29. April 1975 („SchlierseePapier"), FuR 1975, 651 ff.; 2. Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage des Rundfunkbegriffs („Würzburger Papier"), Media Perspektiven 1979, 400ff.; EKM, Bd. I, 1981, S. 189 ff.; LT-NW 9/2510, S. 16f.; Ring- H artstein, Bildschirmtext heute, 1983, S. 45f.; Schlink-Wieland, JURA 1985, 570 (572); W. Brinkmann, Z U M 1985, 337; J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 158; H. Redeker, a.a.O., S. 130f.; Breinlinger-Gusbeth, Bildschirmtext und seine Anwendung, Losebl. Stand Mai 1988, V I I I 1 . 2. 2, S. 13ff. 479 In diese Richtung M. Bullinger, Rechtsfragen der elektronischen Textkommunikation, 1984, S. 22; P. J. Tettinger, JZ 1984, 400 (406); R. Groß, D Ö V 1983, 437 (444ff.); J. Scherer, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 (370f.); ders., NJW 1983, 1832 (1834ff.); K. Berg, AfP 1980, 75 (79). 480 Dafür: Zweiter Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage des Rundfunkbegriffs, Media Perspektiven 1979, 400 (412 f.); G. Paptistella, D Ö V 1978, 7$0 (752); J. Scherer, Der Staat Bd. 22 (1983), S. 347 (368) und NJW 1983, 1832 (1836), soweit Massenkommunikation vorliegt; D. Merten, in: EvStL, Bd. I, 3. Aufl. 1987, Sp. 2088 „Massenmedien" (sofern die Wiedergabe auf dem Fernsehgerät erfolgt).
D. Fernmeldeverfassungsrecht
232
oder ein M e d i u m sui generis 4 8 2 darstellt. Diese Diskussion endete weitgehend, nachdem sowohl der B u n d als auch die Länder Bildschirmtext nebeneinander rechtlich geregelt h a t t e n . 4 8 3 Bildschirmtext aber war (und ist) symptomatisch für die dahinterstehende Problematik, ob die Erscheinungsformen der Telematik i n Gestalt v o n M e h r wertdiensten u n d multifunktionalen Endgeräten noch v o m Kompetenztitel „Fernmeldewesen" erfaßt sind. Bejaht man dies, so resultiert daraus eine Dynamisierung dieses Kompetenzbereichs dergestalt, daß alles mitumfaßt w i r d , was m i t einer Ü b e r m i t t l u n g nur am R a n d etwas zu t u n hat. A l s Beispiel hierfür möge eine an ein Übermittlungsnetz angeschlossene Datenverarbeitungsanlage dienen. D a m i t aber würde sich die Kompetenz für das Fernmeldewesen zur Kompetenz für die Gesamtheit aller irgendwie m i t einer Nachrichtenübermittlung zusammenhängenden Tätigkeiten entwickeln. M i t zunehmender E n t w i c k l u n g der Telematik wäre die gesamte technische Informationsverarbeitung
von
der
Bundeskompetenz
für
das
Fernmeldewesen
erfaßt. 484 I m Schrifttum w i r d die einsetzende Dynamisierung der Kompetenz für das Fernmeldewesen mitsamt ihren A u s w i r k u n g e n i n den letzten Jahren zunehmend e r k a n n t ; 4 8 5 die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen differieren 481
In diese Richtung Rudolf-Meng, Rechtliche Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der Breitbandkommunikation für die Kirchen, 1978, S. 58; W. Theisen, Verfassungs-Forderungen an Privatrundfunk-Normen, Diss. Mainz 1980, S. 8f.; D. Merten, in: EvStL, Bd. I, 3. Aufl. 1987, Sp. 2088 „Massenmedien" (sofern ein Ausdruck der empfangenen Nachricht erfolgt). Vgl. auch E. König, Die Teletexte, 1980, S. 195 f. 482 Wohl mittlerweile h. M. Vgl. BayVerfGH, AfP 1987, 394 (407f.); Chr. Degenhart, in: BK, Art. 5 (Zweitbearb.) Rdnr. 308; Chr. Starch , in: v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 5 Rdnr. 63; H. Bartl, Handbuch BtxRecht, 1984, Rdnr. 21; P. J. Tettinger, JZ 1984, 400 (406); ders., Neue Medien und Verfassungsrecht, 1980, S. 29; M. Bullinger, A ö R Bd. 108 (1983), S. 161 (165); ders., Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S. 41; B. Hendriks, Media Perspektiven 1983, 701 (704); H. Bismarck, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, 1982, S. 88ff.; B. Schlink, Der Staat Bd. 20 (1981), S. 97 (104); W. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, 1979, S. 184ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 26 483 Bundesrechtlich: Nunmehr in der Telekommunikationsordnung (BGBl. 1987 I, S. 1761 ff.) vgl. u. a. §§ 29-32, §§ 420-424, § 456 TKO. Länderrechtlich: Bildschirmtextstaatsvertrag, vgl. GVB1. NW 1983, S. 227ff. 484 Die bereits bei der Erörterung des Fernmeldeanlagenbegriffs aufgezeigte Problematik stellt sich damit auch auf der verfassungsrechtlichen Ebene. 485 Den Übergang von ausschließlich Bildschirmtext betreffende Erörterungen zu grundsätzlichen Überlegungen über den Umfang des Fernmeldewesens bzw. Bundespost dürfte die Schrift von U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, markieren. Vgl. danach H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988; J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987; ders., Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985; E. Witte (Hrsg.),
VI. Das Schrifttum
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aber stark voneinander. Dabei lassen sich wohl vier voneinander verschiedene Lösungsansätze unterscheiden, wobei sich zwei Ansätze jeweils auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Deutschlandfernsehen 486 und zur Direktrufverordnung 487 berufen. Mit ihnen soll sich zuerst auseinandergesetzt werden. 1. Einengende Interpretation des 1. Fernsehurteils Der erste Lösungsansatz basiert auf dem Begriffspaar Individual- und Massenkommunikation und rechnet Formen der ersteren zur Fernmeldekompetenz des Bundes. 488 Das Bundesverfassungsgericht habe es sowohl im 1. Fernsehurteil als auch in seiner Entscheidung zur Direktrufverordnung mit der Sichtbarmachung von elektronischen Zeichen, die mittels elektrischer Schwingungen übertragen wurden, zu tun gehabt. Im 1. Fernsehurteil habe es aber nur den sendetechnischen Bereich zur Fernmeldekompetenz des Bundes gerechnet, in der Direktrufentscheidung hingegen eine Totalkompetenz des Bundes bejaht. Erklären lasse sich dies allein damit, daß die im 1. Fernsehurteil vorgenommene Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern wegen der Bedeutung des Rundfunks als Massenkommunikationsmittel und eminentem Faktor der öffentlichen Meinungsbildung erfolgt sei. In der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Direktrufverordnung hingegen seien Aussagen zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei dem Direktruf um einen Dienst der Individualkommunikation gehandelt habe, dem eine vergleichbare Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung nicht zukomme. 489 Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht auf den offenen Begriffsinhalt des „Fernmeldewesens" für neuartige Übertragungstechniken hingewiesen, womit der Einzug neuer Technik in das Fernmeldewesen der Bundespost ermöglicht worden sei. 490 Diese Entscheidung bestätige daher, daß Länderkompetenzen nur dann gegeben seien, wenn es sich um einen Dienst der Massenkommunikation handele; im übrigen aber verbleibe es bei der ausschließlichen Kompetenz des Bundes aus dem Fernmeldewesen auch für die Einführung neuer Telekommunikationsdienste. Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 35f.; A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 86f.; SchapperSchaar, CuR 1989, 309 (313f.); H. Brinckmann, CuR 1989, 1 (7 f.); W. Schatzschneider, M D R 1988, 529 (532); E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 118 (122); J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (522f.); Schön-Neumann, JbDBP 1985, S. 484ff. 4 «6 BVerfGE 12, 205ff. 487 BVerfGE 46, 120ff. 488 Vgl. J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (521ff.); E. Witte (Hrsg.), a.a.O., S. 35f.; früher bereits Ferger-Junker, D Ö V 1981, 439 (440ff.). 489 Ferger-Junker, a.a.O., S. 440f.;/. Plagemann, a.a.O., S. 521. 490 So/. Plagemann, a.a.O., S. 520.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
2. Grundsätzliche Bedeutung des 1. Fernsehurteils Der zweite Lösungsansatz sieht demgegenüber die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen auch bei neuen Telekommunikationsdiensten aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Übermittlung von Signalen begrenzt. 491 Diese Begrenzung sei schon im 1. Fernsehurteil angelegt und sodann durch die Direktrufentscheidung bestätigt worden. Entscheidungstragende Aussage des 1. Fernsehurteils sei, daß das Fernmelde wesen nur die der Übermittlung von Signalen dienenden funktechnischen Vorgänge umfasse, was das Gericht mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 73 Nr. 7 GG mit anderen Vorschriften des Grundgesetzes, mit dem Zweck des Art. 73 Nr. 7, nur die unerläßliche, einheitliche Regelung funk- und sendetechnischer Fragen zu ermöglichen, sowie einer die Verwaltungspraxis der Reichspost, des Reichsministers des Innern und der Landesregierungen in der Zeit bis 1933 sowie einer die Entstehungsgeschichte des Art. 73 Nr. 7 GG einbeziehenden historischen Interpretation begründet habe. 492 Die Direktrufentscheidung habe die verfassungsgerichtliche Aussage zum Gegenstandsbereich des Fernmeldewesens in einer ebenfalls entscheidungstragenden Passage für die Individualkommunikation übernommen, indem sie ausführte, daß wesentlich für den Begriff der Fernmeldeanlage die körperlose Übermittlung von Nachrichten in der Weise sei, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wieder erzeugt würden. Bestätigt werde die Begrenzung auf die Übermittlung sodann noch durch die Zweifel, die das Bundesverfassungsgericht an der Zulässigkeit einer Datenfernverarbeitung durch die Bundespost geäußert habe. 493 3. Zum Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs sowie dem Vorschlag der Neudefinition des Begriffs der Datenverarbeitung Die beiden anderen Lösungsansätze gehen grundsätzlich ebenfalls von der Beschränkung des Bundes auf die Übermittlung von Signalen aus. Für den Fall der Untrennbarkeit von Übermittlungs- und sonstigen Funktionen wird aber einerseits darauf verwiesen, daß zumindest auch fernmeldespezifische 491 So vor allem J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 611 ff.; ders., Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 152ff.; ausführlich ferner U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 136ff.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 103ff., die sich für ihr Ergebnis aber nicht ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen. Ohne nähere Begründung mit gleichem Ergebnis Schapper-Schaar, CuR 1989, 309 (313f.); H. Brinckmann, CuR 1989, 1 (7 f.). 492 Vgl. J. Scher er, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 153f. 493 Vgl. / . Scherer, a.a.O., S. 154.
VI. Das Schrifttum
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Funktionen vorlägen, so daß sich die Kompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs auf die Einrichtungen als Ganzes erstrecke. 494 Demgegenüber möchte H. Fangmann 495 mit der Begründung, daß der Begriff des Fernmeldewesens durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für innovationsoffen erklärt sei, den Begriff der Verarbeitung von Nachrichten enger fassen und unter Verarbeitung, die der Bundespost verschlossen sei, nur das verstehen, was nicht technikbedingt sei, sondern auf geistiger Neubearbeitung beruhe und schöpferische Elemente in sich trage. 4. Stellungnahme Die Differenzierung nach Individual- und Massenkommunikation erscheint für die Zuordnung von Regelungsbefugnissen für neue Telekommunikationsdienste nicht geeignet. Zum einen wird sie von der verfassungsgerichtlichen Judikatur nicht getragen. Zwar hob das Gericht im 1. Fernsehurteil sehr stark auf die spezifischen Verhältnisse des Rundfunks sowie seine publizistisch-relevante Komponente ab. Ausgangspunkt des ganzen Verfahrens war aber, ob angesichts der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder (Art. 30, 70 GG) der Bund einen Kompetenztitel vorweisen konnte, der die Einbeziehung des Rundfunks in seine Gesetzgebungsbefugnis ermöglichte. Als solcher kam aber nur die Kompetenz zur Regelung des Fernmeldewesens nach Art. 73 Nr. 7 GG in Betracht. 496 Sollte demnach der Rundfunk unter diesen Titel fallen, so bedingte dies zunächst eine positive Bestimmung des Umfangs dieses Titels. 4 9 7 Genau diese Bestimmung hat das Bundesverfassungsgericht zu Beginn seiner Begründung auch vorgenommen. 498 Dort aber findet sich keinerlei Differenzierung nach Individual- oder Massenkommunikation, wohl hingegen die Feststellung, daß das Fernmeldewesen ein technischer, am Vorgang der Übermittlung von Signalen orientierter Begriff sei und es nach allgemeinem Sprachgebrauch nur die der Übermittlung von Signalen dienenden funktechnischen Vorgänge umfasse. Entgegengehalten werden könnte dem, daß die Ausführungen des Gerichts zum Umfang des Fernmeldewesens im 1. Fernsehurteil ganz auf den Rund494 So A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 86f.; ihm folgend E. Wiechert, JbDBPP 1986, S. 118 (122). 495 R D V 1988, 53 (56). 496 Nach damaligem Verständnis. Mittlerweile kommt eine (teilweise) Bundeszuständigkeit nach Art. 74 Nr. 11 GG in Betracht. 497 Unzutreffend J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (521), der eine positive Länderkompetenz für Presse und Rundfunk anzunehmen scheint und alles, was nicht unter diese Begriffe zu subsumieren ist, dem Bund zuordnen will. Dieser Ansatz verkennt die grundsätzliche Regel des Art. 70 GG. Die „Darlegungslast" liegt beim Bund, nicht bei den Ländern! 498 Vgl. BVerfGE 12, 205 (226f.).
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
funk bezogen gewesen seien und daher auch nur für diesen Gültigkeit beanspruchen könnten. Das vermag aber nicht zu erklären, warum das Bundesverfassungsgericht in der Direktrufentscheidung exakt an dem Punkt, an dem sich ein Hineinragen des Fernmeldewesens in den Bereich der Datenverarbeitung abzeichnete, Zweifel anmeldete und zur Begründung auf genau die Passage des Fernsehurteils verwies, in der sich Ausführungen zum Umfang des Fernmeldewesens finden. 499 Dies läßt sich nur dahin verstehen, daß das Gericht auch für den Bereich der Individualkommunikation den Umfang der Kompetenz für das Fernmeldewesen auf die Übermittlung von Signalen begrenzt ansieht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 2 a F A G 5 0 0 steht dem nicht entgegen. Dort hat das Gericht zwar ausgeführt, daß sich die Beschränkung des Inhalts von Auflagen gegenüber Rundfunkanstalten auf sendetechnische Gesichtspunkte nicht verallgemeinern lasse. 501 Damit wird aber nur klargestellt, daß der Inhalt von Auflagen bei sonstigen Fernmeldediensten nicht auf sendetechnische Aspekte beschränkt bleiben muß; die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für das Fernmeldewesen, deren Voraussetzungen und Umfang hier zu erörtern sind, war hingegen im zu entscheidenden Fall im wesentlichen unproblematisch 502 und nur insoweit zu prüfen, als es um die Zulässigkeit von Auflagen zwecks Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Fernmeldeverkehr ging. 503 Zum anderen bestehen aber auch grundsätzliche Bedenken gegen die Verwendung des Begriffspaares Massen-/Individualkommunikation zur Abgrenzung von Bund/Länderkompetenzen. Der Bund kann in beiden Kommunikationsbereichen zumindest in Teilbereichen gesetzgebungs- und verwaltungsmäßig tätig werden, 504 so daß schon deshalb eine Abgrenzung der Befugnisse von Bund und Ländern anhand dieses Kriteriums nicht möglich erscheint. 505 Darüber hinaus zeigt die in der Literatur geführte Diskussion um Bildschirmtext, daß sich erhebliche Zuordnungsschwierigkeiten ergeben, wenn ein
499 Vgl. BVerfGE 46,120 (151f.):„Ob die Bundespost rechtlich imstande wäre, diese Aufgabe (seil. Datenfernverarbeitung) im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu erfüllen, erscheint nach den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im Fernsehurteil (BVerfGE 12, 205 [226 f. ]) zweifelhaft 500 BVerfGE 78, 374ff. soi BVerfGE 78, 374 (388). 502 Es ging um Auflagen, die einer Genehmigung zur Ausübung von CB-Funk beigefügt waren. Vgl. dazu auch B. Köbele, APF 1989, 28 (31). 503 Vgl. BVerfGE 78, 374 (386); ausführlich zur Frage der Zulässigkeit von Auflagen zwecks Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Fernmeldeverkehr H. Redeker, a.a.O., S. llOff. 504 Vgl. nochmals BVerfGE 12, 205 (227ff.). 505 Vgl. U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 44f.
VI. Das Schrifttum
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Dienst beide Komponenten aufweist. 506 Dem könnte man zwar mit einer Aufspaltung nach individual- und massenkommunikativen Elementen mit jeweils eigenen Regelungen begegnen, wie dies bei Bildschirmtext auch erfolgt ist. Unberücksichtigt bleibt dann aber, daß gerade das Zusammenwirken von individual- und massenkommunikativen Elementen Sinn und Zweck eines Dienstes und seine Nutzungsperspektiven ausmachen kann. 5 0 7 Ein Nebeneinander von rechtlichen Regelungen verschiedener Gesetzgebungsorgane führt darüberhinaus in Grenzfragen unweigerlich zu Kompetenzkonflikten, die dann nicht mehr anhand von Rechtsnormen, sondern durch faktische Präjudizierungen „gelöst" werden (wer zuerst kommt . . . ) . Es liegt auf der Hand, daß derartige Rechtsunsicherheiten der Entwicklung eines individual- und zugleich massenkommunikativen Dienstes alles andere als förderlich sind. Bei der bisherigen Diskussion ist von einem feststehenden Verständnis der Begriffe Individual- und Massenkommunikation ausgegangen worden, dem die Vorstellung von der Ein- bzw. Gegenseitigkeit der Kommunikation bzw. einer Unterscheidung nach der Anzahl der Teilnehmer zugrundelag. Zu Recht hat demgegenüber J. Scherer 508 darauf hingewiesen, daß diese Vorstellungen kritiklos in die juristische Diskussion übernommen worden seien, während sich sowohl Kommunikationstheorie als auch Nachrichtentechnik davon längst gelöst hätten. So stelle sich in der Kommunikationstheorie nicht mehr die Frage, was die Massenkommunikation mit dem Rezipienten mache, sondern vielmehr umgekehrt, was der Rezipient mit der Massenkommunikation mache. Das zugrundeliegende Modell des Kommunikationsprozesses sei damit nicht mehr einseitig, sondern gegenseitig. Ebensowenig gibt die nachrichtentechnischen Gestaltung der Netze für eine Differenzierung nach Massen- und Individualkommunikation im bisherigen juristischen Verständnis etwas her. Bisher auf einem Verteilungsnetz basierende einseitige Übermittlungsverfahren wie bspw. der Rundfunk (Verteilkommunikation) erlauben aufgrund der Einführung von Rückkanälen gegenseitige Kommunikation (bspw. Teleshopping), während umgekehrt bei einem Vermittlungsnetz ein Kommunikationsfluß nur in eine Richtung ohne weiteres möglich ist (bspw. Telefonrundspruch). Damit dürfte deutlich geworden sein, daß aus der Weiterverwendung des Begriffspaares Individual-/Massenkommunikation im bisherigen juristischen Verständnis zur Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern Widersprüche zu moderneren Erkenntnissen anderer Wissenschaftsdisziplinen resultieren. Daher spricht auch von dieser Warte alles dafür, von der Ver506
Exemplarisch hierfür einerseits Ferger-Junker, D Ö V 1981, 439 (440ff. - Bildschirmtext ist Individualkommunikation) und E. König, Die Teletexte, 1980, S. 44 ff. (Bildschirmtext im wesentlichen Massenkommunikation) andererseits. 507 Vgl. U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 55. 508 Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 32ff.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
wendung des Begriffspaars Massen- und Individualkommunikation zwecks Abgrenzung von Bund/Länderkompetenzen endgültig Abschied zu nehmen. Ergibt sich demnach, daß die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen auf die körperlose Übermittlung von Signalen begrenzt ist, so bleibt weiter zu klären, wie zu verfahren ist, wenn sich die Übermittlungsfunktion von sonstigen Funktionen nicht trennen läßt. Gerade die Telematik wirft diese Frage auf, da ihre Erscheinungsformen neben der übermittelnden zugleich auch noch andere, nichtübermittelnde Komponenten aufweisen. Keine brauchbare Lösungsalternative stellt die Vorstellung von H. Fangmann, den Begriff der Datenverarbeitung enger zu fassen, dar. Abgesehen davon, daß das Bundesverfassungsgericht Bedenken gegenüber der Zulässigkeit einer Datenfernverarbeitung (im technischen, nicht im urheberrechtlichen Sinn) durch die Bundespost angemeldet hat, führt sein Vorschlag dazu, daß ein traditionell ungeregelter Bereich quasi durch „Umwidmung" einem regulierten Bereich zugeschlagen wird. Angesichts der dadurch betroffenen Grundrechte von technischen Datenverarbeitern hätte die Zulässigkeit eines derartigen Eingriffs zumindest einer detaillierten Prüfung bedurft. Darüber hinaus verkennt H. Fangmann aber auch, daß die Frage einer Abgrenzung zwischen Fernmeldewesen und Datenverarbeitung nicht die einer Inhaltsneutralität der Bundespost ist. 5 0 9 Was die Bundespost inhaltlich darf oder nicht, wird überhaupt erst dann relevant, wenn die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes und darauf aufbauend die Verwaltungskompetenz der Bundespost gegeben ist. Das aber ist gerade zu klären, so daß das Kriterium der Inhaltsneutralität auf die Abgrenzung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen da diese voraussetzend - nicht paßt. Zu dem in die Diskussion eingebrachten Argument des Sachzusammenhangs ist zu sagen, daß es auf den ersten Blick plausibel erscheint, dem Bund über den Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs eine umfassende Regelungsbefugnis auch bei solchen Geräten zu ermöglichen, die neben fernmeldespezifischen Funktionen auch noch andere Funktionen aufweisen, weil letztere von den ersteren nicht zu trennen sind. Zu beachten ist aber, daß Voraussetzung für die Annahme einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist, daß die Einbeziehung einer ungeschriebenen Materie unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der ausdrücklich zugewiesenen Materie ist. 5 1 0 Demnach kann ein
509 Mit diesem Fehlschluß steht H. Fangmann nicht allein. Er findet sich auch bei U. Steiner, HdBStR, Bd. I I I , 1988, § 81, S. 1111 f. 510 Vgl. BVerfGE 3, 407ff.; 12, 205 (238); 22, 180 (210); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, S. 611; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. D 75; Maunz-Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 27. Aufl. 1988, § 37 I I 4; I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 70 Rdnr. 18; Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Vorbem. Art. 70 Rdnrn. 5 f.; R. Scholz, in: Festgabe BVerfG, Bd. I I , 1976, S. 252 (272ff.).
VII. Der Begriff der Übermittlung
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Sachzusammenhang nur dann in Betracht kommen, wenn sich der sogleich zu erläuternde Begriff der Übermittlung bei seiner ebenfalls noch zu untersuchenden Anwendung auf neue Telekommunikationserscheinungen allein als ungeeignet erweist.
V I I . Der Begriff der „Übermittlung" Der Begriff der Übermittlung wurde bereits bei der Erörterung des (einfachgesetzlichen) Fernmeldeanlagenbegriffs ausführlich untersucht. Die dortigen Ergebnisse können auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung des Umfangs des Fernmeldewesens verwendet werden, weil nicht ersichtlich ist, daß sich aus dem Verfassungsrecht ein anderes Verständnis des Begriffs „Übermittlung" ergeben könnte. Nach den obigen Darlegungen ist unter „Übermittlung" der unkörperliche Transport von Nachrichten über eine räumliche Distanz zu verstehen. 511 Zu unterscheiden ist die Übermittlung zum einen von der Nachrichtenproduktion bzw.-Verarbeitung. Danach zählt zur Übermittlung die Herstellung der für eine Übermittlung geeigneten physikalischen Repräsentation der zu übermittelnden Nachricht am Sendeort durch dazu geeignete Einrichtungen, sowie die Umwandlung in eine für den Empfänger wieder wahrnehmbare Form. Eine Nachrichtenspeicherung steht der Annahme einer Übermittlung nicht entgegen, wenn sie zur schnellstmöglichen Übermittlung erforderlich ist. Ist die Übermittlung hingegen bereits abgeschlossen, handelt es sich bei der (dauerhaften) Speicherung nicht mehr um einen Bestandteil der Übermittlung. Demnach erstreckt sich die Kompetenz für das Fernmeldewesen auf den unkörperlichen Transport von Nachrichten über räumliche Distanzen. 1· Der Begriff der Übermittlung und die Reichweite der Regelungsbefugnisse bei multifunktionalen Endgeräten Der unkörperliche Transport von Nachrichten findet in erster Linie im Netz statt. Damit es aber überhaupt zum Transport kommen kann, muß zunächst ein für den Transport geeignetes Transportgut" bereitgestellt werden. Das besorgt aber nicht das Netz, sondern das Endgerät. Die durch das Netz transportierte Nachricht muß auf der Empfängerseite wieder zurückgewandelt werden können, da andernfalls der Transport nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann. Auch dieses besorgen die Endgeräte. Schließlich müssen alle potentiellen Störquellen, die einen Transport der Signale beeinträchtigen können, ausgeschaltet werden. Als solche Störquellen kommen aber wiederum in 511
Vgl. oben C I I 3
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D. Femeldeverfassungsrecht
erster Linie fehlerhafte oder für das jeweilige Netz nicht geeignete Endgeräte in Betracht. Damit ist klar, daß sich das Kriterium der „Übermittlung", welches die Fernmeldekompetenz des Bundes ausmacht, nicht allein auf die Fernmeldenetze erstreckt, sondern in den Bereich der Endgeräte hineinragt. Es stellt sich nunmehr die Frage, welchen Inhalt endgerätespezifische Regelungen haben können. Die Antwort hierauf lautet: jeden, der notwendig ist, damit ein Transport der Nachricht erfolgen kann. 5 1 2 Zulässig sind demnach jedenfalls Regelungen, die sicherstellen, daß Endgeräte so beschaffen sind, daß sie keine physischen Schäden bei ihren Benutzern, Dritten oder am Netz verursachen. Zulässig sind desweiteren Regelungen, die verhindern, daß durch Interferenzen u. ä. eines Endgerätes andere Netzbenutzer gestört und damit deren Kommunikationsmöglichkeiten beeinträchtigt werden. Schwieriger ist hingegen die Frage zu beantworten, inwieweit Endgeräteregelungen zwecks einer Standardisierung von Telekommunikationsdienstleistungen zulässig sind. 513 Die Zulässigkeit derartiger Regelungen wird häufig damit begründet, daß in internationalen und europäischen Normungsgremien 5 1 4 Standards vereinbart würden, die den Freiraum für die Gestaltung eigener Standards auf nationaler Ebene weitgehend beschnitten und infolgedessen verbindlich seien. 515 Aus technischer Sicht mag das zutreffen; aus rechtlicher Sicht ist demgegenüber zu bedenken, daß es sich bei allen von internationalen, europäischen und nationalen Gremien erarbeiteten Standards nicht um verbindliches Recht, sondern nur um unverbindliche Empfehlungen handelt. 516 Standardisierungsentscheidungen von Normungsgremien kommen daher für die Frage, inwieweit endgerätespezifische Regelungen zwecks Standardisierung aufgrund der Bundeskompetenz für das Fernmeldewesen erlassen werden können, in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich keine Bedeutung zu. Vielmehr ist auch insoweit zu fragen, inwieweit Regelungen 512
Vgl. aus technischer Sicht K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung zukünftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 24. 513 Ausführlich zum Problem der Standardisierung W. Bernât, JbDBP 1986, S. 87ff.; /. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 335ff.; Knieps-Müller-Weizsäcker, Die Rolle des Wettbewerbs im Fernmeldebereich, 1981, S. 93 ff.; speziell im Zusammenhang mit der „Einheitstechnik" Monopolkommission, Die Rolle der Deutschen Bundespost im Fernmeldewesen, 1981, S. 43ff. 514 Immer mehr herangezogen wird das 7-Schichtenmodell der ISO (International Standard Organisation). Zu diesem oben A I V 2. 515 Vgl. K.-L. Plank, Grundgedanken zur Gestaltung künftiger Fernmeldenetze, 2. Aufl. 1988, S. 14ff. 516 J. Scherer, a.a.O., S. 340, 342, 350ff. Bekannter ist die Problematik der Einbeziehung technischer „Richtlinien" aus dem Atomrecht, vgl. dazu einerseits BVerwGE 72, 300ff.; einschränkend dagegen BVerfGE 78, 214 (227). Zur Problematik insgesamt K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I I / l , 1988, § 73 I I I 6 d m. umf. Nachw., insbes. FN 140.
VII. Der Begriff der Übermittlung
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zwecks Standardisierung gerade für den Transport der Nachricht notwendig sind. Die Antwort auf diese Frage läßt sich unter Heranziehung des 7-Schichten-Modells geben. 517 Zum einen hat sich dieses im Bereich der Informationstechnologie mittlerweile weitgehend durchgesetzt. Darüber hinaus unterscheidet es selbst bereits zwischen der Transport- und der Anwenderebene. Wendet man das Kriterium der Übermittlung auf das 7-Schichten Modell an, so erscheinen Regelungen, die die Schicht 1 bis 3 betreffen, zulässig. In diesen Schichten geht es gerade um Fragen der elektrischen Anpassung von Endeinrichtungen, Bereitstellung und Sicherung der Übertragungsstrecke etc. Dagegen gehen Regelungen, die die Schichten 5 bis 7 betreffen, über den Begriff der Übermittlung hinaus. In Schicht 5 wird festgelegt, wie die Kommunikation Mensch-Maschine erfolgen soll. Das ist dem eigentlichen Transport der Nachricht gerade vorgeschaltet. Schicht 6 betrifft die Abmachung der Kommunikationspartner bspw. über die Sprache. Beim Telefon würde aber niemand auf die Idee kommen, den Partnern vorzuschreiben, welcher Sprache sie sich ihres Telefonats zu bedienen hätten. 518 Schicht 7 schließlich legt fest, wie zwei Kommunikationspartner für die Lösung einer Aufgabe zusammenarbeiten, betrifft also den Inhalt und nicht den Transport einer Kommunikation. Offen bleibt noch die Zuordnung von Schicht 4, die als Transportschicht bezeichnet wird. Ihre Einordnung zum Transport- oder Anwenderbereich ist selbst in der Nachrichtentechnik nicht eindeutig geklärt. Bei ihr geht es um die Errichtung, Steuerung und Beendigung von Transportverbindungen. Beginn und Ende der Verbindung wurden aber seit jeher von den Kommunikationspartnern bestimmt; allenfalls die Steuerung konnte dem Transportbereich zuzurechnen sein, weil dies früher durch das Netz erledigt wurde. Mittlerweile kann aber auch die Steuerung von Transportverbindungen zunehmend durch Endgeräte, also durch die Kommunikationspartner selbst erfolgen. Es erscheint daher richtiger, Regelungen der Schicht 4 nicht mehr dem Übermittlungsbereich, sondern schon dem Anwenderbereich zuzurechnen. Demnach werden endgerätespezifische Regelungen, die über Schicht 1 - 3 des 7-Schichten-Modells hinausgehen, 519 von der geschriebenen Kompetenz 517
Vgl. oben A I V 2. Vgl. bereits E. Neugebauer, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 1929, S. 625. Unzutreffend dagegen die Begründung von H. Schön, JbDBP 1986, S. 9 (28) für die Forderung nach offener Kommunikation durch Vollstandardisierung, daß bei Datenübertragungsdiensten lediglich Herstellerkompatibilität zwischen den Endgeräten der Datenverarbeitung herrsche, die im Telekommunikationsbereich vermieden werden müsse. Richtig ist zwar, daß die DV-Endgeräte herstellerkompatibel sind. Die daraus resultierende Inkompabilität zu anderen Herstellern wirkt sich aber nicht auf die Datenübertragung, sondern auf die Ausführbarkeit von Programmen auf dem jeweiligen Rechner aus. Die Ausführbarkeit von Programmen aber geht die Post nichts an! Auch läßt sich die vielbeschworenen Gefahr der Dominanz eines Herstellers im Telekommunikationsbereich (gemeint ist IBM) mit der tatsächlichen Situation im DVBereich gerade nicht belegen. Hier hat sich vielmehr ein Industriestandard gebildet, auf dessen Basis vielfältiger Wettbewerb (auch zu Lasten von IBM) entstanden ist. 518
16 Köbele
242
D. Fernmeldeverfassungsrecht
des Bundes für das Fernmeldewesen nicht mehr gedeckt. Vereinfacht ausgedrückt: Endgerätespezifische Regelungen zwecks Standardisierung können nur insoweit erlassen werden, als sie sicherstellen, daß überhaupt eine Kommunikationsmöglichkeit zwischen verschiedenen Teilnehmern möglich ist. Zu klären bleibt, ob sich endgerätespezifische Regelungen, die den soeben skizzierten Rahmen überschreiten, mit Hilfe des Gesichtspunkts des Sachzusammenhangs rechtfertigen lassen. Dann müßte die Einbeziehung sonstiger, auch nicht fernmeldespezifischer Funktionen eines multifunktionalen Endgerätes unerläßliche Voraussetzung für die die Übermittlungsfunktionen betreffenden Regelungen sein. Daß aber bspw. die Regelung datenverarbeitender Komponenten unerläßlich 520 für die Übermittlungsfunktion multifunktionaler Endgeräte sein soll, läßt sich kaum ernsthaft vertreten. Dagegen spricht schon, daß es bereits (nur) übermittelnde Endgeräte gab, als bspw. die Datenverarbeitung noch gänzlich unbekannt war. Eine Einbeziehung von Endgerätefunktionen in die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen unter Zuhilfenahme des Sachzusammenhangs über den soeben dargestellten Umfang hinaus kommt demnach nicht in Betracht. 521 a) Teletexendgeräte
Bei Teletexendgeräten handelt es sich (im Unterschied zu Fernschreibern) um kommunikationsfähige Speicherschreibmaschinen, 522 die zwei Bereiche 519 Beispiel: Den Teilnehmern wird vorgeschrieben, daß die Nachricht in einer bestimmten Form darstellbar sein muß. 520 Die Gründe, die für weitergehende Regelungsbefugnisse vorgebracht werden (so bspw. bei K.-L. Plank, a.a.O., S. 24), sind solche der Zweckmäßigkeit. Auf Zweckmäßigkeitserwägungen kommt es aber bei der Prüfung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nicht an. 521 Beim Rundfunk, wo es eine vergleichbare Problematik (Produktion/Abstrahlung) gibt, hat bekanntermaßen das BVerfG (E 12, 205 (237)) den Sachzusammenhang beider Bereiche abgelehnt. Vgl. desweiteren K.-L. Plank, a.a.O., S. 24, dessen Ausführungen deutlich belegen, daß es für eine Übermittlung nicht unerläßlich ist, sämtliche Funktionen eines multifunktionalen Endgeräts mitzuregeln. Schließlich spricht auch die Entwicklung in den USA nach der Carterfone-Entscheidung des FCC (vgl. J. Scher er, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 217f.) gegen die Annahme eines Sachzusammenhangs. Anderer Ansicht: A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 86f.; ihm folgend E. Wiechert, JbDBPP 1986, S. 118 (122), beide aber ohne nähere Begründung. In Betracht kommt eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 11 GG, nicht aber die Verwaltungskompetenz aus Art. 87 Abs. 1 GG. Vgl. dazu H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 162f. 522 In Betracht kommen aber auch Textverarbeitungsanlagen, Datenverarbeitungsanlagen sowie Telexgeräte, vgl. A. Heuermann, in: Diederich-Hamm-Zohlnhöfer (Hrsg.), Die Deutsche Bundespost im Spannungsfeld der Wirtschaftspolitik, 1987, S. 79 (87).
VII. Der Begriff der Übermittlung
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beinhalten: den Lokalteil und den Kommunikationsteil. 523 Der Lokalteil dient der Erstellung und dem Ausdruck von Texten und unterscheidet sich insoweit nicht von büroüblichen Speicherschreibmaschinen. 524 Mit dem Kommunikationsteil wird die Übertragung von Schriftstücken vorgenommen. 525 Ein Teletexendgerät ist somit gleichzeitig Endgerät des Übertragungsnetzes als auch (mehr oder minder komplexes) Textverarbeitungsgerät. Es liegt mithin eine unmittelbare Verknüpfung von Informationsverarbeitungs- und Informationsübertragungstechnik vor. Damit ist zu prüfen, welche Regelungen unter Zugrundelegung der oben entwickelten Maßstäbe hinsichtlich des Betriebs dieser Geräte zulässig sind. Hierbei ist nach dem Kommunikations- und dem Lokalteil zu differenzieren. Hinsichtlich des Kommunikationsteils fällt die Antwort leicht: Er dient ausschließlich der Nachrichtenübermittlung, so daß Regelungen, die ausschließlich den Kommunikationsteil betreffen, keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Schwieriger hingegen ist die Frage hinsichtlich des Lokalteils zu beantworten. Grundsätzlich ist zwar der Lokalteil eines Teletexendgerätes zur Nachrichtenproduktion bzw.-Verarbeitung bestimmt und unterfällt damit nicht dem Bereich der Übermittlung. Andererseits ist, worauf H. Redeker nicht zu Unrecht hinweist, 526 eine Kommunikation zwischen Teilnehmern am Teletexdienst überhaupt nur über den Lokalteil möglich. Daher wird man Regelungen des Lokalteils, die sicherstellen, daß überhaupt eine Kommunikationsmöglichkeit zwischen verschiedenen Teilnehmern gewährleistet ist, für zulässig erachten müssen. Hierzu zählt die Definition eines Grundvorrats an zu übertragenden Zeichen, da andernfalls der Empfänger die Nachricht überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen kann. Dagegen ist die Festlegung eines bestimmten Zeichensatzes ohne Erweiterungsmöglichkeiten seitens des Teilnehmers problematisch, da dies den Benutzer eines Teletexendgerätes auch bei der lokalen Erstellung von Texten, mithin bei der Nachrichtenproduktion, limitiert, ohne daß dies mit Erfordernissen einer Übermittlung in Zusammenhang stünde. Damit muß es auch den Teilnehmern überlassen bleiben, inwieweit sie Vereinbarungen darüber treffen, die über das bloße Anzeigen einer Nachricht hinaus ihre Darstellung gerade in einer bestimmten Form bewirken. Vollends unzulässig sind Regelungen, die einem Teilnehmer vorschreiben, daß die Nachricht auf dem Drucker anstatt auf dem Bildschirm dargestellt werden muß. Wie der Teilnehmer die Nachricht zur Kenntnis nimmt, ist vielmehr allein seine Sache.
523 A . Heuermann, a.a.O., S. 87; F. Müller, ÖVD-Online Heft 9/1985, S. 48; D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 104; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277 (294). 524 A . Heuermann, a.a.O., S. 87; F. Müller, a.a.O., S. 48; D. Ratzke, a.a.O., S. 104; Schenke-Rüggeberg-Otto, a.a.O., S. 294. 525 F. Müller, a.a.O., S. 48; D. Ratzke, a.a.O., S. 105; Schenke-Rüggeberg-Otto, JbDBP 1981, S. 277 (295 f). 526 AaO, S. 116.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht b) Telefax und Telebrief
Soweit es sich um Geräte handelt, die ausschließlich zur Übermittlung geeignet und bestimmt sind, bestehen gegen die Zulässigkeit entsprechender Regelungen keine Bedenken. Indes lassen sich zunehmend Personal Computer durch elektronische Erweiterungen auch zum Telefaxdienst einsetzen. Damit stellt sich wieder die Problematik, ob auch insoweit Regelungen seitens der Post erlassen werden dürfen. Die Antwort gestaltet sich ähnlich wie bei Teletex. Der Personal Computer muß grundsätzlich in der Lage sein, Telefax empfangen und dem Empfänger zur Kenntnis bringen zu können, da andernfalls eine Kommunikationsmöglichkeit verschiedener Teilnehmer per Telefax nicht gewährleistet wäre. Eine rein lokale Angelegenheit und damit entsprechenden Regelungen entzogen ist hingegen wiederum, ob die Darstellung auf dem Bildschirm oder auf dem Drucker erfolgt. 527 c) Datenübertragung
Diese war bereits Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens. 528 In Rede stand dabei vor allem die Frage, ob die in der Direktrufverordnung angeordnete Monopolisierung von Modems verfassungsgemäß sei. Das Bundesverfassungsgericht bejahte dies mit dem Argument, daß sich die Reichweite des Begriffs „Fernmeldewesen" im damaligen § 14 PostVwG nicht auf die Übertragungsleitungen einschließlich des Leitungsabschlusses beziehe, sondern auch auf diejenigen Einrichtungen erstrecke, die die Übertragung erst ermöglichten. Dabei zog es vergleichend den Fernsprechapparat bzw. die Fernschreibmaschine heran. 529 Das erscheint aus mehreren Gründen heute nicht mehr unbedenklich. Zum einen ist die Parallelisierung von Modems mit Telefonapparaten und Fernschreibmaschinen verfehlt. Letztere sind Endgeräte, die (an das Netz angeschlossen) ausreichend sind, um eine Nachrichtenübermittlung durchzuführen. Im Gegensatz hierzu sind Modems Signalwandler, die allein für eine Nachrichtenübermittlung nicht ausreichen. Diese ist erst mit einem hinter das Modem geschalteten weiteren Endgerät möglich. Die Parallelisierung wäre allerdings unbedenklich, wenn auch die Kombination von Modem und dahintergeschaltetem Endgerät nur zur Nachrichten527 Das Erfordernis seitens der Post bei der Zulassung von Personal Computern zum Telefaxdienst, daß diese rund um die Uhr betriebsbereit und darüber hinaus ein empfangenes Telefax ausdrucken können mußten, ist mittlerweile aufgegeben worden. Aus Sicht des Anwenders empfiehlt sich aus Dokumentationsgründen der Ausdruck einer per Telefax übermittelten Nachricht. 528 BVerfGE 46, 120ff. - Direktruf. BVerfGE 46, 120 (144).
VII. Der Begriff der Übermittlung
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Übermittlung geeignet wäre. In Betracht kommt dies aber nur, wenn es sich bei dem dahinter„hängenden" Gerät um ein sog. „dummes" Terminal handelt, die eigentliche Datenverarbeitung aber mit einen über das Fernmeldenetz verbundenen Zentralrechner erfolgt, weil das Terminal selbst dazu nicht in der Lage ist. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1978) mag dies durchaus noch der Regelfall gewesen sein, heute hingegen ist es die absolute Ausnahme. Eine Parallelisierung von einem lokal einsetzbaren Computer in Verbindung mit einem Modem mit Fernschreibmaschinen und Telefonapparaten aber scheidet aus, weil ersterer im Gegensatz zu letzteren „mehr" kann als nur Nachrichtenübermittlung. Damit ist über die Zulässigkeit von Regelungen betreffend Modems noch nicht abschließend entschieden. Vielmehr liegt zunächst die Ansicht nahe, daß ein Modem ausschließlich der Datenübertragung dient, und damit diesbezügliche Regelungen ohne weiteres zulässig sind. Problematisch wird dies aber, wenn das Modem nicht mehr als separates Gerät vorhanden ist, sondern untrennbar in einen Computer integriert ist. Es liegt auf der Hand, daß eine Regelung, die auch in einem solchen Fall ausschließliches Posteigentum anordnete, verfassungswidrig wäre. Einleuchtende Gründe, interne und externe Modems rechtlich unterschiedlich zu behandeln, sind aber nicht ersichtlich, vielmehr sind an externe Modems die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an integrierte Modems. Danach sind (entsprechend den oben dargelegten Maßstäben) Regelungen nur insoweit zulässig, soweit sie sicherstellen, daß überhaupt eine (Daten)Kommunikationsmöglichkeit zwischen verschiedenen Teilnehmern möglich ist oder die Verhinderung der Beeinträchtigung des Teilnehmers oder des Netzes beabsichtigen. 530
530 Unabhängig von dem Aspekt, daß die Direktrufentscheidung des BVerfG durch die technische Entwicklung überholt ist, erscheint die Argumentation des Gerichts angreifbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Posteigentums von Modems gegen die bloße Festlegung von Schnittstellenbedingungen eingewandt, daß diese den Teilnehmer stärker belasten würden. Die Änderung von Schnittstellenbedingungen hätte für den Benutzer zur Folge, daß dieser die von ihm privat beschaffte Zusatzeinrichtung nicht mehr verwenden könnte (BVerfGE 46, 120 (147)), während posteigene Zusatzeinrichtungen lediglich ausgewechselt werden müßten. Dabei hat das Gericht wohl nicht bedacht, daß die Post die posteigenen Geräte nicht umsonst zur Verfügung stellt. Die entsprechenden Nutzungsgebühren hätten innerhalb weniger Jahre die Neuanschaffung einer privaten Zusatzeinrichtung bei weitem überstiegen. Zum anderen gestaltet sich die Änderung von Schnittstellenbedingungen (schon aufgrund internationaler Normierungen) de facto als kaum noch möglich, jedenfalls aber nicht binnen eines kurzen Zeitraums realisierbar. Ferner ist nicht recht einsehbar, inwieweit ein (ebenfalls kostenpflichtiger) Austausch seitens der Post hätte so durchgeführt werden können, daß der Teilnehmer ohne längere Wartezeiten ein den neuen Schnittstellenbedingungen entsprechendes Modem zur Verfügung gestellt bekommen hätte. Schließlich hätte man mit der Argumentation des Bundesverfassungsgericht auch das Eigentum der Post an den mittels Schnittstelle (!) von den Modems getrennten Datenverarbeitungsanlagen begründen können.
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D. Fernmelde verfassungsrecht
2. Die Auswirkung des Kriteriums der Übermittlung auf die Ausübung technischer Kommunikationsdienste durch die Bundespost531 Nachdem die Reichweite von Regelungsmöglichkeiten bei privat eingesetzten multifunktionalen Endgeräten aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen geklärt ist, stellt sich die davon zu unterscheidende weitere Frage, inwieweit die Ausübung von technischen Kommunikationsdiensten durch die Bundespost selbst mit Art. 73 Nr. 7 bzw. Art. 87 Abs. 1 GG in Einklang steht. Nach den bisherigen Ausführungen richtet sich dies ebenfalls danach, ob ein Dienst eine Übermittlungsfunktion aufweist, da er nur dann unter die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG bzw. seine Verwaltungskompetenz aus Art. 87 Abs. 1 GG fällt. Dabei stellt sich (wie bei den Endgeräten) das Problem, daß bereits heute (und noch mehr in der Zukunft) bei vielen Diensten übermittelnde und verarbeitende Komponenten miteinander vermischt sind. Typisches Beispiel hierfür ist Bildschirmtext, bei dem die von der Post angebotenen Rechnerdienstleistungen als Nachrichten- bzw. Datenverarbeitung eingeordnet wurden; 532 die Nachrichtenverarbeitung aber gegenüber der Nachrichtenübermittlung ein aliud darstellt, welches nicht zum Fernmelde wesen gehört. Das legt eine getrennte Betrachtung der einzelnen Komponenten und Funktionen eines Dienstes nahe. Die Idee einer derartigen Trennung ist nicht einmal neu, da sie bereits das Bundesverfassungsgericht im Rundfunkdienst mittels des 1. Fernsehurteils zwischen der Produktion und der Abstrahlung von Rundfunksendungen vorgenommen hat. 5 3 3 In der Literatur wird allerdings gegen eine getrennte Betrachtung eingewandt, daß sie wegen der Eigengesetzlichkeiten von Physik und Technik zum Scheitern verurteilt sei. 534 Darüber hinaus bedeute der Versuch, Telekommunikationsdienste in künstliche Segmente aufzuspalten, eine Behinderung von Innovationskräften verbunden mit Kostenerhöhungen für die Konsumenten 535 und verhindere zudem die Einführung von ISDN durch die Bundespost(!). 536
531 Legt man das Poststrukturgesetz zugrunde, so beziehen sich die folgenden Ausführungen in erster Linie auf den Wirkungsbereich der T E L E K O M , während die vorangegangenen Ausführungen die Regelungsmöglichkeiten des Bundesministers für Post und Telekommunikation abstecken. Andererseits spricht der Verfassungstext in Art. 73 Nr. 7 nach wie vor von „Fernmeldewesen" und in Art. 87 Abs. 1 GG nach wie vor von „Bundespost", so daß diese weiterhin Gegenstand der Erörterungen bleiben können. 532 Vgl. oben C V 1 e bb. 5 33 BVerfGE 12, 205 (226ff.). 534 Schön-Neumann, JbDBP 1985, S. 478 (481); H. Schön, JbDBP 1986, S. 9 (41 ff.); J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (523). 535 Schön-Neumann, a.a.O., S. 478 (481); H. Schön, a.a.O., S. 9 (41 ff.). 536 So deutlich/. Plagemann, Z U M 1986, 518 (523).
VII. Der Begriff der Übermittlung
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Hinter dieser Argumentation steht wohl die Vorstellung, daß Nachrichtenübermittlungs- und Verarbeitungsleistungen durch das Netz und die Endgeräte als einer nicht zu trennenden Einheit erbracht werden. 537 Schon im Hinblick auf das 7-Schichten-Modell erweist sich diese Vorstellung aber als unzutreffend. Mit ihm werden die verschiedenen Komponenten eines TelematikSystems voneinander entkoppelt. 538 Ein derartiges Modell wäre aber nicht denkbar, wenn sich nachrichtenübermittelnde und -verarbeitende Komponenten nicht voneinander trennen ließen. Ferner spricht gegen die These der Untrennbarkeit, daß die in anderen Staaten gezogenen administrativen Grenzen im Telekommunikationsbereich ebenfalls von der Trennbarkeit von übermittelnden und sonstigen Komponenten eines Telekommunikationssystems ausgehen und hiervon bisher auch nicht abgegangen sind. 539 Schließlich würde auch der Einwand der Untrennbarkeit eine stetige Ausdehnung der Bundeskompetenz für das Fernmeldewesen mit sich bringen, weil dann immer mehr Datenverarbeitungsleistungen in diese Kompetenz mit einbezogen würden. Schon weil Kompetenzvorschriften in hohem Maße der Berechenbarkeit bedürfen, 540 wäre einer derartigen Entwicklung mit Skepsis zu begegnen. Erwiese sich insoweit ein Bedürfnis als unabdingbar und könnte dem auch mit sonstigen Bundeskompetenzen nicht hinreichend Rechnung getragen werden, bliebe als vorzugswürdige Lösung der Weg einer Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 1, 2 G G . 5 4 1 Demnach ist auch bei der Prüfung von Telekommunikationsdiensten an dem Kriterium der Übermittlung festzuhalten. Es wird zu zeigen sein, daß angesichts dieses Kriteriums der Betrieb einiger Telekommunikationsdienste der Bundespost problematisch ist. a) Fernsprechauftrags- und Ansagedienste (§§ 221 ff. TKO)
Im Fernsprechauftragsdienst nimmt die Post den Auftrag eines Teilnehmers an, einem anderen Teilnehmer eine Nachricht als eigene Mitteilung weiterzugeben. 542 Im Fernsprechansagedienst werden Nachrichten für einen unbe537 Darin spiegelt sich die „Telekommunikationsbetrachtungsweise", vgl. oben Einleitung. 538 Vgl. oben A I V 2. s 39 Vgl. oben Β I, II. 540 Vgl. oben D I I 2. 541 Weitere denkbare Erweiterungen des Fernmeldebegriffs als Voraussetzung der Kompetenz für das Fernmeldewesen erörtert H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, S. 142 ff. 542
Vgl. im einzelnen § 222 TKO.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
stimmten Personenkreis bereitgehalten und ständig reproduziert. Beide Dienste werden daher auch als Informationsdienste bezeichnet. 543 Die Zugehörigkeit dieser Dienste zum Fernmeldewesen ist lange Zeit nicht problematisiert worden, 544 wohl weil man sie als Annex zum Telefondienst begriff. In den letzten Jahren mehren sich aber die Stimmen, die an der Zugehörigkeit dieser Dienste zum Fernmeldewesen zu Recht zweifeln: 545 Bei diesen Dienstleistungen handelt es sich nicht lediglich um Übermittlungen. Ihr Kern liegt vielmehr in der Erstellung, Bereithaltung und ständigen Reproduktion von Nachrichten auf Veranlassung eines Teilnehmers. Die Post wird demnach in erster Linie als Nachrichtenproduzent und sodann als Nachrichtenvermittler tätig; die Übennittlung ist demgegenüber - sofern sie überhaupt stattfindet - nur eine untergeordnete Tätigkeit. Fernsprechauftrags- und -ansagedienste fallen daher in weiten Teilen nicht unter die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen und sind deshalb auch nicht Sache der Post. 546 b) Bildschirmtext
aa) „Information für den Einzelnen" Es wurde bereits dargelegt, daß zwar bei der Funktion „Information für den Einzelnen" zunächst alles dafür spricht, einen fernmeldemäßigen Übermittlungsvorgang zwischen Absender und Empfänger anzunehmen, weil die Nachricht an einen vom Absender bei Beginn des Übermittlungsvorgangs festgelegten Empfänger übermittelt wird. A n dieser Betrachtungsweise kommen dann Zweifel auf, wenn man bedenkt, daß die in der Bildschirmtextzentrale gespeicherten Nachrichten im Gegensatz bspw. zu Datex-P nicht automatisch von der Bildschirmtextzentrale an den Empfänger weitergeleitet werden, sondern dieser selbst aktiv werden muß, um die für ihn bestimmte Nachricht von der Bildschirm textzentrale zu erhalten. Es liegen zwei selbständige Übermittlungsvorgänge vor: der erste zwischen Absender und Bildschirmtextzentrale, der mit der Einspeicherung der Nachricht in die Bildschirmtextzentrale durch den Absender beendet ist, sowie ein zweiter, der durch den Abruf seitens des Empfängers eingeleitet wird. 5 4 7 Die in der Bildschirmtextzentrale im 543 K.-H. Rosenbrock, ZPF Heft 9/1982, S. 24 (28). Vgl. bspw. H. Schneider, Festschrift Carstens, Bd. I I , 1984, S. 817 (823 FN 16); D. Stammler, AfP 1975, 742 (750). 545 So H. Redeker, a.a.O., S. 102f.;/. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 633; zweifelnd auch U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 126f. 546 Insoweit erweist sich § 1 Abs. 4 F A G n.F. als problematisch. 547 Ebenso insoweit D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271). 544
VII. Der Begriff der Übermittlung
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Anschluß an die erste Übermittlung erfolgende Speicherung ist nicht eine bloße Zwischenspeicherung in einem Übermittlungsvorgang, 548 sondern ein von den Übermittlungen zu unterscheidender eigenständiger Vorgang in Form der Überwindung einer zeitlichen Distanz. Gegenstand des Fernmeldens ist aber nicht die Überwindung einer zeitlichen, sondern einer räumlichen Distanz. 549 In der Bildschirmtextzentrale wird die gespeicherte Nachricht nach Abruf durch den Empfänger nicht automatisch gelöscht, sondern bleibt zu seiner freien Verfügbarkeit im Speicher erhalten. Darüber hinaus hat jeder Teilnehmer die Möglichkeit, eigene Textinhalte zu formulieren und in einem „persönlichen Notizbuch" in der Bildschirmtextzentrale zu speichern. Beides sind Datenspeicherungen, die mit einer Übermittlung nichts zu tun haben. 550 Es handelt sich vielmehr um reine Datenbankfunktionen der Bildschirmtextzentrale. 55 ! Schon bei der Funktion „Informationen für den Einzelnen" wird demnach erkennbar, daß es Teilleistungen des Bildschirmtextdienstes gibt, die nicht unter die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen fallen, weil sie keine Übermittlung darstellen. bb) „.Informationen für Mehrere " Bei der „Information für Mehrere" wird die Nachricht vom Absender inhaltlich aufbereitet und sodann an die Bildschirmtextzentrale geschickt, wo sie gespeichert wird. Im Gegensatz zur Funktion „Information für Einzelne" stehen im Zeitpunkt der Speicherung in der Bildschirmtextzentrale die endgültigen Empfänger der Nachricht nicht fest. Vielmehr werden sie erst in dem Augenblick bekannt, in welchem sie die gespeicherte Nachricht anfordern. 548
So aber - zu Unrecht - R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 211. Für den Bereich der körperlichen Nachrichtenübermittlung deutlich § 2 PostG. Es ist zwar unbestritten, daß durch die Bildschirmtextzentrale (auch) eine V e r mittlung zwischen Absender und Empfänger erfolgt. Eine Nachrichten v e r mittlung muß jedoch nicht notwendigerweise in einem Übermittlungsvorgang stattfinden. Per se aber ist sie keine Domäne der Post (so richtig U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin, 1982, S. 182f.). Zum gleichen Ergebnis wie hier gelangt man, wenn man mit J. Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161, fragt, ob die Speicherung in der Bildschirm textzentrale unerläßlich ist, um die Übermittlung zwischen Absender und Empfänger zu ermöglichen. Dies ist zu verneinen, weil eben nicht eine, sondern zwei (selbständige) Übermittlungen vorliegen. 550 Das wird vielfach überhaupt nicht gesehen, so insbesondere auch nicht bei R. Leuze, in: E K M , Bd. I I , 1981, S. 210f.; D. Müller-Using, JbDBP 1982, S. 259 (271); U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94f.). 551 Vgl. U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 173. 549
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Daher kann zum einen die vom Absender an die Bildschirmtextzentrale übermittelte Nachricht keine bestimmte Empfängeradresse aufweisen. Andernfalls wäre die Zustellung an andere Empfänger nicht möglich. Zum zweiten bedarf es der dauerhaften Speicherung der Nachricht in der Bildschirmtextzentrale, weil sonst ein Zugriff mehrerer Empfänger ebenfalls nicht möglich wäre. Zum dritten ist eine elektronische Vervielfältigung der Nachricht, abhängig von der Anzahl der abrufenden Personen, in der Bildschirmtextzentrale erforderlich. Andernfalls wäre nur die Übermittlung an einen Empfänger möglich. A l l dies sind keine Übermittlungsfunktionen. Zum einen erfolgt die Speicherung der Nachricht nicht im Rahmen einer Übermittlung, weil im Zeitpunkt der Speicherung noch kein Empfänger feststeht. Die dauerhafte Speicherung der Nachricht dient vielmehr nur ihrer Bereitstellung zum vielfachen Abruf und ist demnach eine typische Datenbankfunktion, die mit Fernmelden nichts zu tun hat. 5 5 2 Zum anderen werden von der Bildschirmtextzentrale Kopien der gespeicherten Nachricht erzeugt (Vervielfältigungsfunktion) sowie die Verbindung dieser Kopien mit Empfängeradressen vorgenommen (Herstellungsfunktion). Beides sind ebenfalls keine Übermittlungsfunktionen, sondern Nachrichtenproduktion, die gleichfalls nicht zum Fernmeldebereich zählt. Deutlich wird dies bei einem Vergleich mit dem Pressewesen. Auch dort erfolgt zunächst die Vervielfältigung der Nachricht. Wird diese aber zunächst auf Lager gelegt und erst später an einen Empfänger übermittelt, so wird niemand auf die Idee kommen, sowohl die Vervielfältigung als auch die Lagerung der Nachricht zu den Postauf gaben zu rechnen. Der Einwand, daß es bei der Funktion „Information für Mehrere" wie beim Rundfunk zur massenkommunikativen Verbreitung von Nachrichten durch die Bildschirmtextzentrale 553 komme, verfängt demgegenüber aus den oben dargelegten Gründen nicht. 5 5 4 cc) „Dialog mit dem Rechner" Bei dieser Nutzungsmöglichkeit kann die rechtliche Bewertung kurz ausfallen: Die Durchführung von Computerdienstleistungen oder Computerspielen durch die Bildschirmtextzentrale 555 ist keine Nachrichtenübermittlung, sondern Datenverarbeitung. 552 Das erkennt auch U. Steiner, in: H. Hübner (Hrsg.), Rechtsprobleme des Bildschirmtextes, 1986, S. 89 (94f.). 553 Nicht etwa durch den Absender, weil ein Übermittlungsvorgang aus der Sicht des Absenders nur mit der Bildschirmtextzentrale stattfindet. 554 Vgl. oben C V 1 e bb ß. 555 Vgl. Deutsche Bundespost, Bildschirmtext, 1977, S. 19.
VII. Der Begriff der Übermittlung
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dd) Gesamtbetrachtung Bei einer Gesamtbetrachtung des Bildschirmtextdienstes lassen sich mit H. Redeker 556 vier Fertigkeiten unterscheiden: I. Die Fähigkeit, Nachrichten auf verschiedenen Übertragungsnetzen zu übertragen 2. Die Fähigkeit, Nachrichten zu speichern 3. Die Fähigkeit, Datenübermittlungen von Bildschirmtextteilnehmern an externe Datenverarbeitungsanlagen zu ermöglichen 4. Die Fähigkeit, über Speicherungsmöglichkeiten hinaus weitere Rechnerdienstleistungen anzubieten. Die erste Fähigkeit ist eine Übermittlungsfunktion und wird daher von der Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen erfaßt. Bei der zweiten und vierten Fähigkeit handelt es nicht um Übermittlungsfunktionen. Sie fallen daher aus der Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen heraus. Bei der dritten Fähigkeit werden Verbindungen zu externen Rechnern ermöglicht. Es handelt sich hierbei um eine Vermittlungsfunktion der Bildschirmtextzentrale. Diese kann zur Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen gezählt werden, weil mit ihr gerade die schnellstmögliche Übermittlung zwischen dem Teilnehmer und dem externen Rechner hergestellt werden soll. Das wesentliche Gepräge erhält Bildschirmtext aber gerade durch die zweite und die vierte Fähigkeit, bei denen es sich nicht um Übermittlungsfunktionen handelt. 557 Daher ist festzustellen, daß Bildschirmtext in weiten Teilen nicht unter die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen fällt und von der Bundespost nicht betrieben werden kann. Der Telekommunikationsordnung scheint hingegen eine andere Grenzziehung zugrunde zu liegen, nach der der Betrieb von Bildschirmtext durch die Bundespost zulässig zu sein scheint. Nach § 212 T K O werden u. a. speicherund datenverarbeitende Leistungen als Netzdienstleistungen im Bildschirmtext durch die Bundespost angeboten. Der Verordnungsgeber scheint daher davon auszugehen, daß das Angebot dieser Leistungen durch die Bundespost deshalb zulässig ist, weil es sich um Leistungen des Netzes handelt, für welche der Bund aufgrund seiner Kompetenz für das Fernmeldewesen die Regelungsbefugnis innehat. Der größte Teil des in § 212 T K O aufgeführten Leistungsangebots muß durch die Bildschirm textzentrale erbracht werden. Richtig ist die Grenzziehung des Verordnungsgebers daher dann, wenn es sich bei der Bildschirmtextzentrale um einen Netzbestandteil handelt. Tatsächlich ist auf einem Block556 557
AaO, S. 128ff. Ähnlich U. v. Petersdorff\
Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 184f.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Schaltbild der Bundespost die Bildschirmtextzentrale mit dem Plattenspeicher und einem Drucker- und Bedienplatz zwischen einerseits den Modems auf der Teilnehmerseite gelagert und auf der anderen Seite über sog. Datenübertragungseinrichtungen zu anderen Bildschirmtextzentralen oder auch zu externen Rechnern hin geöffnet. 558 Daraus wird aber nicht deutlich, daß es sich bei den Datenübertragungseinrichtungen um Einrichtungen handelt, die den Übermittlungsbereich von der Bildschirmtextzentrale abtrennen: Beim Fernsprechnetz handelt es sich um ein analoges Netz; die Bildschirmtextzentrale arbeitet aber wie jede Datenverarbeitungsanlage digital. Um demnach eine Datenübertragung über das Fernsprechnetz durchführen zu können, muß eine Signalwandlung digital/analog stattfinden, was über Modems bewerkstelligt wird. Damit wird aber gleichzeitig die Bildschirmtextzentrale vom Fernsprechnetz entkoppelt. Ähnliches gilt auch für die Übertragung über das digitale I D N zu den externen Rechnern, da es dafür sog. Basiswandler bedarf. 559 Es handelt sich daher bei der Bildschirmtextzentrale nicht um einen integralen Netzbestandteil; die technische Situation der Bildschirmtextzentrale gleicht vielmehr derjenigen beim Teilnehmer, der mit einer Datenverarbeitungsanlage am Bildschirmtextdienst teilnimmt. Die von der Bundespost angebotenen Leistungen der Bildschirmtextzentrale lassen sich daher nicht auf eine den Netzbereich umfassende Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen stützen; die andersartige Grenzziehung des Verordnungsgebers erweist sich als unrichtig. c) Telebox
Ebenso wie bei der Bildschirmtextfunktion „Informationen für den Einzelnen" läßt sich bei Telebox der Transport einer Nachricht vom Absender an den Empfänger in zwei Übermittlungsvorgänge aufteilen: der erste zwischen Absender und Postrechner, der zweite zwischen dem Postrechner und dem endgültigen Empfänger. Bei der im Postrechner stattfindenden Speicherung handelt es sich wieder um einen von den Übermittlungsvorgängen zu unterscheidenden eigenständigen Vorgang, der nicht zum Fernmeldebereich gehört, weil er nicht die Überwindung einer räumlichen Distanz zum Gegenstand hat. 5 6 0 Darüber hinaus verbleibt die Nachricht nach Abruf durch den 558
Deutsche Bundespost, Bildschirmtext, 1977, S. 15, 37. Überzeugend U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 191 ff. m.w.Nachw. 560 y g i j Scherer, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 161. Großzügiger insoweit H. Redeker, a.a.O., S. 118, der die Speicherung solange für zulässig hält, bis der erstmalige Abruf durch den Empfänger erfolgt ist. Dagegen spricht allerdings, daß nicht von vorneherein feststeht, ob überhaupt eine Übermittlung an den Empfänger erfolgt, weil bei Telebox ebenso wie bei Bildschirmtext die Nachricht nicht automatisch an den Empfänger weitergeleitet wird. 559
VII. Der Begriff der Übermittlung
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Empfänger im Speicher des Postrechners. Darin liegt eine weitere Speicherung, die für eine Übermittlung nicht erforderlich ist. Demgemäß ist auch der Betrieb des Teleboxdienstes in weiten Bereichen nicht von der Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen erfaßt. 3. Zusammenfassung Die Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen nach Art. 73 Nr. 7 GG umfaßt nur die Übermittlung von Informationen an konkret festgelegte Empfänger. Was darüber hinausgeht, gehört nicht zur Kompetenz des Bundes für das Post- und Fernmeldewesen nach Art. 73 Nr. 7 G G . 5 6 1 Diese Grenzziehung ergibt sich vor allem aus der Entstehungsgeschichte des Fernmeldewesens, 562 wird aber durch die Systematik, Sinn und Zweck von Art. 73 Nr. 7, sowie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich bestätigt. In Einzelfällen ergeben sich daraus zwar Abgrenzungsschwierigkeiten. Sie treten dann auf, wenn Dienste und/oder Endgeräte die Komponenten Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenverarbeitung gleichermaßen aufweisen. Diese Komponenten lassen sich aber voneinander trennen, so daß man auch in diesen Fällen zu klaren Zuordnungen kommen kann. Im übrigen ist diese Trennung nicht neu, da sie im Rundfunkbereich schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß außerhalb von Art. 73 Nr. 7 GG weitere Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes hinsichtlich neuer Informationsund Kommunikationstechnologien bestehen. 563 Mit solchen GesetzgebungsDie Speicherung dient daher (im Gegensatz zu Datex-P) gerade nicht der (schnellstmöglichen) Übermittlung an den Empfänger. 561 w i e hier H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988, passim; / . Scher er, Nachrichtenübertragung und Datenverarbeitung im Telekommunikationsrecht, 1987, S. 152 ff.; ders., Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 628ff. ; U. v. Petersdorff, Die Bildschirmtextzentrale, Diss. Berlin 1982, S. 184; M. Bothe, A K - G G , Bd. I I , 2. Aufl. 1989, Art. 73 Rdnr. 20; H. Brinckmann, CuR 1989, 1 (7f.); SchapperSchaar, CuR 1989, 309 ff. Anderer Ansicht mit unterschiedlichen Begründungen A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 86f.; ihm folgend E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 118 (122) - Sachzusammenhang; H. Fangmann, R D V 1988, 53 (56) - Engerer Begriff der Datenverarbeitung; J. Plagemann, Z U M 1986, 518 (521 ff.); E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 35f.; Ferger-Junker, D Ö V 1981, 439 (440 ff.) - Individual-/Massenkommunikation; sowie jetzt D. Müller-Using, in: Fuhr-Rudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 211 (214 ff.) - wesentliche Fernmeldedienste. Z u diesem Argument näher sogleich ( V I I I ) ; kritisch auch W. Seitz, APF 1990, 91 (92). 562 Ygi d a z u oben D I I I 3. Unzutreffend E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 35f., daß sich diese Grenze lediglich aus einzelnen Formulierungen des 1. Fernsehurteils des Bundesverfassungsgerichts ergebe. 563 Ausführlich dazu H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und bundesstaatliche Kompetenzordnung, 1988. Übersehen von P. Lerche,
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kompetenzen aber kommt eine Deckungsgleichheit der Verwaltungskompetenz aus Art. 87 Abs. 1 GG nicht in Betracht, da andernfalls jeglicher Sachbereich, für den der Bund überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz besitzt, durch die Bundespost verwaltet werden könnte. Die Bundespost ist daher von der vollständigen 564 Ausübung von Mehrwertdiensten wie bspw. Bildschirmtext verfassungsrechtlich ausgeschlossen, weil insoweit eine Verwaltungszuständigkeit nicht gegeben ist. Dem Bund steht vielmehr nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG die Möglichkeit offen, durch Bundesgesetz selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu errichten. Daneben wirkt sich die hier vertretene Interpretation des Begriffs „Fernmeldewesen" auch auf den Fernmeldeanlagenbegriff des § 1 F A G aus. Die bisherige Auffassung, daß eine Anlage bereits dann eine Fernmeldeanlage i.S. des Gesetzes über Fernmeldeanlagen ist, wenn es auch zur Nachrichtenübermittlung mit Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort kommt, überschreitet die Grenzen der Kompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen. Demnach können unter „Fernmeldeanlagen" i. S. des § 1 F A G nur solche Anlagen verstanden werden, die der Nachrichtenübermittlung (mit Wiedererzeugung am Empfangsort) dienen und daneben nicht noch weitere selbständige Funktionen in der gleichen Anlage aufweisen, die mit einer Nachrichtenübermittlung nichts zu tun haben. Damit sind insbesondere Datenverarbeitungsanlagen, die auch zur Nachrichtenübermittlung verwendet werden, vom Regelungsbereich des Gesetzes über Fernmeldeanlagen nicht erfaßt. Insoweit besteht eine Regelungslücke, die mit einer weiteren Ausbreitung von Personal Computern zunehmend eine gesetzliche Neuregelung erforderlich macht. Aufgrund der aufgezeigten Probleme bei der Verwendung des Begriffs der Fernmeldeanlage sollte diese nicht mehr auf den Fernmeldeanlagenbegriff abstellen, sondern abhängig von den jeweiligen Endgeräten differenzierte Anschließungsregelungen unter Beachtung der oben aufgezeigten Kriterien beinhalten. 565
V I I I . Kongruenz der Sachbereiche in Art. 73 Nr. 7 bzw. Art. 87 Abs. 1 GG? Bei der bisherigen Untersuchung wurde stillschweigend davon ausgegangen, daß die Verwaltungskompetenz des Bundes aus Art. 87 Abs. 1 GG nicht weiter reicht als seine Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 73 Nr. 7 GG. Dies enta.a.O., S. 75ff. und wohl auch vonScherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 617ff. 564 Anders ausgedrückt, nur den übermittlungstechnischen Teil dieser Mehrwertdienste darf sie - wie bei reinen Übermittlungsdiensten auch - regeln. 565 Im Ergebnis ähnlich A. Eidenmüller, DVB1. 1987, 603ff.
VIII. Kongruenz der Sachbereiche in Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. 1 GG?
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spricht einem Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts, daß die Bundeskompetenzen zur Gesetzgebung weiter reichen als die zur Verwaltung. 566 Demnach markiert der Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze seiner Verwaltungszuständigkeit. 567 Damit steht aber noch nicht fest, ob die Verwaltungskompetenz des Bundes aus Art. 87 Abs. 1 GG den gleichen Umfang wie die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG aufweisen kann oder ob sie hinter letzterer zurückbleibt. Nimmt man letzteres an, so bedarf es einer eigenständigen Bestimmung des Umfangs der Verwaltungskompetenz „Bundespost", da ansonsten die Unsicherheit besteht, daß die Gesetzgebungskompetenz weiter reichen könnte als die Verwaltungszuständigkeit. Auf den ersten Blick stützt der Wortlaut beider Vorschriften die These, daß die Verwaltungskompetenz für den Bereich „Bundespost" hinter der Gesetzgebungskompetenz für das Post- und Fernmeldewesen zurückbleibt. Bei Identität des Umfangs von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz hätte es nahe gelegen, in Art. 73 Nr. 7 GG ebenfalls den Begriff „Bundespost" zu verwenden, zumal die unmittelbar vorangehende Ziffer (Art. 73 Nr. 6 GG) von den „Bundeseisenbahnen" spricht. 568 Bei Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt sich aber ein anderes Bild. Der Herrenchiemseer Entwurf ordnete neben Art. 116 569 noch in Art. 117 Abs. 1 an, daß „die Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs sowie das Post- und Fernmeldewesen als einheitliche Verkehrsanstalten verwaltet (werden)". 570 Dies läßt erkennen, daß dort den Begriffen „Bundespost" bzw. „Post- und Fernmeldewesen" der gleiche Bedeutungsgehalt beigemessen wurde. Auch im Parlamentarischen Rat wurden diese Begriffe lange Zeit nebeneinander verwandt, bis es aufgrund eines Antrags der Abg. Zinn,
566 BVerfGE 12, 205 (229) unter Berufung auf U. Scheuner, Rechtsgutachten, S. 48 (bei: G. Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 1964, S. 314 (342)). 567 BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); 78, 374 (386); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 41 I V 5 a; S. Broß, in: I. v. Münch, GGKomm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 87 Rdnr. 14; Schmidt-Bleibtreu - Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Vorbem. Art. 83 Rdnr. 12; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG-Komm., Stand August 1977, Vorbem. Art. 70 Rdnr. 7 f; insoweit auch P. Lerche, in: Maunz-Dürig, GG, 21. E G Stand Apr. 1983, Art. 83 Rdnr. 30 und P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. G 12. Weitere Nachw. bei F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 30 FN 28. Anderer Ansicht wohl Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 64f. 568 So P. Lerche, Festschrift K. Obermayer, 1986, S. 75 (77). 569 Art. 116 Abs. 1 HChE:„In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der auswärtige Dienst, die Bundeseisenbahnen und die Bundespost." 570 Vgl. JöR Bd. 1 (1951), S. 645.
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Dr. Dehler und Dr. v. Mangoldt ohne Erörterung in der 57. Sitzung des Hauptausschusses zur Streichung des Art. 117 kam. 5 7 1 Neben der Entstehungsgeschichte sprechen aber noch weitere Gründe für eine Identität der Anwendungsbereiche von Art. 73 Nr. 7 und Art. 87 Abs. 1 GG. Geht man davon aus, daß die Verwaltungskompetenz „Bundespost" hinter der Gesetzgebungskompetenz „Post- und Fernmeldewesen" zurückbleibt, so bedarf es eigenständiger Kriterien zur Bestimmung des Umfangs der Verwaltungskompetenz. Als ein derartiges Kriterium wurde bisher nur angeführt, auf die Daseinsvorsorgefunktion der Bundespost abzustellen und zum Bereich der Verwaltungskompetenz „Bundespost" solche postalischen Dienste zu zählen, die ihrer Eigenart nach zum Feld des grundsätzlich für jedermann und jederorts sicherzustellenden, einheitliche Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik anzustrebenden Leistungspotentials gehören, soweit ihrer Eigenart nur durch staatliche Obhut genügt werden könne. 5 7 2 Dagegen spricht aber bereits, daß es überhaupt keinen Fernmeldedienst gibt, dessen Eigenart nur durch staatliche Obhut genügt werden kann. Ein Hinweis auf die Telekommunikationslandschaft der Vereinigten Staaten mag hier genügen. Zum anderen läßt sich aber auch nicht feststellen, welcher Dienst zum Feld des grundsätzlich für jedermann sicherzustellenden Leistungspotentials gehört. 573 Wenn hierfür eine ex ante Beurteilung Platz greifen soll, so läßt sich dies für jeden neu einzuführenden Dienst behaupten. Zur Folge hätte dies eine uferlose Verwaltungskompetenz. Bei einer ex post Beurteilung dieser Frage (zu welchem Zeitpunkt?) hingegen würden nachträglich vorher nicht vorhandene Verwaltungskompetenzen eröffnet, was ebenfalls undenkbar ist. Schließlich besteht bei unterschiedlichen Kriterien für die Bestimmung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz auch die grundsätzliche Gefahr, daß letztere die Grenzen der ersteren überschreitet. Es bleibt daher dabei, daß die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 7 GG und die Verwaltungskompetenz nach Art. 87 Abs. 1 GG den gleichen
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Pari. Rat-HA, Sten. Ber. (57. Sitzung vom 5. Mai 1949), S. 756. So P. Lerche, Festschrift K. Obermayer, 1986, S. 75 (80). Ähnlich D. MüllerUsing, a.a.O., S. 215 (wesentliche Fernmeldedienste). 573 So wurde Bildschirmtext in den Anfangsjahren als zukünftige „Volks-EDV" bezeichnet. Die tatsächliche Entwicklung hat diese Erwartung gründlich widerlegt. Umgekehrt wurde dem Telefon in seinen Anfangsjahren keinerlei Zukunftschancen eingeräumt. Ebensowenig vermag das nunmehr von D. Müller-Using, a.a.O., S. 215, eingeführte Kriterium des „wesentlichen Telekommunikationsdienstes" zu überzeugen. Ein „wesentlicher Telekommunikationsdienst" soll danach dann gegeben sein, wenn ein Fernmeldedienst auf dem bei Verabschiedung des Grundgesetzes bekannten Fernsprech- und Telexnetz beruht. Dieses Kriterium ist aber schon deshalb problematisch, weil es ein isoliertes Telexnetz nicht mehr gibt (IDN!). Endgültig versagt es aber, wenn Dienste über ISDN abgewickelt werden. Kritisch auch W. Seitz, APF 1990, 91 (92). 572
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
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Sachbereich umfassen. 574 Soweit demnach eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen gegeben ist, können Regelungsgegenstände der Bundespost auch zur Ausübung zugewiesen werden.
I X . Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der Bundespost im Fernmeldebereich Zu klären bleibt, ob die Bundespost in den Grenzen des Art. 87 Abs. 1 GG auch ausschließlich tätig werden kann. Damit werden zwei Fragenkreise berührt, nämlich zum einen, ob die Verfassung Monopolstellungen der Bundespost fordert, 575 und falls man dies verneint, ob ein einfachgesetzliches Monopol vor den Grundrechten Bestand haben kann. 5 7 6 Die Antwort auf die erste Frage hängt davon ab, welche verfassungsrechtliche Bedeutung Kompetenznormen haben, insbesondere, ob Kompetenznormen der Verfassung auch Aussagen über die Abgrenzung der Wirkungsbereiche von Staat und Gesellschaft enthalten können. Dem ist mit Blick auf Art. 87 Abs. 1 GG nachzugehen.
1. Die einzelnen Gehalte des Art. 87 Abs. 1 GG Nach Art. 87 Abs. 1 GG wird die Bundespost in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Inwieweit sich diese Vorschrift auf die Tätigkeit der Bundespost im Fernmeldebereich auswirkt, hängt davon ab, welche Garantiegehalte diese Vorschrift beinhaltet. In Betracht kommen vier Bedeutungsgehalte : 5 7 7 - Der Zuständigkeitsgehalt: Er betrifft die Frage, inwieweit der Bund die Bundespost im Verhältnis zu den Ländern betreiben darf.
574 H. M . , vgl. BVerfGE 12, 205 (229); Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 6. Aufl. 1983, Art. 87 Rdnr. 3; A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 174; F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 30 m.w.Nachw. in FN 28; jetzt auch D. Müller-Using, in: Fuhr-Rudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 211 (213). Anderer Ansicht P. Lerche, Festschrift K. Obermayer, 1986, S. 75 (80); Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 64. 575 Dazu zuletzt F. Ossenbühl, Festschrift R. Lukes, 1989, S. 525 ff. m.w.Nachw., sowie D. Müller-Using, a.a.O., S. 216 ff. 576 Vgl. dazu E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 30ff., sowie A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984. 577 Vgl. Schmidt-Aßmann - Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 53 f. 17 Köbele
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- Der Organisationsgehalt: 578 Er betrifft die Frage, inwieweit sich aus Art. 86, 87 GG ein Typenzwang hinsichtlich der Verwaltungsorganisation ergibt und bejahendenfalls, welche Organisationsformen unter den Begriff der bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu fassen sind. Damit verbunden ist die Frage, ob ein Typenzwang zugleich auch ein Verbot privatrechtsförmigen Handelns seitens des Staates bedeutet. - Der Aufgabengehalt: Er betrifft zum einen die Frage, inwieweit der Bund die Bundespost unterhalten muß. In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, ob und bejahendenfalls inwieweit Privatisierungen zulässig sind. - Der Ermächtigungsgehalt: Dabei geht es um die Frage, ob und bejahendenfalls inwieweit Art. 87 Abs. 1 GG zu Eingriffen in die Rechte privater Konkurrenten oder Nutzer der Bundespost ermächtigen kann. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert vor allem der Ermächtigungsgehalt, da sich damit die Frage verbindet, ob es ein durch die Verfassung garantiertes Fernmeldemonopol gibt. Auf die sich mit den anderen Gehalten verbindenden Fragen soll hingegen nur kurz eingegangen werden. a) Der Zuständigkeitsgehalt
Art. 87 Abs. 1 GG stellt eine Ausnahme von der Regel des Art. 83 GG dar, wonach grundsätzlich die Länder die Bundesgesetze ausführen. Die systematische Stellung des Art. 87 Abs. 1 GG in den Vorschriften über die Verwaltungszuständigkeiten belegt daher deutlich den Zuständigkeitsgehalt dieser Vorschrift. Hierüber besteht auch kein Streit. 579 b) Der Organisationsgehalt
Lange unklar war hingegen, ob Art. 87 Abs. 1 GG neben dem zuständigkeitsrechtlichen auch einen organisationsrechtlichen Gehalt aufweist. In den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes war die Auffassung vorherrschend, daß der Bund durch Art. 87 GG nicht gehindert sei, die dort angeordnete bundeseigene Verwaltung gegebenenfalls auch durch (bundeseigene) Anstalten und Körperschaften führen zu lassen. 580 Begründet 578
Hiervon hängt entscheidend ab, inwieweit die Umstrukturierung der Bundespost durch das PostVerfG mit Art. 87 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Antwort auf diese Frage muß anderen Untersuchungen überlassen werden, da dies hier zu weit führen würde. 579 Vgl. daher nur E. Schmidt-Aßmann - Fromm, a.a.O., S. 54; B. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (423); Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 28. 58° Vgl. H. Krüger, D Ö V 1949, 467 (468); F. Giese, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1951, Anm. I I 1 zu Art. 87 GG, H. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, Anm. V I I I 2 zu Art. 86 GG.
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
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wurde dies mit dem Argument, daß die sprachliche Gegenüberstellung in Art. 86 GG nicht etwa als Gegenüberstellung der „bundeseigenen" Verwaltung zur Verwaltung mittels Körperschaften und Anstalten zu sehen sei. Der Begriff „bundeseigene Verwaltung" sei vielmehr ein Oberbegriff und die genannten Körperschaften und Anstalten lediglich gesetzliche Beispielsfälle bundeseigener Verwaltung. Das folge aus der Überlegung, daß man eine (bundeseigene) Verwaltung durch „bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts" schwerlich als „bundesfremde" Verwaltung bezeichnen könne. 5 8 1 Der sachliche Sinn des Art. 87 GG liege dann darin, von der Regel der Länderverwaltung auch von Bundesangelegenheiten eine Ausnahme zu machen. Adressat dieser Vorschrift seien deshalb die Länder, weil sie durch diese Vorschrift gehalten seien, in den Fällen des Art. 87 GG (ausnahmsweise) eine Bundesverwaltung zuzulassen. Weil nur die Länder, nicht aber der Bund Adressaten dieser Vorschriften seien, könne Art. 87 nicht gleichwohl eine Verpflichtung des Bundes zu einer bestimmten Organisation seiner Verwaltung beinhalten. Zudem würde die Annahme einer aus Art. 87 GG hergeleiteten Verpflichtung des Bundes die systematische Stellung dieser Vorschrift im Grundgesetz verkennen. 582 Später wurde zusätzlich zum einen darauf verwiesen, daß Art. 87 Abs. 1 GG Angelegenheiten aufzähle, die sich von der Sache her nicht miteinander vergleichen ließen. Dann aber sei es unwahrscheinlich, daß der Verfassungsgeber trotzdem die gleiche Art und Weise der Erledigung anordnen habe wollen. 5 8 3 Zum anderen ergebe auch die Entstehungsgeschichte, daß Art. 86ff. ausschließlich als Zuständigkeitsnormen angesehen worden seien. 584 Demgegenüber sieht die heute überwiegende Auffassung den organisationsrechtlichen Gehalt der Art. 86ff. GG darin, daß dem Bund die Wahl von Formen mittelbarer Verwaltung in allen Fällen verboten sei, in denen bundeseigene Verwaltung vorgeschrieben ist. 5 8 5 Die Gegenüberstellung von „Verwaltung" und „bundesunmittelbaren Körperschaften" in Art. 86 GG zeige 581 H. Krüger, a.a.O., S. 467. 582 H. Krüger, a.a.O., S. 468. 583 G. Fromm, DVB1. 1982, 288 (291 f.). 584 G. Fromm, a.a.O., S. 292. 585 BVerfGE 63, 1 (33, 40f.); Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rdnrn. 30ff.; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I I I , 2. Aufl. 1974, Anm. I I I 2 zu Art. 87 GG; Schmidt-Aßmann - Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 99 m.w.Nachw.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 117f. m.w.Nachw. zum Streitstand in FN 45; Plagemann-Bachmann, D Ö V 1987, 807 (810f.) m. umf. Nachw.; H. Lecheler, N V w Z 1989, 834 (836f.); A. Dittmann, Die Verwaltung Bd. 8 (1975), S. 431 (435f.); ders., Die Bundesverwaltung, 1983, S. 160. Anderer Ansicht neben den oben Genannten noch H. P. Bull, A K - G G , Bd. I I , 2. Aufl. 1989, Art. 87 Rdnr. 20. 17*
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deutlich, daß bundeseigene Verwaltung gerade nicht die Verwaltung durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts bedeute. Es handele sich bei dem Begriff „bundeseigene Verwaltung" in Art. 86 GG nicht etwa um einen Oberbegriff, der durch die nachfolgende Aufzählung nur beispielhaft erläutert werde. Andernfalls wäre der Begriff „bundeseigene Verwaltung" nur eine verunglückte Umschreibung für „Bundesverwaltung", wogegen schon der Wortlaut des Art. 86 spreche. 586 Der Begriff „bundeseigen" ziehe vielmehr die Grenze zur mittelbaren Verwaltung, bei der der Rechtsträger des Behördenapparates eine vom Staat verschiedene Rechtspersönlichkeit ist. Bestätigt werde diese Sichtweise durch Art. 87 Abs. 3 GG, da diese Vorschrift gleichfalls zwischen bundesunmittelbarer und bundesmittelbarer Verwaltung differenziere. 587 In Art. 87 Abs. 1 handele es sich um Materien, für die dem Bund auch die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Wäre nunmehr in den Bereichen des Art. 87 Abs. 1 mittelbare Bundesverwaltung zulässig, so bedürfte es dieser Vorschrift nicht, weil der Bund schon über Art. 87 Abs. 3 in den Bereichen, in denen er die Gesetzgebungskompetenz besitzt, bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (per einfachem Bundesgesetz) errichten kann. 5 8 8 Folgt man letztgenannter Auffassung, so besteht der organisationsrechtliche Gehalt des Art. 87 Abs. 1 GG jedenfalls darin, daß die genannten Verwaltungsaufgaben des Bundes nicht mittels bestimmter Standardformen bundesmittelbarer Verwaltung durchgeführt werden können. 589 Ob man aber darüber hinaus mittels eines Erst-Recht-Schlusses folgern kann, daß der Organisationsgehalt des Art. 87 Abs. 1 GG auch eine (teilweise) Aufgabenwahrnehmung in privatrechtlichen Verwaltungsformen, aber innerhalb der Rechtsträgerschaft des Staates verbietet, 590 ist heftig umstritten. 591
586
Th. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rdnr. 30. A. Dittmann, a.a.O., S. 435f. 588 A. Dittmann, Die Verwaltung Bd. 8 (1975), S. 431 (435f.). 589 Schmidt-Aßmann - Fromm, a.a.O., S. 104; Plagemann- Β achmann, D Ö V 1987, 803 (811). 590 So U. Wussow, R i A 1981, 107. A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 88, weist demgegenüber darauf hin, daß es sich bei der Wahl der Privatrechtsform um ein aliud gegenüber öffentlich-rechtlichen Formen mittelbarer Staatsverwaltung handelt. 591 So deutlich Th. Maunz, Festschrift H. U. Scupin, 1983, S. 615 (616); ders., in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rdnr. 30; H. Lecheler, N V w Z 1989, 834 (836); U. Wussow, R i A 1981, 107; H. J. Voges, DVB1. 1975, 972ff.; R. Wiechert, ZRP 1973, 208ff.; wohl auch v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1974, Anm. I I I 3 c zu Art. 87. Anderer Ansicht: A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 87f.; ders., Die Verwaltung Bd. 8 (1975), S. 431 (441 ff.); E. Herrmann, Die Deutsche Bundespost: Kommunikationsunternehmen zwischen Staat und Wirtschaft, 1986, S. 231. Eine teilweise Aufgabenwahrnehmung in den Formen des Privatrechts halten für zulässig: E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (126); Schmidt-Aßmann - Fromm, Aufgaben und Orga587
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c) Der Aufgabengehalt In der Literatur ist es, gestützt auf die Textfassung der Vorschrift („werden geführt"), unumstritten, daß Art. 87 Abs. 1 GG eine Verpflichtung des Bundes zur Wahrnehmung der dort aufgeführten Verwaltungsbereiche statuiert. 5 9 2 Entledigt sich der Bund einer der dort aufgeführten Verwaltungsbereiche im Wege der Privatisierung vollständig, so verstößt dies gegen Art. 87 Abs. 1 GG, weil er dann seiner Verpflichtung überhaupt nicht mehr nachkommen kann. Nicht so klar ist hingegen die Reichweite seiner Verpflichtung. Denkbar ist zum einen, daß das „Müssen" des Bundes mit seinem „Dürfen", also dem Zuständigkeitsbereich identisch ist. Möglicherweise kann aber auch die Verpflichtung des Bundes zur Wahrnehmung der in Art. 87 Abs. 1 GG genannten Bereiche hinter seiner Befugnis zurückbleiben. Für die Identität von Zuständigkeits- und Aufgabenbereich wird angeführt, daß es weder der Grundgesetztext noch Ziel und Zweck der Zuteilung der Verwaltungszweige an den Bund rechtfertigten, den Aufgabenbereich restriktiver als den Zuständigkeitsbereich auszulegen.593 Die dort ausgesprochene Verpflichtung gelte vielmehr unbedingt. Andernfalls bliebe offen, was von den im Grundgesetz genannten Zweigen jeweils als Kern und was als bloßer Randbereich anzusehen wäre. Das könne zwar dort hingenommen werden, wo Kernbereichslehren ein unverzichtbares Hilfsmittel der Freiheitssicherung durch juristische Dogmatik seien. Die verfassungsrechtliche Lage bei Art. 87 Abs. 1 GG sei aber damit unvergleichbar. Hinzu komme, daß bei einer Herausnahme einer Tätigkeit aus dem Gesamtbereich des Art. 87 GG auch die Zuständigkeit des Bundes für die Verwaltung verloren ginge. Es liege auf der Hand, daß der Bund das nicht wolle. Letzteres Argument kann aber keinesfalls überzeugen. Völlig zu Recht wird dagegen eingewandt, daß der Bund zuständigkeitsrechtlich befugt bleibt, Tätigkeiten, die nicht zum Begriffskern gehören, wahrzunehmen. 594 Auch erweist sich eine Unterscheidung zwischen Begriffskern und Begriffshof auch dort als notwendig, wo ganze Institutionen oder Großorganisationen begriffnisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 115ff.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 117ff. 592 Vgl. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, § 41 V I I 3 a ; U. Steiner, in: Isensee-Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. I I I , 1988, § 81 Rdnr. 12; S. Broß, in: I. v. Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Aufl. 1983, Art. 87 Rdnr. 3; Schmidt-Aßmann - Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 56ff.; Th. Maunz, in: Festschrift H. U. Scupin, 1983, S. 615 (616); B. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (437); H. Lecheler, N V w Z 1989, 834 (835). 593 Th. Maunz, a.a.O., S. 619; H. Lecheler, N V w Z 1989, 834 (835). 594 Schmidt-Aßmann-Fromm, a.a.O., S. 67.
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lieh in die Verfassung rezipiert sind, die fortlaufendem Wandel unterliegen. Eine Fixierung ist demgegenüber mit den gleichen Schwierigkeiten behaftet wie die Ermittlung eines Kernbereichs, weist aber zudem den Nachteil auf, daß sie zur Zementierung des im Zeitpunkt der Verfassungsentstehung gerade vorgefundenen Status führt. 5 9 5 Schließlich erscheint der bloße Verweis auf die Worte „werden geführt" zwecks Annahme einer unbedingten Verpflichtung nicht zwingend. Das Grundgesetz verwendet in Art. 64 Abs. 1 GG die gleiche Formulierung („werden ernannt") wie in Art. 87 Abs. 1 GG. Dort aber wird keinesfalls angenommen, daß der Bundespräsident immer verpflichtet ist, die Bundesminister zu ernennen bzw. zu entlassen, sofern nur ein entsprechender Vorschlag des Bundeskanzlers erfolgt ist. Vielmehr ist dort trotz des Wortlauts umstritten, unter welchen Voraussetzungen der Bundespräsident die Ernennung verweigern kann; 5 9 6 die jeweiligen Ergebnisse werden unter Zuhilfenahme anderer Auslegungskriterien als des Wortlauts der Vorschrift gewonnen. Wieso dann aus den gleichen Worten in Art. 87 eine unbedingte Verpflichtung folgen soll, erscheint daher nicht recht einsichtig. Nur ergänzend sei noch auf weitere in der Literatur zu findende Argumente gegen die Deckungsgleichheit von Aufgabe und Zuständigkeit verwiesen. So wird vertreten, daß kein Anlaß bestehe, Art. 87 Abs. 1 GG extensiv zu interpretieren, da das Grundgesetz gegenüber Staatsauf gaben reserviert eingestellt sei. 597 Außerdem liege es in der Natur der Sache, daß der Bund einen Verkehrs· und unternehmenspolitischen Spielraum bei Entscheidungen über die in Art. 87 Abs. 1 genannten Unternehmensaktivitäten haben müsse. Die besseren Gründe sprechen demnach dafür, daß die Verpflichtung des Bundes zur Wahrnehmung der in Art. 87 Abs. 1 GG genannten Bereiche hinter seiner Zuständigkeit zurückbleiben kann. 5 9 8
595
Vgl. Schmidt-Aßmann - Fromm, a.a.O., S. 66f. Überblick über den Streitstand bei H. C. F. Liesegang, in: I. v. Münch, GGKomm., Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 64 Rdnrn. 3ff. 597 U. Steiner, in: Isensee-Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. I I I , 1988, § 81 Rdnr. 12. Die Begründung, daß das Grundgesetz gegenüber Staatsaufgaben reserviert eingestellt sei, vermag aber nicht zu überzeugen, weil es dafür keine Anhaltspunkte gibt. Richtiger erscheint es, Art. 87 Abs. 1 GG deshalb nicht extensiv zu interpretieren, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift zu Art. 83 GG handelt. Vgl. oben D I I 1. 598 So die wohl überwiegende Ansicht, vgl. Schmidt-Aßmann - Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 66ff.; U. Steiner, a.a.O., Art. 87 Rdnr. 12; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 117 FN 46; Β. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (449). Aus dem Bereich des Post- und Fernmeldewesens Plagemann- Β achmann, D Ö V 1987, 807 (811); Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 29, 64; E. Wiechert, JbDBP 1986, S. 119 (124ff.). 596
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d) Der Ermächtigungsgehalt599 Von der Frage, inwieweit Kompetenzen zur Wahrnehmung einer Aufgabe verpflichten, ist die Frage zu trennen, inwieweit Kompetenznormen in der Lage sein können, Grundrechte des Bürgers zu begrenzen. 600 Letztere Frage mutet auf den ersten Blick überraschend an, ist es doch im Verwaltungsrecht einhellige Auffassung, daß die gesetzliche Festlegung von Kompetenzen staatlicher Organe noch keine Eingriffsbefugnisse verschafft. 601 Auf verfassungsrechtlicher Ebene war dieser Standpunkt jedoch nur in den Anfangsjahren des Grundgesetzes vorherrschend. 602 Später setzte sich die Auffassung durch, daß Kompetenznormen nicht nur im Verhältnis von Bund und Ländern, sondern auch im Verhältnis zwischen Staat und Einzelnem von Bedeutung sind und prinzipiell Grundrechte begrenzen können. 603 Tragender Gedanke ist, daß Zuständigkeiten die Existenz von Aufgaben voraussetzten, da es sinnwidrig wäre, Kompetenzen auszuweisen, deren Verwirklichung nicht gewollt wäre. Der Wahrnehmung der zugewiesenen Staatsaufgabe könne aber eine freiheitslimitierende Funktion dann immanent sein, wenn die zugewiesene Staatsaufgabe andernfalls überhaupt nicht wahrgenommen werden könne. 6 0 4 In den letzten Jahren wurde einerseits ein weitergehender Einsatz von Kompetenznormen im materiellen Recht teilweise ausdrücklich befürwortet, 6 0 5 teilweise auch ohne nähere Problematisierung bejaht, 6 0 6 ohne daß 599 In der Literatur werden beide Fragen auch unter dem Oberbegriff „materieller Gehalt von Kompetenznormen" zusammengefaßt, vgl. bspw. B. Pieroth, A ö R Bd. 114 (1989), S. 422 (437); F. Ossenbühl, Festschrift R. Lukes, 1989, S. 525 (532ff.); D. Müller-Using, in: Fuhr-Rudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 213 (216 ff.). 600 Übersehen von D. Müller-Using, a.a.O., S. 217. Daß das Grundgesetz das Fernmeldewesen als staatliche Aufgabe ansieht, bedeutet nicht, daß daneben Private von der Wahrnehmung der Aufgabe ausgeschlossen sind. 601 Vgl. statt aller V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 1988, Rdnrn. 139ff.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 1985, § 8 II. 602 Vgl. A. Hamann, Rechtsstaat und Wirtschaftslenkung, 1953, S. 25; R. Stödter, Rechtsfragen des Zündwarenmonopols, 1953, S. 53 ff.; H. Krüger, NJW 1955, 201 (203); später noch J. Biermann, Die Zulässigkeitsvoraussetzungen staatlicher Monopole im Grundgesetz, Diss. Mainz 1965, S. 164ff. 603 Nachw. bis 1972 bei Chr. Pestalozza, Der Staat Bd. 11 (1972), S. 161 (167); aus neuerer Zeit bspw. B. Pieroth, a.a.O., S. 424 m.w.Nachw.; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 6 ff.; A. Bleckmann, D Ö V 1983, 129ff.; Th. Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 117 ff. m.w.Nachw.; Lerche-Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, 1985, S. 29; F. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 26ff. m.w.Nachw. 604 Vgl. Th. Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 118. 605 So von R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 6ff.
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
jedoch eingeherende Begründungen hierfür geliefert wurden. 607 Andererseits fehlte es aber auch nicht an kritischen Stimmen. Insbesondere die Bundesverfassungsrichter Mahrenholz und Böckenförde vertraten in ihrem Sondervotum zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz 608 die entgegengesetzte Auffassung. 609 Der Sinn von bundesstaatlichen Kompetenznormen liege darin, Handlungsbereiche von Bund und Ländern abzugrenzen. In den von ihnen bezeichneten Bereichen sei das Handeln des Bundes erlaubt und damit von der innerstaatlichen Verfassungsordnung nicht überhaupt ausgeschlossen. Gegenstände möglichen staatlichen Handelns würden aber dadurch nicht zu materiell-rechtlichen Handlungsaufträgen, -geboten oder sonstigen „Wert"entscheidungen, die anderweitig in der Verfassung festgelegte Begrenzungen staatlichen Handelns wieder aufhöben oder einschränkten. 610 Andernfalls hinge der Umfang möglicher Grundrechtseinschränkungen von der sachlichen Spezialisierung von Kompetenznormen ab, obwohl dieser Gesichtspunkt gegenüber der Funktion von Grundrechtsschranken völlig disfunktional sei. Darüberhinaus werde die Geltungskraft verfassungsrechtlicher Grenzfestlegungen für die Ausübung der Staatsgewalt, wie sie in den Grundrechten entstanden seien, nachhaltig verändert. Es entstünden Spannungsverhältnisse, für deren Auflösung die Verfassung keine Maßstäbe bereithielte. Infolgedessen müßte eine Abwägung zwischen den von der Verfassung normativ nicht mehr übergriffenen Spannungselementen stattfinden, die aber wegen des Fehlens eines generellen Maßstabs im konkreten Einzelfall durch den Richter erfolgen müßte. Das anwendbare Recht habe dann seinen Sinn nicht mehr in der Verfassung, sondern im Abwägungsspruch des Richters. Grundrechte wären reine Abwägungsgesichtspunkte, denen andere Interessen oder Gesichtspunkte gegenüberstünden. 611 Eine Lösung dieses durch die widerstreitenden Ansichten aufgezeigten Konflikts wird man zwischen diesen beiden Positionen anzusiedeln haben. Sicher ist einerseits, daß die Freiheitsrechte nicht nur nach Maßgabe staatlicher Kompetenzen gelten. 612 Andererseits ist auch der Weg zurück zu einem
606 So bei A Bleckmann, D Ö V 1983,129ff.; ders., Staatsrecht I I - D i e Grundrechte, 3. Aufl. 1989, § 1 2 V 2 b b b (5). 607 So (u. a.) der Tenor der kritischen Besprechungen der Habilitationsschrift von Stettner bei H. Lecheler, Der Staat Bd. 25 (1986), S. 293ff. und F. E. Schnapp, A ö R Bd. 111 (1986), S. 444ff. Kritisch zu Bleckmann A. Menzel, D Ö V 1983, 805ff. 608 BVerfGE 69, Iff. 609 BVerfGE 69, 57ff.; vgl. ferner Pieroth-Schlink, Grundrechte - Staatsrecht I I , 5. Aufl. 1989, Rdnrn. 375, 381; Jarass-Pieroth, GG, 1989, Anm. 28 vor Art. 1 m.w.Nachw. 610 Vgl. Sondervotum Mahrenholz-Böckenförde, BVerfGE 69, 57 (60). 611 Mahrenholz-Böckenförde, a.a.O., S. 62f. 612 Vgl. bspw. F. E. Schnapp, JuS 1978, 729 (734).
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
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rein zuständigkeitsrechtlichen Verständnis nicht mehr gangbar. 613 Dies würde zum einen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die materielle Rechtsfolgen aus Kompetenznormen hergeleitet hat, vollständig ignorieren. 614 Zum anderen käme es aber auch zu leerlaufenden Kompetenznormen 615 mit der Folge, daß eine sich im Verfassungstext befindliche Anordnung des Verfassungsgebers mißachtet wäre. Es kann daher nicht mehr um das „Ob", sondern nur noch um das „Wie" materiell-rechtlicher Gehalte von Kompetenznormen gehen. 616 In diesem Rahmen sind aber dann die von Mahrenholz-Bökkenförde 617 vorgebrachten Bedenken besonders ernst zu nehmen: Eingriffsbefugnisse aus Kompetenznormen können schon deshalb nur in begrenzten Ausnahmefällen möglich sein, weil der Verfassungsgeber mittels der grundrechtlichen Vorbehalte bereits ein Verfahren zur Lösung typischer Interessenkonflikte zwischen Individual- und Gemeinschaftsbelangen zur Verfügung gestellt hat. 6 1 8 Wenn daher Eingriffsermächtigungen jenseits der grundrechtlichen Vorbehalte die Ausnahme sind, so kann zu ihrer Auffindung die Ableitung von Eingriffsbefugnissen aus beliebigem Verfassungsrecht nicht genügen. Die Suche nach den grundrechtslimitierenden Verfassungsnormen hat vielmehr bei den einzelnen Kompetenzbestimmungen anzusetzen.619 Desweiteren ist erforderlich, daß eine Kollision zwischen Grundrecht und Kompetenznorm vorliegt. 620 Die allgemeine normative Aussage, daß eine den Gegenstand betreffende Tätigkeit von Bund und Ländern grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist, vermag eine solche Kollision in den meisten Fällen nicht herbeizuführen. 621 Ist lediglich ein Wirklichkeitsausschnitt Gegenstand der Kompetenznorm, stehen Art und Weise der Ausübung weitgehend im Ermessen des Kompetenzträgers. Die Kompetenz kann dann grundrechtswahrend ausgeübt werden. Gleiches gilt grundsätzlich, wenn eine Rechtsmaterie Gegenstand der Kompetenznorm ist. 6 2 2 Regelmäßig kommt es nur dann zu einer Kollision, wenn eine Kompetenznorm ein bestimmtes Rechtsinstitut enthält, dem eine grundrechtsbeschränkende Wirkung notwendig immanent ist, so bspw. den Finanzmonopolen in Art. 105ff. G G . 6 2 3 Dies ergibt sich allerdings
613 B. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (431 ff.). 614 Weitergehende Auseinandersetzung mit den Argumenten von Mahrenholz-Bökkenförde bei B. Pieroth, A ö R Bd. 114 (1989), S. 422 (431 ff.) 615 Beispiel bei Th. Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 118. 616 B. Pieroth, a.a.O., S. 433. 617 Sondervotum Mahrenholz-Böckenförde, BVerfGE 69, 57 ff. 618 Vgl. Th. Wülfing, a.a.O., S. 120. 619 Th. Wülfing, a.a.O., S. 122. 620 B. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (439). 621 B. Pieroth, a.a.O., S. 440. 622 B. Pieroth, a.a.O., S. 440. 623 B. Pieroth, AöR Bd. 114 (1989), S. 422 (440).
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
nicht immer aus dem Wortlaut einer Kompetenznorm und muß dann mit den normalen Hilfsmitteln der Interpretation ermittelt werden. 624 Sofern eine Kollisionslage besteht, ist die Lösung regelmäßig darin zu sehen, daß alle einschlägigen Normen möglichst vollständig zu berücksichtigen sind. 625 Dabei wird die Abwägung von dem Gesichtspunkt beeinflußt, daß Kompetenznormen in erster Linie ein organisatorisches „Entscheidungsziel" haben, während der materiell-rechtliche Gehalt nur eine Sekundärfunktion darstellt. 626 Freiheitsverkürzungen durch Kompetenznormen können daher nur in dem zur Wahrnehmung der Kompetenz unerläßlichem Maße zulässig sein. 627 Unerläßlich sind sie dann, wenn andernfalls der Betrieb des Rechtsinstituts zusammenbrechen würde. 6 2 8 2. Ergibt sich aus dem Begriff „Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG eine Ermächtigung zu Eingriffen in grundrechtliche Positionen? Um demnach ein Ausschließlichkeitsrecht der Bundespost aus Art. 87 Abs. 1 GG herleiten zu können, muß diese Vorschrift ein Rechtsinstitut enthalten, dem die Grundrechtsbeschränkung notwendig immanent ist. Art. 87 Abs. 1 GG selbst spricht im Gegensatz bspw. zu Art. 105 Abs. 1 GG nur von der „Bundespost". Ob damit eine immanente Grundrechtsbeschränkung verbunden ist, läßt sich dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 GG nicht entnehmen. Eine Grundrechtsbeschränkung wäre dem Begriff „Bundespost" daher nur dann immanent, wenn sich mit diesem Begriff zugleich das ungeschriebene Wort „Fernmeldemonopol" verbindet. Ob dies der Fall ist, ist mit Hilfe der sonstigen Auslegungsmethoden zu ermitteln. Vereinzelt wird behauptet, daß die Systematik zwischen Art. 73 Nr. 7 und Art. 87 Abs. 1 GG dafür spreche, ein „Begriffsminimum" des Postmonopols für verfassungsrechtlich gerechtfertigt anzusehen.629 Nähere Begründungen hierfür werden jedoch nicht geliefert. Daher läßt sich bereits ebensogut vertreten, daß auch eine Zusammenschau von Art. 87 Abs. 1 GG mit Art. 73 624
B. Pieroth, a.a.O., S. 447. B. Pieroth, a.a.O., S. 442; vgl. ferner M. Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 230 f. Zum Prinzip der „praktischen Konkordanz" K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, Rdnrn. 317 ff. 626 B. Pieroth, a.a.O., S. 442; früher bereits Chr. Pestalozza, Der Staat Bd. 11 (1972), S. 161 (183). 627 B. Pieroth, a.a.O., S. 442; Th. Wülfing, a.a.O., S. 130; Chr. Pestalozza, a.a.O., S. 183 f. 628 Th. Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 130, in Anlehnung an BVerfG, NJW 1976, 37. β» So B. Pieroth, A ö R Bd. 114 (1989), S. 422 (447); A. Bleckmann, D Ö V 1983, 129 f. 625
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
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Nr. 7 GG keinen Anhaltspunkt für ein staatliches Alleinrecht zum Betrieb des Fernmeldewesens ergibt. Deutlich gegen eine derartige Annahme spricht aber, daß Art. 87 Abs. 1 schon in sich völlig heterogene Materien regelt. 630 Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man zusätzlich Art. 10 GG heranzieht. 631 Das in Art. 10 GG garantierte Fernmeldegeheimnis ist Folge des (einfachgesetzlichen) Monopols, weil der Einzelne gerade wegen staatlicher Monopolrechte nicht umhin kann, sich bei der Nachrichtenübermittlung der von der Post angebotenen Dienste zu bedienen. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses nur durch ein staatliches Monopol gewährleistet werden kann. Zum einen steht bei dem heutigen Stand der Technik nicht fest, daß eine staatliche Nachrichtenübertragung gegen unbefugte Eingriffe überhaupt besser geschützt ist als eine private. 632 Zum anderen kann ein Fernmeldegeheimnis seine Wirkung nicht nur gegenüber dem Staat, sondern (aufgrund strafrechtlicher Bestimmungen) auch gegenüber jedwedem Dritten entfalten. 633 Die Existenz und der Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses besagen daher nichts über den Verpflichteten und seinen Aufgabenbereich. Herkömmlicherweise wird denn auch die historische Sichtweise zur Begründung bemüht, daß in Art. 87 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtliches Fernmeldemonopol enthalten sei. Zum einen wird darauf verwiesen, daß der Grundgesetzgeber ein bereits 60 Jahre altes Fernmeldemonopol vorgefunden und gebilligt habe. 634 Daß sich den Entstehungsmaterialien des Grundgesetzes hierzu nichts entnehmen lasse, schade nicht. Durch Art. 73 Nr. 7, Art. 87 Abs. 1 GG sei der Bundespost die Besorgung des Fernmeldewesens aufgegeben. Weil aber die Entstehungsmaterialien schwiegen, müsse der Inhalt des Begriffs „Fernmeldewesen" aus der dem Grundgesetz vorausgegangenen einfachen Gesetzeslage bestimmt werden. 635 Das einfache Gesetz und das darin enthaltene Fernmeldemonopol bestimme daher den Inhalt der Verfassung. 636
630
Vgl. E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 32. Vgl. F. Ossenbühl, Festschrift R. Lukes, 1989, S. 525 (529); Λ. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 44; A. Arndt, APF 1970, 3 (5f.). Α . Α . P. Badura, JbDBP 1977, 76 (150), sowie wohl Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (563ff.). 632 A. Hesse, a.a.O., S. 44. 633 F. Ossenbühl, a.a.O., S. 529. 63 4 Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (567); F. Kirchhof, DVB1. 1984, 657 (658); U. Wussow, R i A 1981, 107; U Klingler, APF 1978, 184 (189); jetzt wieder D. MüllerUsing, in: Fuhr-Rudolf-Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, 1989, S. 213 (217 ff.). 635 In diese Richtung D. Müller-Using, a.a.O., S. 217. 636 So vor allem F. Kirchhof, a.a.O., S. 658; ihm folgend Roßnagel-Wedde, a.a.O., S. 567f. 631
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Es ist zwar nicht von vorneherein ausgeschlossen, das einfache vorkonstitutionelle Gesetzesrecht bei der Auslegung von Verfassungsbegriffen des Grundgesetzes heranzuziehen. Es wurde aber auch bereits dargelegt, daß dies nur insoweit gelten kann, als nicht ein „Überschießen" über die entsprechende Verfassungsnorm der Vorgängerverfassung festzustellen ist. 6 3 7 Andernfalls käme es zur „Gesetzmäßigkeit der Verfassung". Die entsprechenden Normen der Vorgängerverfassungen selbst enthielten aber kein Fernmeldemonopol. 638 Hätte der Grundgesetzgeber hiervon abweichend eine verfassungsrechtliche Verfestigung des Fernmeldemonopols gewollt, so hätte er dies ausdrücklich kundtun müssen, zumal es unmittelbar vor Inkrafttreten des Grundgesetzes Einbrüche in die bis dahin umfassenden Regelungsbefugnisse des § 1 Abs. 1 F A G gegeben hatte. 639 Das Schweigen des Grundgesetzgebers läßt sich daher, sofern man der These der Rezeption der vorgrundgesetzlichen Rechtslage überhaupt folgen will, nur dahin deuten, daß die Rechtslage, so wie sie vor Inkrafttreten des Grundgesetzes bestand, übernommen werden sollte. Die vorgrundgesetzliche Rechtslage aber kannte nur ein einfachgesetzliches Fernmeldemonopol, so daß auch nur ein Fernmeldemonopol mit einfachem Gesetzesrang (und damit grundsätzlich aufhebbar) unter der Voraussetzung des Art. 123 Abs. 1 GG rezipiert worden ist. Es gibt aber noch weitere historische Gründe gegen die Annahme eines verfassungsrechtlich verfestigten Fernmeldemonopols aus Art. 87 Abs. 1 GG. So ist zu bedenken, daß die ebenfalls in Art. 87 Abs. 1 GG genannte Bundesbahn bis 1937 in privater Rechtsform betrieben wurde und daß private Eisenbahnen nicht als verfassungsrechtlich unzulässig gelten; es gibt sie in großer Zahl. 6 4 0 Im Postbereich hat es schon immer private Wettbewerber gegeben. Lediglich bei Briefen existiert ein Beförderungsvorbehalt (§ 2 PostG). Und auch im Fernmeldewesen hat es Wettbewerbsbereiche gegeben, so schon seit Anfang dieses Jahrhunderts bei Nebenstellenanlagen. § 2 F A G und die dazugehörige Praxis zeigen, daß man schon historisch ein Monopol nicht für unerläßlich hielt. 6 4 1 Demnach spricht auch die historische Betrachtungsweise gegen ein verfassungsrechtlich verfestigtes Fernmeldemonopol. 642 Schließlich wird versucht, ein verfassungsrechtliches Fernmeldemonopol mit Sinn und Zweck des Art. 87 Abs. 1 GG zu begründen. 643 Schutzzweck des 637
Vgl. oben I I 2 c bb. 638 Vgl. oben I I I 3 a bb zu Art. 48 R V 1871, 3 g bb zu Art. 88 WRV. 639 Vgl. oben I I I 3 e. 640 E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 32. 641 E. Witte (Hrsg.), a.a.O., S. 32. 642 Vgl. F. Ossenbühl, Festschrift R. Lukes, 1989, S. 525 (532 ff.); E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 31 ff.;/. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 683ff.; A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 44ff.
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
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Art. 87 Abs. 1 GG sei zum einen die Sicherung der Grundrechte der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie des Fernmeldegeheimnisses und der Menschenwürde durch Gewährleistung einer ständigen, ungehinderten und unbeeinflußten Nachrichtenübermittlung. 644 Sichergestellt werde dies durch die unmittelbare Grundrechtsbindung der Verwaltung, durch die politische Leitungskompetenz des Ministers und seine parlamentarische Verantwortlichkeit. Private Diensteanbieter seien jedoch weder in gleichem Maße an Grundrechte gebunden, noch unterlägen sie der Weisungsbefugnis des politisch verantwortlichen Ministers; schließlich seien sie auch dem Parlament nicht verantwortlich. 645 Infolgedessen könne der von Art. 87 Abs. 1 GG verfolgte Schutzzweck bei einem unkontrollierten Angebot privater Telekommunikationsdienstleistungen nicht mehr gewährleistet werden. Darüber hinaus solle Art. 87 Abs. 1 GG die Gewährleistung der Gemeinwohlbindung im Fernmeldebereich sowie die demokratische Einflußnahme auf die Erfüllung der Gemeinwohlbindung sicherstellen. Hierfür sei aber ein Fernmeldemonopol erforderlich. 646 Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob der Schutzzweck des Art. 87 Abs. 1 GG darin bestehen kann, das Interesse des Bürgers an einer ungehinderten Nachrichtenübermittlung zu gewährleisten. Wenn Art. 87 Abs. 1 GG diese Schutzrichtung aufwiese, so führte das dazu, daß unter dem Deckmantel eines angeblichen effektiveren Schutzes der Grundrechte eine Kompetenzvorschrift gerade zur Einschränkbarkeit der Grundrechte außerhalb der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte herangezogen würde. So wäre bspw. Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, wenn einem privaten Dienstebetreiber unter Berufung auf Art. 87 Abs. 1 GG das Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen untersagt wäre. Verallgemeinert hieße dies, daß eine Ausübung der Grundrechte nur nach Maßgabe staatlicher Kompetenznormen in Betracht käme. Daß das mit der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat unvereinbar ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Das damit in Zusammenhang stehende Argument, daß private Diensteanbieter nicht in gleichem Maße wie die Bundespost der Grundrechtsbindung unterlägen, greift nicht. Im Rahmen eines Gleichordnungsverhältnisses, wie es zwischen Privaten grundsätzlich besteht, bedarf es des Schutzes gerade durch Grundrechte nicht in dem Maße wie im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Einzelnen und dem Staat; der Schutz wird vielmehr schon durch die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, ergänzt bspw. durch die Regelungen des AGB-Gesetzes, sowie durch das StGB hinreichend gewährleistet. Wenn nun der Staat in Erscheinung tritt, 643 644 645 646
So vor allem Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (564ff.). Roßnagel-Wedde, a.a.O., S. 567. Roßnagel-Wedde, a.a.O., S. 567. Roßnagel-Wedde, DVB1. 1988, 562 (567).
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D. Fernmelde verfassungsrecht
dann bedarf es der Grundrechte (als Abwehrrechte). Grundrechte erfordern aber grundsätzlich nicht, daß der Staat als Verpflichteter in Erscheinung tritt. 6 4 7 Der Hinweis auf die Erforderlichkeit eines Fernmeldemonopols, um die Gemeinwohlbindung verbunden mit einer demokratischer Einflußnahme aufgrund parlamentarischer Kontrollen zu gewährleisten, kann einen Grund darstellen, das Post- und Fernmeldewesen in staatlicher Hand zu behalten, 648 reicht aber ebenfalls nicht aus, zugleich ein in Art. 87 Abs. 1 GG angelegtes Fernmeldemonopol zu begründen. Erforderlich für eine derartige Annahme ist vielmehr, daß die Aufgabenstellung „Wahrnehmung des Fernmeldewesens" untrennbar mit einem Fernmeldemonopol verbunden ist, weil sie andernfalls nicht sinnvoll ausgeübt werden könnte. 6 4 9 Das aber ist nur dann der Fall, wenn es sich beim Fernmeldewesen um eine genuine Staatsauf gäbe handelt, die kraft Natur der Sache nicht dem freien Markt überlassen werden kann. Ein Blick auf die Telekommunikationslandschaft anderer Staaten (USA, Großbritannien) belegt aber, daß das Fernmelde wesen auch durch Private betrieben werden kann. 6 5 0 Demnach handelt es sich beim Fernmeldewesen nicht um eine Aufgabe, die aufgrund ihrer Eigenart sinnvollerweise nur vom Staat wahrnehmbar ist. 6 5 1 Dann aber ergibt sich auch aus Sinn und Zweck des Art. 87 Abs. 1 GG nichts für die Annahme, daß diese Vorschrift ein verfassungsrechtliches Fernmeldemonopol enthält. Schließlich gibt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Verwaltungsmonopolen 652 für ein in Art. 87 Abs. 1 GG verankertes Fernmeldemonopol nichts her. Nach ihr genügt nicht die bloße Existenz eines staatlichen Monopols in der Zeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes. Vielmehr muß die Anerkennung und Billigung eines vorkonstitutionellen Monopols im Grundgesetz zum Ausdruck kommen. Bejaht wurde dies bei Finanz- 653 sowie bei Gebäude Versicherungsmonopolen. 654 Im ersteren Fall ergab sich die verfassungsrechtliche Gewährleistung schon aus dem Wortlaut des Grundgesetzes (vgl. Art. 105 Abs. 1 GG). Im letzteren Fall folgerte das Gericht die Gewährleistung aus der Beschränkung der Gesetzgebungskompe647
Insoweit ebenso H. Fangmann, R D V 1988, 53 (62). In diese Richtung D. Müller-Using, a.a.O., S. 220. Ähnliches gilt für die Schlagwörter „Daseinsvorsorge", „Befriedigung der Kommunikationsbedürfnisse des Gemeinwesens", „Infrastrukturverpflichtungen" u. ä. 649 Vgl. F. Ossenbühl, a.a.O., S. 542. 650 So schon A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, S. 47f. 651 A. Hesse, a.a.O., S. 48; im Ergebnis auch F. Ossenbühl, a.a.O., S. 544. 652 BVerfGE 14, 105ff.; 21, 245 (248ff.); 21, 261 (266 ff.); 21, 271 (280ff.); 4 1 > 2 ^ (223 ff.). 653 Dazu BVerfGE 14, 105 (111). 654 BVerfGE 41, 205 (223ff.). 648
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tenz des Bundes auf das privatrechtliche Versicherungswesen (Art. 74 Nr. 11 GG), die sinnlos wäre, wenn nicht die bei Schaffung des Grundgesetzes im Bereich der Länder verbliebenen öffentlich-rechtlichen Versicherungsmonopole hätten erhalten bleiben sollen. 655 Dagegen wurde im Fall des zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits etwa 20 Jahre bestehenden Arbeitsvermittlungsmonopols die verfassungsrechtliche Gewährleistung abgelehnt, weil Art. 74 Nr. 12 GG nur allgemein von der Arbeitsvermittlung spreche und Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG nur die verfassungsrechtliche Grundlage für die Errichtung von Bundesanstalten überhaupt gebe. 656 Aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Direktrufentscheidung 657 läßt sich entnehmen, daß das Gericht nicht von einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Fernmeldemonopol ausgeht. Zwar findet sich zu Beginn der Begründetheitsprüfung die Feststellung, daß „von der Bedeutung des Fernmeldemonopols der Bundespost für die Entscheidung der durch die Verfassungsbeschwerden aufgeworfenen Fragen" abgesehen werde. 658 Hätte das Gericht damit aber ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Fernmeldemonopol gemeint, so hätte es zur anschließenden Grundrechtsprüfung nicht ohne Abweichen von seiner bisherigen Monopolrechtsprechung, die eine derartige Prüfung ausschloß, kommen können. Es erscheint aber unwahrscheinlich, daß das Gericht eine Änderung seiner Rechtsprechung ohne Begründung, aber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine vorangegangene Monopolrechtsprechung 659 vorgenommen hätte. Die anschließende Prüfung vor allem anhand von Art. 12 Abs. 1 GG belegt, daß das Gericht sich hieran nicht durch ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Fernmeldemonopol gehindert sieht; 660 seine Ausführungen zu Beginn der Begründetheitsprüfung beziehen sich auf das (damals umfassende) einfachgesetzliche Fernmeldemonopol. 661 655
BVerfGE 41, 205 (223ff.). BVerfGE 21, 245 (248). H. Fangmann, R D V 1988, 53 (59) verkennt, daß sich die anschließenden Ausführungen des BVerfG nicht mehr auf eine verfassungsrechtliche Gewährleistung des Arbeitsvermittlungsmonopols beziehen, sondern vielmehr das einfachgesetzliche Arbeitsvermittlungsmonopol auf seine Vereinbarkeit mit Grundrechten geprüft wird. 657 BVerfGE 46, 120ff. 658 BVerfGE 46, 120 (136). 659 BVerfGE 46, 120 (136). 660 J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 687. Gegen Scherer, aber insoweit nicht überzeugend F. Ossenbühl, Festschrift R. Lukes, 1989, S. 525 (527 f.). 661 Das einfachgesetzliche Fernmeldemonopol konnte man sich in der Tat hinwegdenken, ohne zu einem anderen Ergebnis kommen zu müssen. Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der einschränkenden Regelungen der DirRufVO war nicht § 1 F A G a.F. mit dem in dieser Vorschrift enthaltenen Fernmeldemonopol (es fehlte an der Verordnungsermächtigung), sondern § 14 PostVwG. 656
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D. Fernmeldeverfassungsrecht
Die Direktrufentscheidung weist aber noch andere Hinweise dafür auf, daß das Bundesverfassungsgericht nicht von einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Fernmeldemonopol ausgeht. Das Gericht bezweifelte zum einen die Zulässigkeit einer Datenfernverarbeitung für Dritte durch die Bundespost, obwohl dies nicht entscheidungserheblich war. 6 6 2 Das Posteigentum an Modems wurde nur deshalb akzeptiert, weil es auf eine technische Übergangszeit begrenzt ist und eine Schnittstellenveränderung für die Benutzer aus Sicht des Gerichts noch belastender gewesen wäre. 663 Das in der DirRufVO enthaltene Vermittlungsverbot wurde nur deshalb für zulässig erachtet, weil es zum Zeitpunkt der Entscheidung technisch nicht möglich war, verkehrsabhängige Gebühren festzusetzen. 664 Schließlich wurde eine Einflußnahme auf die Endgeräte nur aus „fernmeldemäßigen" Gründen (bspw. Störfreiheit im Netz) akzeptiert. 665 A l l dies läßt sich, worauf die Regierungskommission Fernmeldewesen zu Recht hinweist, mit der These von einem verfassungsrechtlich geforderten Monopol kaum vereinbaren. 666 Die vereinzelt 667 vorgenommene Heranziehung der Grundsätze der rundfunkrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung der gegenteiligen Auffassung vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Der Rundfunk zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß er infolge seiner Verbreitungstechnik (auch) einen eminenten Faktor der öffentlichen Meinungsbildung darstellt. 668 Daher bedarf es gesetzgeberischer Vorkehrungen, um die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten. 669 Die Chancen der Einflußnahme auf die individuelle und öffentliche Meinungsbildung mit Hilfe der sonstigen Telekommunikationsdienste sind aber gegenüber dem Rundfunk ungleich geringer. Die Überlegungen, die im Bereich des Rundfunks ihre Berechtigung haben mögen, sind deshalb auf das sonstige Fernmeldewesen nicht übertragbar. 670 Nach alledem enthält Art. 87 Abs. 1 GG zwar das Rechtsinstitut „Bundespost". Damit geht aber nicht zwingend eine Grundrechtsbeeinträchtigung einher, weil sich mit dem Begriff „Bundespost" nicht zugleich der (ungeschriebene) Begriff „Fernmeldemonopol" verbindet. Von der Verfassung wird ein Fernmeldemonopol nicht gefordert. Es ist daher Sache des Gesetzgebers, wie
662 663 664 665
BVerfGE 46, 120 (151 f.). BVerfGE 46, 120 (147f.). BVerfGE 46, 120 (143). Vgl. BVerfGE 46, 120 (155). 666 E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 33. 667 H. Fangmann, R D V 1988, 53 (58f.). 668 Statt aller BVerfGE 12, 205 (260). 669 BVerfGE 57, 295ff. 670 Vgl. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, 1985, S. 714 m.w.Nachw.
IX. Die Bedeutung des Art. 87 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der DBP
273
er die Telekommunikationslandschaft rechtlich gestaltet. Inwieweit hierzu auch ein Fernmeldemonopol zulässig ist, ergibt sich aus einer Prüfung anhand der durch ein gesetzliches Fernmeldemonopol berührten Grundrechte. 671 Je eher die Gefahr besteht, daß durch privaten Wettbewerb die Verpflichtung des Bundes zur Ausübung der Kompetenz aus Art. 87 Abs. 1 GG unmöglich gemacht wird, umso eher wird man gesetzliche Regelungen, die dieser Gefahr begegnen wollen, auch angesichts der Grundrechte für zulässig erachten können. 6 7 2 Zu bedenken ist aber, daß es jedenfalls im gegenwärtigen Zeitraum nicht so sehr darum geht, die Bundespost vor privaten Wettbewerbern zu schützen, sondern vielmehr umgekehrt private Wettbewerber vor der Deutschen Bundespost.
671 Dazu vor allem A. Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984; ferner E. Witte (Hrsg.), Neuordnung der Telekommunikation, 1987, S. 34ff.; W. Schatzschneider, Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?, 1988, S. 27ff.; A Eidenmüller, D Ö V 1985, 522ff. 672 So jedenfalls im Ergebnis F. Ossenbühl, a.a.O., S. 546; W. Schatzschneider, a.a.O., S. 29; E. Witte (Hrsg.), a.a.O.,S. 35; A Hesse, Die Verfassungsmäßigkeit des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost, 1984, passim; wohl auch E. Wiechert, JbDBP 1986, 119ff. A . A . A. Eidenmüller, D Ö V 1985, 522ff.
18 Köbele
Zusammenfassung
1. Telekommunikation und Datenverarbeitung waren ursprünglich getrennte Bereiche, die zudem eine unterschiedliche rechtlichen Regelungsdichte aufwiesen. Durch das Aufkommen der Telematik wird die bisherige Trennung technisch aufgehoben. Solange aber beide Bereiche rechtlich unterschiedlich geregelt sind, ist eine rechtliche Grenzziehung zwischen beiden Bereichen erforderlich. 2. Ziel ausländischer Regelungsmodelle ist die Öffnung beider Bereiche für den Wettbewerb mit sich anschließender wettbewerblicher Aufsicht. Übergangsweise wird der Telekommunikationsbereich dem Wettbewerb geöffnet, dem Telekommunikationsbetreiber der Zutritt zum Bereich der Datenverarbeitung aber nur in eingeschränktem Maße gestattet, um Wettbewerbs Verzerrungen im Bereich der Datenverarbeitung aufgrund der Marktmächtigkeit des Telekommunikationsbetreibers zu verhindern. 3. Abweichend hiervon soll in der Bundesrepublik Deutschland der Zugang Privater zum Telekommunikationsbereich über das Institut der Gebühr geregelt werden. Die Ausdehnung des Telekommunikationsbetreibers Bundespost in den Bereich der Datenverarbeitung wird dagegen bisher nicht problematisiert. 4. Durch die „Postreform" sind zwar auch Änderungen im Bereich des Fernmeldewesens erfolgt. Der Anwendungsbereich des Gesetzes über Fernmeldeanlagen bestimmt sich jedoch nach wie vor nach dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Fernmeldeanlage. 5. Der Begriff der Fernmeldeanlage in § 1 Abs. 1 F A G ist ein Oberbegriff, die nachfolgenden „Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten", „Fernsprechanlagen" und „Funkanlagen" sind Beispielsfälle ohne abschließenden Charakter. 6. Der Begriff „Fernmeldeanlage" ist inhaltlich durch höchstrichterliche Rechtsprechung aufgefüllt worden. Danach ist eine Anlage dann eine Fernmeldeanlage, wenn sie - eine Nachricht übermittelt - die Übermittlung körperlos erfolgt - die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wiedererzeugt werden.
Zusammenfassung
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Die Begriffe „Nachricht" und „Übermittlung" sind von der Rechtsprechung nicht näher erläutert worden. 7. Eine „Nachricht" im fernmelderechtlichen Sinn ist die Zusammenstellung von zwischen Sender und Empfänger verabredeter Zeichen, die bei der Übermittlung durch physikalische Zustände repräsentiert werden. 8. Unter dem Begriff „Übermittlung" ist der unkörperliche Transport von Nachrichten über eine räumliche Distanz zu verstehen. Bloße Protokollumwandlungen stehen der Annahme einer Übermittlung nicht entgegen. Eine Nachrichtenspeicherung zählt dann zur Übermittlung, wenn sie die schnellstmögliche Übermittlung überhaupt erst ermöglicht. Ist der Übermittlungsvorgang bereits abgeschlossen, stellt eine Nachrichtenspeicherung ein aliud zur Nachrichtenübermittlung dar. Nicht zur Nachrichtenübermittlung zählt die Nachrichtenproduktion und die Nachrichtenverarbeitung. 9. Eine Differenzierung nach Netzen und Endgeräten läßt sich dem Fernmeldeanlagenbegriff nicht entnehmen; er umfaßt vielmehr beides gleichermaßen. 10. Infolgedessen würden durch die voranschreitende Integration von Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenverarbeitung auch solche Anlagen vom Fernmeldeanlagenbegriff vollständig erfaßt, bei denen die Übermittlungsfunktion nur eine von mehreren Funktionen darstellt. Der Bundespost wären Regelungsmöglichkeiten bei technischen Geräten eröffnet, die mit Fernmelden nichts zu tun haben. 11. Fernmeldeanlagen sind daher nur solche Anlagen, die der Übermittlung von Nachrichten dienen, diese am Empfangsort wiedererzeugen und daneben nicht noch eigenständige Funktionen in der gleichen Anlage aufweisen, die von der Übermittlungsfunktion unabhängig sind. 12. „Funkanlagen" sind nur solche Anlagen, bei denen die Übermittlung hochfrequent ( > 10 kHz) erfolgt. Niederfrequente Übermittlungsformen jeglicher Art fallen nicht unter den Begriff der Funkanlagen und sind infolgedessen auch kein Rundfunk. Unerheblich ist dagegen, ob die Übermittlung leitungsgebunden erfolgt oder nicht. 13. Radargeräte und „Radarwarngeräte" sind keine Funkanlagen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 FAG, weil sie keine Nachrichten übermitteln können. Auf sie findet vielmehr das Hochfrequenzgerätegesetz Anwendung, so daß ihr ungenehmigter Betrieb eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 HFrG darstellt. 14. Datenverarbeitungsanlagen mitsamt Modems fallen überhaupt nicht, Fernwirkanlagen nur in Ausnahmefällen unter den Fernmeldeanlagenbegriff. Es bedarf daher neuer, differenzierenderer Regelungen seitens des Gesetzgebers. 18*
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Zusammenfassung
15. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für neue fernmelderechtliche Regelungen ergeben sich in erster Linie aus einer Interpretation des Begriffs „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG. 16. Bei der Auslegung von Kompetenznormen des Grundgesetzes kommt der Entstehungsgeschichte der Norm nicht lediglich untergeordnete Bedeutung zu. 17. Bei der entstehungsgeschichtlichen Interpretation grundgesetzlicher Vorschriften können entsprechende Vorschriften der Vorläuferverfassungen des Grundgesetzes dann herangezogen werden, wenn sie annähernd gleich lauten. Bei einfachen Gesetzen, die unter dem Geltungsbereich einer Vorgängerverfassung des Grundgesetzes entstanden sind, kann ihr Rechtsgrundsatzgehalt dann herangezogen werden, wenn Identität mit dem feststellbaren Gehalt vorhergehender Verfassungsnormen besteht. Eine vollständige Heranziehung kommt nur dann in Betracht, wenn eine ausdrückliche Rezeption des grundgesetzlichen Verfassungsgebers vorliegt, da es andernfalls zur „Gesetzmäßigkeit der Verfassung" käme. 18. Die Berücksichtigung der früheren Staatspraxis kann nur vorsichtig erfolgen, da diese nicht in Einklang mit damals geltendem Verfassungsrecht gestanden haben muß. 19. Die Entstehungsgeschichte des Fernmeldewesens ergibt, daß die Post immer versucht hat, im Fernmelde wesen allein tätig zu sein und insbesondere private Konkurrenten auszuschließen. Rechtswidriges Verhalten wurde teilweise bewußt in Kauf genommen. Zu gesetzlichen Regelungen kam es immer dann, wenn sich der alleinige Betrieb des Fernmeldewesens durch die Post Widerständen ausgesetzt sah, die sie allein nicht überwinden konnte. Einbrüche in diese Monopolstellung gab es bis zum Inkrafttreten des Poststrukturgesetzes nur aufgrund „außerdeutscher" Vorstellungen. 20. Ein Allein recht der Post zum Betrieb des Fernmeldewesens hat es erst seit dem Inkrafttreten des Telegraphengesetzes 1892 gegeben. Zu einer verfassungsrechtlichen Verfestigung dieses Alleinrechts ist es nie gekommen. 21. Die entstehungsgeschichtliche Interpretation des Begriffs „Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG ergibt desweiteren, daß der Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen auf die Übermittlung von Nachrichten beschränkt ist. Bestätigt wird dies durch die systematische und die teleologische Interpretation, sowie höchstrichterliche Rechtsprechung. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs kommt daneben nicht in Betracht. 22. Der Begriff der Übermittlung im verfassungsrechtlichen Verständnis ist mit dem des einfachen Gesetzes identisch.
Zusammenfassung
23. Regelungen, die die Zulassung von Endgeräten betreffen, sind aufgrund Art. 73 Nr. 7 zulässig: - zur Verhinderung von physischen Schäden am Netz und bei ihren Benutzern oder Dritten - zur Verhinderung von Störungen der Kommunikation anderer Netzbenutzer - zur Standardisierung nur insoweit, als sichergestellt wird, daß ein Transport der Nachricht erfolgen kann (Ebenen 1 - 3 des 7-Schichtenmodells der ISO). 24. Der Betrieb von Fernsprechauftrags- und -ansagediensten sowie von Bildschirmtext und Telebox durch die Bundespost in ihrer jetzigen Form ist verfassungsrechtlich schon deshalb unzulässig, weil es an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG fehlt. 25. Sofern eine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 7 GG besteht, ist auch die Verwaltungskompetenz aus Art. 87 Abs. 1 GG gegeben; letztere bleibt nicht etwa hinter ersterer zurück. 26. Art. 87 Abs. 1 GG weist zuständigkeits-, organisations- sowie aufgabenrechtliche Gehalte auf. Hingegen fehlt es an einem ermächtigungsrechtlichen Gehalt dieser Vorschrift. Insbesondere enthält Art. 87 Abs. 1 GG kein verfassungsrechtlich gewährleistetes Fernmeldemonopol.
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